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Mein Begehren – dein Begehren

Wenn Ehepartner unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Lust haben, kann das die Beziehung sehr belasten. Was hilft, damit die Lust nicht zum Frust wird? Von Susanne und Marcus Mockler

„Wie oft habt ihr beide Sex?“ Als uns in einer anonymen Fragerunde bei einem Eheseminar diese Frage gestellt wurde, waren wir uns einig: Darauf geben wir keine konkrete Antwort! Garantiert keine Zahl – denn wem sollte das helfen? Anders Martin Luther, der einst frei heraus den Ratschlag gab: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Doch wir glauben, dass Sexualität sich nicht so verallgemeinern lässt. Es gibt kein Richtig oder Falsch in Praktiken oder Häufigkeit. Entscheidend ist, wie es beiden damit geht. Viel wichtiger als die genaue Zahl der Sexualkontakte ist die Qualität der Paarbeziehung. Allerdings bedingt sich beides oft: Paare, die in Befragungen eine hohe Beziehungszufriedenheit angeben, haben in der Regel häufiger Sex als Paare, die insgesamt unzufrieden sind.

Unzufriedenheit und Konflikte

Das Problem kennt fast jedes Paar: unterschiedliches sexuelles Verlangen und verschiedene Vorstellungen darüber, was eine angemessene Frequenz für Intimverkehr sei. Tendenziell beobachten wir mehr Interesse an Sex bei Männern. Das variiert aber von Paar zu Paar. Immer häufiger sind es auch Frauen, die sich mehr intime Aktivitäten erhoffen, während ihre Partner sich zurückziehen. Die Gründe sind vielfältig: Stress, Erschöpfung, medizinische Probleme, hormonelle Schwankungen, traumatische Vorerfahrungen, psychische Erkrankungen, häufiger Pornokonsum. Oft ist es eine Störung der Beziehungsdynamik insgesamt, Unzufriedenheit über die Qualität des gemeinsamen Lebens und mit dem gegenseitigen Umgang, die einem (oder beiden) die Lust rauben.

Die Kluft im sexuellen Begehren führt zu Unzufriedenheit und Konflikten. Schließlich ist Sexualität ein starker Motor und Teil der Identität. Wer immer wieder im Bett abgewiesen wird, entwickelt Frustgefühle und fühlt sich manchmal sogar persönlich abgewertet. Allerdings gerät auch die Person, die weniger Lust hat, unter Druck. Viele plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht auf das Drängen des anderen eingehen. Sie fühlen sich möglicherweise auf ihren Körper reduziert und als Ehepartner ungenügend. Wenn dann Sex regelrecht eingefordert oder einzig aus Angst vor Ablehnung ertragen wird, hilft das der Liebe auf keiner Seite weiter.

Was sind gute Strategien, um mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen?

Offen über Sex reden

Wer Probleme mit der Sexualität hat, sollte darüber reden, und zwar offen und mit der ehrlichen Absicht, die Sicht des anderen zu hören und zu verstehen. Vielen ist das Thema unangenehm und sie ziehen sich zurück oder attackieren einander auf anderen Ebenen. So halten sie den anderen auf Abstand, um sich dem eigentlichen Problem nicht mehr stellen zu müssen. Das verfestigt aber den Keil zwischen beiden.

Ein ehrliches Gespräch über unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse und sexuelle Gefühle hilft, einander wieder näherzukommen und möglicherweise auch die Gründe hinter der starken Lust oder Lustlosigkeit zu entdecken. Dabei ist wichtig: Man darf den anderen nicht angreifen oder Vorwürfe machen, sondern sollte ausschließlich die eigenen Gefühle und Erwartungen beschreiben. Währenddessen sollte der Partner einfühlsam und interessiert zuhören. Nicht selten führt allein schon diese offene Kommunikation dazu, dass sich etwas in der Paardynamik bewegt und sich Lösungen, mit denen beide gut leben können, finden lassen.

Forschungen weisen sogar darauf hin, dass Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, auf den Partner einzugehen, sexuelles Verlangen fördern können.

Wichtig ist, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt und geliebt fühlt: „Auch wenn du meine Sehnsüchte gerade nicht befriedigen kannst, liebe und achte ich dich.“ „Auch wenn mir deine sexuelle Energie manchmal zu heftig ist, glaube ich dir, dass du mich als Person liebst und es dir nicht nur ums Körperliche geht. Ich respektiere deine größere Lust und kann sie als Ausdruck deiner Leidenschaft für mich annehmen.“ „‚Nein, nicht heute‘ bedeutet nicht, dass ich dich nicht liebe. Es liegt nicht an deiner Attraktivität und deinem Wert.“

Zugegeben, das klingt idyllisch und manchmal ist es ein schmerzlicher Weg, bis Paare dahin kommen. Einige schaffen es nicht ohne therapeutische Hilfe. Die Moderation einer dritten Person und der neutrale, wohlwollende Blick von außen können hilfreich sein, um gute Lösungen zu finden.

Sex ist nicht alles

Wie steht es um die Paarbeziehung insgesamt? Paare, die Probleme im sexuellen Bereich haben, sollten viel Zeit in andere Aktivitäten investieren, die beiden guttun: gemeinsame Hobbys, Ausflüge, ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten. Wer auf dem sexuellen Pfad so gar nicht weiterkommt, muss Druck rausnehmen. Es hilft nicht, wenn einer dem anderen permanent ein schlechtes Gewissen macht. Vielleicht ist es für den sehr bedürftigen Partner auch dran, Selbstbeherrschung zu lernen und sich bei der geliebten Person weniger auf den Körper als vielmehr auf die inneren Werte zu konzentrieren.

Manche Paare gehen einander regelrecht aus dem Weg, um ja nicht in die Situation zu geraten, nach Sex gefragt zu werden. Da kann es helfen, zu vereinbaren, das Thema für eine gewisse Zeit ganz ruhen zu lassen und sich stattdessen bewusst auf andere Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Manche brauchen diese Sicherheit, um wieder vertrauen zu können.

Gott um Hilfe bitten

Einige Christen tun sich schwer, Gott in das Thema Sexualität einzubeziehen. Aber auch so eine „fleischliche Angelegenheit“ wie sexuelle Unzufriedenheit ist etwas, womit man sich direkt an den Schöpfer wenden darf. Immerhin war das seine Idee! Wer sonst wüsste am besten, welche Wege einem Paar zu mehr Freiheit und Zufriedenheit verhelfen könnten? Wer leidet, sollte Gott um Hilfe bitten. Am besten gemeinsam, laut und im Vertrauen, dass er Wege kennt, wo wir noch keinen Ausweg sehen. Aber auch das persönliche Gebet wird nicht unerhört bleiben.

Die Lust auf Sex anregen

Oft leidet der Partner mit geringerer Libido darunter und würde eigentlich dem anderen zuliebe, aber auch für sich selbst gerne mehr sexuelle Intensität entwickeln. Die Forschung sagt: Menschen, die öfter Sex haben, empfinden auch ein höheres Maß an Lust auf Sex und wollen öfter intim werden. Ist Sex eine gute Erfahrung, möchte man sie häufiger machen.

Insofern könnten Partner, die eine geringere Libido haben, versuchen, sich in Stimmung zu versetzen. Eine Frau kann sich gedanklich auf Lust programmieren, indem sie im Lauf des Tages immer wieder bewusst ihre Geschlechtsorgane wahrnimmt, den Beckenboden durch Anspannen trainiert, hübsche Unterwäsche trägt, in der sie sich schön fühlt. Angenehme erotische Anspielungen des Partners, schmeichelnde Bemerkungen und zärtliche Berührungen im Alltag können luststeigernd wirken. Manchen hilft es, Termine für Sex zu setzen. Was für manche befremdlich klingt, hilft anderen, weil sie sich kontrolliert auf diese Paarzeit vorbereiten und intensiv darauf einstellen können.

Sich auf die unterschiedlichen Empfindungen einlassen

Es klingt ein bisschen verrückt, aber tatsächlich: Der Appetit kommt mit dem Essen. Befriedigender, lustvoller und erfüllender Sex steigert die Lust auf Wiederholung. Enttäuschende Erfahrungen beim körperlichen Zusammensein haben gegenteilige Wirkung. Das heißt auch: Der Partner mit der stärkeren Lusterfahrung sollte intensiver danach fragen, wie Sex für den anderen zu einem beglückenderen Erlebnis werden könnte.

Vor allem Frauen haben oft nicht spontan Lust auf Sex, können aber durch liebevolles Werben des Partners und durch erotische Berührungen, die sie mögen, dafür gewonnen werden. Hier ist Kommunikation besonders wichtig! Viele Partner wissen nämlich gar nicht, was sich für den anderen tatsächlich gut anfühlt und was der andere erotisch findet. Auch ändert sich das im Verlauf des Zyklus einer Frau stark. Während zum Beispiel in einem Stadium die Berührung der Brustwarzen elektrisiert, kann es an anderen Tagen wehtun und abschrecken. Ein bisschen ist Sex eben wie ein Tanz: Einer fordert auf, der andere lässt sich ein, beide finden in den Rhythmus und erst nach einigen Takten ist die Harmonie hergestellt.

Kompromisse aushandeln

Wenn die Erwartungen an die Häufigkeit der sexuellen Begegnungen stark abweicht, können Paare versuchen, Kompromisse auszuhandeln. Vielleicht hätte er gerne am liebsten täglich Sex, während ihr alle zwei Wochen vollkommen ausreichen. Wie wäre es, wenn die beiden sich zum Beispiel auf einmal pro Woche einigen? Dann sind die Parameter klar und beide können sich darauf einstellen und diese Begegnungen bewusst gestalten.

