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Die Wünsche des Anderen: Gemeinsam Neues wagen

Manchmal haben Partner unterschiedliche Träume. Ira wünscht sich ein Frühstück im Bett, David findet das total blöd. Als sie es doch gemeinsam wagen, machen sie eine erstaunliche Entdeckung.

Flackernde Holzdochtkerzen, glitzernde Lichterketten, heißer Tee und gemütliches Essen. All das bitte einmal abends und morgens im Bett. Der Wunsch nach solchen romantischen Speisezeiten machte sich über Jahre hinweg in mir breit. Wenn es nach mir ginge, könnte jeder Tag so laufen. Ach, und wenn ich es aussuchen könnte, natürlich noch serviert. Aber vor allem dieses verheißungsvolle Frühstücken im Bett als Paar hatte sich besonders tief in meiner Fantasiewelt eingenistet.

Freundliche Grüße aus Hollywood

Zugegebenermaßen habe ich wohl zu viele Filme als Teenie geschaut, in denen das höchst romantisch inszeniert wurde. Lichtdurchflutete Schlafzimmer, Milchschaum und intime Momente zauberten diese Bilder in meinem Kopf. Für mich stand fest: Wenn ich mal verheiratet sein sollte, will ich mich unbedingt auch an diesem fantastischen Frühstück im Bett laben. Als ich David dann heiratete, goss er mit seinen Vorstellungen eines Gaumenschmauses am frühen Morgen einen großen Krug Wasser in meinen Wein.

Er fand den Gedanken, im Bett zu frühstücken, total ungemütlich und vor allem äußerst umständlich. Er hat nämlich keinen Bock auf nervige und kratzige Brötchenkrümel, Teebecher, die umkippen, und auf das Hin- und Hergeräume von Geschirr. Meine engagierten und nicht uncharmanten Überredungskünste konnten ihn nicht umstimmen. Auch konnte ich ihn nicht auf halbe Sachen runterhandeln, wie nuuuur der Tee oder nuuuur ein Obstsalat. Also machte ich einen großen Haken hinter die Gedankenwolke aus Croissants, Chai Latte mit Zimt, Frühstückseiern und Obstspießen im Bett. Das Thema war vom Tisch. Oder besser gesagt: vom Bett.

Der Jahrestag

Völlig unverhofft überraschte mein Mann mich einige Monate später an unserem Zusammenkommenstag mit – ja genau, jetzt kommt’s – dem lang ersehnten Frühstück im Bett. Alle Köstlichkeiten, die man sich vorstellen kann, waren dabei und sie waren prachtvoll angerichtet. Aber es gab eine Besonderheit: ein kleines aufklappbares Tischlein. So konnten unerwünschte Krümellawinen verhindert werden. Ich war sprachlos. Da war er: mein kleiner Teenietraum, serviert auf dem Holztischlein. Ich sah, mit wie viel Arbeit das Frühstück verbunden war. Aber das, was für mich viel bedeutsamer war und viel tiefer mein Herz berührte, war die Überwindung, der David sich innerlich gestellt hatte. Die Überwindung und die Entscheidung. An diesem Morgen begegnete mir eine aufrichtige und liebevolle Willensbekundung. Gegen seine Neigung hat er sich auf das Experiment eingelassen. Aus dem Nichts! Nein, ich hatte das Frühstücksthema nicht mehr angesprochen. Das lag auch daran, dass ich selbst ein freiheitsliebender Mensch bin und von Mitmenschen nicht zu etwas gedrängt werden möchte. Mir ist wichtig, die Grenzen anderer zu wahren, so wie ich möchte, dass meine Grenzen respektiert werden.

Das Frühstück war ein feiner Genuss. Nur das Gemütlichkeitslevel blieb irgendwie auf der Strecke. Daher habe ich mich inzwischen zu meinem Mann ins selbe Boot gesetzt. Frühstück im Bett finde ich, seitdem wir es ausprobiert haben, gar nicht mehr so gemütlich. Es entpuppte sich als kompliziert, gleichzeitig unter der warmen Decke zu bleiben und aufzupassen, dass das Buffet nicht umstürzt.

Traum versus Realität

Manchmal entlarvt sich so ein Gedankenspiel in der Realität leider als Ernüchterung. Genau das ist, wie ich finde, ein besonderer Teil in der gemeinsamen Paarwelt. Ausprobieren und stolpern. Wünsche aussprechen, Experimente wagen, aufeinander zugehen, sich aus der Deckung wagen. Manchmal führt der Schritt aus dem Traum zu einer harten Landung in der Realität und wir müssen manche Grenzen annehmen. Wir gehen auf Sehnsüchte ein, andere lassen wir wiederum los.

Frühstück im Bett wurde also zumindest bei uns für umständlich erklärt. Dafür haben wir seit inzwischen vier Jahren ein anderes, viel besseres Ritual: Einmal im Monat machen wir etwas Besonderes: Einer von uns kauft unser Lieblingseis und das verspeisen wir dann gemeinsam abends im Bett. Also können wir schlussendlich doch ein wenig kulinarisches Vergnügen auch zwischen kuscheligen Kissen genießen.

Gemeinsam Neues wagen

Sicherlich sind wir nicht das erste Paar, das etwas gewagt hat, um dann festzustellen, dass es nicht klappt – der Traum war schön, aber die Realität dann doch nicht so. Aber das ist nicht schlimm. Wir haben uns trotzdem etwas getraut. Schade wäre, wenn man nie Neues ausprobiert. Oder wenn man sich gar nicht erst traut, Wünsche und Träume auszusprechen, weil die Angst zu groß ist, dass es nichts wird. In meinem Fall hat tatsächlich ein Traum den Realitäts-Check nicht bestanden. Aber ich habe nichts verloren, sondern zwei Dinge gewonnen: die an sich simple und nüchterne Erkenntnis, dass Frühstück im Bett für uns nicht klappt. Und darüber hinaus haben wir eine neue Tradition entdeckt, die besser zu uns passt. Also nichts verloren – dafür gemeinsam Neues entdeckt.

Ira Schneider arbeitet als psychologische Beraterin in einer Ehe-, Familienund Lebensberatungsstelle. Gemeinsam mit ihrem Mann bietet sie Paarberatungen an.

Unsichtbare Krise – Eheprobleme hinter der perfekten Fassade

Viele Paare geben nach außen hin ein perfektes Bild ab. Doch oft genug kriselt es hinter den Kulissen. Da kann mehr Offenheit helfen – oder eine Paarberatung. Von Marcus und Susanne Mockler

Betty und Jonas (Namen geändert) sind seit fünf Jahren verheiratet und bereits am Tiefpunkt ihrer Beziehung angelangt. So hatten sie sich das nicht vorgestellt: Betty, die seit der Geburt der beiden Kinder in Elternzeit ist, ist super gern Mama. Dennoch fürchtet sie manchmal, beruflich aufs Abstellgleis zu geraten, und es belastet sie das Gefühl, dass zu Hause so vieles an ihr hängen bleibt.

Jonas treibt die Aussicht auf einen bevorstehenden Karrieresprung an. Es scheint unvermeidlich, dass er mehr Zeit in der Firma verbringt als früher. Schließlich macht er das auch für seine Familie – Betty und die Kinder sollen es gut haben und materiell abgesichert sein. Er fühlt sich von ihr nicht gesehen in seinen guten Absichten und kann die ewige Unzufriedenheit von Betty nicht mehr ertragen.

In der wenigen Zeit, in der die beiden Gelegenheit zum Reden hätten, streiten sie sich inzwischen regelmäßig. Und so pendelt die Beziehung zwischen gegenseitigen Vorhaltungen und tiefer Frustration. Aber – und das ist das Spannende – nach außen zeigen sie sich immer noch als Bilderbuchfamilie. Wenn sie zum Beispiel sonntags zum Gottesdienst in ihre Gemeinde gehen, bemühen sich Betty und Jonas, intakt zu wirken und sich nicht hinter die Fassade schauen zu lassen.

Die beiden sind keine Ausnahme. In vielen Paarbeziehungen kriselt es und die wenigsten lassen sich dabei in die Karten schauen.

Kultur der Schwäche

Warum ist es so schwer, zu seinen Schwächen zu stehen und offen über die Schwierigkeiten, die man miteinander hat, zu reden? Niemand gibt gern zu, an bestimmten Stellen das Leben nicht auf die Reihe zu bekommen. Probleme sind in unserer Kultur meist ein Ausdruck von Schwäche. Praktisch jeder hat irgendwann im Leben die Erfahrung gemacht, für Schwächen kritisiert, ausgelacht oder gar bestraft zu werden. Das tut weh und ist erniedrigend, deshalb verbergen wir sie lieber nach außen.

Allerdings ist das fatal, denn durch die vielen Paare, die nach außen eine heile Ehe-Fassade präsentieren, wirkt es auf Krisen-Paare, als seien sie die einzigen, die den oft überhöhten Maßstäben und Erwartungen nicht gerecht werden. Dabei gilt eine ganz einfache Faustformel: „Beneide niemanden um seine perfekte Ehe – du weißt ja nicht, wie es hinter deren Fassade aussieht.“

Insbesondere Christen brauchen unbedingt eine Kultur der Offenheit, in der man nicht nur über seine Siege, sondern besonders auch über Niederlagen offen redet. In der man ehrlich zugibt, wo man noch Lernbedarf hat oder in welchen Herausforderungen man als Paar steht.

