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Sexologin: Gleichberechtigung sorgt für besseren Sex

Wenn sich Paare im Alltag auf Augenhöhe begegnen, hat das auch positive Auswirkungen im Bett. Sexologin Veronika Schmidt erklärt, wie das zusammenhängt.

Je gleichgestellter ein Paar ist, desto größer ist die Chance auf ein erfülltes Sexleben. Das ist nicht einfach eine Behauptung, sondern gut untersucht. So fand eine Studie der Universität von Alberta heraus, dass Männer, die angaben, sich auf faire Weise an der Hausarbeit zu beteiligen und Verantwortung in der Kinderbetreuung zu übernehmen, auch mehr Sex hatten und zufriedener damit waren. Der Umkehrschluss: Je gleichgestellter sich Frauen erleben und Gleichberechtigung verhandeln, desto eher übernehmen sie andererseits Verantwortung für ihr eigenes und das gemeinsame Sexerleben. Das Schlüsselwort ist „Verantwortung“.

Sexentzug hat oft mit Machtkämpfen zu tun

Das Sexleben verweist oft auf Paarmechanismen außerhalb des Bettes. Da sind die offenen oder versteckten Machtkämpfe, die sich durch den Beziehungsalltag ziehen und im Bett zum Ausdruck kommen. Das kann dann bedeuten, dass man Sex oder bestimmte Praktiken dominant einfordert oder demonstrativ beleidigt ist, wenn es nicht so funktioniert, wie geplant. Häufig entziehen sich Ehepartner einander. Dabei ist der Sexentzug einfach eine Spielvariante des Liebesentzugs. Wer sich dem Sex und somit dem Partner oder der Partnerin verweigert, übt Macht aus. Meist geht es hier um eine Macht, von der man glaubt, sie sonst nicht zu besitzen. Macht auszuüben ist die Kehrseite der Ohnmacht. Ohnmacht wiederum gründet in der Annahme, auf sein eigenes Leben keinen Einfluss nehmen zu können.

Weshalb verweigern Frauen (und manchmal Männer) Sex? Weil sie es nicht besser wissen! Sie wissen nicht und nehmen nicht wahr, wie wichtig Sex für die Paarbeziehung ist. Keinen Sex wollen, heißt, sich der Verantwortung gegenüber der Paarbeziehung zu entziehen. Gleichzeitig muss dazugesagt werden, dass es kein Recht auf Sex gibt! Sex einzufordern, ist genauso verantwortungslos. Sex kann nicht eingeklagt werden. Aber Sex ist ein Akt der Freundlichkeit und Verantwortung. Deshalb sagt Paulus Paaren in der Bibel: „Entzieht euch einander nicht.“ (1. Korinther 7,5) Und er stellt diese Aussage ganz deutlich in den erweiterten Zusammenhang der bedingungslosen Gleichberechtigung, in etwas Wechselseitiges, sich Bedingendes.

Der Alltag lässt die Erotik vergessen

Häufig geht eine Flaute im Ehebett zurück auf die Unlust der Frau, aber nicht nur. Auch Männer können für eine Sexflaute verantwortlich sein, und auch da ist es eine Frage des eigenen Selbstverständnisses. Nehme ich das einfach so hin oder bin ich überzeugt, dass es Veränderungsmöglichkeiten gibt?

Ein sexloses Leben wird oft so lange ignoriert, bis sich die Angst einstellt, den Partner zu verlieren. Dabei hat nicht selten zu Beginn der Beziehung der Sex sogar beiden Spaß gemacht. Doch dann passiert das Leben, die Erotik wird vergessen oder sie passt nicht mehr in den Alltag.

Gerade die Lebensabschnitte, in denen die Rollen neu definiert werden müssen, sind besonders sensible Phasen für die Intimität. Jeder Lebensabschnitt bringt dabei seine eigenen neuen Herausforderungen. Zum Beispiel, wenn es gilt, von der unbeschwerten jungen Liebesbeziehung in die oft auch stressige und verantwortungsvolle Alltagsbeziehung zu wechseln.

Kinder ändern das Sexleben

Ganz entscheidend für den Sex ist die Phase des Kinderkriegens, wenn sich das Liebespaar zum Elternpaar entwickelt. Es kommt darauf an, wie das Paar mit dieser Rollenerweiterung umgeht. Besonders Frauen ringen oft damit, den Spagat zwischen Muttersein und Liebhaberin hinzubekommen, weil sie ununterbrochen an andere denken und für sich selbst dann nicht mehr existieren. Um Lust zu entwickeln, muss eine Frau aber Zeit haben, an sich selbst denken zu können. Und manche Männer kämpfen damit, die Mutter ihrer Kinder noch als erotisch begehrenswertes Gegenüber zu sehen.

Manche stellen auch Probleme in ihrem Sexleben fest, wenn sich das Nest leert und die Kinder ausziehen. In vielen Fällen ist das Liebespaar irgendwann auf der Strecke geblieben und man hat sich verloren. Man wollte es aber jahrelang nicht bemerken. Dabei können Paare aber nicht nur an sich selbst scheitern, sondern auch an den gesellschaftlichen und religiösen Rollenerwartungen, denen sie entsprechen wollen oder meinen, entsprechen zu müssen.

