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Über andere reden …

Es ist gar nicht so leicht, beim Reden über andere Menschen nicht ins Abwerten oder „Lästern“ zu verfallen. Eva Ricarda John zeigt die Hintergründe auf und gibt konkrete Hilfestellungen zur Selbstreflexion.

Über andere reden? Das macht man doch nicht! Oder doch? Natürlich, jeder redet über andere! Das geht ja auch gar nicht anders. Doch was ist das richtige Maß? Welches sind die richtigen Worte? Wie ist es mit dem rechten Zuhören? Wo fängt „lästern“ an?

Wir reden über andere. Natürlich tun wir das. Wir kümmern uns voller Nächstenliebe um andere, also tauschen wir Informationen aus. Wir dienen einander, beten füreinander, also teilen wir Gebetsanliegen aus dem Leben anderer. Auch wenn man jemanden um einen Rat bittet, ist es zuweilen nötig, etwas über andere zu erzählen. Rechtes Erzählen ist in Ordnung – mit Wertschätzung, Offenheit und ohne zu richten. Ich kann einen geschützten Raum mit einem vertrauensvollen Gegenüber dazu suchen. Je älter ich werde, umso mehr verstehe ich Jesu Worte aus Matthäus 7: Wir sollen einander nicht richten und bewerten, denn das Maß, das ich an einen anderen lege, das wird das Maß sein, das Jesus zur Beurteilung von mir anlegen wird. Autsch – das ist mal ein Statement!

Wie Zahnpasta aus der Tube …

Ich kann die Motive anderer für ihr Verhalten, Reden und Leben nicht kennen. Ich habe nicht in ihren Schuhen gestanden, bin nicht ihre Wege gegangen. Darum ist es mir nicht gestattet, Vermutungen oder Beweggründe zu nennen, warum ein anderer so lebt oder handelt. Außer ich rede offen mit ihm selbst darüber. Die Offenheit an sich ist, so glaube ich, ein Kern in diesem Thema: Wenn alles, was ich sage, so formuliert ist, dass ich es auch dem Betreffenden genau so sagen kann, dann bin ich sicher auf einem guten Weg. Wähle ich jedoch abwertende, bewertende oder lästernde Worte über Dritte in meinem Gespräch, dann habe ich den guten Ton verlassen!

Den guten Ton hat man auch dann verlassen, wenn man nur schlechte Dinge über andere zu berichten weiß und das lauthals tut. Oder wenn man andere wortreich niedermacht. Oder wenn man aus Sensationslust über Dritte redet. Oder wenn das Reden geprägt ist von Zynismus und Sarkasmus. Oder wenn nur spitze Andeutungen in halben Sätzen angerissen werden und so über Dritte bewusst Geschichten gestreut werden, die der Zuhörer zu Ende fantasieren muss. Oder wenn nur die Schwächen und Fehler von Dritten benannt werden, wenn es nur immer um das Negative geht. Dann sollten beim aufmerksamen Zuhörer alle roten Lampen angehen!
Denn dahinter steckt keine Liebe. Im 1. Johannes-Brief heißt es: „Wer seinen Bruder nicht liebt, der ist nicht aus Gott …“ Wenn ich also meinen Nächsten liebhabe, kann ich eigentlich nichts Böses über ihn reden. Psalm 15 klärt darüber auf, dass niemand, der in Gottes Nähe lebt, einen Mitmenschen in Verruf bringt oder ihm Schaden zufügt. Wir sind aufgerufen, eine „Zunge der Weisen“ zu haben (Sprüche 12,18) und nicht unbedacht zu reden. Im Jakobusbrief werden wir gewarnt vor dem, was die Zunge anrichten kann: ganze Waldbrände! Das ist etwa so wie Zahnpasta aus der Tube. Was da einmal raus ist, das ist raus – niemals bekommst du es zurück in die Tube. So ist auch schlechtes Reden über andere. Das wird seine Kreise machen. Die Bibel sagt, dass der Herr mit Freude auf die schaut, die nach seinem Willen leben: in Liebe! Und dass er sich allen entgegenstellt, die Böses tun oder reden. Das ist ein klares Wort. Wie schnell vergessen wir das.