In unseren Eheseminaren legen wir Wert darauf, immer auch von eigenen Schwächen zu berichten und uns nicht als perfektes Paar zu präsentieren. Wir erzählen, wie wir Phasen durchlitten haben, in denen wir am liebsten ausgebrochen wären, wie lange es gedauert hat, bis wir das mit dem Sex für beide befriedigend hingekriegt haben oder wie wir nach Jahren immer noch in dieselben Fallen tappen. Hinterher bedanken sich die Paare nicht für die gute Präsentation oder die wertvollen Inhalte, sondern sie danken uns für die Authentizität. Das baut eine Brücke, um auch eigene Probleme ansprechen zu können. Und es macht Mut: „Wenn die das hinkriegen, dann können wir es auch schaffen.“

Vier Anzeichen einer echten Krise

Konflikte, Unzufriedenheit, Gefühle der Vernachlässigung – all das gibt es gelegentlich in jeder normalen Beziehung. Vier gravierende Anzeichen, dass bei einem Paar etwas so schiefläuft, dass sie Hilfe brauchen, beschreibt der Paarpsychologe John Gottman. Er nennt sie die „Apokalyptischen Reiter der Paarbeziehung“ und meint damit Kritik, Rechtfertigung, Verachtung und Rückzug.
Kritik: Natürlich kommt es vor, dass man sich an Dingen stört, die der oder die andere macht oder vernachlässigt. Gefährlich wird es, wenn sich eine Grundstimmung des Kritisierens und Nörgelns eingestellt hat. Wenn nämlich nicht deutlich mehr Ermutigung und Dankbarkeit ausgesprochen wird, als dass kritisiert wird, ist das Grundbedürfnis, vom anderen geliebt und akzeptiert zu sein, bedroht.
Verachtung: Das ist noch eine Nummer härter, wenn nämlich einer den anderen regelrecht herabwürdigt. Das zeigt sich in sehr abfälligen Worten dem anderen gegenüber, aber auch darin, wie man schlecht über den Partner oder die Partnerin vor Dritten redet.
Rechtfertigung: Die eigene Reaktion in Schutz nehmen, weil sie angeblich ja nur die Antwort auf das schlechte Verhalten des Partners war. Wer nie Verantwortung für einen Streit übernimmt, sondern die Schuld immer dem Gegenüber zuschiebt, ist genau in diesem Verhaltensmuster gefangen.
Rückzug: Ab und zu einander aus dem Weg zu gehen oder seine Ruhe zu brauchen, ist natürlich kein Problem. Wenn aber zwei Menschen unsichtbare Mauern zwischen sich errichten und den anderen gar nicht mehr an sich heranlassen, wenn jeder sein Leben lebt und kaum noch Berührungspunkte da sind, wenn sich vielleicht sogar einer von beiden schon in eine Konkurrenzbeziehung investiert, dann hat bereits eine innere Trennung stattgefunden.

Wenn diese vier Verhaltensweisen permanent vorhanden sind, dann ist es höchste Zeit, dass sich ein Paar Hilfe sucht. Und wie könnte diese Hilfe dann aussehen?

Der Wert von Freundschaften

In Krisen zeigt sich der Wert von guten Freundschaften ganz besonders. Paare sollten daher unbedingt nicht nur einander genügen, sondern Beziehungen mit Freunden pflegen. Dort sollten sie sich um eine Kultur der Ehrlichkeit und Offenheit bemühen. Die wird am ehesten dann entstehen, wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur berichten, was gut läuft, sondern auch über die Probleme sprechen. Eine Frau, die mit ihrem Mann in einer tiefen Krise steckte, wurde von ihrem Mann darum beneidet, dass sie so gute Freundinnen hatte, mit denen sie jetzt über vieles reden konnte. „Das war auch richtig harte Arbeit“, sagte sie ihm. „Es war nicht leicht, dranzubleiben, die Freundinnen regelmäßig zu treffen, sich zu öffnen und eigene Defizite vor den anderen zuzugeben.“

Bewährt haben sich auch Paar-Hauskreise, in denen man sich regelmäßig zu Fragen der Paarbeziehung austauscht, gemeinsam Beziehungsratgeber liest und sich in Schwierigkeiten gegenseitig Gebets- und praktische Unterstützung gibt.

Seelsorge- und Therapieangebote

Wer merkt, dass er oder sie allein nicht weiterkommt, sollte nicht zu spät den Weg zu Seelsorge oder Paartherapie suchen. Dazu gibt es jede Menge gute Angebote. Viele Gemeinden haben Ansprechpersonen dafür. Es gibt zudem Organisationen wie C-Stab oder Team.F, die Listen von möglichen Ansprechpartnern führen. Die Seelsorgerinnen und Berater stehen immer unter Schweigepflicht und bei einem unverbindlichen Erstgespräch kann man in der Regel feststellen, ob man die geeigneten Helfer gefunden hat.

Ein junges Paar, das in einer sexuellen Problematik feststeckte und nahe daran war, zu verzweifeln, fand den Weg in eine Paartherapie. Sie brauchten nur zwei Beratungsgespräche und die Probleme waren gelöst! Wie viele Jahre des Leidens blieben ihnen dadurch erspart, weil sie sich getraut haben, sich jemandem zu öffnen!

Oft dauert es jedoch länger. Manchmal kann die Beratung allerdings nicht mehr weiterhelfen; auch das darf nicht verschwiegen werden. Eine Erfolgsgarantie wird kein seriöser Berater geben. Das liegt allerdings manchmal auch daran, dass das Paar zu lange gewartet hat, bevor es sich Hilfe geholt hat.

Eine Kultur der Ermutigung für Paare

Ein Dach deckt man, wenn die Sonne scheint. Genauso sollten Paare an ihrer Beziehung in guten Zeiten arbeiten. Deshalb ist Prophylaxe so wichtig. Praktisch jede Paarbeziehung verliert mit der Zeit an Qualität, wenn sie nicht regelmäßig gepflegt wird und beide in das Beziehungskonto einzahlen.

Zum einen kann man als Paar selbst viel dafür tun: regelmäßige Dates, Eheabende, Gesprächszeiten, für die man sich Zeit im Kalender reserviert – egal, ob morgens beim Frühstück oder auch mal abends, wenn die meiste Arbeit erledigt ist oder die Kinder schlafen. Zeit zu zweit ist so wichtig, weil damit das Gegenüber das Gefühl bekommt: „Du bist mir wirklich wichtig.“

Ein toller Weg, an der Beziehung dranzubleiben und schwierige Situationen rechtzeitig zu beackern, ist das Mentoring. Einige Gemeinden haben sich da inzwischen Programmen angeschlossen und bieten das Paaren grundsätzlich an. Ein Paar könnte sich aber auch selbst ein geeignetes anderes, erfahrenes Paar suchen, von dem sie sich begleiten lassen und mit dem sie offene Gespräche über ihre kritischen Themen führen können.

Nicht zuletzt können Paare regelmäßige Beziehungs-Updates bekommen, indem sie Seminare (zum Beispiel von Team.F oder den Alpha-Ehe-Kurs) besuchen, Beziehungsratgeber zusammen lesen oder regelmäßig nach Vortragsangeboten (auch online) Ausschau halten. Die MarriageWeek Deutschland bietet ebenfalls eine Plattform, auf der Paare immer wieder gute Angebote finden können.

Wir träumen davon, dass in jeder Gemeinde dieses Bewusstsein erwacht, wie wichtig es ist, Paare zu ermutigen, an ihrer Beziehung zu arbeiten. Denn nur eines ist selbstverständlich: dass keine Paarbeziehung perfekt ist.

Marcus und Susanne Mockler – er Journalist, sie Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland. Gemeinsam haben sie den Eheratgeber „Das Emma*-Prinzip – Sieben Schlüssel zu einer richtig guten Ehe“ geschrieben. geliebtes-leben.de

Sex mit angezogener Handbremse?

Wenn ein Paar miteinander intim wird, machen sich beide Partner verletzlich. Fehlende Offenheit kann guten Sex hemmen.

Florian geht beim Sex gerne auf die Wünsche seiner Frau Vanessa ein. Seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche stellt er nicht in den Vordergrund. Es kommt so gut wie nie vor, dass er sagt, was er gerne möchte. Stattdessen fragt er jeweils Vanessa, wie sie es gerne hätte. Und wenn sie ihn fragt, was ihm gefallen würde, antwortet er: „Ich kann mir alles vorstellen. Was willst du?“

Ein selbstloser Liebhaber?

Es scheint, als wäre Florian ein ausgesprochen selbstloser Liebhaber. Er stellt die Bedürfnisse seiner Frau über seine eigenen. Trotzdem sind Vanessa und Florian nicht so recht zufrieden mit ihrer Sexualität. Irgendwie ist es nicht der heiße Sex voller Leidenschaft und tiefer Verbundenheit, den sie sich wünschen.

Könnte es sein, dass das auch an Florians vermeintlicher Selbstlosigkeit liegt? Dass sein Verhalten nur ein als Selbstlosigkeit getarnter Selbstschutz ist? Dass es ihm eigentlich gar nicht darum geht, auf die Wünsche seiner Frau einzugehen, sondern viel eher darum, sich selbst nicht mit einem Vorschlag zu exponieren?

Wer offen sagt, was er oder sie im Bett will, riskiert, zurückgewiesen zu werden. Er bietet Angriffsfläche und macht sich verletzbar. Florian will das verhindern und überlässt deshalb Vanessa die Initiative. Er schützt sich, indem er nicht zu viel von sich preisgibt und sich nicht ganz zeigt.

Sag, was du dir wünschst!

Florians Verhalten gibt den Ton für den weiteren Verlauf der sexuellen Begegnung an. Auch Vanessa wird zurückhaltend sein und sich nicht exponieren. Der Sex wird sich auf dieser Ebene von viel Selbstschutz und wenig Selbstpreisgabe abspielen. Es ist Sex mit angezogener Handbremse.

Damit richtig guter Sex entstehen kann, braucht es Nähe und Intimität. Das entsteht, wenn wir etwas von uns preisgeben. Wenn wir den anderen an uns heran und unsere Schutzmauern fallen lassen. Wenn wir uns zeigen und uns dem anderen zumuten, so wie wir sind.

Florian hat erkannt, dass seine Selbstlosigkeit nur eine Tarnung ist. Er trainiert nun, seine Wünsche beim Sex einzubringen. Dabei ist sein Glaube eine wertvolle Ressource. Er glaubt an einen Gott, der ihn liebt, so wie er ist. Das gibt ihm die Sicherheit und das Rückgrat, um sich beim Liebesspiel mit Vanessa zu exponieren und verletzbar zu machen. Auf dieser Grundlage kann echte Nähe und Verbundenheit entstehen. Davon wird auch Vanessa profitieren – mehr als von einem Mann, der sich im Bett ausschließlich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Sex mit angezogener Handbremse? – So klappt es mit echter Verbundenheit

Wenn ein Paar miteinander intim wird, machen sich beide Partner verletzlich. Fehlende Offenheit kann guten Sex hemmen.