Gleichberechtigung schafft freien Sex

Zuallererst müssen wir begreifen, was mit den Rollenbildern und der Sexualität im Laufe der Geschichte geschehen ist und was diese Tatsache mit uns allen immer noch macht. Ich habe den Zusammenhang von Gleichberechtigung und glücklichem oder unglücklichem Sexleben gründlich studiert und in meinem Buch „Endlich gleich!“ dokumentiert. Und ich bin zum Schluss gekommen: Ohne grundsätzliche Freiheit der Frau, also ihrer bedingungslosen Gleichstellung in der Beziehung, in der Gesellschaft und in der Religion, gibt es keine Freiheit der weiblichen Sexualität. Und damit auch keine eigenverantwortliche weibliche Sexualität. Es geht dabei nicht einfach um fortschrittliche Rollenbilder versus traditionelle. Sondern darum, wie reflektiert, selbstbestimmt, ebenbürtig und solidarisch das gewählte Lebensmodell zustande kommt. Entscheidend ist, was für das einzelne Paar stimmt.

Eine Frau kam in die Beratung, um einen Orgasmus zu lernen. Oder Freude am Sex überhaupt. Sie war seit über zwanzig Jahren verheiratet und in einer streng religiösen, traditionellen Glaubensgemeinschaft aufgewachsen, zu der sie immer noch gehörte. Durch die Beratung begann eine Entwicklung in ihr, die nicht nur in Kleidung und Frisur zum Ausdruck kam, sondern auch in ihrem ganzen Wesen und Auftreten. Das blieb in ihrer Umgebung nicht unbemerkt, doch sie lernte sich darin zu behaupten. Sie traute sich Aufgaben und Einfluss zu und packte eine Ausbildung an. Am meisten Freude daran hatte ihr Mann. Das ist überhaupt meine Erfahrung. Viele Männer begrüßen eine emanzipatorische Entwicklung ihrer Frau und sind positiv überrascht, auch wenn sie dies zuvor gar nicht hätten ausdrücken können. Es wäre ihnen nicht möglich gewesen, zu benennen, dass es das ist, was ihnen als Paar fehlt. Solche grundlegenden Veränderungen zu erleben, gehört zum Schönsten in meiner Beratungstätigkeit.

Auf das Selbstbewusstsein kommt es an

Eine Sexualität, die als erfüllend erlebt wird, hat viel mit Selbstwert und Selbstbewusstsein zu tun. Sexualität, die als lustvoll erlebt wird, stärkt nicht nur den Selbstwert und das Selbstbewusstsein, sondern auch die eigene Identität als Frau und Mann. Das hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche des Lebens. Selbstbewusstsein ist allerdings auch Voraussetzung dafür, sich im Bett emanzipiert geben zu können und selbstverantwortlich mit der eigenen Lust umzugehen.

Erst wenn Frauen (und einige Männer) die Flaute im Ehebett nicht mehr hinnehmen, weil sie erkennen, dadurch etwas Schönes und Bereicherndes zu verpassen, werden sie sich ganzheitlich emanzipieren können.

Partner sollten wissen, was sich gut anfühlt

Ein emanzipiertes und gestärktes Selbstbewusstsein verändert die Beziehung positiv. Je klarer Frauen dabei werden, je besser sie für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse einstehen können, desto mehr können sich im Gegenzug Männer erlauben, weicher zu sein. Und umso eher können Männer über ihre Bedürfnisse und Gefühle sprechen. Letztlich werden sie genau dadurch stärker und männlicher und wiederum für die Frauen attraktiver.

Diese Zusammenhänge müssen auch unsere Körper „begreifen“ – im ganz wörtlichen Sinn, nämlich im Anfassen. Oft bedeutet dies, erstmals Selbsterfahrungen zu machen, die man dann mit in die Paarsexualität einbringen kann. Wer den Weg zu seinem Gipfel nicht kennt, kann auch nicht erwarten, dass der Partner oder die Partnerin ihn findet. Für meine Lust bin ich selbst verantwortlich. Damit Frauen und Männer Sex genießen können, müssen sie ihren Körper kennen. Und dabei geht es nicht darum, „wie es aussieht“, sondern „wie es sich anfühlt“. Es geht darum, das Anfühlen selbst zu steuern. Und Sex verändert sich mit den Jahren, ebenso die Bedürfnisse. Deshalb muss man immer wieder herausfinden, was stimmt und geht, und es kommunizieren.
Da sind Männer genauso herausgefordert wie Frauen. Denn viele Männer „konsumieren“ Sex, sie wecken ihn nicht aus sich selbst heraus. Deshalb beklagen manchmal Frauen, die keine Lust haben, dass ihre Männer keine guten Liebhaber sind.

Sex hat viele Gesichter

Was macht einen Mann zum schlechten Liebhaber? Er ist darauf fixiert, was er im Sex von der Frau geboten bekommt, statt darauf, was er selbst in seinem Körper an erotischem Erleben auslösen kann. Die meistgehörten Klagen wiederum von Männern in Bezug auf das Sexleben sind: „Sie will keinen Sex.“, „Sie ist nicht oder nicht leidenschaftlich dabei.“, „Sie erlebt nichts oder will nichts dabei erleben.“, „Sie lässt sich nicht auf Experimente ein.“

Es gibt eine große Bandbreite an Sexualität zu entdecken: schnell und wild, ganz zärtlich oder hochemotional, mit und ohne Orgasmus, mit und ohne Penetration. Ein ganzes Orchester. Dazu gehören auch passiv und aktiv, dominant und unterwerfend. Doch gerade Letzteres, das „Machtgefälle in der Sexualität“, kann nur gesund gelebt werden, wenn es eine selbstbestimmte und selbstgewählte Spielvariante ist. Dann aber hat diese ihren ganz eigenen Reiz, die in der Sexualität lustvoll ausgelebt werden kann – Nehmen und Genommenwerden.

