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Mobbing: Wie Eltern ihre Kinder unterstützen können

Ein häufiges Problem in Schulen ist Mobbing. Doch es ist auch ein Tabuthema. Psychotherapeutin Melanie Schüer erklärt, wie Eltern Mobbing erkennen und was sie dagegen tun können.

Etwa acht Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen erleben Mobbing – das stellte der Verein „Zeichen gegen Mobbing“ in seiner Präventionsarbeit fest.

Erschreckend ist nicht nur diese Zahl, sondern sind auch die Folgen, die Mobbing haben kann: Diese reichen von Depressionen über Angst- und Panikstörungen bis hin zur Selbstmordgefährdung. Hinzu kommen die langfristigen, oft lebenslangen Folgen: Viele Mobbing-Opfer gewöhnen sich aus Angst vor erneuter Ablehnung ungesunde Denk- und Verhaltensmuster an, die auch Jahrzehnte später noch ihre sozialen Beziehungen erschweren.

Mobbing ist keine Lappalie

Eltern sollten sich immer der Tatsache bewusst sein, dass Mobbing ihr Kind ernsthaft bedroht. Daher sollten sie regelmäßige verbale oder körperliche Gewalt gegen ihr Kind daher niemals auf die leichte Schulter nehmen. Damit ist auch schon angesprochen, was unter Mobbing zu verstehen ist: Wenn zwei Kinder sich hin und wieder streiten, handelt es sich nicht um Mobbing. Mobbing liegt vor, wenn über einen längeren Zeitraum (mindestens etwa einen Monat lang) regelmäßig (etwa einmal pro Woche oder häufiger) Einzelne beleidigt, ausgegrenzt, körperlich oder emotional verletzt werden und dabei ein Kräfteungleichgewicht besteht. Das Kräfteungleichgewicht kann dadurch entstehen, dass mehrere Kinder sich gegen deutlich weniger Kinder stellen oder aber, dass die einzelne Täterperson höhere Macht in der Gruppe besitzt als das Opfer. Natürlich sollten aber auch Vorfälle, die diese Kriterien nicht erfüllen, ernst genommen werden.

Mobbing erkennen

Viele Kinder und Jugendliche zögern lange damit, ihren Eltern von dem Mobbing zu berichten. Das kann unterschiedliche Gründe haben:

  • die Eltern nicht belasten wollen („Die machen sich dann nur Sorgen und können ja eh nichts tun“)
  • Befürchtung weiterer Eskalationen („Wenn ich etwas sage, werden die mich als Petze beschimpfen und noch schlimmer behandeln“)
  • Vermeidung, die Situation als echtes Problem anzuerkennen („Wenn ich einfach so tue, als wenn nichts wäre, löst sich vielleicht bald alles von selbst“)

Eltern sollten daher sensibel auf mögliche Anzeichen achten, die darauf hinweisen können, dass das Kind unter Mobbing leidet. Alarmzeichen sind zum Beispiel:

  • Schweigen über alles, was in der Schule geschieht
  • körperliche Beschwerden ohne erkennbare Ursache wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, ausgeprägte Müdigkeit, Schlafprobleme
  • körperliche Blessuren wie blaue Flecken oder beschädigte Kleidung, Schultaschen o.Ä.
  • zunehmender Widerwille, zur Schule zu gehen
  • Rückzug, Mangel an Verabredungen und an Einladungen zu Geburtstagen
  • schulische Leistungsprobleme
  • Traurigkeit, Bedrücktheit oder auch Reizbarkeit, schlechte Laune
  • Lustlosigkeit
  • Selbstverletzung und/oder Selbstmordgedanken

All das sind natürlich nur Beispiele. Wann immer Eltern auffällt, dass ihr Kind sich ungewöhnlich verhält und auf Nachfrage nach dem Grund keine schlüssige Antwort bekommen, sollte Mobbing eine Option sein, an die sie denken sollten.

Verdacht ansprechen – aber wie?

Ernstnehmen ist also wichtig. Gleichzeitig gilt es jedoch, das Kind ruhig und gefasst auf den Verdacht anzusprechen. Denn wenn die Eltern hektisch agieren, zieht sich das Kind, dem es ohnehin schwerfällt, sich anzuvertrauen, womöglich noch mehr zurück. Suchen Sie also eine ruhige Situation, in der Sie allein mit ihrem Kind reden können. Hilfreich sind bei sehr schweigsamen Kindern Gelegenheiten, bei denen kein direkter Augenkontakt nötig ist. Das kann zum Beispiel bei einem Spaziergang in einer wenig belebten Gegend der Fall sein. Formulieren Sie ihre Frage vorsichtig, aber dennoch klar, zum Beispiel:

„Mir ist aufgefallen, dass du dich verändert hast in den letzten Wochen. Ich habe das Gefühl, dass es dir nicht gut geht. Und ich möchte nicht, dass du mit dem Stress allein bist. Kann es sein, dass du dich in deiner Klasse nicht wohl fühlst oder sogar gemobbt wirst?“

Geduldig bleiben

Manche Kinder reagieren abweisend oder ausweichen. Bleiben Sie dann geduldig: „Ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, darüber zu sprechen. Vielleicht ist es ja nicht so, wie ich denke. Vielleicht ist aber doch was dran. Ich will dir keinen Druck machen. Ich mache mir Sorgen um dich. Ich möchte nichts unternehmen, ohne es gut mit dir abzusprechen. Denk’ mal drüber nach und vielleicht können wir in den nächsten Tagen nochmal sprechen.“ Sie können Ihrem Kind auch fachliche Beratungsangebote nennen wie den Verein „Zeichen gegen Mobbing“ oder die Nummer gegen Kummer. Manchmal ist an anonymes Gespräch als erster Schritt einfacher.

