Beiträge

Störenfried: Wenn das innere Kind dazwischenfunkt

Ein plötzlicher Ausraster, undefinierbare Gefühle – so oder anders kann sich das innere Kind zu Wort melden und die Harmonie in der Partnerschaft stören. Therapeutin Melanie Schüer erklärt die Zusammenhänge.

„Tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum ich mich so aufgeregt habe. Irgendwas hat mich daran total getroffen …aber es ist nicht deine Schuld“, murmelt Lea, während sie sich Milch in ihren Kaffee gießt und zaghaft ihrem Mann zulächelt. Wieder mal ist sie ziemlich wütend geworden in einer Situation, die so ähnlich – das fällt ihr jetzt, mit etwas Abstand auf – immer wieder für Konflikte sorgt.

„Wenn ich mal so darüber nachdenke, geht es bei meinen Ausrastern ziemlich oft um dieses Thema Vergessen werden“, denkt sie laut nach. Und tatsächlich: Gerade hat ihr Mann den Käse vergessen, den sie so gern morgen zum Frühstück genossen hätte. Ihr Sohn hat vor ein paar Tagen nicht daran gedacht, ihren Brief zur Post zu bringen, als er in der Stadt war und als ihre beste Freundin hatte sich letzte Woche nicht, wie angekündigt, gemeldet. In all diesen Situationen hatte Lea ziemlich wütend reagiert – übertrieben wütend, wie sie selber findet, eigentlich unreif, kindlich. Und das ist ganz logisch, denn diese Situationen lösen aufgrund von Leas Biografie etwas aus, das ihr inneres Kind betrifft.

Das innere Kind und die Persönlichkeit

Manchmal nehmen wir Menschen in uns verschiedene Stimmen wahr. Das ist keine Spaltung der Persönlichkeit, sondern die normale Tatsache, dass jeder Mensch verschiedene innere Anteile besitzt. Diese inneren Anteile hängen auch mit unseren unterschiedlichen Rollen zusammen, die wir im Alltag einnehmen – zum Beispiel der Rolle als Freundin, als Partner, als Mutter, Vater, Angestellter oder als Schülerin. Das innere Kind ist der Teil unserer Persönlichkeit, der stark in unserer Kindheit verwurzelt ist. Hier kommen prägende Eindrücke, Gefühle und Erfahrungen aus unserer Kindheit zum Tragen.

Innerer Erwachsener – inneres Kind

Zwei oft sehr gegensätzliche innere Anteile sind das sogenannte ‚Erwachsenen-Ich‘ und das ‚Innere Kind‘. Wenn wir sicher in der Rolle als Erwachsene agieren und uns dem, was uns begegnet, gewachsen fühlen, dann ist das Erwachsenen-Ich in uns besonders präsent. Wir fühlen uns dann souverän, selbstsicher und kompetent – zumindest sind diese Gefühle stärker als Ängste, Sorgen oder Selbstzweifel. Es ist wortwörtlich der erwachsene, reife Teil unserer Persönlichkeit – man könnte auch sagen, „Die Stimme der Vernunft“. Das mag positiv klingen, beinhaltet aber auch negatives Potenzial im Sinne von Druck, Perfektionismus und Verlust von Lebensfreude. Wer immer nur auf die eigene innere Erwachsene hört, schwächt oft wichtige Aspekte des Lebens wie Fantasie, Unbeschwertheit, Freude oder Spontaneität.

In diesen Zuständen kommt ein anderer Anteil besonders stark zum Vorschein: unser inneres Kind. Das innere Kind kann uns befähigen, das Leben zwischendurch leicht zu nehmen und zu genießen. Wir können dann herumalbern und völlig im Moment sein. Gleichzeitig sind mit dem Inneren Kind auch bestimmte negative Erfahrungen verbunden. Wenn das innere Kind in uns stark wird, dann kann es auch passieren, dass wir uns unzulänglich, gedemütigt, abgelehnt, hilflos oder belächelt fühlen. Diese Gefühle hängen mit Erfahrungen aus unserer Kindheit zusammen, die natürlich individuell unterschiedlich sind. Sie werden in Momenten wach, in denen wir an Situationen aus unserer Kindheit erinnert werden – oft sprechen wir dann von „Triggern“. Es kann sich dann anfühlen, als wären wir in die Situation von früher zurückversetzt. So wie Lea, die mit Blick auf die Trigger-Situationen der letzten Zeit ein Muster erkennt und versteht, dass sie sich in diesen Momenten fühlt wie in bestimmten Situationen ihrer Kindheit.

Grundüberzeugungen auf der Spur

Prägende Erfahrungen in der Kindheit führen zur Entwicklung fester Grundüberzeugungen. Das sind quasi Glaubenssätze, die oft unbewusst unsere Sicht auf uns selbst, andere Menschen und Situationen formen. Grundüberzeugungen können zum Beispiel sein:

  • Wenn ich nicht alles perfekt mache, werde ich nicht akzeptiert
  • Wenn ich anders als andere bin, werde ich zurückgewiesen
  • Egal was ich tue, es ist nie genug
  • Ich darf nicht zu hohe Ansprüche stellen, um andere nicht zu nerven
  • Ich muss alles kontrollieren, weil ich sonst nicht sicher bin
  • Andere Menschen werden mich früher oder später enttäuschen
  • Wenn andere mich wirklich kennenlernen, mögen sie mich nicht mehr

Selbstverständlich gibt es auch positive Überzeugungen, zum Beispiel „Ich kann etwas leisten!“ oder „Ich darf meine Meinung sagen!“ Aber durch Krisen und Problemen, insbesondere in der Paarbeziehung, bekommen die negativen Grundüberzeugungen stärkeres Gewicht. Das hängt damit zusammen, dass wir uns in einer Paarbeziehung besonders öffnen und dadurch verletzlich machen und an unser Gegenüber Bedürfnisse und Erwartungen herantragen, die denen eines Kindes gegenüber den Eltern ähneln (Geborgenheit, Annahme, Liebe, Interesse, etc.).

Im Fall Lea

In Leas Fall könnte man die negative Grundüberzeugung in etwa so formulieren: „Wenn andere mich vergessen, zeigt das, dass ich ihnen nicht wichtig bin.“ Lea war mit einem völlig überforderten alleinerziehenden als Vater groß geworden. Der Vater hatte oft vergessen, Lea etwas zu Essen vorzuberteiten oder Lea vom Kindergarten abzuholen. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie dann als letztes Kind noch wartete, während ihr Erzieher Jan versuchte, ihren Vater zu erreichen.

Wenn Lea ihren Vater dann weinend begrüßte, spielte er das Problem herunter: „Ach komm, mach‘ doch nicht so ein Theater, Lealein. Ich komm doch immer irgendwann, oder etwa nicht? Es dreht sich doch nicht immer alles nur um dich.“ Irgendwann hatte sich Leas Traurigkeit mit Wut vermischt. Die Wut half ihr ein wenig, sich stärker zu fühlen. Das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der Traurigkeit, die ja ohnehin nur belächelt wurde, wurde ein wenig abgeschwächt durch die Wut über das Verhalten ihres Vaters. Und genau diese Gefühle kamen auch jetzt wieder hoch, wenn sich vergessen und infolgedessen nicht wertgeschätzt fühlte.

Das innere Kind und die Paarbeziehung

Diese negativen Grundüberzeugungen aus der Kindheit und die dazugehörigen Gefühle wie Scham, Angst Traurigkeit, Wut und Verhaltensweisen wie Konfliktvermeidung, übertriebene Anpassung oder mangelnde Offenheit haben einen enormen Einfluss auf die Entwicklung einer Paarbeziehung. Denn in einer solchen Beziehung machen wir uns besonders verletzlich und entwickeln eine enge Verbundenheit, die auch Verlassensängste oder Angst vor Abhängigkeit auslösen kann.

Im Paar-Alltag werden immer wieder Situationen entstehen, die uns an Erlebnisse aus der Kindheit entwickeln – oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Diese Ähnlichkeit der Situation (zum Beispiel eine frustrierte Reaktion meines Partners, weil ich etwas nicht schaffe) kann die vertrauten Denkmuster, Gefühle und dann auch Verhaltensweisen auslösen, zum Beispiel, wenn Lea ihren Mann anschreit, weil sie sich in diesem Moment wieder wie die kleine, vergessene Lea fühlt und, weil die Traurigkeit sich zu überwältigend anfühlt, mit Wut reagiert.

Diese Dynamik kann Konflikten immer wieder befeuern, weil beide Partner nicht verstehen, was eigentlich gerade passiert. Scheinbare kindische, unreife Verhaltensweisen treten immer wieder zutage, denn handlungsleitend ist in diesen Fällen tatsächlich das innere Kind!

Das innere Kind auf frischer Tat ertappen

Um diese Zusammenhänge zu erkennen, ist es wichtig, zunächst einmal zu verstehen, welche Situationen zu Unstimmigkeiten und Konflikten führen. Überlegen Sie in einer ruhigen Situation, mit etwas Abstand zu einem konkreten Streit, ob Sie gewisse Muster erkennen können. Was haben die letzten Konfliktanlässe, an die Sie sich erinnern können, gemeinsam? Was sind Themen, die ähnlich sind – zum Beispiel Äußerung von Kritik, Umgang mit Verschiedenheit, Einstellungen zu bestimmten Fragen wie Haushaltsführung, Finanzen, Alltagsgestaltung. Meist kommen schnell Muster zum Vorschein und zeigen an, was Ihr inneres Kind oder das Ihres Gegenübers triggert.

Dann gilt es, ein wenig in der Zeit zurückzureisen: Inwiefern kennen Sie dieses Thema/ähnliche Situationen aus Ihrer Kindheit? Wie haben Sie sich damals gefühlt? Was war damals belastend und stressig? Was hat Sie verletzt, beschämt, wütend gemacht oder geängstigt?

Das innere Kind beruhigen

Wichtig ist, in so einem Reflexionsprozess das innere Kind nicht einfach beiseitezuschieben im Sinne von „Ach so, das liegt nur an meiner Kindheit – okay, das ignoriere ich.“ Das wäre auf Dauer nicht hilfreich, denn das innere Kind meldet sich an ähnlichen Stellen wieder, weil dieses Thema in der Kindheit nicht ausreichend geklärt und verarbeitet werden konnte. Es gilt daher, die Verletzung des inneren Kindes ernst zu nehmen und wie ein liebevoller Erwachsener mit Verständnis zu reagieren.