Den eigenen Wert erhöhen

Bevor wir konkret überlegen, wie wir das im Alltag besser umsetzen können, macht es Sinn, einmal zu schauen, warum Menschen schlecht reden oder lästern. Ein Hauptgrund ist, dass der Mensch sich oft besser fühlt, wenn er andere herabsetzt. Jemanden niedermachen, indem man ihn abwertet, heißt: Macht nehmen über den anderen, um den eigenen Wert zu erhöhen. Manchmal sind es auch verletzte Menschen, die vom Opfer zum Täter werden nach dem Motto: „So wie es mir ergangen ist, soll es auch dir ergehen.“ Ein anderer Grund ist Neid. Neid ist ein Gefühl, vor dem die Bibel warnt. Wir haben kein Recht, den Erfolg, Besitz oder die Fähigkeiten anderer abzuwerten oder zu verlästern. Die Bibel fordert uns auf, Liebe zu üben, selbst unseren Feinden gegenüber. Manchmal ist da nicht mal ein Feind, sondern einfach nur ein unsympathischer Mensch. Dabei sollten wir uns fragen: Wa- rum entsteht in mir diese Antipathie? Was sich in meinem Inneren abspielt, kann viele Gründe haben und ist immer meine Aufgabe!

Dann gibt es noch die Menschen, denen es nicht in die Wiege gelegt wurde, Empathie für andere zu empfinden. Sie haben kein Bewusstsein dafür entwickelt, dass sie mit ihren Worten verletzen, kränken, Schaden anrichten. Zuweilen erlebt man, dass Ärger, Frust oder Wut im Herzen des Sprechers oder der Sprecherin das Gespräch übernehmen in der Annahme, das jetzt mal rauslassen zu dürfen. Eine innere Haltung, dass immer die anderen schuld sind, kann ebenfalls zu übler Nachrede führen.
Eigentlich ist sie jedoch ein Indiz für mangelnde Selbstreflexion: Wir sollten nämlich zuallererst auf uns selbst achthaben (Lukas 17). Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass auch eine Gruppe einen hohen Druck auszuüben vermag, wenn dort in einer Art und Weise über andere geredet wird, die nicht angemessen ist. Die Bibel ist da klar: Jeder habe acht auf sich selbst! Ich bin vor Gott für mich verantwortlich!

Selbstcheck

Es gibt zwei Wege, in diesem Dilemma etwas zu lernen. Der Grundsatz bleibt: Andere kann ich nicht ändern. Ansetzen kann ich immer nur bei mir selbst. Jeder sollte seine eigene Rede und sein eigenes Denken überprüfen. Dazu einige Fragen, sowohl für den Redenden als auch für den Zuhörenden.

1. Wie rede ich?

Gut ist es, sich selbst einmal bewusst zuzuhören und sich selbst zu reflektieren:

Wie rede ich?
Ist das, was ich erzähle, wahr?
Weiß ich, dass es wahr ist, oder nehme ich es nur an?
Spüre ich die Stimmung, in der ich rede? Ist es Liebe? Sorge? Ärger? Wut? Neid? Fürsorge? Verletzung? Überforderung?
Ist es zwingend notwendig, dass ich „es“ erzähle? Wem nutzt es?
Hat das, was ich erzähle, mit dem anderen zu tun oder doch eher mit mir?
Dient es dem Betroffenen?
Dient es der Sache?
Oder diene ich mir gar selbst?
Bin ich sensationslustig?
Was ist mein Motiv?
Fühle ich mich besser, wenn andere schlechter dastehen?
Ist das, was ich erzähle, etwas Gutes?

