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Hilfe für Ukraine: Wir können nicht alles stehen und liegen lassen

Menschen (nicht nur) aus der Ukraine brauchen unsere Hilfe. Doch wie viel können wir ihnen geben? Ein Kommentar.

„Man muss doch etwas tun!“ – Dieser Gedanke ist wohl vielen in den letzten Wochen durch den Kopf geschossen. Angesichts des Leids in der Ukraine, angesichts der Menge an Geflüchteten spüren wir den dringenden Wunsch zu helfen. Und viele packen mit an: spenden Geld, Lebensmittel, Kleidung. Helfen an Sammelstellen, Spenden zu verladen. Fahren Hunderte Kilometer, um Hilfsgüter auszuliefern und Menschen mitzunehmen. Viele öffnen ihr Haus, ihre Wohnung, um eine Familie bei sich aufzunehmen.

Ich weiß nicht, was von all dem du schon gemacht hast. Ich kann nicht groß prahlen mit meinen guten Taten. Ja, ich habe gespendet. Ja, ich habe Dinge, die benötigt wurden, zu einer Sammelstelle gebracht. Ja, ich habe mitgeholfen, als an einem Wochenende 50 Menschen aus der Ukraine in unserer Gemeinde untergebracht werden mussten. Aber ich bin nicht mit einem Sprinter an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren. Ich habe keine Familie bei mir aufgenommen. Ja, ich habe ein schlechtes Gewissen. Weil andere so viel mehr machen. Weil ich mein normales Leben weiterführe, während andere Menschen gerade alles verloren haben.

Komfortzone verlassen – ja, aber nicht um jeden Preis

„Wir müssen einfach mal unsere Komfortzone verlassen“, meint Britta, die sich über Tage intensiv bei der Unterbringung von Geflüchteten in unserer Gemeinde engagiert. Aber es ist auch klar: Diese Notaktion für ein Wochenende, das können wir leisten. Dauerhaft schaffen wir es nicht. Wir können ja nicht alles stehen und liegen lassen – unsere Kinder, unsere Jobs, unser Engagement in anderen Bereichen. Und so verbringe ich tatsächlich mit gutem Gewissen ein Wochenende damit, den Geburtstag meines Sohnes zu feiern. Weil er zwei Jahre lang kaum Highlights hatte in seinem Leben. Und weil das für ihn jetzt wichtig ist.

Es bleibt – wie so vieles – ein Spagat. Besondere Situationen erfordern einen besonderen Einsatz. Wir müssen immer wieder unsere Komfortzone verlassen. Aber wir müssen auch unsere Grenzen sehen – und unsere realistischen Möglichkeiten. Also: Augen auf und sehen, wo wir helfen können. Und dafür auch mal alles stehen und liegen lassen. Aber auch akzeptieren, was nicht geht. Und übrigens: Unabhängig davon, ob ich etwas tun kann oder nicht, hilft es mir, ein Gebet für die Menschen und Situationen an Gott zu richten.

Bettina Wendland ist Redaktionsleiterin von Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Misch dich ein!

Wenn Christen Verantwortung übernehmen, verändert sich die Gesellschaft. Ein Plädoyer von Uwe Heimowski.

Es war an einem Sonntagmorgen. Ich stand unter der Dusche. Meine Tochter klopfte an die Kabine. „Papa, ich muss dich mal was fragen“. Ich drehte das Wasser ab, wischte die beschlagene Scheibe frei und sah sie an. „Hallo Schatz, was gibt’s?“ Sie nestelte ein wenig an ihrem Schlafanzug, bevor sie ihren Satz formulierte. „Papa, heute ist doch die Wahl.“ Wir hatten zu dieser Zeit eine Jugendpastorin in unserer Gemeinde angestellt, meine Töchter waren ziemlich begeistert von ihr. Heute sollte nach einer Probezeit über eine feste Berufung abgestimmt werden. „Ja, heute ist die Wahl.“ Sie suchte die richtigen Worte. „Darf da jeder abstimmen?“ Baptistengemeinden sind Kongregationalisten, die Mitgliederversammlung (englisch „congregation“) ist das höchste Gremium. „Ja“, antwortete ich, „jedes Mitglied hat eine Stimme.“ Meine Tochter war noch nicht fertig. „Muss man seine Wahl auch begründen?“ „Nein, die Wahl ist geheim, jeder kann wählen, wie er möchte.“ Jetzt war Talitha entrüstet: „Aber das ist doch gemein. Dann kann man ja auch gegen sie stimmen, nur weil man sie nicht mag. Das ist doch kein Argument!“ Sie stampfte mit dem Fuss und rauschte aus dem Badezimmer. Völlig perplex (und ziemlich stolz) ließ sie mich in der Dusche zurück. Was für eine messerscharfe Analyse! Und das von einer gerade mal Zehnjährigen.

