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Die Wünsche des Anderen: Gemeinsam Neues wagen

Manchmal haben Partner unterschiedliche Träume. Ira wünscht sich ein Frühstück im Bett, David findet das total blöd. Als sie es doch gemeinsam wagen, machen sie eine erstaunliche Entdeckung.

Flackernde Holzdochtkerzen, glitzernde Lichterketten, heißer Tee und gemütliches Essen. All das bitte einmal abends und morgens im Bett. Der Wunsch nach solchen romantischen Speisezeiten machte sich über Jahre hinweg in mir breit. Wenn es nach mir ginge, könnte jeder Tag so laufen. Ach, und wenn ich es aussuchen könnte, natürlich noch serviert. Aber vor allem dieses verheißungsvolle Frühstücken im Bett als Paar hatte sich besonders tief in meiner Fantasiewelt eingenistet.

Freundliche Grüße aus Hollywood

Zugegebenermaßen habe ich wohl zu viele Filme als Teenie geschaut, in denen das höchst romantisch inszeniert wurde. Lichtdurchflutete Schlafzimmer, Milchschaum und intime Momente zauberten diese Bilder in meinem Kopf. Für mich stand fest: Wenn ich mal verheiratet sein sollte, will ich mich unbedingt auch an diesem fantastischen Frühstück im Bett laben. Als ich David dann heiratete, goss er mit seinen Vorstellungen eines Gaumenschmauses am frühen Morgen einen großen Krug Wasser in meinen Wein.

Er fand den Gedanken, im Bett zu frühstücken, total ungemütlich und vor allem äußerst umständlich. Er hat nämlich keinen Bock auf nervige und kratzige Brötchenkrümel, Teebecher, die umkippen, und auf das Hin- und Hergeräume von Geschirr. Meine engagierten und nicht uncharmanten Überredungskünste konnten ihn nicht umstimmen. Auch konnte ich ihn nicht auf halbe Sachen runterhandeln, wie nuuuur der Tee oder nuuuur ein Obstsalat. Also machte ich einen großen Haken hinter die Gedankenwolke aus Croissants, Chai Latte mit Zimt, Frühstückseiern und Obstspießen im Bett. Das Thema war vom Tisch. Oder besser gesagt: vom Bett.

Der Jahrestag

Völlig unverhofft überraschte mein Mann mich einige Monate später an unserem Zusammenkommenstag mit – ja genau, jetzt kommt’s – dem lang ersehnten Frühstück im Bett. Alle Köstlichkeiten, die man sich vorstellen kann, waren dabei und sie waren prachtvoll angerichtet. Aber es gab eine Besonderheit: ein kleines aufklappbares Tischlein. So konnten unerwünschte Krümellawinen verhindert werden. Ich war sprachlos. Da war er: mein kleiner Teenietraum, serviert auf dem Holztischlein. Ich sah, mit wie viel Arbeit das Frühstück verbunden war. Aber das, was für mich viel bedeutsamer war und viel tiefer mein Herz berührte, war die Überwindung, der David sich innerlich gestellt hatte. Die Überwindung und die Entscheidung. An diesem Morgen begegnete mir eine aufrichtige und liebevolle Willensbekundung. Gegen seine Neigung hat er sich auf das Experiment eingelassen. Aus dem Nichts! Nein, ich hatte das Frühstücksthema nicht mehr angesprochen. Das lag auch daran, dass ich selbst ein freiheitsliebender Mensch bin und von Mitmenschen nicht zu etwas gedrängt werden möchte. Mir ist wichtig, die Grenzen anderer zu wahren, so wie ich möchte, dass meine Grenzen respektiert werden.

Das Frühstück war ein feiner Genuss. Nur das Gemütlichkeitslevel blieb irgendwie auf der Strecke. Daher habe ich mich inzwischen zu meinem Mann ins selbe Boot gesetzt. Frühstück im Bett finde ich, seitdem wir es ausprobiert haben, gar nicht mehr so gemütlich. Es entpuppte sich als kompliziert, gleichzeitig unter der warmen Decke zu bleiben und aufzupassen, dass das Buffet nicht umstürzt.

