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Ein Paar, zwei Perspektiven: Brotdosen

DAS GLÜCK AUS DER TUPPERDOSE

Katharina Hullen füllt den Liebestank ihrer Familie mit Pausenbroten.

Katharina: Liebe geht durch den Magen. Das gilt für den romantischen Eheabend mit feinem Essen ebenso wie für den rustikalen Sauerkrauteintopf oder die schnöden Nudeln mit Tomatensoße, wenn sie mittags zur Begrüßung als Lieblingsessen auf dem Tisch stehen. Ich habe entdeckt, dass ich den Liebestank einzelner Familienmitglieder mit Essenszubereitung füllen kann. Kommt eines der Mädchen früher von der Schule nach Hause als die anderen und steht auf seinem Platz ein verzierter Teller mit geschnittenem Obst, dann bin ich mit Sicherheit – für den Moment „die beste Mama der Welt!“ Eine andere freut sich in gleicher Weise, wenn sie ein warmer Kakao und ein Keks erwartet. Unser viertes Kind stürmt nach dem Kindergarten ins Haus und schreit gleich lautstark nach seinem Apfel, und Hauke nimmt mich viel lieber zur Begrüßung in den Arm, wenn wir ihm noch etwas vom Mittagessen übriggelassen haben.

Mit diesem Wissen über die Macht der liebevollen Essenszubereitung stehe ich jeden Morgen auf und schlurfe in die Küche, um fünf Brotdosen und ihre Nutzer startklar für den Tag zu machen. Sie sind niemals Kunstwerke und absolut gewöhnlich, aber ich bemühe mich, für jeden Einzelnen das Lieblingsbrot mit dem Lieblingsaufschnitt und dem Lieblingsobst liebevoll angeordnet unterzubringen. Wer einen langen Tag hat, bekommt noch einige Lieblingskekse dazu, und wer eine Arbeit schreibt, den obligatorischen Traubenzucker. Für meinen Mann gibt es noch einen großen Kaffeebecher und ein Frühstücksbrot. Tatsächlich spannen wir unsere Kinder im Vergleich zu ihren Freunden im Haushalt recht umfangreich ein. Und bei vielen Aufgaben denke ich auch, dass es nur richtig und wichtig ist, wenn jeder in der Lage ist, zumindest seine Dinge zu erledigen. Natürlich sind die Kinder in der Lage, sich ihre Dosen selbst zu füllen. Ich bräuchte es nur kundzutun, dass diese Regel ab morgen gilt. Aber irgendwie stehen die Brotdosen auf meiner Aufgabenliste! Sie sind wie kleine Zettel, die man im Mäppchen oder der Arbeitstasche der Lieben versteckt und auf denen „Ich denke an dich!“ steht.

So ist es nicht das gleiche, wenn Papa mal diesen „Dienst“ übernimmt. Er, der ohnehin morgens um jede halbe Minute im Bett feilscht, wirft in jede Snackbox irgendein Brot mit irgendeinem Aufschnitt und viertelt vielleicht noch einen Apfel, den er auf die Kinderdosen aufteilt. Fertig! „Warum machen die sich eigentlich nicht selbst die Dosen? Ich hatte früher gar keine Dose, wenn ich mir nicht selbst was mitgenommen habe. Hat mir nicht geschadet, bis mittags nichts zu essen!“, höre ich ihn grummeln, während er sich (weil er ja nicht so lange für die Zubereitung braucht) noch einmal fünf Minuten neben mich legt. Mmh, er tut mir ein bisschen leid. Vielleicht kaufe ich ihm ein Steak für heute Abend …

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

PAUSENBROTE FÜR PRINZESSINNEN

Hauke Hullen ärgert sich über die liebevoll zubereiteten Zwischenmahlzeiten seiner Frau.

Hauke: Da steht sie auf dem Küchentisch: die Brotdose, liebevoll gefüllt von der besten Ehefrau und Mutter von allen. Was da zwischen den Plastikdeckeln liegt, ist lecker, gesund und im höchsten Maße ärgerlich!

Ganz ehrlich: Warum können sich unsere Kinder ihre Schulbrote nicht selbst schmieren? Warum stehen wir in aller Herrgottsfrühe auf den kalten Küchenfliesen und legen Salami auf Brotscheiben – eine Tätigkeit, die unsere Kinder genauso gut beherrschen wie wir?

All das ist die Folge eines Prozesses, der einem Suchtverhalten ähnelt. Angefangen hat es damals mit einer ganz kleinen Dosis, der niedlichen Brotdose für den Kindergarten. Nur ein halbes Brot. Nur ein paar Gurkenscheibchen. Nur für die KiTa-Zeit und stets in dem festen Glauben, jederzeit aufhören zu können. Ich äußerte erste Bedenken: Unser Mädchen frühstückt doch schon zu Hause, bekommt im KiGa ein zweites Frühstück gestellt, ist zum Mittagessen auch schon wieder daheim, muss es da wirklich noch eine zusätzliche … – es musste.

Im Laufe der Zeit brauchte meine Frau mehr Stoff, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Inzwischen werden 5 Dosen gefüllt, Kathi experimentiert auch mit anderen Substanzen herum, immer auf der Suche nach dem nächsten Glücksgefühl.

Nun, ich will die Drogen-Metapher nicht zu sehr strapazieren, auch will ich nicht auf die schwierige Symbolik eingehen, die ein von der Frau angebotener Apfel in frommen Kreisen hat. Doch festzuhalten ist, dass unsere Mädels morgens auf dem Sofa herumlungern, während wir ihre Brote schmieren – da stimmt doch was nicht! Zugegeben: ich bin nicht der hilfsbereiteste Mensch, vor allem, wenn ich Arbeiten übernehmen soll, die der andere locker selbst erledigen könnte. Dass ich meinen Kindern nur ungern die Brotdosen fülle, mag kaltherzig klingen – aber ich mähe auch nicht den Rasen für meine Nachbarn, damit diese mehr Zeit fürs Fernsehgucken haben.

Als Lehrer erlebe ich immer wieder Eltern, die es nicht geschafft haben, sich abzunabeln. Vergessene Hefte, Mützen und Handys werden den kleinen Prinzen und Prinzessinnen hinterhergetragen und auch gerne mitten im Unterricht überreicht. Ja, Brotdosen selbstverständlich auch. So was gab es damals nicht, als ich zur Schule ging, quasi direkt nach dem Krieg. Ich wurde auch nicht einmal von meinen Eltern mit dem Auto abgeholt, inzwischen reicht jedoch leichter Nieselregen, und … ach, Sie können es sich denken.