Veronika Schmidt ist Sexologin, systemische Beraterin und Autorin. Das Thema „Gleichberechtigung“ hat sie in ihrem Buch „Endlich gleich!“ (SCM Hänssler) untersucht. In ihrem Buch „Alltagslust“ (SCM Hänssler) erläutert sie, wie man die eigenen erotischen Fähigkeiten entwickeln kann.

„Hilfe, mein Partner ist langweilig!“ – Drei Dinge braucht Ihre Beziehung jetzt

Der Partner erzählt immer nur das Gleiche und der Sex bietet auch keine Highlights mehr? Dafür hat Psychotherapeut Jörg Berger drei einfache Lösungen.

Darf es folgende Szenen in einer Liebesbeziehung geben? „Wie war dein Tag?“ – diese Frage und das anschließende Ritual hat Lisa mit in die Beziehung gebracht. Auch heute hat Daniel gefragt, wie der Tag war, und Lisa erzählt, was sie gemacht und erlebt hat. Daniel schweift mit den Gedanken ab. Denn so sehr unterscheidet sich Lisas Tag heute nicht von dem gestern, und vermutlich auch nicht vom morgigen. Natürlich interessiert sich Daniel für Lisas Gefühle und Erlebnisse. Oder im Tiefsten doch nicht?

Nach dem Gottesdienst sind Susanne und Rainer eingeladen, ein schöner Nachmittag liegt vor den Freunden. Susanne nippt an ihrem Espresso, den die Freundin nach dem leckeren Mittagessen gereicht hat. Auf irgendein Stichwort hin setzt Rainer zu einem Vortrag an, wie wenig sozial er unsere Marktwirtschaft findet. Schon wieder, denkt Susanne, denn Rainers Gedanken zu diesem Thema hat sie schon so oft gehört. Und es sind auch immer ähnliche Gedanken, die andere dann beisteuern. Jedes Thema erschöpft sich eben irgendwann. Susanne lobt die Buchsbäumchen, die in geschmackvollen Terrakottatöpfen sitzen. Doch Rainer wacht über die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Er stupst den abgelenkten Freund am Arm, macht eine charmante Bemerkung und kommt wieder auf sein Thema zurück. Das kann doch nicht sein, denkt Susanne, dass ich mich an meinem freien Tag in Gesellschaft meiner besten Freunde langweile. Aber ihr fällt nichts ein, um die Situation für sich zu retten.

Auch im Sex gibt es Gewöhnung

Lasse ist müde von einem langen Tag, aber Karen hat angedeutet, dass sie heute für Sex offen wäre. Lasse wägt ab. So oft hat Karen ja nicht Lust, eigentlich müsste er die Gelegenheit nutzen. Außerdem würde es Karen irritieren, wenn er keine Lust hätte, sie würde sich fragen, warum. Und gerade auf diese Frage würde Lasse nur ungern antworten. Ihr Sex folgt einem vertrauten Ablauf. Es gibt nur diesen einen, mit dem sich Karen erstens wohl fühlt und zweitens zum Höhepunkt kommt. Klar, es ist immer noch schön und man kommt sich schließlich auch nahe dabei. Aber es ist eben nicht mehr so, dass Lasse für dieses Erlebnis alles andere stehen und liegen lassen würde.

Weder Daniel, Susanne noch Lasse haben sich mit ihrem Gefühl der Langeweile anvertraut. In nahen Beziehungen ist Langeweile ein Tabu. Zu Recht, finde ich, denn es gibt kaum eine Rückmeldung, die niederschmetternder ist, als dass sich der andere im eigenen Beisein langweilt. Wenn mich meine Frau überkritisch, einschüchternd, dominant oder unangepasst fände, damit käme ich zurecht, zur Not auch, wenn sie mich für ängstlich, peinlich oder nachgiebig halten würde. Aber langweilig? Das liegt ganz knapp neben: nicht mehr liebenswert.

Würde ich jemandem raten, sich dem Partner mit Gefühlen der Langeweile zu offenbaren? Wohl nur, wenn ich überzeugt wäre, dass die Beziehung einen heilsamen Schock braucht. Häufiger rate ich Partnern, den Gründen für die Langeweile auf die Spur zu kommen und diese zu beseitigen.

Verzichten Sie auf zu viele Reize!

Ob Sie etwas berührt, liegt natürlich an den Reizen, die Sie aufnehmen – zum Beispiel in einem Gespräch oder einer gemeinsamen Aktivität. Es liegt aber auch an Ihrer Fähigkeit, sich berühren zu lassen. In der Psychologie spricht man von Erlebnisfähigkeit. Mit zwei einfachen Methoden können Sie Ihre Erlebnisfähigkeit steigern.

Fasten und Verzichten
Alles, was uns einen intensiven Kick gibt, verringert unsere Wahrnehmung für die zarten Reize. Deshalb dürfen wir uns nicht zu oft einen Kick geben. In Suchtkliniken muss man Abhängige oft wochenlang überzeugen, dass auch ein Leben ohne Suchtmittel seinen Reiz hat. Im häufigen Rausch hat sich ihre Erlebnisfähigkeit so verringert, dass ein abstinentes Leben für sie tatsächlich langweilig ist – bis sich ihre Erlebnisfähigkeit wieder neu ausbildet. Wo suchen Sie sich Ihren Kick, wenn Sie sich leer und unbefriedigt fühlen? Die Antwort darauf könnte ein Schlüssel zu einer vertieften Erlebnisfähigkeit sein – sie müssen nur ab und zu verzichten.