Bleiben Sie dran und reden Sie gegebenenfalls auch mit dem Lehrpersonal und bitten Sie darum, genauer hinzuschauen. Auch kann es hilfreich sein, eine Familienberatungsstelle einzubeziehen.

Nehmen Sie mögliche Bedenken Ihres Kindes, dass es noch schlimmer werden könnte, wenn es sich wehrt, ernst. Geben Sie Ihrem Kind Sicherheit, dass Sie alle Schritte miteinander besprechen. Bleiben Sie aber auch klar in der Devise: Wir müssen etwas tun, denn wenn man nichts gegen Mobbing tut, wird es noch schlimmer.

Was können Eltern tun, wenn das Kind von Mobbing betroffen ist?

Unbedingt zu vermeiden sind folgende No-Gos für Eltern im Umgang mit Mobbing:

  • Eltern sollten niemals selbst die Täterperson kontaktieren. Das wird dem Opfer als Schwäche ausgelegt und verschärft das Kräfteungleichgewicht nur weiter.
  • In nahezu allen Fällen (außer bei einer sehr guten Beziehung zwischen den Eltern des Täters und des Opfers) schadet es auch eher, wenn die Eltern die Täter-Eltern selbst kontaktieren. Es bestehen hier zwei wesentliche Gefahren: Entweder die Täter-Eltern reagieren mit harter Bestrafung ihres Kindes, wodurch dieses noch mehr Wut gegen das Opfer richten wird. Oder – deutlich häufiger – die Täter-Eltern nehmen ihr Kind in Schutz und die Fronten verhärten sich weiter.
  • Ebenfalls sollten Eltern nicht direkt mit eigenen Forderungen und Plänen auf die Schule zugehen. Sie sollten sich vielmehr auf Augenhöhe mit dem Schulpersonal austauschen, erst um deren Vorschläge bitten und höflich fragen, was sie zur Besserung der Situation beitragen können.

Sinnvoll ist es immer, im ersten Schritt mit der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer oder auch der Schulsozialarbeit zu sprechen. Fragen Sie vorher das Kind, welche Ansprechpersonen es sich selbst als hilfreich vorstellen könnte. Meist ist es gut, wenn in so einem ersten Gespräch das Kind nicht dabei ist, weil manchmal Lehrpersonal Gründe für das Mobbing beim Kind sieht oder Aussagen trifft, die zumindest so verstanden werden könnten.

Niemals gerechtfertigt

Fakt ist aber: Niemand hat Mobbing verdient! Mobbing ist durch nichts zu rechtfertigen. Übrigens ist statistisch nur Übergewicht ein klar erkennbarer Anlass, weshalb Kinder gemobbt werden. Ansonsten sind die Ursachen, warum ausgerechnet dieses Kind Opfer wurde, oft nicht leicht zu erkennen. Klar ist nur, dass bestimmte Auffälligkeiten (Aussehen, Sprache, Verhalten), in denen es sich von anderen unterscheidet, eine gewisse Angriffsfläche bieten. Auch ängstliche Tendenzen können eine Opferposition begünstigen.

Eltern sollten ihrem Kind immer klar machen: All das sind höchstens Gründe, die die Täterpersonen sich „suchen“. Genauso gut hätten sie irgendwelche anderen Gründe auswählen können, denn das Problem liegt bei ihnen – nicht beim Opfer! Weil sie sich selbst innerlich schwach fühlen, machen sie andere klein, um sich kurzzeitig stärker fühlen. Das Opfer trägt keinerlei Schuld. Selbst dann nicht, wenn es unfreundlich, anstrengend oder schwierig ist. Mobbing ist niemals gerechtfertigt!

Kooperieren und notfalls kämpfen

Eltern sollten beharrlich im Gespräch mit der Schule bleiben. Sie sollten erst einmal schulische Vorschläge erfragen, aber auch höflich Stellung beziehen. So ist es meist nicht sinnvoll, dass das Lehrpersonal sofort die jeweiligen Täter und Opfer öffentlich benennt und dies mit der gesamten Klasse bespricht. Meist ist es besser, wenn

  • die Täterin oder der Täter gemeinsam mit den Eltern einzeln vom Schulpersonal zum Gespräch gebeten und klare Grenzen aufgezeigt werden
  • Schulsozialarbeit und/oder Lehrpersonal mit dem Opfer sprechen, es ermutigen und bitten, alle Vorfälle zu dokumentieren
  • Mit der Klasse allgemein zum Thema Mobbing, Gewalt und Prävention gearbeitet wird

Hilfreich sind auch Vereine wie „Zeichen gegen Mobbing“, die Betroffene, Eltern, aber auch Schulen konkret beraten und begleiten.

Eltern sollten wachsam bleiben, wenn scheinbar „Ruhe einkehrt“ – manchmal ist der Frieden nur vorübergehend.