Es klingt vielleicht komisch, aber erlauben Sie sich ruhig ein wenig Kopfkino. Stellen Sie sich selbst als Kind in einer belastenden Situation vor, an die Sie sich noch erinnern können. Und dann gehen Sie in Ihrer Fantasie als heutiges, erwachsenes Ich auf Ihr jüngeres Ich zu und blicken es freundlich an. Sagen Sie ihm das, was Sie damals schon hätten hören müssen. Sprechen Sie Ihm Mut und Trost zu und erklären Sie, dass die Situation heute anders ist als damals. Wenn Sie offen dafür sind, stellen Sie sich auch gerne vor, sich dem inneren Kind zuwendet, es tröstet und stärkt.

Grundüberzeugungen verändern

Wenn Sie einen Schritt weitergehen möchten, reflektieren Sie auch, welche Grundüberzeugung hinter dem erlebten Konflikt stehen könnte – zum Beispiel im Beispiel von Lea: „Ich werde vergessen, weil ich nicht wichtig bin.“

Überlegen Sie, welche Erfahrungen zu dieser Überzeugung geführt haben – und welche anderen, positiven Erfahrungen und Erkenntnisse ihr widersprechen. Sammeln Sie ruhig Argumente, was für uns was gegen die Wahrheit dieser Überzeugung spricht. Und wenn sie der Realität nicht standhält, dann formulieren Sie – am besten schriftlich, so lernt unser Gehirn effektiver – eine positivere, realistische Grundüberzeugung – wie beispielsweise „Ich bin Gott so wichtig, dass er sogar die Zahl der Haare auf meinem Kopf kennt. Ich bin mir selber wichtig. Und es gibt Menschen, denen ich wichtig bin wie …..“ Lesen Sie sich die positiven Sätze immer wieder durch – so So können Sie neue Denkpfade prägen, die nach und nach Ihre Wahrnehmung prägen und zur Realität werden. Womöglich fühlt sich das anfangs künstlich an – das ist normal, denn Ihr Gehirn hat ja jahrelang das Gegenteil gedacht! Geben Sie dem Training also etwas Zeit.

Nicht alles geht in Eigenregie

Vieles können wir selbst durch Reflexion erreichen. Manche Prozesse brauchen aber Begleitung und Hilfe. Einige Grundüberzeugungen sitzen so tief, haben eine so destruktive Wirkung, manche Erfahrungen unseres inneren Kindes waren so massiv, dass eine Aufarbeitung alleine nicht gelingt. Ein freundliches, professionelles Gegenüber macht einen großen Unterschied und kann einen sehr heilsamen Prozess in Gang bringen. Psychotherapie, Lebensberatungsstellen und Seelsorge können dazu hilfreiche Angebote sein.

Melanie Schüer ist Mutter von zwei Kindern und areitet als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin im Osnabrücker Land.

Empathisch

Was ist Empathie? Nicht das, was viele denken.

Wenn ich mit Menschen über ihre Partnerschaft spreche, sagen mir viele, dass sie sich wünschten, ihr Partner oder ihre Partnerin hätte mehr Empathie. Vor allem von Frauen höre ich, dass es ihren Männern schwerfällt, das Mitgefühl aufzubringen, das sie eigentlich bräuchten. Stattdessen bekommen sie viele gut gemeinte Hinweise, wie man die Situation lösen könnte. Auch Aufmunterungen im Sinne von „Du schaffst das schon!“ stehen hoch im Kurs.

Anknüpfungspunkte

Wenn uns der andere erzählt, was ihn bedrückt, ist es manchmal schwer, einfühlsam darauf zu reagieren. Wenn wir ehrlich sind, finden wir das Gehörte oft schwer nachvollziehbar, manchmal sogar haarsträubend. Meistens findet der Zuhörer keinen Anknüpfungspunkt an die Erfahrungen seines Gegenübers, weil er selbst die gleichen Ereignisse ganz anders wahrgenommen und interpretiert hätte. Wie kann man mitfühlen, wenn man selbst nie etwas Ähnliches erlebt hat? Und wahrscheinlich auch nie etwas Ähnliches erleben wird, weil man anders gestrickt ist und anders mit dem Leben umgeht?

Diesen Überlegungen liegt ein großes Missverständnis über Empathie zugrunde. Als Gesellschaft haben wir hier eine kollektive Bildungslücke. Empathisch zu sein, bedeutet nämlich nicht, dass ich das Erleben meines Partners/meiner Partnerin nachvollziehen kann. Vielmehr bedeutet es, dass ich ihm/ihr aufmerksam zuhöre und ihm/ihr glaube, wenn er/sie mir davon erzählt, was ein bestimmtes Erlebnis bei ihm/ihr ausgelöst hat. Auch wenn das nicht mit meinem Erleben zusammenpasst. Die Empathieforscherin Brené Brown bringt es auf den Punkt: „Empathie bedeutet nicht, sich mit einer Erfahrung zu verbinden, sondern mit den Gefühlen, die durch eine Erfahrung ausgelöst wurden.“

Ungerecht behandelt

Als empathische Zuhörerinnen und Zuhörer versuchen wir also, in uns selbst etwas zu finden, das das Gefühl kennt, das unser Gegenüber beschreibt, und daran anzudocken. Ein Beispiel: Nadine erzählt Tobias, wie schwierig es für sie ist, dass ihr Kollege alle Lorbeeren für ein Projekt erhält, zu dessen Erfolg hauptsächlich sie beigetragen hat. Gerade heute hat ihr Vorgesetzter wieder vor dem ganzen Team die hervorragende Arbeit des Kollegen gelobt und ihren Beitrag mit keinem Wort erwähnt.

Tobias liegt die Lösung auf der Zunge: „Dann musst du dich halt wehren.“ So hätte er es gemacht. Ist ja absurd, dass man sich so etwas bieten lässt. Doch stattdessen fragt er sich: „Gibt es etwas in mir, das mir helfen könnte, zu erkennen und mich mit dem zu verbinden, was Nadine fühlt?“ Und tatsächlich kennt auch Tobias Situationen, in denen er sich ungerecht behandelt fühlt oder das Gefühl hat, dass ihn niemand wahrnimmt. Und wenn er dort anknüpft, wird es ihm gelingen, einfühlsam auf Nadine zu reagieren.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Als Paar einen Treuebruch überleben

Wenn ein Treuebruch passiert, fällt die betrogene Person oft aus allen Wolken. Ist eine Ehe nach einer Affäre noch zu retten? Von Christina Glasow

Kati (alle Namen geändert) hatte schon wochenlang so ein Gefühl … Jetzt hält sie Tills Handy in der Hand und starrt mit klopfendem Herzen auf seinen Chatverlauf mit Lena. Kati kennt sie schon lange. Sie arbeitet für die gleiche Firma wie Till. Was sie da liest, lässt sie erstarren: Herzchen, Küsschen, „Ich vermisse dich“, „Ich sehne mich nach dir“ …

In Katis Kopf und Herz bricht Chaos aus: Schmerz. Wut. Angst. Enttäuschung. Scham. Wie konnte er das nur tun? Bin ich nicht gut genug? Ist unsere Beziehung eine einzige Lüge? Wie lange geht das schon so? Was hat er ihr über uns erzählt? Ich werfe ihn raus. Ich will ihn nicht verlieren.

Mit Katis Entdeckung konfrontiert, kommt Till stammelnd mit der Wahrheit heraus. Er hat Angst und ist gleichzeitig von einer tonnenschweren Last befreit. Till hatte sich mit Lena so lebendig gefühlt, so begehrt. Aber Kati anzulügen, war schwer. Er liebt sie doch. Er war ständig in Angst, aufzufliegen. Aber auch unfähig, aufzuhören.

Wo und wie beginnt Treuebruch?

Treuebruch ist ein Durchbrechen der getroffenen Vereinbarung über die Exklusivität einer Partnerschaft. Ein Aufbauen von Intimität mit einer dritten Person. Wie genau diese aussieht, wo die Grenze liegt, ist sehr unterschiedlich. Treuebruch hat viele Gesichter: einmalig oder länger andauernd, mit einer Person aus dem Umfeld oder jemand Unbekanntem, mit oder ohne Gefühle, „nur“ emotional oder auch körperlich … Es finden Heimlichkeiten, Hintergehen und damit ein Vertrauensbruch statt, der die betrogene Person in unterschiedlichem Maße erschüttert.

Oft entsteht Untreue schleichend und mit einer Person aus dem Lebensumfeld (Freundeskreis, Job, Hobby, Gemeinde), der man mehr und mehr Aufmerksamkeit schenkt, die auch erwidert wird. Unmerklich wird so der Punkt der Freundschaftlichkeit überschritten. Der Partner oder die Partnerin dürfte jetzt nicht mehr danebenstehen, wenn Nachrichten ausgetauscht werden. Ist dieser Punkt erreicht, wird es schwierig, aus der Situation wieder herauszukommen.

Was ist jetzt wichtig?

Auch wenn die Hürde riesengroß ist: Es ist besser, wenn die untreue Person den Treuebruch selbst beichtet, als dass es durch andere oder durch die betrogene Person herausgefunden wird. Nach dem Aufdecken der Untreue können auf beiden Seiten schwer aushaltbare Gefühle wie Enttäuschung, Verrat, Hilflosigkeit, Schmerz, Angst, Zerrissenheit, Wut und Scham aufkommen. Eine Trennung scheint eine naheliegende, schnelle Lösung zu sein. Es ist jedoch wichtig, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen.

Ein Treuebruch muss nicht das Ende einer Beziehung sein. Wenn beide grundsätzlich die Beziehung weiterführen möchten (von diesem Fall gehe ich im Weiteren aus), ist es möglich, einen Treuebruch zu verarbeiten. In meiner Praxis durfte ich schon viele Paare begleiten, die sich diesem schmerzhaften Prozess gestellt haben und anschließend als Paar gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen sind. Ob ein Treuebruch verarbeitet werden kann, hängt davon ab, wie empathisch der Verursacher mit der Verletztheit des Gegenübers umgeht, sodass das verlorene Vertrauen wieder wachsen kann. Im zweiten Schritt muss geschaut werden, ob und welche Faktoren es in der Beziehungsdynamik gibt, die den Boden für den Treuebruch bereitet haben könnten.

Wichtige Schritte für die Verarbeitung

Kontaktabbruch und Transparenz: Die untreue Person um die grenzüberschreitenden Interaktionen beziehungsweise muss den anderen Kontakt beenden. Und zwar in Form von klarer und fairer Kommunikation, zum Beispiel: „Meine Frau/mein Mann weiß jetzt über uns Bescheid. Ich entscheide mich, an meiner Beziehung zu arbeiten. Das zwischen uns ist aus.“ Etwaige Kontaktversuche der dritten Person sollten sofort mitgeteilt werden.