Sicher wird es nicht für alle die vollkommen zufriedenstellende Lösung geben. Einige körperliche oder hormonelle Ursachen sind zwar medikamentös behandelbar, aber manchmal kommt die Medizin an ihre Grenzen. Nebenwirkungen von Medikamenten hemmen teilweise die Lust und machen es schwer bis unmöglich, sexuelle Leidenschaft zu entwickeln. Auch psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen können nicht einfach durch einfühlsame Kommunikation überwunden werden.

Aber auch solche Paare können Wege finden, wie sie einander dennoch nah bleiben: Zärtlichkeiten müssen nicht immer im Beischlaf enden, sorgen aber für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen und stärken damit das Wohlbefinden. Alternative Formen von Intimität ohne Penetration können helfen, dass der lustbetonte Partner trotzdem auf seine Kosten kommt.

Marcus und Susanne Mockler – er ist Journalist, sie ist Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland.

Ich will mehr Sex! – So finden Paare einen gemeinsamen Weg

Wenn Liebespaare unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Lust haben, kann das die Beziehung sehr belasten. Was hilft, damit die Lust nicht zum Frust wird?

„Wie oft habt ihr beide Sex?“ Als uns in einer anonymen Fragerunde bei einem Eheseminar diese Frage gestellt wurde, waren wir uns einig: Darauf geben wir keine konkrete Antwort! Garantiert keine Zahl – denn wem sollte das helfen? Anders Martin Luther, der einst frei heraus den Ratschlag gab: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Doch wir glauben, dass Sexualität sich nicht so verallgemeinern lässt. Es gibt kein Richtig oder Falsch in Praktiken oder Häufigkeit. Entscheidend ist, wie es beiden damit geht. Viel wichtiger als die genaue Zahl der Sexualkontakte ist die Qualität der Paarbeziehung. Allerdings bedingt sich beides oft: Paare, die in Befragungen eine hohe Beziehungszufriedenheit angeben, haben in der Regel häufiger Sex als Paare, die insgesamt unzufrieden sind.

Unzufriedenheit und Konflikte

Das Problem kennt fast jedes Paar: unterschiedliches sexuelles Verlangen und verschiedene Vorstellungen darüber, was eine angemessene Frequenz für Intimverkehr sei. Tendenziell beobachten wir mehr Interesse an Sex bei Männern. Das variiert aber von Paar zu Paar. Immer häufiger sind es auch Frauen, die sich mehr intime Aktivitäten erhoffen, während ihre Partner sich zurückziehen. Die Gründe sind vielfältig: Stress, Erschöpfung, medizinische Probleme, hormonelle Schwankungen, traumatische Vorerfahrungen, psychische Erkrankungen, häufiger Pornokonsum. Oft ist es eine Störung der Beziehungsdynamik insgesamt, Unzufriedenheit über die Qualität des gemeinsamen Lebens und mit dem gegenseitigen Umgang, die einem (oder beiden) die Lust rauben.

Die Kluft im sexuellen Begehren führt zu Unzufriedenheit und Konflikten. Schließlich ist Sexualität ein starker Motor und Teil der Identität. Wer immer wieder im Bett abgewiesen wird, entwickelt Frustgefühle und fühlt sich manchmal sogar persönlich abgewertet. Allerdings gerät auch die Person, die weniger Lust hat, unter Druck. Viele plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht auf das Drängen des anderen eingehen. Sie fühlen sich möglicherweise auf ihren Körper reduziert und als Ehepartner ungenügend. Wenn dann Sex regelrecht eingefordert oder einzig aus Angst vor Ablehnung ertragen wird, hilft das der Liebe auf keiner Seite weiter.

Was sind gute Strategien, um mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen?

Offen über Sex reden

Wer Probleme mit der Sexualität hat, sollte darüber reden, und zwar offen und mit der ehrlichen Absicht, die Sicht des anderen zu hören und zu verstehen. Vielen ist das Thema unangenehm und sie ziehen sich zurück oder attackieren einander auf anderen Ebenen. So halten sie den anderen auf Abstand, um sich dem eigentlichen Problem nicht mehr stellen zu müssen. Das verfestigt aber den Keil zwischen beiden.

Ein ehrliches Gespräch über unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse und sexuelle Gefühle hilft, einander wieder näherzukommen und möglicherweise auch die Gründe hinter der starken Lust oder Lustlosigkeit zu entdecken. Dabei ist wichtig: Man darf den anderen nicht angreifen oder Vorwürfe machen, sondern sollte ausschließlich die eigenen Gefühle und Erwartungen beschreiben. Währenddessen sollte der Partner einfühlsam und interessiert zuhören. Nicht selten führt allein schon diese offene Kommunikation dazu, dass sich etwas in der Paardynamik bewegt und sich Lösungen, mit denen beide gut leben können, finden lassen.

Forschungen weisen sogar darauf hin, dass Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, auf den Partner einzugehen, sexuelles Verlangen fördern können.

Wichtig ist, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt und geliebt fühlt: „Auch wenn du meine Sehnsüchte gerade nicht befriedigen kannst, liebe und achte ich dich.“ „Auch wenn mir deine sexuelle Energie manchmal zu heftig ist, glaube ich dir, dass du mich als Person liebst und es dir nicht nur ums Körperliche geht. Ich respektiere deine größere Lust und kann sie als Ausdruck deiner Leidenschaft für mich annehmen.“ „‚Nein, nicht heute‘ bedeutet nicht, dass ich dich nicht liebe. Es liegt nicht an deiner Attraktivität und deinem Wert.“

Zugegeben, das klingt idyllisch und manchmal ist es ein schmerzlicher Weg, bis Paare dahin kommen. Einige schaffen es nicht ohne therapeutische Hilfe. Die Moderation einer dritten Person und der neutrale, wohlwollende Blick von außen können hilfreich sein, um gute Lösungen zu finden.

Sex ist nicht alles

Wie steht es um die Paarbeziehung insgesamt? Paare, die Probleme im sexuellen Bereich haben, sollten viel Zeit in andere Aktivitäten investieren, die beiden guttun: gemeinsame Hobbys, Ausflüge, ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten. Wer auf dem sexuellen Pfad so gar nicht weiterkommt, muss Druck rausnehmen. Es hilft nicht, wenn einer dem anderen permanent ein schlechtes Gewissen macht. Vielleicht ist es für den sehr bedürftigen Partner auch dran, Selbstbeherrschung zu lernen und sich bei der geliebten Person weniger auf den Körper als vielmehr auf die inneren Werte zu konzentrieren.

Manche Paare gehen einander regelrecht aus dem Weg, um ja nicht in die Situation zu geraten, nach Sex gefragt zu werden. Da kann es helfen, zu vereinbaren, das Thema für eine gewisse Zeit ganz ruhen zu lassen und sich stattdessen bewusst auf andere Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Manche brauchen diese Sicherheit, um wieder vertrauen zu können.

Die Lust auf Sex anregen

Oft leidet der Partner mit geringerer Libido darunter und würde eigentlich dem anderen zuliebe, aber auch für sich selbst gerne mehr sexuelle Intensität entwickeln. Die Forschung sagt: Menschen, die öfter Sex haben, empfinden auch ein höheres Maß an Lust auf Sex und wollen öfter intim werden. Ist Sex eine gute Erfahrung, möchte man sie häufiger machen.

Insofern könnten Partner, die eine geringere Libido haben, versuchen, sich in Stimmung zu versetzen. Eine Frau kann sich gedanklich auf Lust programmieren, indem sie im Lauf des Tages immer wieder bewusst ihre Geschlechtsorgane wahrnimmt, den Beckenboden durch Anspannen trainiert, hübsche Unterwäsche trägt, in der sie sich schön fühlt. Angenehme erotische Anspielungen des Partners, schmeichelnde Bemerkungen und zärtliche Berührungen im Alltag können luststeigernd wirken. Manchen hilft es, Termine für Sex zu setzen. Was für manche befremdlich klingt, hilft anderen, weil sie sich kontrolliert auf diese Paarzeit vorbereiten und intensiv darauf einstellen können.

Sich auf die unterschiedlichen Empfindungen einlassen

Es klingt ein bisschen verrückt, aber tatsächlich: Der Appetit kommt mit dem Essen. Befriedigender, lustvoller und erfüllender Sex steigert die Lust auf Wiederholung. Enttäuschende Erfahrungen beim körperlichen Zusammensein haben gegenteilige Wirkung. Das heißt auch: Der Partner mit der stärkeren Lusterfahrung sollte intensiver danach fragen, wie Sex für den anderen zu einem beglückenderen Erlebnis werden könnte.

Vor allem Frauen haben oft nicht spontan Lust auf Sex, können aber durch liebevolles Werben des Partners und durch erotische Berührungen, die sie mögen, dafür gewonnen werden. Hier ist Kommunikation besonders wichtig! Viele Partner wissen nämlich gar nicht, was sich für den anderen tatsächlich gut anfühlt und was der andere erotisch findet. Auch ändert sich das im Verlauf des Zyklus einer Frau stark. Während zum Beispiel in einem Stadium die Berührung der Brustwarzen elektrisiert, kann es an anderen Tagen wehtun und abschrecken. Ein bisschen ist Sex eben wie ein Tanz: Einer fordert auf, der andere lässt sich ein, beide finden in den Rhythmus und erst nach einigen Takten ist die Harmonie hergestellt.

Kompromisse aushandeln

Wenn die Erwartungen an die Häufigkeit der sexuellen Begegnungen stark abweicht, können Paare versuchen, Kompromisse auszuhandeln. Vielleicht hätte er gerne am liebsten täglich Sex, während ihr alle zwei Wochen vollkommen ausreichen. Wie wäre es, wenn die beiden sich zum Beispiel auf einmal pro Woche einigen? Dann sind die Parameter klar und beide können sich darauf einstellen und diese Begegnungen bewusst gestalten.