2. Wie reagiere ich?

Ich habe als Zuhörer oder Zuhörerin immer die Wahl:

Wie reagiere ich, wenn andere mir etwas erzählen und ich dabei ein beklemmendes Gefühl habe?
Bin ich höflich und höre deshalb zu oder kann ich ehrlich rückmelden, mich abgrenzen?
Gebe ich durch Zuhören und Rückfragen einer Sache zu viel Bedeutung?
Weiche ich aus oder bin ich klar?
Kann ich Klartext reden?
Kann ich, wenn nötig, eine Distanz herstellen? Wenn nicht: Treibt mich meine Neugier an oder bin ich einfach zu feige?

Verantwortung übernehmen

In Workshops bitte ich meine Teilnehmer, sich im Stillen einer Situation aus dem eigenen Alltag zu stellen. Mit dieser privaten Situation im Kopf werden dann einmal diese und ähnliche Fragen durchwandert. Schriftliche, nur für den eigenen Bedarf genutzte Antworten bringen Licht in das Dunkel in mir. So lerne ich mich besser kennen, habe ich acht auf mich selbst und übernehme vor Gott Verantwortung für mein Reden und Zuhören. Das erfordert etwas Übung. Doch mit der Zeit können wir lernen, diese Haltung mit in den Alltag zu nehmen. Und es wird immer schneller gehen, sich selbst zu prüfen und zu hinterfragen. Das ist ein Zeichen von Reife und Weiterentwicklung im Christenleben: Wir lernen nie aus!

Wie rede ich nun „richtig“ – oder, wie die Bibel sagt, „weise“ –, wenn es nötig ist, über Dritte zu reden? Ich überlege genau, mit wem ich vertrauensvoll reden kann. Ich wähle Zeit und Ort, um einen geschützten Raum zu haben. Ich sage nur das, was wahr ist. Ich sage nur das, was ich dem Dritten auch genauso persönlich sagen würde. Ich sage genau so viel wie nötig und so wenig wie möglich über andere. Ich berufe mich nie auf Dinge, die ich nur vom Hörensagen kenne. Ich bleibe bei der Wahrheit. Ich streue keine Gerüchte. Und vor allem frage ich mich, ob das, was ich sage, zur Ehre Gottes ist und ob die Worte, die ich wähle, auch Worte sind, die ich in der Gegenwart Gottes gebrauchen würde.
Und dann könnte es noch sein, dass ich Opfer werde. Dass mich andere enttäuschen. Dazu sagt die Bibel, dass der Herr die Herzen kennt und jeden Einzelnen von uns sieht. Das ist ein großer Trost! Zu guter Letzt fällt mir dazu der Rat meiner Uroma Erna ein: „Redet einer schlecht von dir, so sei es ihm erlaubt. Du aber lebe so, dass es ihm keiner glaubt!“

Eva Ricarda John arbeitet selbstständig in der psychologischen Beratung und therapeutischen Seelsorge und als Personal Coach (www.coach-and-vivify.de). Sie lebt mit ihrem Mann in Wiesbaden, sie haben vier Söhne und drei Enkelkinder.

Schnitzel nach Balkan Art

Christof Klenk über Korrektheit in der Sprache

Ein Kind stößt immer wieder auf Verbote, deren Sinn es nicht richtig verstehen kann. Im besten Fall klettert es nicht auf den Baum mit den dünnen Ästen, obwohl die Aussicht von dort oben sicher großartig ist. Nicht, weil es absehen kann, dass es sich schwer verletzen könnte, wenn die Äste brechen, sondern weil es nicht will, dass die Eltern schimpfen. In Kohlbergs Theorie der Moralentwicklung ist das die niedrigste moralische Stufe. Bis zum neunten Lebensjahr ist das völlig normal.

Leider bewegen wir Erwachsenen uns auch schon mal auf dieser Stufe. „Darf man das heute noch sagen?“, ist eine gängige Frage, die wir gerne mit einem gehörigen Schuss Koketterie vortragen. „Darf man noch Zigeunerschnitzel sagen?“ „Muss ich die Kalorienbombe jetzt tatsächlich Schokokuss nennen?“ Häufig ist es keine echte Frage. Wüssten wir nicht, dass da etwas faul ist, würden wir gar nicht fragen. Wir wollen eher zum Ausdruck bringen, dass wir das ganze „Gedöns“ übertrieben finden.