Faktencheck und Gefühlslage: Es braucht jetzt Zeit, über die Gefühle und das Geschehene zu sprechen. Immer wieder und solange es nötig ist. Die betrogene Person hat jetzt Gedankenspiele darüber, wie genau der Treuebruch ausgesehen haben mag. Auch wenn es schmerzhaft ist, ist es wichtig, die Fakten zu kennen, damit die Gedanken darüber irgendwann zur Ruhe kommen können. Manchmal sind die Befürchtungen schlimmer als das, was tatsächlich geschehen ist. Bitte nicht, um die eigene Haut zu retten oder den anderen zu schonen, die „Salamitaktik“ anwenden und Informationen erst nach und nach preisgeben. Das erschüttert immer wieder das Vertrauen und sorgt für Rückschläge im Prozess.

Zum eigenen Schutz sollte nicht zu detailliert nachgefragt werden. Welche genauen Wortlaute oder Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden, ist nicht unbedingt relevant, um ein Bild vom Geschehenen zu bekommen. Die Devise lautet: so viel Information wie nötig und so wenig wie möglich. Sollten auch nach dem Aufdecken noch Emotionen für die dritte Person vorhanden sein, durchläuft die ehemals untreue Person parallel einen Prozess des Loslassens und der Trennung.

Oft ist mit dem Aufdecken jedoch die Affäre auch emotional vorbei. Die Gedanken und Gefühle sind bald wieder sortiert und fokussiert auf die ursprüngliche Beziehung. Für die betrogene Person fängt aber alles erst an. Die Verarbeitung dauert ihre Zeit und ist anstrengend. Je geduldiger und gründlicher sich beide Partner dem Prozess der Verarbeitung stellen, desto besser sind die Chancen, die Krise zu bewältigen. Es braucht jetzt von beiden Personen vor allem Geduld.

Sätze wie „Darüber haben wir doch jetzt schon x-mal gesprochen, du musst jetzt auch mal darüber wegkommen“ oder „Wir haben doch nur geschrieben, es ist doch nichts passiert“ bringen den Verarbeitungsprozess nicht voran. Im Gegenteil: Die verletzte Person fühlt sich nicht gesehen und im Schmerz alleingelassen. Nun ist es wichtig, Empathie zu zeigen, die emotionale Achterbahn des oder der anderen liebevoll auszuhalten und die Konsequenz des eigenen Handelns verantwortungsvoll zu tragen. Wenig hilfreich für den Prozess ist es, wenn die betrogene Person verdrängt und schnell und oberflächlich vergibt. Es ist wichtig, die Gefühle zuzulassen, auch wenn das unangenehm ist.

Nur durch gemeinsames Tragen dieser schmerzhaften Folgen kann die Beziehung heilen und wachsen. Es führt kein gesunder Weg daran vorbei! Es kann in dieser Phase zu langen, kräftezehrenden Gesprächen kommen. Hilfreich ist es hier, vor dem Gespräch einen Zeitrahmen zu vereinbaren, um zu einem Ende zu finden, auch wenn noch nicht alles besprochen ist.

Freiwillige Rechenschaft: Für die meisten betrogenen Partner ist es in der ersten Zeit schwierig, mit bestimmten Trigger-Situationen umzugehen, ohne ständig zu kontrollieren, zum Beispiel wenn die ehemals untreue Person allein ausgeht. In der ersten Zeit kann es helfen, freiwillig Rechenschaft abzulegen: Wenn Till ins Büro fährt, hat Kati jedes Mal Angst, dass er dort Lena treffen und sich wieder Heimlichkeiten zwischen den beiden einstellen könnten. Till versteht das. Die beiden haben verabredet, dass er von sich aus erzählt, wenn er Lena gesehen hat. Wenn Kati unsicher ist, fragt sie zusätzlich nach. Langsam kann so Vertrauen und Sicherheit zurückkehren.

Es ist eine besondere Herausforderung, wenn sich die dritte Person weiterhin im Umfeld des Paares befindet. Den Job oder den Freundeskreis zu verlassen, sind große Schritte, die man nicht unbedingt gehen kann oder möchte. Diese Situationen können sehr knifflig sein und werden am besten professionell begleitet. Als Richtschnur kann dienen, dass die betrogene Person das Tempo vorgibt, wie und ob wieder ein Treffen oder gar eine Annäherung an die dritte Person stattfindet. Es muss weder alles schnell wieder normal sein, noch muss es bedeuten, dass nie wieder miteinander gesprochen wird. Zunächst ist es am wichtigsten, dass das Paar wieder zueinander findet. Alles, was das weitere Umfeld betrifft, kann dann zu seiner Zeit folgen, sofern das gewünscht ist.

Wie konnte das passieren?

In Studien zum Thema Untreue geben 40 Prozent der Befragten an, in ihrem Leben schon einmal untreu gewesen zu sein, wobei es Männer und Frauen etwa gleichermaßen betrifft. Wie kommt es dazu? Die Gründe sind sehr individuell und können an dieser Stelle nur angerissen werden. Oft beobachte ich in meiner Arbeit mit betroffenen Paaren aber das gleiche Grundprinzip:

Die Lebensumstände eines Menschen verändern sich stetig. Sie wandeln sich in Bezug auf den Job, Wohnort, Kinder, Hobbys, Ehrenamt oder Freundschaften. Aber auch Krankheiten oder der Verlust eines geliebten Menschen führen zu Veränderungen. Man passt sich den Gegebenheiten an und setzt Prioritäten. Manches muss weichen, weil die Kraft oder die Zeit dazu fehlt. Vor allem in der Kleinkind-Phase bleibt häufig wenig Raum für anderes.

Oft fällt diesem Lauf des Lebens die Pflege der Paarbeziehung, also die ungeteilte Zeit mit dem Partner/der Partnerin, als Erstes zum Opfer. Man funktioniert zusammen als Team, aber den Bedürfnissen des Gegenübers wird weniger Beachtung geschenkt. In seinem Buch „Die 5 Sprachen der Liebe“ beschreibt Gary Chapman, was Menschen brauchen, um sich geliebt zu fühlen und wie man es schaffen kann, trotz Unterschiedlichkeit beim Gegenüber keinen Mangel aufkommen zu lassen. Das Bedürfnis nach ungeteilter Zeit mit dem Partner spielt eine große Rolle. Tritt über einen längeren Zeitraum ein Mangel auf, der von einer dritten Person gestillt wird, besteht die Gefahr, dass sich eine Außenbeziehung anbahnt.

Die eigene Prägung, alte Glaubenssätze, das Selbstbewusstsein und auch bereits vorangegangene ungeklärte Verletzungen in der Beziehung tragen außerdem dazu bei. Das bedeutet, dass für die Umstände, die den Treuebruch begünstigt haben, in der Regel beide Verantwortung tragen. Für den Treuebruch an sich trägt aber ausschließlich die untreue Person die Verantwortung. Die Gründe sind also sehr individuell und oft komplex. Es lohnt sich, hier mit professioneller Unterstützung hinzuschauen, um die Basis der Beziehung nachhaltig zu festigen. Das gilt besonders, wenn Untreue wiederholt ein Thema ist. Meist spielen die psychologischen und lebensgeschichtlichen Hintergründe eine relevante Rolle. Aber auch als Opfer wiederholter Untreue ist es wichtig, sich Hilfe zu holen und abzuwägen, ob eine Trennung die bessere Alternative wäre, als sich immer wieder so tief verletzen zu lassen.

Wann ist die Krise bewältigt?

Um mit einem erlittenen Treuebruch abzuschließen, ist es wichtig, sich irgendwann zu entscheiden, die zugefügte Verletzung loszulassen und zu vergeben. Nicht, weil man das tun müsste oder das Gegenüber das erwartet, sondern um des eigenen Herzens willen. Ich glaube, dass Gott uns die Möglichkeit zu vergeben hauptsächlich um unseretwillen geschenkt hat, damit unser Herz nicht bitter wird. Unvergebenes liegt als Last auf der eigenen Seele. Vergebung ermöglicht es einem selbst, wieder frei zu werden. Vergeben bedeutet nicht vergessen. Es ist aber der Schritt, den beide brauchen, damit das Geschehene irgendwann nicht mehr zwischen ihnen steht.

Jedes Paar sollte an den Stellschrauben für eine gesunde und reife Beziehung arbeiten: Kommunikation auf Augenhöhe, Arbeit an den eigenen Themen sowie ein aufmerksames, wertschätzendes und liebevolles Miteinander. Wer gerade in einer Krise dieser Art steckt, dem möchte ich Mut machen: Es wird sich nicht für immer so anfühlen. Wer die wichtigen oben genannten Punkte beachtet, hat eine gute Chance, das Geschehene zu verarbeiten und reifer daraus hervorzugehen. Es braucht Zeit und Vertrauen in den Prozess. Aber es lohnt sich!

Ein Jahr später schauen Kati und Till auf eine schmerzhafte Zeit zurück. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Die aufreibenden Gespräche sind vorbei. Ab und zu kommen Erinnerungen hoch, aber sie schmerzen nur noch kurz. Die beiden sind wieder aufmerksamer füreinander geworden und haben gelernt, über ihre Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Tills Kontakt zu Lena beschränkt sich auf ein „Hallo“ im Büro. Katis Groll ihr gegenüber hat sich abgeschwächt. Aber ob und wie Kati ihr wieder begegnen möchte, darüber ist sie sich noch nicht sicher.

Christina Glasow ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und lebt mit ihrer Familie in Pulheim. christinaglasow.de

Treuebruch! So können Sie Ihre Partnerschaft retten

Wenn ein Treuebruch passiert, fällt die betrogene Person oft aus allen Wolken. Ist die Partnerschaft nach einer Affäre noch zu retten? Paartherapeutin Christina Glasow gibt Tipps, wie die Beziehung überleben kann.

Kati (alle Namen geändert) hatte schon wochenlang so ein Gefühl … Jetzt hält sie Tills Handy in der Hand und starrt mit klopfendem Herzen auf seinen Chatverlauf mit Lena. Kati kennt sie schon lange. Sie arbeitet für die gleiche Firma wie Till. Was sie da liest, lässt sie erstarren: Herzchen, Küsschen, „Ich vermisse dich“, „Ich sehne mich nach dir“ …

In Katis Kopf und Herz bricht Chaos aus: Schmerz. Wut. Angst. Enttäuschung. Scham. Wie konnte er das nur tun? Bin ich nicht gut genug? Ist unsere Beziehung eine einzige Lüge? Wie lange geht das schon so? Was hat er ihr über uns erzählt? Ich werfe ihn raus. Ich will ihn nicht verlieren.

