Elternzeit im Van: Paar fährt mit vier Monate altem Baby quer durch Schweden
Zwei Monate lang war Annabel mit ihrem Mann und ihrem frischgeborenen Sohn in Skandinavien unterwegs. Im umgebauten Van hat die Familie zu sich selbst gefunden.
Das Jahr 2020 war alles andere als gewöhnlich für mich. Zum einen erfüllten mein Mann und ich uns einen Traum und bauten einen Transporter zu einem Campervan aus. Zum anderen nahm parallel zum Baufortschritt meine Babybauchkugel immer mehr Form an. Niemals hätte ich gedacht, dass die Projekte „Vanlife“ und „Familiengründung“ so perfekt zusammenpassen würden. Und niemals hätte ich geglaubt, dass unser Van „Knut“ das erste Zuhause für uns als Familie werden würde.
„Schweden war das Beste, was uns passieren konnte“
Im Februar 2021 kam unser Sohn Pepe zur Welt. Im vierten und fünften Lebensmonat von Pepe nahmen mein Mann und ich zwei Monate Elternzeit. Wir wollten mit Knut verreisen, das stand fest. Aufgrund der Corona-Situation konnten wir im Voraus nicht viel planen. Schließlich landeten wir in Schweden – und das war das Beste, was uns passieren konnte.
In Schweden gilt das „Allemansrätt“, das Jedermannsrecht. Demnach hat jeder das Recht, die Natur frei zu nutzen. Dazu zählt unter anderem auch das Campen in der Wildnis. Entlang der Küste und an den fünf größten Seen Schwedens ist es außerdem möglich, kostenlos und ohne Angelschein zu angeln. An vielen offiziellen Badestellen des Landes gibt es Feuerstellen und ein Plumpsklo – ein absoluter Luxus für uns, wenn man bedenkt, dass unsere Toilette inmitten unseres elf Quadratmeter großen Zuhauses verbaut ist. Manchmal findet man auch eine gemütlich eingerichtete Schutzhütte oder – eines unserer Highlights auf der Reise – eine Sauna: alles frei und kostenlos zugänglich. In Sachen Gastfreundschaft sind sie nicht zu übertreffen, die Schweden.
Klar ist, dass das Allemansrätt mein Camperherz höherschlagen lässt. Ich habe es geliebt, unseren Knut am See-, Meer- oder Flussufer zu parken und quasi vom Bett direkt ins kühle Nass springen zu können. Ein Traum! Und obwohl ich jedes Mal davon überzeugt war, den schönsten Stellplatz der Welt gefunden zu haben, wurde es immer noch besser.
Frühstück in Stockholm und Lagerfeuerabende
Für unsere Elternzeit-Reise hatten wir insgesamt neun Wochen Zeit. Eine feste Route gab es nicht. Ich wollte unbedingt den Polarkreis überfahren, um den Moment zu erleben, wenn die Sonne auch nachts noch hoch am Himmel steht. Wir fuhren also immer der Sonne hinterher in Richtung Norden – so lange, bis wir den Polarkreis überquerten und schließlich nach knapp vier Wochen am nördlichsten Teil Schwedens ankamen. Auf dem Weg dorthin frühstückten wir in Stockholm, jagten Schnäppchen in unzähligen Secondhand-Läden, bestaunten Rentiere auf der Straße, lernten angeln, wanderten durch beeindruckende Nationalparks und verbrachten Lagerfeuerabende mit anderen Elternzeit-Reisenden.
Im zweiten Monat der Tour ließen wir uns nach Lust und Laune wieder in Richtung Süden treiben. Auf der Höhe von Oslo überquerten wir die Grenze nach Norwegen, was uns aufgrund der Corona-Einreisebestimmungen zu einem früheren Zeitpunkt leider nicht möglich war. In den letzten zwei Wochen der Elternzeit legten wir einen intensiven Endspurt quer durch Südnorwegen hin und bekamen nicht selten den Mund vor Staunen nicht mehr zu. Die Landschaft Norwegens ist kaum zu übertreffen: majestätische Fjorde, unglaubliche Wasserfälle und beeindruckende Ausblicke. Doch noch mehr berührt hat uns die Einsamkeit und Entspanntheit Schwedens.
