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Sex im Alter: So kriegt Ihr Liebesleben in der Menopause wieder Schwung

Schwindet mit der Jugend auch die Erotik? Das muss nicht sein. Sexualtherapeutin Veronika Schmidt erklärt, wie die Lust sich mit dem Alter verändert.

Für viele Paare ist die Zeit der weiblichen Meno- und der männlichen Andropause ein Aufbruch in eine unbeschwerte sexuelle Lebensphase: Die Kinder sind ausgeflogen, es besteht keine Sorge, schwanger zu werden, und man hat zeitliche Freiräume für neue Experimente. Paare in der zweiten Lebensphase haben manchmal so viel Sex, wie schon seit Jahren nicht mehr, und genießen ihn sehr.

Wer dagegen froh ist, mit dem Einsetzen der Menopause einen Grund zu finden, die unbefriedigend erlebte Paarsexualität einzustellen, der wird es vermutlich tun. Bei Frauen ist der Grund oft die fehlende Lust oder Schmerzen beim Sex, beim Mann die Angst vor Erektionsstörungen.

Was ändert sich in den Wechseljahren?

Unbestreitbar halten die biologischen Umstellungen der Wechseljahre ein paar körperliche, psychische und sexuelle Herausforderungen bereit. Verschiedenste Veränderungsprozesse finden ab der Lebensmitte statt. Spätestens mit 45 Jahren ist der hormonelle Rückbau im Körper bei beiden Geschlechtern spürbar. Bei den Frauen fallen die Östrogenwerte, bei den Männern etwas weniger drastisch das Testosteron. Frauen müssen sich mit dem veränderten Aussehen und dem Ende der Fruchtbarkeit abfinden, Männer damit, nicht mehr so leistungsfähig zu sein wie zuvor.

Was kann man gegen Schmerzen tun?

Die Abnahme des Östrogens bei der Frau kann zum Problem werden. Die Vagina ist dadurch weniger elastisch, die Scheidenwand wird dünner. Auch lange Sexpausen lassen die Vagina enger werden, weil sie nicht mehr regelmäßig durchblutet wird. Es kann zu kleinen Rissen und damit zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr kommen. Ist das der Fall, ist Selbstliebe aus gesundheitlichen Gründen angezeigt, um mit sich selbst wieder Sicherheit zu gewinnen. Denn die Fähigkeit, sexuell erregt zu sein und lustvoll zu genießen und einen Höhepunkt zu erleben, bleibt bei Frauen auch nach der Menopause unverändert. Ob allein oder zusammen mit dem Partner, die Erregungsphase sollte ausgiebig, lustvoll und lang sein. Frau und Mann sollten sich Zeit nehmen, sich neu erkunden, sich streicheln, experimentieren, was sich erregend und gut anfühlt. Denn sich selbst gut fühlen ist eine wichtige Voraussetzung für Zärtlichkeit und Sex mit dem Partner.

Diese Salben können helfen

Erst durch genügend Erregung und durch die dadurch verstärkte Durchblutung sondern die Vaginawände genügend Flüssigkeit ab. Sollte dieser Feuchtigkeitsfilm nicht mehr ausreichend sein und damit die Penetration unangenehm werden, helfen spezielle Gleitmittel für die Bedürfnisse der empfindlichen Vagina (zum Beispiel „Pjur Woman softer formula“). Auch regelmäßige Pflege des weiblichen Geschlechts, außen und innen, wird in und nach der Menopause wichtig. Die reife Haut will nicht nur im Gesicht besonders gut gepflegt sein. Es gibt unzählige Vaginal-Pflegemittel, auch in Form von Ovulas. Manchmal braucht es auch eine von der Gynäkologin verschriebene Hormonsalbe. Doch für die Frau ist es genauso wichtig, sich in dieser Lebensphase ausreichend Zeit für Bewegung, Ernährung und ihre eigenen Interessen zu nehmen.

Wie verändert sich der Penis im Alter?

Bei Männern verändert sich der Hormonhaushalt ebenfalls, doch viel langsamer. Die Libido kann abnehmen. Erektionen entwickeln sich langsamer, es braucht mehr Reize und Stimulation dazu. Die Sensibilität des Penis nimmt im Alter ab, er verliert an Elastizität, wird etwas kürzer, verliert ein wenig an Umfang. Dabei handelt es sich um normale altersbedingte Umbauprozesse: der Penis verliert Muskelzellen und gewinnt an Bindegewebe.

Störungen können auftreten, die entweder hormonell bedingt sind oder aufgrund von Durchblutungsstörungen zutage treten. Ursachen können aber auch Krankheit, Medikamente und Versagensängste sein. Auch für den Penis gibt es pflegende Produkte. Seinen Penis täglich liebevoll zu umsorgen, stärkt den wertschätzenden Bezug zu ihm und die Akzeptanz des Älterwerdens.