RÜCKZUG IN DIE SCHMOLLECKE

Die Begebenheit liegt etwa sieben Jahre zurück. Damals war von „Merkel muss weg“ noch keine Rede. Im Gegenteil: Noch 2013 ist mancher CDU-Kandidat auf „Mutti-Ticket“, also mit Kanzlerinnen-Bonus, in den Bundestag eingezogen.

Seither hat sich unser Land verändert. Nicht nur durch die Flüchtlingskrise. Seit 2009 arbeite ich im politischen Berlin, zunächst als Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten, seit Oktober 2016 als politischer Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz. Ich habe also einen ganz guten Überblick, würde ich sagen.

Und mir fällt auf: Immer mehr Menschen verhalten sich so, wie Talitha es bei der Wahl in der Gemeinde befürchtet hatte: Statt sich eine fundierte Meinung zu bilden und das Beste für das Gemeinwesen zu suchen (wie es der Prophet Jeremia fordert: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“, Jeremia 29,7), schließen sie sich der Anti-Fraktion an: Sie schimpfen auf „die da oben“, sie verbreiten Halbwahrheiten, und häufig vergreifen sie sich im Ton, insbesondere in den sozialen Netzwerken. Gleichzeitig ziehen sie sich in ihre jeweilige Schmollecke zurück, statt politisch aktiv zu werden.

ABSAGE ANS MECKERN

Auch bei Christen lässt sich das beobachten. Sie beklagen den Verfall christlicher Werte in der Politik, überlassen aber anderen das Feld – doch warum sollte ein Nichtchrist christliche Werte befördern? Das müssen wir schon selbst tun. Man kann beklagen, dass das „C“ in der CDU nur noch Makulatur sei, wenn diese eine „Ehe für alle“ zulasse. Man kann lamentieren, dass statt der Erziehungsleistung einer Mutter nur noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Agenda der Politik bestimme. Und so weiter und so fort.

Doch gilt nicht bei all dem immer: Wer nicht handelt, wird behandelt? Wenn Christen die Welt nach Gottes Maßstäben mitbestimmen wollen, dann sollten sie Verantwortung übernehmen. Die Bibel fordert uns an vielen Stellen dazu auf. Nehmen wir etwa die so genannte Goldene Regel, in der Jesus sehr klar formulierte: „Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen zuerst.“ (Matthäus 7,12). Das ist eine überdeutliche Aufforderung zu pro-aktivem Handeln und damit eine Absage ans Meckern oder daran, von anderen zu fordern, was wir selbst nicht zu geben bereit sind. Jesus sagt: Wartet nicht darauf, dass andere euch etwas Gutes tun. Fangt ihr damit an. Liebe Christen, seid aktiv, gestaltet, stellt euch an die Spitze, wenn es darum geht, etwas für das Wohl der Menschen und der Gesellschaft zu tun.

DER AUFTRAG DER CHRISTEN

Mag sein, dass wir für unsere Positionen nicht sofort Mehrheiten finden. Aber das darf uns nicht hindern. Jeder, der schon mal Hefekuchen gebacken hat, weiß: Die Hefe ist mengenmäßig nur ein kleiner Teil der Zutaten, aber sie wird buchstäblich in den gesamten Teig „hineingemischt“. Sich einmischen: das ist ein sehr naheliegendes Bild, wenn Christen sich die Frage stellen, ob sie sich politisch engagieren sollen. Jesus selbst hat dieses Bild gebraucht: „Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen? Es gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war“ (Lukas 13,20f).