Mit Katis Entdeckung konfrontiert, kommt Till stammelnd mit der Wahrheit heraus. Er hat Angst und ist gleichzeitig von einer tonnenschweren Last befreit. Till hatte sich mit Lena so lebendig gefühlt, so begehrt. Aber Kati anzulügen, war schwer. Er liebt sie doch. Er war ständig in Angst, aufzufliegen. Aber auch unfähig, aufzuhören.

Wo und wie beginnt Treuebruch?

Treuebruch ist ein Durchbrechen der getroffenen Vereinbarung über die Exklusivität einer Partnerschaft. Ein Aufbauen von Intimität mit einer dritten Person. Wie genau diese aussieht, wo die Grenze liegt, ist sehr unterschiedlich. Treuebruch hat viele Gesichter: einmalig oder länger andauernd, mit einer Person aus dem Umfeld oder jemand Unbekanntem, mit oder ohne Gefühle, „nur“ emotional oder auch körperlich … Es finden Heimlichkeiten, Hintergehen und damit ein Vertrauensbruch statt, der die betrogene Person in unterschiedlichem Maße erschüttert.

Oft entsteht Untreue schleichend und mit einer Person aus dem Lebensumfeld (Freundeskreis, Job, Hobby, Gemeinde), der man mehr und mehr Aufmerksamkeit schenkt, die auch erwidert wird. Unmerklich wird so der Punkt der Freundschaftlichkeit überschritten. Der Partner oder die Partnerin dürfte jetzt nicht mehr danebenstehen, wenn Nachrichten ausgetauscht werden. Ist dieser Punkt erreicht, wird es schwierig, aus der Situation wieder herauszukommen.

Was ist jetzt wichtig?

Auch wenn die Hürde riesengroß ist: Es ist besser, wenn die untreue Person den Treuebruch selbst beichtet, als dass es durch andere oder durch die betrogene Person herausgefunden wird. Nach dem Aufdecken der Untreue können auf beiden Seiten schwer aushaltbare Gefühle wie Enttäuschung, Verrat, Hilflosigkeit, Schmerz, Angst, Zerrissenheit, Wut und Scham aufkommen. Eine Trennung scheint eine naheliegende, schnelle Lösung zu sein. Es ist jedoch wichtig, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen.

Ein Treuebruch muss nicht das Ende einer Beziehung sein. Wenn beide grundsätzlich die Beziehung weiterführen möchten (von diesem Fall gehe ich im Weiteren aus), ist es möglich, einen Treuebruch zu verarbeiten. In meiner Praxis durfte ich schon viele Paare begleiten, die sich diesem schmerzhaften Prozess gestellt haben und anschließend als Paar gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen sind. Ob ein Treuebruch verarbeitet werden kann, hängt davon ab, wie empathisch der Verursacher mit der Verletztheit des Gegenübers umgeht, sodass das verlorene Vertrauen wieder wachsen kann. Im zweiten Schritt muss geschaut werden, ob und welche Faktoren es in der Beziehungsdynamik gibt, die den Boden für den Treuebruch bereitet haben könnten.

Wichtige Schritte für die Verarbeitung

Kontaktabbruch und Transparenz: Die untreue Person um die grenzüberschreitenden Interaktionen beziehungsweise muss den anderen Kontakt beenden. Und zwar in Form von klarer und fairer Kommunikation, zum Beispiel: „Meine Frau/mein Mann weiß jetzt über uns Bescheid. Ich entscheide mich, an meiner Beziehung zu arbeiten. Das zwischen uns ist aus.“ Etwaige Kontaktversuche der dritten Person sollten sofort mitgeteilt werden.

Faktencheck und Gefühlslage: Es braucht jetzt Zeit, über die Gefühle und das Geschehene zu sprechen. Immer wieder und solange es nötig ist. Die betrogene Person hat jetzt Gedankenspiele darüber, wie genau der Treuebruch ausgesehen haben mag. Auch wenn es schmerzhaft ist, ist es wichtig, die Fakten zu kennen, damit die Gedanken darüber irgendwann zur Ruhe kommen können. Manchmal sind die Befürchtungen schlimmer als das, was tatsächlich geschehen ist. Bitte nicht, um die eigene Haut zu retten oder den anderen zu schonen, die „Salamitaktik“ anwenden und Informationen erst nach und nach preisgeben. Das erschüttert immer wieder das Vertrauen und sorgt für Rückschläge im Prozess.

Zum eigenen Schutz sollte nicht zu detailliert nachgefragt werden. Welche genauen Wortlaute oder Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden, ist nicht unbedingt relevant, um ein Bild vom Geschehenen zu bekommen. Die Devise lautet: so viel Information wie nötig und so wenig wie möglich. Sollten auch nach dem Aufdecken noch Emotionen für die dritte Person vorhanden sein, durchläuft die ehemals untreue Person parallel einen Prozess des Loslassens und der Trennung.

Oft ist mit dem Aufdecken jedoch die Affäre auch emotional vorbei. Die Gedanken und Gefühle sind bald wieder sortiert und fokussiert auf die ursprüngliche Beziehung. Für die betrogene Person fängt aber alles erst an. Die Verarbeitung dauert ihre Zeit und ist anstrengend. Je geduldiger und gründlicher sich beide Partner dem Prozess der Verarbeitung stellen, desto besser sind die Chancen, die Krise zu bewältigen. Es braucht jetzt von beiden Personen vor allem Geduld.

Sätze wie „Darüber haben wir doch jetzt schon x-mal gesprochen, du musst jetzt auch mal darüber wegkommen“ oder „Wir haben doch nur geschrieben, es ist doch nichts passiert“ bringen den Verarbeitungsprozess nicht voran. Im Gegenteil: Die verletzte Person fühlt sich nicht gesehen und im Schmerz alleingelassen. Nun ist es wichtig, Empathie zu zeigen, die emotionale Achterbahn des oder der anderen liebevoll auszuhalten und die Konsequenz des eigenen Handelns verantwortungsvoll zu tragen. Wenig hilfreich für den Prozess ist es, wenn die betrogene Person verdrängt und schnell und oberflächlich vergibt. Es ist wichtig, die Gefühle zuzulassen, auch wenn das unangenehm ist.

Nur durch gemeinsames Tragen dieser schmerzhaften Folgen kann die Beziehung heilen und wachsen. Es führt kein gesunder Weg daran vorbei! Es kann in dieser Phase zu langen, kräftezehrenden Gesprächen kommen. Hilfreich ist es hier, vor dem Gespräch einen Zeitrahmen zu vereinbaren, um zu einem Ende zu finden, auch wenn noch nicht alles besprochen ist.

Freiwillige Rechenschaft: Für die meisten betrogenen Partner ist es in der ersten Zeit schwierig, mit bestimmten Trigger-Situationen umzugehen, ohne ständig zu kontrollieren, zum Beispiel wenn die ehemals untreue Person allein ausgeht. In der ersten Zeit kann es helfen, freiwillig Rechenschaft abzulegen: Wenn Till ins Büro fährt, hat Kati jedes Mal Angst, dass er dort Lena treffen und sich wieder Heimlichkeiten zwischen den beiden einstellen könnten. Till versteht das. Die beiden haben verabredet, dass er von sich aus erzählt, wenn er Lena gesehen hat. Wenn Kati unsicher ist, fragt sie zusätzlich nach. Langsam kann so Vertrauen und Sicherheit zurückkehren.

Es ist eine besondere Herausforderung, wenn sich die dritte Person weiterhin im Umfeld des Paares befindet. Den Job oder den Freundeskreis zu verlassen, sind große Schritte, die man nicht unbedingt gehen kann oder möchte. Diese Situationen können sehr knifflig sein und werden am besten professionell begleitet. Als Richtschnur kann dienen, dass die betrogene Person das Tempo vorgibt, wie und ob wieder ein Treffen oder gar eine Annäherung an die dritte Person stattfindet. Es muss weder alles schnell wieder normal sein, noch muss es bedeuten, dass nie wieder miteinander gesprochen wird. Zunächst ist es am wichtigsten, dass das Paar wieder zueinander findet. Alles, was das weitere Umfeld betrifft, kann dann zu seiner Zeit folgen, sofern das gewünscht ist.

Wie konnte das passieren?

In Studien zum Thema Untreue geben 40 Prozent der Befragten an, in ihrem Leben schon einmal untreu gewesen zu sein, wobei es Männer und Frauen etwa gleichermaßen betrifft. Wie kommt es dazu? Die Gründe sind sehr individuell und können an dieser Stelle nur angerissen werden. Oft beobachte ich in meiner Arbeit mit betroffenen Paaren aber das gleiche Grundprinzip:

Die Lebensumstände eines Menschen verändern sich stetig. Sie wandeln sich in Bezug auf den Job, Wohnort, Kinder, Hobbys, Ehrenamt oder Freundschaften. Aber auch Krankheiten oder der Verlust eines geliebten Menschen führen zu Veränderungen. Man passt sich den Gegebenheiten an und setzt Prioritäten. Manches muss weichen, weil die Kraft oder die Zeit dazu fehlt. Vor allem in der Kleinkind-Phase bleibt häufig wenig Raum für anderes.

Oft fällt diesem Lauf des Lebens die Pflege der Paarbeziehung, also die ungeteilte Zeit mit dem Partner/der Partnerin, als Erstes zum Opfer. Man funktioniert zusammen als Team, aber den Bedürfnissen des Gegenübers wird weniger Beachtung geschenkt. In seinem Buch „Die 5 Sprachen der Liebe“ beschreibt Gary Chapman, was Menschen brauchen, um sich geliebt zu fühlen und wie man es schaffen kann, trotz Unterschiedlichkeit beim Gegenüber keinen Mangel aufkommen zu lassen. Das Bedürfnis nach ungeteilter Zeit mit dem Partner spielt eine große Rolle. Tritt über einen längeren Zeitraum ein Mangel auf, der von einer dritten Person gestillt wird, besteht die Gefahr, dass sich eine Außenbeziehung anbahnt.