Tempo rausnehmen
Je schneller unser Leben ist und je mehr Eindrücken wir ausgesetzt sind, umso mehr leidet unsere Erlebnisfähigkeit. Aktivitäten reduzieren, Verantwortung abgeben, Pausen, in denen Sie nichts tun, Sonntagsruhe und stille Zeiten dagegen erneuern Ihre Erlebnisfähigkeit.

Wenn sich Ihre Erlebnisfähigkeit steigert, dann hören Sie vielleicht tatsächlich einen Moment nicht zu, wenn Ihr Partner über ein „langweiliges“ Thema spricht. Aber Sie spüren vielleicht, wie schön es ist, zusammenzusitzen, wie attraktiv Ihr Partner ist, wenn er so engagiert spricht, wie viel Dankbarkeit und Liebe in Ihrem Herzen aufkommen, wenn Sie an das gemeinsame Leben denken. Lasses Sex mit Karen mag einem eingespielten Ablauf folgen, gleich ist die sexuelle Begegnung aber nie. Es liegt auch an Lasses sexueller Erlebnisfähigkeit, ob er das Besondere jeder Begegnung wahrnehmen und auskosten kann.

Unehrlichkeit provoziert Langeweile

Als junger Therapeut habe ich mich gefragt, was denn wäre, wenn ich einen Menschen, den ich begleite, langweilig fände. Immerhin verbringe ich in manchen Therapien 20, 40 oder mehr Stunden mit einem Menschen. Wenn ich mich langweilen würde, könnte ich das dann verbergen? Oder würde ich versuchen, den anderen loszuwerden? Peinliche Fragen. Zum Glück habe ich festgestellt: Kein Mensch ist langweilig. Jede Lebensgeschichte ist spannend. Jede Person ein Kosmos von einzigartigen Wahrnehmungen und Möglichkeiten, der nie auszuloten ist. Ich langweile mich also tatsächlich nie in einer Therapiestunde? – Doch.

Manchmal geschieht es in der Anfangsphase einer Therapie, dass meine Gedanken abschweifen, dann denke ich daran, was mich aus der Stunde zuvor noch beschäftigt oder was ich noch organisieren muss. Das geschieht allerdings nur, wenn Menschen eine Fassade aufgebaut haben, ihre wahren Gefühle nicht zeigen und ihre wirklichen Gedanken nicht aussprechen. Stattdessen spielen sie eine „gute Patientin“ oder einen „guten Patienten“, sie verhalten sich, wie sie glauben, dass ich es erwarte. Oder sie führen ein Pseudogespräch mit mir – sie reden, ohne etwas von sich preiszugeben. Diese Fassade ist natürlich das erste Thema in der Therapie. Wenn die Person dann hinter der Fassade hervortritt, wird es spannend.

Seien Sie ehrlich!

Sie wollen Ihre Liebe wieder aufregender machen? Dann schockieren Sie den anderen doch einmal damit, was Sie wirklich denken und fühlen. (Ausnehmen würde ich hier nur Gefühle und Gedanken, die den Selbstwert des anderen zu stark angreifen.) Das lädt auch Ihren Partner zur Echtheit ein. Interessieren Sie sich dafür, was sich unter der Oberfläche verbirgt: „Warum beschäftigt dich das Thema eigentlich?“ – „Wie geht es dir mit diesem Erlebnis?“ Mit solchen Fragen könnte Daniel Lisas Bericht über ihren Tag unterbrechen. Er darf dabei nur nicht kontrollierend oder kritisch klingen. Lisa wird dann wahrscheinlich mehr von sich zeigen. Echtheit macht die Liebe spannend. Führende Paartherapeuten wie Michael Lukas Möller oder David Schnarch sind außerdem überzeugt, dass Echtheit das beste Mittel ist, um eine Paarbeziehung immer wieder erotisch aufzuladen.

Lassen Sie Themen los!

Wohl jeder Mensch hat ein paar ungelöste Lebensthemen, um die er immer wieder kreist, ohne weiterzukommen. Ein unbewusster emotionaler Sog lenkt die Aufmerksamkeit immer wieder auf das ungelöste Thema. Es braucht nur ein bestimmtes Stichwort, und eine unbestimmte Traurigkeit steigt wieder auf oder eine Empörung kocht hoch über Missstände, die zwar traurig sind, aber das eigene Leben gar nicht betreffen. Ein immer gleicher Weltschmerz, immer gleiche Zweifel oder eine immer gleiche Empörung langweilen irgendwann auch das geduldigste Gegenüber.

Seine tiefen, konflikthaften Lebensthemen kann keiner selbst auflösen. Doch Sie können als Paar pragmatisch damit umgehen und vereinbaren, dass Sie bestimmte Themen beiseiteschieben, sobald diese wieder aufkommen. Wer neugierig ist, kann das Thema in eine Seelsorge oder professionelle Beratung einbringen, um zu schauen, was sich dahinter verbirgt. Das Ergebnis dann mit dem Partner zu teilen, ist natürlich wieder interessant. Warum sich Rainer wieder und wieder über Ungerechtigkeit ereifert, wäre für Susanne inzwischen spannender als das Thema selbst.

Kann die Liebe je langweilig werden? Ja, auch Langeweile gehört zum Alltag der Liebe. Kann die Liebe ihren Reiz verlieren? Niemals. Paare, die über ihre Erlebnisfähigkeit wachen, authentisch bleiben und immer wieder loslassen, was sie gefangen nehmen könnte, finden in der Liebe eine unerschöpfliche Quelle schöner Gefühle und überraschender Augenblicke.

Jörg Berger arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis in Heidelberg.