Kein Problem mit Baby
Wer versucht, unsere Reiseroute auf der Landkarte nachzuvollziehen und dabei die Kilometer überschlägt, fragt sich vermutlich, ob Pepe das alles einfach so mitgemacht hat. Ich staune noch immer selbst darüber, aber ja: Das hat er. Viel mehr sogar: Er hat die Nähe zu uns auf dem engen Wohnraum sehr genossen. Er liebt es bis heute, wenn wir am Wochenende mit Knut unterwegs sind, dass er im Van mitten im Geschehen sein darf und uns bei allem, was wir tun, beobachten kann.
Auch die Fahrtzeiten waren problemlos möglich, da Pepe noch sehr viel schlief und keinen festen Rhythmus hatte. Im Durchschnitt saßen wir zwei Stunden täglich hinter dem Steuer und nur in wenigen Fällen verbrachten wir mehr als eine Nacht an einem Ort. Dass all das so entspannt ablaufen würde, wussten wir vorher nicht. Aber wir gaben uns die Chance, es auszuprobieren – und ehrlich gesagt machten wir uns im Vorhinein nicht viele Gedanken über Eventualitäten. Es war wahrscheinlich eine Kombination aus Optimismus und Mut, die für sehr viel Gelassenheit und Genuss auf unserem Roadtrip mit Baby gesorgt hat.
Zu viel freie Zeit
Ein Leben auf elf Quadratmetern mit einem Säugling ist kuschelig. Sehr kuschelig. Manchmal zu kuschelig. Die ständige Nähe zu meinen zwei Männern forderte mich zu Beginn der Reise oftmals heraus. Ich erinnere mich noch sehr genau an einen Abend, als ich allein in einem Kajak in der Mitte des Sees saß. Die Sonne verschwand langsam am Horizont und der Himmel färbte sich feuerrot – ein wunderschöner Anblick. Doch ich nahm den Zauber des Ortes nicht wirklich wahr. Stattdessen kam ich ins Grübeln und zweifelte sogar die Idee dieser Reise an. Ich fühlte mich eingeengt und war überfordert mit der vielen freien Zeit. Mir fehlte es, Terminen nachzugehen und To-do-Listen abzuarbeiten. In anderen Worten: Ich war nicht ausgeglichen und suchte nach dem Ziel und Sinn unserer Auszeit.
Die Unruhe im Herzen führte dazu, dass ich begann, mich darauf zu besinnen, warum wir uns auf den Weg gemacht hatten. Ich beschloss, den Fokus mehr auf uns als Familie zu legen. Damit begann eine Reise, die abenteuerlicher und intensiver war als jeder andere Campingtrip, den mein Mann und ich zuvor erlebt hatten.
Angekommen als Familie
Wir lernten, bewusster über Wünsche und Bedürfnisse zu reden. Wir lernten auch zu erkennen, was wir wollen und was wir brauchen – und vor allem, wie wenig wir brauchen. Nach und nach kam ans Licht, wie wertvoll feste Abläufe und eine klare Aufgabenverteilung für unseren Reise- und damit auch Familienalltag sind. Außerdem erlebten wir, wie wichtig ein Ort wie Knut für uns ist, der Stabilität und Sicherheit vermittelt und mit dem wir uns auch unterwegs zu Hause fühlen.
Schweden war für diese ersten Seiten unseres neuen Kapitels als Familie mit Baby das perfekte Setting. Denn hier gab es wenig Ablenkung, viel Ruhe und Einsamkeit. Hier hatten wir nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, auch wenn wir uns nur um uns selbst drehten. Hier war genug Raum, um anzukommen. Bei uns als Eltern. Bei uns als Familie.
Am Ende hatten wir insgesamt 9.000 Kilometer mehr auf dem Tacho. Jeder einzelne hat sich gelohnt. Doch für die Qualität unserer Elternzeit-Reise spielten die Entfernung, das Tempo oder Ziel keine Rolle. Für uns war es wichtig, aufzubrechen, das Gewohnte hinter uns zu lassen, um bei uns als Familie anzukommen. Jetzt sind wir bereit für das nächste Kapitel!
Annabel Breitkreuz ist Mama von Pepe und Redakteurin. Auf ihrem Blog brezelzeit.com schreibt sie über ihren Start ins Familienleben zwischen Mikroabenteuern und gewöhnlichem Alltag.
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[…] mögliche Impftermine und U-Untersuchungen des Babys im Blick. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Sohn Pepe der entspannteste Reisebegleiter während unserer Elternzeit-Reise war, als er noch gestillt wurde […]
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