Schweife ich ab? Nein, ich glaube nicht. Während ich morgens zur Schule fahre, fallen mir viele Beispiele ein, die das Überbehüten der Eltern und die Unselbstständigkeit der Kinder illustrieren. So gesehen ist die Brotdose kein Zeichen der Liebe, sondern eher eine Fußfessel in Lillifee-Optik. „Schlimm!“, denke ich, und nehme einen Schluck Kaffee aus meinem Thermobecher, den mir meine Frau, dieser Schatz, schnell noch zugesteckt hat.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Wärme

FROSTBEULEN

Katharina Hullen friert auch im Sommer.

Katharina: Es hat geschneit. Der Garten ist ein Winterwunderland. Ich schaue aus dem Fenster, angelockt vom fröhlichen Gequieke unserer Mädchen, die der Schnee nach draußen gelockt hat. Und da sehe ich sie: fröhlich, ausgelassen, den Schnee mit beiden Händen einander zuwerfend und schon die erste Kugel des Schneemanns über den Boden rollend. Keine von ihnen trägt eine Jacke, eine Mütze oder einen Schal! Mittendrin in diesem Gewusel mein lieber Mann, ebenfalls ohne Jacke, wild verstrickt in eine tobende Schneeballschlacht.

Ist es wirklich nur das Mutter-Gen, das es mir unmöglich macht, nur diesen schönen idyllischen Moment zu sehen? Ich will auch da raus und zwar beladen mit Jacken, Mützen, Schals und der Ansprache, dass man bei -2 Grad nicht ohne Winterkleidung das Haus verlässt! Immerhin haben es die Füße doch auch noch in die Winterstiefel geschafft!

Habe ich einfach nur ein anderes Temperaturempfinden als der Rest meiner Familie? Das könnte sein: Alle anderen laufen immer auf Socken und in T-Shirts in der Wohnung herum, ich trage stets meine Hausschuhe und gerne noch eine Strickjacke über dem Pullover.

Hauke bringt oft nachts um eins zu jeder Jahreszeit den Müll im T-Shirt nach draußen, deckt im Winter dabei noch die Frontscheibe des Wagens ab und füllt kurzerhand den Frostschutz nach. Ich friere, während ich das hier schreibe! Liegen wir dann im Bett, habe trotzdem ich die kalten Füße – wie kann das sein?

Hauke ist bestimmt auch naturverbundener als ich. Er liebt es, im Sommer nachts im Garten zu liegen – auf einer Decke – und einfach in den Himmel zu sehen. Ich liege zwar neben ihm – aber zugedeckt bis an die Nasenspitze. Ich sehe auch den Himmel – und ich höre! Ich höre alles kriechen, sirren, knistern um unsere Decke herum! Und auch wenn wir im Haus sind, hätte mein Liebster gerne nachts die Rollläden oben, die Fenster geöffnet. Er möchte die Welt sehen und hören, die da draußen ist. Ich persönlich möchte nachts weder sehen noch hören, was da vor sich geht, oder gar selbst gesehen werden.

Vermutlich liegt mal wieder aller Unterschied in der Kindheit begründet. Ich wuchs in einem alten Haus mit zugigen Fenstern auf. Mein Wellensittich musste sich mühsam gegen Windstärke 3 auf seiner Stange halten, während ich neben ihm mit wehendem Haar meine Hausaufgaben am Schreibtisch erledigte. Ich hatte immer kalte Füße, und die Wärmflasche war mein täglicher Begleiter. Jetzt haben wir eine Fußbodenheizung – was für ein Geschenk!

Fünf Wohnungseinbrüche habe ich inzwischen auch miterlebt. Daher sicher mein Wunsch, bei Dunkelheit die Schotten dicht zu machen. Hauke wuchs im 4. Stock eines großen Hauses mit vielen Menschen darin auf. Er ist ein großer, starker Mann, der im Zweifel jeden Einbrecher überragt. Und trotzdem lässt er mir zur Liebe die Rollos runter.

Was für ein Geschenk, dass ich so einen coolen Mann habe!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

HITZEWALLUNGEN

Hauke Hullen lebt in einer Trockensauna.

Hauke: Der Mensch gilt als Krone der Schöpfung, und auch wenn vorerst unklar bleibt, ob der Frau oder dem Mann dabei die Rolle der Kronjuwelen zufällt, so soll doch auf jeden Fall an dieser Stelle festgehalten werden: eine Frau ist ein wahres Wunder!

Frauen arbeiten doppelt und jammern nur halb so viel wie Männer, Frauen sorgen für soziale Wärme in Familie und Gesellschaft und sichern seit Jahrtausenden buchstäblich das Überleben unserer Spezies, während Männer zumindest Teilen der Menschheit immer wieder den Garaus machen wollten.

Doch gerade weil Frauen im Allgemeinen und meine Frau im Besonderen mit so vielen wunderbaren Eigenschaften ausgestattet sind, fällt es besonders schmerzhaft auf, dass bei der Konstruktion dieses Modells ein wichtiges Bauteil vergessen wurde: ein funktionierender Temperaturfühler!

Katharina ist es immer zu kalt – darum sind wir die besten Kunden unseres Energieversorgers. Unser Schlafzimmer ist von der allgemein empfohlenen Schlaftemperatur ungefähr ein halbes Kohlekraftwerk weit entfernt. Und trotz flauschiger Bettwäsche, langer Schlafanzüge und einer zusätzlichen Wolldecke über der Bettdecke benutzt mich Kathi abends regelmäßig als menschliche Wärmeflasche und schiebt ihre kalten Füße auf meine Seite des Bettes. Das fühlt sich so an, als ob ein Gletscher kalbt.

Die Fröstelei der besten Ehefrau von allen ist also keine Einbildung, sondern wortwörtlich gefühlte Wahrheit. Dummerweise überträgt sie ihr Empfinden auch auf den Rest der Familie, nach dem Motto: „Zieh dir eine Jacke an, mir ist kalt!“ Wenn wir mit unseren Kleinkindern das Haus verlassen, sehen sie stets aus wie Michelin-Männchen, auch wenn die Expedition schon vor der Garage im guttemperierten Auto endet. Und was die Kids im Winter draußen anziehen sollen, darüber will ich erst gar nicht reden!

Um die Wärme im Haus zu halten, müssen die Fenster natürlich geschlossen bleiben. So bleibt nicht nur die Kälte draußen, sondern auch Mücken, Einbrecher und Sauerstoff. Selbstredend werden auch am späten Nachmittag die Rollläden heruntergelassen – wahrscheinlich damit das kalte Licht der Gestirne nicht in unsere Wohnung scheint.

So liege ich dann nächtens in unserem licht- und luftdicht verschlossenem Schlafzimmer, von Hitzewallungen gequält, und denke über meine wunderbare Frau nach. Tatsächlich: Während ich stöhnend vor mich hin fiebere, erträgt sie unsere Trockensauna, ohne zu jammern. Sie sorgt täglich aufs Neue für ein warm(herzig)es Klima in unserer Familie. Und mit ihrem „Heizung-hoch-und-Rollo-runter“-Tick sorgt sie womöglich wirklich für das Überleben unserer Sippe. Ein dick vermummter Einbrecher kann und will hier nicht hinein! Und erfrieren wird sowieso keiner.

