Wutanfälle sind okay

„Mein Sohn ist gerade in der Trotzphase. Gefühlt zwanzigmal am Tag hat er einen Wutanfall. Ich bin unsicher, wie ich reagieren soll. Eher verständnisvoll? Oder muss ich ihm klar Grenzen setzen?“

Die so genannte Trotzphase, in der Wutanfälle zum Alltag gehören, ist eine anstrengende Zeit. Mit etwa zwei Jahren entdeckt ein Kleinkind seinen eigenen Willen, entwickelt eine eigene Meinung, und „Nein“ wird zum Lieblingswort. Stößt das Kind dann an eine Grenze, reagiert es häufig mit Trotz und Wut.

In dieser Zeit fängt das Kind an, sich selbst als eigene Person wahrzunehmen. Das können Sie sehr gut daran erkennen, dass sich Ihr Kind selbst nicht mehr mit dem Vornamen nennt, sondern das Wort „Ich“ entdeckt. Um dem inneren Prozess des Kindes gerecht zu werden, sprechen manche Fachleute auch von der Autonomiephase oder Ich-Findung.

Das trotzige Verhalten Ihres Kindes sollten Sie also nicht als Ungehorsam und Bosheit interpretieren, sondern als das Entdecken der eigenen Persönlichkeit. Es ist eine normale und sogar wünschenswerte Phase. Der eigene Wille ist ein Zeichen für einen neuen Entwicklungsschritt, den es nicht zu bekämpfen, sondern zu fördern gilt.

Viel Verständnis, klare Grenzen

Folgende Strategien können helfen, den Trotz in die richtige Bahn zu lenken:

  • Verwenden Sie als Eltern selbst nicht so häufig das Wort „Nein“.
  • Setzen Sie klare Regeln und bleiben Sie konsequent. Stecken Sie weite Grenzen.
  • Viele Machtkämpfe können Sie vermeiden, wenn Sie nur dort Grenzen setzen, wo Sie wirklich notwendig sind. Überlegen Sie also gut, was Sie von Ihrem zweijährigen Kind erwarten können. Muss es wirklich so lange am Tisch sitzen bleiben, bis alle aufgegessen haben?
  • Überlassen Sie dem Kind innerhalb der Grenzen einen Entscheidungsspielraum: „Möchtest du heute Wurst oder Käse auf deinem Butterbrot?“
  • Schaffen Sie viele Möglichkeiten zum Toben und Bewegen.
  • Nehmen Sie die Gefühle ihres Kindes ernst und benennen Sie sie beim Namen: „Du bist jetzt ganz schön wütend, dass du die Schokolade nicht bekommen kannst.“ Bekommen Gefühle einen Namen, hilft das dem Kind, das eigene Gefühlschaos in den Griff zu bekommen.
  • Überlegen Sie, was der Auslöser für den Wutanfall gewesen sein könnte. Habe ich mein Kind aus dem Spiel gerissen? Ist mein Kind übermüdet? Herrscht gerade eine Atmosphäre der Hektik und Anspannung? Manchmal enthält ein Zornausbruch auch eine tiefere Botschaft: Ich will mehr Zeit mit dir.
  • Bleiben Sie bei einem Wutanfall ruhig und nehmen Sie ihn nicht persönlich.
  • Jedes Kind ist anders. Finden Sie heraus, welche Methode für Ihr Kind bei einem Wutanfall die passende ist: Manche Kinder lassen sich leicht ablenken. Es kann aber auch hilfreich sein, das Verhalten des Kindes zu ignorieren. Manche Kinder hören mit der Toberei auf, wenn ihnen das Publikum fehlt. Anderen Kindern tut es gut, ruhig und bestimmt in den Arm genommen zu werden.
  • Reden Sie weniger und handeln Sie schnell. In einer emotionalen Situation kommen Worte nicht mehr an. Will ein Kind einfach nicht hören, gilt es, konsequent zu handeln.

Viel Verständnis und klare Grenzen sind die wesentlichen Erziehungsstrategien für die Zeit der Ich-Findung. Haben Sie dann als Eltern noch starke Nerven und eine gesunde Portion Gelassenheit, können Sie diese Phase gut meistern. Achten Sie deswegen darauf, dass Sie im Alltag immer wieder kleine Oasen haben, in denen Sie auftanken und Kraft schöpfen können.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in Remscheid.

1 Kommentar
  1. Gardiners-Seychellenfrosch sagte:

    Hm, ganz schön schwierig. Die Hauptgefühle wie Freude,traurig, wut kann ich erkennen dazwischen wird es kompliziert. Wenn man dann noch schlecht sortieren kann zwischen seinen eigenen Gefühlen und den Kindergefühlen, alleine ist und eigentlich nur will dass das Geschrei aufhört… Ziemlich ist schrei ich dann rum und klapse auch. Klar ist es nicht richtig, ich weiss bloss nix besseres, die Oma plädiert auch für Klapse…Eigentlich bin ich froh dass die Sprachfähigkeit so gut entwickelt ist, die Zeit davor war grauenvoll, ewiges Rumgerate als ET und Geschrei auf Kinderseite… Es könnte mal einen Ratgeber geben der anhand von Babymimik/ Kindermimikgrafiken erklärt was Kind grad haben könnte. Ich hätte vor 2 Jahre gern gewusst, wie sog. Feinzeichen aussehen bevor das Geschrei losgeht. hört mir auf von intiution, keine ahnung ist bei mir nicht mitgeliefert worden oder irgendwann in der kindheit verschollen. den auslöser von wutanfällen finde ich oft gar nicht

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert