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Vorfreude oder schlechtes Gewissen? So gelingt der Kita-Start

Am Ende der Elternzeit steht der Wiedereinstige in den Beruf an. In die Vorfreude mischt sich aber oft das schlechte Gewissen, weil das Kind in die Kita muss. Familienberaterin Daniela Albert verrät, wie der Übergang gelingt.

Mit dem Gedanken an den Kita-Start tun sich viele Eltern schwer. Sie entscheiden sich, andere Menschen in das Leben ihres Kindes zu lassen und sie ein Stück loszulassen. Das Kind wird zukünftig ein paar Stunden am Tag ohne die Eltern verbringen und sie müssen sich darauf verlassen, dass es dem Nachwuchs dort gut geht. Dass Eltern da erst einmal nervös sind und nicht nur voller Vorfreude, ist normal.

Leider ist bei der U3-Betreuung auch das schlechte Gewissen ein Begleiter, besonders für Mütter. Gerade in Westdeutschland sozialisierte Frauen tun sich schwerer mit dem Gedanken, dass ihre Kleinkinder außerhäuslich betreut werden sollen. Das liegt daran, dass unsere eigene Müttergeneration und oft auch unsere Großmütter länger für die Kinderbetreuung zuständig waren. So hat sich bei uns eingebrannt, dass dies der beste Weg ist, ein Kind durch die Kleinkindjahre zu begleiten.

Oft gilt die Betreuung von Kleinkindern durch ihre Mütter auch als der „natürliche Weg“. Menschheitsgeschichtlich war es allerdings nur eine sehr kurze Zeitspanne so, dass Mütter nach der Geburt von Kindern mehrere Jahre Zeit hatten, sich nur auf diese zu konzentrieren. Selbst unsere Großmütter hatten diese Zeit nicht, sie hatten viele zusätzliche Aufgaben in Haus, Garten oder gar nicht so selten auch durch einen dringend benötigten Zuverdienst. Schon immer gab es andere Menschen, die Mütter deshalb bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützt haben.

Viel Zeit für Eingewöhnung einplanen

Der Unterschied zur Kita ist allerdings, dass die sich kümmernden Personen zumeist von Anfang an im Umfeld der Kinder waren. In der U3-Betreuung muss ein Kind nun neuen Menschen vertrauen lernen – und die Eltern auch! Ich empfehle daher, viel Zeit für die Eingewöhnung einzuplanen, sodass Eltern und Kinder die Möglichkeit haben, die neuen Betreuungspersonen gut kennenzulernen. Vielleicht können die Eltern vor der offiziellen Eingewöhnung schon ab und zu für einen Besuch in der Kita vorbeigehen oder bereits Kontakte zu anderen Kita-Familien knüpfen. Je vertrauter dem Kind die neuen Menschen sind, desto leichter werden auch die Eltern sich tun.

Für den Anfang ist weniger mehr – Eltern sollten mit wenigen Stunden am Tag starten Sie mit wenigen Stunden am Tag, sofern der Beruf die Möglichkeit dazu bietet, und dann die Zeit steigern, wenn das Kind dafür bereit ist. Und ganz wichtig: Die Bindungsarbeit, die Eltern zu Hause machen, ist noch immer entscheidend! Ein liebevolles, zugewandtes Elternhaus, in dem ein Kind erlebt, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden, ist ein starker Rückhalt und gleicht auch eine eventuell einmal nicht ganz optimale Betreuungssituation aus. Nur Mut und viel Freude beim Wiedereinstieg!

Daniela Albert ist Autorin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de), lebt mit ihrer Familie in Kaufungen.

Jetzt müssen die Kinder selbst entscheiden

Gut gemeinte Ratschläge der Eltern kommen nicht immer gut an. Denn die Kinder müssen ihren Weg finden – nicht die Eltern. Von Birgit Ortmüller

Als die Kinder klein waren und unseren täglichen Alltag bestimmten, habe ich immer wieder den Satz gehört: „Die Kinder werden so schnell groß.“ Im Stillen habe ich mich dann müde und erschöpft gefragt: „Wann wird das denn endlich sein?“ Ich fühlte mich Lichtjahre von diesem Zeitpunkt entfernt und spürte gleichzeitig eine gewisse Sehnsucht nach Freiheit. Und dann ging doch alles so schnell. Und ich komme gedanklich und emotional kaum hinterher. Ich weiß, es ist an der Zeit. Wenn ich unsere Kinder so betrachte, dann überragen sie mich längst mit ihrer Körpergröße. Sie sind zu jungen Menschen herangewachsen, von Kindern keine Spur mehr. Meine jüngste Tochter meinte kürzlich: „Mama, wir sind doch beide aus dem Alter raus!“ Ehrlich, deutlich und unmissverständlich.

Steine aus dem Weg räumen

Ein neues Lebenskapitel für uns Eltern und auch für die Kinder beginnt. Sie suchen ihren Lebensweg und ihre berufliche Zukunft. Viele Entscheidungen sind abzuwägen und zu treffen. Welche Ausbildung, welcher Studiengang ist richtig? An welchem Ort kann man eine selbstbestimmte Heimat finden? Das Bildungsangebot ist vielfältig und die Fragen berechtigt. In so manchen Gesprächen versuche ich, eine Antwort zu finden und weiterzuhelfen. Mehr geht nicht, entscheiden müssen die Kinder selbst. So mancher gut gemeinte Ratschlag trifft auf Unverständnis. Ich muss lernen, ruhig zu bleiben. Eigene Erfahrungswerte können wertvolle Lebensbegleiter der Kinder sein. Es fällt mir nicht leicht, ihre Gedanken und Ziele anzunehmen. Zu gern möchte ich auch jetzt mögliche Steine aus dem Weg räumen und mich schützend vor sie stellen. Doch ich kann sie nicht mehr vor allem bewahren.

„Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, sagte Søren Kierkegaard. Ich spüre: So manche Entscheidung meiner Lieben könnte in die falsche Richtung gehen. Das kann nicht gut gehen, denke ich. Die gesteckten Ziele und Vorstellungen der Kinder sind nur schwer realisierbar. Mein Herz sagt ziemlich laut „Nein“. Doch dann schreit mein Verstand ein lautes „Ja“. Ich muss es einfach aushalten! Die Kinder müssen ihren Weg finden, nicht ich.