Der Orgasmus ist ein Jungbrunnen

Frauen, die regelmäßig Paar- oder Solosex praktizieren, werden viel weniger mit Scheidentrockenheit zu kämpfen haben. Durch die Kontraktionen im Orgasmus wird zudem der Beckenboden in Bewegung gehalten, was Inkontinenz entgegenwirkt. Das gilt auch für den Mann und seinen Beckenboden. Ebenso profitieren der Penis und seine Schwellkörper, wenn sie regelmäßig anschwellen können, wenn regelmäßig Erektionen stattfinden und die Erregung entladen werden kann in einer Ejakulation. Die ist nicht nur für die Schwellkörper gut, sondern erwiesenermaßen auch günstig als Gesundheitsvorsorge der Prostata. Der Orgasmus als solches ist zudem mit seinem ausgeschütteten Hormoncocktail ein eigentlicher Jungbrunnen und bietet dermaßen viele gesundheitliche Vorteile, dass man nicht darauf verzichten sollte.

Trotz biologischer Veränderungen können wir in der späteren Lebensphase lustvollen, befriedigenden Sex erleben. Vorausgesetzt, es gelingt uns, uns die gemeinsame Sexualität in erweiterten Dimensionen vorzustellen. Frauen und Männer mit einem erfüllten Sexleben werden viel weniger damit zu kämpfen haben, dass sich ihr Körper verändert. Sie werden ihr Selbstbewusstsein und das gute Selbstgefühl behalten oder sogar entwickeln können.

Beim Sex kommt es plötzlich auf etwas anderes an

Junger Sex ist meist schnellerer Sex und mehr auf die Optik festgelegt, späterer Sex eher langsamer und auf die Empfindung gerichtet. Leidenschaftlich und genussvoll können beide sein, denn das hängt von den eigenen erotischen und sexuellen Fähigkeiten ab, besonders von der Wahrnehmungsfähigkeit. Wer in der sexuellen Anziehung nur auf jung und straff steht, hat spätestens jetzt ein erotisches Problem, hat es verpasst, in sinnliche Reize zu investieren. Denn die Haut fühlt sich in jedem Alter gut an, die Vagina immer noch erregend und ein Penis ebenso. Wer in die Wahrnehmung statt in die Optik investiert, für den bleibt das Gegenüber und der Sex interessant. Definieren wir uns in unserem Leben jedoch über Attraktivität und Leistung, werden wir das Älterwerden als Verlust sehen und damit hadern.

In einer kanadischen Studie wurden Paare mit über 35 Jahren Beziehungsdauer gefragt, was für sie guter Sex ist. Für sie treten Erektion und Orgasmus in den Hintergrund, während Intimität, Aufrichtigkeit und Sich-verbunden-Fühlen zur Hauptsache werden.

Wie funktioniert Sex im Alter?

Der Slow-Sex ist für langjährige Paare attraktiver. Zusammenliegen, genau wahrnehmen, die Sinne öffnen, das macht es aus. Je langsamer wir sind, umso mehr können wir wahrnehmen. Je zarter wir sind, umso feiner können wir unsere Empfindungen auseinanderhalten und unser Erleben vertiefen. Gleichzeitig sollten wir einander ehrlich mitteilen, was uns hemmt und hindert und einander fragen: Was stimmt für dich heute, was brauchst du? Denn zufriedene Paare haben gelernt, dass der andere nicht die eigenen Wünsche erfüllen muss.

In dieser Lebensphase sollten wir den Weg zum Höhepunkt ebenso sehr genießen wie den Orgasmus selbst. Das ermöglicht ein Genießen der dadurch entstehenden Gefühle von Zärtlichkeit und Intimität. Stiller Sex ist ein langsames Sich-ineinander-Bewegen und Sich-Räkeln, weniger penetrieren als vielmehr ein Streicheln der Vagina von innen und dabei von ihr gestreichelt werden.

Neue Möglichkeiten

Neben der Penetration können auch ganz andere Sachen beim Sex viel Spaß machen. Es stehen neben dem Penis noch viele weitere „Werkzeuge“ zur Lusterfüllung zur Verfügung. Zunge, Lippen, Händen und Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt keine speziellen Sextechniken für das Alter. Es braucht nicht mehr und nicht weniger als das Wissen über die Empfindungen, die Wahrnehmung und die Langsamkeit. Entscheidend ist, dass wir über die Jahrzehnte die Gewohnheit am Leben halten, uns körperlich zu begegnen. Die Sexpraktiken, die in meinem Buch „Alltagslust“ beschrieben sind, führen geradewegs in diese Form des stilleren Sex.

Körperliche Veränderungen haben auch ihr Gutes. Bei Frauen tritt mehr das Testosteron in den Vordergrund, weshalb sie „kantiger“ auftreten und mehr zu ihren Interessen stehen. Bei den Männern bewirkt der Testosteronabfall, dass ihre emotionale und soziale Seite mehr zum Zug kommt. Das Älterwerden bietet völlig neue Chancen und Gewinne, gerade für Frauen. Nun kann man sich fragen: Welche Träume, Ambitionen und Möglichkeiten habe ich noch? Jetzt muss ich nicht mehr allen gefallen wollen. Man kann es wagen, sich zu exponieren, weil man „nichts mehr zu verlieren hat“.

Veronika Schmidt arbeitet als Paar- und Familienberaterin und Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Schaffhausen am Rhein. Sie bloggt unter liebesbegehren.ch

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  1. […] sich die Zelle teilen, ohne sich nahezukommen, zwei Kranke das Zwei-Bett-Zimmer oder auch ein pensioniertes Paar den ganzen Alltag. Seelische Nähe erfordert den Mut zur Offenheit und den Mut, den Partner so […]

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