Was habe ich für eine coole Frau!

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

„Ja, weißt du das denn nicht?“

Christian Rommert merkt, dass man nie genug miteinander reden kann..

„Nein!“, „Doch!“, „Ohhh!“ Seit zwanzig Minuten diskutieren wir nun schon und kommen keinen Schritt weiter! Ich versuche zu rechtfertigen, warum ich das dritte Wochenende in Folge unterwegs bin. Katrin hält hartnäckig dagegen. Ich fühle mich verletzt, weil ich mit dem an den Wochenenden verdienten Geld doch das Auto, das Haus und den Urlaub bezahle. Katrin sitzt auf der Palme, und ich spüre: Gleich eskaliert es. Da- mit meine ich nicht, gleich fliegt Geschirr. Das passiert nie, wenn wir uns streiten. Die höchste Eskalationsstufe ist bei uns: das Schweigen.

DEN INNEREN KOSMOS MITTEILEN

Gleich ist es sicher wieder soweit. Mich macht das total fertig. Schweigen bedeutet für mich die Höchststrafe. Und Katrin beherrscht das Schweigen perfekt. Aber auch ich kann das gut! Ich bin darin mindestens genauso geübt wie sie. „Nein!“, „Doch!“, „Ohhh!“ Ich will gerade Arme verschränken und beleidigt schauen, da höre ich, wie Katrin mich fragt: „Was macht dir denn solchen Druck?“ Als Reaktion schaue ich sie blöde an. „Ja, weiß sie das denn nicht?“, frage ich mich. „Weißt du, du bist mein bester Freund! Ich brauche dich zum Reden!“, sagt sie. Ich schlucke meinen ersten Impuls herunter und vermeide eine Aufzählung der Gespräche und Spaziergänge, bei denen wir meiner Meinung nach doch ausreichend Zeit zu zweit hatten. Ein Artikel aus einer Zeitschrift kommt mir in Erinnerung. Dort stand: „Deine innere Welt ist für deine Partnerin unsichtbar. Du musst sie ihr mitteilen. Du musst ihr deinen inneren Kosmos mitteilen, damit er verstanden werden kann.“ Reden, sich verständlich machen, damit ich verstanden werden kann und zuhören, hinhören, nachfragen, damit ich verstehe … Das ist so schwierig. Schweigen ist definitiv einfacher!

DAS RICHTIGE MASS

Doch ich starte einen Versuch und erzähle ihr von der Herausforderung, als Selbstständiger und Freiberufler nie genau zu wissen, wieviel genug ist. Soll ich das Wochenende verkaufen und damit den wichtigen finanziellen Puffer für den Sommer aufbauen oder nicht? Ich verkaufe Lebenszeit für Geld. Das ist die Spannung, in der ich mich ständig befinde. Denn beides – Zeit und Geld – sind wertvolle Güter. Und es sind widerstrebende Interessen. Dinge, die miteinander konkurrieren. Das richtige Maß zu finden, fällt mir einfach schwer. Im Verlauf des Gespräches zeige ich Katrin meine Jahresplanung. Wir bauen uns ein paar Inseln der gemeinsamen Zeit, und einen Termin sage ich dafür ab. Dabei geht es noch ein paar Mal hin und her. Aber es scheint, als seien wir wieder auf einer heilsamen Spur. „Und bei dir so?“, frage ich Katrin und merke auch in ihrem Blick eine Irritation. Auf ihrer Stirn meine ich lesen zu können: „Ja, weißt du das denn nicht?“ Also sage ich: „Ich habe eine Fantasie, was es bei dir ist, aber ich weiß nicht, ob ich damit richtig liege. Ich will dich wirklich verstehen! Erzählst du mir, was dich beschäftigt?“

WIE HUSTENLÖSER

Im weiteren Verlauf unseres Gespräches bestätigt sich: Meine Bilder, von dem, was in meiner Frau vorgeht, sind meine Fantasien. Wie es wirklich aussieht, erfahre ich nur über Gespräch. Mein innerer Kosmos bleibt für Katrin ein Geheimnis, so lange ich ihn nicht zeige. Ihre innere Welt bleibt ein Geheimnis, wenn ich mich nicht darum bemühe, sie wirklich zu begreifen. Das klingt so banal und ist doch eine Erkenntnis, die für unsere aktuelle Situation wie Hustenlöser wirkt. Schließlich fragt Katrin mich: „Wie wäre es, wenn ich mir an dem Montag nach diesem Wochenende freinehme und wir etwas gemeinsam unternehmen?“ Als sie merkt, wie ich zögere, sagt sie verschmitzt. „Nein? Oder: Doch?“ Und ich antworte fröhlich: „Ohhhhh JAAA.“

Christian Rommert ist Autor, Redner und Berater und Fan des VfL Bochum. Er ist verheiratet mit Katrin und Vater von drei erwachsenen Kindern. Regelmäßig spricht er das Wort zum Sonntag in der ARD.

 

 

Streiten

ZOFF MIT DEM OBERLEHRER

Dass Paare ihre Konflikte austragen sollten, ist Katharina Hullen durchaus bewusst. Mit ihrem Mann geht das aber leider nicht.

Katharina: Schon Johann Wolfgang von Goethe wusste: „Im Ehestand muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man was voneinander.“ Streiten gehört einfach zu einer guten Beziehung dazu und darum ist es auch so wichtig, gemeinsam an einer guten Streitkultur zu arbeiten.

Aber ganz ehrlich: Ich finde Streiten mit meinem Mann einfach nur ärgerlich. Es beginnt schon mit seiner Grundannahme, er habe von Berufs wegen immer recht. Egal, um welche Sachfrage es geht, er hat schon mal was darüber gelesen, und es war auf jeden Fall anders, als ich es nun behaupte. Nicht selten muss Herr Google als Streitschlichter herhalten, um die eine oder andere Position zu belegen. Aber selbst wenn meine Version Recht bekommt, findet mein Oberlehrer noch den einen Halbsatz im Text, der seine Sicht ebenfalls stützt. „Aaah!“, tönt es zufrieden. „Siehst du, ich hatte recht!“ – „Nein, ich hatte recht!“, bemerke ich sachlich. – „Aber ich hatte auch recht!“ Und mehr braucht Mann nicht. Thema beendet.