Sicher wird es nicht für alle die vollkommen zufriedenstellende Lösung geben. Einige körperliche oder hormonelle Ursachen sind zwar medikamentös behandelbar, aber manchmal kommt die Medizin an ihre Grenzen. Nebenwirkungen von Medikamenten hemmen teilweise die Lust und machen es schwer bis unmöglich, sexuelle Leidenschaft zu entwickeln. Auch psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen können nicht einfach durch einfühlsame Kommunikation überwunden werden.

Aber auch solche Paare können Wege finden, wie sie einander dennoch nah bleiben: Zärtlichkeiten müssen nicht immer im Beischlaf enden, sorgen aber für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen und stärken damit das Wohlbefinden. Alternative Formen von Intimität ohne Penetration können helfen, dass der lustbetonte Partner trotzdem auf seine Kosten kommt.

Marcus und Susanne Mockler – er ist Journalist, sie ist Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland.

Sex mit angezogener Handbremse?

Wenn ein Paar miteinander intim wird, machen sich beide Partner verletzlich. Fehlende Offenheit kann guten Sex hemmen.

Florian geht beim Sex gerne auf die Wünsche seiner Frau Vanessa ein. Seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche stellt er nicht in den Vordergrund. Es kommt so gut wie nie vor, dass er sagt, was er gerne möchte. Stattdessen fragt er jeweils Vanessa, wie sie es gerne hätte. Und wenn sie ihn fragt, was ihm gefallen würde, antwortet er: „Ich kann mir alles vorstellen. Was willst du?“

Ein selbstloser Liebhaber?

Es scheint, als wäre Florian ein ausgesprochen selbstloser Liebhaber. Er stellt die Bedürfnisse seiner Frau über seine eigenen. Trotzdem sind Vanessa und Florian nicht so recht zufrieden mit ihrer Sexualität. Irgendwie ist es nicht der heiße Sex voller Leidenschaft und tiefer Verbundenheit, den sie sich wünschen.

Könnte es sein, dass das auch an Florians vermeintlicher Selbstlosigkeit liegt? Dass sein Verhalten nur ein als Selbstlosigkeit getarnter Selbstschutz ist? Dass es ihm eigentlich gar nicht darum geht, auf die Wünsche seiner Frau einzugehen, sondern viel eher darum, sich selbst nicht mit einem Vorschlag zu exponieren?

Wer offen sagt, was er oder sie im Bett will, riskiert, zurückgewiesen zu werden. Er bietet Angriffsfläche und macht sich verletzbar. Florian will das verhindern und überlässt deshalb Vanessa die Initiative. Er schützt sich, indem er nicht zu viel von sich preisgibt und sich nicht ganz zeigt.

Sag, was du dir wünschst!

Florians Verhalten gibt den Ton für den weiteren Verlauf der sexuellen Begegnung an. Auch Vanessa wird zurückhaltend sein und sich nicht exponieren. Der Sex wird sich auf dieser Ebene von viel Selbstschutz und wenig Selbstpreisgabe abspielen. Es ist Sex mit angezogener Handbremse.

Damit richtig guter Sex entstehen kann, braucht es Nähe und Intimität. Das entsteht, wenn wir etwas von uns preisgeben. Wenn wir den anderen an uns heran und unsere Schutzmauern fallen lassen. Wenn wir uns zeigen und uns dem anderen zumuten, so wie wir sind.

Florian hat erkannt, dass seine Selbstlosigkeit nur eine Tarnung ist. Er trainiert nun, seine Wünsche beim Sex einzubringen. Dabei ist sein Glaube eine wertvolle Ressource. Er glaubt an einen Gott, der ihn liebt, so wie er ist. Das gibt ihm die Sicherheit und das Rückgrat, um sich beim Liebesspiel mit Vanessa zu exponieren und verletzbar zu machen. Auf dieser Grundlage kann echte Nähe und Verbundenheit entstehen. Davon wird auch Vanessa profitieren – mehr als von einem Mann, der sich im Bett ausschließlich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Sex mit angezogener Handbremse? – So klappt es mit echter Verbundenheit

Wenn ein Paar miteinander intim wird, machen sich beide Partner verletzlich. Fehlende Offenheit kann guten Sex hemmen.

Florian geht beim Sex gerne auf die Wünsche seiner Frau Vanessa ein. Seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche stellt er nicht in den Vordergrund. Es kommt so gut wie nie vor, dass er sagt, was er gerne möchte. Stattdessen fragt er jeweils Vanessa, wie sie es gerne hätte. Und wenn sie ihn fragt, was ihm gefallen würde, antwortet er: „Ich kann mir alles vorstellen. Was willst du?“

Ein selbstloser Liebhaber?

Es scheint, als wäre Florian ein ausgesprochen selbstloser Liebhaber. Er stellt die Bedürfnisse seiner Frau über seine eigenen. Trotzdem sind Vanessa und Florian nicht so recht zufrieden mit ihrer Sexualität. Irgendwie ist es nicht der heiße Sex voller Leidenschaft und tiefer Verbundenheit, den sie sich wünschen.

Könnte es sein, dass das auch an Florians vermeintlicher Selbstlosigkeit liegt? Dass sein Verhalten nur ein als Selbstlosigkeit getarnter Selbstschutz ist? Dass es ihm eigentlich gar nicht darum geht, auf die Wünsche seiner Frau einzugehen, sondern viel eher darum, sich selbst nicht mit einem Vorschlag zu exponieren?

Wer offen sagt, was er oder sie im Bett will, riskiert, zurückgewiesen zu werden. Er bietet Angriffsfläche und macht sich verletzbar. Florian will das verhindern und überlässt deshalb Vanessa die Initiative. Er schützt sich, indem er nicht zu viel von sich preisgibt und sich nicht ganz zeigt.

Sag, was du dir wünschst!

Florians Verhalten gibt den Ton für den weiteren Verlauf der sexuellen Begegnung an. Auch Vanessa wird zurückhaltend sein und sich nicht exponieren. Der Sex wird sich auf dieser Ebene von viel Selbstschutz und wenig Selbstpreisgabe abspielen. Es ist Sex mit angezogener Handbremse.

Damit richtig guter Sex entstehen kann, braucht es Nähe und Intimität. Das entsteht, wenn wir etwas von uns preisgeben. Wenn wir den anderen an uns heran und unsere Schutzmauern fallen lassen. Wenn wir uns zeigen und uns dem anderen zumuten, so wie wir sind.

Florian hat erkannt, dass seine Selbstlosigkeit nur eine Tarnung ist. Er trainiert nun, seine Wünsche beim Sex einzubringen. Dabei ist sein Glaube eine wertvolle Ressource. Er glaubt an einen Gott, der ihn liebt, so wie er ist. Das gibt ihm die Sicherheit und das Rückgrat, um sich beim Liebesspiel mit Vanessa zu exponieren und verletzbar zu machen. Auf dieser Grundlage kann echte Nähe und Verbundenheit entstehen. Davon wird auch Vanessa profitieren – mehr als von einem Mann, der sich im Bett ausschließlich um ihre Bedürfnisse kümmert.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five

Seismograph der Ehe

Kann eine Partnerschaft florieren, wenn im Bett nicht mehr viel geht? Oder umgekehrt: Kann Sex eine bröckelnde Ehe zusammenhalten? Und was können Paare tun, wenn der Wunsch nach Sex bei einem weniger ausgeprägt ist als beim anderen? Christof Klenk bat den Therapeuten Dr. Michael Hübner um Antworten.

Es kann eine Ehe beflügeln, wenn es im Bett gut läuft. Umgekehrt profitiert das eheliche Sexleben davon, wenn die Ehepartner gut miteinander unterwegs sind. Würdest du dem zustimmen?
Grundsätzlich ja. Beziehung und Sex gehören zusammen. Man kann sogar sagen, dass die Zufriedenheit in der sexuellen Beziehung seismographisch die Ehe widerspiegelt. Anders ausgedrückt: Wo Paare gut miteinander kommunizieren und diese Ebene für beide schön ist, werden beide in der Regel auch guten Sex haben. Ausnahmen sind allerdings beispielsweise körperlich-medizinische Störungen, die das Sexualleben beeinflussen können, oder auch Missbrauchserfahrungen.

Gegenseitig zur Masturbation ermutigen

Gleichzeitig scheint Sex durchaus auch in guten Ehen ein heikles Thema zu sein. Woran könnte das liegen?
Häufig ist es ein Problem, dass er öfter Sex möchte als sie oder umgekehrt. Man hat festgestellt, dass der Höhepunkt der Libido im männlichen Lebenszyklus bei etwa zwanzig Jahren liegt, der der Frau erst etwa bei vierzig Lebensjahren. Danach geht sie ganz langsam zurück. Als Theologe glaube ich, dass Gott den Sex zur Lust, zum Spaß für beide geschaffen hat. Ich rate, Sex eher zu gestalten als zu problematisieren.