Ohne Groll und Vorhaltungen

In diesen Situationen kommt mir immer meine Lieblingsgeschichte aus der Bibel vom „verlorenen Sohn“ in den Sinn (nachzulesen in Lukas 15). Der Vater lässt seinen Sohn ziehen. Er versorgt ihn finanziell und materiell mit allem, was er benötigt, er ist großzügig im Geben. Ein letztes Mal nimmt er ihn fest in die Arme. Welche Gedanken werden ihm durch den Kopf gegangen sein? Ob er da schon ahnte, dass dieser Weg der falsche ist? Dennoch macht er keine Vorhaltungen, er lässt seinen Sohn ziehen. Lange schaut er ihm nach und schickt seine Liebe und seinen Segen mit auf dessen Lebensreise. Nach vielen Wochen kehrt der Sohn heim, er ist nicht mehr der, der er bei der Abreise war. Abgemagert, am Ende und mit leeren Händen kehrt er zurück. Wie oft wird der Vater nach seinem Sohn bereits Ausschau gehalten haben, vielleicht sogar täglich? Und dann ist der Tag da und er sieht ihn von ferne. Ohne Groll und Vorhaltungen läuft er ihm mit offenen Armen entgegen, so schnell seine alten Beine ihn noch tragen. Der geschundene und gezeichnete Körper seines Sohnes hindert ihn nicht, er drückt ihn fest an sein Herz. Diese tiefe Vaterliebe überstrahlt alle Vorwürfe und Fehler. Der Sohn ist auf- und angenommen. Ein großes Festmahl mit feierlicher Kleidung bringt die Freude des Vaters über diesen verlorenen und wiedergefundenen Sohn zum Ausdruck.

Offene Arme und Türen

Von dieser bedingungslosen Annahme und Liebe will ich lernen, auch wenn alles „schiefgelaufen“ ist und die Befürchtungen des Vaters sich bewahrheitet haben. Und auch wenn unsere Kinder Wege einschlagen, die wir als Eltern nicht befürworten oder bei denen wir Zweifel haben, will ich sie fürsorglich verabschieden, sie ziehen lassen. Im Gebet befehle ich sie meinem Gott an, halte Ausschau nach ihnen und erkundige mich. Und egal, wie sich ihr Weg und ihre Entscheidung gestalten, möchte ich sie stets aufnehmen. Ohne ein „Ich habe es doch gewusst …“ stets die Türen offenhalten und meine Arme entgegenstrecken.

Wir alle leben täglich von der Vergebung und Annahme unseres himmlischen Vaters. Auch er lässt uns laufen, selbst wenn er wie kein anderer unseren Lebensweg schon lange kennt. Er lässt seine Kinder ziehen, selbst wenn wir gar nicht nach seinem Rat fragen. Gott bleibt ruhig, bedrängt nicht und drängt sich nicht auf. Doch er verliert uns nicht aus seinem Blick. Er ist aufmerksam, wenn wir ihn suchen, und er liebt uns bedingungslos. Mit Freude und tiefer Liebe öffnet er seine Arme und drückt uns an sein Vaterherz.

Dieses Bild will ich mir immer wieder vor Augen halten. Auch wenn mein Herz anders denkt und fühlt, möchte ich ebenso wie der Vater den Weg frei machen. Und egal, wie sich die Kinder entscheiden und welche Erfahrungen sie auf ihrem Lebensweg machen: Die Türen und Arme sind immer geöffnet.

Birgit Ortmüller ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Buchenau. Sie ist als Dozentin an der Hochschule und in der Erwachsenenbildung tätig.

Mutter erkennt: „Die Kinder müssen ihren Weg finden, nicht ich.“

Wenn Kinder erwachsen werden, müssen sie ihre Entscheidungen selbst treffen. Das ist ein Lernprozess für die Kinder und ihre Eltern. Eine Mutter berichtet von ihrem Weg.

Als die Kinder klein waren und unseren täglichen Alltag bestimmten, habe ich immer wieder den Satz gehört: „Die Kinder werden so schnell groß.“ Im Stillen habe ich mich dann müde und erschöpft gefragt: „Wann wird das denn endlich sein?“ Ich fühlte mich Lichtjahre von diesem Zeitpunkt entfernt und spürte gleichzeitig eine gewisse Sehnsucht nach Freiheit. Und dann ging doch alles so schnell. Und ich komme gedanklich und emotional kaum hinterher. Ich weiß, es ist an der Zeit. Wenn ich unsere Kinder so betrachte, dann überragen sie mich längst mit ihrer Körpergröße. Sie sind zu jungen Menschen herangewachsen, von Kindern keine Spur mehr. Meine jüngste Tochter meinte kürzlich: „Mama, wir sind doch beide aus dem Alter raus!“ Ehrlich, deutlich und unmissverständlich.

Steine aus dem Weg räumen

Ein neues Lebenskapitel für uns Eltern und auch für die Kinder beginnt. Sie suchen ihren Lebensweg und ihre berufliche Zukunft. Viele Entscheidungen sind abzuwägen und zu treffen. Welche Ausbildung, welcher Studiengang ist richtig? An welchem Ort kann man eine selbstbestimmte Heimat finden? Das Bildungsangebot ist vielfältig und die Fragen berechtigt. In so manchen Gesprächen versuche ich, eine Antwort zu finden und weiterzuhelfen. Mehr geht nicht, entscheiden müssen die Kinder selbst. So mancher gut gemeinte Ratschlag trifft auf Unverständnis. Ich muss lernen, ruhig zu bleiben. Eigene Erfahrungswerte können wertvolle Lebensbegleiter der Kinder sein. Es fällt mir nicht leicht, ihre Gedanken und Ziele anzunehmen. Zu gern möchte ich auch jetzt mögliche Steine aus dem Weg räumen und mich schützend vor sie stellen. Doch ich kann sie nicht mehr vor allem bewahren.

„Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, sagte Søren Kierkegaard. Ich spüre: So manche Entscheidung meiner Lieben könnte in die falsche Richtung gehen. Das kann nicht gut gehen, denke ich. Die gesteckten Ziele und Vorstellungen der Kinder sind nur schwer realisierbar. Mein Herz sagt ziemlich laut „Nein“. Doch dann schreit mein Verstand ein lautes „Ja“. Ich muss es einfach aushalten! Die Kinder müssen ihren Weg finden, nicht ich.

Ohne Groll und Vorhaltungen

In diesen Situationen kommt mir immer meine Lieblingsgeschichte aus der Bibel vom „verlorenen Sohn“ in den Sinn (nachzulesen in Lukas 15). Der Vater lässt seinen Sohn ziehen. Er versorgt ihn finanziell und materiell mit allem, was er benötigt, er ist großzügig im Geben. Ein letztes Mal nimmt er ihn fest in die Arme. Welche Gedanken werden ihm durch den Kopf gegangen sein? Ob er da schon ahnte, dass dieser Weg der falsche ist? Dennoch macht er keine Vorhaltungen, er lässt seinen Sohn ziehen. Lange schaut er ihm nach und schickt seine Liebe und seinen Segen mit auf dessen Lebensreise. Nach vielen Wochen kehrt der Sohn heim, er ist nicht mehr der, der er bei der Abreise war. Abgemagert, am Ende und mit leeren Händen kehrt er zurück. Wie oft wird der Vater nach seinem Sohn bereits Ausschau gehalten haben, vielleicht sogar täglich? Und dann ist der Tag da und er sieht ihn von ferne. Ohne Groll und Vorhaltungen läuft er ihm mit offenen Armen entgegen, so schnell seine alten Beine ihn noch tragen. Der geschundene und gezeichnete Körper seines Sohnes hindert ihn nicht, er drückt ihn fest an sein Herz. Diese tiefe Vaterliebe überstrahlt alle Vorwürfe und Fehler. Der Sohn ist auf- und angenommen. Ein großes Festmahl mit feierlicher Kleidung bringt die Freude des Vaters über diesen verlorenen und wiedergefundenen Sohn zum Ausdruck.