Die eigene Prägung, alte Glaubenssätze, das Selbstbewusstsein und auch bereits vorangegangene ungeklärte Verletzungen in der Beziehung tragen außerdem dazu bei. Das bedeutet, dass für die Umstände, die den Treuebruch begünstigt haben, in der Regel beide Verantwortung tragen. Für den Treuebruch an sich trägt aber ausschließlich die untreue Person die Verantwortung. Die Gründe sind also sehr individuell und oft komplex. Es lohnt sich, hier mit professioneller Unterstützung hinzuschauen, um die Basis der Beziehung nachhaltig zu festigen. Das gilt besonders, wenn Untreue wiederholt ein Thema ist. Meist spielen die psychologischen und lebensgeschichtlichen Hintergründe eine relevante Rolle. Aber auch als Opfer wiederholter Untreue ist es wichtig, sich Hilfe zu holen und abzuwägen, ob eine Trennung die bessere Alternative wäre, als sich immer wieder so tief verletzen zu lassen.

Wann ist die Krise bewältigt?

Um mit einem erlittenen Treuebruch abzuschließen, ist es wichtig, sich irgendwann zu entscheiden, die zugefügte Verletzung loszulassen und zu vergeben. Nicht, weil man das tun müsste oder das Gegenüber das erwartet, sondern um des eigenen Herzens willen. Ich glaube, dass Gott uns die Möglichkeit zu vergeben hauptsächlich um unseretwillen geschenkt hat, damit unser Herz nicht bitter wird. Unvergebenes liegt als Last auf der eigenen Seele. Vergebung ermöglicht es einem selbst, wieder frei zu werden. Vergeben bedeutet nicht vergessen. Es ist aber der Schritt, den beide brauchen, damit das Geschehene irgendwann nicht mehr zwischen ihnen steht.

Jedes Paar sollte an den Stellschrauben für eine gesunde und reife Beziehung arbeiten: Kommunikation auf Augenhöhe, Arbeit an den eigenen Themen sowie ein aufmerksames, wertschätzendes und liebevolles Miteinander. Wer gerade in einer Krise dieser Art steckt, dem möchte ich Mut machen: Es wird sich nicht für immer so anfühlen. Wer die wichtigen oben genannten Punkte beachtet, hat eine gute Chance, das Geschehene zu verarbeiten und reifer daraus hervorzugehen. Es braucht Zeit und Vertrauen in den Prozess. Aber es lohnt sich!

Ein Jahr später schauen Kati und Till auf eine schmerzhafte Zeit zurück. Inzwischen ist Ruhe eingekehrt. Die aufreibenden Gespräche sind vorbei. Ab und zu kommen Erinnerungen hoch, aber sie schmerzen nur noch kurz. Die beiden sind wieder aufmerksamer füreinander geworden und haben gelernt, über ihre Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Tills Kontakt zu Lena beschränkt sich auf ein „Hallo“ im Büro. Katis Groll ihr gegenüber hat sich abgeschwächt. Aber ob und wie Kati ihr wieder begegnen möchte, darüber ist sie sich noch nicht sicher.

Christina Glasow ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und lebt mit ihrer Familie in Pulheim. christinaglasow.de

Empathie – Was sich wirklich dahinter verbirgt

Gefordert und doch oft missverstanden: Empathie. Was das wirklich ist, erklärt Beziehungsexperte Marc Bareth.

Wenn ich mit Menschen über ihre Partnerschaft spreche, sagen mir viele, dass sie sich wünschten, ihr Partner oder ihre Partnerin hätte mehr Empathie. Vor allem von Frauen höre ich, dass es ihren Männern schwerfällt, das Mitgefühl aufzubringen, das sie eigentlich bräuchten. Stattdessen bekommen sie viele gut gemeinte Hinweise, wie man die Situation lösen könnte. Auch Aufmunterungen im Sinne von „Du schaffst das schon!“ stehen hoch im Kurs.

Anknüpfungspunkte

Wenn uns der andere erzählt, was ihn bedrückt, ist es manchmal schwer, einfühlsam darauf zu reagieren. Wenn wir ehrlich sind, finden wir das Gehörte oft schwer nachvollziehbar, manchmal sogar haarsträubend. Meistens findet der Zuhörer keinen Anknüpfungspunkt an die Erfahrungen seines Gegenübers, weil er selbst die gleichen Ereignisse ganz anders wahrgenommen und interpretiert hätte. Wie kann man mitfühlen, wenn man selbst nie etwas Ähnliches erlebt hat? Und wahrscheinlich auch nie etwas Ähnliches erleben wird, weil man anders gestrickt ist und anders mit dem Leben umgeht?

Diesen Überlegungen liegt ein großes Missverständnis über Empathie zugrunde. Als Gesellschaft haben wir hier eine kollektive Bildungslücke. Empathisch zu sein, bedeutet nämlich nicht, dass ich das Erleben meines Partners/meiner Partnerin nachvollziehen kann. Vielmehr bedeutet es, dass ich ihm/ihr aufmerksam zuhöre und ihm/ihr glaube, wenn er/sie mir davon erzählt, was ein bestimmtes Erlebnis bei ihm/ihr ausgelöst hat. Auch wenn das nicht mit meinem Erleben zusammenpasst. Die Empathieforscherin Brené Brown bringt es auf den Punkt: „Empathie bedeutet nicht, sich mit einer Erfahrung zu verbinden, sondern mit den Gefühlen, die durch eine Erfahrung ausgelöst wurden.“

Ungerecht behandelt

Als empathische Zuhörerinnen und Zuhörer versuchen wir also, in uns selbst etwas zu finden, das das Gefühl kennt, das unser Gegenüber beschreibt, und daran anzudocken. Ein Beispiel: Nadine erzählt Tobias, wie schwierig es für sie ist, dass ihr Kollege alle Lorbeeren für ein Projekt erhält, zu dessen Erfolg hauptsächlich sie beigetragen hat. Gerade heute hat ihr Vorgesetzter wieder vor dem ganzen Team die hervorragende Arbeit des Kollegen gelobt und ihren Beitrag mit keinem Wort erwähnt.

Tobias liegt die Lösung auf der Zunge: „Dann musst du dich halt wehren.“ So hätte er es gemacht. Ist ja absurd, dass man sich so etwas bieten lässt. Doch stattdessen fragt er sich: „Gibt es etwas in mir, das mir helfen könnte, zu erkennen und mich mit dem zu verbinden, was Nadine fühlt?“ Und tatsächlich kennt auch Tobias Situationen, in denen er sich ungerecht behandelt fühlt oder das Gefühl hat, dass ihn niemand wahrnimmt. Und wenn er dort anknüpft, wird es ihm gelingen, einfühlsam auf Nadine zu reagieren.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Inakzeptabel! Wie wir mit unseren Schwächen umgehen können

Unsere eigenen Schwachpunkte können zu echten Problemen führen und uns sogar ruinieren. Beziehungsexperte Marc Bareth rät: Stell dich den Schwächen, anstatt vor ihnen wegzulaufen!

Warum sorgen immer wieder Menschen für Skandale, von denen man es am wenigsten erwartet hätte? Menschen, die hohe moralische Ansprüche an sich selbst und an ihr Umfeld stellen. Die in der Öffentlichkeit stehen und Vorbilder sind. Politikerinnen, Pastoren und Geschäftsleute gehen plötzlich fremd, veruntreuen Geld oder missbrauchen ihre Macht. Wenn dann jemand auffliegt, sind wir überrascht und empört. Dabei vergessen wir, dass auch ganz normale Menschen wie du und ich Gefahr laufen, verheerende Fehler zu machen.

Ein Beispiel: Herr Müller fühlt sich seit Jahren einsam. Aber er würde es nie zugeben, nicht sich selbst und schon gar nicht einem anderen Menschen gegenüber. Es macht ja keinen Sinn. Er, der glücklich verheiratet zu sein scheint. Er, der immer von Menschen umgeben ist, die ihn schätzen. Warum sollte er sich einsam fühlen?

Ausweichmanöver

Für Herrn Müller ist bald klar, dass es an seiner Frau liegen muss, dass er sich einsam fühlt. Bei ihr müsste es ihm doch gut gehen, aber das tut es nicht. Aber natürlich ahnt auch Herr Müller, dass es Unsinn ist, seiner Frau die alleinige Schuld zu geben. Deshalb löst jede Begegnung mit seiner Frau eine innere Zerrissenheit bei ihm aus.

Um nicht ständig mit diesen widersprüchlichen Gefühlen konfrontiert zu werden, zieht er sich immer mehr von seiner Frau zurück. Er beginnt, wie verrückt Sport zu treiben. Einen Ironman hat er absolviert, geholfen hat es nichts. Jetzt ist er drauf und dran, sich auf andere Ersatzhandlungen einzulassen, die seiner Ehe noch mehr schaden werden, um dieses Gefühl der Einsamkeit für kurze Zeit zu betäuben.

Wir alle haben Persönlichkeitsanteile und Gedanken, die nicht besonders vorzeigbar sind. Natürlich versuchen wir, unsere schwierigen Seiten so gut wie möglich zu verbergen. Manchmal sogar vor uns selbst, weil wir uns schämen, uns einsam, minderwertig, zornig, lüstern oder eifersüchtig zu fühlen. Aber das Problem ist: Wenn wir unsere inakzeptablen Seiten verdrängen, verschwinden sie nicht. Nur weil sie nicht sein dürfen, sind sie nicht plötzlich weg. Im Gegenteil: Sie werden dann auf Umwegen und besonders in unserer Partnerschaft umso heftiger wieder auftauchen.

Selbstannahme und Veränderung

Um das zu verhindern, braucht es Ehrlichkeit und Mut. Die Ehrlichkeit, sich einzugestehen, dass man selbst auch problematische Persönlichkeitsanteile hat. Und den Mut, sich seine Abgründe anzusehen. C. G. Jung hat es einmal so formuliert: „Nur was ich annehme, kann ich verändern.“ Herr Müller kann seine Einsamkeit entweder weiter verdrängen und sich in Süchte oder in eine neue Partnerschaft flüchten. Oder er kann sich ihr stellen. Wenn es ihm gelingt, ehrlich mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen, stehen die Chancen gut, dass seine Einsamkeit keine destruktiven Ventile mehr braucht oder sogar geheilt werden kann.

Für Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und für ihre hohen moralischen Ansprüche bekannt sind, ist die Gefahr besonders groß, ihre inakzeptablen Seiten zu verdrängen. Auf der Bühne beklatscht zu werden und sich gleichzeitig einzugestehen, dass man bedürftig ist und hässliche Persönlichkeitsanteile hat, ist anspruchsvoll. Es scheint einfacher zu sein, diese inakzeptablen Seiten zu verdrängen. Doch genau das führt dazu, dass sich diese Anteile ein anderes Ventil suchen und so wesentlich zu den Skandalen beitragen.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Baret ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Inakzeptabel!