Der Auftrag der Christen, und das macht Jesus an vielen Stellen deutlich, ist es, das Evangelium vom Reich Gottes auszubreiten. Das tun wir, indem wir vom „König“ dieses Reiches reden: von Jesus, dem Sohn Gottes, unserem Retter und Herrn. Und wir tun es ebenso, indem wir aktiv für Recht und Gerechtigkeit wirken, indem wir mutig Frieden stiften, wo Unfrieden und unbarmherzige Zustände herrschen; wir tun es, indem wir Freude ausbreiten, also für ein gesellschaftliches Klima der Dankbarkeit und Zufriedenheit einstehen. „Denn das Reich Gottes ist … Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geiste“, schreibt Paulus (Römer 14,17).

Unsere Gesellschaft braucht Christen, die ihre Verantwortung wahrnehmen. An den unterschiedlichsten Stellen: in Parteien, in Elternvertretungen, als Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr oder als Trainer einer Jugendmannschaft, um nur einige wenige Möglichkeiten zu nennen.

ES GEHT UM VERANTWORTUNG!

Zurück zur Gemeindestunde. Einige Mitglieder kamen extra zur Wahl, obwohl sie vorher lange nicht da gewesen waren. So auch ein Mann in den Vierzigern. Kaum, dass er mich sah, schoss er auf mich zu. „Uwe, du arbeitest doch jetzt in Berlin. Hast du auch die Kanzlerin schon getroffen?“ Ich musste mich ein bisschen schütteln. „Ja“, antwortete ich, und wimmelte ihn ab.

Da hat einer nicht verstanden, worum es geht in der Politik. Es geht nicht darum, Karriere zu machen oder Prominente zu kennen. Auch nicht in erster Linie um Macht. Sondern um Verantwortung. Oder mit Talithas Worten: Es geht um Begründungen. Um das Verstehen von Zusammenhängen und dann um konstruktives Mitgestalten. Sei es im „großen“ Berlin oder im „kleinen“ (Gemeinde-)Alltag.

Uwe Heimowski vertritt die Deutsche Evangelische Allianz als deren Beauftragter beim Deutschen Bundestag in Berlin. Er ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

„Gott hat meine Geschichte umgewandelt“

Eine Kindheit ohne Liebe und Geborgenheit kann dazu führen, dass ein Mensch gebrochen durchs Leben geht. John McGurk hat eine solche Kindheit hinter sich. Doch er läuft hoffnungsvoll durchs Leben und engagiert sich für Kinder, die ähnliche Erfahrungen machen. Ines Schobert hat den gebürtigen Schotten besucht.

Es ist ein frühsommerlicher Nachmittag Ende Mai. Ich bin mit John McGurk in Osnabrück verabredet. Er hat mich zum Interview zu sich und seiner Frau nach Hause eingeladen. Gedanklich bin ich noch mitten in der Lebensgeschichte meines Interview-Gegenübers. Ich habe seine Biografie gelesen. Seine Geschichte hat mich völlig gepackt und berührt.

ARMUT UND GEWALT

John McGurk ist Anfang der sechziger Jahre in Schottland aufgewachsen, südlich von Glasgow. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er mit seinen fünf Geschwistern und seinen Eltern. Wie in vielen Familien dieses Stadtteils war das Leben der McGurks geprägt von Gewalt, Armut, Arbeitslosigkeit, Alkohol und hoher Frustration. Sein Vater hielt sich die meiste Zeit im Pub auf. Seine Mutter war damit beschäftigt, etwas Essbares aufzutreiben. Sie kümmerte sich nicht oft um die Kinder. Ihr Mann schlug sie – auch in Anwesenheit der Kinder.

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir vor, dass John wohl eher in einer fiesen Ecke von Osnabrück wohnt. Ich schäme mich meiner Vorurteile und erwische mich bei dem Gedanken, dass gleich ein Mann vor mir stehen wird, der bestimmt ganz mitgenommen vom Leben ist. Doch ich werde eines Besseren belehrt. Ich parke vor dem Haus der Familie McGurk, einem Einfamilienhaus mit Garten und netter Nachbarschaft. Als ich klingele, öffnet mir ein attraktiver, fröhlicher und sehr herzlicher John. Ich werde an den schön dekorierten Esstisch gebeten, auf dem Johns Unterlagen verstreut sind: Laptop, Fotos, Briefe, Lupe … Utensilien für das, was ihn zurzeit beschäftigt: seine Geschichte zu teilen!

