Shit happens

Was ein gestürzter Apfelkuchen alles auslösen kann. Von Elisabeth Vollmer.

Ich hatte grade einen richtigen Flow und fühlte mich supergut! Vor dem Gottesdienst hatte ich die Idee, meinen Eltern einen spontanen Besuch abzustatten. Das machen wir selten, so ganz ohne Anlass. Aber irgendwie passte es grade rein. Und schließlich werden meine Eltern älter, und wer weiß, wie lange wir einander noch haben. Mein Mann war auch dafür, und so knetete ich vor dem Gottesdienst noch schnell einen Mürbeteig zusammen. Nach dem Gottesdienst waren dann auch unsere Teens wach und erstaunlicherweise willig, sich dem Spontanbesuch anzuschließen. Das bewog mich dazu, den geplanten gedeckten Apfelkuchen noch mit einer Vanillecremefüllung aufzupeppen. Die von meinem Mann geliebten Mandelsplitter vervollständigten das köstliche Werk.

Ich war also, wie gesagt, so richtig im Flow, als ich auf dem Weg war, das duftende Gebäck auf die Terrasse zum Abkühlen zu bringen. Wie es dann genau passierte, entzieht sich meiner Erinnerung (Verdrängung? Schock?). Jedenfalls schaffte ich es, mit einem Kuchen den maximalen Sauereifaktor zu erzielen. Das Parkett, der Teppichboden, die Balkontür und nicht zu vergessen meine Jeans (Aua! Heiß!): alles voll. Nur ein kleiner Rest befand sich noch in der Form. Mein Flow verwandelte sich im Sturzflug in einen Abgrund. Ich wusste nicht, ob ich heulen oder schreien sollte. Es waren nicht vor allem die Sauerei und der nicht mehr vorhandene Prachtkuchen, die mir zu schaffen machten. Es war das peinlich-kindische Gefühl, dass das so nicht fair war. Dass ich so sehr das Gefühl gehabt hatte, dass jetzt alles genau so richtig ist – und dass Gott dann doch bitte dafür hätte sorgen können, dass mir diese Form nicht aus den Händen fällt.

Glücklicherweise passiert mir solch ein Kuchen-Missgeschick sehr selten. Aber das Gefühl, dass ich mein Bestes gebe und das Resultat dann trotzdem unterirdisch sein kann, kenne ich leider auch aus anderen Alltagssituationen. Ich weiß: Das Leben ist keine berechenbare Matheaufgabe. Meine Illusion, dass bei optimalem Input zwangsläufig auch ein entsprechender Output die Folge sein müsste, hält sich trotzdem hartnäckig – und manchmal stimmt es ja auch. Aber, wie eine Freundin sagt: „Shit happens“. In jedem Leben, immer wieder, auch in meinem. Das ist ärgerlich, aber normal – und kein Anlass, mich oder Gott in Frage zu stellen. Und so ist mir dieser „Trümmerkuchen“ Anlass geworden, wieder neu Gelassenheit darin zu üben, dass das einfach so ist. Meine Jeans ist inzwischen gewaschen. Balkontür und Parkett waren schnell wieder sauber, mit dem Teppichboden war es etwas kniffliger …

An besagtem Sonntag hat mein Mann jedenfalls den Kuchen vom Boden weitgehend abgekratzt. In einer Schüssel haben wir ihn zu meinen Eltern mitgenommen. Wir hatten einen richtig schönen Nachmittag zusammen. Der Kuchen war so lecker, wie er vor dem Unfall aussah. Eigentlich gab es gar keinen Grund, mich in den emotionalen Abgrund zu stürzen. Shit happens – und das ist ganz normal!

Bildschirmfoto 2016-02-18 um 10.14.41Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin
und lebt mit ihrer Familie in Merzhausen
bei Freiburg.

Baustelle Familie

Jede Familie hat ihren eigenen Charakter, eigene Prägungen und Strukturen. Auch die Familie von Stefanie Diekmann.

