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Achtung, Ansteckungsgefahr!

Wie sie sich vor der miesen Stimmung Ihres Teenagers schützen

Wenn in Ihrem Haushalt ein Teenager lebt, haben Sie es bestimmt selbst schon erlebt: ein Wort, eine Frage, ein Auftrag, der falsche Zeitpunkt – irgendetwas kann die Stimmung von null auf hundert vermiesen. Pflegeleichte Kinder werden plötzlich ruppig. Und beide Seiten – Kinder und Eltern – verstehen die Welt und das Verhalten des anderen nicht mehr. In der Pubertät entwickelt sich der Jugendliche nicht nur körperlich; er reift auch in seiner Psyche vom Kind zum Erwachsenen. Das familiäre Zusammenleben – nicht zuletzt die Definition von Grenzen, geforderten Pflichten und erhofften Freiräumen und Privilegien – bietet eine Unsumme von Reibungsmöglichkeiten.

Schrei nach echten Aufgaben

Kinder betrachten lange Zeit unreflektiert die Meinungen, Werte und Glaubensüberzeugung der Eltern als allein gültige Wahrheit. Ich und Du verschmelzen noch häufig zum Wir. Dieses Wir gibt Sicherheit, Halt und Geborgenheit. In der Zeit der Pubertät schält sich das Ich aus dem (Familien-)Wir heraus. Dazu geht der Teenager entlang der elterlichen Grenzen, überschreitet sie, testet die Folgen und definiert seine eigenen Grenzen und Werte. Meistens fallen in diese Phase der Ich-Findung auch wesentliche Entscheidungen bezüglich des beruflichen Werdegangs.

Der Schweizer Psychologe Allan Guggenbühl schreibt in seinem Buch „Pubertät – echt ätzend“: „Zu Beginn der Adoleszenz sind beim jungen Menschen fast alle Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften entwickelt, die ihn als Erwachsenen auszeichnen. […] Sie haben die Kindheit verlassen und wären bereit, sich den Verantwortungen, Pflichten und Herausforderungen des außerfamiliären und außerschulischen Lebens zu stellen.“ Guggenbühl ist überzeugt, dass „die demonstrative Passivität, der coole Auftritt, das Schwatzhafte, das Chaos, die Introvertiertheit und die Disziplinlosigkeit, mit der Jugendliche auffallen“ der Schrei nach echten Aufgaben sind. Er ruft dazu auf, Teenagern Dinge zuzutrauen, an denen sie sich beweisen, wachsen und auch mal die Finger verbrennen können.

So sehr Ihr Teenager sich nach (Selbst-) Verantwortung sehnt, so sehr überfordert ihn diese Aufgabe – kein Wunder also, wenn er von Stimmungsschwankungen und Launenhaftigkeit hin und her geworfen wird. Auch wenn er sich zuweilen wie ein Kaktus anfühlt, lieben Sie ihn und umarmen Sie ihn im richtigen (!) Moment.

Überlebenstipps für „Kakteenbesitzer“:

• Nehmen Sie die Situation nicht persönlich.
• Rufen Sie sich in Erinnerung, dass Ihr Teenager sich von Ihnen lösen muss. Der erste Schritt dazu ist meistens, die Werte der Eltern in Frage zu stellen.
• Gestehen Sie sich und Ihrem Kind ein, dass die Veränderungen, die Ihr Kind momentan durchläuft, für Sie ebenso herausfordernd sind.
• Halten Sie sich vor Augen: auch diese rebellische Phase hat ein Ende. • Erinnern Sie sich an eigene Wünsche und Bedürfnisse: tun Sie sich etwas Gutes. Planen Sie mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin kleine Auszeiten als Paar.
• Und: Schmunzeln Sie über die folgende Erkenntnis von Mark Twain – sie könnte auch von Ihrem Teenager stammen: „Als ich 14 war, war mein Vater so dumm, dass ich ihn kaum ertragen konnte. Aber als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, wie viel der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte.“

Helena Gysin ist freie Journalistin und lebt mit ihrem Mann und Ihren drei Kindern (20, 18, 15) in Bülach im Zürcher Unterland.