DIE HÖLLE AUF ERDEN

Und diese Geschichte teilt er nun mit mir. Er berichtet von der traurigen Kindheit in seinem Elternhaus: „Ich verlor den Glauben an das Gute und den Glauben an mich selbst.“ Als die Situation zu Hause eskaliert, ergreift Johns Mutter die Flucht und verlässt ihre Familie. Der Vater ist mit der Versorgung der Kinder überfordert und so werden sie auf verschiedene Kinderheime verteilt.

Doch im Kinderheim ergeht es John nicht besser. Er wird schikaniert und vom Heimleiter misshandelt. „Es war die Hölle auf Erden“, sagt John rückblickend. Und auf seine gesamte Kindheit bezogen stellt er fest: „Ich kann mich an keinen einzigen Moment erinnern, an dem ich mich geborgen fühlte oder wirklich nachhaltig glücklich war.“ Trotzdem hat John es – anders als die meisten seiner Geschwister – geschafft, einen Weg heraus aus Armut, Alkoholismus, Gewalt und Beziehungsunfähigkeit zu finden und ein hoffnungsvoller und engagierter Mensch zu werden.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war seine Entscheidung, zur schottischen Armee zu gehen. Die Grundausbildung fand in Edinburgh statt. Hier entdeckte er bei sich die Begeisterung für den Sport. Er arbeitete hart an sich, um immer der Erste zu sein. Außerdem wurde er als bester Soldat ausgezeichnet. „Hier bekam ich echte Aufmerksamkeit“, erinnert er sich. „Der Tag war strukturiert und ich wurde gefordert.“ John verpflichtete sich als Berufssoldat. Er bekam das Angebot, mit seinem Regiment nach Deutschland zu gehen und sagte zu. So landete er in Osnabrück. „Ich setzte große Hoffnung in den Neustart auf dem Kontinent. Endlich konnte ich meine Vergangenheit hinter mir lassen.“

GÖTTLICHES WUNDER

John erzählt mir lange von seiner Zeit in Osnabrück. Von Rückschlägen, Einsamkeit, schicksalhaften Begegnungen, Träumen und von Erfahrungen mit Gott. Mir wird klar, dass die Antwort auf die Frage, wie sich John von seiner Vergangenheit befreien konnte, hier zu finden ist. Es hat etwas damit zu tun, dass er den Glauben an Gott entdeckte. Dass er seine Frau Katja kennenlernte. Und dass er einen unglaublich starken Willen hat. So konnte er eine Lebenswende erleben, die an ein göttliches Wunder grenzt! Er konnte einen inneren Heilungsprozess erfahren, der alles menschliche Ermessen übersteigt.

Herzlichkeit, Wärme und Authentizität ist in unserem Gespräch und im ganzen Haus spürbar. Während wir reden, kommt die Schwiegertochter zu Besuch. John und Katja kümmern sich rührend um ihr Enkelkind, das an diesem Abend bei ihnen übernachtet. Katja berichtet, dass es John immer ein Anliegen war, ihren Kindern und nun auch den Enkelkindern mit viel Liebe, Humor und Wohlwollen zu begegnen.

John und Katja sind seit 28 Jahren ein Ehepaar. Vorher war John schon einmal verheiratet. „Ich bin einmal geschieden, es war eine kurze Episode“, berichtet er. Aus dieser Ehe stammt eines seiner drei Kinder. „Zu meinem Kind habe ich guten Kontakt. Aber zu einer Ehe war ich zu dem Zeitpunkt nicht in der Lage.“ Nachdem seine Ehe in die Brüche gegangen war, haderte er mit seinem Schicksal: „Setzt sich alles fort?“, war seine ständige Frage.

