Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Geliebt und gebraucht werden

„Können Kindergartenkinder schon Aufgaben zu Hause übernehmen? Wenn ja, welche können das sein?“

Wenn man mich fragen würde, was denn das absolut Wichtigste für das gute Leben eines kleinen Menschenkindes ist, dann würde ich wie aus der Pistole geschossen antworten: die Liebe. Die Liebe seiner Eltern, die Nähe und Geborgenheit, die diese Liebe spendet, die Fürsorge und Zuwendung. Das Menschlein wird versorgt und genährt durch die Liebe. Sie ist so lebensnotwendig wie Sauerstoff. Und doch – sie allein reicht nicht aus.

Kinder wollen nützlich sein

Dem Menschenherz ist es zu eigen, dass es nicht nur geliebt werden will, es will auch gebraucht werden. Dabei ist es gleich, wie alt dieses Herz ist, ob drei, dreizehn oder dreißig. Schon junge Kinder wollen wirklich gebraucht werden. Sie sollen wissen: „Gott sei Dank bist du da. Was würden wir nur ohne dich anfangen? Ohne dich wäre das alles gar nicht zu schaffen!“ In einer Familie sollte man sich also tunlichst davor hüten, die Welt in eine Kinder- und eine Erwachsenenwelt aufzuteilen, in der man sich allenfalls wechselseitig besucht. Es braucht nur eine gemeinsame Familienwelt, in der jeder unbedingt seinen Beitrag leisten sollte.

Die Möglichkeiten zur Mithilfe sind vielfältig und wandelbar. Schon kleine Kinder können helfen, Sockenpaare zu finden, Wäsche in die Maschine zu füllen oder den Tisch zu decken. Sie rühren mit Freude Kuchenteig, kehren begeistert die Straße und sind durchaus in der Lage, ihren Teller selbstständig in die Spülmaschine zu räumen oder ein Stück Butter in die Dose zu legen. Im Idealfall erledigt ihr gerade in den frühen Jahren diese Aufgaben gemeinsam. Dann muss man nicht nur ordentlich arbeiten, damit der Laden läuft, sondern hat auch noch eine nette Unterhaltung dabei. Man lernt voneinander und hilft sich gegenseitig.

Aufgaben klar formulieren

Überfordern sollte man junge Kinder aber nicht, die Aufgaben sollten überschaubar und klar formuliert sein. „Räum dein Zimmer auf!“ ist eine viel zu unkonkrete und komplexe Aufforderung. „Räum bitte die Bausteine zurück in die Box!“ ist dagegen klar begrenzt und einfach umsetzbar. Langsam, Stück für Stück wächst dadurch auch die Selbstständigkeit, Hand in Hand mit dem Selbstbewusstsein.

Natürlich ist diese Art der Mithilfe für Eltern keine echte Entlastung, noch nicht! Wenn man der Versuchung widersteht, alles mal eben fix selbst und allein zu erledigen, dann hat man in nicht allzu ferner Zukunft wirkliche Hilfe im Haus. Es wäre aussichtslos, von einem Zehnjährigen plötzlich kompetente Unterstützung zu erwarten, der bis dahin nicht erfahren durfte, wo sich die Mülltonnen befinden. Von klein auf als selbstverständliche Notwendigkeit erlernt, wird die Mithilfe in späteren Jahren kaum hinterfragt, auch wenn ihre Form dann immer wieder neu verhandelt werden muss.

Wenn Sie mich fragen würden, was das absolut Wichtigste für das gute Leben eines jeden Menschen ist, dann würde ich antworten: geliebt und gebraucht zu werden.

Sandra Geissler ist katholische Diplomtheologin und zurzeit Familienfrau. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Nierstein am Rhein und bloggt unter 7geisslein.com.