Eifersucht unter Geschwistern – So gehen Sie als Eltern damit um
In Familien mit mehreren Kindern bleibt Eifersucht zwischen Geschwistern nicht aus. Wie Eltern damit am besten umgehen können, erklärt die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Melanie Schüer.
„Immer spielst du nur mit Theo!“, wirft die kleine Selma ihrem Vater wütend vor und verlässt aufgebracht das Wohnzimmer. Solche oder ähnliche Szenen kennen viele Eltern, denn Eifersucht zwischen Geschwistern ist ein Gefühl, das oft eine Rolle spielt. Im Umgang damit hilft am besten eine Mischung aus Vorbeugung und Krisenhilfe:
1. Vorbeugen: Was können Eltern tun, um Eifersucht möglichst zu verhindern?
Prävention gegen Eifersucht beginnt am besten bereits vor der Geburt des Geschwisterkindes:
- In dieser Phase gilt es, das ältere Kind bewusst in die Schwangerschaft einzubeziehen, z.B.:
- es zu (unkomplizierten) Untersuchungen mitnehmen, wenn es möchte
- es Tritte des Babys im Bauch spüren lassen
- ihm erlauben, den Babybauch anzumalen
- es in die Gestaltung des Babyzimmers einzubeziehen, wenn das Kind Freude daran hat
- Kinderbücher zu dem Thema lesen, zum Beispiel „Hallo Baby, wann kommst du?“ von Lydia Hauenschild oder „Wir sind jetzt vier“ von Sabine Cuno.
- schon einige Wochen vor der Geburt den Ablauf mehrfach entspannt besprechen: Wer passt auf das ältere Geschwisterkind auf? Wie lange bleiben Mama und das Geschwisterchen voraussichtlich im Krankenhaus? Bei Hausgeburten: Wer wird kommen, warum könnte Mama zwischendurch weinen oder schreien?
Aktiv mitmachen auch nach der Geburt
Wenn das Baby dann da ist, ist es ebenfalls sinnvoll, das ältere Geschwisterkind so oft es möglich ist, teilhaben zu lassen, zum Beispiel beim Wickeln, Waschen, usw. Hier gilt es aber, eine gute Balance zu halten: Bieten Sie dem älteren Kind an, mitzumachen – aber fordern Sie dies nicht ein wie eine Pflicht. Wenn Sie merken, dass Ihr großes Kind keine Lust (mehr) hat, zu helfen, dann nehmen Sie das gelassen: „Kann es sein, dass du lieber spielen willst? Das ist völlig okay!“
Exklusivzeiten für jedes Kind
Hinter Eifersucht steckt nicht in erster Linie eine Ablehnung des Geschwisterkindes, sondern meistens ein eigenes Bedürfnis im Sinne von „Ich möchte Mama/Papa mal wieder ganz für mich haben!“ Das ist ein verständlicher Wunsch, denn die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Elternteils zumindest ab und an zu haben, ist wichtig für die Entwicklung eines Kindes. In solchen Situationen fühlt sich ein Kind besonders gesehen, wertgeschätzt und geliebt. Deshalb sollten Eltern von Anfang an ihr Bestes tun, um regelmäßig Zeiten einzubauen, in denen jedes Kind Zeit allein mit einem Elternteil verbringen kann. Das kann und muss nicht immer viel sein – eine halbe Stunde auf dem Spielplatz und zwanzig Minuten ruhige Zubettgehzeit am Abend können bereits ganz viel bewirken.
Bei älteren Kindern ab ca. 10 Jahren muss eine solche Exklusivzeit nicht mehr mehrfach pro Woche stattfinden. Und es kann auch sein, dass selbst eine wöchentliche Eltern-Kind-Zeit nicht immer einzurichten ist. Achten Sie dann besonders auf Gelegenheiten, die sich ergeben, z.B. eine Autofahrt zu zweit, ein gemeinsamer Einkauf, eine Kugel Eis nach dem Arztbesuch … Und versuchen Sie, gelegentlich besondere Aktionen mit je einem Kind zu ermöglichen, zum Beispiel einen Kinobesuch oder einen Spieleabend zuhause, während das andere Kind bei einer Freundin übernachtet. Wichtig ist auch, diese Zeiten positiv hervorzuheben: „Wie schön, dass wir mal wieder etwas zu zweit unternehmen!“ So zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie gerne Zeit mit ihm verbringen.
2. Was, wenn die Eifersucht trotzdem hochkocht?
Trotz bester Vorbeugung kann es passieren, dass Eifersucht entsteht. Gerade dann, wenn das ältere Kind noch jünger als drei oder vier Jahre ist, erlebt fast jede Familie eine oder mehrere solcher Phasen. In diesem Alter braucht einfach auch das ältere Geschwisterkind noch ganz viel Aufmerksamkeit von den Eltern und empfindet ein anderes Kind, das genau das auch einfordert, ganz schnell unbewusst als Bedrohung. Auch ältere Kinder erleben das und brauchen ihre Eltern, aber sie sind oft schon gefestigter in ihrem Selbstbewusstsein und haben mehr Interesse am Spiel mit Gleichaltrigen, sodass der Fokus auf die Eltern ein kleines bisschen nachlässt. Folgende Schritte sind hilfreich, wenn die Eifersucht sich eingenistet hat:
- Keine Panik! Solche Phasen sind normal und wenn man ihnen gut begegnet, in aller Regel vorübergehend. Nehmen Sie das Problem also ernst, aber ohne Drama oder Selbstvorwürfe.