Wenn es beim Streiten um ein Fehlverhalten (selbstverständlich meines Mannes) geht, ist es äußerst ärgerlich, dass mich beim Streiten immer die Leidenschaft packt – sprich: Ich werde laut. Lautstärke prallt aber an meinem stoischen, friesischen Ehemann völlig ab. Aber nur scheinbar, denn vor meinen Augen verwandelt sich mein gestandener Zweimetermann in ein schmollendes Kind, welches „pah!“ nun eben gar nichts mehr macht. Und dann wird es schwierig. Entweder ich nehme einige Stunden nach dem Streit noch mal Anlauf, entschuldige mich für meinen Ton und erkläre mich noch mal. Oder ich warte, bis er selbst aus der Schmollecke herauskommt. Damit wäre das Thema allerdings vorerst ausgesessen. Denn der stoische Mann würde sich lieber die Zunge abbeißen, als ein Streitthema noch mal anzusprechen und es in Ruhe zu klären.

Und selbst wenn mein Liebster sich nicht zurückzieht, weicht er dennoch auf eine ärgerliche Art aus: Er überhäuft mich mit sarkastischen Wortspielereien und Witzchen. Der Kabarettist und Sprachfetischist in ihm schafft es einfach nicht, auch nur eine Pointe liegen zu lassen! Es nutzt Ihnen gar nichts, wenn Sie alle Argumente auf Ihrer Seite haben, Ihr Gegenüber jedoch nur mit lustigen, aber ausweichenden Sprüchen kontert.

Ich danke Gott, dass er mir so viel Humor geschenkt hat – er ist der Rettungsanker unserer Ehe. Denn schön ist es, wenn wir beide plötzlich das Lustige an der Situation sehen, die Banalität oder die übertriebene Theatralik, die der Streit bekommen hat. Und dann können wir, obwohl wir gerade eben noch sehr wütend aufeinander waren, miteinander lachen und finden einen Rahmen, wo wir uns besser zuhören können.

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

 

NICHTS ALS DIE WAHRHEIT

Hauke Hullen bewundert das strategische Geschick seiner Frau, auch wenn sie eigentlich nie recht hat.

Hauke: Ich streite gerne mit meiner Frau. Das ist immer eine sehr erquickliche Angelegenheit. Zuerst stellt Katharina ihren Standpunkt dar, oft verbunden mit einer Forderung. Dann lachen wir beide herzlich darüber. Anschließend löse ich das Missverständnis auf. Am Ende ist meine Frau etwas klüger und ich wie immer im Recht. Eine klassische Win-win-Situation!

Aber Ernst beiseite. Die Realität sieht natürlich anders aus: Ich habe zwar immer noch recht, aber die beste Ehefrau von allen will das nicht einsehen! Das bringt mich stets in eine schwierige Situation: Soll ich um des lieben Friedens willen nachgeben? Oder als aufrechter Kämpfer für das Wahre und Gute ungeachtet meiner persönlichen Nachteile weiterhin für das Richtige einstehen? Ein Dilemma, in dem ich nur zwischen falschen Entscheidungen wählen kann!

Um das Schlimmste zu verhindern, taste ich mich langsam vorwärts und versuche zunächst, konstruktive Lösungen aufzuzeigen. Denn fast immer gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, nicht nur Plan B, sondern auch Plan C und D. Eigentlich ein Grund zur Beruhigung der Gemüter – wenn nicht die beste Ehefrau von allen unbeirrbar weiterhin auf Plan A bestehen würde. Doch der Zug für Plan A ist nunmal schon längst abgefahren, weil, ja, weil halt der Göttergatte irgendeine Kleinigkeit übersehen hat.

Schwieriger sind allgemeine Konflikte, wo es ums Grundsätzliche geht, um unsere Ehe, ums Lebensglück oder um die Frage, wer morgens zuerst aufsteht und die Kinder weckt. Die sich anbahnende Eruption lässt sich für Laien im Vorfeld fast nicht erkennen. Doch nach nun immerhin 18-jähriger Erfahrung als Ehemann habe ich inzwischen herausgefunden, dass sich solche Konflikte ganz einfach gar nicht vorhersehen lassen! Ich meine sogar, dass sich diese Naturgewalt besonders dann entlädt, wenn man am wenigsten damit rechnet. Da liegt man, um im Bild zu bleiben, nach einem pflichtbewussten Tag endlich in der Sonne am Strand und freut sich des Lebens, da rollt plötzlich ein Tsunami über einen hinweg, weil sich irgendwo in den tief verborgenen Erdschichten der Ehe eine Spannung aufgebaut hat.

Beliebte Zeiten für solche Erdbeben sind übrigens entweder der Moment, wenn man morgens die Klinke in der Hand hat und schnell noch die Bahn erwischen muss oder wenn man nachts gerade eingeschlafen ist und in 5 Stunden der Wecker klingeln wird. Ich weiß noch nicht genau, ob das daran liegt, dass es Frauen am Gespür für den richtigen Zeitpunkt oder Ort fehlt – oder ob sie im Gegenteil genau merken, wann wir Männer total wehrlos sind.

So oder so sind Streitereien zwischen Kathi und mir meist wahre Kunstwerke der verbalen Kampfkunst und querschießenden Pointen. Wenn wir in der Öffentlichkeit debattieren, fragen uns Bekannte regelmäßig, ob dies eine Probe für ein neues Kabarettstück wäre. Und je länger ich über den Unterhaltungswert unserer Auseinandersetzungen nachdenke, umso mehr beschleicht mich der Gedanke, dass meine Frau den Streit vielleicht nur anfängt, um uns beiden eine Freude zu machen. Ja, so muss es sein!

 

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Gesunde Ernährung

WENIGER IST MEHR

Bei Katharina Hullen hinterlassen widersprüchliche Ernährungstipps eine gewisse Ratlosigkeit.

Katharina: Ich will unsere Familie gesund ernähren. Aber was zu einer gesunden Ernährung gehört, ist abhängig davon, wen man fragt. Es gibt so viele widersprüchliche Meinungen dazu, dass ich mich nicht auf einen Weg festlegen mag. So tönt es aus allen Richtungen: Weniger Fleisch, nur Fleisch, weniger Milch, weniger Kohlenhydrate, weniger Fett, insgesamt: weniger, ohne Lactose, ohne Gluten, ohne Palmöl, dafür mehr Quinoa, Chia, Amaranth. Ich muss immer häufiger googeln, was das überhaupt ist. Und ja, weniger ist mehr, aber mit fünf heranwachsenden Kindern und einem Zwei-Meter-Mann im Haus ist das schwer durchzusetzen. Für Letzteren geht im Zweifel alles als gute Ernährung durch, was sich mit Käse überbacken lässt. Ginge es nach ihm, würden wir dreimal am Tag warm essen, möglichst Steak, Gulasch oder Frikadellen.