Wenn die Klassenleitung nicht ausreichend reagiert, empfiehlt sich im nächsten Schritt die Kontaktaufnahme zur Schulleitung. Sollte auch hier keine angemessene Unterstützung erfolgen, ist die Schulaufsichtsbehörde die nächste Instanz. Wenn in seltenen Fällen auch dort verharmlost und gemauert wird, bleibt Eltern das sogenannte Petitionsrecht: Dabei können sie eine Eingabe an den Landtag machen. Auch rechtliche Unterstützung oder Begleitung durch eine Familienberatungsstelle, deren Personal mit der Schule sprechen kann, sind sinnvolle Optionen.

Klassen- oder Schulwechsel ist oft nicht zielführend

Ein solcher Schritt kann das Oper in der Wahrnehmung bestätigen, sich nicht wehren zu können und nachgeben zu müssen. Zudem muss es sich nach einer sehr schwächenden Erfahrung in eine völlig neue Gruppe integrieren, Das gelingt jedoch nur selten. Besser ist es, in hartnäckigen Fällen auf die Versetzung der Täterperson hinzuwirken.

Wenn aber die Schule zu keiner Veränderung bereit ist oder keine Besserung zu erreichen ist, kann ein Schulwechsel der letzte Ausweg sein. In dem Fall sollte möglichst vermieden werden, die neue Schule vorab über die Probleme zu informieren, um einen unvoreingenommenen Neuanfang zu ermöglichen.

Ablenkung und Stärkung ermöglichen

Es gilt, neben allen Schritten zur Verbesserung der äußeren Situation, auch die Stärkung und Entlastung des Kindes selbst im Blick zu haben. Das bedeutet u.A.:

  • Zuhause nicht ständig über das Mobbing reden. Gesprächsbereitschaft signalisieren, nachfragen – aber auch bewusst andere, positiv besetzte Themen und (gemeinsame) Aktivitäten fördern, zum Beispiel Spielen, Shoppen, Kino, Ausflüge … Gut sind auch Aktivitäten mit Erfolgserlebnissen, um die Selbstwirksamkeit zu stärken. Vielleicht gehen Sie mal in einen Kletterwald oder Niedrigseilgarten oder fragen Ihr Kind, was es gerne mal erleben oder Neues lernen würde. Besondere Erfahrungen stärken das Selbstbewusstsein und die Hoffnung auf bessere Zeiten.
  • Suchen Sie mit Ihrem Kind Möglichkeiten zu positiven sozialen Erfahrungen, z.B. Kinder-/Jugendgruppen in Kirchengemeinden oder Sportvereinen. Es geht darum, Räume zu finden, bei denen es die Täterpersonen nicht trifft und erleben kann: „Ich werde gemocht! Ich komme mit Gleichaltrigen zurecht!“
  • Betonen Sie immer wieder die Stärken Ihres Kindes. Zollen Sie ihm Anerkennung für das, was es gut kann, wo es sich bemüht und Einsatz zeigt. Zeigen Sie besonders viel Interesse an allem, wofür Ihr Kind sich begeistert.
  • Sagen Sie Ihrem Kind, wie wertvoll es ist. Ein tolles Buch ist „Du bist einmalig“ von Max Lucado, wo die Einzigartigkeit eines jeden Menschen in den Augen Gottes in einer berührenden Geschichte verdeutlicht wird.
  • Auch Bücher, die zeigen, dass andere Ähnliches erleben und altersgerecht Strategien aufzeigen, können ermutigend sein, zum Beispiel „Raus bist du noch lange nicht“ von Elfriede Wimmer oder „Du doof!?“ von Tom Lehel.
  • Ermöglichen Sie Ihrem Kind auch Gesprächsmöglichkeiten ohne Eltern, z.B. in einer Psychotherapie oder Beratungsstelle.

Mobbing ist eine Herausforderung für die ganze Familie! Doch bewahren Sie die Zuversicht. Wenn Ihr Kind erfährt, dass es eine solche Situation gut begleitet, positiv bewältigen kann, kann das auch für ähnliche Erfahrungen im Erwachsenenleben stärkend sein!

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Autorin.

 

Hilfsangebote bei Mobbing

  • Verein „Zeichen gegen Mobbing“: Zweichen-gegen-mobbing.de
  • Telefonnummer für Mobbingopfer: nummergegenkummer.de
  • Familienberatungsstelle: dajeb.de

„Mein Kind schwänzt die Schule“ – Experte rät: Ruhe bewahren!

Wenn der Sohn nicht mehr zur Schule möchte, ist das oft nur ein Symptom, sagt Experte Michael Felten. Das Problem sollte man an der Wurzel packen.

„Vor kurzem habe ich erfahren, dass mein Sohn (15) regelmäßig die Schule geschwänzt hat. Ich habe Angst, dass er seinen Abschluss so nicht schafft. Gespräche über das Thema wehrt er immer ab. Was kann ich tun?“

„Mein Kind ist ein Schulschwänzer“ – das zu realisieren ist für Eltern meist ein Schock. Schließlich ist der Schulbesuch ja nicht nur Pflicht, sondern auch ein bedeutsamer Faktor im jugendlichen Reifungsprozess – und eine wichtige Vorbereitung aufs Berufsleben. Tröstlich mag sein: Sie sind nicht allein! Pubertät, Lernunlust, Schulverweigerung – das müssen Jahr für Jahr tausende Eltern durchstehen. Doch Jugendliche kann man kaum noch zwingen. Vielmehr muss man ihnen dabei helfen, selbst zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen.

