Mehr als eine Sprache lernen

„Unsere Tochter erhält seit dem neuen Schuljahr Englischunterricht in ihrer Grundschule. Was können wir als Eltern von diesem Unterricht erwarten?“

Fremdsprachenunterricht in der Grundschule wird in Deutschland seit einigen Jahren flächendeckend ab der Klasse 3, zum Teil bereits ab Klasse 1 unterrichtet. In den meisten Bundesländern findet dieser Unterricht im Fach Englisch statt. Da es in der Schweiz verschiedene Landessprachen gibt, wird hier in der Regel zuerst eine andere Landessprache gelernt, bevor Englisch unterrichtet wird. Um sich ein genaueres Bild vom Fremdsprachenunterricht in der Grundschule machen zu können, sollten Sie die Lehrkraft Ihres Kindes bitten, die speziellen Rahmenbedingungen sowie Methoden bei einem Elternabend vorzustellen.

SPRACHE UND KULTUR

Ziel dieses Unterrichtes ist es, bei den Kindern die Freude an der fremden Sprache und die Neugier auf die Kultur des Zielsprachenlandes zu wecken. Neben dem Erlernen der Sprache wird also auch eine nicht unerhebliche interkulturelle Kompetenz bei den Schülerinnen und Schülern entwickelt. Häufig werden die Kinder in ein sogenanntes Sprachbad der fremden Sprache getaucht, indem die Lehrkraft grundsätzlich nur auf Englisch mit ihnen spricht. Sie lernen englische Vokabeln nicht durch das stumpfe Pauken dieser Wörter, sondern dadurch, dass sie englische Begriffe beim Nachsprechen mit Bewegungen kombinieren. Beispielsweise stehen sie auf, wenn sie die Anweisung „stand up“ hören. Kindgerechte Hörtexte, die von native speakers – also Sprechern aus dem Zielsprachenland – eingesprochen werden, ermöglichen es der Lehrkraft zudem, die authentische englische Sprache in das Klassenzimmer zu holen. Das Lesen der englischen Sprache wird erst nach und nach entwickelt – genau wie das Schreiben englischer Wörter. Vermittelt werden Begriffe aus den Bereichen des Lebensumfeldes der Kinder. Auch im Französischunterricht in der Schweiz wird der Fokus vermehrt auf das Sprechen und nicht auf die Grammatik gelegt.

ZEIT GEBEN

Im Rahmen des Fremdsprachenunterrichtes in der Grundschule eignen sich die Schülerinnen und Schüler so ganz nebenbei wichtige Methodenkompetenzen im Sprachenlernen an, die auch für das weitere Erlernen der englischen Sprache und anderer Fremdsprachen wichtig sein werden. Entscheidend ist, jedem Kind seine individuelle Zeit zu geben, mit der fremden Sprache umzugehen. Häufig finden sich in einer Lerngruppe Kinder, die sich zwar dem Sprachbad aussetzen, sich aber selbst zunächst nicht sprachlich äußern möchten. Sie durchlaufen eine sogenannte „stille Phase – silent period“, die sie zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt in der Regel überwinden. Auch daheim sollten Eltern diese Kinder nicht hartnäckig zum Sprechen in der fremden Sprache auffordern. Im Fremdsprachenunterricht bewegen sich deutsche und zugewanderte Kinder mit ungefähr gleichen Voraussetzungen. Sie lernen von der Pike auf eine fremde Sprache und Kultur. Dies fördert das Empathievermögen der Kinder ohne Migrationshintergrund, erfahren sie doch annähernd, welche Leistung die zugewanderten Kinder Tag für Tag vollbringen. So profitieren alle Kinder einer Lerngruppe vom Umgang mit der ihnen fremden Sprache und Kultur.

Alexandra von Plüskow ist Grundschullehrerin und Bildungskoordinatorin im Landkreis Heidekreis.

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