Auch unser Jüngster hat ganz eigene Essgewohnheiten, wobei das Motto „weniger Kohlenhydrate“ im Vordergrund steht: So verweigert er vehement jedes angereichte Brot (nachdem er pfeilschnell die Wurst von selbigem stibitzt hat) und weist fordernd mit seinem kleinen Zeigefinger auf die Obstschüssel. Er ernährt sich den Tag über praktisch ausschließlich von Milch, Obst und dem warmen Mittagessen. Ist das noch die Low-Carb- oder schon die steinzeitliche Paläo-Diät, bei der man nur Beeren und Mammut essen soll? Ich wohne offenbar mit mindestens einem Neandertaler unter einem Dach!

Natürlich ist auch wichtig, woher die Speisen kommen. Sind sie fair gehandelt, bio angebaut, nachhaltig und klimaschonend? Welche Siegel sind seriös und welche nicht? Ein Siegel für Siegel wäre eine echte Hilfe!

Inzwischen mischen auch unsere Mädchen mit ihrem Wissen um klimafreundliche Ernährung mit. So mussten wir vor Kurzem unserer großen Tochter versprechen, keine Avocados aus Peru mehr zu kaufen – obwohl sie doch so unglaublich gesund, voller Vitamine und anderer wichtigen Nährstoffe sind. Na gut. Wir bemühen uns also nun, möglichst regionales Obst und Gemüse aufzutischen. Leider wachsen Avocados am Niederrhein nur ganz schlecht. Auch Mammuts sind hier selten.

Ich schätze, das Beste wäre, unseren Garten umzugraben. Das wäre sehr regional! Und angesichts der Ackergröße würden wir auch gleich viel weniger essen. Dafür darf jeder anbauen, was ihm schmeckt – und lernen, dass der eingepflanzte Chickenwing leider doch kein Baum wird! Aber dieses Selbstversorger-Projekt würde eh scheitern, denn selbst wenn die Pflanzen meinen grünen Daumen überlebten, stünde unser kleiner Frutarier mit gierigen kleinen Händen bereit, alles abzurupfen und aufzuessen, was schon entfernt nach Obst aussieht. Und den Rest trampelt die Rinderherde meines Mannes nieder.

Nein, mein Weg sieht also erst mal weiter so aus, dass ich den Kindern täglich frisches Obst und Gemüse anbiete, möglichst mit frischen Zutaten koche und zur Enttäuschung meiner beiden Neandertaler auch mal fleischfreie Gerichte serviere.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

 

MEHR IST MEHR

Hauke Hullen isst gerne Fleisch, wenn auch mit schlechtem Gewissen.

Hauke: „Der Mensch is(s)t Fleisch.“ In diesem Satz steckt so eine gewaltige Sprengkraft, dass es einem den inneren Frieden oder die Tischgemeinschaft zerstören kann. Doch der Reihe nach. Zuerst einmal ist der Mensch ein Allesfresser. Mit unseren Zähnen können wir Kohl und Keule gleichermaßen zermalmen und insbesondere unser Gehirn mit Proteinen und Energie versorgen. Insofern ist Fleisch ein Stück Lebenskraft. Darum gilt: „Um seine Figur zu halten, muss man auch mal grillen, selbst wenn man keinen Hunger hat.“

Allerdings war mein Steak vorher mal eine Kuh, für die mein fröhlicher Grillabend das Todesurteil bedeutet. Was für ein moralisches Dilemma! Und es wird noch größer, wenn man bedenkt, dass hinter jedem Kilo Fleisch Unmengen an Wasser, Futtergetreide und Klimagasen stehen. Und schwupps habe ich nicht nur eine Kuh auf dem Gewissen, sondern auch noch das Abschmelzen der Polkappen. Kann man(n) da noch Fleisch genießen?

Die beschämende Wahrheit ist: Ja, ich kann, dank einem Mix aus regelmäßigen fleischfreien Mahlzeiten und Verdrängung: „Das Fleisch ist billig und der Geist ist schwach.“ Ich bewundere jeden, der hier konsequenter leben kann!

Zum Beispiel die beste Ehefrau von allen: Sie kann auch ohne Gulasch glücklich sein. Oft isst sie nur ein Anstandshäppchen oder gar nichts davon. Warum? Weil das Fleisch ihr zu sehr nach Fleisch schmeckt. Ich kann dieser Logik nicht folgen, freue mich aber, dass mehr für mich übrig bleibt.

Kathi kann den ganzen Tag mit einem Apfel auskommen (abgesehen von der Tüte Chips und der Tafel Schokolade nach 21 Uhr, wenn die Kinder im Bett sind). Für sie ist ein Abendbrot erst vollständig, wenn Tomaten und Gurke auf dem Tisch stehen. Ich aber vergesse beim Tischdecken das Gemüse auch noch nach 18 Jahren Ehe. Doch ohne Grünzeug sieht meine Frau rot!

Auch die Kinder sind merkwürdig. Das eine Mädchen will nur Nudeln ohne Sauce Bolognese. Die andere nimmt keine Margarine aufs Brot, und auch keine „gute Butter“. Doch meine wohlmeinenden Ernährungsratschläge, die sich verdächtig nach 60er-Jahre anhören, finden bei der jungen Generation kein Gehör.

Mein Verhältnis zum Gemüse bleibt zwiespältig. Möhren und Radieschen zum Beispiel wurden von der Natur ja nicht ohne Grund eingegraben. Warum sollte ich die Wurzeln dann wieder ausbuddeln und essen? Ich bin doch kein Maulwurf!

Doch Scherz beiseite, natürlich lege auch ich Wert auf gesunde Ernährung. Zum Frühstück nehme ich darum gerne diese italienische Nuss-Marmelade; auch Kartoffeln schätze ich sehr, vor allem, wenn man sie in Streifen schneidet und von allen Seiten anbrät. Ganz wichtig finde ich auch gesundes Getreide, am liebsten als flachen Teigling mit pürierten Tomaten und anderen Dingen belegt.

Und alle paar Wochen freue ich mich am Eheabend auch auf einen Salat von Katharina. Sie mixt Blätter, Kerne, Öl und Essig zusammen, ich steuere ein knuspriges Steak bei – und wir beide können genießen. Hier is(s)t man sich einig.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Smartphone

DIE BOBO-APP

Katharina Hullen sucht nach Regeln zur Mediennutzung, auch für sich selbst.

Katharina: Jonathan – NEIN! Leg das zurück, das ist Mamas!“ – „Jonathan, Finger weg! Klapp das zu – der gehört Papa!“ – „Jonathan! Wo hast du das denn gefunden? Gib das her, das ist Amelies!“

Etliche Male pro Tag entwinde ich unserem Jüngsten irgendein Mobilgerät. Nicht selten bemerke ich erst, dass er wieder zugegriffen hat, wenn irgendwo die Musik „seiner“ App ertönt, die er mühelos durch Tippen, Wischen und Klicken findet und aktiviert. Niemand von uns musste ihm das zeigen – nein, plötzlich konnte er es einfach. Und seither ist kein Handy, Tablet oder Laptop vor seinen gierigen kleinen Händen sicher.