- Die Situation in Ruhe reflektieren: Überlegen Sie, welche Faktoren für die Eifersucht wichtig sein könnten. Ist das ältere Kind vielleicht wirklich in letzter Zeit zu kurz gekommen? War ein Elternteil oder eine andere wichtige Bezugsperson zu beschäftigt mit dem Baby?
- Mit dem Kind selbst sprechen: Nehmen Sie das eifersüchtige Kind in einer ruhigen Situation beiseite und beginnen Sie ein freundliches, vorwurfsfreies Gespräch. Machen Sie deutlich, dass Eifersucht kein Tabuthema ist, und dass Sie einfach verstehen wollen, was gerade schwierig ist: „Du, ich habe den Eindruck, seit Theo auf der Welt ist, bist du manchmal traurig oder ärgerst dich. Viele Kinder finden es erst einmal stressig, wenn das Geschwisterkind da ist. Es kann sich dann so anfühlen, als wenn man die Eltern plötzlich teilen muss. Vielleicht fühlt man sich manchmal allein gelassen oder vermisst die Zeit allein mit den Eltern. Das ist ganz normal, denn es ist ungewohnt, dass da auf einmal ein anderes Kind ist, das viel Aufmerksamkeit braucht. Kann es sein, dass du das auch so erlebst?“ Fragen Sie auch, was genau das Kind vermisst oder, was es sich wünschen würde. Je nach Alter kann das Kind das möglicherweise nicht sagen – es ist dennoch gut, die Frage zu stellen. Versuchen Sie, die Sorgen und den Ärger Ihres Kindes erst einmal stehen zu lassen und anzuerkennen.
- Auch hier hilft es, Kinderbücher zu dem Thema zu lesen, die helfen, die schwierigen Gefühle einzuordnen und einen Umgang damit zu finden, z.B. „Wen hast du am allerliebsten?“ von Sam MacBratney.
- Deutlich machen: „Ich liebe dich genauso sehr wie vorher!“ In dem Kinderbuch „Meine Mama nur für mich“ von Uta Stern wird ein schönes Bild dazu vorgeschlagen, z.B. so: „Ich verstehe, dass es schwierig ist. Es braucht etwas Zeit, sich an das neue Leben zu gewöhnen. Aber eins ist ganz klar: Ich liebe dich immer noch genauso sehr wie schon immer! Meine Liebe zu dir ist noch immer genauso groß! Das Herz eines Papas kann sozusagen wachsen! Man kann sich das so vorstellen: In meinem Herzen ist ein Raum nur für dich. Da ist meine ganze Liebe für dich drin. Und als Theo zur Welt kam, da ist das Herz gewachsen und es ist ein neuer Raum entstanden – mit der Liebe zu Theo. Aber dein Raum, meine Liebe zu dir, ist noch immer genauso groß! Ich bin so froh, dass ich dich habe!“
- Planen Sie eine Weile (etwa zwei Monate lang) besonders viel Exklusiv-Zeit mit dem eifersüchtigen Kind ein. Teilen Sie sich als Eltern auf oder schauen Sie, wenn Sie alleinerziehend sind, ob Sie eine andere Bezugsperson mit ins Boot holen können. Achten Sie auch darauf, die Stärken und positiven Verhaltensweisen anzuerkennen, um das Selbstwertgefühl zu stärken. Eine schöne Methode sind „Ermutigungskarten“: Auf kleine Kärtchen schreiben Bezugspersonen des Kindes, was sie alles an ihr mögen, gern mit ihm machen, was sie gut kann, usw. So ein ehrliches, positives Feedback wirkt ungemein stärkend.
- Gefühlsregulation fördern: Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es mit negativen Gefühlen wie Wut und Traurigkeit umgehen kann. Erlauben Sie ihm, traurig zu sein: „Du musst die Traurigkeit nicht wegschieben. Gefühle gehen ganz von allein wieder. Weinen tut manchmal gut. Ich bin da für dich.“ Gute Strategien bei Wut sind zum Beispiel: mit dem Fuß auf den Boden stampfen, in ein Kissen boxen, einen Wutball mehrfach stark zusammenpressen.
Wenn Ihr Kind das Geschwisterkind schlecht behandelt hat, reagieren Sie möglichst ruhig, aber entschlossen. Erklären Sie gefasst und in wenigen Worten, dass Sie keine Gewalt akzeptieren und gehen Sie, wenn nötig, dazwischen. Entschuldigungen einfordern ist meist keine gute Idee. Denn diese sind meist nicht ernst gemeint und können Kindern den Eindruck vermitteln „Ich sage einfach hinterher Entschuldigung und dann ist alles wieder gut.“ Nehmen Sie sich lieber Zeit, mit dem Kind über seine Gefühle (die zur Gewalt geführt haben) und die Gefühle des anderen Kindes: „Wie hat er sich wohl gefühlt, als du es getreten hast? Meinst du, er hat deinen Turm absichtlich umgeschmissen? Was wollte Theo vielleicht, als er zu dir gekrabbelt ist?” Überlegen Sie auch gemeinsam, wie Ihr Kind beim nächsten Mal in einem ähnlichen Konflikt handeln könnte. So werden langfristig Empathie und Problemlösefähigkeiten trainiert.
Zu guter Letzt: Wenn die Eifersucht trotz Ihrer Bemühungen hartnäckig bleibt oder Maße annimmt, die Sie überfordern, dann scheuen Sie sich bitte nicht, fachliche Hilfe anzunehmen. Erziehungsberatungsstellen (dajeb.de oder auch online: elternleben.de) bieten kostenlose Unterstützung und ein objektiver Blick verhilft oft zu ganz neuen Perspektiven und Ideen.
Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Autorin.