Florian geht beim Sex gerne auf die Wünsche seiner Frau Vanessa ein. Seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche stellt er nicht in den Vordergrund. Es kommt so gut wie nie vor, dass er sagt, was er gerne möchte. Stattdessen fragt er jeweils Vanessa, wie sie es gerne hätte. Und wenn sie ihn fragt, was ihm gefallen würde, antwortet er: „Ich kann mir alles vorstellen. Was willst du?“

Ein selbstloser Liebhaber?

Es scheint, als wäre Florian ein ausgesprochen selbstloser Liebhaber. Er stellt die Bedürfnisse seiner Frau über seine eigenen. Trotzdem sind Vanessa und Florian nicht so recht zufrieden mit ihrer Sexualität. Irgendwie ist es nicht der heiße Sex voller Leidenschaft und tiefer Verbundenheit, den sie sich wünschen.

Könnte es sein, dass das auch an Florians vermeintlicher Selbstlosigkeit liegt? Dass sein Verhalten nur ein als Selbstlosigkeit getarnter Selbstschutz ist? Dass es ihm eigentlich gar nicht darum geht, auf die Wünsche seiner Frau einzugehen, sondern viel eher darum, sich selbst nicht mit einem Vorschlag zu exponieren?

Wer offen sagt, was er oder sie im Bett will, riskiert, zurückgewiesen zu werden. Er bietet Angriffsfläche und macht sich verletzbar. Florian will das verhindern und überlässt deshalb Vanessa die Initiative. Er schützt sich, indem er nicht zu viel von sich preisgibt und sich nicht ganz zeigt.

Sag, was du dir wünschst!

Florians Verhalten gibt den Ton für den weiteren Verlauf der sexuellen Begegnung an. Auch Vanessa wird zurückhaltend sein und sich nicht exponieren. Der Sex wird sich auf dieser Ebene von viel Selbstschutz und wenig Selbstpreisgabe abspielen. Es ist Sex mit angezogener Handbremse.

Damit richtig guter Sex entstehen kann, braucht es Nähe und Intimität. Das entsteht, wenn wir etwas von uns preisgeben. Wenn wir den anderen an uns heran und unsere Schutzmauern fallen lassen. Wenn wir uns zeigen und uns dem anderen zumuten, so wie wir sind.

Florian hat erkannt, dass seine Selbstlosigkeit nur eine Tarnung ist. Er trainiert nun, seine Wünsche beim Sex einzubringen. Dabei ist sein Glaube eine wertvolle Ressource. Er glaubt an einen Gott, der ihn liebt, so wie er ist. Das gibt ihm die Sicherheit und das Rückgrat, um sich beim Liebesspiel mit Vanessa zu exponieren und verletzbar zu machen. Auf dieser Grundlage kann echte Nähe und Verbundenheit entstehen. Davon wird auch Vanessa profitieren – mehr als von einem Mann, der sich im Bett ausschließlich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Paartherapeuten: Wir brauchen mehr Offenheit, über Probleme zu sprechen!

Viele Paare geben nach außen hin ein perfektes Bild ab. Doch oft genug kriselt es hinter den Kulissen. Paartherapeuten raten zu mehr Offenheit.

Betty und Jonas (Namen geändert) sind seit fünf Jahren verheiratet und bereits am Tiefpunkt ihrer Beziehung angelangt. So hatten sie sich das nicht vorgestellt: Betty, die seit der Geburt der beiden Kinder in Elternzeit ist, ist super gern Mama. Dennoch fürchtet sie manchmal, beruflich aufs Abstellgleis zu geraten, und es belastet sie das Gefühl, dass zu Hause so vieles an ihr hängen bleibt.

Jonas treibt die Aussicht auf einen bevorstehenden Karrieresprung an. Es scheint unvermeidlich, dass er mehr Zeit in der Firma verbringt als früher. Schließlich macht er das auch für seine Familie – Betty und die Kinder sollen es gut haben und materiell abgesichert sein. Er fühlt sich von ihr nicht gesehen in seinen guten Absichten und kann die ewige Unzufriedenheit von Betty nicht mehr ertragen.

In der wenigen Zeit, in der die beiden Gelegenheit zum Reden hätten, streiten sie sich inzwischen regelmäßig. Und so pendelt die Beziehung zwischen gegenseitigen Vorhaltungen und tiefer Frustration. Aber – und das ist das Spannende – nach außen zeigen sie sich immer noch als Bilderbuchfamilie. Wenn sie zum Beispiel sonntags zum Gottesdienst in ihre Gemeinde gehen, bemühen sich Betty und Jonas, intakt zu wirken und sich nicht hinter die Fassade schauen zu lassen.

Die beiden sind keine Ausnahme. In vielen Paarbeziehungen kriselt es und die wenigsten lassen sich dabei in die Karten schauen.

Kultur der Schwäche

Warum ist es so schwer, zu seinen Schwächen zu stehen und offen über die Schwierigkeiten, die man miteinander hat, zu reden? Niemand gibt gern zu, an bestimmten Stellen das Leben nicht auf die Reihe zu bekommen. Probleme sind in unserer Kultur meist ein Ausdruck von Schwäche. Praktisch jeder hat irgendwann im Leben die Erfahrung gemacht, für Schwächen kritisiert, ausgelacht oder gar bestraft zu werden. Das tut weh und ist erniedrigend, deshalb verbergen wir sie lieber nach außen.

Allerdings ist das fatal, denn durch die vielen Paare, die nach außen eine heile Ehe-Fassade präsentieren, wirkt es auf Krisen-Paare, als seien sie die einzigen, die den oft überhöhten Maßstäben und Erwartungen nicht gerecht werden. Dabei gilt eine ganz einfache Faustformel: „Beneide niemanden um seine perfekte Ehe – du weißt ja nicht, wie es hinter deren Fassade aussieht.“

Wir brauchen hier unbedingt eine Kultur der Offenheit, in der man nicht nur über seine Siege, sondern besonders auch über Niederlagen offen redet. In der man ehrlich zugibt, wo man noch Lernbedarf hat oder in welchen Herausforderungen man als Paar steht.

In unseren Eheseminaren legen wir Wert darauf, immer auch von eigenen Schwächen zu berichten und uns nicht als perfektes Paar zu präsentieren. Wir erzählen, wie wir Phasen durchlitten haben, in denen wir am liebsten ausgebrochen wären, wie lange es gedauert hat, bis wir das mit dem Sex für beide befriedigend hingekriegt haben oder wie wir nach Jahren immer noch in dieselben Fallen tappen. Hinterher bedanken sich die Paare nicht für die gute Präsentation oder die wertvollen Inhalte, sondern sie danken uns für die Authentizität. Das baut eine Brücke, um auch eigene Probleme ansprechen zu können. Und es macht Mut: „Wenn die das hinkriegen, dann können wir es auch schaffen.“

Vier Anzeichen einer echten Krise

Konflikte, Unzufriedenheit, Gefühle der Vernachlässigung – all das gibt es gelegentlich in jeder normalen Beziehung. Vier gravierende Anzeichen, dass bei einem Paar etwas so schiefläuft, dass sie Hilfe brauchen, beschreibt der Paarpsychologe John Gottman. Er nennt sie die „Apokalyptischen Reiter der Paarbeziehung“ und meint damit Kritik, Rechtfertigung, Verachtung und Rückzug.
Kritik: Natürlich kommt es vor, dass man sich an Dingen stört, die der oder die andere macht oder vernachlässigt. Gefährlich wird es, wenn sich eine Grundstimmung des Kritisierens und Nörgelns eingestellt hat. Wenn nämlich nicht deutlich mehr Ermutigung und Dankbarkeit ausgesprochen wird, als dass kritisiert wird, ist das Grundbedürfnis, vom anderen geliebt und akzeptiert zu sein, bedroht.
Verachtung: Das ist noch eine Nummer härter, wenn nämlich einer den anderen regelrecht herabwürdigt. Das zeigt sich in sehr abfälligen Worten dem anderen gegenüber, aber auch darin, wie man schlecht über den Partner oder die Partnerin vor Dritten redet.
Rechtfertigung: Die eigene Reaktion in Schutz nehmen, weil sie angeblich ja nur die Antwort auf das schlechte Verhalten des Partners war. Wer nie Verantwortung für einen Streit übernimmt, sondern die Schuld immer dem Gegenüber zuschiebt, ist genau in diesem Verhaltensmuster gefangen.
Rückzug: Ab und zu einander aus dem Weg zu gehen oder seine Ruhe zu brauchen, ist natürlich kein Problem. Wenn aber zwei Menschen unsichtbare Mauern zwischen sich errichten und den anderen gar nicht mehr an sich heranlassen, wenn jeder sein Leben lebt und kaum noch Berührungspunkte da sind, wenn sich vielleicht sogar einer von beiden schon in eine Konkurrenzbeziehung investiert, dann hat bereits eine innere Trennung stattgefunden.

Wenn diese vier Verhaltensweisen permanent vorhanden sind, dann ist es höchste Zeit, dass sich ein Paar Hilfe sucht. Und wie könnte diese Hilfe dann aussehen?

Der Wert von Freundschaften

In Krisen zeigt sich der Wert von guten Freundschaften ganz besonders. Paare sollten daher unbedingt nicht nur einander genügen, sondern Beziehungen mit Freunden pflegen. Dort sollten sie sich um eine Kultur der Ehrlichkeit und Offenheit bemühen. Die wird am ehesten dann entstehen, wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur berichten, was gut läuft, sondern auch über die Probleme sprechen. Eine Frau, die mit ihrem Mann in einer tiefen Krise steckte, wurde von ihrem Mann darum beneidet, dass sie so gute Freundinnen hatte, mit denen sie jetzt über vieles reden konnte. „Das war auch richtig harte Arbeit“, sagte sie ihm. „Es war nicht leicht, dranzubleiben, die Freundinnen regelmäßig zu treffen, sich zu öffnen und eigene Defizite vor den anderen zuzugeben.“

Seelsorge- und Therapieangebote

Wer merkt, dass er oder sie allein nicht weiterkommt, sollte nicht zu spät den Weg zu Seelsorge oder Paartherapie suchen. Dazu gibt es jede Menge gute Angebote. Viele Gemeinden haben Ansprechpersonen dafür. Es gibt zudem Organisationen wie C-Stab oder Team.F, die Listen von möglichen Ansprechpartnern führen. Die Seelsorgerinnen und Berater stehen immer unter Schweigepflicht und bei einem unverbindlichen Erstgespräch kann man in der Regel feststellen, ob man die geeigneten Helfer gefunden hat.

Ein junges Paar, das in einer sexuellen Problematik feststeckte und nahe daran war, zu verzweifeln, fand den Weg in eine Paartherapie. Sie brauchten nur zwei Beratungsgespräche und die Probleme waren gelöst! Wie viele Jahre des Leidens blieben ihnen dadurch erspart, weil sie sich getraut haben, sich jemandem zu öffnen!

Oft dauert es jedoch länger. Manchmal kann die Beratung allerdings nicht mehr weiterhelfen; auch das darf nicht verschwiegen werden. Eine Erfolgsgarantie wird kein seriöser Berater geben. Das liegt allerdings manchmal auch daran, dass das Paar zu lange gewartet hat, bevor es sich Hilfe geholt hat.

Eine Kultur der Ermutigung für Paare

Ein Dach deckt man, wenn die Sonne scheint. Genauso sollten Paare an ihrer Beziehung in guten Zeiten arbeiten. Deshalb ist Prophylaxe so wichtig. Praktisch jede Paarbeziehung verliert mit der Zeit an Qualität, wenn sie nicht regelmäßig gepflegt wird und beide in das Beziehungskonto einzahlen.

Zum einen kann man als Paar selbst viel dafür tun: regelmäßige Dates, Eheabende, Gesprächszeiten, für die man sich Zeit im Kalender reserviert – egal, ob morgens beim Frühstück oder auch mal abends, wenn die meiste Arbeit erledigt ist oder die Kinder schlafen. Zeit zu zweit ist so wichtig, weil damit das Gegenüber das Gefühl bekommt: „Du bist mir wirklich wichtig.“

Ein toller Weg, an der Beziehung dranzubleiben und schwierige Situationen rechtzeitig zu beackern, ist das Mentoring. Einige Gemeinden haben sich da inzwischen Programmen angeschlossen und bieten das Paaren grundsätzlich an. Ein Paar könnte sich aber auch selbst ein geeignetes anderes, erfahrenes Paar suchen, von dem sie sich begleiten lassen und mit dem sie offene Gespräche über ihre kritischen Themen führen können.

Nicht zuletzt können Paare regelmäßige Beziehungs-Updates bekommen, indem sie Seminare (zum Beispiel von Team.F oder den Alpha-Ehe-Kurs) besuchen, Beziehungsratgeber zusammen lesen oder regelmäßig nach Vortragsangeboten (auch online) Ausschau halten. Die MarriageWeek Deutschland bietet ebenfalls eine Plattform, auf der Paare immer wieder gute Angebote finden können.

Wir träumen davon, dass überall dieses Bewusstsein erwacht, wie wichtig es ist, Paare zu ermutigen, an ihrer Beziehung zu arbeiten. Denn nur eines ist selbstverständlich: dass keine Paarbeziehung perfekt ist.

Marcus und Susanne Mockler – er Journalist, sie Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland. Gemeinsam haben sie den Eheratgeber „Das Emma*-Prinzip – Sieben Schlüssel zu einer richtig guten Ehe“ geschrieben. geliebtes-leben.de

„Mein Glaube ist kein Kuschelthema in unserer Ehe“

Wenn ein Ehepaar alles miteinander teilt, außer den Glauben, ist der gläubige Partner ein Sonntagmorgensingle. Matthias Kleiböhmer berichtet, wie er damit umgeht und wie das gut klappt.

Sonntagmorgen: Die Familie sitzt fröhlich am Frühstückstisch. Wir sprechen über den Gottesdienst heute und welche Songs die Lobpreisband wohl geprobt hat. Die Kinder freuen sich auf ihre Freunde. Natürlich gehören die auch zur Gemeinde. Ein kurzer Blick auf die Uhr – jetzt aber los! Die ganze Familie ab ins Auto und dann gemeinsam zur Kirche.

Eine ganz normale Szene in einem der christlichen Filme aus den USA – aber keine Situation aus meinem Leben. Familie habe ich von Montag bis Samstag. Wenn ich in den Gottesdienst gehe, bin ich Single. Sonntagmorgensingle. Dabei bin ich oft der Prediger. Und mir fällt immer öfter auf: Ich bin nicht der Einzige, dem es so geht. Vielen geht es wie mir. Wir gehen allein, weil unsere Partner nicht an Gott glauben. Unsere Familien machen am Sonntag lieber etwas anderes.

Der Platz neben mir bleibt leer

Ohne Frage ist das eine Herausforderung. Man muss es aushalten können: Dass gefühlt alle mit Kind und Kegel in die Gemeinde kommen und der Platz neben einem leer ist. Dass das außergewöhnliche Glaubenszeugnis des jungen Mannes beim Mittagessen kein Thema sein wird. Und dass wir weder zusammen singen noch gemeinsam beten. Also nie. Ich verzichte auf vieles, was andere Paare selbstverständlich miteinander teilen.

Das hat im Alltag viele praktische Konsequenzen. Mein Glaube ist, wie alle der unterschiedlichen Interessen, Teil der familiären Verhandlungsmasse. Qualitätszeit ist in einer Familie eine knappe Ressource. Das betrifft die kostbaren Stunden am Sonntagmorgen und vor allem die Feiertage. Besonders vor Weihnachten und Ostern handeln wir immer wieder neu aus, was in anderen, rein christlichen Beziehungen selbstverständlich ist – nämlich dass neben Familie, Freunden, Geschenken und Feiern auch Zeit sein soll für Gott. Manchmal fühle ich mich deswegen, als wäre ich in einer missglückten Dreiecksbeziehung. Immer zwischen den Stühlen, nur weil die Beziehung der beiden anderen untereinander nicht funktioniert.

Dabei könnte der gemeinsame Glaube die Paarbeziehung stärken. Den Glauben als gemeinsame Leidenschaft zu teilen, würde ja bedeuten, die Beziehung durch gemeinsame Erlebnisse – etwa Veranstaltungen, Lieder, Begegnungen – zu vertiefen. Gemeinsame Gewohnheiten wie der Gottesdienstbesuch würden die Vertrautheit stärken. Damit wären zwei von drei Faktoren erfüllt, die der Psychologe Michael Stockmann in seinem Modell für eine gelingende Paarbeziehung ausgemacht hat. In Beziehungen wie meiner fällt das weitgehend aus.

Unerfüllte Sehnsucht

Soweit die Diagnose. Aber wie geht man damit um? Zuerst muss man ehrlich zu sich selbst sein. Das heißt in meinem Fall: So schlimm ist es auch wieder nicht. Ich habe die Sehnsucht nach einer gläubigen Familie in mir, aber es hat mich noch nie wirklich aus der Bahn geworfen. Meine Glaubenskrisen hatten immer andere Ursachen. Und auch wenn mein Glaube kein Kuschelthema in der Beziehung ist, haben wir uns deswegen selten wirklich weit voneinander entfernt. Das liegt vor allem daran, dass meine Frau den Glauben als Hilfe für das Leben und Hoffnung über den Tod hinaus respektiert. Ohne das ginge es wohl auch nicht für mich.

Es hat auch einen zweiten wichtigen Grund: Wir haben gemeinsame Werte. Auch wenn sie sich aus unterschiedlichen Quellen speisen. Aber wir sind nur sehr selten unterschiedlicher Meinung, wenn es um Geld, Kindererziehung, Politik oder die Art geht, wie man eine Beziehung führen sollte. Da können wir uns diese eine grundlegende Verschiedenheit leisten. Mir persönlich hilft es auch, zu wissen, dass ich damit nicht allein bin. Solche – sagen wir hybriden – Beziehungen hat es schon immer gegeben. Solange die Christen in der Minderheit waren (oder sind), gab und gibt es sie sogar recht häufig. Zumindest wenn das Umfeld die Gläubigen glauben lässt. Deswegen war es für Paulus genauso selbstverständlich wie für Augustin (354–430 n.Chr.). Der große Theologe lebte selbst lange, aber letztlich unglücklich mit einer Heidin zusammen. Das Problem dieser Beziehung war aber nicht der fehlende Glaube an Jesus, sondern der ungleiche soziale Status. Es gibt ja so vieles, was eine glückliche Ehe verhindern kann.

Wohltuend schmerzhaft

Kommen wir zu den Vorteilen. Das ist vor allem einer: Wir müssen über den Glauben sprechen. Vielleicht sogar mehr als viele rein christliche Paare. Wohlgemerkt: Ich meine Gott, den Glauben an ihn und warum er wie trägt oder nicht. Ich meine nicht die Gemeinde oder die Kirche. Das war das, was ich als Erstes in unserer Beziehung lernen musste: Kritik an der Kirche ist kein Grund, beleidigt zu sein. Und es ist auch kein Vorrecht von Christen, andere Christen an das Gebot der Nächstenliebe zu erinnern. Kirche – das ist Hobby oder Beruf, das ist Verein, Struktur oder was auch immer. Das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist Gott. Und mit Nichtchristen über Wesentliches zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Es ist sogar eine Herausforderung. Denn was wir Gläubigen für selbstverständlich halten, können andere sehr befremdlich finden.

Nehmen wir mal die selbstverständliche christliche Meinung, Gott würde mit seinem Segen in unserem Leben wirken und uns Gutes erleben lassen. Da muss meine Frau nur oft genug „Warum?“ fragen. Und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher. Und das ist gut so. Denn ein „Warum?“ sollte mein Glaube schon aushalten können, oder? Und wenn ich es nicht beantworten kann, dann ist es an der Zeit, das Thema mal wieder anzuschauen. Und ich sollte mich auch selbst einmal fragen, wie es so weit kommen konnte. Das ist unbequem. Aber dem Glauben tut es gut. Es bringt mich immer wieder zurück zu Gott, und es hilft mir, Worte dafür zu finden, wie ich ihn erlebe. Es bringt mich sogar wieder neu dazu, ihn in meinem Leben zu suchen. Damit solche Gespräche ein Gewinn sind, müssen sie in einer Atmosphäre stattfinden, in der niemand gewinnen will. Als Liebespaar über den Glauben zu sprechen, ist kein Ort für Triumphe. Es ist der Ort für ehrliches Interesse und gemeinsame Erkenntnis.