Über die befreiende Kraft, sich seinen Schwachpunkten zu stellen.

Warum sorgen immer wieder Menschen für Skandale, von denen man es am wenigsten erwartet hätte? Menschen, die hohe moralische Ansprüche an sich selbst und an ihr Umfeld stellen. Die in der Öffentlichkeit stehen und Vorbilder sind. Politikerinnen, Pastoren und Geschäftsleute gehen plötzlich fremd, veruntreuen Geld oder missbrauchen ihre Macht. Wenn dann jemand auffliegt, sind wir überrascht und empört. Dabei vergessen wir, dass auch ganz normale Menschen wie du und ich Gefahr laufen, verheerende Fehler zu machen.

Ein Beispiel: Herr Müller fühlt sich seit Jahren einsam. Aber er würde es nie zugeben, nicht sich selbst und schon gar nicht einem anderen Menschen gegenüber. Es macht ja keinen Sinn. Er, der glücklich verheiratet zu sein scheint. Er, der immer von Menschen umgeben ist, die ihn schätzen. Warum sollte er sich einsam fühlen?

Ausweichmanöver

Für Herrn Müller ist bald klar, dass es an seiner Frau liegen muss, dass er sich einsam fühlt. Bei ihr müsste es ihm doch gut gehen, aber das tut es nicht. Aber natürlich ahnt auch Herr Müller, dass es Unsinn ist, seiner Frau die alleinige Schuld zu geben. Deshalb löst jede Begegnung mit seiner Frau eine innere Zerrissenheit bei ihm aus.

Um nicht ständig mit diesen widersprüchlichen Gefühlen konfrontiert zu werden, zieht er sich immer mehr von seiner Frau zurück. Er beginnt, wie verrückt Sport zu treiben. Einen Ironman hat er absolviert, geholfen hat es nichts. Jetzt ist er drauf und dran, sich auf andere Ersatzhandlungen einzulassen, die seiner Ehe noch mehr schaden werden, um dieses Gefühl der Einsamkeit für kurze Zeit zu betäuben.

Wir alle haben Persönlichkeitsanteile und Gedanken, die nicht besonders vorzeigbar sind. Natürlich versuchen wir, unsere schwierigen Seiten so gut wie möglich zu verbergen. Manchmal sogar vor uns selbst, weil wir uns schämen, uns einsam, minderwertig, zornig, lüstern oder eifersüchtig zu fühlen. Aber das Problem ist: Wenn wir unsere inakzeptablen Seiten verdrängen, verschwinden sie nicht. Nur weil sie nicht sein dürfen, sind sie nicht plötzlich weg. Im Gegenteil: Sie werden dann auf Umwegen und besonders in unserer Partnerschaft umso heftiger wieder auftauchen.

Selbstannahme und Veränderung

Um das zu verhindern, braucht es Ehrlichkeit und Mut. Die Ehrlichkeit, sich einzugestehen, dass man selbst auch problematische Persönlichkeitsanteile hat. Und den Mut, sich seine Abgründe anzusehen. C. G. Jung hat es einmal so formuliert: „Nur was ich annehme, kann ich verändern.“ Herr Müller kann seine Einsamkeit entweder weiter verdrängen und sich in Süchte oder in eine neue Partnerschaft flüchten. Oder er kann sich ihr stellen. Wenn es ihm gelingt, ehrlich mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen, stehen die Chancen gut, dass seine Einsamkeit keine destruktiven Ventile mehr braucht oder sogar geheilt werden kann.

Für Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und für ihre hohen moralischen Ansprüche bekannt sind, ist die Gefahr besonders groß, ihre inakzeptablen Seiten zu verdrängen. Auf der Bühne beklatscht zu werden und sich gleichzeitig einzugestehen, dass man bedürftig ist und hässliche Persönlichkeitsanteile hat, ist anspruchsvoll. Es scheint einfacher zu sein, diese inakzeptablen Seiten zu verdrängen. Doch genau das führt dazu, dass sich diese Anteile ein anderes Ventil suchen und so wesentlich zu den Skandalen beitragen.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Baret ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Bedürfnisse von Eltern und Kindern ausbalancieren

Bei der „Bedürfnisorientierten Erziehung“ stehen die Kinder im Fokus. Doch auch die Bedürfnisse der Eltern zählen. Therapeutin Melanie Schüer gibt Tipps, wie Eltern und Kinder zufrieden bleiben.

Babys nah am Körper tragen, nach Bedarf stillen, Matratzenlager als Familienbetten … all das ist zurzeit bei jungen Eltern längst keine Ausnahme mehr, sondern gehört immer häufiger zur Normalität im Alltag mit Säuglingen und Kleinkindern. Seit einigen Jahren orientieren sich immer mehr Eltern am Ansatz der sogenannten „Bedürfnisorientieren Erziehung“. Diese Denkweise schenkt der Eltern-Kind-Beziehung besonders viel Beachtung. Körpernähe, Tragen, Einschlafbegleitung beziehungsweise gemeinsames Schlafen sind dabei wichtige Elemente. Die Bedürfnisorientierte Erziehung geht davon aus, dass Babys und Kleinkinder immer einen legitimen Grund für ihr Verhalten haben, denen bestimmte Bedürfnisse zugrunde liegt, und nie weinen oder quengeln, um ihre Eltern zu „ärgern“ oder „Grenzen auszutesten“.

Die Angst vor dem Verwöhnen

Tatsächlich ist ein Verständnis im Sinne von „Passt auf, der will nur schauen, wie weit er gehen kann!“ oder „Wenn ihr auf jedes Weinen reagiert, tanzt sie euch bald auf der Nase herum!“ und damit eine Angst vor dem „Verwöhnen“ noch weit verbreitet. Jedoch geht das an der Realität vorbei.

Wichtig dabei ist aber, zu verstehen: Eltern, die kindliche Bedürfnisse erkennen und erfüllen, verwöhnen nicht. Sie nehmen ihre Kinder ernst und geben ihnen eine wichtige Erfahrung mit auf den Weg: Nämlich, dass sie ernst genommen und liebevoll umsorgt werden. Das ist eine wichtige Basis für die Entstehung von Urvertrauen und Beziehungsfähigkeit.

Natürlich kann man Kinder „verwöhnen“ oder „verweichlichen“, doch das bedeutet etwas ganz andres:

  • wenn Kindern ständig Aufgaben abgenommen werden, die sie schon selbst ausführen könnten
  • wenn Kindern der Eindruck vermittelt wird, dass nur ihre Bedürfnisse zählen und sich die ganze Welt um sie dreht
  • wenn Kindern nie Frust oder die Erfahrung der Folgen ihres Handelns zugemutet werden

Die 7 Kernpunkte der bedürfnisorientierten Erziehung

Konkret betont die bedürfnisorientierte Erziehung sieben wesentliche Elemente:

  • Birth Bonding: Direkt nach der Geburt sollte Augen- und Körperkontakt zwischen Mutter und Kind ermöglicht werden.
  • Stillen statt Flaschennahrung (Stillen nach Bedarf, ca. ein bis vier Jahre lang, um die Bindung zwischen Mutter und Kind zu stärken)
  • Häufiges Tragen des Babys nah am Körper
  • Schlafen in der Nähe des Babys (z.B. Familienbett, Beistellbett)
  • Rasches Reagieren auf das Weinen des Babys
  • Verzicht auf Schlaftrainings, die „(allein) weinen lassen“ beinhalten
  • Balance zwischen den elterlichen und den kindlichen Bedürfnissen

Wünsche oder Bedürfnisse?

Die Balance zwischen kindlichen und elterlichen Bedürfnissen ist Teil der sieben Kernelemente der bedürfnisorientierten Erziehung. Und doch kann der starke Fokus auf die Bedürfnisse des Kindes dazu führen, dass Eltern sich selbst aus den Augen verlieren. Insbesondere dann, wenn Ansprüche wie natürliche Ernährung, windelfreie Erziehung, Familienbett usw. hinzukommen. Eine weitere Schwierigkeit: Die Begründer der Bedürfnisorientierten Erziehung, das Ehepaar Sears, erwähnen zwar den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen, führen dies aber nicht weiter aus. So ist nicht klar, was das Problem ist: Steht hinter dem fünften Aufstehen nach einem liebevollem Einschlafritual mit Kuscheln und Vorlesen ein Bedürfnis nach Nähe, das wir auf keinen Fall verweigern dürfen? Muss ich das Bedürfnis meines Kleinkindes nach Selbstbestimmung erfüllen, wenn es sich weigert, seine Zähne zu putzen? Was zählt mehr, wenn die Mutter abstillen will, das Kind aber nicht?

All das sind nicht nur knifflige Fragen, sondern ganz schnell auch Auslöser für Streitigkeiten zwischen Elternteilen. Und das ist oft eng verbunden mit der großen Angst, etwas falsch zu machen und damit die Eltern-Kind-Bindung zu gefährden oder dem Kind anderweitig zu schaden. Wichtig ist dabei, dass das Bedürfnis, das sich hinter dem Verhalten verbirgt, oft einem größeren Thema entspricht, z.B. „Selbstbestimmung“ oder „Nähe“. Wenn das klar ist, können Eltern schauen: Wie können wir diesem Bedürfnis auf andere Weise gerecht werden, auch wenn wir in dieser Sache etwas durchsetzen müssen – wie: „Die Zähne müssen geputzt werden, damit dein Mund gesund bleibt. Aber du darfst selbst bestimmen, ob vor oder nach dem Lesen. Und wenn du willst, darfst du auch meine Zähne putzen.“

Risiko Eltern-Burn-out

Eigene Bedürfnisse zurückzustellen, auch deutlich mehr als in anderen Lebensbereichen, gehört zum Elternsein dazu. Wenn das Baby nachts Koliken hat, tagsüber wegen Trennungsängsten ständige Nähe sucht oder das Kind zehnmal am Tag erbricht – all das sind Erfahrungen, die Eltern nur bewältigen können, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen.

Aber: Dass die eigenen Bedürfnisse kaum noch zählen, sollte nie zum Dauerzustand werden. Nach einigen Tagen, spätestens Wochen, in denen nur zählt, was das Kind braucht, spüren Eltern immer mehr Anzeichen für einen leeren emotionalen Akku. Gereiztheit, depressive Verstimmungen, Schlafprobleme, körperliche Schmerzen … Vieles kann uns zeigen: Achtung! Me-Time ist kein Luxus, sondern dringend nötig!