Splitter einer Unterhaltung wirken in mir nach: Wie habe ich mir Familie gedacht, als mein erstes Kind kam? Ich war Studentin und hatte wenig Vorstellungen von Familie. Ich habe viel beobachtet: Wie leben Eltern? Was will ich? Was passt zu mir?
Ich hatte mir vorgenommen, es müsse so weitergehen wie vorher. Schon vor 16 Jahren gab es den blöden Trend, dass Frauen fix wieder in die alte Jeans passen, kurz nach der Geburt wieder shoppen gehen (und dafür auch abstillen) und das alte Leben wenig unterbrechen lassen.
Dann kam Timna: wunderbare Prinzessin auf der Erbse. Sie beklagte den unsanften Weg ins Leben, in das sie vier Wochen zu früh geholt wurde, und ich auch: Ich fühlte mich plötzlich allein. Ich spürte: Jetzt bin ich definitiv erwachsen. Und für diese Maus verantwortlich. Klar, mit Henrik zusammen. Aber wenn er nicht da ist, dann …
Ich kann Mamas sehr gut verstehen, die sich allein fühlen, denen ein Tag zu lang vorkommt. Aber ich bin sicher: Dass ich aus dieser Schrecksekunde ins Muttersein gewachsen bin, das ist meine Top-Errungenschaft bis heute! Ich habe es geschafft! Trotz blutender Nasen, Niveacreme im Wohnzimmer, Einkaufen mit drei Kindern, gescheiterten Diäten, abgebrochenen Sportkursen, gemeisterten Ehekrisen – ich bin Mummy!
Die ersten fünf Monate war ich am Limit. Nach außen lächelnd und in die alte Hose passend, zu Hause aber dann Tränen, Wut und Hilflosigkeit. Warum fühle ich mich so eingeengt? Bin ich zu egoistisch? Wenn ich nachts um zwei, vier und sechs Uhr stillte, hatte ich das Gefühl, ich bin die Einzige, die nachts wach ist.
Als wir ein Jahr Familie waren, haben wir angefangen, mehr über unsere Strukturen nachzudenken: Wo und was essen wir? Wie verbringen wir bewusst Zeit mit Timna? Unser Familiengefühl entstand. Nichts, was sich vorher absprechen und klären ließ. Nichts, was planbar ist. Aber immer motiviert von anderen Familien mit Ausstrahlung, von Büchern oder Vorträgen.
Familie geht nicht einfach bei uns – Familie ist Arbeit. Ich muss meine Herkunftsfamilienerfahrung ablegen und offen sein für das, was sich in meiner kleinen Familie entwickelt. Mir ist zum Beispiel bis heute wichtig, dass Kinder nicht tricksen oder die Eltern beschummeln. Anderen Eltern ist das total egal: Sie sind dem Charme des Keks stibitzenden Jungen jedes Mal erlegen. In meiner Familie ginge das nicht, und ich spüre: Familie ist ein sehr persönliches Konstrukt. Das Betrachten anderer Familien hat mir geholfen, meinen Stil zu finden, mich hinterfragen zu lassen, mich aufzuwecken. Dazu gehört auch die Offenheit, seine Ansichten nicht als Weltweisheit zu empfinden. Meine Familie ist eine Baustelle – noch immer.
Wenn ich an die ersten fünf Jahre Familien-Tapsschritte denke, fällt mir Folgendes ein:
Badezimmerfeste, Vorlesestunden, müde sein zum Umfallen, Fassungslosigkeit über so viel Chaos, zur Kindermusik von Kallauch und Jöcker singen und tanzen, jeden Tag raus, Blätter suchen, rennen, Tiere ansehen, mit Gott sprechen, immer weniger Tütenessen, immer mehr bewusstes Kochen, Gemütlichkeitshosen, Segnen am Bett und vor dem Kiga, Sonntagsessen mit vielen Menschen, Tränen und Wutausbrüche bei Mutter und Kindern, „Nein“ und „Stopp“ lernen, Warten auf den Pastoren-Mann, Kuschelalarm im Ehebett …
Und deine Entwicklung zur Familie?