Auf dieser Grundlage können wir als Paar auch die Themen in Angriff nehmen, die nicht nur uns betreffen, sondern auch unsere Kinder: Lassen wir sie taufen? Beten wir mit ihnen? Oder bete ich, und du nicht? Und vor dem Essen, was machen wir da? Ich glaube, in vielen dieser Fragen gibt es nur eine gute Lösung, wenn beide damit leben können. So haben wir es immer erlebt. Unter dem Strich ist es sicher so, dass ich weniger Zeit im Gottesdienst verbracht habe, als ich gern gewollt hätte – und meine Frau viel mehr, als überhaupt denkbar gewesen wäre. Wir haben beide verzichtet, aber beide unendlich viel gewonnen. Kompromisse gehören einfach zur Ehe dazu. Ich komme noch einmal auf den Psychologen Stockmann zu sprechen: Der Glaube fällt als gemeinsame Leidenschaft, als stützendes Element in der Beziehung, aus. Dafür wächst durch diese Art Gespräche die Vertrautheit der Partner – das zweite Element ist also erfüllt. Denn gemeinsame Gespräche und die Einsicht in das „Warum“ des Partners stärken die Beziehung. Und es kommt zu bewussten Entscheidungen füreinander. Nach Stockmanns Ansatz der dritte Faktor. Denn Liebe ist auch eine Entscheidung. Deswegen schließen wir Ehen durch ein „Ja“ der Eheleute. Bei mir war es übrigens „Ja, mit Gottes Hilfe“. Bei meiner Frau natürlich ein einfaches „Ja“. Auch ein bewusster Kompromiss.

Ein anderer Partner muss her

Man kann nicht allein verheiratet sein und man kann nicht allein Christ sein. Was man mit Gott erlebt, was einen beschäftigt, das muss man irgendwann auch mal mit jemandem teilen, der das in der ganzen Tiefe im Herzen nachvollziehen kann. Der eben nicht nach dem „Warum“ fragt, sondern einfach verständnisvoll nickt. Der nicht „Aber“ sagt, sondern „Amen!“. Und das finden wir Sonntagmorgensingles in unserer Beziehung nicht. Das brauchen wir aber. Denn wir können für unseren Alltag Kompromisse schließen und für unseren Einsatz in Kirche und Gemeinde – für den Glauben selbst geht es nicht.

In der Praxis heißt das: Wir müssen uns jemanden suchen, mit dem wir den Glauben teilen können. Eine konkrete Person, die diesen Teil unseres Lebens nicht von außen betrachtet, sondern von innen. Schließlich schickt Jesus die Jüngerinnen und Jünger auch immer zu zweit los – ohne sie zu trauen.

So jemanden zu finden, ist nicht einfach. Denn auch in der Gemeinde gehen nicht alle Menschen verständnisvoll miteinander um. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man so jemanden findet, indem man sich selbst als Gesprächspartner für den Glauben anbietet. Nicht im Sinne von „Sollen wir mal über Jesus reden?“, sondern indem man es einfach macht. Man merkt dann schon, wer noch auf der gleichen Wellenlänge ist oder ähnliche Erfahrungen teilt. Ein Sonntagmorgensingle bleibt man trotzdem. Aber wer weiß, vielleicht finden sie ja noch zueinander. Meine Frau und mein Gott. Bis dahin bleibe ich wachsam, dass es uns dreien gut geht. Das ist anstrengend. Und sehr schön.

Matthias Kleiböhmer ist mit einer atheistischen Naturwissenschaftlerin verheiratet. Der Theologe leitet den YouTube-Kanal der Stiftung Creative Kirche. Mehr zum Thema erfährst du in der nächsten Ausgabe von Family und in seinem Buch: „Sonntagmorgensingle – Wie es ist, der einzige Christ in der Fmailie zu sein“ (Gütersloher Verlagshaus)

Expertin klärt auf: Vorsicht vor toxischen Beziehungen!

Toxische Beziehungen sind in aller Munde, aber was genau passiert da eigentlich? Die psychologische Beraterin Christina Glasow erklärt, wie man eine toxische Beziehung erkennt, was man tun kann und wann eine Trennung nötig ist.

Katja bekommt das Grinsen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht, sie ist glücklich. Ben hat ihr Blumen geschenkt. Einfach so. „Du bist so wunderschön. Ich liebe dich. Du machst mich zum glücklichsten Mann“, hat er gesagt und sie angelächelt, dass ihr die Knie weich werden. Zwanzig Minuten später hat sie einen dicken Kloß im Hals. Beim Auswechseln einer Glühbirne ist ihr der Lampenschirm aus der Hand gerutscht und in tausend Teile zersprungen. „Wie dumm und idiotisch bist du eigentlich!? Du solltest am besten gar nichts machen, du hast einfach zwei linke Hände!“, ist dabei noch das Netteste, was aus Bens Mund kommt. Katja sagt kein Wort. Etwas zu entgegnen würde alles nur noch schlimmer machen. Sie fühlt sich dumm, klein und schuldig.

Sie entschuldigt sich immer wieder und nachdem sie besonders lieb und zuvorkommend mit Ben umgegangen ist, findet schließlich, wie so oft, im Bett die Versöhnung statt.

Was genau ist eine toxische Beziehung?

Eine Beziehung sollte ein Raum sein, in dem sich zwei Menschen einander liebevoll zuwenden und gleichzeitig die Freiheit haben, sie selbst zu sein – mit ihren Ecken und Kanten. Manches ist und bleibt herausfordernd, deshalb ist eine Beziehung aber nicht gleich toxisch. Wenn deine Beziehung jedoch mehr von Zwängen, Schmerz oder Einsamkeit als von dem Gefühl der Wertschätzung und des Angenommenseins geprägt ist, dann schadet sie dir mehr, als dass sie dir guttut.

In manchen Beziehungen ist Kampf an der Tagesordnung. Ihr streitet oft nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ und nehmt keine Rücksicht auf den anderen. Diese destruktiven Konflikte enden irgendwann aus Verzweiflung oder Erschöpfung. Vielleicht landet ihr zur Versöhnung im Bett oder lasst bis zum nächsten Mal Gras darüber wachsen; aber einem gesunden Miteinander seid ihr kein Stück nähergekommen.

Auch Beziehungen, die nach außen sehr harmonisch wirken, können innen toxisch sein. Es gibt keinen Streit, weil die Angst vor Verlust und Liebesentzug so groß ist, dass du dich und dein Verhalten lieber anpasst, als die Harmonie zu gefährden. Du sprichst nicht über deine Gefühle und Bedürfnisse, um nicht anzuecken. Allerdings verlierst du so mehr und mehr den Kontakt zu deinem Gegenüber und auch zu dir selbst.

Besonders toxisch ist die Dynamik von Katja und Ben. Sie läuft nach dem Täter-Opfer-Prinzip ab: Der „Täter“ wertet ab und handelt egozentrisch, empathielos oder manipulativ, trägt oft narzisstische Züge. Das „Opfer“ denkt und handelt abhängig vom Verhalten des Gegenübers. Eigene Gefühle und Interessen werden zurückgestellt. Man nennt das „co-abhängig“.

Der Ursprung dieser toxischen Verhaltensmuster liegt meist zeitlich weit zurück, sie haben deine Persönlichkeit über einen langen Zeitraum geprägt.

Das kann sich in deiner Beziehung beispielsweise so anfühlen:

  • Du erlebst eine emotionale Achterbahnfahrt. Hochs (in den Himmel gelobt werden, „Love-Bombing“) und Tiefs (Abwertung, Erniedrigungen) wechseln sich ab. Die schönen Momente werden immer weniger. Für die guten Momente erträgst du die schmerzhaften. Du glaubst, wenn du nur ganz doll liebst, wirst du auch zurückgeliebt.
  • Du glaubst, du kannst dein Gegenüber retten, er oder sie braucht deine Hilfe, um die Probleme zu überwinden. Du glaubst, dass du das Problem bist, weil du nicht gut genug bist. Du glaubst, du musst dich ändern. Aus Angst vor Konflikten und dem Verlassenwerden nimmst du dich immer mehr zurück. Du machst dein Verhalten abhängig vom Verhalten deines Gegenübers und nimmst dich selbst nicht so wichtig. Dein Gegenüber ist sehr schnell gekränkt. Du wirst kontrolliert und immer mehr eingeengt, zum Beispiel, ob und mit wem du dich triffst, wofür du Geld ausgibst usw.
  • Du wirst ständig kritisiert und bist an allem schuld. Dein Gegenüber sieht sich immer als Opfer. Du entschuldigst dich für Dinge, die du nicht getan hast. Du bist gestresst, weil du ständig Angst hast, etwas falsch zu machen.
  • Du fühlst dich abhängig von deinem Gegenüber, denkst, du kannst ohne sie oder ihn nicht leben. Deine Grenzen werden nicht respektiert und immer öfter überschritten.
    Du glaubst, dass er oder sie sich dieses Mal wirklich ändern wird.
  • Du wirst manipuliert und die Realität wird verdreht, bis du immer mehr an dir zweifelst und schließlich selbst nicht mehr weißt, was wahr und was falsch ist („Gaslighting“).
    Es findet, neben der seelischen, auch körperliche Gewalt statt.

So schlimm ist das ja bei uns nicht …

… denkst du jetzt vielleicht. Natürlich gibt es bei der Ausgestaltung von Beziehungen eine riesige Bandbreite. Jede Beziehung ist anders. Aber wo fängt denn nun das Toxische an? In der bibel finden wir eine sehr gute Orientierungshilfe. Jesus sagt in Markus 12,31: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Nicht nur unter Christen hat die Nächstenliebe zu Recht einen besonders hohen Wert.

Die Liebe zu sich selbst wird dagegen nicht selten mit Egozentrik oder Egoismus verwechselt oder einfach nur übergangen. Aber Liebe zu sich selbst meint einen liebevollen Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen. Eigenliebe und Nächstenliebe müssen in Balance stehen, um gute Beziehungen führen zu können: Selbstliebe ohne Nächstenliebe macht das Gegenüber zu einem ersetzbaren Objekt, das nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient. Liebe ohne Selbstliebe führt in die emotionale Abhängigkeit und zum Verlust der eigenen Identität.