Mich stört dabei nicht in erster Linie der Tabubruch, mich stört die zur Schau gestellte Naivität. Es dauert wenige Sekunden, um herauszufinden, warum ein Ausdruck heute nicht mehr verwendet wird. Vielleicht stecken dahinter rassistische Konzepte, vielleicht fühlen sich Gruppen damit abgewertet, vielleicht verletzen wir Menschen. Wenn wir den Hintergrund kennen, erscheint manche Sprachregelung nicht mehr so abgefahren. Es hindert uns aber auch niemand daran, nach Eleganterem zu suchen. Ansonsten wäre es ehrlicher zu sagen: „Ich bin zu bequem, mich um eine andere Sprache zu bemühen.“

Christof Klenk ist Redakteur bei Family und FamilyNEXT.

Kindern eine Sprache geben

Viele Eltern wünschten sich, ihr Baby oder Kleinkind besser verstehen zu können. Mit Zeichensprache kann das gelingen. Wie funktioniert es und warum ist es sinnvoll? Eunike Mass erzählt.

Du bist Mutter von drei Kindern und hast jedem von ihnen die Babyzeichensprache beigebracht. Wie kam es dazu?
Ich habe von einer Freundin, die es praktiziert hat, davon erfahren und fand es faszinierend. Sie hat mir daraufhin ein Buch ausgeliehen. Als ich darin blätterte und die Bilder sah, auf denen die Rückantworten der Kinder zu sehen waren, war ich schnell Feuer und Flamme dafür und wollte es unbedingt ausprobieren.

Wie hast du dir die Sprache angeeignet?
Die Zeichen sind sehr logisch, deshalb ist es sehr einfach zu lernen. Ich habe schon während der ersten Schwangerschaft geübt, aber man kann es sich auch aneignen, wenn das Kind schon da ist. Im Prinzip geht es darum, dass man in dem Moment, in dem man spricht, ein Zeichen macht. So lernt das Kind, Wörter mit Zeichen zu verbinden. Meine Kinder haben es sehr schnell gelernt.

Was waren die ersten Zeichen deiner Kinder?
Bei meinen Kindern waren am Anfang „Licht“ oder auch „Vogel“ ganz typische Zeichen. Im Alltag traten dann schnell die Zeichen für „mehr“ und „bitte“ auf, also zum Beispiel: „Kann ich bitte noch mehr haben?“ Und dann im Anschluss „satt“, was das gleiche Zeichen wie für „fertig“ ist. Man kann es generell benutzen, wenn man mit einer Sache fertig ist. „Weg“ kam auch bald – eine Sache ist verschwunden.

Konntet ihr durch die Zeichensprache auch schon Gespräche miteinander führen?
Natürlich konnten wir uns nicht fließend miteinander unterhalten, aber eben kindliche Konversation über alltägliche Dinge führen. Über die Vögel im Garten oder das Essen, über das, was die Kinder wahrgenommen haben. Wir als Eltern hatten so schon früh die Möglichkeit, darauf einzugehen und nachzuhaken. Es war einfach schön zu sehen, wie stolz und glücklich die Kinder darüber wirkten, dass sie von uns verstanden wurden.

Wo siehst du Schwachstellen dieses Konzeptes?
Es gibt Zeichen, die zwei Bedeutungen haben oder sehr ähnlich sind. Da Babys und Kleinkinder mit der Motorik noch nicht so weit sind, kann es zu Verwechslungen kommen oder man muss manchmal raten. Aber normalerweise geht die Bedeutung aus dem Kontext hervor.