Me-Time ist kein Luxus

Dieser Satz kann Eltern kaum oft genug gesagt werden. Wir denken doch oft still und heimlich: „Solange die Kinder glücklich sind, geht’s mir auch gut. Das passt schon. Irgendwann sind sie ja groß.“ Das Problem ist nur: Kinder spüren deutlich, wie es ihren Eltern geht. Und wenn es den Eltern schlecht geht, dann leiden früher oder später auch die Kinder darunter.

„Euer Alltag ist ihre Kindheit“, sagte die Autorin Nicola Schmidt und das bedeutet eben auch: Die elterliche Erschöpfung, Überforderung, permanente Stressbelastung – all das ist Teil dessen, was die Kinder später als „meine Kindheit“ in Erinnerung behalten werden. Natürlich bedeutet das nicht, dass Kinder keine Probleme mitbekommen sollten. Im Gegenteil, sie dürfen wissen, dass nicht immer alles einfach ist und auch Eltern mal zu kämpfen haben. Gerade so lernen sie auch den Umgang mit Stress und Schwierigkeiten. Aber eben das nur, wenn Eltern genau das angehen: Einen guten Umgang mit den Herausforderungen des Alltags zu verfolgen. Und das geht nur, indem sie auch eigene Bedürfnisse absolut ernst nehmen und ihnen Priorität einräumen.

Die „Spätestens-Regel“

Dazu ist es sinnvoll, erst einmal zu sammeln, bei welchen Aktivitäten ich als Elternteil auftanken kann – beispielsweise Schwimmen, in die Sauna gehen, wandern. Dann wird überlegt:

  • Wie oft würde ich das gern machen?
  • Wie oft könnte ich es im aktuellen Alltag womöglich schaffen, Zeit zu finden, wenn ich es wirklich versuche, einzubauen?
  • Wann mache ich das aber spätestens wieder, wenn ich es vorher wegen Krankheiten, Problemen der Kinder o.ä. aufgeschoben habe? (z.B. nach drei Wochen)
  • Was lasse ich dafür auch mal liegen?

Mini-Oasen

Zeitaufwändige Me-Time-Aktivitäten funktionieren im Alltag oft höchstens alle 1-2 Wochen. Umso wichtiger ist es, auch kürzere Möglichkeiten zur Erholung zu finden, z.B.

  • das Hören von Entspannungsmeditationen, Musik oder von einem Hörbuch
  • ein Telefonat mit einer vertrauten Person
  • ein leckeres Essen nur für mich selbst oder als Paar, wenn die Kinder schlafen
  • ein kleiner Spaziergang oder eine halbe Stunde Sport

Bedürfnisse der Eltern: Paar-Zeit

Die Paarbeziehung zu pflegen ist ein ganz wichtiger Teil der elterlichen Bedürfnisse. Auch das hat für die Kinder wesentlichen Vorbild-Charakter und stellt die Familie auf Dauer auf ein stabiles Fundament. Hier hilft es, sich für einmal pro Woche einen Paarabend vorzunehmen für gute Gespräche, Filme, Spiele o.ä. Auch leckeres Essen oder ein Wein können dazu gehören. Wenn die Abende noch mit Einschlafbegleitung gefüllt sind, kann für eine Weile auch eine Paar-Zeit 1-2 mal im Monat reichen – dann aber gern etwas länger, zum Beispiel mit Unterstützung von lieben Menschen, die auf die Kinder aufpassen. Natürlich geht das auch tagsüber, wenn die Kinder abends nur von ihren Eltern in’s Bett gebracht werden mögen.

Kindern Grenzen kommunizieren

Um diese Balance zwischen Eltern-Bedürfnissen und Kind-Bedürfnissen zu erreichen, ist es wichtig, dass die Kinder erfahren: Was ich will und brauche, ist wichtig. Und was meine Eltern wollen und brauchen, ebenfalls! Gemeinsam suchen wir nach Kompromissen.

Deshalb ist es gut, wenn Eltern ihren Kindern auch aufzeigen, wo ihnen selbst etwas wichtig ist oder zu viel wird. Kinder dürfen mitbekommen, dass auch Eltern Pausen brauchen, respektvoll behandelt werden wollen und traurig, verärgert oder frustriert sein können. Und, dass auch ein “Nein” liebevoll sein kann – weil zum guten Elternsein eben auch eine gute Selbstfürsorge zählt. Das können und sollten Eltern dann auch formulieren, zum Beispiel:

„Ich sehe, dass du gern noch bleiben möchtest. Das verstehe ich – du hast gerade viel Spaß auf dem Spielplatz. Aber weißt du, ich bin heute auch verabredet, mit Pia. Und es ist mir wichtig, sie zu treffen. Deshalb müssen wir jetzt los. Aber wenn du magst, können wir übermorgen wieder hierherkommen und dann mehr Zeit mitbringen!“

Melanie Schüer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Autorin.

 

Was die Ehe schützt – Drei Lehren aus gescheiterten Beziehungen

Prinzipiell ist keine Ehe sicher davor, ins Wanken zu geraten. Was können wir tun, um die Ehe zu schützen? Paartherapeut Jörg Berger zieht Lehren aus gescheiterten Beziehungen und zeigt, was helfen kann.

Würden Menschen ein Haus bauen, wenn dabei jeder Dritte scheitern und das Haus mit Verlust verkaufen würde? Vermutlich nicht. Den meisten Menschen wäre das Risiko zu groß. Zum Glück ist unsere Risikobereitschaft größer, wenn es um die Ehe geht. Obwohl jede dritte Ehe zerbricht, gehen Menschen glücklich und hoffnungsvoll hinein. Vielleicht denkt man anfangs, die Menschen, deren Ehe nicht gelingt, seien irgendwie anders als man selbst. Doch die Lebenserfahrung zeigt: Es sind wunderbare Menschen, die auseinandergehen – nicht weniger reif und nicht weniger liebevoll als andere. Außenstehende erleben dann oft einen bangen Moment: Könnte uns das auch treffen? Jedes Ehepaar kann in eine kritische Situation geraten. Doch wir können von gescheiterten Paaren lernen. Denn im Nachhinein zeigt sich, was sie geschützt hätte.

Vertrauen, wenn es bedrohlich wird

Zehn Jahre lang waren Verena und Dirk glücklich miteinander. Dann erlebte Verena eine persönliche Krise, infolge derer es Verena wichtig war, selbstbewusster zu werden und ihr Leben stärker in die eigene Hand zu nehmen. Sie dachte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Ehe hätte. Doch sie hat eine Lawine in ihrer Beziehung losgetreten. Dirk fühlte sich übergangen und abgeschrieben. Erst bemühte sich Verena, ihm mehr Liebe zu zeigen und auf Dirks Gefühle einzugehen. Aber weil das wenig half, zog sie sich zurück. Konnte es sein, dass Dirk einbricht, nur weil sie ein wenig selbstbewusster geworden ist? Der Alltag funktionierte noch, aber das Glück und die Nähe waren weg. Sobald Verena ein falsches Wort sagte, war Dirk verletzt. Sie überlegte, auszuziehen.

Kann man sich vor solchen Entwicklungen schützen? Nein, leider nicht. Aber man kann eine Haltung einnehmen, die einen solchen Teufelskreis durchbricht. Es ist menschlich, dass wir dem anderen unser Vertrauen entziehen, wenn wir verletzt oder enttäuscht werden. Doch genau das setzt einen Teufelskreis in Bewegung. Diesen durchbricht man, indem man das Vertrauen erneuert. Für Verena könnte das so aussehen: „Für mich wirkt es so, als würde Dirk kindisch reagieren und als könnte er nur mit mir zusammen leben, wenn ich schwach bin. Doch so war Dirk doch eigentlich nie. Auch wenn ich seine Gefühle nicht verstehe, gibt es sicher einen Weg, wie er sich mit mir verbunden fühlen kann und ich trotzdem die Freiheit behalte, die mir gerade so guttut.“

Dirk könnte sein Vertrauen so aufrichten: „Es fühlt sich für mich zwar so an, als würde Verena unser gemeinsames Leben verraten und als wäre ihr die Selbstverwirklichung wichtiger als unsere Liebe. Aber eigentlich kann das nicht sein. Verena war nie selbstbezogen. Außerdem hat sie sich ja bemüht, auf meine Gefühle einzugehen, auch wenn mir das noch nichts gebracht hat. Wenn sie erst einmal versteht, wie es mir geht, was ich brauche und dass ich nichts Schlimmes von ihr verlange, können wir sicher einen gemeinsamen Weg finden. Sie ist bereit, mir zuzuhören, wenn ich ihr keine Vorwürfe mache.“

Natürlich sollte man prüfen, ob der Mensch, an den man sich binden möchte, vertrauenswürdig ist. Doch wenn man einem Menschen vertrauen kann und sich das durch das gemeinsame Leben bestätigt, muss man dem anderen das Vertrauen nie mehr entziehen. Dann sollen die Teufelskreise ruhig kommen. Selbst wenn nur einer das Vertrauen aufrecht hält, findet man wieder heraus.

Betrauern, was nicht möglich ist

Wieder ein schweigsames Sonntagsfrühstück. Irinas Mann liest etwas auf dem Smartphone. Sie betrachtet ihn. Plötzlich wird es ganz klar und ruhig in ihr: „Ich mag diesen Menschen nicht. Ich kann ihn nicht lieben, jedenfalls nicht als Ehefrau.“ Irina hatte ihren Mann schnell geheiratet. Sie engagierten sich damals in einer neu gegründeten Kirchengemeinde. Beide waren begeistert und haben viel mit Gott erlebt. Hatte sie das blind gemacht für die Frage, ob sie zueinander passen? Oder haben sie geglaubt, dass Gott alles gut macht, was schwierig ist? Irina kann sich heute nur schwer in ihr jüngeres Ich zurückversetzen.

