„Er liegt uns auf der Tasche“
„Unser Sohn hat schon zum zweiten Mal das Studienfach gewechselt. Dadurch verlängert sich das Studium immer mehr. Nächstes Jahr beginnt auch unsere Tochter ein Studium. Beide finanziell zu unterstützen, ist für uns sehr schwierig. Können wir dem Sohn die Unterstützung streichen oder kürzen?“
Zunächst eine grundsätzliche Bemerkung: Fragen zum Ausbildungsunterhalt zu beantworten, ist schwierig, weil es im Unterhaltsrecht immer auf den konkreten Einzelfall ankommt. Zudem gibt es nicht viele Gerichtsentscheidungen – und auch die sind immer auf den konkreten Einzelfall bezogen.
IRREN IST MENSCHLICH – AUCH ZWEIMAL
Weil sie eine Ausbildung betreiben, sind Studierende in der Regel nicht in der Lage, ihren Unterhalt selbst zu bestreiten. Bei ihren Eltern wird wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorausgesetzt. Hinzu kommt: Verletzungen der Unterhaltspflicht durch die Eltern stellen einen Straftatbestand dar. Einfach weniger Unterhalt zu leisten, als man müsste, oder keinen Unterhalt zu leisten – davon sollten Eltern Abstand nehmen.
Beim deutschen BAföG gibt es die Regelung, dass nur in absoluten Ausnahmefällen zwei Irrtümer hinsichtlich der Fachrichtung zugelassen werden. Aber diese Regelung kann man nicht 1:1 auf das Unterhaltsrecht übertragen. Irren ist menschlich, auch zweimal irren. Und Eltern müssen beim Unterhalt auch eine „maßvolle“ Überschreitung der Regelstudienzeit hinnehmen.
ANDERE FINANZIELLE LÖSUNGEN FINDEN
Damit kommen wir zum Kern Ihrer Frage: Die bloße Verlängerung der Studienzeit ist für sich gesehen kein Grund, den Unterhalt zu kürzen oder ihn nicht mehr zu gewähren. Es wird darauf ankommen, ob Ihr Sohn für beide Fachrichtungswechsel gute Gründe vorbringen kann und ob er Sie über seine Planungen informiert hat. Denn er hat ein Recht auf Förderung einer Ausbildung, die seiner Eignung, Neigung und Leistung entspricht.
Im Laufe der ersten etwa drei Semester könnte sich herausgestellt haben, dass das Studium auf seine Eignung, Neigung und Leistung doch nicht passt. Natürlich muss aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern gegeben sein. Wenn die kleine Schwester studiert, drängt sich geradezu auf, dass sie einen Antrag auf BAföG (D) oder ein kantonales Stipendium (CH) stellt, um sicherzugehen, dass keine staatliche Förderung verloren geht. Dies würde die Eltern entlasten. Überdies könnten die Eltern Unterhaltszahlungen an den studierenden Sohn – sofern das Kindergeld nach seinem 25. Altersjahr weggefallen ist – steuerlich als außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen geltend machen. Aber einfach den Elternunterhalt streichen oder mutwillig kürzen, das geht nicht.
Bernhard Börsel ist Referatsleiter für Studienfinanzierung und Bildungspolitische Fragen beim Deutschen Studentenwerk.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com
Weitere Infos:
Deutschland:
Zahlen und Infos zu Unterhaltshöhen und Selbstbehalt finden Sie in der „Düsseldorfer Tabelle“:
www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle
Schweiz:
Rechte und Pflichten der Eltern:
https://www.beobachter.ch/bildung/lehre-studium/berufsbildung-wie-lang-mussen-eltern-zahlen