Manche Eltern befürchten, dass ihr Kind durch das Erlernen der Zeichensprache später sprechen lernen könnte. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Unsere Kinder haben mit etwa zehn Monaten die ersten Zeichen gemacht, die dann bei jedem mit spätestens eineinhalb Jahren immer mehr durch Wörter verdrängt wurden. Sie werden zudem zweisprachig erzogen, weshalb wir eigentlich erwartet hätten, dass sie später sprechen lernen würden. Haben sie aber nicht. Ich kann diese Befürchtung also nicht bestätigen und kenne auch keine Familie, die Zeichensprache anwenden, auf die das zutrifft. Aus der Sprachentwicklung weiß man, dass man schon früh mit Kindern über Alltägliches sprechen soll. Genau das tun wir mit der Zeichensprache. Mit den Zeichen geben wir ihnen ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie viel von sich preisgeben können, noch bevor sie sprechen können. Es ist wie eine Brücke zur Sprache.

Interview: Ruth Korte

Rechtschreibung

UMZINGELT VON LEHRERN

Katharina Hullen muss sich in ihrer Familie mit Sprachfetischisten herumschlagen.

Katharina: Kennen Sie das? Fünf Jahre im Büro, auf dem Bau oder im Verkauf und schon denkt, fühlt und glaubt man wie alle anderen der Branche. Man wird scheinbar völlig betriebsblind für die „normalen“ Verhaltensweisen der restlichen Welt. Der Bankangestellte kann nicht verstehen, was so kompliziert am Ausfüllen von Formularen sein soll. Und die Sprechstundenhilfe kann sich nicht vorstellen, dass der neue Patient den Weg zum Laborraum nicht kennt, obwohl sie ihn heute doch schon zwanzigmal erklärt hat. Jeder Experte scheint im täglichen Kampf mit der völligen Unwissenheit seines Umfeldes zu sein, und das nervt offenkundig. Aber vielleicht ist es auch andersherum. In unserer Familie ist es so, dass wir umgeben – ich würde sogar sagen: umzingelt! – sind von Lehrern. Ich komme auf zehn Personen im unmittelbaren Freundes- und Familienkreis, die es von Berufs wegen immer besser wissen. Die zwei unausweichlich nächsten Lehrer sind Hauke und seine Mutter! Beide haben einen stark ausgeprägten Sprach-Fetisch, worunter jeder hier manchmal zu leiden hat. Nichts Schriftliches in diesem Haus entgeht ihren zwanghaften Rechtschreibkorrekturen. Vielleicht kommen die Kinder deshalb gern zu mir oder dem Opa, um ihre kindlichen Aufsätze inhaltlich würdigen zu lassen, bevor Papa und Oma mit dem Text ins Gericht gehen. Selbst Untertitel im Fernsehen, die jeder normale Mensch kurz überfliegt und ignoriert, lassen Hauke und Rosi stereo zusammenzucken, wenn sich dort ein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat: Das geht doch nicht! Im Fernsehen! Wie peinlich! Das lesen doch Hunderttausende! Sie sehen überall buchstäblich rot! Irgendwo fehlt immer ein Komma oder eine Endung! Unsere geknechteten Grundschulkinder wissen bereits alle Zeitformen fachsprachlich auszudrücken und selbstverständlich darüber hinaus auch, was eine Alliteration und ein Palindrom ist. Ich wundere mich, dass sie immer noch so gerne Geschichten schreiben, obwohl ihnen die Rechtschreibung schon so oft um die Ohren geflogen ist. Bei unseren Mädchen ist es eindeutig – sie haben das Deutschlehrer-Gen! Wortwitze, Kalauer und sprachliche Spitzfindigkeiten, wo auch immer die Hullens beisammen sind. Am Tisch, im Auto, im Bett (!) – überall lauert eine sprachliche Pointe. Ich danke Gott, dass er mir so viel Humor geschenkt hat, denn sonst wäre das nicht lebenslang zu ertragen. Und wie gut, dass wir Menschen so anpassungsfähig sind. Ich konnte in den letzten 20 Jahren meine Aussprache durch die liebevolle Korrektur meines großartigen Privatlehrers auf hochsprachliches Niveau emporwuchten. Die Kommas in diesem Text hat übrigens meine Schwiegermutter gesetzt, und ab und an rutscht mir auch noch ein „Helf mir bitte mal …“ heraus. Aber dat sind de Gene – da machste nix!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

DER DEPPENAPOSTROPH UND DER UNTERGANG DES ABENDLANDES

Hauke Hullen leidet unter einer Berufskrankheit.