Um zu verstehen, warum Ehen scheitern und was Ehen schützt, muss man manchmal auf die Partnerwahl zurückblicken. Denn die gelingt nicht immer. Befunde aus der Paarpsychologie legen nahe, dass knapp die Hälfte der Paare umfassend zufrieden mit ihrer Beziehung ist. Sie sagen: „Ich könnte nicht glücklicher sein, auch wenn bei uns natürlich nicht alles perfekt ist.“ Andere zweifeln in dunklen Stunden an ihrer Wahl. Sie sagen: „In manchen Bereichen passen wir gut zusammen, aber in anderen fehlt etwas so Wichtiges.“

Wie nicht jeder den perfekten Beruf oder die perfekte Wohnung findet, verliebt sich nicht jeder Mensch in eine Person, die umfassend passt. Viele Menschen entwickeln erst nach der Hochzeit die Reife, die erkennen lässt, wer man im Tiefsten ist und was man braucht. Doch niemandem würde man raten, deshalb mit der Partnerwahl zu warten, bis man 40 ist. Besser geht man ins Risiko. Mit diesem Risiko kann man einen Weg finden.

Meist kann man den Mangel bewältigen, bevor dadurch die Ehe zerbricht oder sich ein Verliebtsein außerhalb der Ehe entzündet. Dazu ist etwas nötig, das man in der Psychologie Trauerarbeit nennt. Vieles kann fehlen in einer Ehe: tiefere Gespräche, Berührungen, leidenschaftliche Sexualität, gemeinsame Interessen, emotionale Wärme. Wenn klar wird: Das Gegenüber kann das von der Persönlichkeit her nicht geben und möchte sich auch nicht auf eine Entwicklung einlassen, ist das wie ein Verlust, der existenziell erschüttert. Doch Menschen kommen selbst über schwere Verluste hinweg und werden wieder glücklich. Warum sollte das nicht auch funktionieren, wenn in der Ehe etwas fehlt? Doch die Trauer darüber verläuft ähnlich heftig. Sie beginnt, wenn man nicht mehr gegen den Mangel ankämpft, sondern ihn akzeptiert: „Das fehlt mir. Ich würde es so dringend für mein Glück brauchen. Doch ich werde es in meiner Liebesbeziehung nicht bekommen.“

Die Trauer darüber kann überwältigend sein. Man darf damit nicht allein bleiben. Man braucht gute Freunde und Begleiter, die einfach mit aushalten. Trauer verläuft in Wellen. Endlich glaubt man, allmählich damit klarzukommen, schon rollt eine neue Welle heran. Doch irgendwann wird eine Freude spürbar, ein neues Glück. Glaubende Menschen entdecken manchmal: „Genau da, wo mir menschlich etwas fehlt, ist meine Beziehung zu Gott inniger geworden. Hier ist jetzt Gott selbst mein Glück.“ Hätte es Irinas Ehe gerettet, wenn sie vor 15 Jahren getrauert hätte, statt weiter zu kämpfen und zu scheitern, statt weiter zu hoffen und enttäuscht zu sein? Vielleicht. Ihr Irren bei der Partnerwahl wiegt schwer, weil die Persönlichkeit ihres Mannes so wenig von dem abdeckt, was sie braucht. Es ist tragisch, wenn einem das erst im Nachhinein bewusst wird. Doch nicht immer liegt es an der Partnerwahl, wenn man das Gefühl hat: „Wir passen einfach nicht zusammen.“

Ein Fundament für die Ehe bauen, bevor die Stürme kommen

Heiko hat einen tiefen Glauben. Er hat seine Familie mitgezogen und Familienandachten eingeführt. Manchmal hat er die anderen moralisch unter Druck gesetzt. Denn Heiko hatte klare Vorstellungen, wie man als Christ lebt und wie nicht. Umso schockierender war es, dass ausgerechnet er fremdgegangen ist, zunächst heimlich und dann ganz offen. Wie passt das denn zu dem, was Heiko immer so ernsthaft vertreten hat? Doch Heiko hat seinen Glauben einfach an seine Gefühle angepasst: Man müsse auf das hören, was einem das Herz sagt. Gott wisse, dass Menschen scheitern, und er vergibt. Er möchte nicht, dass man in einer Ehe bleibt, die einem wie ein Gefängnis vorkommt. Das hätte Heiko so nie vertreten – bis die andere kam.

Kann man dem vorbeugen? Damit man nicht irgendwann von Gefühlen bestochen und seiner Überzeugung untreu wird? Ja, aber dazu braucht man eine Bindung, die wichtiger ist als das eigene Glück. Für mich persönlich sah das so aus: Ich habe als junger Erwachsener zum christlichen Glauben gefunden, der seither mein Leben prägt und mir mit der Bibel ein gutes Wertefundament gibt, die meine Entscheidungen leitet. Seit 30 Jahren habe ich deshalb Menschen, denen ich davon erzählen darf, wie sich mein Leben entwickelt. Sie helfen mir, auf dem Weg zu bleiben, den ich für mein Leben als richtig erkannt habe. Was sonst könnte mich halten, wenn ich einmal vor einem Abweg stehe?

Wenn mich jemand fragt, wie man eine Ehe aufbauen kann, würde ich daher antworten: „Überlege dir, was du tun möchtest, wenn die Stürme kommen, mit denen jeder rechnen muss: ein Fremdverliebtsein, eine emotional unerträgliche Situation oder auch eine Wüstenzeit, in der schöne Gefühle in der Beziehung fehlen. Und sorge jetzt dafür, dass du dann nach deinen Werten handeln wirst.“ Man kann sich gegenüber einem Freund oder einer anderen Vertrauensperson festlegen: „Wenn ich einmal in eine solche Situation gerate, möchte ich so damit umgehen. Erinnere mich dann bitte daran, frage nach, lass dich nicht abwimmeln.“

Wer glaubt, kann sich auch Gott gegenüber festlegen: „Ich werde mich dann eine Woche in die Stille zurückziehen, um zu hören, wie du mich weiter führen möchtest.“ Auch das ist keine Garantie für das Gelingen einer Ehe, aber es ist ein Fundament dafür, mit Krisen so umzugehen, wie es der eigenen Überzeugung entspricht. Ich habe schon viele Paare begleitet, für die genau das die Ehe gerettet und wieder glücklich gemacht hat.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut mit eigener Praxis in Heidelberg. Er ist mit Vorträgen, Büchern und Online-Kursen unterwegs, um Ehen zu stärken (psychotherapie-berger.de/family).

Beziehungs-Check für Gestresste: Mit dieser kleinen Frage halten Sie Ihre Liebe frisch

Verbundenheit in Beziehungen will gepflegt werden – gerade in stressigen Zeiten. Das muss nicht immer ein aufwändiger Date-Abend sein. Oft reicht schon eine kleine Frage.

Mitten in der Hektik des Alltags kann sich eine Woche sich schnell anfühlen wie zwei kurze Tage. Das Leben rast dahin wie eine Achterbahn. Da bleibt oft kaum Zeit für die Beziehung. Solche Phasen sind normal und jedes Paar kennt sie. Kritisch wird es allerdings dann, wenn aus zeitlich begrenzten Phasen dauerhafte Zustände werden. Das kann einen hohen Preis fordern. Um gut vorzusorgen und Prävention zu betreiben, hat sich eine simple Frage für Paare bewährt.

Kurz und bündig

Eine Frage nimmt Paare behutsam an die Hand und ermöglicht ihnen, sich für einen kurzen und ruhigen Moment einander zuzuwenden. Diese Frage braucht nicht viel Zeit und passt auch in einen randvollen Tag.

Diese Frage lautet: „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wo steht diese Woche dein Liebesbarometer?“

10 bedeutet, dass das Bedürfnis nach Liebe überfließend erfüllt ist. 1 meldet zurück, dass das Gefühl, geliebt zu sein, völlig ausbleibt und dass das Miteinander sich zunehmend beziehungslos anfühlt.

Hinter diesem Liebestankbarometer verstecken sich gleichzeitig mehrere Fragen: Wie geliebt fühlst du dich? Wie sehr wahrgenommen fühlst du dich? Diese Frage entschleunigt. Sie regt zum Nachdenken an. Sie führt dazu, dass wir selbst wahrnehmen, wie geborgen oder wie gehemmt wir uns innerhalb unserer Paarbeziehungen fühlen. Diese Frage lädt Paare dazu ein, Bedürfnisse zu benennen und schafft dafür einen sicheren Raum.

Es braucht Mut

Für den Liebestankbarometer braucht es eine Portion Mut. Die Antwort zu der Frage kann alles andere als schmeichelhaft ausfallen. Wir müssen bereit sein, auszuhalten, dass unser Gegenüber womöglich seit ein paar Tagen ausgehungert ist. Vielleicht signalisiert unser Gegenüber eine Dürre oder eine Wüstenzeit. Eine solche Statusmeldung kann unangenehm. Wer möchte das schon zurückgemeldet bekommen? Das kann den Wunsch nach Verteidigung auslösen. „Ja, Schatz, ich hatte leider so viel zu tun…“ oder „Ich habe gerade starken Druck auf der Arbeit“ oder „Du hast ja auch nie Zeit!“ sind normale Abwehrreaktionen, die aber nicht helfen. Hier ist Zuhören und Annehmen angesagt.

Sich Zurückzuhalten und nach den Wünschen des anderen zu fragen, fordert viel Reife. Ein Paar kann lernen, eine solche Entwicklungsaufgaben miteinander zu bewältigen, um Erlebensmuster und Bewältigungsimpulse im Alltag zu verändern.

Klar und konkret

Es ist natürlich komplizierter, diese Frage mitten in einer stressigen Phase zum ersten Mal zu stellen. Das kann irritierend wirken oder gar größeren Streit auslösen. Sinnvoller ist es, in ruhigen bzw. normalen Zeiten damit zu beginnen. Paare, die sich das Kommunizieren von Bedürfnissen und Wünschen langfristig zur Gewohnheit machen, beugen für holprige Zeiten gut vor. Dabei gilt es, die Frage aufrichtig zu beantworten. Wenn grundsätzlich eine Zufriedenheit mit der Beziehung da ist, kann eine positive Rückmeldung als Zufriedenheitsverstärker dienen und Wertschätzung entgegenbringen. Gleichzeitig kann der Liebestankbarometer helfen, Wünsche besser in Worte zu fassen. Dabei ist es wichtig, klar und konkret zu sein: Ich würde mich mal wieder über ein ernsthaftes Kompliment freuen. Ich würde mich mal wieder mich über eine kleine Schultermassage freuen.

Den Liebesbarometer auszuprobieren, dauert weder lang noch fordert es ein besonderes Setting. Wenn man gut vorgesorgt hat, kann man sich diese Frage auch in hektischen Zeiten Zwischendurch einfach mal stellen und neugierig sein, was passiert.

Ira Schneider ist Paartherapeutin und Autorin. Mehr bei Instagram unter @ira.schneider_.