Geburtstagsgeschenk von Gott

Ingrid Jope lernt, im Regen zu tanzen.

ch atme auf, als ich aus dem Auto steige. Drei freie Stunden liegen vor mir. Ich will einfach mal bummeln gehen. Ganz allein. Ganz ohne Zeitdruck und Kindergequengel. Winterstiefel suche ich – und nebenbei Entspannung. Es tut mir gut, mal auf andere Gedanken zu kommen. Im ersten Geschäft finde ich überraschend ein Weihnachtsgeschenk, das garantiert die Augen des Beschenkten strahlen lässt. Prima – so habe ich lange vor Advent schon mal ein wenig Vorweihnachtsstress abgebaut. Im zweiten Schuhgeschäft hat es mir ein Paar Lederstiefel angetan. Sie passen, haben die Farbe, die ich gesucht habe, sind leider nicht ganz preisgünstig, aber gerade noch machbar. Mit einem befriedigten Gefühl trage ich meine Beute zur Kasse. Dort erfahre ich von der selbst überraschten Verkäuferin: Der Preis für die Schuhe wurde aktuell um 30 Euro gesenkt. „Yippie!“, denke ich mir und schicke still ein „Danke, Gott!“ nach oben. Zur Verkäuferin meine ich grinsend: „Das muss daran liegen, dass ich heute Geburtstag habe.“ Das ist nämlich der Grund, warum ich mitten in der Woche den Vormittag frei habe. Mein Mann meistert zu Hause das Mittagsgewühl mit den Kindern, nachmittags werden wir fröhlich zusammen Kaffee trinken und abends ein ruhiges Essen zu zweit genießen. Ich verlasse den Laden mit dem beflügelnden Gedanken: Das war gerade ein Geburtstagsgeschenk von Gott. Hach – wie gut es tut, einfach mal durch die Stadt zu schlendern und nach Schönem Ausschau zu halten, einfach mal Pause zu haben von Familie, Job und Haushalt, einfach mal dürfen und nichts müssen! Aber der Geburtstag ist noch nicht zu Ende und Gott mit seinen Geschenken an mich auch nicht. Beim weiteren Stöbern bleiben meine Augen an einer Postkarte hängen:

Life isn’t about waiting for the
STORM TO PASS
it’s about learning how to
DANCE IN THE RAIN

Das Leben besteht nicht darin, darauf zu warten,
dass der Sturm vorübergeht.
Es besteht darin, zu lernen, wie ich im Regen tanzen kann.

Volltreffer! Der Sinnspruch zaubert mir ein ertapptes Lächeln aufs Gesicht. Es ist, als wolle der Allmächtige mich in meinen freien Stunden wohlwollend begleiten und mir ins Bewusstsein rufen: Es ist gut, mal eine Oase zu haben. Aber das Leben besteht nicht in einer Aneinanderreihung von Ruhepausen. Es enthält Höhen und Tiefen, Sonnenschein, harmlose Winde und heftige Stürme. Glücklich ist, wer sein Leben nicht damit zubringt, auf das Ende der Stürme zu warten, sondern wer lernt, im Regen zu tanzen, also aus den Turbulenzen das Beste zu machen. Daran erinnert mich diese dekorative Postkarte seither in unserem Flur. Am kommenden Sonntag im Gottesdienst „bindet“ Gott dann noch eine „Schleife“ um sein Geschenk, als mich die Worte dieses Liedes tief im Herzen berühren:

„Berge mich in deinem Arm.
Schütze mich mit deiner starken Hand. Komm, ruh dich aus bei deinem Gott.
Trau auf ihn und seine große Kraft.
Wenn die Meere toben, Stürme weh‘n, werd‘ ich mit dir
übers Wasser gehen. Du bist König über Wind und Flut, mein Herz wird still,
denn du bist gut.“
(Feiert Jesus 4, Nr. 140, SCM Hänssler )

Na dann – auf ins neue Lebensjahr mit dem, der solche Geschenke macht!