Traum versus Realität

Manchmal entlarvt sich so ein Gedankenspiel in der Realität leider als Ernüchterung. Genau das ist, wie ich finde, ein besonderer Teil in der gemeinsamen Paarwelt. Ausprobieren und stolpern. Wünsche aussprechen, Experimente wagen, aufeinander zugehen, sich aus der Deckung wagen. Manchmal führt der Schritt aus dem Traum zu einer harten Landung in der Realität und wir müssen manche Grenzen annehmen. Wir gehen auf Sehnsüchte ein, andere lassen wir wiederum los.

Frühstück im Bett wurde also zumindest bei uns für umständlich erklärt. Dafür haben wir seit inzwischen vier Jahren ein anderes, viel besseres Ritual: Einmal im Monat machen wir etwas Besonderes: Einer von uns kauft unser Lieblingseis und das verspeisen wir dann gemeinsam abends im Bett. Also können wir schlussendlich doch ein wenig kulinarisches Vergnügen auch zwischen kuscheligen Kissen genießen.

Gemeinsam Neues wagen

Sicherlich sind wir nicht das erste Paar, das etwas gewagt hat, um dann festzustellen, dass es nicht klappt – der Traum war schön, aber die Realität dann doch nicht so. Aber das ist nicht schlimm. Wir haben uns trotzdem etwas getraut. Schade wäre, wenn man nie Neues ausprobiert. Oder wenn man sich gar nicht erst traut, Wünsche und Träume auszusprechen, weil die Angst zu groß ist, dass es nichts wird. In meinem Fall hat tatsächlich ein Traum den Realitäts-Check nicht bestanden. Aber ich habe nichts verloren, sondern zwei Dinge gewonnen: die an sich simple und nüchterne Erkenntnis, dass Frühstück im Bett für uns nicht klappt. Und darüber hinaus haben wir eine neue Tradition entdeckt, die besser zu uns passt. Also nichts verloren – dafür gemeinsam Neues entdeckt.

Ira Schneider arbeitet als psychologische Beraterin in einer Ehe-, Familienund Lebensberatungsstelle. Gemeinsam mit ihrem Mann bietet sie Paarberatungen an.

Im Familien-Chaos? Expertin verrät: Eine gemeinsame Vision kann die Lösung sein

Beraterin Adelina Friesen hilft ratlosen Familien dabei, wieder zueinander zu finden. Sie ist überzeugt: Eine Vision kann dabei helfen.

Warum suchen Familien nach Visionen?

Der eigentliche Anlass kann sehr unterschiedlich sein. Allgemein gilt: Eine Vision kann im Alltag helfen. Wenn eine Familie ein gemeinsames Ziel hat, wenn alle zusammen überlegt haben, wer sie sein wollen, dann können sie im Alltag einfacher Entscheidungen treffen. Oft kommen Familien durch Krisen und Herausforderungen zu einer Visionssuche. Jetzt gerade durch die Pandemie ist das eingespielte Familienleben auf den Kopf gestellt, und ich erlebe häufig, dass Familien sich neu orientieren wollen: Was machen wir eigentlich mit unserer Zeit? Vor allem: Was machen wir mit unserer gemeinsamen Zeit? Was wollen wir? Wo wollen wir hin? Und wie können wir das gestalten?

Geht es nicht auch ohne Vision?

Natürlich geht es auch ohne Vision. Ich denke allerdings, dass viele Familien eine Vision und bestimmte Werte haben, auch wenn sie diese nicht direkt formuliert haben.

Visionen bringen Partner zusammen

Aber du empfiehlst Familien, eine gemeinsame Vision zu entwickeln und zu formulieren?