Wenn du also dauerhaft (nicht punktuell!) egozentrisch oder selbstvergessen handelst, entsteht ein Ungleichgewicht. Hier fängt Toxizität an. Was kannst du selbst tun, um toxischem Verhalten entgegenzuwirken?

Erkennen

Vielleicht hast du in deiner Vergangenheit gelernt, dass Liebe an bestimmte Bedingungen geknüpft ist oder dass zur Liebe Schmerz dazugehört. Du empfindest es deshalb als normal, dass mit dir so umgegangen wird. Das ist es aber nicht. Niemand hat das Recht, dich schlecht zu behandeln, dich herabzusetzen oder dir emotionale oder körperliche Gewalt zuzufügen!

Wenn du dein Gegenüber niedermachst oder manipulierst, um dein eigenes Selbstbewusstsein zu pushen, und dir sicher bist, dass er oder sie dich nicht verlassen wird, dann ist dein Verhalten lieblos und egoistisch.

Ein liebevoller, wertschätzender Umgang ist in einer Paarbeziehung grundlegend, denn das ist der Ort, an dem wir uns besonders verletzlich machen.

Selbstverständnis und Fürsorge

Um aus schädlichen Mustern herauszukommen, die dir bei der Liebe zu dir selbst im Wege stehen, spielt Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dir selbst auf die Spur zu kommen und immer wieder innezuhalten in deinem Alltag: Was geht gerade in dir vor? Welche Gefühle sind da? Du kannst sie zum Beispiel in einem Gefühlstagebuch festhalten.

Jeder von uns schleppt falsche Glaubenssätze mit sich herum, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie lassen uns zum Beispiel glauben, dass wir nur geliebt werden, wenn wir etwas leisten. Oder dass wir uns nicht so anstellen sollen, weil es anderen ja schließlich viel schlechter geht oder dass wir zu nichts taugen. Die Liste dieser Lügen ist unendlich vielfältig und gleichermaßen lieblos. Ein erster Schritt, diesen schlechten Einfluss zu entmachten, ist, dir ihrer bewusst zu werden. Indem die Glaubenssätze vom Unbewussten ins Bewusstsein treten, kannst du dein Verhalten aktiv verändern. Du bist ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert und darfst stattdessen liebevolle Gedanken kultivieren und die Wahrheit über dich selbst entdecken. So kann zum Beispiel aus „Ich bin nicht schlau“ ein „Ich bin schlau genug“ werden.

Mit diesen neuen Erkenntnissen stehst du auf einer ganz neuen Basis, um dich zu fragen, welche Dinge dir guttun und dich auftanken lassen. Vielleicht fällt dir ein, womit du dich als Kind am liebsten beschäftigt hast, und du transportierst das in dein heutiges Leben (zum Beispiel Sport, kreativ sein, Instrument spielen, lesen, spazieren, Leute treffen…). Erlaube dir, dir hierfür Zeit zu nehmen. Du lernst so, deine Bedürfnisse zu spüren und deren Erfüllung in die Hand zu nehmen. Du übernimmst Verantwortung für dich selbst. Dazu gehört auch, darauf zu achten, welche Dinge oder Personen dir nicht guttun. Was löst in dir Stress oder „Bauchweh“ aus? Dazu gehört auch, dass du dir bewusst machst, was deine wichtigsten Werte und was deine No-Gos in einer Beziehung sind. Indem du hier achtsamer mit dir selbst umgehst, lernst du, deine eigenen Grenzen zu spüren und diese auch für dein Umfeld sichtbar zu machen. Du darfst freundlich, aber klar Nein sagen! Und du wirst erleben, dass Menschen dich trotzdem oder gerade deshalb mögen.

Ich-Botschaften helfen dir dabei, klarer zu kommunizieren, und eröffnen einen Weg aus eurer destruktiven Konflikt-Spirale. Dabei sprichst du über dein Gefühl („Es macht mich traurig, dass wir fast nie Zeit zu zweit verbringen.“) anstatt den anderen anzuklagen („Immer gehst du weg. Ich bin dir doch egal!“).

Die Erfahrung aus meiner eigenen Beratungs-Praxis zeigt, dass es hilfreich ist, hierfür professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die dich in deinem Prozess unterstützt. Je tiefer die toxische Verstrickung, desto ratsamer, den Weg nicht alleine zu gehen.

Welche Voraussetzungen braucht es für eine gesunde Beziehung?

Dein neues, ungewohntes Verhalten stößt beim Gegenüber vielleicht nicht auf Gegenliebe, denn euer altes „Spiel“, euer Muster funktioniert nicht wie bisher. Veränderungen erfordern Mut und auch Disziplin. Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich vom Gegenwind nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt, aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist damit auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen.

In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, Nehmen und Geben, Bestimmen und Anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden. Zum Beispiel gemeinsam zur Paarberatung zu gehen.

Wann ist es besser, sich zu trennen?

Deine eigenen Themen anzugehen, hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln.

Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert.

Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

Christina Glasow wohnt mit ihrer Familie in Pulheim bei Köln und arbeitet als Paarberaterin und Psychologische Beraterin. christinaglasow.de

 

Wenn du in einer toxischen Beziehung steckst, such dir Unterstützung! Sprich mit einer Person deines Vertrauens und/oder wende dich an eine Seelsorgerin, einen Berater oder Therapeuten. Im Internet findest du Organisationen in deiner Nähe, die Hilfe für Opfer von emotionaler und/ oder körperlicher Gewalt anbieten. Du kannst dich auch an die Telefonseelsorge wenden (0800/111 0 111) oder an das Hilfetelefon speziell für Frauen (hilfetelefon.de).

Eine schwere Geburt

Für Eva Sofia war es schrecklich. Nach der Geburt ihrer Tochter konnte sie sich nicht vorstellen, noch einmal ein Kind zu bekommen. Damit ist sie nicht allein. Für viele Frauen ist die Geburt ein schwieriges, manchmal sogar traumatisches Erlebnis. Sarah-Maria Graber zeigt Schritte, die beim Umgang damit hilfreich sind.

Unter Tränen versucht Eva Sofia Worte zu finden, um mit ihrem Mann den inneren Gefühlssturm zu teilen. Ihre Tochter ist gerade mal drei Tage alt. Wie soll sie es ihm nur sagen? Sie hatten doch von einer größeren Familie mit drei bis fünf Kindern geträumt. Aber jetzt ist alles anders. Nachdem die Schwangerschaft so schwierig verlaufen ist und mit einer traumatischen Geburt endete, kommen bei Eva Sofia große Zweifel auf. Das wird sie kein zweites, geschweige denn drittes Mal schaffen, weder körperlich noch emotional. Diese Ohnmachtsgefühle, ohne wirklich ohnmächtig zu werden, und diese lange Ungewissheit, wie alles werden wird. Und diese Sorge darum, ob es wohl dem Kind gut geht. Nein, das war dieses eine Mal schon zu viel.

„Ich weiß nicht, ob ich das nochmal schaffe“, gesteht Eva Sofia ihrem Mann. Es folgt eine längere Pause. Sie schweigen sich an. Irgendwann holt Eva Sofia eine Familienzeitschrift hervor mit dem Titel: „Ein-Kind-Familie ist auch Familie“ und drückt sie ihrem Mann in die Hand. Er schaut zuerst den Titel an, dann seine Frau, nickt verständnisvoll, streichelt ihr übers Haar. „Das ist okay so. Ein-Kind-Familie ist auch Familie.“ Mit diesen Worten und dem liebevollen Verständnis ihres Mannes fällt ein schwerer Stein von Eva Sofias Herz. Der Gedanke ist befreiend, dass sie das kein zweites Mal über sich ergehen lassen muss.

Eva Sofia hätte es in diesen Tagen und Wochen nach der Geburt nicht für möglich gehalten, dass die Zeit ihre Wunden heilt. Und dann passiert es doch. Die Zeit verstreicht und heilt. Die Erinnerungen verblassen langsam. Der Wunsch nach einem weiteren Kind gewinnt die Oberhand und lächelt der Angst ins Gesicht. Ihre Freundin Susanne, ebenfalls Mama, macht ihr Mut. Sie hat richtig schöne Geburten erlebt. Sie ermutigt Eva Sofia, es nochmal zu versuchen und sich den Traum einer größeren Familie nicht von diesem einmaligen Erlebnis nehmen zu lassen. Getragen von diesem Hoffnungsschimmer fasst sich Eva Sofia ein Herz und öffnet sich für eine weitere Schwangerschaft. Ein weiteres Mal macht sie sich verletzlich, lässt ihre Ängste zu und versucht, ihnen Hoffnung entgegenzuhalten. Sie bereitet sich intensiv auf die Geburt vor, fasst neues Vertrauen in den Geburtsprozess und in ihren Körper.

Und tatsächlich: Die zweite Geburt wird sogar ein heilsames Erlebnis für Eva Sofia und ihren Mann. Sie entscheiden sich für weitere Kinder. Auch die dritte und vierte Geburt verlaufen sanft und selbstbestimmt. Gemeinsam gebären sie in tiefer Verbundenheit mit Gott und erleben, dass Geburt sich wie ein besonderes Teamerlebnis anfühlen kann.

Wie Wunden heil werden

„Jede Geburt, egal, ob positiv oder negativ erlebt, ist eigentlich eine Überforderung für den weiblichen Organismus“, erklärt die Hebamme Carole Lüscher. „Nach der Geburt durchläuft deshalb jede Frau eine Phase der Verarbeitung, egal, wie die Geburt war.“ Die Verarbeitung ergibt im besten Fall ein stimmiges Bild, ein stärkendes Gefühl: Es hat sich gelohnt. Es war intensiv und ich habe das geschafft. Was für ein Wunder und was für eine Kraft!