Offene Arme und Türen

Von dieser bedingungslosen Annahme und Liebe will ich lernen, auch wenn alles „schiefgelaufen“ ist und die Befürchtungen des Vaters sich bewahrheitet haben. Und auch wenn unsere Kinder Wege einschlagen, die wir als Eltern nicht befürworten oder bei denen wir Zweifel haben, will ich sie fürsorglich verabschieden, sie ziehen lassen. Ich bete für sie, halte Ausschau nach ihnen und erkundige mich. Und egal, wie sich ihr Weg und ihre Entscheidung gestalten, möchte ich sie stets aufnehmen. Ohne ein „Ich habe es doch gewusst …“ stets die Türen offenhalten und meine Arme entgegenstrecken.

Dieses Bild aus der Geschichte vom verlorenen Sohn will ich mir immer wieder vor Augen halten. Auch wenn mein Herz anders denkt und fühlt, möchte ich ebenso wie der Vater den Weg frei machen. Und egal, wie sich die Kinder entscheiden und welche Erfahrungen sie auf ihrem Lebensweg machen: Die Türen und Arme sind immer geöffnet.

Birgit Ortmüller ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Buchenau. Sie ist als Dozentin an der Hochschule und in der Erwachsenenbildung tätig.

„Ich vermisse unseren Sohn“

„Unser Sohn ist ausgezogen. Nun drehen sich meine Gedanken den ganzen Tag darum, was er gerade macht, vor welchen Schwierigkeiten er stehen könnte und ob ich ihm helfen sollte. Ich weiß, dass ich loslassen muss, aber es fällt mir schwer. Wie kann ich es lernen?“

Unsere Kinder in die Selbstständigkeit zu entlassen, ist ein wichtiger und oft auch schmerzhafter Prozess. Er vollzieht sich in vielen kleinen Schritten, die schon früh beginnen: Das erste Mal allein im Kindergarten, das erste Mal allein zu Fuß zur Schule gehen, das erste Mal allein zum Zahnarzt – all das sind wichtige Meilensteine. Wenn eines der wichtigsten Erziehungsziele ist, dass aus den Kindern selbstständige, verantwortungsvolle Menschen werden, die ihren Platz in der Welt finden, ist jeder dieser Schritte ein Grund zur Freude. Es ist eine wichtige Aufgabe von uns Eltern, unsere Kinder darin zu fördern und diese Dinge nicht für sie zu erledigen.

Vermeiden Sie zu häufige Telefonate!

Wenn dann der große Schritt des Auszugs nach Ausbildung oder Abitur kommt, sind die jungen Erwachsenen hoffentlich gut darauf vorbereitet, auch die nächsten Schritte zu gehen: eine passende WG aussuchen, sich in einer neuen Stadt orientieren, dafür sorgen, dass man genug zu essen im Kühlschrank hat, Menschenkenntnis in den vielen neuen Begegnungen anwenden … Wer seine Kinder darauf in den ersten 20 Jahren vorbereitet hat, hat gute Grundlagen gelegt.

Für die meisten Kinder ist der Auszug ein großes Abenteuer und eine aufregende Zeit, die sie genießen und zelebrieren. Das sollten wir ihnen gönnen und uns über die Erfolge freuen. Widerstehen Sie auf jeden Fall der Versuchung, mehr als einmal in der Woche anzurufen oder unablässig Nachrichten zu schicken. Telefone funktionieren in beide Richtungen. Wenn es unlösbare Fragen gibt, wird Ihr Sohn sich schon melden.

Loslassen ist ein Trauerprozess

Und trotzdem bleibt die innere Unruhe und Trauer. Ja, es ist wirklich ein Trauerprozess, den wir als Eltern durchlaufen. Vom Nicht-wahr-haben-Wollen („Mein Sohn kommt ja noch ganz oft nach Hause, das Kinderzimmer lassen wir so, wie es ist“) über eine gewisse Wut („Anderes ist ihm jetzt viel wichtiger als ich, obwohl ich alles für ihn getan habe“) bis zum Einrichten in die neue Situation, die ja auch Angenehmes hat. Aber zunächst muss ich loslassen. Ich konnte meine Kinder viele Jahre umsorgen und mich für sie einsetzen, aber jetzt weiß ich nicht mehr, wo sie sich Tag für Tag genau aufhalten und wie es ihnen geht.

Die Beziehung zum Kind wird nicht mehr die gleiche sein wie vorher. Allein das anzunehmen, kostet Kraft und Zeit. Mir persönlich hat es geholfen, Sorgen und Ablösungsschmerzen bei Gott abzugeben. Ihm konnte ich sowohl die Sicherheit meiner Kinder als auch meinen eigenen Schmerz anvertrauen. Kontrolle, Klammern und ständiges Nachfragen sind dagegen keine Option. Wir werden als Eltern aber auch auf uns selbst geworfen, wenn die Kinder ausziehen: Eine neue Lebensphase beginnt, in der wir viel Freiheit haben. Wie will ich diese Lücke füllen? Was kommt jetzt für mich als Vater oder Mutter? Es dauert meistens eine ganze Weile, bis man darin etwas Positives entdecken kann.

Anke Kallauch ist Referentin für Kindergottesdienst im Bund Freier evangelischer Gemeinden und Mutter von drei erwachsenen Kindern. 

An meine Heldeneltern

ich bin irgendwo zwischen Anfang und Mitte 20, ausgewachsen, gesund und wohlgenährt, angemessen planlos – oder sagen wir: flexibel  – verheiratet, habe ein Studium absolviert und bin ganz offiziell angestellt. Meine Augen sind nicht viereckig und meine Hände weisen keine Herdplatten-förmigen Brandnarben auf. Ich kann Wäsche waschen, räume quasi eigenständig die Spülmaschine aus und weiß theoretisch, wie man einen Siphon säubert. Dass ich googeln musste, wie man das schreibt, kann ich euch nicht ankreiden. Es ist amtlich: Ihr habt einiges richtig gemacht.