Ja. Es gibt eine unglaubliche Lebensqualität, zu wissen, wofür man lebt, und das auch umzusetzen. Eine Mutter von drei Kindern sagte mal im Anschluss an den Prozess: „Ich war überrascht, wie wenig ich über meine Familie wusste.“ Sie waren als Familie an einem Punkt angekommen, wo sie nicht mehr zueinander finden konnten. Der Mann hat viel gearbeitet, beide waren sehr engagiert, sie waren viel unterwegs und dabei ist einiges untergegangen. Sie waren hinterher sehr dankbar, weil sie wieder Wege zueinander gefunden haben. Sie haben sogar am Ende gemeinsame Freizeitaktivitäten gefunden, was vorher problematisch war.

Was ist wichtig?

Wie läuft so eine Beratung ab?

Es ist wie ein großes Brainstorming. Einer der wichtigsten Momente in dem ganzen Prozess ist, dass man sich Zeit nimmt, jedem zuzuhören. Das hört sich einfacher an, als es in der Realität ist. Familien haben eingespielte Muster, die schnell sichtbar werden. Ich erkläre den Prozess mal am Beispiel einer Familie mit zwei Kindern: In die Mitte eines Plakates wird ein Kreis gemalt. Dann werden Kreise um diesen inneren Kreis gemalt, für jedes Familienmitglied einen. Jedes Kind und jeder Erwachsene darf dann sagen, welche Werte ihm oder ihr wichtig sind, zum Beispiel Ehrlichkeit oder Freundlichkeit oder Ruhe. Alle anderen müssen zuhören. Die Begriffe werden dann in den Kreis geschrieben, der zur betreffenden Person gehört. Anschließend wird das Plakat aufgehängt. Gemeinsam schauen wir es uns an. Dadurch, dass in dieser Phase jedem zugehört wird, entstehen sehr wertvolle Momente, weil auch die Familienmitglieder mitunter überrascht sind, was die anderen Personen wichtig finden.

Nach dieser Brainstorming-Phase wird sortiert. In den mittleren Kreis werden die gemeinsamen Werte geschrieben, die wir im Gespräch finden. Das sind die Familienwerte. Alle Familienmitglieder müssen mit ihren Vorstellungen darin vorkommen. Wichtig ist, dass diese Werte visualisiert werden. Es gibt außerdem eine sehr wichtige Regel: Der Einzelne darf nicht übergangen werden und muss in seinen Wünschen ernst genommen werden.

Wichtige Fragen

Kannst du uns Tipps geben, wie Familien selbst eine gemeinsame Vision finden können?

Man könnte zu Hause eine Art Familienkonferenz daraus machen. Wichtig ist, dass man einen Raum schafft, in dem man nicht abgelenkt wird. Folgende Fragen können ins Gespräch führen:

Was macht uns als Familie aus?
Welche Ziele haben wir?
Wie wollen wir miteinander umgehen?
Haben wir Vorbilder?
Was gefällt uns bei anderen Familien gut?

Wie kann man kleine Kinder da einbinden?

Mit Fragen wie:

Was ist deine schönste Erinnerung?
Was ist dein schönstes Erlebnis mit uns als Familie?
Was magst du an unserer Familie?
Was macht uns als Familie glücklich?

Prozess lohnt sich auch mehrmals

Und wie geht‘s dann weiter?

Indem man schaut: Welche Werte sind uns wichtig? Es kann helfen, zunächst zehn Werte zu formulieren und diese dann auf drei zu beschränken. Auch zu Hause können die Werte auf einem Plakat gesammelt werden. Mit kleinen Kindern kann diese Phase sehr chaotisch sein. Da bietet es sich an, den Prozess in Etappen zu gliedern. Je nachdem, wie festgefahren die Kommunikationsstrukturen in der Familie sind, würde ich aber einen Moderator empfehlen. Die Punkte verändern sich auch mit der Zeit. Es lohnt sich, das Gespräch über gemeinsame Werte immer wieder zu suchen.