Mobbing oder Hochbegabung?

Mögliche Gründe fürs Schule-Schwänzen gibt es viele: Mobbing oder Stress mit der Clique, eine familiäre Beziehungsstörung oder berufliche Aussichtslosigkeit – vielleicht auch „nur“ anhaltende Überforderung oder aber die Langeweile eines Hochbegabten. Man müsste also genauer wissen: Seit wann existiert das Problem, in welcher Form und in welchem Ausmaß? Was sagt Ihr Sohn selbst dazu? Wie waren seine bisherigen Schulerfahrungen? Was sind seine Pläne, was seine Wünsche für die Zukunft? Nicht zuletzt: Wie ist Ihre familiäre Situation, die Beziehung zwischen Sohn und Eltern?

Eltern sollten versuchen, nicht panisch zu reagieren, sondern die „Ordnungswidrigkeit“ als Symptom anzusehen. Als eine Art Notlösung, eine Revolte, einen Hilferuf aus vermeintlicher Sackgasse. Dann fällt es leichter, ungünstige Erstgefühle wie Ärger oder Hilflosigkeit hintanzustellen. Ganz wesentlich ist jetzt nämlich, dass Sie wieder miteinander ins Gespräch kommen. Versuchen Sie, mit Ihrem Sohn gemeinsam auszuloten, wie sich das Problem angehen lässt, wo Auswege liegen könnten. Gleichzeitig ist es günstig, das Blaumachen zu erschweren: ihn zur Schule bringen oder Abholdienste durch Mitschüler arrangieren, sich regelmäßig mit dem Klassenlehrer austauschen und bei Erkrankung Arbeitsaufträge organisieren. Das kann man auch schriftlich vereinbaren – mit Aussagen über Belohnungen oder Sanktionen.

Mentor kann helfen

Man hat übrigens gute Erfahrung damit gemacht, wenn bei problematischen Entwicklungen im Jugendalter ein nichtelterlicher Erwachsener mithilft. Er muss Sicherheit und Reife ausstrahlen und der strauchelnde Jugendliche müsste ihm ein persönliches Anliegen sein bzw. werden (der Familienpsychologe Steve Biddulph nennt das „Mentor“). Vielleicht haben Sie das Glück, dass ein Lehrer bereit und in der Lage ist, Ihren Sohn eine Zeit lang besonders unter seine Fittiche zu nehmen, etwa ein früherer Grundschullehrer, den er noch in unbelasteter Erinnerung hat.

Dieser Mentor könnte mit Ihrem Sohn seine Stärken sowie berufliche Perspektiven durchsprechen – und ihm anbieten, ihn im nächsten halben Jahr besonders zu unterstützen. Das kann durch regelmäßige Begleitung, Kontrolle seiner schulischen Arbeiten oder auch in kleinen Lerngesprächen geschehen. Oder gibt es einen Onkel oder Opa (oder sonstigen vertrauenswürdigen männlichen Freund der Familie), der diese Mentorenrolle übernehmen kann? Ein solcher Mentor dürfte sich natürlich von ersten Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern müsste eine Weile dicht am Ball bleiben. Ich kenne jedenfalls zahlreiche Jugendliche, die innerhalb kürzester Zeit wie umgedreht waren, wenn sie sich erst einmal von einem vernünftigen externen Älteren verstanden, in ihren Potentialen ermutigt und sinnvoll unterstützt fühlten.

Michael Felten hat 35 Jahre als Gymnasiallehrer gearbeitet, jetzt ist er in der Lehrerweiterbildung tätig. Neben Erziehungsratgebern veröffentlichte er zahlreiche Beiträge zu Bildungsfragen. eltern-lehrer-fragen.de

„Wird unser Sohn in der Schule gemobbt?“ – Auf diese Anzeichen sollten Eltern achten

Wenn Jugendliche unter Mobbing oder Cybermobbing leiden, besteht dringender Handlungsbedarf. Elterncoach Sandra Schreiber erklärt, was die Alarmsignale sind.

„Unser Sohn (14) zieht sich immer mehr zurück und erzählt uns kaum mehr etwas. Seine Klassenlehrerin hat uns erzählt, dass er in der Schule eher Außenseiter ist und wahrscheinlich sogar gemobbt wird. Darauf angesprochen, hat er sich in sein Zimmer verzogen und jedes Gespräch mit uns verweigert. Wir würden ihm gern helfen, aber wie?“

Geben Sie Ihrem Sohn Zeit und signalisieren Sie ihm, dass Sie für ihn da und gesprächsbereit sind. Vielleicht ist es möglich, dass er in einer entspannten Atmosphäre zu einer für ihn passenden Zeit auf Sie zukommt? Gab es in der Vergangenheit vielleicht Momente, in denen persönliche Gespräche leichter entstehen konnten (bei der Autofahrt oder beim Einkaufen)? Falls ja, probieren Sie diese Möglichkeit aus. Sie könnten ihm auch anbieten, sich seinen Gesprächspartner frei zu wählen. Möglicherweise gibt es eine Tante, die einen guten Draht zu ihm hat, einen Jugendleiter, ältere Geschwister oder vielleicht den Sporttrainer? Sollten die depressiven Gefühle und die Verweigerungshaltung anhalten, rate ich Ihnen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was ist die Definition von Mobbing?