Hauke: Als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, lebt man auf der Sonnenseite des Lebens: Vormittags hat man recht, ab 12 Uhr frei, das fürstliche Gehalt verprasst man in zwölf Wochen Ferien, und einmal im Jahr gibt’s sogar eine Woche Extra-Urlaub, den man mit der 8d in der Jugendherberge Kleinstrupp-Wüsthausen verbringt! Doch es gibt als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, leider auch einen Aspekt, der diesen paradiesischen Zustand immer wieder stört: Man entdeckt ständig Rechtschreibfehler! Nicht nur in Schülertexten, nein, auch in freier Wildbahn! Für Menschen, die mit einer, nun ja, hohen Toleranz gegenüber sprachlichen Normverstößen gesegnet sind, mag meine Pein unverständlich sein. Doch für mich ist ein falsch gesetztes Komma wie ein Pickel, der ein hübsches Antlitz verunstaltet und der die Aufmerksamkeit gerade deshalb auf sich lenkt, weil man krampfhaft versucht, ihn nicht wahrzunehmen. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Schüleraufsätze, sondern um Texte, die Erwachsene verunstalten. Zum Beispiel der Aushang beim Arzt, demnach die Praxis „mittwoch’s von 9-12 Uhr“ geöffnet hat. Oder suchen Sie mittels Internet-Bildersuche nach dem „Deppenapostroph“! Die Ergebnisse dürften Sie ausgiebig erheitern oder zutiefst frustrieren. Und wenn Sie nichts Außergewöhnliches sehen, dann leben Sie bitte einfach zufrieden weiter. Sie sind ja nicht alleine – selbst eine Partei, deren Name hier nicht genannt werden soll, forderte im Wahlkampf eine „Schule für’s Leben“, in der offenbar liberal mit Rechtschreibung umgegangen werden sollte. Ein Hort zwiespältiger Freuden ist auch die Kommasetzung. Viele halten sie für unwichtig, dabei ist sie lebensrettend: „Komm wir essen Opa!“. Setzen Sie bitte Kommas nach Belieben. Aber auch bei „Max sein bester Freund und Moritz griffen nach den beiden Fallschirmen“ oder beim Befehl „Tötet ihn nicht freilassen!“ ist der Beistrich von größter Bedeutung. Ein geradezu tragikkomisches Beispiel lieferte auch eine große Baumarktkette. Sie plakatierte: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Ich bin geneigt, hinzuzufügen: „Kriegen wir auch nicht wieder rein.“ Und auf die zahlreichen unfreiwilligen Mehrdeutigkeiten durch unklaren Satzbau à la „Freund von Prinz William getötet“ (Süddeutsche Zeitung) kann ich aus Platzgründen an dieser Stelle leider gar nicht erst eingehen. Doch was bedeutet das für unser Familienleben? Ich will es etwas anders machen als meine Mutter damals. Als ich ihr nach dem Abi stolz meinen ersten Artikel in der Lokalzeitung zeigte, war ihr erster Kommentar: „Hier fehlt aber ein Komma.“ Sie hatte natürlich recht, hätte an dieser Stelle aber diskret am Pickel vorbei auf meinen ersten Bericht gucken sollen. Ich möchte die beste Ehefrau von allen und unsere Kinder nicht mit meiner Besserwisserei frustrieren. Ich will aber auch nicht für den Untergang des Abendlandes verantwortlich sein, dessen sicherstes Merkmal bekanntermaßen die Verlotterung der Sprache ist. Meiner Frau ist dieses Dilemma egal. Sie würde sagen: „Es ist schwer für Deutschlehrer eine Lösung zu finden.“

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Kinderbücher: Höher Gebildete gegen Streichung von „Neger“

Darf Pippi Langstrumpfs Vater „Negerkönig“ sein, darf die kleine Hexe einem „Negerlein“ begegnen? Die Deutschen sind in dieser Frage gespalten, berichtet die ZEIT.

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