Adelina Friesen ist Beraterin für Familien und in Ausbildung zur pastoralen Seelsorgerin.
Das Interview führte Lilli Gebhard. Sie ist Lehrerin für Geschichte und Deutsch am Gymnasium und wohnt mit ihrer Familie in der Nähe von Stuttgart.

Entspannt durch die Ehe

Warum will er immer etwas anderes als ich?“ – Dass sie und ihr Mann in der Freizeit ganz andere Dinge tun wollten, hat D. Friese am Anfang ihrer Ehe ins Grübeln gebracht.

Manche Beziehungskonflikte lassen sich zuweilen ganz einfach durch die Einsicht lösen, dass jeder Mensch auf seine Art entspannt. Zumindest war es bei uns so. Nicht nur die Form, auch die Dauer und die Intensität unserer Auszeiten sind unterschiedlich. Warum darüber streiten? Sieben persönliche Erkenntnisse über das Entspannen in der Ehe.

1. ENTSPANNUNG IST ABSOLUT NOTWENDIG
Das tägliche Zur-Ruhe-Kommen ist notwendig und zwar besonders in der Rushhour des Lebens zwischen 30 und 40, in der wir uns befinden. Zwei Kleinkinder, Berufe, ein Haus, Ehrenämter und viele Kontakte zu Menschen lassen unser Leben sehr bunt, aber zuweilen auch kräftezehrend erscheinen. Ohne Auszeiten fänden wir nicht zu uns selbst, zu uns als Partnern und zu Gott. Was wäre das für ein Leben, in dem es nur Arbeit gäbe! Doch wie entspannt man sich in der Ehe am besten? Wir haben lange nach einem gemeinsamen Weg gesucht. Was aber haben Talkshows schauen und Unkraut jäten miteinander zu tun? Oder jagen und Gedichte schreiben?

2. GEMEINSAM ENTSPANNEN IST NICHT ALLES
In den ersten Jahren unserer Beziehung war ich fest davon überzeugt, dass wir möglichst allen Hobbys gemeinsam nachgehen müssten, um eine glückliche Ehe zu führen. Aber das klappte nicht. Jeder wollte am wohlverdienten Feierabend etwas anderes tun. Der eine wollte im Wald sein, der andere lieber zu Hause telefonieren, der eine wollte fernsehen, der andere lieber lesen. Für mich waren die getrennten Unternehmungen stets ein Zeichen dafür, dass wir zu unterschiedlich sind und schwer zusammenpassen. Als ich meinem Seelsorger einen ausschweifenden Vortrag darüber hielt, wie unterschiedlich unsere Abendgestaltung aussah und wie falsch mir das vorkam, hörte ich einen für mich weltbewegenden Satz: „Sie haben lediglich verschiedene Methoden der Entspannung!“ „Wie bitte?“, dachte ich. Sollten wir als Paar etwa nicht gemeinsam begeistert Gitarre spielen, gemeinsam schwimmen gehen – oder eben auch abends gemeinsam mit Begeisterung fernsehen?

Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich all diese Beschäftigungen überbewertet hatte. Schließlich haben wir genügend gemeinsame Glaubens- und Lebenseinstellungen, die weit tragender sind als bestimmte Vorlieben der Entspannung. Auf ihnen basiert in Wahrheit unsere Ehe, nicht auf den Hobbys. Wir können über sehr viele verschiedene Themen von Politik über Geschichte bis hin zu Religion diskutieren. Sei es beim Abendbrot, morgens nach dem Aufstehen oder auf einer langen Autofahrt. Meist haben wir ähnliche Ansätze und auch Moralvorstellungen, da wir nicht nur dasselbe studiert haben, sondern auch in einem ähnlichen sozialen Umfeld, als Christen in der DDR, aufgewachsen sind. Dieser Austausch verbindet uns sehr stark, mehr als jede Aktivität in der Freizeit es wohl könnte.