Langjährige Beziehung: Drei Tipps helfen, wenn im Bett die Luft raus ist

Je länger man verheiratet ist, umso unwichtiger wird Sex? Das ist kein Muss, sagt Sexualtherapeutin Cordula Kehlenbach.

Die Aussicht auf ein dauerhaft aufregendes Sexleben ist verlockend. Es soll vor allem lebendig sein, es soll sich etwas regen in Körper und Herz, die Beziehung soll in Bewegung bleiben. Mit Nervenkitzel, bitteschön. Wir haben glücklicherweise eine Ahnung, wie es sein könnte. Der Weg dorthin führt aber nicht über optimierte Techniken, Dessous oder Schönheitsoperationen. Sondern über …

1. Einzigartigkeit

Wir können heute viel lesen und hören über scheinbare Normalität in Sachen Sexualität. Dauernd Lust auf Sex zu spüren, fünf Stellungswechsel bei einer sexuellen Begegnung zu absolvieren (wozu eigentlich?) oder Spaß an Fesselspielen zu haben. Das Bild ist stark geprägt vom Internet mit seinen Fake News. Und macht vielen Menschen Stress. Aus „So kann man das machen“ ist ein „So muss man das machen“ geworden. Vor allem Männer stehen in der Gefahr, die Norm erfüllen zu wollen oder sogar einen Leistungssport aus dem Liebesspiel zu machen. Aus Spiel wird dann eine ernste, schlimmstenfalls abtörnende Sache. Welche Angst treibt einen in solchen Momenten? Den anderen zu enttäuschen? Vor der imaginären Konkurrenz schlecht dazustehen? Verlassen zu werden?

In Wirklichkeit sind andere Dinge „normal“: Dass man beim Sex auch abgelenkt ist, dass manchmal etwas wehtut, dass Erregung nachlässt, dass Highlights die Ausnahme sind.
Wahr ist auch, dass jeder einmalig ist mit seinen Vorlieben, Bedürfnissen und Ideen. Und dass jedes Paar einzigartig und wunderbar ist in seiner Kombination. Das ist spannend – und aufregend. Da steckt Potenz(ial) drin. Vergesst die Norm. „Die anderen“ sind nicht hilfreich. Findet heraus, was euch gefällt, was ihr wollt und genießen könnt. Es wird nicht mit einem Fingerschnippen die große Erkenntnis kommen. Sondern man kann – wenn auch etwas aufgeregt – zulassen, sich bei jeder Begegnung ein Stückchen besser zu verstehen und zu akzeptieren.

2. Forschergeist und Mut

Ins Reich der Märchen gehört, dass ein guter Liebhaber der Geliebten alle Wünsche erfüllt – und vor allem die unausgesprochenen. Tatsache ist, dass man doch gar nicht wissen kann, was für den anderen gerade jetzt angenehm ist. Es sei denn, man beherrscht das Gedankenlesen. Möchte mein Partner heute erst geküsst werden oder zart gestreichelt? Erst an den Armen oder lieber gleich an der Brust? Je mehr man es richtig machen möchte, um so verkrampfter wird es. Ja, wir haben Erfahrungen und können empathisch sein. Dennoch gibt es reichlich Spielraum für Fehlinterpretationen. Bedeutet das Schweigen jetzt Genuss oder Langeweile? Manche Missverständnisse werden jahrelang nicht aufgeklärt. Dabei liegt der Experte für die Lust des Partners doch direkt neben einem. Sie könnte mich entlasten, indem sie mich wissen lässt, was jetzt guttut. Mit Worten oder indem sie zum Beispiel meine Hand nimmt und sie an die richtige Stelle legt.

Reden erscheint unerotisch? Da erscheint mir den Mund zu halten, Unangenehmes zu ertragen und viel Unsicherheit aber wesentlich unerotischer. Vor allem bringt es keine Erregung in die Sexualität, sondern Erstarrung.

Den anderen neugierig zu erforschen oder sich immer wieder erforschen zu lassen, braucht Mut. Ich weiß nicht, ob der Partner mir diesen Wunsch auch erfüllen möchte. Oder ist sie geschockt, empfindet er das als unangenehm oder lehnt es ab? Nichts zu brauchen oder zu sagen ist da viel ungefährlicher. Aber führt nicht zum besagten „aufregenden“ Sex.

3. Improvisation

Aufregende Lebendigkeit in der Sexualität kann sich nur entwickeln, wenn man nicht nach einem festen Plan Liebe macht, sondern improvisiert. Also nicht einem angeblich vorgegebenen Plan zu folgen (Küssen, Fummeln, Ausziehen…), sondern sich gemeinsam treiben zu lassen und das Schöne auszukosten. Vielleicht beginnt es einmal mit einer Hand- oder Augenmassage. Sich treiben und fallen lassen kann nur, wer vertraut, dass es schön wird und dass er jederzeit auch abbrechen kann. Dieses Kontrollbedürfnis ist hier sinnvoll. Denn nur wer eingreifen kann, wenn etwas schiefläuft, kann sich genießend dem hingeben, was schön ist.

Damit kann man den anderen natürlich enttäuschen. Aber wenn er sich getäuscht hat (dass eine Berührung oder Stellung angenehm sei), ist es doch nur liebevoll, ihn – freundlich – darauf hinzuweisen. Diese positive Art von Kontrolle kann man auch als notwendige Eigenverantwortung bezeichnen. Hinderliche Kontrolle ist dort nötig, wo man sich nicht traut, seine Bedürfnisse klar zu äußern. Oder wo man sich nicht drauf verlassen kann, dass der Partner die gewünschten Grenzen respektiert. Das kann an beiden Seiten liegen. Eines ist klar: Lust kann nur aus Sicherheit entstehen.