 

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„Warum tu ich mir das eigentlich an?“

Ein ganz normaler Tag um die Mittagszeit. Der Dreijährige ist k. o. vom Kindergarten und entsprechend nervenstrapazierend. Unsere Achtjährige stochert meckernd auf ihrem Teller herum. Zwei Wochen zuvor war dieses Essen noch ihr Lieblingsgericht. Ohne aufzuschauen bemerkt sie: „Wenn du arbeiten gehen würdest, dann könnte ich in der Betreuung zu Mittag essen. Meine Freundin wünscht sich immer, dass ich auch dableibe.“ Na toll, denke ich mir einigermaßen frustriert, dafür habe ich nun am Herd gestanden.

Nach den Hausaufgaben machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein auf in Richtung Spielplatz. Auf dem Umweg zum Bäcker, den wir vorher noch machen, entfaltet der Dreijährige seine Künste, sich lautstark zu widersetzen. „Ich will nicht zum Bäcker!“ Einmal rennt er fast vor ein Auto. Dann trödelt er im Schneckentempo. Als ich an der Hauptstraße entlang darauf bestehe, dass er an meiner Hand bleibt, brüllt er so laut, dass sich Passanten nach uns umdrehen. Ich seufze und frage mich: Warum tu ich mir das eigentlich an? Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden, einige Jahre Vollzeit-Familienfrau zu sein. Ich will mir Zeit für die Kinder nehmen und bin dafür bereit, auf materielle Annehmlichkeiten zu verzichten. Aber an Tagen wie diesem kann ich Eltern, die ihre Kinder den größten Teil des Tages im Kindergarten und in der Schule betreuen lassen, extrem gut verstehen. Voller Selbstmitleid fange ich innerlich an, nach Stellenanzeigen Ausschau zu halten …

Später auf dem Spielplatz habe ich Zeit, meinen Gedanken nachzuhängen. Mit der Frühlingssonne im Gesicht und zwei zufriedenen Kindern verblasst das Selbstmitleid schon etwas. Mir kommt ein Gespräch mit einer berufstätigen Mutter in den Sinn. Ihr Beruf macht ihr Spaß und sie ist grundsätzlich zufrieden mit ihrer Wahl, aber neulich sagte sie: „Ich wünschte, ich hätte erst später wieder angefangen zu arbeiten. Ich bin oft so gehetzt, mein Alltag ist so vollgestopft. Manchmal fühle ich mich richtig schlecht, dass ich nicht mehr Zeit für die Kinder habe.“

Ich tauche vollends aus meinem Selbstmitleid auf und denke mir: Keine Art, Familie zu leben, ist frustfrei. Egal, wie ich mich entscheide – ich habe Punkte, an denen ich mich reibe und die mich Kraft kosten. In dieser Hinsicht sind sich die unterschiedlichen Lebensentwürfe vermutlich sehr ähnlich. Ich habe mich bewusst für diesen Weg entschieden und will ihn durchhalten, auch wenn die Kinder es nicht zu jeder Zeit schätzen. Vielleicht würdigen sie es später, vielleicht auch nicht. Jedenfalls brauche ich mich nicht woanders hin zu wünschen. Denn genau die Lebensumstände, in denen ich stecke, sind meine Herausforderung, um Gelassenheit, Widerstandskraft und Meckerresistenz zu lernen. Dazu ermutigt mich auch ein Zitat von Romano Guardini: „Was geschieht, kommt von Gott her, aus seiner Liebe, auf mich zu. Es ruft mich an. Es fordert mich auf. Darin soll ich leben und handeln und wachsen und der werden, der ich nach Gottes Willen sein soll.“

Ingrid Jope ist Theologin und Sozialpädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wetter/Ruhr.