Dass ich so gut gerate, war nicht immer zu erwarten. Sieben Jahre gab es nur Mama und mich. Wir waren ein Dream-Team. Und obwohl du alles warst, was ich brauchte, hast du mich immer mit Vorbildern und Vertrauensmenschen versorgt. Erst heute kann ich mir ansatzweise vorstellen, was du geleistet, geopfert und durchgemacht hast, damit ich nicht nur hatte, was ich brauchte, sondern nicht mal merkte, was mir fehlen könnte. Irgendwer hat mal gesagt: Wer Kinder hat, dessen Herz lebt außerhalb seines Körpers. Ich wünschte, du hättest dich weniger um mich gesorgt. Aber wenn ich nur beinahe so etwas wie dein Herz mit mir herumtrage, bin ich ein Licht in dieser Welt – stark, lebendig und liebevoll. Dafür kann ich mit deiner Schwäche manchmal nicht umgehen. Aber du lässt dir von mir den Spiegel vorhalten. Dafür respektiere ich dich. Und das gibt mir Hoffnung, dass Erwachsensein nicht heißen muss, so zu tun, als hätte ich das Leben verstanden.
Als der große Handwerker mit der tiefen Stimme und drei potenziellen Thronfolgern unsere kleine Welt betrat, war ich unentschlossen. Der soll mein Stiefvater sein? Wir haben lange nach einem alternativen Begriff gesucht. Fest steht: Mit „Stief“ werde ich mich nicht anfreunden. Das klingt nur cool, wenn man an der 50 kratzt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass du niemanden ersetzen willst, selbst dann nicht, als es etwas zu ersetzen gab. Du hast für mich gekämpft, versucht, mich zu verstehen, gemerkt, dass das nichts wird und mich einfach bedingungslos geliebt. Dein Stolz lässt mich aufrechter gehen. Deine Unterstützung lässt mich Berge versetzen. Dein Herz zeigt mir, was Jesus mit Barmherzigkeit gemeint hat.
Ihr habt mich ausgestattet mit einem tatsächlichen und einem ideellen Werkzeugkasten voller Selbstvertrauen, Macken und Werten, von denen ich einige bis aufs Blut verteidigen würde. Danke fürs Erziehen und danke für den Versuch, mich loszulassen. Beim nächsten Anlauf klappt’s bestimmt. Und irgendwie könnt ihr euch damit auch Zeit lassen.

In Liebe,

eure Tochter

 

Ann-Sophie Bartolomäus (23) ist Volontärin bei Family und FamilyNEXT. Sie lebt mit ihrem Mann in Witten und ist offen für Vorschläge, was das Stiefvater-Namens-Dilemma angeht.

Als beim knapp 18-jährigen Marius Skoliose diagnostiziert wird, ist seine Mutter zum Nichtstun verdammt

Marius ist fast volljährig, als bei ihm eine Krümmung der Wirbelsäule festgestellt wird. Die Entscheidung für oder gegen eine OP muss er eigenständig treffen. Für seine Mutter heißt das: loslassen.

Tag 1 nach der Operation meines 20-jährigen Sohnes: Ich stehe in der Intensivstation und sehe den erst wenige Stunden aus der Narkose zurückgeholten Marius. Es ist der Moment, den ich seit Monaten gefürchtet und doch auch herbeigewünscht habe, um die Anspannung des Ungewissen hinter mir lassen zu können. Marius’ Gesicht und Extremitäten sind geschwollen von Medikamenten. Er hat Schmerzen und hängt an Schläuchen und Geräten. Doch die mehr als siebenstündige OP ist der Beginn eines neuen Lebensabschnittes unseres Sohnes: ein harter, schmerzhafter Einschnitt, für den er sich selbst entscheiden musste.

Was ist Skoliose?

Gut zweieinhalb Jahre zuvor war bei Marius eine deutliche Skoliose festgestellt worden. Dabei handelt es sich um eine Wachstumsstörung, bei der sich die Wirbelsäule krümmt. Je nach Ausmaß dieser Fehlbildung können die inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Zudem hat die Fehlhaltung Auswirkungen auf die gesamte Körperhaltung mit diversen Folgeproblemen. Marius stand bei Diagnosestellung kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag und seinem Abitur. Fachärzte rieten zur Operation.

Er muss sich selbst entscheiden

Ein Schock für uns als Eltern: Hätten wir nicht früher aufmerksam werden müssen auf diese Fehlentwicklung? Und natürlich erst recht ein Schock für unseren Sohn: Er hatte sich bisher „normal“ gefühlt und galt plötzlich als behandlungsbedürftig. Seine Wirbelsäule sollte in einer OP aufgerichtet und mit Titanstäben in dieser Form gehalten werden. Im Verlauf eines Jahres würden die Wirbel über die aufgerichtete Strecke hin verknöchern, also unbeweglich werden. Zu einer Entscheidung für die Operation konnte Marius sich zunächst nicht durchringen. Als Eltern drängten wir anfangs, verstanden aber mit der Zeit: Er muss sich entscheiden, er muss mit den Folgen leben, auch mit einem – im schlimmsten Fall – misslungenen Eingriff.

Gerade noch minderjährig, jetzt Patient

Die Situation war für uns alle neu: Marius war volljährig. Das hieß einerseits: Als Eltern haben wir weder das Recht noch die Pflicht, eine Entscheidung zu forcieren, geschweige denn sie zu treffen. Andererseits war Marius überfordert mit der Situation: Gerade noch war er ein minderjähriger Schüler. Jetzt war er zum Patienten geworden, der Entscheidungen über Arztbesuche treffen und lange Fragebögen zu seiner Gesundheit ausfüllen musste. Ich konnte diese für uns alle neue Situation im Lauf der Zeit auch als Entlastung sehen: Ich bin nicht verantwortlich für die Konsequenzen jener Entschlüsse, die er trifft. Ich kann und will meinem Sohn aber auf seinem Weg mit der Skoliose zur Seite stehen. Und ich kann um Weisheit und Beistand für uns Eltern und für unseren Sohn beten.

Ein Mensch mit Fehlern und Schwächen

Mein anfängliches Drängen auf eine OP hatte etwas damit zu tun, dass ich alles wieder richten wollte: mein Versagen, die Fehlbildung schon früher zu erkennen. Und den Schmerz, dass mein gesund geborenes und sich zunächst normal entwickelndes Kind scheinbar plötzlich unter einer gravierenden Fehlbildung litt.