NACH VORN BLICKEN UND GUTES TUN

Gerade als es ihm besonders schlecht ging, hatte er einen Traum: „Der Himmel öffnete sich, eine Frau hielt ihre Hand über meinen Körper. ‚Gott gab dir ein großes Herz, und Gott hat Großes mit dir vor‘, sagte sie immer und immer wieder.“ Dieses Erlebnis änderte alles: „Ich hörte auf zu trinken und zu rauchen, begann regelmäßig zu essen. Und ich habe meine jetzige Frau kennengelernt. Ich habe mein Leben in den Griff bekommen durch Träume, Glauben, Sport und eine liebende Frau.“

Katja und John lebten im selben Stadtteil. Katja musste immer an Johns Wohnung vorbei. Irgendwann haben sie auf der Straße miteinander gesprochen. John lud sie auf einen Kaffee ein. Sie lernten sich näher kennen und lieben. Lange hat John Katja nicht von seiner Vergangenheit erzählt. Selbst nach 15 Jahren wusste sie immer noch nicht alles, gesteht John. Er musste sich erst einmal mit sich selbst versöhnen und mit viel Scham klarkommen. „Der Schmerz wird nie weggehen“, ist sich John sicher. Seine Strategie: wenig nachdenken, immer nach vorn blicken und Gutes tun!

LAUFEN FÜR KINDER

Gutes tun – das macht John, indem er läuft. Beim Laufen sammelt er Spenden für Kinder, die wie er schlechte Voraussetzungen fürs Leben haben – mittlerweile sind dabei über 1,5 Millionen Euro zusammengekommen. Sein Markenzeichen bei den vielen Läufen, die er schon absolviert hat, ist sein Kilt, der Schottenrock, mit dem er sich selbst an seine eigene Kindheit und Herkunft erinnert. Johns Frau und auch ihre beiden erwachsenen Kinder unterstützen ihn in seinem Engagement. Sie haben den Verein „Sportler 4 a childrens world e. V.“ gegründet, in dem sich Johns Sohn Nico einbringt. Außerdem leiten John und seine Tochter Mandy die Stiftung „Eine Zukunft für Kinder“.

Neben seinem Engagement arbeitet John im Schichtdienst in der Papierindustrie. „Oft laufe und trainiere ich noch nach der Spätschicht oder sofort nach dem Aufstehen von der Nachtschicht. Dabei fallen mir immer wieder hilfsbedürftige Menschen auf und ich komme mit ihnen ins Gespräch. Oder ich helfe Obdachlosen oder sammel Müll auf. Gott scheint meine Geschichte tatsächlich umgewandelt zu haben in ein Nach-vorne-Schauen und Gutes-Tun für andere.“

EINE TIEFE BERÜHRUNG VON GOTT

Der christliche Glaube spielt für John McGurk eine zentrale Rolle. „Seitdem ich in Osnabrück bin, habe ich etwa zwanzig Träume von Gott geschenkt bekommen. Alle diese Träume habe ich aufgeschrieben. Alle Träume haben sich erfüllt und bewahrheitet. Ich empfinde eine tiefe Berührung von Gott in meinem Herzen und Leben. Das macht mich fähig zu lieben und zu geben.“ Groll oder Wut gegenüber Gott verspürt er nicht: „Ich empfinde zutiefst, dass Gott überhaupt keine Schuld an all dem Leid in meinem und unserem Leben hat. Auch nicht an dem, was in der Welt passiert. Er kann nur lieben. Die Menschen sind schuld, und er guckt traurig zu, was auf seiner Erde passiert …“

Sich selbst und seinen Nächsten zu lieben, ist für ihn das wichtigste Gebot. „Mich selbst lieben: Damit stellt mir Gott die größte Herausforderung mitten in den Weg. Wenn man in den ersten Jahrzehnten des Lebens immer wieder eingetrichtert bekommt, dass man nichts kann und ist, dann verkümmert die Selbstliebe. Mein Selbstbewusstsein und damit auch die Liebe zu mir selbst habe ich mir erkämpft. Meinen Nächsten lieben: Das sind die vielen Kinder, die Opfer von Armut, Gewalt und Lieblosigkeit sind. Ich gehe wachsam durch die Welt auf der Suche nach Menschen, denen ich helfen kann, und auf der Suche nach Verbündeten. Und ich finde sie. Immer wieder. An den ungewöhnlichsten Orten.“

Ines Schobert lebt mit ihrer Familie in Bad Essen bei Osnabrück. Seine ausführliche Lebensgeschichte hat John McGurk in dem Buch „Aufstehen, Kilt richten, weiterkämpfen“ aufgeschrieben, das im September bei SCM Hänssler erscheint.