„Bobo?“ tönt es zu jeder Tageszeit aus unserem 2-jährigen Zwerg. Er liebt die Fil-me der Kinderbuchfigur und möchte am liebsten den ganzen Tag zusehen, wasBobo Siebenschläfer erlebt. Nicht dass wir ihm das erlauben würden – natürlich nicht –, wenngleich die Regeln für unser fünftes Kind ungleich lockerer sind als sie es für die ersten vier waren. Er darf eben nur manchmal und nicht täglich Bobo schauen.

Aber Bildschirme, Tasten und Lichter sind für ihn wahnsinnig interessant. Ich folge meinem Sohn, wie er sich mit seinem Hocker auf Beutezug begibt, um das iPad zu erhaschen. Dabei bemerke ich den Rest meiner Familie: Sie sitzen einträchtig versammelt im Wohnzimmer. Alle friedlich, still und voll konzentriert damit beschäftigt, das nächste Level bei irgendeinem Spiel zu erreichen,mit einer Freundin zu chatten oder online die Zeitung zu lesen.

Nichts geht mehr ohne! Uhrzeit, Mails, Termine, Fotos, WhatsApp, Fahrpläne, Wetter … Niemand von uns schafft es auch nur einen Tag ohne Handy. Ich spüre: Regeln müssen her – für alle. Wenn selbst die Kleinsten schon nerven, weil sie zu viel Medienzeit einfordern – wo führt das hin, wenn im nächsten Jahr die Zwillingeauch ein Handy bekommen? Noch mehr Geräte, noch mehr Verlockungen.

Offenbar sind wir als Eltern auch keine hinreichenden Vorbilder. Als ich meine große Tochter fragte: „Was macht Papa anders als Mama? Und was macht Mama anders als Papa?“, war ihre erste spontane Antwort: „Papa sitzt halt viel am Laptop und arbeitet zwar auch, aber der spielt ja auch viel und liest viel Zeitung. Mama macht irgendwie immer die wichtige Arbeit – Wäsche, Aufräumen und so …“ Aber um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Meine Mädels haben mich auch schon oft gemaßregelt, dass das Handy am Tisch nichts zu suchen habe, wenn ich meinte, dass diese oder jene Nachricht aber wichtig sei und dringend sofort beantwortet werden müsse. Ich klebe am Handy, Haukes Laptop klebt an ihm.

Unsere Kinder spielen und toben gern, und noch müssen wir sie nicht lange bit ten, sich eine andere Beschäftigung zu suchen. Aber ich fürchte, das Thema Medi- ennutzung wird größer.

Und damit es uns nicht über den Kopf wächst, sollten wir an Regeln für alle feilen.Bis es soweit ist und Jonathan das Sideboard noch nicht erreicht, lege ich die Geräte erst mal höher.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

 

FAKE-NEWS IM MINUTENTAKT

Hauke Hullen ist umgeben von Süchtigen und hofft, dass die Menschheit das Handyzeitalter überlebt.

Hauke: Vielleicht haben wir die Büchse der Pandora geöffnet. Wir können noch kein abschließendes Urteil fällen, aber alle Anzeichen deuten darauf hin. Unsere Büchse ist halb so groß wie ein Blatt Din A4, hat einen berührungsempfindlichen Bildschirm und muss jeden Abend an die Steckdose, um tags darauf weiter unsere Familie zu knechten.

Ganz recht, es handelt sich um ein Tablet. Seit dem Geburtstag der besten Ehefrau von allen zieht es alle in seinen Bann – nur mich natürlich nicht! Ich halte nichts davon, Stunden meiner Lebenszeit damit zu verschwenden, Filme auf einem doch recht kleinen Bildschirm zu verfolgen, mit einer für Hobbits ausgelegten Touch- screen-Tastatur zu kämpfen oder sich von Spiele-Apps auf Kindergeburtstagsniveau betäuben zu lassen. Das Verhalten meiner Kinder und meiner Frau nimmt allmählich suchtartige Züge an, denke ich immer wieder, wenn ich vom Laptop aufschaue, wo ich die Weltpolitik im Minutentakt verfolge und sehr wichtige Dinge in Internetforen ausdiskutiere.

Die größten Verheißungen der smarten Alleskönner sind Lösungen für Probleme, die sie selbst erst schaffen. „Nie wieder Langeweile!“, flüstert der App- Store – und die Kinder nölen seitdem pausenlos: „Papa, mir ist sooo langweilig, kann ich auf deinem Handy spielen?“ Unbegrenzte Kommunikation ermöglicht die Flatrate – und ehemals ausgiebige Telefonate degenerieren zum kurzatmigen WhatsApp-Stakkato. Das Internet verspricht Information und Wissen für alle – und doch ist die Welt plötzlich erfüllt mit Fake-News und Verschwörungstheorien.

Der Untergang der menschlichen Kultur steht also kurz bevor, der Zusammenbruch unserer Zivilisation dürfte noch vor der Eröffnung des Berliner Flughafens stattfinden. Zu den Hintergründen der BER-Bredouille möchte ich nichts weiter sagen, nur so viel: Baubeginn war 2006. Vier Monate später erschien das erste iPhone. Noch Fragen?

Doch vielleicht sind unsere Befürchtungen ja auch unbegründet. Vor 300 Jahren wurde vor der „Lesesucht“ gewarnt, Romane verdürben Charakter und Geist, weshalb Goethes „Werther“ in Österreich und Sachsen sogar verboten wurde. Auch Theater, Tanz und später das Kino wurden verantwortlich gemacht für den moralischen Niedergang. Dann: Fernsehen, Privatfernsehen, Programme ohne Sendeschluss – o tempora, o mores! Und noch schlimmer: Computerspiele. Und noch viel, viel schlimmer: Internet! Die Kombination von beidem: infernalisch!

Irgendwie hat die Menschheit all das überlebt. Offenbar haben Erwachsene grundsätzlich Bedenken bei neuen Technologien, mit denen Jugendliche aber wie selbstverständlich aufwachsen, um 20 Jahre später ebenfalls voller Sorge auf die „Jugend von heute“ zu gucken. Die Büchse der Pandora bleibt vorerst also noch geschlossen. Hoffentlich …

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Shoppen

GLITZERSTICKER FÜR DIE PARTYHÖHLE

Katharina Hullen hofft, dass ihre Kinder einen guten Umgang mit Geld lernen – schließlich gehen die Eltern mit schlechtem Vorbild voran.

