Die totale Überwachung?
In Südkorea sind Eltern seit Kurzem verpflichtet, eine Überwachungs-App zu installieren, wenn Kinder unter 19 Jahren ein neues Smartphone erhalten. Die bekannteste dieser Apps heißt „Smart Sheriff“. Sie informiert die Eltern über den Aufenthaltsort ihres Kindes und darüber, welche Programme es nutzt und welche Websites es besucht. Außerdem schlägt sie Alarm, wenn Suchbegriffe wie „Selbstmord“ oder „Schwangerschaft“ eingegeben werden. Die Eltern können von ihrem Smartphone aus Programme blockieren – etwa wenn das Kind länger spielt als abgemacht. Apps wie diese gibt es überall, dass aber Eltern zu ihrer Nutzung verpflichtet werden, ist bisher nur in Südkorea der Fall.
Viele koreanische Eltern freuen sich über die Möglichkeiten der App und nutzen sie. Andere kritisieren die Überwachung der Kinder und umgehen die gesetzlichen Vorgaben, indem sie ihrem Kind ihr Zweithandy überlassen. Kritiker sehen die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche mit dem Bewusstsein aufwachsen, dass die Überwachung ihrer Internetaktivitäten etwas ganz Normales sei.
Natürlich müssen Eltern ihre Kinder schützen. Und Smartphones bieten viel Gefährdungspotenzial, zumal immer jüngere Kinder mit diesen Geräten „ausgestattet“ werden. In einer Umfrage gaben 11 Prozent der deutschen Eltern an, ihrem Kind ein Handy oder Smartphone in die Schultüte zu stecken. In Südkorea sehen die Zahlen anders aus: Hier haben bereits 72 Prozent der Grundschüler ein Smartphone.
Wie im echten Leben kann man Kinder nicht vor allem schützen und bewahren. Aber Eltern dürfen auch nicht die Augen vor den Gefahren des Internets verschließen und hoffen, dass schon nichts passieren wird. Kinder und Jugendliche zu überwachen, kann aber nicht die Lösung sein. Stattdessen sind Eltern gefordert, Medienerziehung zu leisten.
Im Grunde ist es wie mit der Verkehrssicherheit: Die Eltern zeigen ihren Kindern, worauf sie beim Überqueren der Straße achten müssen. Sie machen es ihnen vor, begleiten sie, üben mit ihnen. Und wenn sie sicher sind, dass Max und Anna allein die Straße überqueren können, dürfen sie auch allein zur Schule gehen – am Anfang vielleicht noch mit einer Warnweste ausgestattet. Allerdings würde man einem Erstklässler auch kein Motorrad als Vehikel für die Fahrt zur Schule anvertrauen.
So ist es auch mit der Medienerziehung: Das Vorbild der Eltern und das gemeinsame Üben, wie das Internet funktioniert und welche Risiken es birgt – zum Beispiel am heimischen PC -, sind die Voraussetzung, dass ein Kind oder Teenie irgendwann allein ins Internet geschickt werden kann. So wie die Warnweste kann hier ein Jugendschutzprogramm hilfreich sein, das es auch für Smartphones gibt (z.B. Vodafone Child Protect). Und so wie man ein Grundschulkind nicht mit dem Motorrad zur Schule schicken würde, sollte man ihm auch kein Smartphone mitgeben.
Und wenn es dann doch so weit ist, hilft ein „Vertrag“, gute Regeln für die Smartphone-Nutzung aufzustellen. Beispiele dafür findet man hier: www.mediennutzungsvertrag.de. Gleiches gilt für soziale Netzwerke. Auch hier sind Regeln wichtig: Welche Fotos dürfen gepostet werden? Außerdem sollten Eltern mit ihren Kindern und Jugendlichen im Gespräch bleiben. Sich zeigen lassen, was die Freundin bei Instagram gepostet hat. Gemeinsam über Youtube-Videos lachen oder diskutieren. Eine komplette Überwachung halte ich aber nicht für sinnvoll. Ich schnüffel ja auch nicht im Tagebuch meiner Kinder herum.
Bettina Wendland
Family-Redakteurin
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