Nach und nach versuchte ich, diese Entwicklung zu akzeptieren. Ja, bei anderen Jugendlichen wird eine Skoliose früher entdeckt, und sie haben so die Chance, sie durch Tragen einer Orthese zu therapieren. Ja, auch ein gesund geborenes Kind kann Behinderungen und Krankheiten entwickeln. Ich trage als Mutter einen Teil der Verantwortung für die Entwicklung. Ich bin aber auch „nur“ ein Mensch mit Fehlern und Schwächen. Mich in Schuldgefühlen zu vergraben, würde weder Marius noch mir helfen. Entscheidend war, was in der konkreten Situation zu tun war. Das hieß für mich und für meinen Mann: sich informieren, Marius beraten, Arzttermine ausmachen, zu den Terminen begleiten und den Ärzten Fragen stellen, die Marius nicht in den Sinn kamen.

Die Situation verschlimmert sich

Anfangs musste ich mich zur Gelassenheit zwingen, später konnte ich sie zu einem gewissen Grad finden. Ich sprach das Thema der OP nur gelegentlich an. Ich nahm Kontakt zu einer Skoliose-Selbsthilfegruppe auf. Meine dort gewonnenen Informationen wollte Marius für sich aber nicht annehmen. Erschreckend für uns war, dass sich innerhalb der zwei Jahre seit der ersten Röntgenaufnahme der Zustand seines Rückens noch einmal massiv verschlechtert hatte. Bei schlechterer Ausgangslage sind auch die Korrekturmöglichkeiten weniger optimal. Allerdings hatte Marius nun auch öfter Rückenschmerzen und war dadurch mehr motiviert, die OP in Angriff zu nehmen. Wieder kamen bei mir Schuldgefühle auf: Hätte ich, hätten wir ihn doch mehr drängen sollen?

Marius hat uns Eltern nie dafür verantwortlich gemacht, dass seine Skoliose erst so spät erkannt wurde. Er ist ein Pragmatiker, der seine Lebensaufgaben möglichst ressourcensparend angeht. Über Gefühle spricht er kaum, Schmerzen werden erst im Nachhinein erwähnt. So erfuhren wir zum Teil erst nach der Operation, wie eingeschränkt er zuvor war.

Mit Kummer in der Kirche

Im Sommer 2019 fiel schließlich der Entschluss zur OP. Im November sollte der Termin sein. Erneut war ich emotional sehr mitgenommen. Meine Gebete wurden sehr intensiv. Oft betrat ich im Vorbeigehen eine der Kirchen unserer Stadt, um meine Sorgen und Ängste vor Jesus zu bringen. Ich rang dabei um die rechte Haltung: Ich wollte und durfte Gott meinen Kummer, meine Ängste und Sehnsüchte vor die Füße legen. Zugleich aber wollte ich Gott nicht beschwören: „Du musst doch, wenn ich so bitte!“ – Nein, musste er nicht!

In den Händen des OP-Teams

Die Zeit bis zum Eingriff schien sich ewig hinzuziehen. Ich war nervös, schlief schlecht und wollte doch meinem Sohn eine Stütze sein. Dieser brauchte Hilfe, war deswegen aber auch genervt. Er, der doch seinen Kram sonst allein macht und kein Kind mehr ist, wird nun wieder mit allerlei Ratschlägen belästigt.

Schließlich mussten wir unseren Sohn in die Hände eines OP-Teams übergeben, wohl wissend, dass er letztlich in Gottes Hand liegt. Marius’ fast acht Stunden dauernder OP schloss sich eine Nacht in Narkose an. Die diensthabende Ärztin der Intensivstation sprach am späten Abend sehr empathisch zu uns: „Er ist noch in Narkose, es geht ihm gut, versuchen sie zu schlafen.“ Ich fand es sehr einfühlsam von ihr, uns damit die „Erlaubnis“ zum Schlafen zu geben: Wir konnten im Moment nichts für ihn tun, würden unsere Kräfte noch brauchen.

Schwere Tage

Marius verbrachte drei Tage auf der Intensivstation und eine Woche auf der Normalstation. Es war schwer für mich zu sehen, dass er Schmerzen hatte. Und es war schwer, das endgültige Ergebnis der OP wegen des langen Heilungsprozesses noch nicht wissen zu können.

Aber Marius hatte – mit Gottes Hilfe – diesen großen Eingriff hinter sich gebracht und wir mit ihm. Und nachdem wir uns erst nicht vorstellen konnten, wie er zu Hause zurechtkommen sollte, so eingeschränkt wie er war, erlebten wir es wie ein Wunder, als alle Drainagen und Infusionen und Katheter nach einigen Tagen entfernt worden waren, wie er – zwar mühevoll – allein zur Toilette ging und ein paar Schritte den Flur auf und ab gehen konnte. Am Tag der Entlassung schließlich brauchte er im Bad, beim Anziehen und Essen keine Hilfe mehr.

Corona wird zum Glücksfall

Zu Hause ging es langsam, aber stetig aufwärts. Marius schaffte es pragmatisch – wie es seine Art ist –, nach und nach von den schweren Schmerzmitteln loszukommen und den Alltag zu bewältigen. Die Nachuntersuchung nach drei Monaten verlief zufriedenstellend. Marius klinkte sich im Sommersemester wieder in das für ein Semester unterbrochene Studium der Verfahrenstechnik ein. Er gehörte zu den „Corona-Gewinnern“: Die Veranstaltungen fanden online statt, Marius konnte sie vom bequemen Stuhl am heimischen Schreibtisch aus verfolgen.

Ich bin dabei zu lernen, die Behinderung meines erwachsenen Sohnes endgültig in seine Verantwortung zu übergeben. Und zu respektieren, dass er mit Erfahrungen anders umgeht als ich. Wo ich reflektiere, schreibe, Lehren zu ziehen versuche, sagt er, auf möglicherweise gewonnene Erfahrungsschätze aus dem Krankenhausaufenthalt angesprochen: „Das war ’ne Scheißzeit, was soll ich da viel drüber nachdenken.“

Keine „Skoliose-Mutter“

Und so erlebe ich nach wie vor die Unsicherheit darüber, was dieser Sohn von mir braucht. Wahrscheinlich bräuchte er so manches, aber ich bin oft nicht (mehr) die, die es ihm geben kann. Er ist erwachsen und muss auch hier seinen Weg gehen und gegebenenfalls Wegbegleiter finden. Nach der Corona-Zeit will ich die Skoliose-Selbsthilfegruppe noch einmal besuchen, um von unseren OP-Erfahrungen zu berichten. Das werde ich gern tun, mich dann aber dort verabschieden. Mein Sohn ist erwachsen, er braucht keine „Skoliose-Mutter“, die seine Gesundheit zu ihrem Problem macht. Aber eine Mutter, die für ihn betet und ihm – wo nötig – zuhört, möchte ich ihm noch lange sein.

Die Autorin möchte anonym bleiben.

Weihnachten ohne Kinder – Die Feiertage zu zweit müssen nicht einsam sein

Wenn die Kinder erwachsen werden, ändert sich auch Heiligabend. Aber daraus kann etwas Neues entstehen.