Da die Klassenlehrerin bereits das Wort Mobbing ausgesprochen hat, möchte ich Ihnen noch einige Überlegungen dazu mitgeben: Es ist wichtig, einen Unterschied zwischen Konflikt und Mobbing zu machen. Bei einem Konflikt sind die Beteiligten einigermaßen gleichstark und gleichberechtigt. Konflikte gehören zum Alltag, sie haben meist einen konkreten Inhalt und gehören zur sozialemotionalen Entwicklung dazu. Aus Konflikten kann man viel lernen, wie etwa nachgeben oder sich wehren, sich durchsetzen, Lösungen finden und Ähnliches. Im Gegensatz dazu herrscht beim Mobbing ein Kräfteungleichgewicht (das Opfer ist körperlich oder psychisch unterlegen), die Lösung aus eigener Kraft ist nicht möglich, und die Angriffe erfolgen systematisch, wiederholt und über einen längeren Zeitraum. Bei Mobbing handelt es sich um Macht und Schwäche, Drohen und Schweigen, Ausschluss und Einsamkeit, Manipulation und Hilflosigkeit.

Werden Sie aktiv!

Beobachten Sie Ihr Kind auf Verhaltensveränderungen wie etwa Leistungsabfall in der Schule, sozialer Rückzug, körperliche und psychische Reaktionen wie Angst, Übelkeit, Kopfschmerzen, Fehlen und Beschädigung von Schulsachen. Bedenken Sie, dass Mobbing auch in Form von „Cybermobbing“ in sozialen Netzwerken stattfinden kann und Ihr Sohn somit etwaigen Angriffen möglicherweise nicht nur vor Ort in der Schule ausgesetzt ist. Bestätigt sich die Vermutung, sollten Sie aktiv werden. Sprechen Sie zuerst mit Ihrem Sohn über Ihre und die Sorge der Klassenlehrerin. Achten Sie dabei darauf, dass Sie ihm keine Schuldzuweisungen machen. Erklären Sie ihm, dass er ohne die Hilfe von Erwachsenen nicht aus der Situation herauskommt und dass es Ihre Aufgabe als Eltern und Schule ist, ihm zu helfen. Versichern Sie ihm, dass alle Interventionen vorher mit ihm besprochen werden. In der Schule gibt es häufig einen Sozialarbeiter oder eine Vertrauenslehrerin, der oder die in Anti-Mobbing-Programmen geschult ist. Nutzen Sie das Helfersystem, das sowohl Ihr Kind als auch Sie als Eltern unterstützt und konkrete Hilfe leisten kann.

Sandra Schreiber ist Beraterin und systemischer Elterncoach in der christlichen Beratungsstelle „LebensRaum Gießen“. 

Medienpädagogin meint: „Im Handy schnüffeln ist wie Tagebuch lesen“

Der heimliche Blick ins Smartphone der Kinder ist ein No-Go, sagt Medienpädagogin Iren Schulz vom Medienratgeber ‚Schau hin!‘. Im Interview verrät sie, wie Eltern ihre Schützlinge trotzdem vor Mobbing und Kettenbriefen schützen können.

Dürfen Eltern Chats ihrer Kinder kontrollieren?

Dass Eltern wissen wollen, mit wem und über was ihr Kind übers Handy kommuniziert, ist grundsätzlich nachvollziehbar, da dahinter immer die Frage steckt: Geht’s meinen Kindern gut? Man muss sich trotzdem bewusst machen, dass heimlich im Handy zu schnüffeln nichts anderes ist, als das Tagebuch des Kindes zu lesen oder seine Briefe zu öffnen. Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre und sollen auch in ihren Räumen frei kommunizieren können. Dies findet seine Grenzen, wenn es um das Alter der Kinder geht. Dass die beliebtesten und weitverbreitetsten Messenger-Apps ab 16 sind – obwohl das jenseits unserer Realität liegt –, hat seine Gründe und zeigt, dass ihre Nutzung nicht ohne ist. Stichwort Datenschutz, Kettenbriefe, Cybergrooming, pornografische Fotos oder Videos, Mobbing. Diese Dinge kann man nicht einfach nur kontrollieren, indem man abends einmal Handykontrolle macht und alle Chatverläufe durchscrollt, sondern sollte im Gespräch miteinander bleiben und von Anfang an gute Regeln aufstellen.

Keine privaten Profilfotos!

Was für Regeln empfehlen Sie?

Begleiten Sie Ihr Kind bei den ersten Schritten mit den Messengern und richten Sie sein Profil gemeinsam und so sicher wie möglich ein: kein privates Profilfoto, den Status eingrenzen, einstellen, dass niemand Fremdes Kontakt aufnehmen kann. Auch Regeln sind wichtig, etwa keine privaten Infos wie Anschrift, Telefonnummer oder Fotos zu teilen, Bescheid zu sagen, wenn man Kettenbriefe oder doch mal Nachrichten von Fremden bekommt, reduzierte Bildschirmzeiten, fairer Umgang in Gruppenchats. Leben Sie einen guten Umgang vor! Die Kinder gucken sich viel bei ihren Eltern ab und wenn Sie die ganze Zeit mit Messengern verbringen und dort frank und frei alles Mögliche teilen, dann wird Ihr Kind diese Handlungsweise übernehmen.

