Alltagskokon
Woran liegt es, wenn die Kraft fehlt, um die Flügel auszubreiten?
Ich höre es immer wieder: „Ich bin so k.o.!“ Oder: „Warum bin ich bloß so dauermüde?“ Ich kann gerade selber fühlen, was gemeint ist. Heute ist Kopfwehtag, die Wäsche oben piept mahnend und erinnert mich auch noch an die zwölf Hemden, die ich für Henrik bügeln muss. Ich lasse Tarik TV gucken, weil ich so lahm bin. So müde und matt. So sehr mit dem Jetzt beschäftigt und eingewickelt, das mir nicht mal Kaffeetrinken Spaß macht. Ich fühle mich schlecht dabei. Ich sehe mich um und überall liegt etwas herum: Schuhe, Marmeladengläser, Bastelsachen für diverse Gruppen, Bücher, kopierte Artikel, Abholscheine für Schulbücher, aussortierte Kleidung aller Kids – die wollte ich eigentlich schon seit Tagen wegbringen … Es fühlt sich in diesem Moment an, als wickle mich mein Alltagsgewimmel wie Klarsichtfolie ein. Zu einem bewegungsunfähigen Wurm. Ich stecke in einem Kokon aus Murren und Seufzen fest. Ich komme nicht dagegen an. Während ich in dieser Starre aus Müdigkeit bleibe, sehne ich mich nach den Flügeln eines Adlers. Die Bibel beschreibt dieses Bild. Menschen, die Gott vertrauen, fliegen kraftvoll in den Himmel und nutzen dabei die große Spannbreite der Flügel voll aus. Warum dann meine Lähmung? Wieso genieße ich mein Jetzt nicht? Mir fällt auf, dass ich mein Pensum und Tempo erhöhe und mich dann wundere über Müdigkeit. Einerseits liebe ich zum Beispiel Blogs von Menschen, die dekorieren und aus Zutaten Leckeres machen und bei denen ein Sonntagskaffeetisch aussieht wie aus dem Malbuch. Ich lasse viel Zeit beim Bewundern und Nachmachen, bis ich enttäuscht und kraftlos aufgebe und Waffeln backe. Denn in meinem Leben gibt es nicht nur den Fotoausschnitt, sondern es liegen neben dem 1A-Kuchentisch auch noch Wäsche, Rechnungen, Altpapierberge und Berge an Post. Ich lege mir den beengenden Kokon oft selbst an. Hochglanz versus Alltag. Sehnsucht gegen Müdigkeit. Enge gegen Freiheit. Eine Spannung. Eine Spannung, die Kraft raubt. Kraft, die Gott mir anbietet. Ich darf neue Kraft ertasten, wenn ich Gott vertraue. Ich will Gott meine engen Kokon-Schichten hinhalten. Um neue Sichtweisen bitten. Ich will durch mein Vertrauen mit seinen Möglichkeiten rechnen. Will mich wie ein Adler auf die Luftströme legen und gleiten. Das ist nichts, was ich selbst tun muss, sondern was ich nutzen darf. Gottes Kraft ist da. Sie lässt sich nutzen. In ganz kleinen Schritten kann ich mit diesem Aufwind aussortieren, was heute hilfreich ist. Ich lebe den Tag mit der Kraft, die ich heute habe. Ich lasse meine inneren Forderungen an mich los. Nun gehe ich den Trockner ausstellen, meinen Sohn knuddeln und dabei das TV ausschalten.
Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.
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