„Unsere Kinder feiern dieses Jahr zum ersten Mal Weihnachten nicht mit uns. Unsere Tochter ist im Ausland, und unser Sohn feiert das Fest mit der Familie seiner Frau. Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf die Weihnachtstage freue. Wie komme ich damit zurecht?“

Es weihnachtet: Plätzchen backen, Weihnachtsbaum schmücken, Weihnachtsessen planen und die Vorfreude auf fröhliche Gesichter – so kennen und lieben wir das Weihnachtsfest; besonders den Heiligen Abend. Aber die Kinder werden flügge, haben das Elternhaus verlassen, und plötzlich sitzt man mit dem Ehepartner allein unter dem Weihnachtsbaum.

Bloße Erinnerungen sind ein Garant für inhaltsleere Weihnachten

Uns übermannt eine gewisse Trostlosigkeit, und selbst der alljährliche Weihnachtsstress ist auf einmal erstrebenswerter, als nur ein Essen zu zweit zu planen. Doch wenn wir jetzt in diesen Erinnerungen haften bleiben oder ein gelungenes Weihnachtsfest nur von den Kindern abhängig machen, ist dies eine Garantie für einen traurigen und inhaltsleeren Weihnachtsabend. So möchten wir jedoch nicht das „schönste Fest des Jahres“ verbringen! „Plötzlich zu zweit“ bietet die Perspektive, Weihnachten neu zu entdecken und zu erleben.

Vielleicht laden wir Freunde ein, denen es ebenso geht wie uns, und gestalten ein Weihnachtsdinner mit allem Drum und Dran: ein tolles Essen, zu dem jeder etwas beiträgt. Oder man entschließt sich, die Zweisamkeit an diesen Feiertagen besonders zu genießen: Der Wecker bleibt aus, das Abendessen wird vorgekocht, man liest endlich wieder ausgiebig Zeitung oder die ungelesenen Bücher und verbringt einen Pyjama-Tag, an dem Weihnachten abseits von großartigem Essen und Abendkleidung zelebriert wird.

Raum für neue Traditionen

Weihnachten hat viele Aspekte – auch ohne Kinder, ohne liebgewonnene Traditionen. Letztlich ist jedes Weihnachtsfest auch die Chance, sich vielleicht ganz neu bewusst zu machen, wen und was wir feiern, und darauf den Fokus zu setzen. Und vielleicht wird uns dann auch deutlich, dass – wenn sich unsere Leben ändern – neue Traditionen entstehen können, die das Weihnachtsfest anders gestalten, aber nicht schlechter.

Ute Sinn ist verheiratet mit Martin, hat drei erwachsene Kinder und lebt und arbeitet als Seelsorgerin und Künstlerin in Wetter/Ruhr.

Weihnachten ohne Kinder

„Unsere Kinder feiern dieses Jahr zum ersten Mal Weihnachten nicht mit uns. Unsere Tochter ist im Ausland, und unser Sohn feiert das Fest mit der Familie seiner Frau. Ich kann nicht sagen, dass ich mich auf die Weihnachtstage freue. Wie komme ich damit zurecht?“

Es weihnachtet: Plätzchen backen, Weihnachtsbaum schmücken, Weihnachtsessen planen und die Vorfreude auf fröhliche Gesichter – so kennen und lieben wir das Weihnachtsfest; besonders den Heiligen Abend. Aber die Kinder werden flügge, haben das Elternhaus verlassen, und plötzlich sitzt man mit dem Ehepartner allein unter dem Weihnachtsbaum.

Weihnachten neu entdecken

Uns übermannt eine gewisse Trostlosigkeit, und selbst der alljährliche Weihnachtsstress ist auf einmal erstrebenswerter, als nur ein Essen zu zweit zu planen. Doch wenn wir jetzt in diesen Erinnerungen haften bleiben oder ein gelungenes Weihnachtsfest nur von den Kindern abhängig machen, ist dies eine Garantie für einen traurigen und inhaltsleeren Weihnachtsabend. So möchten wir jedoch nicht das „schönste Fest des Jahres“ verbringen! „Plötzlich zu zweit“ bietet die Perspektive, Weihnachten neu zu entdecken und zu erleben.

Vielleicht laden wir Freunde ein, denen es ebenso geht wie uns, und gestalten ein Weihnachtsdinner mit allem Drum und Dran: ein tolles Essen, zu dem jeder etwas beiträgt. Oder man entschließt sich, die Zweisamkeit an diesen Feiertagen besonders zu genießen: Der Wecker bleibt aus, das Abendessen wird vorgekocht, man liest endlich wieder ausgiebig Zeitung oder die ungelesenen Bücher und verbringt einen Pyjama-Tag, an dem Weihnachten abseits von großartigem Essen und Abendkleidung zelebriert wird.

Chance für eine neue Perspektive

Vielleicht machen wir uns aber auch auf und entschließen uns, denen ein schönes Weihnachtsfest zu bereiten, die ohnehin nicht mehr mit ihrer Familie feiern können. Wir besuchen Menschen im Altersheim oder gestalten mit anderen zusammen einen schönen, festlichen Abend für Obdachlose.

Weihnachten hat viele Aspekte – auch ohne Kinder, ohne liebgewonnene Traditionen. Letztlich ist jedes Weihnachtsfest auch die Chance, sich vielleicht ganz neu bewusst zu machen, wen und was wir feiern, und darauf den Fokus zu setzen. Und vielleicht wird uns dann auch deutlich, dass – wenn sich unsere Leben ändern – neue Traditionen entstehen können, die das Weihnachtsfest anders gestalten, aber nicht schlechter.

Ute Sinn ist verheiratet mit Martin, hat drei erwachsene Kinder und lebt und arbeitet als Seelsorgerin und Künstlerin in Wetter/Ruhr.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Verliert mein Sohn seinen Glauben?“

„Mein Sohn ist vor zwei Jahren ausgezogen. Seitdem hat er sich immer mehr vom Glauben entfernt. Er besucht keine Gemeinde und hat, soweit ich weiß, auch keine christlichen Freunde. Ich habe nicht das Gefühl, dass er auf die schiefe Bahn gerät, aber es tut mir schon weh zu sehen, dass er nichts mit Gott zu tun haben will. Was kann ich tun?“

Zunächst einmal schön, dass Sie Ihren mittlerweile erwachsenen Sohn so gut im Blick haben und sicher nicht nur gedanklich begleiten. Und ich möchte Sie beglückwünschen: Ihr Sohn hat einen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und gestaltet nun sein eigenes Leben. Dies ist ein guter und wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit, der manchen jungen Erwachsenen schwerfällt und meistens eine Herausforderung ist. Ihrer Anfrage entnehme ich, dass er Beziehungen pflegt, sein Leben gut zu meistern scheint und dabei Freude hat.