Wenn mein Kind Opfer von Cybergrooming geworden ist oder ein Pornovideo bekommen hat, was muss ich unternehmen?

Ich empfehle, alles so gut wie möglich zu dokumentieren, indem man Screenshots von den Chatverläufen macht, damit man, sollte man sich beraten lassen oder sogar zur Polizei gehen und Anzeige erstatten, etwas in der Hand hat. Die Polizei ist da inzwischen gut aufgestellt. Man kann sich auch an Erziehungsberatungsstellen und das Jugendschutznetz wenden. Melden Sie dem Anbieter das Profil, der es dann sperren kann. Wichtig ist: Das Kind gut mitnehmen und mit ihm die Schritte besprechen.

Beratungsstellen helfen bei Mobbing

Und wenn es um Mobbing geht?

Da ist es gut, Täter und Opfer und auch die Eltern an einen Tisch zu setzen, miteinander zu sprechen und es erst mal zwischenmenschlich zu klären. Es geht darum, die Opfer zu schützen und zu stärken. Aber es geht auch darum, zu gucken, was den anderen Jugendlichen oder das Kind dazu gebracht hat, jemand anderen so fertigzumachen. Da stehen oftmals auch Verletzungen und Ängste dahinter. In manchen Schulen gibt es Sozialarbeiter oder aber Beratungsstellen, die dabei unterstützen können, sowie gute Deeskalationsprogramme.

Interview: Ruth Korte

Eine pinke Winterjacke …

„Mein mittlerer Sohn (4) wünschst sich rosafarbene und glitzernde Playmobilfiguren aus dem ‚Feenwald‘ und eine pinke Winterjacke. Sollten wir das als Eltern unterstützen oder setzen wir ihn damit Mobbing aus?“

Wenn Jungs sich für Dinge interessieren, die in unserer Gesellschaft eher mit Mädchen in Verbindung gebracht werden, machen Eltern sich schnell Sorgen. Während Mädchen in solchen Fragen ein breiterer Rahmen zugestanden wird und beispielsweise kurze Haare, Interesse an Fußball oder Autos akzeptiert werden, sind die Grenzen für Jungs enger gesteckt. Meistens handelt es sich bei gesteigertem Interesse an Sachen, die eher das andere Geschlecht mag, jedoch nur um eine Phase. Nur in sehr seltenen Fällen ist das in diesem Alter schon ein Hinweis auf eine Transidentität, also eine Abweichung der Identität vom sichtbaren Geschlecht.

ES IST NUR EINE FARBE

Wichtig ist, dass Sie die Wünsche Ihres Kindes ernst nehmen und Ihren Sohn unterstützen. Im Grunde sind pink und rosa nichts anderes als Farben. Der Unterschied ist nur, dass diese Farben und die von Ihnen angesprochenen Spielsachen bei uns hauptsächlich Mädchen mögen. Das macht sie aber nicht automatisch zu Mädchenspielzeug oder -farben. Rosa zum Beispiel galt in einigen Epochen als Farbe für Jungs. Es war nämlich das kleine Rot, Farbe des Blutes und des Kampfes und stand für heranwachsende Männlichkeit. Die Vorlieben für Farben und Spielsachen haben also viel mit der Gesellschaft zu tun, in der Kinder aufwachsen. Deshalb können Sie auch davon ausgehen, dass die Vorlieben Ihres Sohnes sich in den nächsten Jahren von allein verändern werden. Er kommt gerade in eine Entwicklungsphase, in der er sich mehr und mehr als Junge wahrnehmen wird und zu Gruppen dazugehören möchte. Das wird sich irgendwann auch in seiner Kleiderwahl und seinen Vorlieben beim Spielen bemerkbar machen.

RÜCKHALT GEBEN

Bis dahin stehen Sie ihm zur Seite. Es kann sein, dass er im Kindergarten aufgrund seiner Vorlieben geärgert wird. Wichtig ist, dass Sie ihm dann nicht das Gefühl geben, an seiner Lage selbst schuld zu sein. Sätze wie: „Zieh halt eine andere Jacke an, dann lassen sie dich in Ruhe“ ändern nichts an seinen Vorlieben, sondern geben ihm das Gefühl, nicht richtig zu sein. Bestärken sie ihn in dem Gedanken, dass Farben und Spielsachen für alle da sind und er rosa tragen darf. Falls Sie dafür offen sind, kann es helfen, wenn der Papa mal mit einem pinken Hemd oder einem rosafarbenen Schal zur Kita kommt und so zeigt, dass auch erwachsene Männer solche Farben tragen. Holen Sie auch das Kitapersonal mit ins Boot, sodass solche Themen auch in der Gruppe oder beim Elternabend besprochen werden können, falls Probleme auftreten. Gerade beim Thema Mobbing ist es zudem leider so, dass Sie Ihr Kind nicht umfassend schützen können. Heute ist es vielleicht das glitzernde Einhorn, es könnte aber genauso etwas anderes sein. Es ist gut, wenn Kinder in solchen Fällen schon früh merken, dass sie unseren bedingungslosen Rückhalt haben. Ein liebevolles Zuhause, in dem Kinder gesehen und angenommen werden, bietet das beste Rüstzeug. Nur Mut!