Improvisation schließt nicht aus, dass man sich dafür im Bett verabredet, dass man den Zeitraum für möglichen Sex plant. Die Lust muss nicht am Anfang stehen! Freude auf eine Zeit mit entspannter, liebevoller Körperlichkeit (mit Open End!) reicht aus und ist außerdem verlockender als ein Pflichtprogramm. Wie bei musikalischen Improvisationen ist es auch wichtig, dass jeder sein Instrument, also seinen Körper kennt und auf ihm spielen kann. Nicht perfekt, aber gut genug für das Zusammenspiel. So kann aufregende Musik entstehen.

Je mehr Mut, Ehrlichkeit und Vertrauen in euch beiden über die Jahre wachsen – nicht nur im Liebesleben –, umso mehr wird sexuelle Kreativität Raum bekommen. Fühlt euch frei von der Norm. Bleibt Forschende. Und macht, was ihr wollt! So kann euer Sexleben aufregend bleiben.

Dr. med. Cordula Kehlenbach ist Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Krefeld. Einige Gedanken hat die Autorin dem Buch „Guter Sex geht anders“ von Berit Brockhausen entnommen.

Sex im Alter: So kriegt Ihr Liebesleben in der Menopause wieder Schwung

Schwindet mit der Jugend auch die Erotik? Das muss nicht sein. Sexualtherapeutin Veronika Schmidt erklärt, wie die Lust sich mit dem Alter verändert.

Für viele Paare ist die Zeit der weiblichen Meno- und der männlichen Andropause ein Aufbruch in eine unbeschwerte sexuelle Lebensphase: Die Kinder sind ausgeflogen, es besteht keine Sorge, schwanger zu werden, und man hat zeitliche Freiräume für neue Experimente. Paare in der zweiten Lebensphase haben manchmal so viel Sex, wie schon seit Jahren nicht mehr, und genießen ihn sehr.

Wer dagegen froh ist, mit dem Einsetzen der Menopause einen Grund zu finden, die unbefriedigend erlebte Paarsexualität einzustellen, der wird es vermutlich tun. Bei Frauen ist der Grund oft die fehlende Lust oder Schmerzen beim Sex, beim Mann die Angst vor Erektionsstörungen.

Was ändert sich in den Wechseljahren?

Unbestreitbar halten die biologischen Umstellungen der Wechseljahre ein paar körperliche, psychische und sexuelle Herausforderungen bereit. Verschiedenste Veränderungsprozesse finden ab der Lebensmitte statt. Spätestens mit 45 Jahren ist der hormonelle Rückbau im Körper bei beiden Geschlechtern spürbar. Bei den Frauen fallen die Östrogenwerte, bei den Männern etwas weniger drastisch das Testosteron. Frauen müssen sich mit dem veränderten Aussehen und dem Ende der Fruchtbarkeit abfinden, Männer damit, nicht mehr so leistungsfähig zu sein wie zuvor.

Was kann man gegen Schmerzen tun?

Die Abnahme des Östrogens bei der Frau kann zum Problem werden. Die Vagina ist dadurch weniger elastisch, die Scheidenwand wird dünner. Auch lange Sexpausen lassen die Vagina enger werden, weil sie nicht mehr regelmäßig durchblutet wird. Es kann zu kleinen Rissen und damit zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr kommen. Ist das der Fall, ist Selbstliebe aus gesundheitlichen Gründen angezeigt, um mit sich selbst wieder Sicherheit zu gewinnen. Denn die Fähigkeit, sexuell erregt zu sein und lustvoll zu genießen und einen Höhepunkt zu erleben, bleibt bei Frauen auch nach der Menopause unverändert. Ob allein oder zusammen mit dem Partner, die Erregungsphase sollte ausgiebig, lustvoll und lang sein. Frau und Mann sollten sich Zeit nehmen, sich neu erkunden, sich streicheln, experimentieren, was sich erregend und gut anfühlt. Denn sich selbst gut fühlen ist eine wichtige Voraussetzung für Zärtlichkeit und Sex mit dem Partner.

Diese Salben können helfen

Erst durch genügend Erregung und durch die dadurch verstärkte Durchblutung sondern die Vaginawände genügend Flüssigkeit ab. Sollte dieser Feuchtigkeitsfilm nicht mehr ausreichend sein und damit die Penetration unangenehm werden, helfen spezielle Gleitmittel für die Bedürfnisse der empfindlichen Vagina (zum Beispiel „Pjur Woman softer formula“). Auch regelmäßige Pflege des weiblichen Geschlechts, außen und innen, wird in und nach der Menopause wichtig. Die reife Haut will nicht nur im Gesicht besonders gut gepflegt sein. Es gibt unzählige Vaginal-Pflegemittel, auch in Form von Ovulas. Manchmal braucht es auch eine von der Gynäkologin verschriebene Hormonsalbe. Doch für die Frau ist es genauso wichtig, sich in dieser Lebensphase ausreichend Zeit für Bewegung, Ernährung und ihre eigenen Interessen zu nehmen.

Wie verändert sich der Penis im Alter?

Bei Männern verändert sich der Hormonhaushalt ebenfalls, doch viel langsamer. Die Libido kann abnehmen. Erektionen entwickeln sich langsamer, es braucht mehr Reize und Stimulation dazu. Die Sensibilität des Penis nimmt im Alter ab, er verliert an Elastizität, wird etwas kürzer, verliert ein wenig an Umfang. Dabei handelt es sich um normale altersbedingte Umbauprozesse: der Penis verliert Muskelzellen und gewinnt an Bindegewebe.