3. ENTSPANNUNG IST BEI JEDEM ANDERS
Ein Zeitvertreib meines Mannes war mir jedoch immer ein Dorn im Auge und sorgte folglich häufig für eheliche Debatten: der Fernseher. Stundenlang davorzusitzen, empfand ich als verlorene Zeit. Seine Begeisterung dafür konnte ich nur schwer nachempfinden. In Tagträumen malte ich mir aus, was passieren würde, wenn ich das Kabel des Fernsehers durchschneiden oder ihn einfach klammheimlich im Garten verstecken würde.

Eine gute Freundin, die den Medienkonsum nach der Arbeit auch eher den aktiveren Tätigkeiten vorzieht, ermutigte mich dann aber: „Lass ihn schauen und er wird entspannter. Du schneidest dir nur ins eigene Fleisch, wenn du ihn daran hinderst.“ Außerdem erklärte sie mir den populärwissenschaftlichen Begriff der „Höhle des Mannes“, der im Wesentlichen besagt, dass jeder Mann einen Ort des Rückzugs braucht. Was früher das Gasthaus war, ist heute eben der Fernseher. Nach und nach verstand ich, dass es in der Ehe dazugehört, sich gerade in der Andersartigkeit zu ergänzen, auch in der Freizeitgestaltung. Die Frage „Dürfen wir so verschieden sein?“, konnte ich schließlich mit einem aufrichtigen „Ja“ beantworten.

4. ENTSPANNUNG FÄNGT BEI DEN EIGENEN BEDÜRFNISSEN AN
Es ist jedoch nicht nur wichtig, seinen Partner zu kennen; man muss auch wissen, was einem selbst guttut. Selbstregulation wäre da wohl ein passendes Stichwort. Früher dachte ich, mein Mann wäre ein Stück weit zuständig für mein Entspanntsein. Ich musste erst lernen, zu erkennen und auch zu artikulieren, dass ich gerade müde und gestresst bin und Erholung brauche. In der intensiven Kleinkindzeit hatte ich völlig vergessen, wie das funktioniert. Erst durch eine Krise und Krankheit entdeckte ich meine Hobbys aus Schulzeiten wieder und erfuhr dabei, was Entspannung für mich bedeutet. Das schuf neue Optionen, und ich lernte, sie für mich gewinnbringend einzusetzen, ohne dabei in erster Linie auf andere Menschen angewiesen zu sein.

Foto: Amir Hamdi/Unsplash

Natürlich kann mein Mann mich beim Herunterkommen unterstützen, zum Beispiel indem er mir den Rücken streichelt. Dafür muss ich mir aber zunächst des eigenen Bedürfnisses nach körperlicher Nähe bewusst sein. Außerdem muss ich ihm die Chance geben, einfach Nein sagen zu dürfen. Dann läge es wieder an mir, einen anderen Weg zu finden. Hat man seine ganz persönliche Entspannungsmethode erst einmal gefunden, muss man sie nur noch konsequent anwenden, gerade auch in schwierigen Momenten. Das haben mein Mann und ich inzwischen verstanden. Wenn ein Streit droht, hilft es uns beispielsweise, keine Grundsatzfragen aufzuwerfen, sondern getrennt „in die Wüste“ zu gehen: an einen Rückzugsort, ins Gespräch mit einem lieben Menschen oder am besten natürlich ins Gebet.

5. ENTSPANNUNG MUSS NICHT SINNVOLL SEIN
Was jeder Mensch sich letztlich als „Taktik“ sucht, ist wohl zweitrangig. Am Ende gilt doch: Hauptsache, es hilft, tut niemandem weh und führt nicht in eine Form der Abhängigkeit. Ob Briefmarken sammeln, am Motorrad basteln oder Cupcakes backen: Alles Mögliche kann uns Menschen aus dem Alltag herausholen. Das wenigste davon ist weltbewegend. Wieso sollte ich also bei meinem Mann die gleichen Maßstäbe in puncto Entspannung anlegen wie bei mir? Ich lese gern psychologische Ratgeber oder rede stundenlang mit meiner Freundin über Gefühle, wohingegen mein Mann sich lieber mit seinen Hunden beschäftigt oder alte Filme anschaut. Keines ist sinnvoller als das jeweils andere, im Gegenteil: Ist nicht gerade das ziellose Herumdümpeln ohne Sinn so wichtig für den gestressten Neuzeit-Menschen, der den größten Teil des Lebens hochgesteckten Zielen in Beruf und Glauben genügen will? Hat uns Gott nicht genau dafür das Gebot der Sonntagsruhe auferlegt? Einen Tag lang etwas ohne direkten Sinn zu tun, um einfach zu entspannen?