Auf den Schlips getreten …

„Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht“, schrieb Kurt Tucholsky 1922 in einem Brief an Herbert Ihering. Leider aktuell, muss ich feststellen. Gestern war ich bei einer Klimademo von „Fridays for Future“. Viele Kommentare, die ich anschließend bei Facebook lesen musste, haben mich fassungslos zurückgelassen.

Da wird bemängelt, dass demonstrierende Schüler Kabelbinder aus Plastik für ihre Demoplakate verwendet haben. Und sie haben Smartphones. Und manche trinken auch aus Einweg-Wasserflaschen! – Also, wenn sie sowas machen, dürfen sie doch gar nicht demonstrieren für das Klima, schreibt einer. Sie sollen doch erst mal ihr Leben ändern. Und andere stimmen ihm begeistert zu. Mal ganz abgesehen von aggressiven und verletzenden Kommentaren …

Das macht mich traurig und wütend! Natürlich wären Mehrwegflaschen besser. Und Demoplakate ohne Plastik auch. Aber muss ich erst selbst perfekt sein, bevor ich von meinem Demonstrationsrecht Gebrauch machen kann? So ein Quatsch!

Wenn ich genauer hinschaue, stelle ich fest, dass sich besonders häufig Menschen 50+ über Jugendliche beschweren, die sich für Klimaschutz einsetzen und dafür auch mal die Schule schwänzen. Warum fühlen sie sich von den friedlich protestierenden Jugendlichen so dermaßen auf den Schlips getreten? Halten sie es nicht aus, dass ihnen der Spiegel vorgehalten wird? Dass sie, wenn sie ehrlich sind, zugeben müssen, dass sie häufig nicht sehr klima- und menschenfreundlich unterwegs sind?

Ja, es ist unbequem, wenn Jugendlichen einen kritisieren, herausfordern, zum Nach- und Umdenken bringen wollen. Aber ich finde es großartig, dass sich mittlerweile so viele Jugendliche engagieren. Und ich erlebe nicht, dass sie nur freitags demonstrieren und an den anderen Tagen so weitermachen wie bisher. Da entscheiden sich Jugendliche, auf Fleisch zu verzichten. Sie kaufen ein gebrauchtes Smartphone und Second-Hand-Klamotten. Und stecken mich damit an.

Zum Glück sind die krittelnden Midlife-Männer und -Frauen nur die eine Seite der Medaille. Bei der Demo gestern waren viele  „ältere Semester“ engagiert dabei. Weil sie ihre jugendlichen Kinder oder Enkel unterstützen wollen. Und weil sie gut finden, dass die jungen Menschen „auf den Schmutz hinweisen“, wie Tucholsky sagen würde.

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und Mutter von zwei Teenagern.

„Es muss erst was passieren!“

Diesen Satz hört man oft als Vorwurf gegenüber Politik und Verwaltung, wenn es zum Beispiel darum geht, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Bisher dachte ich, es sei halt so ein Spruch, den der Bürger gern sagt. Nun musste ich aber leider feststellen, dass er durchaus wahr ist.

Immer wieder bemühen sich Eltern, den Schulweg ihrer Kinder möglichst sicher zu gestalten. Schließlich ist es ja auch gewünscht, dass zumindest Grundschulkinder allein und zu Fuß zur Schule gehen und nicht mit dem ungeliebten Mama-Taxi.

Doch das wird den Eltern nicht leicht gemacht. Schon seit Jahren bemühen sich Eltern in unserem Stadtteil vergeblich, an einer sehr unübersichtlichen Stelle einen Zebrastreifen installieren zu lassen. Die Kosten wären überschaubar, der politische Wille dafür ist aber nicht da. „Es muss erst was passieren“, werfen die Eltern Politik und Verwaltung vor.

