Zu viel Körperkontakt: Wenn das Familienbett zur Belastung wird

Die ganze Nacht kuscheln, immer ein Ärmchen oder Beinchen im Gesicht… Zu viel Körperkontakt mit dem Kleinkind kann den Eltern den Schlaf rauben. Schlafberaterin Miriam Schneider verrät, wie die Schlafsitaution wieder erträglich wird.

Es ist erstmal gut und wichtig, die Bedürfnisse der Kinder herauszufinden und darauf einzugehen. Enger Körperkontakt beim Schlafen ist ein normales Bindungsverhalten von Kindern. Aber es ist auch verständlich, dass das zur Belastung werden kann. Wenn die Schlafsituation eher kurzfristig besteht, dann könnte es sein, dass das Kind mit diesem Verhalten auf etwas reagiert, was neu ist (zum Beispiel eine Eingewöhnung oder ein Umzug). Das ist ganz normal. Um den 18. Lebensmonat gibt es außerdem einen Entwicklungsschub. In dieser Phase empfinden Eltern die Nächte oft als herausfordernd. Das bessert sich meist nach zwei bis sechs Wochen. Ist die Schlafsituation schon länger nicht mehr zufriedenstellend, dann könnten andere Impulse weiterhelfen.

Übermüdet?

Es ist wichtig zu verstehen, dass es immer eine Ursache gibt, warum Kinder so reagieren, wie sie reagieren. Häufig holen Kinder ihr Bedürfnis nach Nähe intensiv in der Nacht nach. Dann hilft es, das Nähebedürfnis so gut es geht tagsüber zu erfüllen, indem ihr bewusst Zeit miteinander habt, dabei kuschelt oder Bücher anschaut. So kann man dem Kind auch gut deutlich machen: „Wow, wir haben jetzt Zeit nur für uns, das ist so schön. Ich habe dich lieb.“ Es gibt aber auch andere Gründe, die hinter einem starken Nähebedürfnis in der Nacht stecken können. In meiner Arbeit als Schlafberaterin schaue ich mir als Erstes immer die Schlafprotokolle an. Vielleicht hat sich der Tagesrhythmus in der Familie verändert, was dazu führt, dass der Mittagsschlaf zu kurz ausfällt oder das Kind am Abend zu spät ins Bett kommt, sodass es übermüdet ist. Übermüdete Kinder brauchen sehr viel Körperkontakt. Warum? Weil durch Übermüdung Cortisol, unser Stresshormon, ausgeschüttet wird. Kinder sind intuitiv wahnsinnig kompetent: Denn Oxytocin, das „Kuschelhormon“, kann den Cortisolspiegel wieder reduzieren. Kinder kuscheln also als Reaktion auf Stress. Ein Schlafprotokoll und gegebenenfalls eine Beratung helfen dabei, den individuellen Grund und damit auch die Lösung für das starke Bedürfnis nach Nähe und Körperkontakt herauszufinden.

Grenzen setzen

Für Eltern ist es aber auch wichtig, auf sich selbst zu achten und einander Freiräume zu ermöglichen. Denn wenn der eigene Krafttank gefüllt ist, hat man auch wieder mehr Kraft für die Schlafherausforderung. Deshalb müssen die Eltern herausfinden, was ihnen guttut. Vielleicht ist es spazieren gehen, Sport treiben oder sich in die Sonne legen? Und noch einen Gedanken finde ich wichtig: Eltern müssen schwere Situationen nicht einfach aushalten, sondern dürfen ihre Grenzen kommunizieren. Kinder verstehen so viel mehr, als wir häufig meinen. Sie brauchen Transparenz, Ehrlichkeit und eine klare Haltung. Über eine unzufriedene Schlafsituation lässt sich liebevoll kommunizieren. Wie zum Beispiel folgendermaßen: „Du kannst gern neben mir einschlafen und wir können jetzt nochmal richtig doll kuscheln. Aber wenn du eingeschlafen bist, braucht Mama auch ein bisschen mehr Platz. Das ist mir zu nah, so kann ich nicht schlafen. Ich zeige dir, wie es für mich okay ist.“ Eltern dürfen an sich selbst glauben und herausfinden, was für ihr Kind, für sie selbst und für die Familie das Beste ist.

Miriam Schneider lebt mit ihrer Familie in Ketsch, sie ist Kinderkrankenschwester und Schlafberaterin für Kinder. abenteuerbabyschlaf.com