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Elternund Familienberaterin. Sie lebt mit ihrer Familie bei Kassel und bloggt unter www.eltern-familie.de.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Immer nur zu Hause

„Mein Sohn geht, außer zur Schule, nie weg und ist fast immer nur zu Hause. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt Freunde hat. Müssen wir uns Sorgen machen, dass er vereinsamt?“

Prinzipiell sind wir Menschen auf Beziehungen angelegt. Von Anfang an gehen Kinder in Kontakt mit anderen Menschen – zuerst mit den Eltern und dann mehr und mehr mit Gleichaltrigen, mit denen sie Freundschaften aufbauen. Gerade im Jugendalter, wenn sie sich von den Eltern lösen, spielen Freunde eine wichtige Rolle – sie geben Anerkennung, stiften Identität und sind Ansprechpartner bei Problemen.

INTROVERTIERTE KINDER BRAUCHEN RUHE

Vor diesem Hintergrund ist es schon berechtigt, dass Sie sich Sorgen machen, wenn Ihr Sohn außerhalb der Schule keinerlei Kontakte pflegt. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob er schon immer ein eher introvertiertes Kind war, für das Freundschaften nicht so bedeutsam sind. Solche Kinder gibt es. Es sind die Kinder, die vielleicht schon in der Kindergartenzeit weniger Lust auf Gruppenspiele und gemeinsame Aktionen hatten und lieber für sich allein herumtüftelten. Auch in der Schulzeit sind für sie weniger die anderen Kinder im Fokus, sondern das Gespräch mit den Lehrern und die spannenden Sachthemen. Sind Kinder grundlegend eher so veranlagt, sind sie mit ein, zwei Freunden glücklich und zufrieden.

Wenn Sie Ihren Sohn diesem Charaktertyp zuordnen können, er einen ausgeglichenen Eindruck macht und die Zeit zu Hause positiv gestaltet, dann können Sie gelassen sein. Vielleicht ist sein Bedürfnis nach einem anstrengenden Schultag einfach nur Ruhe. Gleichzeitig würde ich aber auch empfehlen, Ihren Sohn ohne Druck immer wieder mal zu motivieren, wenige Kontakte zu pflegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob er in der Schule wirklich gar keine Freunde hat. Fragen Sie ruhig vorsichtig nach, wenn ihr Sohn nicht viel erzählt. Außerdem wäre es sinnvoll, die Lehrer um ein Gespräch zu bitten, damit Sie eine Einschätzung bekommen, wie es ihm im Schulalltag ergeht und welche Kontakte er hat.

HAT SICH IHR KIND VERÄNDERT?

Mehr Grund zur Sorge besteht, wenn ihr Sohn sich in der letzten Zeit verändert hat. Gab es vorher Freundschaften und Aktivitäten am Nachmittag, die er aufgegeben hat? Welchen Eindruck haben Sie insgesamt von Ihrem Sohn? Wirkt er zufrieden oder könnte ihn etwas beschäftigen? Wie verbringt er die Nachmittage zu Hause? Welche Rolle spielt der Medienkonsum? Wenn aus Ihrem kontaktfreudigen und aktiven Sohn ein Stubenhocker geworden ist, der sich mehr und mehr zurückzieht, besteht tatsächlich Handlungsbedarf.

Auf der einen Seite kann es sein, dass ihm „nur“ die Herausforderungen der Pubertät zu schaffen machen und er deswegen viel mit sich selbst beschäftigt ist. Dann kann schon das eine oder andere vertrauensvolle Gespräch hilfreich sein. Auf der anderen Seite können aber auch schwerwiegende Probleme dahinterstehen wie Mobbing, Missbrauchserfahrungen, Streit unter Freunden oder Ähnliches. Dann braucht Ihr Sohn Hilfe. Sollte sich die Situation schon so zugespitzt haben, dass Sie als Eltern an Ihren Sohn nicht mehr herankommen, ist eine professionelle Unterstützung unbedingt ratsam.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F. www.sonja-brocksieper.de Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Mobbing-Täter

„Mit Erschrecken habe ich erfahren, dass mein Sohn (13) einen Mitschüler mobbt. Was kann ich tun?“

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„Warum sind die nur so fies?“

Was soll ich ihm denn jetzt sagen?“ Hilflos steht Mira* (38) vor mir und erwartet einen Rat. Ihr Sohn Luis* (12) wird gehänselt. Manchmal würde er am liebsten zu Hause bleiben, einfach krank werden. Denn Schule ist so anstrengend. Nie laut pupsen. Bloß nichts Falsches sagen, sonst wird man öffentlich ausgelacht. Die Hose immer schön weit runterziehen, auf keinen Fall „strebermäßig“ rüberkommen … So weit klingt für Mira und mich alles ganz normal. Typisch Schule eben. Aber Luis ist unglücklich dabei, hat in letzter Zeit Probleme beim Einschlafen. Als Mira ihm sagte, sie habe das früher auch so erlebt, das gebe sich irgendwann von selbst, ist Luis ausgeflippt: „Du hast ja keine Ahnung!“

Und ich? Ich habe keine Ahnung, wie ich die Situation beurteilen soll. Was müssen Kinder einfach aushalten? Was macht sie stark für die Auseinandersetzungen, die im Erwachsenenleben auf sie zukommen? Wie können sie sich wehren, wenn ihnen etwas zu weit geht? Und was ist seelenverletzendes Mobbing, das man schnellstmöglich stoppen muss?