Und wie könnte das Gestalten aussehen, wenn ein Teil häufiger will als der andere? Zurückweisen, weil man keine Lust hat, ist nicht schön. Vom anderen zurückgewiesen werden, ist auch nicht schön.
Das ist durchaus eine typische Situation bei vielen Paaren. Wie so oft, gilt auch hier: Die beiden sollten offen miteinander darüber reden. Manche lernen es in der Sexualberatung. Sie können ihre sexuelle Begegnung unterschiedlich gestalten, wenn sie sich gegenseitig liebevoll beschenken wollen. Kreative Möglichkeiten gibt es genug: Sie können sich gegenseitig zur Masturbation ermutigen – freilich ohne Porno, wie heute oft üblich –, oder sie befriedigen sich gegenseitig und führen sich so zum Orgasmus. Auch wenn zum Beispiel die Frau einmal gar nicht zum Orgasmus kommen möchte – es ist ihr vielleicht im Moment „zu aufwendig“ –, so kann sie sich doch körperlich ihrem Mann zum Glied-Scheide-Verkehr hingeben. Oder beide versprechen sich am nächsten Tag zu einem gemeinsamen Date, einem Fest, das vorbereitet ist.

Anders anziehend

Nach zehn oder zwanzig Jahren Ehe kennt man die Vorlieben des anderen und ist vertraut miteinander. Das ist sicher ein Vorteil, aber eine gewisse Routine kann auch langweilig werden.
Geht man von zwei sexuellen Begegnungen pro Woche aus, dann hat ein Paar in zwanzig Jahren ungefähr zweitausend Mal Sex miteinander. Da kann schon mal eine gewisse Routine einkehren, die beide eher als langweilig empfinden.

Ist das das Schicksal von langjährigen Ehen oder kann man dem entgegenwirken?
Liebe und Lust zeigen sich nach Jahrzehnten anders als am Anfang. Das Empfinden für körperliche Attraktivität tritt vielleicht zurück. An ihrer Stelle werden andere Qualitäten des Partners, der Partnerin sexuell anziehend: Vertrautheit und Wärme, Genussfähigkeit, Sinnlichkeit, Zeit zum Spiel, Verwöhnaktionen … Für sie mag es nicht mehr nur seine Sportlichkeit oder der knackige Hintern sein. Sie mag beispielsweise empfinden: Wenn ich ihn mit Abstand reden höre, seine entschlossenen Entscheidungen und den liebevollen Umgang mit den Kindern und seine Zärtlichkeit sehe, dann will ich seine Nähe. Für ihn spielt nicht mehr die Form des Busens eine große Rolle, dafür macht es ihn vielleicht an, ihre geschmeidigen Bewegungen auf dem Fahrrad zu sehen, während er hinter ihr fährt, oder wie sie musiziert … Kreativität im sexuellen Spiel ist angesagt. Manchmal kommt in dieser Zeit der „Appetit auch erst beim Essen“: Ein schöner Sexabend kann wie ein kleines Fest gestaltet werden. Schöne Musik, ein Gläschen Wein, Bodylotion, Duftkerze und angenehmes Licht – das alles ist nicht wie „Fastfood“ und die Vorfreude und Erregung kann steigen.

Sex nicht totschweigen

Wenn das alles nicht mehr hilft, ziehen manche Paare einen Schlussstrich unter das Thema. Nach dem Motto: Bei uns läuft nicht mehr viel, aber es gibt Wichtigeres.
Überarbeitung, Burnout, aber auch ungeklärte Themen und Ablenkungen können die sexuelle Erregungskurve stören und beispielsweise die männliche Erektion beeinflussen. Selbstverständlich sind dies schambehaftete, heikle Themen. Warum? Nicht jeder kann über sexuelle Themen frei reden. Manchmal auch deshalb, weil gerade auch in guten Ehen einer den anderen oder auch sich selbst schonen möchte und das Gegebene hinnimmt. Dies alles kann sich aber früher oder später auf die Beziehungsqualität legen. Paare sollten das aber nicht ignorieren und das Thema Sex nicht unterschätzen. Die Schamschwelle zu überwinden und qualifizierte Hilfe zu suchen, ist jetzt angesagt. Es gibt sehr gute Seelsorger, christliche Berater, Therapeuten oder auch Ärzte und hilfreiche Medikamente, und die Prognose ist in dem Bereich gut.

Es gibt Paare, die keinen Sex miteinander haben, aber nach eigenen Angaben glücklich miteinander sind, vielleicht sogar glücklicher, weil das Feld der Sexualität immer mit Konflikten verbunden war.
Das kann ich mir kaum vorstellen. Wenn sie es aber beide ehrlich sagen: wieso nicht? Dann sollte niemand ein Problem daraus machen.

Ich hätte die Befürchtung, dass dann doch mal irgendjemand kommt, der das Bedürfnis nach Intimität bei einem von beiden weckt.
Da gebe ich dir Recht. Ich würde diesem Paar deshalb ans Herz legen, dass sie über dieses Thema offen und kontinuierlich im Gespräch bleiben. Auch darüber, ob sie ihre sexuellen Bedürfnisse auf andere Weise befriedigen. Manchmal besteht ein ausgesprochener oder unausgesprochener Kontrakt, mit dem sie sich gegenseitig die Freiheit dazu geben. Sich aber beispielsweise anhand von Pornos zu befriedigen, ist keine gute Lösung. Keinen Sex miteinander haben sollte nicht heißen: Wir reden nicht mehr drüber.

Körperlichkeit alleine reicht nicht

Mal von der anderen Seite: Eine Frau schrieb uns, dass ihre Ehe in einem schlechten Zustand war, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Auf körperlicher Ebene lief es aber trotzdem noch gut mit ihrem Mann. Das habe sie sogar ein Stück weit zusammengehalten. Ist das für dich nachvollziehbar?
Da möchte ich korrigieren: Sie hatte sich in einen anderen verliebt, weil ihre Ehe in einem schlechten Zustand war. Denn wer verliebt ist, verliebt sich nicht anderweitig. Und die Frage ist eigentlich: Warum liebte sie ihren Mann nicht mehr und was hatte sie dafür getan, ihn zu lieben? Dass nur die Körperlichkeit noch zusammenhält, das gibt es tatsächlich, ist aber keine Lösung. Ihr hat anscheinend der andere Mann etwas gegeben, was sie bei ihrem nicht bekommen konnte. Darüber hätte ich mit ihnen in meiner Praxis gerne geredet. Sie befinden sich in einer notvollen fürchterlichen Sackgasse, die sich in der Regel bald psychisch negativ auswirkt.

Kann Sex zusammenhalten, was eigentlich auseinanderdriftet?
Das mag bei manchen Paaren so sein. Die amerikanische Soziologin Judith Wallerstein beschreibt Ehetypen so: Neben der traditionell geführten und der partnerschaftlichen Ehe gibt es die Ehe als Zuflucht, aber eben auch die „leidenschaftliche Ehe“, um die es hier geht. In ihr spielt die sexuelle Lust von beiden Seiten eine sehr große Rolle. Das birgt natürlich auch Gefahren. Wenn einzig sexuelle Lust zwischen beiden der Kitt ist, der sie zusammenhält, kann dies beispielsweise dann zur Gefahr für die Beziehung werden, wenn mindestens einer von beiden – aus welchen Gründen und wie lange auch immer – Sex nicht möchte oder nicht haben kann.

Wöchentliches Ehemeeting

Erotische Anziehung scheint davon zu leben, dass der Partner/die Partnerin anders ist als ich. Ist zu viel Harmonie und Seelenverwandtschaft vielleicht gar nicht so förderlich?
Ja, das Fremde ist das Attraktive. Wenn wir das Fremde im Gewohnten immer wieder zu entdecken versuchen – unser Gegenüber verändert sich ja auch immer wieder –, bleibt die Beziehung spannender. Im Gewusel des Alltags fallen uns die Veränderungs- und Entwicklungsprozesse oft gar nicht so auf. Meine Frau und ich – wir machen Paaren Mut zu einem wöchentlichen „Ehemeeting“. Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Buch. Bei so einem Meeting kann es dann auch darum gehen, über Sexualität zu reden. Wichtig ist, miteinander im Gespräch zu bleiben – und das besonders in bestimmten Lebensphasen, wenn die gemeinsame Zeit knapp bemessen ist, weil die familiäre Situation oder der Beruf sehr viel abverlangt.

Dr. (theol.) Michael Hübner ist Gründer und Dozent der Stiftung Therapeutische Seelsorge und leitet eine Therapiepraxis in Neuendettelsau. Mit seiner Frau Utina hat er das Buch „Der Kick für die Partnerschaft – Vitaminkur für das Ehegespräch“ geschrieben.

Aufklärung: So können Eltern mit Kleinkindern über Sex reden

Was tun, wenn das Kind sich an Penis oder Vagina fasst? Wie darüber sprechen, wo Babys herkommen? Sexualberaterin Ute Buth zur Aufklärung.

Warum ist die Phase, in der Kinder sich mit dem Thema Sexualität und ihren eigenen Geschlechtsorganen auseinandersetzen, so wichtig?
Wenn Kinder heranwachsen, entdecken sie Geschlechtsorgane wie alles andere, was sie entdecken. So gesehen ist es also eigentlich gar keine besondere Phase, die Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebt haben müssen. Das ist höchst individuell. Die Kinder entdecken auch, dass sie selbst Geschlechtsorgane haben und manche, dass sie schöne Gefühle machen. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, dass diese Organe zu ihrem Körper gehören, sie zu benennen, ihren Körper zu schützen und die Körpergrenzen anderer zu respektieren. Dieses Grundwissen spielt nicht zuletzt in Zeiten von #metoo eine wichtige Rolle.

Dass Kinder ihr Geschlecht entdecken, ist normal

Wenn ich mitbekomme, dass sich mein Kind an den Kitzler oder den Penis fasst, wie soll ich dann reagieren?
Wenn Kinder entdecken, dass sie Geschlechtsorgane haben und sich dort berühren, bedeutet das noch nicht, dass sie sich daran betätigen und sich selbst befriedigen. Manchmal juckt etwas oder sie ziehen nur die Kleidung gerade. Wenn sie die Organe entdecken, dann ja erst einmal, dass es da etwas wie die Genitallippen, den Kitzler oder den Penis oder Hoden gibt. Bei Jungen sind die Harnwege und die Geschlechtswege gleich. Ein Junge kommt also gar nicht umhin, sich mit seinem Penis zu beschäftigen. Er wird ja täglich zum Wasserlassen berührt, ist vorgelagerter und gut greifbar und so probieren sie auch aus, was sie damit machen können.