Katharina: Ich komme vom Einkauf nach Hause und grüble, wie ich es finde, dass unsere Tochter gerade dem Bettler vor Aldi ihr halbes Monatstaschengeld geschenkt hat. Dass die andere Tochter ihrerseits alles in Süßigkeiten umsetzt und die dritte trotz voller Brotdose zum Schulkiosk geht. Was ist der richtige Umgang mit dem eigenen Geld? Sie sollen doch vernünftige Entscheidungen treffen lernen! Dann fällt mein Blick auf meinen Einkauf und ich bin ertappt: Kaufrausch! Oh! Ein Spiel für den Großen, das spielt er im Kindergarten doch so gerne! Und da – Glitzersticker für die Mädchen. Auch gut für Kindergeburtstagsgeschenke! Zahlenrätsel für die Eltern! Lustige Plätzchenausstecher für Freunde! Ah! Strumpfhosen für die Kinder – davon kann man nie genug haben! Ich neige zu Fehlkäufen! Ich bin ja voller Erkenntnis und sage inzwischen immer öfter „Nein, wir brauchen das nicht!“, aber der Einkauf heute muss wohl als Rückschlag gewertet werden. Hauke kann das übrigens auch sehr gut: Unnützes Zeug kaufen! Ich bin eher die „Beeren-Sammlerin“ – viele Kleinigkeiten, die uns die Schränke zumüllen. Er ist vom Ursprung der Jäger. Er schießt nur die ganz großen Sachen! So recherchierte er wochenlang, was wir für ein Gerät kaufen könnten, um die Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Räumen zu messen, damit wir Schimmelbildung vorbeugen können. Er bestellte schließlich eine Wetterstation für 150 Euro. Dieses dolle Ding konnte alles – Temperatur, Luftdruck, Windstärke – alles außer Luftfeuchtigkeit! Im Keller liegt Zubehör für ein Schrank-/Regalsystem für über 300 EUR. Inzwischen kann man es nicht mehr umtauschen – einbauen auch nicht. Kein Platz! Überall sind schon Regale und Schränke. Dann brauchten wir dringend ein Beschriftungsgerät, so ein Maschinchen, welches sofort passende Etiketten ausdruckt, die man überall hinkleben kann. Die erste Rolle Etiketten steckt immer noch im Gerät. Nein – wir brauchten es nicht! Und vor kurzem kam Hauke mit glitzernden Augen vom Bauhaus-Einkauf zurück. Er hatte rotierende Disco-Lampen ergattert. Nicht nur eine – nein, gleich fünf, damit eine ganze Etage zur Partyhöhle umgebaut werden kann. Großartig! Manchmal frage ich mich, wie wir den Kindern den richtigen Umgang mit Geld beibringen sollen, wenn wir es selbst so oft nicht schaffen. Vielleicht ist das Geheimnis, die Kinder jetzt mit ihrem kleinen Taschengeld ihre „Fehlkäufe“ machen zu lassen, damit sie lernen, später bessere Entscheidungen zu treffen. Und vielleicht muss auch beim Thema „Geld ausgeben“ nicht alles immer dem Diktat der Notwendigkeit gehorchen. Für ein fröhliches Leben können ja auch mal Glitzersticker unter der Discolampe aufblitzen!

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

GUMMILAPPEN VOM OMELETTE-MEISTER

Hauke Hullen kann sich mit den Einkäufen seiner Frau nicht immer anfreunden, auch wenn sie ihm zugutekommen sollen.

Hauke: Shoppen ist ein Erlebnis! Und zwar nicht nur für meine Frau, sondern insbesondere für mich, wenn ich abends sehe, welchen Krempel Kathi mit nach Hause gebracht hat. Ich verstehe das nicht – es gibt doch einen Einkaufszettel, auf dem Dinge draufstehen und Dinge nicht draufstehen, daher sollte doch klar sein, was man in den Wagen packt und was nicht! Doch leider interessieren sich maßgebliche Teile meiner Familie nicht so sehr für das schnelle Geldverdienen, eher für das schnelle Geldausgeben. Die bekannte Regel lautet ja, dass man nicht hungrig einkaufen gehen soll. Dummerweise würde es nichts bringen, wenn Kathi sich nur gut gesättigt auf den Weg in den Supermarkt machen würde. Denn Kathis Antrieb ist nicht der leere Magen, sondern das große Herz! Da ist Platz für so viele Menschen, die sie beglücken will. Gibt es auf der Aktionsfläche tatsächlich eine Kekspackung, wo links oben der Name einer unserer Töchter draufsteht? Tatsache! Das muss gekauft werden, auch wenn es sich um ein recht garstiges Marzipangebäck mit 54 Prozent Zuckeranteil handelt, welches weder ich noch die Kinderschar, vor allem aber nicht besagte Tochter essen mag. Sollen unsere Kinder nicht bestmöglich auf die Schule vorbereitet werden? Welch ein Zufall, dass es just jetzt Rätsel-, Rechen- und Schreiblernhefte auf dem Wühltisch gibt! Ich korrigiere: gab. Eine komplette Kommode im Flur ist nun bis an den Rand gefüllt mit Lernhilfen aller Art. Und obwohl sich unsere Vorschulkinder in den Sommerferien tapfer durch das schriftliche Dividieren gekämpft haben, kauft meine Frau schneller Lektüren nach, als die Kinder sie wegarbeiten können. Der Esstisch sah während der Vorbereitung aufs neue Schuljahr aus wie ein pakistanischer Sweat-Shop, wo kleine Kinderhände im Schummerlicht Akkordarbeit leisten. Und, natürlich, die Tupper-Party! Im Vorfeld verkündet die beste Ehefrau von allen, wie überflüssig sie solche Veranstaltungen fände und dass sie ganz gewitzt nur das Begrüßungsgeschenk abstauben wolle. Wenig später konnte sie allerdings weder der Salatschüssel, den Wurstdosen noch dem „Omelette-Meister“ (der heißt wirklich so) widerstehen, wo doch ihr Göttergatte sich gerne mal ein Omelette brät. Dieses Tupper-Teil für die Mikrowelle wurde übrigens genau einmal benutzt, weil es statt knusprig gebrutzelter Eierspeisen nur einen fettfreien Gummilappen hervorbringt. Und so geht das mit vielen Einkäufen. Das letzte Holzspielzeug war pädagogisch wertvoll (und damit gleichermaßen ohne jeglichen Spielanreiz), die urigen Brotfladen waren appetitlich anzusehen, bis sie sich in blauen Pelz kleideten, und mir bleibt es weiterhin ein Rätsel, warum Kathi Blumen kauft, wenn Gäste kommen, die ihrerseits Blumen mitbringen. Hier wie da ergibt der Satz „Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen!“ wirklich einen Sinn!

 

 

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Rechtschreibung

UMZINGELT VON LEHRERN

Katharina Hullen muss sich in ihrer Familie mit Sprachfetischisten herumschlagen.