Zeit zum Glücklichsein

Eigentlich geht es uns gut. Wir nehmen uns nur so selten die Zeit, glücklich zu sein.“ Diese beiden Sätze von Anja Schäfer haben mich ins Mark getroffen. Bei einer Joyce-Sitzung gehört, habe ich sie mir sofort aufgeschrieben. Aber das wäre nicht nötig gewesen: Ich kann und will sie nicht vergessen. Sie haben mir den Spiegel vorgehalten und sind mir seitdem Ermutigung und Mahnung geworden, das Glück meines Lebens wahrzunehmen und zu genießen.

„Eigentlich geht es uns gut.“ Wenn ich mir bewusst mache, wie reich ich bin, kann ich das „eigentlich“ ersatzlos streichen. Ich lebe in einem reichen Land, habe ein Dach überm Kopf und mehr als genug zu essen. Ich kann meine Meinung frei äußern und einem Beruf nachgehen. Meine Kinder haben Zugang zu einer guten Ausbildung, und wenn wir krank werden, gibt es Ärzte und Krankenhäuser, die uns versorgen. Dass sich das Leben trotzdem manchmal alles andere als gut anfühlt ist eine Tatsache – und oft ein Luxusproblem.

Letzte Woche hatte ich so einen Tag, an dem alles zusammenkam und mir die Last meines Lebens unerträglich schien. Als ich dann im heute-journal das Bild einer syrischen Mutter sah, deren Säugling verhungert war, wusste ich, was wirklich unerträglich ist.

Das ist die eine Seite, die ich immer wieder versuche zu sehen: Es gibt so viel Gutes in meinem Leben! Das möchte ich auch dann nicht aus dem Blick verlieren, wenn das Schwere sich so übermächtig in mein Leben drängt. Die andere Seite ist aber auch zu sehen: Das Schwere ist schwer. Es gibt Situationen, die hart sind, ungerecht oder verletzend, und meinem wunden Herzen hilft es dann nicht, wenn ich diesen Schmerz angesichts der Not der Welt klein rede. Ich möchte mich dem stellen. Schauen, was ich verändern kann oder was ich betrauern muss und was mir dabei hilft. Und so versuche ich, die Balance zu finden und beides im Blick zu haben. Nicht im Selbstmitleid zu versinken, aber auch nicht über Schmerz und Not hinwegzugehen. Am besten finde ich diese Balance, wenn ich mich schriftlich sortiere. Ich komme mir leichter auf die Schliche, auf welcher Seite ich gerade vom Pferd zu fallen drohe, wenn ich lese, was ich geschrieben habe.

„Wir nehmen uns nur so selten die Zeit, glücklich zu sein.“ Dieser Satz ist mir vor allem für den „ganz normalen Alltagswahnsinn“ wichtig geworden. Viel zu schnell lasse ich mich von einem zum nächsten hetzen, möchte nichts verpassen und verpasse dabei das Wesentliche: Herzensbegegnungen mit Menschen, die mir wichtig sind; Innehalten und wahrnehmen, wenn Gott mir die Schönheit seiner Natur vor Augen führt oder einfach nur ein richtig schönes Wannenbad. Manchmal gelingt es mir, runter zu schalten. Mich mit meiner Tochter auf der Couch unter die Decke zu kuscheln und ihr wirklich zuzuhören. An einer Rose zu riechen und den Duft in seiner ganzen Intensität aufzusaugen. Oder mit meinem Mann einen Cappuccino mit ganz viel Milchschaum zu trinken – dann bin ich glücklich.

Es ist nicht das „Wahnsinnssupererfolgsglück“, sondern das leise Alltagsglück, das mein Leben reich macht und an dem ich allzu oft vorübergehe. In einem Interview mit Meryl Streep habe ich gelesen, dass sie ihre Oscars leichten Herzens hergeben würde, wenn sie sich zwischen ihnen und ihrer Familie entscheiden müsste. Auf Oscars muss ich ja nicht verzichten, aber den Vorzug vor vielen anderen und vielleicht „glänzenderen“ Möglichkeiten dem leisen Lebensglück Familie zu geben, das möchte auch ich tun.

Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin und lebt mit ihrer Familie in Merzhausen bei Freiburg.