Bei Mädchen sind die Harn- und Geschlechtswege getrennt. Der Kitzler liegt verborgener unter den Genitallippen. Sie entdecken sexuelle Gefühle deshalb nicht so selbstverständlich wie Jungen. Manche entdecken sie beim Duschen, beim Trockenrubbeln danach oder wenn sie auf einer Sofakante sitzen. Wenn Kinder ihre Organe entdecken, anfassen, fühlen oder daran reiben, ist das also an sich normal. Wenn Sie das als Eltern mitbekommen, ist es ratsam, sich nicht aus Scham wegzudrehen, es pauschal zu verbieten oder einen abwertenden Kommentar abzugeben. Denn damit beschämen Sie Ihr Kind für etwas, was selbstverständlich zu seinem Sein dazu gehört. Dass unsere Geschlechtsorgane fühlen können, gehört zur Grundausstattung von uns Menschen und zum Menschsein.

Reagieren, wenn Kinder Sex nachspielen

Wenn man sich nicht wegdrehen, es nicht pauschal verbieten oder abfällige Kommentare dazu machen soll, wie soll man denn dann reagieren?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist, das Kind nicht zu beschämen. Man kann schon zum Beispiel fragen, was es da macht und wie es dem Kind damit geht. Oder man kann in der Situation oder danach ins Gespräch darüber kommen, dass es einen intimen Privatbereich gibt und wie man den schützt. Erstmal ist es doch so: Die Kinder stellen fest: Was ich da tue, macht mir schöne Gefühle. Sie denken sich nichts Böses dabei. Manchmal erzählen sie auch begeistert davon und wollen ihr neu gewonnenes Wissen mit den Eltern teilen, im Sinne von ‚ich gebe einen guten Tipp weiter‘.

Gibt es auch Situationen, auf die man reagieren sollte, und wie?
Wenn ein Kind explizit irgendwelche sexuellen Handlungen nachspielt und das immer wieder, dann könnte man sich fragen, wo es das womöglich gesehen hat. Ist es vielleicht mit Pornografie in Kontakt gekommen? Wenn ein Kind sich selbst befriedigt, würde ich schauen, wie oft es das macht, ob es dieses Verhalten sehr in Beschlag nimmt und sich irgendwelche Muster abzeichnen: Wenn es sich immer dann, wenn es traurig oder gestresst ist, so verhält, dann kann es sein, dass Selbstbefriedigung zum Tröster oder Entspannungstool wird. Falls Sie als Eltern unsicher sind, können Sie auch ihren Kinderarzt um Rat bitten.

Wenn die Selbstbefriedigung eine Funktion erfüllt und Sie sie einfach unterbinden würden, machen es die meisten Kinder heimlich weiter – dann aber belastet mit einem schlechten Gewissen. Suchen Sie mit dem Kind gemeinsam nach Alternativen, indem Sie überlegen, was es beruhigt, was sonst noch guttut. Wenn es sich in der Öffentlichkeit, wo andere es sehen und sich darüber lustig machen können, an seine Geschlechtsorgane fasst oder sogar befriedigt, sollte es lernen, seinen Privatbereich in Sachen Intimität zu schützen.

Kinder lernen spätestens ab der Schule, woher Babys kommen

Welche Rolle spielen Eltern bei der Aufklärung der Kinder?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sexualität eine große Rolle spielt. Eltern sollten sich bewusst machen, dass sie keine Aufklärungshoheit haben und dass sie auch nonverbal aufklären. Das permanente Schweigen zum Thema Sex sendet auch die Botschaft, darüber spricht man nicht! Wenn ein Kind bis zum Schuleintritt nicht weiß, woher die Babys kommen und was Sex ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es das in der Schule lernt, riesengroß – und damit meine ich nicht in erster Linie den Aufklärungsunterricht! Bis dahin haben sie in aller Regel schon etliches auf dem Schulhof, von anderen Kindern oder in den Medien erfahren.

Medienwissenschaftler weisen darauf hin, dass die ersten Informationen, die man auf einem Wissensgebiet erhält, einen viel stärker prägen als Folgeinformationen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Eltern möglichst vor dem Schuleintritt eine gute Grundlage für die Aufklärung ihrer Kinder legen. Ich ermutige Eltern, Aufklärung als Aufgabe und Chance zu begreifen und sich auch mit der eigenen Lerngeschichte auseinanderzusetzen. Wenn sie schambestimmt reagieren, weil ihr Kind sich mit seinen Geschlechtsorganen beschäftigt, hat das häufig mit Hilflosigkeit aber auch mit der eigenen Prägung zu tun. Wenn ich gelernt habe, dass man so etwas nicht tut, was ich aber nun mein eigenes Kind tun sehe, dann gerate ich womöglich schon dadurch in einen inneren Konflikt, bei dem eine Klärung hilfreich sein kann.

Kind kein Aufklärungsgespräch aufzwingen

Und wenn sich mein Kind gar nicht für das Thema interessiert?
Dass ein Kind nicht danach fragt, bedeutet nicht, dass es keine Fragen in seinem Kopf hat. Es kann durchaus sein, dass es Fragen hat, vielleicht sogar auch schon Kontakt mit dem Thema hatte und es so schräg findet, dass es meint, mit den Eltern nicht darüber sprechen zu können oder Sorge hat, Ärger oder peinliche Rückfragen zu bekommen, wenn es Fragen stellt. Wichtig ist, sich möglichst früh sprachfähig auch zu sexuellen Themen zu positionieren. Dann lernt Ihr Kind, dass es normal ist, dass die Eltern dazu ansprechbar sind.

Überfordern Sie Ihr Kind nicht und zwingen Sie ihm kein peinliches Aufklärungsgespräch auf. Es geht ja auch nicht darum, den ganzen Tag über Sex zu reden, aber eben auch darüber zu reden. Manchen Kindern hilft es, über die eigene Zeit als Baby ins Gespräch über das Thema zu kommen. Die Eltern können auch von der Schwangerschaft erzählen und so nach und nach Informationen vermitteln.

Aufklärung nach dem Baukastenprinzip

Wie klärt man Kinder am besten auf?
Aufklärung ist kein Termin im Kalender, den man abhakt und dann ist es erledigt. Aufklärung ist ein Lebensstil. Es geht im Prinzip darum, dass ich wie beim Baukastenprinzip immer wieder an vorhandenes Wissen weitere Informationen anbaue und dafür vor allem zu Beginn Begriffe aus der Alltagswelt des Kindes benutze.

Haben Sie dafür Beispiele?
Ich habe meinen Kindern immer erzählt, dass Mütter im Bauch das Zimmer „Gebärmutter“ haben und darin die Babys wohnen. Vom Zimmer Gebärmutter führt der Gang „Scheide“ nach draußen. Aus dem kommen die Babys dann heraus. Auf dem Weg zum Schwimmkurs knöpfte ich einmal daran an und erklärte, dass das Zimmer Gebärmutter auch ein Schwimmbad ist, dass da Wasser drin ist und es den Babys Bewegung ermöglicht und wie sich die Gebärmutter durch das Wasser dehnt. Ein anderes Mal sagte eine ältere Dame zu meiner 3-jährigen Tochter: „Du hast die Augen und die Haare von deiner Mama.“ Ich erklärte ihr daraufhin, dass wenn ein Baby entsteht, es die Hälfte von Mama und die andere Hälfte von Papa bekommt. Damit hatte ich Zeugung erklärt, aber auf einem ganz niedrigen Level – nichts von Samen, Eizellen, Penis, Scheide und Sex.

Daran kann man dann anbauen und darüber sprechen, dass Frauen im Bauch kleine Eier haben. Eier können sich die Kinder gut vorstellen und Samen kennen sie auch – zum Beispiel aus dem Frühjahr, wenn sie Samen aussäen, damit daraus etwas wächst. Nur dass man Papas Samen nicht in den Boden stecken und gießen kann, damit ein Baby daraus wächst, sondern dass sie die winzigen Eier von der Mama treffen müssen. So gibt man immer weitere kleine Informationen dazu, damit die Kinder nach und nach ihr Wissen auf eine breitere Basis stellen können.

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Paartherapeut: Eine Fähigkeit verbessert den Sex. Aber sie ist schwer zu erlernen

Um die Erotik auch bei langjährigen Beziehungen aufrechtzuerhalten, braucht es laut Jörg Berger nicht viel. Aber Paare müssen dafür etwas wagen.

„Hat seine Wirkung nicht verfehlt“, schreibt Heinz-Dieter in der Bewertung in der Shop Apotheke. Früher waren es Tollkirsche, Muskat oder auch die Tomate als „Liebesapfel“, heute heißen sie Libido Lady oder libiLoges (Heinz-Dieters Wahl). Mittel, die unser Begehren steigern oder uns sogar begehrenswerter machen – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Gleichzeitig gibt es kaum ein Paar, das sich nicht einmal Gedanken um die Erotik in seiner Beziehung macht. Ist die Anziehung zwischen uns noch so, wie wir es uns wünschen? Ist es normal, wenn die Intensität unserer sexuellen Begegnungen nachlässt?