Das ist aber längst nicht bei allen Frauen so, wie das Beispiel von Eva Sofias erster Geburt zeigt. Nach einer solchen Geburt bleibt die Erleichterung aus. Die Erinnerung wiegt schwer und löst immer wieder Trauer aus. Wie Wellen rollen Gefühle der Enttäuschung und Wut ins Bewusstsein, plötzlich und unangekündigt. Sie spülen Schmerz und Erinnerungen an die Oberfläche, die sich nach einer heilsamen Berührung sehnen. In der Verarbeitung können drei zentrale Erkenntnisse helfen:

1. Gegensätzliche Gefühle dürfen gleichzeitig in mir wühlen!

Ich darf mich freuen am Leben und an dem, was ich habe, und gleichzeitig trauern über das, was ich verloren habe oder vermisse. Ich darf wütend und trotzdem glücklich sein. Ich kann enttäuscht und trotzdem dankbar sein. Ich darf aber auch nur wütend sein. Ich darf zweifeln und jubeln. Ich darf danken und klagen. Oder nur klagen.

2. Meine Kreativität ist heilsam!

Gefühle und Gedanken aufzuschreiben, kann mir helfen, sie zu fassen. Auf dem Papier, schwarz auf weiß, werden sie sichtbar und begreifbar. Und irgendwann kann ich sie besser loslassen. Oder mich mit ihnen versöhnen und sie einordnen. Auch andere kreative Ausdrucksweisen können mir dabei helfen, das Innere zum Ausdruck zu bringen: Malen, Singen, Bewegen, Kochen, Tanzen. In der Kreativität schaffen wir Raum für die Begegnung mit dem Schöpferischen, mit dem Schöpfer. Es eröffnen sich neue Ideen oder Zusammenhänge oder Einsichten. Manchmal hilft es auch, mit anderen Menschen über Gefühle und Gedanken zu sprechen. Manchmal ist es aber auch hilfreich, eben nicht darüber sprechen zu müssen. Es darf sein, was gerade ist.

3. Gebet ist eine gute Entscheidung!

In diesen negativen Gefühlen kann die Tendenz entstehen, dass ich mich von Gott abkapsle und aus dem Gebet zurückziehe, um die unangenehmen Emotionen zu umgehen. Weil ich vielleicht auch über Gott enttäuscht bin, weil ich mich missverstanden fühle. Weil mein Glaube durch das Erlebte wackelt. Und gefühlt keinen weiteren Anstoß mehr verkraftet. Dann ist es eine bewusste Entscheidung, trotzdem zu beten und mich auf eine Begegnung mit Gott einzulassen. Wenn ich meine Fragen und meine Zweifel zulasse, werde ich offen für Antworten, für andere Perspektiven, für weiterführende Fragen, für eine heilsame Berührung. Das Hoffen und der Glaube an die Liebe und Güte Gottes, an seine heilsame Kraft und Treue kann in diesem Prozess eine grundlegende Ressource werden. Fragen bleiben offen und darin liegt Trost: Dass da Raum ist für unbeantwortete Fragen. Dass Gott so groß und herrlich ist, dass ich ihn nicht begreifen kann, nicht begreifen muss. Dass seine Wege anders sind als meine, aber dass er letztlich treu und heute noch lebendig ist. Seine Kraft wirkt in mir und an mir. Seine Sicht geht über das für mich Sichtbare hinaus.

Wenn die Erinnerung überwältigend bleibt

Wenn diese Hilfestellungen nicht reichen, bleibt die Erinnerung an die Geburt überwältigend und belastend. In diesen Fällen kann ein Geburtstrauma vorliegen. Dass eine Geburt ein Trauma hinterlassen hat, erkennen betroffene Frauen oft daran, dass sie Flashbacks haben: Belastende Erinnerungsfetzen tauchen unkontrollierbar auf und stellen den Alltag auf den Kopf. Die Ressourcen reichen nicht, um die Geschehnisse rund um die Geburt zu verarbeiten. Die Betroffene kommt nicht mehr zur Ruhe. Der innere Stress baut sich nicht ab, sie kann schlecht schlafen, ist schreckhaft und gereizt. Denn der Organismus und das Nervensystem der Betroffenen sind ständig im Alarmzustand, bleiben stecken in der Überforderung. Wie ein Stausee, der das Wasser nicht mehr abfließen lässt. Erneuter Stress, auch in geringem Ausmaß, und kleine Erinnerungsfetzen triggern diesen Zustand und wirken überfordernd. Wegen eines Tropfens läuft der See über.

Betroffene vermeiden um jeden Preis, dass dieses Trauma getriggert wird, indem sie zum Beispiel das Spital meiden, den Namen des Arztes nicht mehr lesen, der Hebamme aus dem Weg gehen, nicht über die Geburt sprechen. Doch das Kind erinnert sie weiterhin an die Geburt. Insbesondere sein erster Geburtstag zeigt bei vielen Betroffenen die Belastung auf: Sie würde ihn am liebsten überspringen, um nicht mit den Erinnerungen an die Geburt konfrontiert zu werden. Einige Paare stellen sich wie Eva Sofia die Frage, ob sie weitere Kinder wollen, weil sie eine erneute derartige Erfahrung verhindern möchten.

Die Verarbeitung kann aber auch hier gelingen. Traumata können gelöst werden. „Durch einen Umweg“, sagt Hebamme Carole Lüscher. Sie arbeitet seit Jahren mit traumatisierten Frauen, die Mütter werden. Um die Wucht des Wassers im Stausee zu minimieren, gehe es zuerst darum, die Ressourcen der Betroffenen zu stabilisieren, indem sie eine sichere Beziehung zu Therapeuten oder Fachpersonen aufbauen können, die sie dabei unterstützen. So soll es den Müttern gelingen, zunächst ihren Alltag zu bewältigen und dann Schritt für Schritt Raum zu schaffen, um Stress abzubauen. Der erste Schritt sei oft der schwierigste und auch der wichtigste: die Entscheidung, das Erlebte zu verarbeiten und sich Hilfe zu suchen. Sei es durch ein Gespräch mit einer Vertrauten, durch das Kontaktieren einer Therapeutin oder kompetenten Hebamme. Denn im Fall eines Traumas brauchen Betroffene professionelle Hilfe.

Das Ziel einer Therapie ist es dann, dass die Mutter das Geburtsgeschehen in die eigene Biografie integrieren kann. Dass sie die Geschehnisse verstehen und nachvollziehen kann. Dass sie einordnen kann, was passiert ist und sie sich damit versöhnt. Dass die Geburt Teil ihres Lebens wird und dass das okay für sie ist. So findet sie wieder Kontrolle über ihre Gefühle. Die Angst vor der erneuten Überflutung treibt immer weiter weg.

Für eine weitere Geburt kann das bedeuten, dass eine betroffene Frau mehr Informationen einfordert. Genau so hat es Eva Sofia erlebt. Sie wollte selbst Entscheidungen treffen, gut informiert sein und in den Geburtsverlauf miteinbezogen werden. Das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit durch vertraute Beziehungen – und durch den Glauben an einen liebevollen, versorgenden Gott – ist dabei ein wichtiger Schlüssel.

Sarah-Maria Graber ist Journalistin, Mutter von drei Kindern und lebt in Bern.

Trotz Jobverlust weiter als Team unterwegs

Wenn ein Mensch den Arbeitsplatz verliert, kann das die Existenz bedrohen und die Psyche belasten. Auch die Paarbeziehung kann darunter leiden. Ein Ehepaar und eine Paartherapeutin berichten, wie Paare solche Krisen meistern können.

Genau zu der Zeit, als Anne nach längerem Hoffen endlich wieder schwanger wurde, verlor ihr Mann Markus zum zweiten Mal seine Arbeitsstelle. Das brachte Unsicherheit und Existenzsorgen in die Beziehung. Bereits bei der ersten Kündigung war es für Anne als Freiberuflerin schwierig, finanziell nicht so stark wie erwartet auf Markus bauen zu können: „Ich war selbstständig und wollte mich gern finanziell auf sein Einkommen verlassen. Das stellte für mich auch einen Konflikt in der Rollenverteilung dar, und ich konnte nicht so frei sein, mich erst mal auszuprobieren, sondern musste gleich Geld verdienen“, erinnert sich Anne. Nach einiger Zeit kamen bei ihr Frust und Vorwürfe auf und die Fragen, ob ihr Mann wirklich sein Bestes gibt und überhaupt für die Arbeitswelt gemacht ist.

Auch bei Markus entstanden Selbstzweifel. Doch es war beiden wichtig, all diese Emotionen zuzulassen. Sie überlegten als Paar gemeinsam mit Hilfe eines Berufungsbuches, wie es weitergehen kann und wo sie sich in ihren Fähigkeiten noch mehr unterstützen können. „Das hat Markus geholfen, sich zu reflektieren, und mir, die Potenziale in ihm zu sehen, und unseren Teamgeist geweckt“, sagt Anne. Außerdem zeigte ihnen diese Krise neu, dass vieles von Gott abhängig ist, und führte sie wieder zu mehr gemeinsamem Gebet. Dadurch konnten sie Gottes Versorgung erfahren und ihre Hoffnung auf ihn setzen. „Ich habe neu gelernt, Krisenzeiten erst mal so anzunehmen, wie sie sind, und nicht gleich in Aktivismus zu verfallen, sondern wirklich zu vertrauen und geduldig zu sein mit meinem Partner. Letztlich sind wir als Team unterwegs und keiner ist besser als der andere, nur weil er mehr verdient“, resümiert Anne.

Durch die Krise wurden beide reflektierter für die eigenen Schwächen, den eigenen (Arbeits-)Anteil an der Beziehung, aber auch die Erfolge des anderen. Ihre Erfahrungen geben Anne und Markus auch gern an andere weiter. „Als Paar ist es schön, wenn man gemeinsam sowas überwunden hat und davon auch erzählen und zuversichtlich sein kann, dass Gott einen durchträgt“, fasst Anne zusammen.

Zusammen Neues wagen

Paartherapeutin Diana Muschiol hat schon einige Paare in existenzbedrohlichen Krisen begleitet. „Für viele Menschen ist die Berufstätigkeit mit dem eigenen Selbstwert verknüpft, gibt Sinn und Identität“, sagt sie. Fällt die Arbeitstätigkeit weg, entsteht oft eine Leere. Dann ist es wichtig, sich bewusst auf Neues einzulassen, um wieder Sinn zu finden. Berufungsbücher wie bei Anne und Markus können hilfreich dabei sein.