Was ist Mobbing und was nicht?

„Wenn ein Kind ein anderes Kind tritt, und dies vielleicht auch mehrfach, ist das eine aggressive Handlung und an sich kein Mobbing. Denn hier gibt es einen Angreifer und ein Opfer. Von Mobbing können wir sprechen, wenn negative Handlungen stets ein und dasselbe Kind treffen, und wenn gleichzeitig andere Kinder die Angreifer unterstützen“, weiß Françoise Alsaker. Sie ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Uni Bern und forscht seit vielen Jahren zum Thema Mobbing unter Kindern.

Negative Handlungen, das können Demütigungen sein – wie das Herausstellen von vermeintlichen Schwächen, das Verbreiten von Gerüchten oder der Ausschluss von allen Gruppenspielen. Erpressung kann dazu gehören. Treten, Schlagen, Schubsen oder Kneifen ebenso. Und auch das Zerknicken von Stiften oder ständiges Augenrollen und Stöhnen bei jeder Äußerung eines bestimmten Kindes. Mobbing hat viele Gesichter. Man kann es sogar als „Ist doch alles nur Spaß“ tarnen. Das macht es so schwer, es zu erkennen. Ein Erkennungsmerkmal bleibt allerdings stets gleich: Mobbing ist ein Gruppengeschehen, das sich gezielt gegen eine Person richtet und sich über einen längeren Zeitraum hinzieht.

Bei Mobbing geht es immer auch um Macht. „Mobber wollen Erfolg, kein Kräftemessen und auch keine Strafe“, erklärt Alsaker. „Die Mobber sind viele: Ein, zwei Anführer – oft mehrere Mitläufer. Das Opfer steht allein. Dadurch ist ihr Erfolg bereits vorprogrammiert.“ Und wenn die Mobber doch ertappt werden? „Können sie einander in ihren Aussagen stützen, wodurch das Machtgefälleweiter wächst.“

Mobbing oder simpler Streit?

Und wie unterscheide ich zwischen Mobbing und einem Streit? Dazu Alsaker: „Bei einem Streit sind die Kinder einigermaßen gleich stark, mindestens aber gleichberechtigt.“ Geraten zwei Streithähne öfter aneinander und zieht mal der eine, mal der andere den Kürzeren, egal ob verbal oder bei einer kurzen Klopperei, müssen Eltern sich noch keineSorgen machen. „Solche Konflikte gehören zum Alltag, zur sozialen und emotionalen Entwicklung.“ An ihnen lernten Kinder, sich durchzusetzen, aber auch mal nachzugeben und sich zu vertragen. „Außerdem erkennen sie dabei, wie weit sie gehen können. Und sie lernen, sich zu wehren.“ Mobbing hingegen biete Kindern genau diese Möglichkeit nicht. „Ein Mobbing-Opfer hat keine Chance gegenüber den anderen. Es lernt nur eins: nachgeben und einstecken.“

Noch etwas gibt Alsaker zu bedenken: „In Konflikten wird um oder über etwas gestritten. Beim Mobbing geht es hauptsächlich darum, das Opfer zu verletzen, seinen Wert als Mensch herabzusetzen. Zudem geht Mobbing auch dann noch weiter, wenn das Opfer bereits klein beigegeben hat.“

Um Mobbing herrscht Schweigen

Eines der verstörendsten Ergebnisse der Mobbingforschung ist, dass um Mobbing Schweigen herrscht. Mobber berichten ihren Eltern mit Sicherheit nicht, was sie treiben. Sie wissen, dass es nicht in Ordnung ist. Selbst die Opfer schweigen häufig. Vor allem über das Ausmaß. So wissen Eltern manchmal nur von der Spitze des Eisberges und denken, ihr Kind berichte von Einzelfällen. Deshalb rät Alsaker allen Eltern: „Hören Sie Ihren Kindern gut zu, wenn sie etwas erzählen. Nehmen Sie sie ernst und stellen Sie interessierte Fragen, wie:

• Ist das früher schon passiert?
• Haben die anderen Kinder etwas gesagt?
• Was ist danach geschehen?

Verkneifen sollten Eltern sich vorschnelle Erwiderungen wie „Ist doch nicht so schlimm!“, „Da musst du dich selber wehren!“ oder „Was hast du denn dazu beigetragen, dass dir das passiert ist?“ Soll Mobbing wirkungsvoll gestoppt werden, muss darüber geredet werden: Kinder sollten zu Hause alles äußern dürfen. Eltern sollten offen mit den Lehrkräften sprechen können. Und Lehrer sollten Mobbing in der Klasse ansprechen, allerdings ohne nach Ursachen oder Schuldigen zu suchen. So muss sich kein Mobber verteidigen. Und kein Opfer wird bloßgestellt.

*Alle Namen geändert

Anke Gasch ist freie Autorin und lebt mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern in Hilden.

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