Tatsächlich gibt es das: Ein Liebesmittel, das unser Begehren weckt und uns begehrenswerter macht. Es wirkt biochemisch. Trotzdem können wir es in keiner Apotheke kaufen. Es ist teuer. Doch wir bezahlen nicht mit Geld, sondern mit Mut. Das Liebesmittel ist die seelische Nähe, die ein Paar wagt, ein Lebendigsein in der Gegenwart des anderen. Sie entsteht durch Offenheit. Denn allein die räumliche Nähe schafft noch keine seelische Nähe. Zwei Gefangene können sich die Zelle teilen, ohne sich nahezukommen, zwei Kranke das Zwei-Bett-Zimmer oder auch ein pensioniertes Paar den ganzen Alltag. Seelische Nähe erfordert den Mut zur Offenheit und den Mut, den Partner so willkommen zu heißen, wie er wirklich denkt, fühlt und handelt. Aber tun wir das nicht ganz selbstverständlich? Und falls nicht, warum nicht?

Was ist psychische Nähe?

Wie lange können Sie Ihrem Partner in die Augen schauen, ohne dass es peinlich wird? Wie lange können Sie den Körper des anderen einfach betrachten oder aufmerksam berühren? Und wann wird das irgendwie unangenehm? Wie offen teilen Sie Ihre Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse und Gelüste mit? Wie lange fühlen sich beide sicher, wenn Tränen fließen?

Jedes Paar reguliert seelische Nähe. Es wagt Nähe und löst sie wieder auf: ansehen und wegsehen, die Intimität eines Schweigens zulassen und durch Humor wieder vertreiben, tiefe Gefühle offenbaren und dann sagen, dass sie kein Drama sind, einem Herzensleid Raum geben und dann nach einer Lösung suchen.

Das Mittelmaß ist wichtig

Offenbar haben wir ein Gefühl dafür, wie viel Nähe gut ist. Wir sorgen dafür, dass sie nicht zu viel und nicht zu wenig wird. Wir wollen uns dem anderen nicht auf eine Weise zumuten, die vielleicht unangenehm oder bedrohlich wird. Jeder hat als Kind auch die Erfahrung gemacht, einem Elternteil mit den eigenen Bedürfnissen und Verhaltensweisen zu viel zu sein. Das hat uns geprägt. Außerdem kann Nähe bei einem selbst zwiespältige Gefühle auslösen, zum Beispiel Unsicherheit oder Verpflichtung. Wenn wir eine entspannte Zeit haben wollen, regulieren wir seelische Nähe am besten auf ein gutes Mittelmaß. Aber wir können auch mehr seelische Nähe zulassen. Das setzt stärkere Gefühle frei. Wir werden lebendiger und drücken uns tiefer aus. Das kommt auch dem Sex zugute.

Mehr seelische Nähe zulassen bedeutet allerdings auch: mehr Scham, mehr Unsicherheit und mehr Schuldgefühle erleben. Billiger bekommen wir seelische Nähe nicht. Wir können diese Gefühle aber zulassen und annehmen. Sie sind menschlich. Mit der Zeit werden wir uns immer sicherer dabei fühlen. Außerdem können wir den anderen liebevoll unterstützen, wenn sie/er sich schämt, unsicher oder schuldig fühlt. Wie das aussieht und was das ermöglicht, kann ich an einem Beispiel aus der Sexualtherapie zeigen. Ich habe es verfremdet und andere Namen gewählt.

Ein Beispiel: Von wenig Lust auf Sex zu mehr Sex

Marit lernt für Prüfungen. Sie ist gestresst und das wird noch ein paar Monate dauern. Auf Sex lässt sie sich nur ein, wenn sie sich entspannt fühlt, und das kommt gerade selten vor. Gleichzeitig fühlt sie sich schuldig, weil sie so wenig auf Svens Bedürfnisse eingeht und diejenige ist, die bestimmt, was geht und was nicht. Sven ist ausgehungert und fast immer offen für Sex. Er versucht aber, kein Begehren aufkommen zu lassen. Denn er will den sexuellen Frust nicht spüren. Außerdem will er Marit nicht bedrängen. Was würden Sie den beiden raten?

Marit und Sven haben ihre Toleranz für seelische Nähe gesteigert. Denn Marit lässt sich nun auch auf Zärtlichkeiten ein, wenn sie gestresst ist. Das entspannt sie und sie öffnet sich für Svens Nähe, wenn sie unausgeglichen ist. Der Preis ist: Marit mutet sich Seiten zu, die sie selbst an sich nicht mag, ihre schlechte Laune und Gereiztheit zum Beispiel. Sie muss außerdem manchmal dazu stehen, dass Zärtlichkeiten nicht zum Sex führen. Mehr geht dann einfach nicht. Nun schämt sie sich und fühlt sich auch schuldig: Sie hat Sven Lust gemacht und muss sich zurückziehen.

Sven kann seinen Frust und seine Ungeduld dann nicht immer verbergen. Aber für all das gibt es nun eine Erlaubnis. Es darf so sein. Sven hilft Marit sogar, sich nicht schuldig zu fühlen, Marit bejaht Svens Frust und nimmt ihn nicht persönlich. Die beiden haben nun häufiger Sex als vorher. Denn Marit nutzt auch die Vielleicht-kommt-die-Lust-ja-Situationen, nicht nur die sicheren, entspannten Abende. Doch noch wertvoller ist die gewachsene seelische Intimität. Beide bringen tiefere Gefühle in die sexuelle Begegnung ein. Sie sind spontaner und zeigen mehr von sich. Sie folgen zwar immer noch einem vertrauten Ablauf, aber durch das, was sie von sich zeigen, erleben sie es immer anders.

Zu Lust und Unlust stehen

Hier sehen wir, wie seelische Nähe – wenn wir sie wagen – den Sex belebt. Je mehr wir in der sexuellen Begegnung von uns zu zeigen wagen, desto spannender wird sie. Auch wenn es manchmal Mut kostet, zur eigenen Lust und Unlust zu stehen, spontane Gedanken und Gefühle zu zeigen oder einer Neugier zu folgen, ohne vorher zu wissen, wie das für den anderen ist. Mut kostet es, weil wir beim anderen auch einmal einen Schreck auslösen, eine Abwehr oder ein Unbehagen. Aber genau das macht seelische Nähe aus, dass beide mit allem sein dürfen, was sie denken, empfinden und brauchen, und so reagieren dürfen, wie sie eben reagieren. Dabei setze ich voraus, dass dies einigermaßen taktvoll geschieht und keiner mit harter Kritik oder langem Rückzug belastet wird. Man könnte zwar auch bei Kritik oder Rückzug behaupten: „Ich bin authentisch und drücke so meine Gefühle aus.“ Aber das stimmt ja nicht, denn die wahren Gefühle bleiben hinter der Kritik oder dem Rückzug verborgen.

Wer seelische Nähe wagt, fördert auch die erotische Polarität. Idealerweise baut sich im Alltag eine erotische Spannung auf, die sich im Sex entlädt. Spannung entsteht zwischen Polen. Romane und Filme spielen mit der Polarität: die Karrierefrau und der Chaot, der Snob und die Frau aus einfachen Verhältnissen, der Vernunftmensch und die verhängnisvoll leidenschaftliche Femme fatale. Auch unsere Liebesbeziehungen spielen sich zwischen solchen Polen ab.

Gegensätze ziehen sich an

Bei größeren Projekten – einem großen Ausmisten oder einem Umzug zum Beispiel – packt mich Furor, eine aggressive Entschlossenheit. Sie erleichtert Entscheidungen. Sie hilft, unsere Pläne auch gegen Widerstände zu behaupten. Meine Frau kann mit meiner Aggression besser umgehen, seit ich sie mit Worten ankündige oder zu ihr stehe, wenn sie sich nicht verbergen lässt. Denn dann ist klar, dass meine Frau ihren Pol ruhig auch ausleben darf. Sie hält meiner Geradlinigkeit dann Feingefühl entgegen, das auch mal wartet oder einen Umweg geht. Auch wenn das Konfliktpotenzial birgt, ergänzen wir uns. Gleichzeitig beleben solche Situationen unsere Beziehung auch in erotischer Hinsicht. Es wird eine Polarität spürbar, die vielleicht schon zu Beginn unserer Liebe Anziehungskräfte ausgeübt hat.

Andere Pole sind: stille Tiefgründigkeit und spritzige Geselligkeit, Sparsamkeit und Großzügigkeit, Gewohnheit und Veränderung, Berührbarkeit und Robustheit, Disziplin und Freiheit, Selbsthingabe und Durchsetzung. Die seelische Nähe nimmt zu, je mehr sich die Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse beider Pole zeigen dürfen und in der Beziehung Raum finden. Auch wenn wir Spannungen nicht unbedingt in unserer Beziehung brauchen, hält uns die Spannung lebendig. Manchmal würden wir den anderen lieber auf unseren Pol ziehen. Das Miteinander wäre dann einfacher. Aber statt echter Nähe hätten wir dann nur ein Arrangement, bei dem sich beide beschneiden und vieles für sich behalten. Warum sollten wir jemanden begehren, der uns immer ähnlicher wird? Warum verschmelzen mit einem Menschen, der sein Geheimnis verloren (nein! – nur vor uns verborgen) hat und uns kaum mehr schenken kann als das, was wir von uns selbst kennen?