Mit dem Jobverlust einhergehende Gefühle wie Scham, Schuld, Minderwertigkeitsgefühle oder Selbstzweifel können gefährlich sein. „Das sind unangenehme Gefühle, die meist einen Rückzug bedeuten, ein innerliches Dichtmachen, wenn man diese Gefühle nicht fühlen und schon gar nicht irgendjemandem zeigen will. Dadurch sind aber Distanz und Entfremdung in der Partnerschaft vorprogrammiert“, weiß Muschiol. Auch die möglicherweise veränderten Rollen in der Familie und dadurch vielleicht ungewohnte Aufgaben können das Gefühl von Unfähigkeit verstärken. Der Alltag muss eventuell neu organisiert, Aufgaben neu verteilt werden. Alle Gefühle zuzulassen und ehrlich miteinander zu kommunizieren, ist deshalb sehr wichtig! Statt sorgenvoll zu verzweifeln, sollte man die Situation erst mal akzeptieren. Und dann als Paar gemeinsam umdenken, flexibel nach Lösungen und Ideen suchen und diese umsetzen. Der Fokus sollte dabei auf dem vorhandenen Guten in der Beziehung sowie den Ressourcen jedes Einzelnen, als Paar und auch im sozialen Umfeld liegen. Von diesem Punkt aus kann man sich gemeinsam neue Ziele setzen und daran arbeiten, sie zu erreichen. So wie Markus und Anne, die sich mittlerweile freuen dürfen, dass Markus erfolgreich einen neuen Job gefunden hat.

Interview mit Paartherapeutin Diana Muschiol

Was kann Paaren helfen, schwierige Zeiten gemeinsam durchzustehen?
Allein die Paarbeziehung an sich hilft schon, Krisen zu meistern. Gott hat uns nicht ohne Grund als Beziehungswesen geschaffen. Zahlreiche Studien zeigen, dass eine zufriedene und glückliche Beziehung gesund hält und uns auch befähigt, mit Herausforderungen und Schmerz besser umzugehen. Daher ist ein sehr wichtiger Faktor für Paare in Krisenzeiten, an ihrer Beziehung festzuhalten und diese weiter auszubauen.

Zusätzlich ist ein offener und ehrlicher Austausch miteinander sehr hilfreich, zum Beispiel darüber, was an der Krise Sorgen oder Angst bereitet. Und das mit der Bereitschaft, das Gegenüber wirklich verstehen zu wollen. Wenn wir selbst in Not sind oder unbedingt verstanden werden wollen, verlieren wir manchmal das „Wir“ aus den Augen. Da sind echtes Interesse und Empathie sehr hilfreich. Auch eine vorsichtige Nachfrage oder ein Gesprächsangebot, wenn der Partner sorgenvoll scheint, ist eine gute Möglichkeit.

Gibt es überhaupt so etwas wie eine Patentlösung für die Bewältigung von Krisen als Paar?
Wenn überhaupt, dann würde ich sagen, ist es eine glückliche, zufriedenstellende Beziehung, in der sich beide verbunden fühlen, angenommen sind und die Zuversicht haben, das gemeinsam durchzustehen. Eine Beziehung, in der sie sich emotional und körperlich erreichen, sich aufeinander verlassen können, sich auf emotionaler Ebene mitteilen und dann auch wohlwollend auf das Gehörte und Wahrgenommene reagieren.

Kann man von einer Paar-Resilienz sprechen oder ist Krisenbewältigung in erster Linie Sache jedes einzelnen Partners?
Beides. Eine gemeinschaftliche Bewältigung ist hilfreicher als die alleinige. Und wenn ein Partner in der Beziehung eine Krise oder Not erlebt, hat das direkte Auswirkungen auf den anderen oder die andere. Aber es braucht den eigenen Beitrag. Man kann sich nicht ausschließlich darauf verlassen, dass das Gegenüber einem die Bewältigung abnimmt. Man darf seinen eigenen Beitrag dazu leisten, sollte aber auch Unterstützung annehmen. Dafür ist es erforderlich, sich selbst verletzlich zu zeigen. Das bedeutet, die eigenen Gefühle mitzuteilen: Sorgen, Ängste, Unzufriedenheit, Probleme und auch Sehnsüchte, Hoffnungen und Wünsche. Wir können nicht davon ausgehen, dass unser Gegenüber weiß, wie es in uns aussieht, wenn wir es nicht zeigen.

Was verändert sich aus Ihrer Sicht an einer Beziehung, wenn Paare gemeinsam Krisen bewältigen?
Das gemeinsame Bewältigen von Krisen kann viele Ressourcen in einem Paar hervorbringen. Oft wachsen der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung. Aber auch Verbundenheit, Vertrauen, Intimität und Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln sich weiter und verfestigen sich. Durch das Erleben, schon einmal eine Krise gemeistert zu haben, entstehen auch Hoffnung und Zuversicht, kommende Krisen ebenfalls zu bewältigen. Hoffnung ist ein weiterer wichtiger Aspekt von Resilienz. Und je mehr wir Menschen Resilienz erleben, desto mehr baut sie sich auf. Durch das gemeinsame Bewältigen von Anforderungen entwickelt sich Selbstwirksamkeit bei jedem Einzelnen und auch die des Paares. Was wiederum genutzt werden kann, für andere Impulsgeber und Vorbild zu sein.

Lisa-Maria Mehrkens ist freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

 

TIPPS VON BETROFFENEN UND PAARTHERAPEUTIN DIANA MUSCHIOL ZUR BEWÄLTIGUNG VON KRISEN IN DER PARTNERSCHAFT:

  • die Partnerschaft priorisieren, Zusammengehörigkeitsgefühl stärken, zum Beispiel durch Auszeiten zu zweit
  • im Alltag immer wieder Verbindung zueinander schaffen durch eine Umarmung, ein Lächeln, einen Kuss oder liebe Worte
  • bewusst den Fokus darauf setzen, was gut läuft
  • sich bewusst dafür entscheiden, zusammenzubleiben und miteinander durch die Krise zu gehen
  • sich durch praktische Unterstützung im Alltag gegenseitig Freiräume schaffen, um einzeln Bedürfnissen nachzugehen und Auszeiten zu nehmen

Kommunikation ist alles

  • ein Grundlevel an Kommunikation aufrechterhalten, zum Beispiel durch kurze Spaziergänge
  • offen und ehrlich Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse teilen
  • sich in den Partner einfühlen, gegenseitig ungeteilte Aufmerksamkeit und echtes Interesse schenken
  • sich um gegenseitige Akzeptanz und Verstehen bemühen
  • dem Partner andere Bedürfnisse und Verarbeitungsstrategien zugestehen
  • gemeinsam als Paar vor Gott kommen in Gebet, Lobpreis, Abendmahl
  • bei Bedarf seelsorgerliche, therapeutische oder praktische Unterstützung annehmen
  • negative Gedanken und Gefühle zulassen und aussprechen, sich aber nicht davon beherrschen lassen
  • Krisen nicht „vergeuden“, sondern als zum Leben dazugehörende Chance für etwas Neues und Gutes sehen und sie, wenn möglich, aktiv gestalten

Hilfreiche Fragen

  • Was ist in dieser Situation oder in diesem Moment der Krise unser langfristiges Ziel? Wie können wir dahingehend unsere Energie und Zeit nutzen?
  • Was brauchen wir gerade in der Krise: eher aktive Lösungsschritte oder eine Stärkung unserer emotionalen partnerschaftlichen Verbindung?

Gefangen in ungesunden Mustern

Bei manchen Streitpunkten kommen Paare nicht weiter und Konflikte vertiefen sich. Dann ist eine neue Perspektive nötig.

Raphael ist schleierhaft, was eigentlich Katrins Problem ist. Er weiß nur, dass sie „zu emotional“ und „sehr vorwurfsvoll“ ist. Er sagt: „Ich bemühe mich, ein guter Partner zu sein, und es ist wohl nicht mein Fehler, dass ich nun mal kein gefühlsbetonter Mensch bin.“ Katrin fällt ihm ins Wort: „Ein Stein bist du!“ Raphael schweigt. Deshalb macht Katrin weiter: „Dir geht es nur darum, wie wir unsere Beziehung am besten um deine Arbeit herumorganisieren können. Du warst nicht einmal da für mich, als meine Mutter gestorben ist.“

Raphael zuckt mit den Schultern und blickt starr an die Wand. Katrins Botschaft ist dringend, aber sie kommt bei Raphael nicht an. In seinen Augen macht sie einfach wieder mal ein furchtbares Theater.

Die Verbindung halten

Wenn die Verbindung zum Gegenüber in Gefahr ist, ist das sehr bedrohlich. Diese Bedrohung führt bei Katrin dazu, dass sie Vorwürfe macht. Sie reagiert emotional und will von Raphael eine Reaktion sehen. Ihre Angriffe sind ein Ausdruck ihres Wunsches nach Nähe. Sie will spüren, dass er noch hier ist.

Raphael hat auch Angst, dass ihre Beziehung in die Brüche geht. Nur reagiert er ganz anders. Er spielt alles runter und versucht, die Wogen zu glätten. Er will rationale Lösungen für ihre Probleme finden und die Gespräche in geordneten Bahnen halten. Um sich vor Katrins Angriffen zu schützen, geht er auf Distanz.

Das führt zu einem Teufelskreis. Katrin greift an, um eine Verbindung herzustellen. Raphael geht in Deckung und zieht sich zurück. Deshalb spürt ihn Katrin noch weniger und macht noch aggressivere Vorwürfe, was aber wiederum dazu führt, dass er sich noch mehr distanziert. So geht das immer weiter. Sie sitzen in dieser Abwärtsspirale fest.

Gemeinsam statt gegeneinander

Beide haben das gleiche Ziel: Sie wollen Nähe herstellen und ihre Beziehung stärken. Doch ihre Strategien sind kontraproduktiv. Um aussteigen zu können, müssen sie dieses Muster durchschauen. So können sie sich entscheiden, gemeinsam gegen die negative Dynamik zu kämpfen. Wenn sie diesen gemeinsamen Feind haben, kann es ihnen gelingen, sich verletzlich zu zeigen und über ihre Gefühle und ihren Wunsch nach Nähe zu sprechen.

Vielleicht gelingt Katrin dann ein sanfterer Einstieg: „Ich weiß nicht, ob du für mich da bist, wenn ich dich brauche. Ich liebe dich und ich mache mir Sorgen um unsere Beziehung.“

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter www.familylife.ch/five