Katharina: Kennen Sie das? Fünf Jahre im Büro, auf dem Bau oder im Verkauf und schon denkt, fühlt und glaubt man wie alle anderen der Branche. Man wird scheinbar völlig betriebsblind für die „normalen“ Verhaltensweisen der restlichen Welt. Der Bankangestellte kann nicht verstehen, was so kompliziert am Ausfüllen von Formularen sein soll. Und die Sprechstundenhilfe kann sich nicht vorstellen, dass der neue Patient den Weg zum Laborraum nicht kennt, obwohl sie ihn heute doch schon zwanzigmal erklärt hat. Jeder Experte scheint im täglichen Kampf mit der völligen Unwissenheit seines Umfeldes zu sein, und das nervt offenkundig. Aber vielleicht ist es auch andersherum. In unserer Familie ist es so, dass wir umgeben – ich würde sogar sagen: umzingelt! – sind von Lehrern. Ich komme auf zehn Personen im unmittelbaren Freundes- und Familienkreis, die es von Berufs wegen immer besser wissen. Die zwei unausweichlich nächsten Lehrer sind Hauke und seine Mutter! Beide haben einen stark ausgeprägten Sprach-Fetisch, worunter jeder hier manchmal zu leiden hat. Nichts Schriftliches in diesem Haus entgeht ihren zwanghaften Rechtschreibkorrekturen. Vielleicht kommen die Kinder deshalb gern zu mir oder dem Opa, um ihre kindlichen Aufsätze inhaltlich würdigen zu lassen, bevor Papa und Oma mit dem Text ins Gericht gehen. Selbst Untertitel im Fernsehen, die jeder normale Mensch kurz überfliegt und ignoriert, lassen Hauke und Rosi stereo zusammenzucken, wenn sich dort ein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat: Das geht doch nicht! Im Fernsehen! Wie peinlich! Das lesen doch Hunderttausende! Sie sehen überall buchstäblich rot! Irgendwo fehlt immer ein Komma oder eine Endung! Unsere geknechteten Grundschulkinder wissen bereits alle Zeitformen fachsprachlich auszudrücken und selbstverständlich darüber hinaus auch, was eine Alliteration und ein Palindrom ist. Ich wundere mich, dass sie immer noch so gerne Geschichten schreiben, obwohl ihnen die Rechtschreibung schon so oft um die Ohren geflogen ist. Bei unseren Mädchen ist es eindeutig – sie haben das Deutschlehrer-Gen! Wortwitze, Kalauer und sprachliche Spitzfindigkeiten, wo auch immer die Hullens beisammen sind. Am Tisch, im Auto, im Bett (!) – überall lauert eine sprachliche Pointe. Ich danke Gott, dass er mir so viel Humor geschenkt hat, denn sonst wäre das nicht lebenslang zu ertragen. Und wie gut, dass wir Menschen so anpassungsfähig sind. Ich konnte in den letzten 20 Jahren meine Aussprache durch die liebevolle Korrektur meines großartigen Privatlehrers auf hochsprachliches Niveau emporwuchten. Die Kommas in diesem Text hat übrigens meine Schwiegermutter gesetzt, und ab und an rutscht mir auch noch ein „Helf mir bitte mal …“ heraus. Aber dat sind de Gene – da machste nix!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

DER DEPPENAPOSTROPH UND DER UNTERGANG DES ABENDLANDES

Hauke Hullen leidet unter einer Berufskrankheit.

Hauke: Als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, lebt man auf der Sonnenseite des Lebens: Vormittags hat man recht, ab 12 Uhr frei, das fürstliche Gehalt verprasst man in zwölf Wochen Ferien, und einmal im Jahr gibt’s sogar eine Woche Extra-Urlaub, den man mit der 8d in der Jugendherberge Kleinstrupp-Wüsthausen verbringt! Doch es gibt als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, leider auch einen Aspekt, der diesen paradiesischen Zustand immer wieder stört: Man entdeckt ständig Rechtschreibfehler! Nicht nur in Schülertexten, nein, auch in freier Wildbahn! Für Menschen, die mit einer, nun ja, hohen Toleranz gegenüber sprachlichen Normverstößen gesegnet sind, mag meine Pein unverständlich sein. Doch für mich ist ein falsch gesetztes Komma wie ein Pickel, der ein hübsches Antlitz verunstaltet und der die Aufmerksamkeit gerade deshalb auf sich lenkt, weil man krampfhaft versucht, ihn nicht wahrzunehmen. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Schüleraufsätze, sondern um Texte, die Erwachsene verunstalten. Zum Beispiel der Aushang beim Arzt, demnach die Praxis „mittwoch’s von 9-12 Uhr“ geöffnet hat. Oder suchen Sie mittels Internet-Bildersuche nach dem „Deppenapostroph“! Die Ergebnisse dürften Sie ausgiebig erheitern oder zutiefst frustrieren. Und wenn Sie nichts Außergewöhnliches sehen, dann leben Sie bitte einfach zufrieden weiter. Sie sind ja nicht alleine – selbst eine Partei, deren Name hier nicht genannt werden soll, forderte im Wahlkampf eine „Schule für’s Leben“, in der offenbar liberal mit Rechtschreibung umgegangen werden sollte. Ein Hort zwiespältiger Freuden ist auch die Kommasetzung. Viele halten sie für unwichtig, dabei ist sie lebensrettend: „Komm wir essen Opa!“. Setzen Sie bitte Kommas nach Belieben. Aber auch bei „Max sein bester Freund und Moritz griffen nach den beiden Fallschirmen“ oder beim Befehl „Tötet ihn nicht freilassen!“ ist der Beistrich von größter Bedeutung. Ein geradezu tragikkomisches Beispiel lieferte auch eine große Baumarktkette. Sie plakatierte: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Ich bin geneigt, hinzuzufügen: „Kriegen wir auch nicht wieder rein.“ Und auf die zahlreichen unfreiwilligen Mehrdeutigkeiten durch unklaren Satzbau à la „Freund von Prinz William getötet“ (Süddeutsche Zeitung) kann ich aus Platzgründen an dieser Stelle leider gar nicht erst eingehen. Doch was bedeutet das für unser Familienleben? Ich will es etwas anders machen als meine Mutter damals. Als ich ihr nach dem Abi stolz meinen ersten Artikel in der Lokalzeitung zeigte, war ihr erster Kommentar: „Hier fehlt aber ein Komma.“ Sie hatte natürlich recht, hätte an dieser Stelle aber diskret am Pickel vorbei auf meinen ersten Bericht gucken sollen. Ich möchte die beste Ehefrau von allen und unsere Kinder nicht mit meiner Besserwisserei frustrieren. Ich will aber auch nicht für den Untergang des Abendlandes verantwortlich sein, dessen sicherstes Merkmal bekanntermaßen die Verlotterung der Sprache ist. Meiner Frau ist dieses Dilemma egal. Sie würde sagen: „Es ist schwer für Deutschlehrer eine Lösung zu finden.“

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.