Sie haben Ihrem Sohn sicher eine gute Basis mitgegeben, auch eine Glaubensbasis und Wissen über den Glauben, den Sie ihm vermittelt und vorgelebt haben. Darüber hinaus haben Sie ihm durch die Erziehung viele Werte und Kompetenzen vermittelt, die er zur Bewältigung seines Lebens benötigt.

Zweifel gehören dazu

Jetzt ist ihr Sohn gefragt. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch die Entwicklung des eigenen Glaubens. So wie Ihr Sohn den Schritt in die eigene Wohnung gewagt hat, sich in Neuland begeben hat, so ist er nun auch gefragt, seinen eigenen Glaubensweg zu finden. Dazu gehören auch Zweifel und Anfragen, das Hinterfragen des Kinderglaubens und all dessen, was man von zu Hause übernommen hat.

Begegnen Sie ihm offen und tolerant. Ein Klima der Annahme, gerade von den Eltern, kann eine Hilfe sein. Leben Sie weiterhin Ihren Glauben vor, ohne dabei moralisch oder einengend zu sein. Erzählen Sie ganz natürlich von dem, was Sie mit Gott erleben. Und halten Sie kritische Nachfragen aus. Glaubensgemeinschaft kann und sollte auch immer Zweifelgemeinschaft sein. Sie brauchen dabei nicht immer Antworten auf alle seine Fragen parat haben. Der Eindruck, alles zu wissen und zu verstehen, wirkt oft unglaubwürdig. Es kann sein, dass er bei seiner kritischen Haltung bleibt. Aber es kann auch der Weg zu einem eigenen Glauben sein. Das liegt nicht in Ihrer Hand.

Loslassen!

Ihre Sorgen und Befürchtungen können viele Eltern teilen und verstehen. Es tut weh, weil wir davon überzeugt sind, dass unser Heil und unsere Hoffnung im Leben nur in Jesus zu finden ist. Und es tut weh, wenn Kinder das, was

uns viel bedeutet, geringschätzen und sogar ablehnen. Ich möchte Sie ermutigen, darauf zu vertrauen, dass Ihr Sohn seinen eigenen Weg finden wird. Ich wünsche ihm und Ihnen sehr, dass er dabei auch seinen Glauben wiederfindet. Lassen Sie Ihren Sohn los. Lassen Sie ihn beruflich, privat und geistlich seinen Weg gehen. Dieser Weg muss kein Schlusspunkt sein, sondern kann auch ein Doppelpunkt werden. Ein Weg, der einen reifen, tragenden, freien Glauben hervorbringt. Auch, wenn es (noch) nicht so ist. Er ist ein geliebtes Kind Gottes, und dieser Gott wird ihm nachgehen.

Susanne Peitz ist verheiratet, hat zwei Töchter, ist Sozialpädagogin und Systemische Beraterin mit eigener Praxis und wohnt in Heuchelheim bei Gießen.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Auf das Loslassen kann man sich nicht vorbereiten

Wie eine alleinerziehende Mutter die Herausforderung meistert. Ein ehrlicher Bericht.

Mein Kind ist groß und ich lass los. – Das ist schön gereimt und hört sich einfach an. Ich dachte immer, ich hätte mich schon sehr früh darauf vorbereitet, dass mein Sohn irgendwann ein eigenes und selbstständiges Leben führen wird und ich ihn dann loslassen muss. Aber es kam anders. Und überhaupt lief das mit Familie nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Scheidungskind

Ich bin das Kind einer alleinerziehenden Mutter. Ich habe zwei Geschwister. Mein Vater ist Afrikaner, und wir lebten bis zu meinem elften Lebensjahr in seinem Heimatland. Unser Alltag war geprägt vom Bürgerkrieg und der Gewalt und den Missbrauch durch meinen Vater. Anfang der 80er-Jahre gelang meiner Mutter, die Deutsche ist, die Flucht in ihre Heimat.

Dadurch, dass ich die Älteste bin, hatte ich eine sehr große Verantwortung für meine Geschwister. Meine Mutter musste arbeiten, und wir Kinder waren oft uns selbst überlassen. Das führte dazu, dass ich sehr früh selbstständig und „erwachsen“ wurde.

Anfang 20 lernte ich während meiner Ausbildung meinen zukünftigen Ehemann kennen. Wir heirateten und unser Sohn kam auf die Welt. Sehr bald merkte ich, dass ich einen Mann mit zwei Gesichtern geheiratet hatte. Das Welt-Gesicht, mit dem ich ihn kennengelernt hatte, und das Privat-Gesicht, das dem meines Vaters sehr ähnelte. Kurz vor dem ersten Geburtstag meines Sohnes eskalierte eine Situation. Mir wurde bewusst, dass ich mich von diesem Mann trennen muss, um vor allem die Seele meines Sohnes zu schützen.

Die Last nicht Allein tragen

Da stand ich nun. Allein mit einem zehn Monate alten Säugling. Seelisch ein Wrack und sehr allein, da ich mein Leben lang eine Einzelgängerin war. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Aber ich wollte alles tun, um meinen Sohn zu beschützen und ihn zu einem Mann zu erziehen, der wertschätzend und rücksichtsvoll mit anderen Menschen und besonders mit Frauen umgeht. Ich habe mir und ihm versprochen, ihn niemals allein zu lassen. Aber zuerst musste ich selbst wieder auf die Beine kommen. Es begann eine jahrelange Odyssee mit Klinikaufenthalten und Therapien. Durch die Geschichte mit meinem Ex-Mann brach mein Kindheitstrauma auf, das ich komplett verdrängt hatte.

Gleichzeitig begann mein Weg im Glauben, mein Weg auf Jesus hin und Gott entgegen. Noch vor der Geburt meines Sohnes war ich einem Christen begegnet, der mir den Glauben nahegebracht hatte. Als mein Sohn etwa zwei Jahre alt war, wusste ich, dass ich die Verantwortung für die Erziehung nicht allein tragen konnte. Ich ließ ihn in einem Gottesdienst segnen. Und ich spüre noch heute, wie mir eine Last von den Schultern gehoben wurde, als der Segen über dieses Kind ausgesprochen war. Das war meine erste wirklich intensive Begegnung mit Jesus.

Schlechte Mutter?

Durch viele intensive Erlebnisse sind mein Sohn und ich eng zusammengewachsen. Mir war aber wichtig, dass er das Kind sein konnte und ich die Erwachsene. Aus den immer wieder auftauchenden Konflikten mit seinem Vater habe ich ihn herausgehalten. Trotzdem hielt ich mich immer für eine schlechte Mutter. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich es nicht geschafft hatte, die Ehe auszuhalten und die Familie zu bewahren. Aber ich hatte mich ja getrennt, um mich und meinen Sohn zu schützen. Das war das einzig Richtige, was ich tun konnte.