Sonne, Meer und keine Eltern

Wenn Jugendliche allein verreisen wollen

Irgendwann möchten Jugendliche nicht mehr mit ihren Eltern den Urlaub verbringen, sondern mit Freunden. Und das ist gut so. Denn erstens passen die Urlaubswünsche von Jugendlichen und Eltern selten zusammen. Und zweitens ist so eine Reise ein wichtiger Schritt in die Selbstständigkeit. Jugendliche lernen dabei Verantwortung, müssen eigenständig Probleme lösen, Entscheidungen treffen und Kompromisse eingehen.

Eine Frage der Reife

Jugendliche, die alleine in Urlaub fahren wollen, sollten allerdings eine gewisse Reife mitbringen. Dazu gehört, sich der Sorge, wie auch der Aufsichtspflicht der Eltern bewusst zu sein. Vor allem sollte klar sein, dass sie die schriftliche Einwilligung der Eltern brauchen. Wer eine solche Bestätigung nicht hat, wird unter Umständen für einen Ausreißer gehalten. Reife beweist das Kind auch durch die Bereitschaft, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Bevor endgültig über die Reise entschieden wird, sollten Eltern ausloten, wie ihr Kind sich generell verhält. Kann es mit Geld umgehen? Ist es zuverlässig? Wie wird es reagieren, wenn Gepäck, Papiere oder Geld verschwunden sind? Wie, wenn die Freunde sich zerstreiten?

Die Qual der Wahl

Unter der Vielzahl an Jugendreisen ist eine Möglichkeit die Sprachreise, bei der man in einer Gastfamilie lebt oder mit anderen Jugendlichen in einer Ferienwohnung. Alternativ gibt es Ferienkurse oder Freizeiten, bei denen Aktivitäten im Vordergrund stehen: Fotografie, Malerei oder Theater, aber auch Sport wie Surfen, Kajakfahren oder Mountainbiking. Viele Jugendliche wollen aber einfach nur in die Sonne fahren. Auch solch ein Urlaub wird als betreute Gruppenreise oder Freizeit angeboten. Wichtig ist es, sich gut über den Veranstalter und die mitreisenden Betreuer zu informieren, zum Beispiel bei Eltern, deren Kinder schon einmal mit diesem Anbieter weggefahren sind. Manchmal gibt es auch Bewertungen im Internet. Kriterien zur Beurteilung sind einerseits die Erfahrung und Ausbildung der Betreuer, andererseits, ob der Preis auch Ausflüge und Sportangebote enthält und ob es eine gut erreichbare Hotline gibt. Veranstaltet werden solche Jugendreisen von Kommunen, Kirchengemeinden, Vereinen, christlichen Jugendorganisationen und kommerziellen Anbietern.

Umfangreiche Informationen und Checklisten finden Eltern beim Bundes- Forum Kinder- und Jugendreisen e.V. (Berlin): www.bundesforum.de. Die Mitglieder dort unterliegen strikten Qualitätskriterien. Einen Überblick über christliche Freizeitveranstalter findet man auch in family 1/13 in der Rubrik „Leben mit Kindern 11–15“.

Auf eigene Faust

Sollten Jugendliche komplett „auf eigene Faust“ verreisen, gilt das Prinzip der Reife doppelt. Wichtig ist: Das Kind sollte in ein touristisch erschlossenes Land fahren, wo man es per Handy erreichen und zur Not problemlos abholen kann. Hilfreich ist auch, zu den Eltern mitreisender Freunde Kontakt zu halten. Die Jugendlichen sollten sich unbedingt in vereinbarten Abständen zu Hause melden. Solch eine eigenständige Reise sollte am besten vorab übers Wochenende einmal geübt werden. So wie es überhaupt gut ist, wenn Kinder schon in jüngeren Jahren ihre Selbstständigkeit bei elternlosen Ferien erproben. Denn: Aufhalten kann man die Kinder nicht, spätestens mit 18 fahren sie, wohin sie wollen. Und dann sind sie besser vorbereitet.

Silke Mayer arbeitet im Bereich Weiterbildung und Training, daneben ist sie als freiberufliche Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Duisburg.