Und dieser Vorwurf ist offensichtlich berechtigt: In unserem Stadtteil gibt es auch eine Straße, die von vielen Kindern als Schulweg benutzt wird. Allerdings parken in dieser Straße immer Autos auf dem Gehweg, sodass die Kinder auf der Straße laufen müssen. Es ist nur eine kleine Seitenstraße, aber die meisten Autos, die dort langfahren, halten sich nicht an die Tempo-30-Begrenzung. Und Grundschulkinder sind nicht immer so aufmerksam, wie sie sein sollten.

Nun gab es eine Initiative, die Parksituation in der Straße so zu verändern, dass der Gehweg auch als solcher benutzt werden kann. Die Antwort der Verwaltung ist zynisch. Sie räumt zwar ein, dass das Parken auf dem Gehweg ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung sei. Doch dann folgt die Aussage: „Jedoch ist weder der Verwaltung noch der Polizei bekannt, dass aufgrund dieser Fehlnutzung eine tatsächliche Gefährdung von Fußgängern oder gar schon Unfälle verursacht worden sind.“

Im Klartext: Es ist bisher nichts passiert, also müssen wir nichts machen. Muss man sich also wünschen, dass doch mal was passiert, damit der Schulweg für die Kinder sicherer wird? Das ist doch verrückt! Ich hoffe, dass sich die Eltern in unserm Stadtteil und anderswo davon nicht entmutigen oder bremsen lassen. Egal ob es um Schulwegsicherheit, gesundes Mensaessen oder ausreichend Spielmöglichkeiten für Kinder geht: Eltern, engagiert euch!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

Rückzug in die heile Familienwelt?

Mein Smartphone piept. Eilmeldung von Spiegel Online: Boko Haram hat in Nigeria eine ganze Stadt ausgelöscht. Wieder so eine Meldung, die ich schier nicht ertragen kann. Nach dem Terror in Paris, dem Horror in Syrien und im Irak, der Ebola-Katastrophe … Abends schaue ich aber doch die Tagesthemen, setze mich auseinander mit dem Überfall auf Charlie Hebdo, dem Terror in Nigeria und anderswo. Freue mich über die Welle der Solidarität unter dem Motto „Je suis Charlie“, spüre aber auch meine Sehnsucht, die Augen vor all dem zu verschließen. Mich mit meinem Kind aufs Sofa zu setzen und ihm vorzulesen …

Mein Glaube hilft mir – aber nur begrenzt. Ja, ich kann die Ereignisse, die mich erschrecken und belasten, an Gott abgeben. Aber das ändert ja nichts für die betroffenen Menschen. Ich wünsche mir, dass Gott stärker eingreift, mehr verhindert. Warum tut er das nicht? Und was kann ich schon tun? Und wenn ich etwas tun könnte – wäre ich dazu bereit?

Im ZEIT Magazin lese ich einen Artikel über den Trend zur Weltflucht. Angesagte Themen wie Achtsamkeit und Entschleunigung, die neue Lust an Hand- und Gartenarbeiten, der Erfolg von Zeitschriften wie FLOW und Landlust verdeutlichen diesen Zeitgeist. Ich fühle mich ertappt. Gut, ich engagiere mich in Schule und Gemeinde, aber ich genieße es auch, mich in meine heile Familienwelt zurückzuziehen: Plätzchen backen mit meinen Kindern, shoppen mit meiner Tochter, meinen Sohn beim Fußballturnier anfeuern.

Wie geht ihr mit dieser Herausforderung um? Gelingt es euch, die Augen nicht zu verschließen vor den Schrecken dieser Welt und trotzdem Marmelade zu kochen? Wie viel Engagement schafft ihr neben Familie und Job? Wofür würdet ihr gern kämpfen?

Auch mit Family versuchen wir, eine Balance zu finden. Berichten über Flüchtlinge aus Syrien und veröffentlichen Basteltipps. Stellen eine Familie vor, deren Kind starb und geben Tipps für den gemütlichen Eheabend. Auch das empfinde ich immer wieder als Herausforderung: Was ist wichtig? Wichtiger? Viele offene Fragen …

Bettina Wendland

Family-Redakteurin

„Ihr Engagement ist gefragt!“

Ehrenamtliche Helfer werden überall gebraucht. Was tun? Manche ziehen sich komplett in die Familie zurück. Andere Mütter und Väter stehen in der Gefahr, sich vollkommen zu verzetteln. Weiterlesen