6. REGELMÄSSIG GEMEINSAM ENTSPANNEN IST WICHTIG
Wir haben in unserer Familie schon viel über diesen wichtigen Tag, den Sonntag, diskutiert. Inzwischen können wir sagen, dass er als unser gemeinsamer „Höhepunkt“ der Entspannung recht gut ausgetüftelt ist. Er vereint Elemente, die uns allen vieren Kraft geben, sodass sich jeder ein wenig ausruhen kann: Radfahren, leckeres Essen und bei Gott ankommen gehören mit dazu. Nach einem so schön verbrachten Tag ist es leichter, in die hektische Woche zu starten. Damit auch die Zweisamkeit nicht zu kurz kommt, versuchen wir, regelmäßig den entspannenden Austausch in Gang zu halten.

Inzwischen erkennen wir, wann wir einen „Abschaltmoment“ zu zweit planen müssen – nämlich wenn wir häufiger als sonst aneinandergeraten. Obwohl wir in solchen Momenten wenig Lust auf Gemeinsamkeit haben, lohnt es sich, einen Ausflug in eine andere Stadt oder einen Abend im Restaurant zu organisieren. Das ist jeden Aufwand wert, denn schließlich ist die Ehe der Motor der Familie. Natürlich beginnen unsere Ausflüge meistens mit Reibereien, dafür enden sie fast immer umso friedlicher. Uns fällt es nach solchen Auszeiten wieder leichter, die Unterschiede zu akzeptieren, die zwischen uns bestehen. So hat mein Mann zum Beispiel gelernt, dass eine Sport treibende Ehefrau am Ende des Tages ausgeglichener ist – auch wenn das bedeutet, dass sie ihn morgens um sechs weckt, weil sie zum Joggen aufbricht. Das rechne ich ihm hoch an. Dafür stört mich das Flimmern im Nebenzimmer weniger, Hauptsache, es baut ihn auf und er kann anschließend gut schlafen.

7. ENTSPANNUNG FÜR DEN ANDEREN MITDENKEN IST DIE HOHE KUNST
Wie weit man es mit viel Zeit, Liebe und Geduld in einer Beziehung bringen kann, habe ich kürzlich bei unseren Hauskreisleitern beobachtet. In ihrer Ehe haben sie beide das Gespür dafür entwickelt, wann der andere Entspannung dringend nötig hätte. So verriet sie mir, dass er ihr an besonders stressigen Tagen hin und wieder eine „Dosis Klavierspielen“ verordnet hat. Ein solch sensibles Verständnis für das Bedürfnis des Ehepartners ist wohl Gold wert.

Entspannt durch die Ehe zu gehen, ist also am Ende des Tages eine Frage der richtigen Balance. Manchmal gilt es das Gemeinsame zu suchen, und das kann bedeuten, bei den eigenen unmittelbaren Bedürfnissen zurückzustecken. Gleichzeitig ist jeder Mensch in seinen Kräften begrenzt und braucht regelmäßig eine Akku-Ladepause. Dann darf er gern auch einmal ganz allein entscheiden, was ihm gut tut. Wie sagte der Prediger schon so schön: „Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.“ (Prediger 4,6).

KIND = FREUNDSCHAFTSKILLER?

Wie man Eltern wird und Freunde bleibt. Von Nicole Schenderlein

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