Illustration: Thees Carstens

„Mama, halt dich da raus!“

Wie Eltern Teens (trotzdem) bei ihren Freundschaften unterstützen können

„Und – was macht Anne so?“ Auf meine harmlose Frage reagiert meine Tochter mit Augenrollen und einem Knurren „Mamaaaaa, halt dich raus …“ Schon länger ist die Freundschaft zu Anne ein Thema. Was vorher ein fester Anker in ihrem Leben war, wird nun zu einem Trümmerfeld. Meine Tochter fühlt sich unverstanden, durch Gesten und Themen der kurzen Treffen ausgeschlossen. Es herrscht Funkstille. Und ich? Ich hätte so viele Tipps: anrufen, liebe Briefchen schreiben, eigene Themen vorschlagen.

Wenn Teens Freunde suchen, hat dies mehr Ebenen als bei Grundschulkindern. Sie suchen Gleichdenkende, Bestätiger, Anfeuerer, Teamkollegen durchs stürmische Leben. Nicht immer entwickelt sich eine Beziehung so, dass es den Teens die Mühe wert ist, diese Freundschaft zu pflegen. Und nicht immer haben Eltern bei Freundschaften den Eindruck, dass sie die Fähigkeiten des Kindes fördern. Nicht selten fühlen sich Eltern also herausgefordert, in die Freundschaften der Teens einzugreifen.

Lob ausschütten

Eltern können Teens bei ihren Freundschaften helfen, indem sie Worte für eigene Krisen und Beziehungskämpfe finden. So kann Mama in einer entspannten Situation von dem Zickenkrieg mit Sandra erzählen, die immer die angesagten Outfits trug. Und davon, wie einsam sie war, bis Wencke in ihr Leben trat. Dabei ist es gut, sich an die Facetten der eigenen Gefühle zu erinnern.

Wenn Eltern das Selbstwertgefühl ihres Kindes stärken, kann es in Freundschaften schneller durchblicken, ob sie ihm gut tun. Eltern sollten zum Beispiel Lob ausschütten über die Orientierung suchende Teenagerseele. Sie sollten ihrem Teenager eine Rückmeldung zu seinem Verhalten geben: „Ich finde toll, wie sorgfältig du über das Geschenk für Lene nachdenkst!“ Oder: „Ich wäre gern dein Freund, du kannst Geheimnisse super für dich behalten.“

Kommt es zum Klagen und zu bitterbösen Beschwerden über Freunde, sind Eltern gefragt, erwachsen zu handeln. Sie sollten nicht in das Klagen einstimmen, nach dem Motto: „Ja, stimmt. Tims Eltern sind mir auch suspekt. Unmöglich, wie die ganze Familie sich verhält. Und hast du die Sofakissen gesehen?“ Das klingt jetzt humorvoll und überspitzt – ist aber leider Realität. Damit das Kind reifen kann, ist es nötig, Fragen zu stellen: „Was denkst du, warum hat Tim das getan?“, „Was ärgert dich am meisten?“, „Wie kannst du Tim das erklären?“

Respekt!

Teens nehmen wahr, wie verschieden Familien miteinander leben: Der eine darf selbstverständlich auf das Konzert, der andere nicht. In einer Familie gibt es keine festgelegten Fernsehzeiten, in der andere dürfen Teens am Wochenende nicht außer Haus. Eltern sollten ihren Teens helfen, Respekt für die Lebensform und die Familienentscheidungen ihrer Freunde zu entwickeln. Sie müssen nicht alles verstehen und bejahen, aber den anderen darin leben lassen.

Teens reiben sich an ihren Eltern und sollen das auch tun. Auch beim Thema Freundschaften. Ich habe für die Anne-Thematik unendlich viele Vorschläge gemacht – zu viele. An der Reaktion meiner Tochter merke ich: Sie muss lernen, ihre Gedanken auszudrücken. Ich kann nicht ihr Textansager sein. Sie darf Freundschaften betrauern und ehrlich mit sich sein.

Gerne stelle ich meine Möglichkeiten zu Verfügung: Fahrdienste, meine Küche, meine Zeit. Ich habe aber gelernt: Auch wenn ich Anne als Freundin für mein Kind geliebt habe, habe ich nun kein Recht diese Freundschaft zu erzwingen.

Eine Lektion für uns beide …

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und arbeitet im Gemeindejugendwerk Südwest, um Mitarbeiter für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auszubilden. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.

Illustration: Thees Carstens

Schreckenszeit Pubertät?