Sex auf Platz zwei

Die Psychologie der seelischen Nähe ist mir in einer Hinsicht sympathisch. Sie verweist den Sex auf den zweiten Platz. Dort gehört er hin. Manchmal ist er ein Zeichen, wie es um die Liebe steht. Unsere Sehnsucht nach erfüllendem Sex verweist uns auf etwas Wichtigeres. Michael Lukas Moeller, Professor für Medizinische Psychologie und Paartherapeut, beschrieb das so: „Seit Menschengedenken sind alle Kulturen erpicht auf Liebesmittel, Aphrodisiaka. Mit den Beziehungen der Paare – kann man daraus schließen – stand es schon immer nicht zum Besten. Denn was ist das wirksamste Aphrodisiakum? Jeder weiß es, keiner wagt es, die Einsicht auszusprechen: das lebendige Paar.” (aus: Die Wahrheit beginnt zu zweit, S. 113)

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in Heidelberg. Neben Ratgebern veröffentlicht er Online-Kurse, die Paaren helfen (epaartherapie.de; derherzenskompass.de/schwereliebe).

Mehr Spaß am Sex? Mit diesen fünf Spielen heizen Sie Ihr Liebesleben an

Erotik muss nicht ernst sein. Sexualtherapeutin Dr. Cordula Kehlenbach hat fünf Ideen, wie Sie Spannung in Ihr Liebesleben bringen.

Spielend leicht gefällt uns unser Liebesspiel wohl am besten. Da können wir ausgelassen sein, Sorgen vergessen, uns aneinander freuen. Es gibt zum Glück kein Argument, warum Sexualität eine ernste Sache sein sollte und nicht etwas Spielerisches sein darf. Wer spielt, der lacht meist auch. Lachen entspannt ungemein und fördert damit Sexualität auf seelischer, partnerschaftlicher und körperlicher Ebene. Denken Sie einmal daran, wie Kinder spielen: Einen festen Plan haben sie nicht, es wird laufend improvisiert, „Fehler“ gibt es nicht. Über Unerwartetes lachen Kinder und sie bauen es ins Spiel ein.
Folgende Spielarten dürfen Ihre Neugier wecken:

1. Den Körper entdecken mit Bodypainting

Man muss kein Künstler sein, um Spaß zu haben beim Bemalen oder Beschriften des Partners. Mit der Farbe dürfen die ohnehin schönen Stellen noch schöner gemacht werden. Narben, Flecken und ähnliches können verziert oder in ein schönes Bild integriert werden. Eine Krampfader kann zum Fluss einer Landschaft oder zu einer Blumenranke werden. Ein Fleck wird das Auge eines Smileys. Und die Einzigartigkeit der Liebenden wird hervorgehoben. Es gibt spezielle Bodypaint-Stifte oder Flüssigkeiten in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen, Lebensmittel oder Cremes aus dem Haushalt eignen sich aber genauso. Es ist schön, dass beim Bodypainting einer ganz aktiv ist. Der andere gibt sich dem Malenden ganz hin und ist gespannt auf das Ergebnis.

2. Nähe spüren beim Spiegel-Spiel

Gleichzeitige Aktivität ist beim Spiegel-Spiel angesagt. Beide sind nackt, sitzen sich zum Beispiel im Bett gegenüber. Einer ist der „Anführer“, er berührt oder küsst oder leckt den anderen an einer beliebigen Stelle, wie er es mag und so oft er mag. Der andere macht danach genau das Gleiche spiegelbildlich beim „Anführer“. Nach einer Weile werden die Rollen gewechselt. So kann man seinem Lieblingsmenschen gut zeigen, welche Stelle oder welche Art der Berührung man besonders gerne mag.

3. Spaß mit Strip-Poker oder Strip-Würfeln

Ein beliebiges Spiel mit mehreren kurzen Runden kann genutzt werden. Oder ein Würfel, bei dem eine bestimmte Zahl ausgewählt wird. Jeweils der Verlierer einer Runde oder der Würfler besagter Zahl zieht ein Kleidungsstück aus. Albern sein ist strengstens erlaubt. Man darf vorher in den Spielregeln festlegen, was passieren kann, wenn der erste nackt ist. Zieht euch warm an! Dann habt ihr länger was davon.

4. Zwei Wahrheiten, eine Lüge

Ein weiteres Spiel hat mit erotischen Fantasien zu tun. Veronika Schmidt schreibt zu Fantasien in ihrem Buch „Liebeslust“ (S. 115) Folgendes: „Damit ist nicht gemeint, dass wir uns andere Personen oder Paare in ihrer Intimität vorstellen, sondern vielmehr, dass wir eine erotische Fantasie und Vorstellung von uns selbst und unserem Partner entwickeln. Das sexuelle Begehren in der Partnerschaft erfordert es, dass sich Mann und Frau selbst und gegenseitig erotisieren, sich also Fantasien und erotische Gedanken erlauben.“

Jeder schreibt zwei Fantasien auf, die er wirklich reizvoll fände, und eine, die er nicht erotisch findet. Die Ideen dürfen durchaus verrückt oder lustig sein. Keine dieser Fantasien müsst ihr je ausgelebt haben oder wirklich durchführen wollen, zum Beispiel Sex auf dem Eiffelturm oder Liebe in einer einsamen Berghütte bei Gewitter. Abwechselnd liest man eine Fantasie vor und versucht zu erraten, ob es eine Wahrheit oder die Lüge ist. Das Ausdenken und das Erraten können sowohl Spaß als auch Lust machen. Das gemeinsame Spiel mit Fantasien erhält die Sexualität aufregend.

5. Vibratoren sind nicht schmuddelig

Interessante Erfahrungen können auch Vibratoren bringen. Manch einem mögen sie nicht geheuer sein, wie aus der „Schmuddelecke“ kommend. Dabei sind es lediglich technische Instrumente, die das (Sexual-)Leben schöner und angenehmer machen können (so wie eine Waschmaschine es auch tut). Es gibt viele Modelle, die ganz speziell für das gemeinsame Liebesspiel gedacht sind, indem sie beiden direkt oder indirekt (über die Freude am anderen) schöne Gefühle und Erregung bereiten. Unterschiedlichste Vibratoren können Penis, Hoden, Klitoris, G-Punkt und weitere erogene Zonen anregen. Entspannter Austausch darüber, wie man sich die gemeinsame Nutzung und die Vibration wünscht, gehören zum Spiel dazu. Seid immer offen für Improvisation und für Pannen.

Auf der Suche nach weiteren Spielarten stieß ich auf noch mehr Ideen, die an die Leichtigkeit der spielenden Kinder erinnern. Verstecken: An der Haustür (zur Ankunftszeit des Partners) seine Kleidung liegen lassen mit der Notiz, man habe sich nackt in der Wohnung versteckt. Eine Kissenschlacht im Bett veranstalten. Herausfinden, was zwei nackte Menschen alles mit einem langen Schal machen können? Sich gegenseitig mit viel Öl einreiben und das neue Berührungsgefühl entdecken (nach guter Präparation des Bettes!). Sich verkleiden und die entsprechende Rolle spielen, es reichen schon Andeutungen. Allein unsere Bewertung und unser Umgang mit den verschiedenen Spielarten und Ideen entscheiden darüber, wie wir uns dabei fühlen. Schmutzig und lächerlich? Oder eben spielerisch, leicht, humorvoll, aufregend, sexy, erotisch.

Dr. med. Cordula Kehlenbach ist Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Krefeld.

Mutter fragt sich: Ab wann sollte meine Tochter zur Frauenärztin?

Wann ist die richtige Zeit für einen ersten Frauenarztbesuch? Und was sollten Töchter vorher wissen? Dr. Ute Buth klärt auf.

„Meine Tochter ist jetzt 14. Manche ihrer Freundinnen waren schon bei der Frauenärztin, andere (wie sie) noch nicht. Ich bin mir unsicher: Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Und wie bereite ich meine Tochter darauf vor?“

Für viele Mädchen sind Frauenärztinnen zunächst die große Unbekannte. Früher gab es nur den Kinderarzt oder die Kinderärztin. Den meisten Kids ist klar, im Erwachsenenalter gibt es stattdessen Hausärzte. Wozu braucht es zusätzlich eine Frauenärztin?

Was ist eine Frauenärztin?

Eine Frauenärztin ist für die inneren und äußeren Geschlechtsorgane der Frau im Intimbereich sowie für die Brüste zuständig, bei der Vorsorge und der Behandlung von gut- und bösartigen Erkrankungen. Sie begleitet ergänzend zu Hebammen Frauen in der Schwangerschaft und rund um die Geburt. Sie ist Ansprechpartnerin bei Störungen der Monatsblutung, Entzündungen, einem Ungleichgewicht weiblicher Hormone, in Fragen der Empfängnisregelung und bei vielen sexuellen Problemen.

Der Besuch bei der Frauenärztin wird ab dem 20. Lebensjahr ein- bis zweimal pro Jahr zur Vorsorge empfohlen. Wenn ein Mädchen keinerlei Beschwerden hat, genügt es, den ersten Besuch zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr zu planen. Ausnahmen, die Praxis früher aufzusuchen, sind Beschwerden im Genitalbereich, starke Schmerzen und/oder Störungen der Monatsblutung, das Ausbleiben der ersten Blutung bei Mädchen älter als etwa 16 Jahre oder wenn kein Tampon eingeführt werden kann. Außerdem ist die Frauenärztin ansprechbar, wenn ein Mädchen schon sexuell aktiv ist oder unsicher, ob alles okay ist, zum Beispiel bei unklaren Tastbefunden der Brust.

Ein Kennenlerntermin kann helfen

Vielen Mädchen hilft ein orientierender erster Termin ohne Untersuchung, um die Ärztin und die Praxis kennenzulernen. Respektieren Sie unbedingt, ob sie zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen möchte. Drängen Sie Ihre Tochter nicht zu Ihrem Gynäkologen. Überrumpeln Sie sie nicht, indem Sie mit Terminen Tatsachen schaffen. Klären Sie mit ihr, wann sie dazu bereit ist. Sie sollte wissen: Vor der Untersuchung entkleidet sie sich in einer Umkleidekabine im Untersuchungsraum untenherum – nie ganz! Ein langes Shirt ist ein guter Sichtschutz auf dem Weg zum Untersuchungsstuhl.