Störungen können auftreten, die entweder hormonell bedingt sind oder aufgrund von Durchblutungsstörungen zutage treten. Ursachen können aber auch Krankheit, Medikamente und Versagensängste sein. Auch für den Penis gibt es pflegende Produkte. Seinen Penis täglich liebevoll zu umsorgen, stärkt den wertschätzenden Bezug zu ihm und die Akzeptanz des Älterwerdens.

Der Orgasmus ist ein Jungbrunnen

Frauen, die regelmäßig Paar- oder Solosex praktizieren, werden viel weniger mit Scheidentrockenheit zu kämpfen haben. Durch die Kontraktionen im Orgasmus wird zudem der Beckenboden in Bewegung gehalten, was Inkontinenz entgegenwirkt. Das gilt auch für den Mann und seinen Beckenboden. Ebenso profitieren der Penis und seine Schwellkörper, wenn sie regelmäßig anschwellen können, wenn regelmäßig Erektionen stattfinden und die Erregung entladen werden kann in einer Ejakulation. Die ist nicht nur für die Schwellkörper gut, sondern erwiesenermaßen auch günstig als Gesundheitsvorsorge der Prostata. Der Orgasmus als solches ist zudem mit seinem ausgeschütteten Hormoncocktail ein eigentlicher Jungbrunnen und bietet dermaßen viele gesundheitliche Vorteile, dass man nicht darauf verzichten sollte.

Trotz biologischer Veränderungen können wir in der späteren Lebensphase lustvollen, befriedigenden Sex erleben. Vorausgesetzt, es gelingt uns, uns die gemeinsame Sexualität in erweiterten Dimensionen vorzustellen. Frauen und Männer mit einem erfüllten Sexleben werden viel weniger damit zu kämpfen haben, dass sich ihr Körper verändert. Sie werden ihr Selbstbewusstsein und das gute Selbstgefühl behalten oder sogar entwickeln können.

Beim Sex kommt es plötzlich auf etwas anderes an

Junger Sex ist meist schnellerer Sex und mehr auf die Optik festgelegt, späterer Sex eher langsamer und auf die Empfindung gerichtet. Leidenschaftlich und genussvoll können beide sein, denn das hängt von den eigenen erotischen und sexuellen Fähigkeiten ab, besonders von der Wahrnehmungsfähigkeit. Wer in der sexuellen Anziehung nur auf jung und straff steht, hat spätestens jetzt ein erotisches Problem, hat es verpasst, in sinnliche Reize zu investieren. Denn die Haut fühlt sich in jedem Alter gut an, die Vagina immer noch erregend und ein Penis ebenso. Wer in die Wahrnehmung statt in die Optik investiert, für den bleibt das Gegenüber und der Sex interessant. Definieren wir uns in unserem Leben jedoch über Attraktivität und Leistung, werden wir das Älterwerden als Verlust sehen und damit hadern.

In einer kanadischen Studie wurden Paare mit über 35 Jahren Beziehungsdauer gefragt, was für sie guter Sex ist. Für sie treten Erektion und Orgasmus in den Hintergrund, während Intimität, Aufrichtigkeit und Sich-verbunden-Fühlen zur Hauptsache werden.

Wie funktioniert Sex im Alter?

Der Slow-Sex ist für langjährige Paare attraktiver. Zusammenliegen, genau wahrnehmen, die Sinne öffnen, das macht es aus. Je langsamer wir sind, umso mehr können wir wahrnehmen. Je zarter wir sind, umso feiner können wir unsere Empfindungen auseinanderhalten und unser Erleben vertiefen. Gleichzeitig sollten wir einander ehrlich mitteilen, was uns hemmt und hindert und einander fragen: Was stimmt für dich heute, was brauchst du? Denn zufriedene Paare haben gelernt, dass der andere nicht die eigenen Wünsche erfüllen muss.

In dieser Lebensphase sollten wir den Weg zum Höhepunkt ebenso sehr genießen wie den Orgasmus selbst. Das ermöglicht ein Genießen der dadurch entstehenden Gefühle von Zärtlichkeit und Intimität. Stiller Sex ist ein langsames Sich-ineinander-Bewegen und Sich-Räkeln, weniger penetrieren als vielmehr ein Streicheln der Vagina von innen und dabei von ihr gestreichelt werden.

Neue Möglichkeiten

Neben der Penetration können auch ganz andere Sachen beim Sex viel Spaß machen. Es stehen neben dem Penis noch viele weitere „Werkzeuge“ zur Lusterfüllung zur Verfügung. Zunge, Lippen, Händen und Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt keine speziellen Sextechniken für das Alter. Es braucht nicht mehr und nicht weniger als das Wissen über die Empfindungen, die Wahrnehmung und die Langsamkeit. Entscheidend ist, dass wir über die Jahrzehnte die Gewohnheit am Leben halten, uns körperlich zu begegnen. Die Sexpraktiken, die in meinem Buch „Alltagslust“ beschrieben sind, führen geradewegs in diese Form des stilleren Sex.

Körperliche Veränderungen haben auch ihr Gutes. Bei Frauen tritt mehr das Testosteron in den Vordergrund, weshalb sie „kantiger“ auftreten und mehr zu ihren Interessen stehen. Bei den Männern bewirkt der Testosteronabfall, dass ihre emotionale und soziale Seite mehr zum Zug kommt. Das Älterwerden bietet völlig neue Chancen und Gewinne, gerade für Frauen. Nun kann man sich fragen: Welche Träume, Ambitionen und Möglichkeiten habe ich noch? Jetzt muss ich nicht mehr allen gefallen wollen. Man kann es wagen, sich zu exponieren, weil man „nichts mehr zu verlieren hat“.