Was vielen Eltern Angst macht, ist eine wichtige Entwicklungszeit ihrer Kinder. Nicht mehr und nicht weniger

Es gibt wohl nur wenige Wörter, die Eltern so sehr in Schrecken versetzen wie „Pubertät“. Aufgeklärte, moderne und frohgemute Väter und Mütter sehen plötzlich mürrische, wie Landstreicher gekleidete, Schimpfwörter rufende Monster vor sich, deren Lieblingsausspruch „Ich bin dagegen!“ ist. Dabei bezeichnet der Begriff „Pubertät“ nichts anderes als eine physische Veränderung im Körper der Mädchen und Jungen.

Zeit der Veränderungen

Durch die hormonellen Veränderungen kommt es zu Stimmungsschwankungen. Der Teenager muss seinen „neuen“ Körper erst einmal akzeptieren. Aus dem süssen, blond gelockten Mädchen wird eine junge Dame, die plötzlich niemand mehr „niedlich“ findet. Der kleine, wilde Rabauke wird in kurzer Zeit zum sportlichen jungen Mann mit Bartstoppeln und tiefer Stimme. Das verunsichert nicht nur den Jugendlichen selbst, sondern auch seine Umgebung. Verwandte und Bekannte, die den jungen Menschen nicht täglich sehen, erkennen diesen oft nach wenigen Wochen oder Monaten nicht wieder und benehmen sich dem Teenager gegenüber völlig anders als früher. Zudem sind Autoritätspersonen plötzlich gleich groß oder gar kleiner als der Teenager selbst. Das verunsichert und verschreckt den Pubertierenden. In seiner Unsicherheit reagiert der Junge oder das Mädchen dann viel ruppiger oder unfreundlicher als gewollt.

Für die Zeit der Pubertät gilt ganz besonders, was der weise König Salomo so treffend beschrieb: „Alles hat seine Zeit!“ (Prediger 3). Pubertät ist eine ganz besonders wichtige Phase im Leben. Es ist äußerst bedauerlich, dass gerade diese so wertvolle und Weichen stellende Zeit derart negativ behaftet ist. Dabei ist diese Zeit der Veränderung in Wirklichkeit eine Chance!

Begleiten auf dem Weg zur Reife

Niemand wünscht sich, dass Himbeeren oder Johannisbeeren im grünen, unreifen Stadium bleiben. Es gibt nichts Herrlicheres, als Obst zum richtigen Zeitpunkt zu ernten und zu genießen. Mit genau diesen Augen dürfen Eltern ihre Heranwachsenden sehen: als Menschen, die „noch nicht fertig“ sind.

Es wird sie geben, die Tage, an denen der Sohn oder die Tochter sich selbst nicht leiden kann. Manchmal kann man direkt beobachten, wie in einer Phase die Körperproportionen durch unterschied liches Wachstum nicht mehr harmonisch zusammenpassen. Da kann es hilfreich sein, gemeinsam Fotos von der eigenen Teeangerzeit zu betrachten, wo plötzlich die Nase zu groß, die Beine zu kurz oder die Arme zu lang erschienen. Oder auch zu erzählen, wie sich die Mutter als Mädchen oder der Vater als Vierzehnjähriger in gewissen Situationen fühlte. Wie peinlich es war, als die Stimme in der Zeit des Stimmbruchs plötzlich hoch und dann wieder ganz tief erschien. Oder wie unangenehm die ersten weiblichen Rundungen wahrgenommen wurden!

Eltern von Teenagern sollten sehr sensibel sein, wenn es darum geht, über diese Zeit Späße zu machen oder zu lachen. Manchmal kann es aber hilfreich sein, den Kindern komische Momente aus der eigenen Teenagerzeit zu erzählen. Sie merken dann: Mit Humor ist manches leichter zu ertragen.

Pubertät – ein Schreckgespenst? Nein, aber eine Zeit, in der neben Geduld eine Extraportion Humor nicht schaden kann. Und das Erinnern und Vertrauen: Gott hat diese Zeit der Reife und des Wachstums geschenkt! Was kann daran verkehrt sein?

Roswitha Wurm arbeitet als Lern-, Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin und lebt mit ihrer Familie in Wien. Sie hat drei Kinder zwischen 14 und 20.

Illustration: Thees Carstens