In der Gemeinde fanden wir eine neue „Familie“. Es dauerte lange, bis ich anfing, Vertrauen zu fassen. Meinem Sohn fiel das leichter, er tauchte in die Kinder- und später in die Teenie- und Jugendarbeit ein. Und wenn ich mal für ein paar Wochen in eine Klinik musste, gab es eine andere Familie mit vielen Söhnen, die ihn aufgenommen hat. Heute habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine beste Freundin und bin Teil einer Gemeinschaft, die mir guttut, die mich trägt, die mir zeigt, wie man sich am Leben freuen kann, und die für mich betet, wenn ich durch ein dunkles Tal marschieren muss.

Unperfekte Familien

Als mein Sohn in der Pubertät war, bekam ich die Anfrage, als Assistentin für einen Mann zu arbeiten, der bei einem Missionswerk die Arbeit in der arabischen Welt leitete. Ich wusste sofort, dass ich das machen möchte. Die neue Aufgabe wäre zwar mit Reisen und langen Abwesenheiten von zu Hause verbunden. Aber ich war mir sicher, dass mein Sohn das hinbekommen würde, dass er ein verantwortungsbewusster junger Mann war, der keinen Mist machen würde. Er hatte seit etwa zwei Jahren einen kleinen, überschaubaren Freundeskreis, von dem ich dachte, dass er ihm guttut. Wie sehr hatte ich mich geirrt. Als ich von einer zweiwöchigen Konferenz zurückkam, merkte ich, dass etwas mit meinem Sohn nicht stimmte. Er schlief schlecht, war abwesend, suchte meine Nähe und meinen Trost. Zwei Wochen später erfuhr ich, dass er überredet worden war, die durch meine Abwesenheit sturmfreie Bude zu nutzen. Es war viel Alkohol im Spiel gewesen. Und mein Sohn hatte bis dahin kaum Alkohol getrunken. Es kam dann wohl zu einem Vorfall, der zu einer Anzeige führte. Allerdings wurde das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Ich stellte alles in Frage: meinen Dienst in der Missionsgesellschaft, meine Erziehung, mein Muttersein, einfach alles. Schritt für Schritt bin ich durch diesen Prozess gegangen. Mir wurde bewusst, dass ich meinen Sohn alles andere als losgelassen hatte. Am meisten hat mich die Tatsache umgehauen, dass ich meinen Sohn nicht mehr beschützen kann. Er ist jetzt auf dem Weg, erwachsen zu werden. Und er ist in einem Alter, wo er seine eigenen Entscheidungen trifft und dafür auch die Konsequenzen tragen muss. Ich glaube, das war die härteste Erkenntnis, die ich aushalten muss.

Und was noch dazukam: Ich habe mich unendlich geschämt. Ich war überzeugt, mit niemandem in der Gemeinde darüber reden zu können. Sie haben alle ihre perfekten kleinen Familien … Als ich es schließlich schaffte, mich jemandem anzuvertrauen, begegneten mir Anteilnahme, Gebet und – ganz wichtig – unperfekte Geschichten von unperfekten Kindern aus unperfekten Familien. Das hat mir geholfen zu sehen, dass das Verhalten meines Sohnes nicht meine Schuld ist. Ich habe gelernt, es als ein Ereignis zu sehen, das jetzt zu seinem Leben gehört, und es zu akzeptieren. Er hat mit mir bis heute nicht darüber gesprochen, was eigentlich genau passiert ist. Und es ist auch nicht mehr wichtig. Ich habe ihm nur gesagt: „Egal, was geschehen ist, es ändert nichts an meiner Liebe zu dir.“ Auch das gehört zum Loslassen: zu akzeptieren, dass er nicht über alles mit mir redet.

Luft fürs Leben lassen

Ich weiß heute, dass man sich auf das Loslassen nicht vorbereiten kann, so sehr man sich auch anstrengt. Ich weiß heute, dass es wichtig ist, bei jedem Schritt, den das Kind in seine Selbstständigkeit vorwärtsgeht, selbst einen Schritt zurückzugehen. Ihn zu „entlassen“, den Radius zu erweitern und ihm Luft für sein Leben zu lassen. Vor den Gefühlen, die dabei in mir spürbar werden, kann ich mich nicht prophylaktisch schützen. Denn loslassen bedeutet, meine Gefühle in dem Moment anzuschauen, wenn ich

diesen Schritt zurück mache. Dazu gehört Weinen, weil ich meinen Sohn in eine ungewisse Zukunft entlasse, in der er sicher Entscheidungen treffen wird, die ich nicht gut finde. Aber auch Lachen und Freude, dass ich Anteil habe daran, dass dieser junge Mensch so sicher seinen Weg geht. Und ich weiß, dass er weiß, dass ich immer da bin.

Ich habe immer darüber nachgedacht, ob und wie ich mit ihm darüber reden soll, warum ich mich von seinem Vater getrennt habe, und ob er es mir zum Vorwurf macht. Ich wusste nie, wann der richtige Zeitpunkt ist. Vor einigen Wochen waren wir wandern und mein Sohn fragte auf einmal: „Mama, ginge es uns heute auch so gut, wenn du dich nicht von Papa getrennt hättest?“ Wow, was für eine Frage! Ich sagte ihm, dass es uns wahrscheinlich nicht so gut ginge und wir eher sehr verletzte Menschen wären. „Es war wegen seiner Aggressionen, oder?“, meinte er. Auch hier hat er die Zeit bestimmt, wann er so weit war, darüber zu reden.

Beziehungsfähig?

Heute ist der Prozess des Loslassens nicht vorbei. Aber er ist leichter, vielleicht auch, weil ich ihm nicht mehr ganz so viel Gewicht in meinem Leben gebe. Und ich muss sagen, dass die Gemeinde und auch das Gebet einen ganz großen Anteil haben. Als Alleinerziehende bin ich viel mehr auf Gott angewiesen. Er ist es, mit dem ich meine Alltagsprobleme bespreche, wo andere vielleicht einen Ehepartner haben.

Was bleibt, ist meine Sorge, ob mein Kind jemals in der Lage sein wird, eine Beziehung einzugehen. Ob er beziehungsfähig ist. Ich bin nun die vierte Generation von alleinerziehenden Frauen in unserer Familie. Ich bin die Einzige, die Jesus in ihrem Leben hat. Kann Gott die Verletzungen heilen, die auch mein Sohn schon sehr früh erlitten hat? Ich sehe, welche Heilung Gott mir hat zukommen lassen, und ich vertraue darauf, dass er auch meinen Sohn in seinen Händen hält.

Die Autorin möchte gern anonym bleiben, um sich und ihren Sohn zu schützen.