Steht eine Untersuchung an, bereiten Sie sie darauf vor, dass die Frauenärztin dafür einen speziellen Untersuchungsstuhl benötigt, auf dem man zurückgelehnt sitzt, während die Beine seitlich auf Beinschalen oder Bögen gelagert sind. Nur so kann die Ärztin durch die Scheide bis zum Eingang der Gebärmutter schauen. Dazu schiebt sie vorsichtig mit Untersuchungsinstrumenten die Scheidenwände beiseite. Zusätzlich kann sie die inneren Geschlechtsorgane durch die Scheide abtasten und sie mit einem schmalen Ultraschallgerät betrachten. Falls es wehtun sollte, bitte Bescheid sagen. Die Frauenärztin ist immer ansprechbar.

Dr. med. Ute Buth ist Frauenärztin, Sexual- und Weißes Kreuz-Fachberaterin. Sie leitet die Beratungsstelle „herzenskunst“ in Bochum, ist verheiratet, Mutter zweier Töchter und Autorin des Teenie-Aufklärungsbuches „Mädelskram“. 

„Hilfe, meine Tochter hat ihren ersten Freund!“ – So sprechen Sie über Sex und Verhütung

Die erste Beziehung ist für Jugendliche ein wichtiger Schritt. Therapeutin Melanie Schüer erzählt, welche Fettnäpfchen Eltern jetzt vermeiden sollten.

„Meine Tochter hat ihren ersten Freund. Wie verhalte ich mich als Mutter jetzt am besten?“

Es gibt so manche ersten Male im Leben von heranwachsenden Kindern – und der erste Freund gehört definitiv dazu. Wenn Ihre Tochter Ihnen selbst von der Beziehung erzählt, können Sie schon einmal stolz sein: Offenbar hat sie Vertrauen zu ihnen und sieht sie als wichtiges Gegenüber. Doch auch wenn Ihr Kind die Neuigkeit zunächst geheim hält, sollten Sie das nicht persönlich nehmen. Es hängt sehr vom Charakter ab, wie leicht oder schwer es einem Jugendlichen fällt, seinen Eltern eine solche Nachricht zu übermitteln. Und es gibt weitere Faktoren wie zum Beispiel:

  • Wie offen sprechen die Gleichaltrigen über dieses Thema?
  • Was haben die Jugendlichen darüber schon gehört, zum Beispiel von Freunden und Freundinnen?
  • Ist Ihr Kind das älteste Kind oder hat es schon Geschwister, die diese Erfahrung bereits gemacht haben?

Wenn sie davon erfahren, liegt es an Ihnen, möglichst souverän und vertrauenswürdig zu reagieren. Denn je besser Sie mit der Neuigkeit umgehen, desto höher ist die Chance, dass Sie Ihre Tochter in einer positiven Gestaltung der neuen Lebenssituation begleiten können und Ihr Kind Ihre Unterstützung annimmt.

Gelassen und respektvoll reden

Unterlassen Sie unbedingt herablassende Kommentare, aber auch mit lustig gemeinten Scherzen sollten Sie vorsichtig sein. Denken Sie daran: Ihre Tochter erlebt das alles zum ersten Mal und wird eine gehörige Portion Unsicherheit und vermutlich auch Verlegenheit Ihnen gegenüber verspüren. Ihr Job als Elternteil ist es daher, Gelassenheit und Normalität auszustrahlen. Reden Sie möglichst entspannt und weder besonders aufgeregt noch übertrieben locker oder humorvoll über das Thema. Versuchen Sie, eine ruhige, respektvolle und unaufgeregte Gesprächsstimmung herzustellen. Zeigen Sie Interesse, ohne zu neugierig zu wirken, beispielsweise so: „Super, ich freue mich für dich. Das ist ja eine ziemliche Veränderung, was? Wie heißt er denn und wo habt ihr euch kennengelernt?“

Kennenlernen ohne Einmischen

Natürlich wollen Sie sich als Elternteil ein Bild von dem Auserwählten Ihres Kindes machen und das ist auch gut so! Wichtig ist aber auch hier eine gewisse Zurückhaltung. Geben Sie Ihrer Tochter etwas Zeit. Wenn sie dann selbst kein Kennenlernen vorschlägt, können Sie behutsam nachfragen: „Ich würde Tobias ja gerne mal kennenlernen. Muss nicht lang sein. Vielleicht morgen Nachmittag kurz zum Tee, wenn er dich abholt?“

Beim Treffen selbst stellen Sie ein paar interessierte, aber nicht zu persönliche Fragen zum Beispiel über Hobbys, eventuelle Geschwister, Lieblingsfächer oder berufliche Pläne. Und erzählen Sie ruhig etwas von sich, aber nur kurz und knapp („Ach ja, Mathe hab ich früher auch nicht gemocht. Ich hatte damals die Idee, Polizistin zu werden, aber daraus wurde nichts.“).

Auch wenn Sie keinen guten Eindruck von Ihrem Gegenüber haben, bleiben Sie höflich und respektvoll. Sonst bringen Sie Ihr Kind nur gegen sich auf. Denn die rosarote Brille ist gerade in der Verliebtheitsphase ziemlich machtvoll! Sollte etwas an dem Freund Ihres Kindes oder dem Umgang miteinander Ihnen wirklich Sorgen machen, dann sprechen Sie in einem ruhigen Moment vorsichtig mit Ihrer Tochter. Formulieren Sie Ihre Sorge als Ich-Botschaft und eher als Frage: „Ich merke, dass du gern mit Jonas zusammen bist und das freut mich. Ich fand es auch super, dass ich ihn kennenlernen konnte. Nur irgendwie gibt es da etwas, das mich beschäftigt. Vielleicht übertreibe ich oder verstehe es falsch, aber mein Eindruck ist, dass …“

Verhütung ansprechen

Natürlich ist auch Intimität ein wichtiger Aspekt, wenn Ihre Tochter (oder auch Ihr Sohn) zum ersten Mal in einer Beziehung ist. Auch hier gilt es, mit Bedacht und möglichst gelassen und wertschätzend vorzugehen. Auf keinen Fall sollten Sie hier allzu scherzhaft oder von oben herab auftreten, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ebenso sollten Sie es vermeiden, diesen Aspekt wie ein Tabu-Thema zu behandeln. Bemühen Sie sich auch hier um einen möglichst normalen, unaufgeregten Tonfall. Suchen Sie das Gespräch unter vier Augen zu einem Zeitpunkt, zu dem Ihr Kind entspannt und zugänglich scheint (Das ist in der Pubertät durch das Hormonchaos häufiger mal nicht der Fall … dann lieber etwas abwarten!). Warten Sie aber nicht zu lange, denn im Rausch der Verliebtheit können auch die scheinbar vernünftigsten Jugendlichen manchmal viel schneller im Bett landen, als man das für möglich gehalten hätte.

Eine mögliche, beispielhafte Einstiegsformulierung wäre: „Hast du gerade etwas Zeit? Ich wollte gerne noch mit dir über etwas sprechen. Du bist ja jetzt ein paar Wochen mit Marcel zusammen. Ich weiß nicht genau, ob ihr beide schon über Verhütung gesprochen habt. Wir hatten das Thema ja noch nicht so ausführlich. Ich wollte dich mal fragen, wie gut du dich da informiert fühlst oder ob du Fragen hast?“ Warten Sie dann erst einmal ab, was Ihr Kind schon weiß, und beschränken Sie sich auf die wichtigsten Informationen, zum Beispiel:

  • Nur Kondome schützen vor Geschlechtskrankheiten;
  • Es gibt weitere Möglichkeiten wie die Pille;
  • Manchmal wirkt die Pille nicht (Durchfall, Erbrechen, verschiedene Medikamente wie Antibiotika).

Bedeutung der Intimität hervorheben

Sie können Ihrer Tochter auch einen gemeinsamen Besuch bei der Gynäkologin vorschlagen. Weiten Sie das Thema nicht zu sehr aus, aber versuchen Sie, zumindest kurz auf die Bedeutung von Intimität einzugehen: „Du allein entscheidest, wie weit du mit Marius gehen willst. Ich traue dir zu, gute Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist, dass du immer nur das tust, womit du dich wirklich wohlfühlst. Überlege einfach gut, was wann dran ist und lass dir Zeit. Manchmal lässt man sich zu Dingen hinreißen, die man später bereut. Gerade am Anfang einer Beziehung, da hat man quasi eine rosarote Brille auf. Oft sieht man erst nach einem halben bis einem Jahr klarer und kennt auch die Schwächen des anderen und sieht, ob es wirklich passt.“

Und, was manchmal vergessen wird: „Kein Verhütungsmittel ist 100 Prozent sicher. Etwa 5 von 100 Frauen, die mit Kondom verhüten, werden innerhalb eines Jahres schwanger. Deshalb ist es immer sinnvoll, sich genau zu überlegen: Würde dieser Junge im Ernstfall, wenn was schiefgeht, zu dir stehen? Willst du das gewisse Risiko eingehen, kannst du ihm vertrauen? Ich denke, dass man keine Nacktfotos verschicken sollte, ist dir sicher klar. Da sind echt schon schlimme Dinge passiert …“

Überlegen Sie sich vorher, welche Botschaften Sie vermitteln wollen und finden Sie dann Ihre eigenen Worte. Die obigen sind nur als Inspiration gedacht.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin. Sie bietet (Online-)Beratung für Eltern von Babys und Kleinkindern mit Schrei- und Schlafproblemen an (neuewege.me).