Veronika Schmidt arbeitet als Paar- und Familienberaterin und Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Schaffhausen am Rhein. Sie bloggt unter liebesbegehren.ch

„Habt Orgasmen!“ Mutter fordert von Frauen mehr Selbstbewusstsein beim Sex

Nur 44 Prozent aller Frauen erkennen auf Fotos ihre eigene Vagina. Das muss sich ändern, findet Priska Lachmann. 

„Ich bräuchte eigentlich gar keinen Sex mehr. Ich bin abends viel zu müde dafür“, „Er fasst mich die ganze Zeit an, wenn er mehr von mir will, das setzt mich unter Druck“, „Ich vermisse Sex furchtbar, ich habe das Gefühl, mein Mann sieht mich gar nicht mehr als Frau“, „Jedes Mal, wenn wir Sex haben, habe ich eigentlich gar keine wirkliche Lust dazu“, „Seit der Geburt meines Kindes möchte ich nicht mehr berührt werden“, „Ich fühle mich so unwohl in meinem Körper, dass ich überhaupt nicht in Stimmung komme“ – diese Liste könnte man ewig fort­setzten. Habt ihr euch in einer der Aussagen wiederfinden können?

Sex nach Schwangerschaft ist kompliziert

Das Thema Sex ist in den meisten Fällen kein unbelastetes und nicht selten mit seelischen Schmerzen verbunden. Oftmals reden wir deshalb entweder gar nicht darüber oder aber viel zu viel, jedoch ohne dabei wirklich in die Tiefe zu gehen. Den Fall, dass wir unser Sexleben als unkompliziert empfinden, es frei genießen und völlig zufrieden damit sind, gibt es zwar, aber leider nur selten. Nach einer Geburt fühlt sich das erste Mal Sex wie beim allerersten Mal an. Gerade, wenn es Geburtsverletzungen gab, fühlt man sich verwundet. „Hoffentlich tut es nicht zu sehr weh!“, denkt man dann und ist viel zu vorsichtig und ängstlich, um es genießen zu können. Vielleicht muss man nach einer längeren Pause, bedingt durch die Schwanger­schaft, die Intimität mit dem Partner tatsächlich erst wieder neu erlernen. Wenn alter, seelischer Schmerz zu diesem Thema hin­zukommt, seien es Verletzungen aus der Vergangenheit, zu hohe Erwartungen an den Partner oder unerfüllte Wünsche, die nicht ausgesprochen wurden und dann über Jahre hinweg zu einer emotionalen Distanz geführt haben, wird es zusätzlich schwierig. Vor allem, wenn man nicht gemeinsam daran arbeitet.

Lust ist erlernbar

Vielleicht fühlt ihr euch auch nicht (mehr) wohl in eurem Körper nach eurer Schwangerschaft, schämt euch und habt das Gefühl, nicht mehr begehrenswert zu sein. Oder vielleicht gehört ihr zu den Frauen, die das Gefühl haben, dass ihr Mann sie nicht mehr wirklich als Frau sieht, und ihr sehnt euch nach Wertschätzung, Aufmerk­samkeit und liebevollen Komplimenten, aber euer Mann scheint innerlich meilenweit von euch entfernt zu sein? Die Sexualtherapeutin Veronika Schmidt spricht auf ihrem Blog „liebesbegehren“ und in ihren Büchern „Alltags­lust“ und „Liebeslust“ genau über dieses Thema. Sie ist der Überzeugung, dass fehlende Lust zwar manchmal hormonell bedingt sein kann, doch viel häufiger sei fehlende Lust etwas, wogegen man aktiv etwas tun könne – denn Lust sei erlernbar!

Frauen verneinen oft ihre Sexualität

Sex bedeutet nicht nur Stressabbau, ausgelöst durch Or­gasmen, und dadurch die Förderung unserer körperlichen und mentalen Gesundheit, sondern vor allem eben auch: Nähe. Zärtlichkeit. Wärme. Aufmerksamkeit. Sex erschafft das Gefühl von Einheit und Verbundenheit und ist deshalb essentiell für eine Liebesbeziehung. Ich komme aus einem konservativ christlichen Eltern­haus und habe es geschafft, nicht mal zu wissen, wohin ich meinen Tampon stecken musste, als ich 14 Jahre alt war. Frauen neigen oft dazu, die eigene Sexualität zu ver­neinen. Es gibt eine Studie, bei der 1.000 Frauen Fotos von ihrer Vagina gezeigt wurden. Nur 44 Prozent konnten ihre eigene Vagina erkennen und nur 60 Prozent die Vulva identifizieren. Habt ihr euch eure Vagina schon mal mit einem Spiegel an­geschaut? Sie ist ein Teil von uns, ein sehr wichtiger sogar, deshalb sollten wir uns nicht für sie schämen.

Nur Sex, damit der Mann keine Pornos schaut?

Wenn wir als Frauen unsere eigene Sexualität verneinen, wenn wir uns nicht mal schamlos im Spiegel anschauen und bejahen können, ohne all die tollen, scheinbar perfekten Werbemodels im Kopf zu haben, wie sollen wir dann eine erfüllte Sexualität haben? Kann es sein, dass wir selbst so unzufrieden mit uns sind und uns selbst nur noch so wenig als Frau und so sehr als Mutter fühlen, dass wir uns vernachlässigen und uns nicht mal mehr nette Unterwäsche kaufen? Und kann es sein, dass wir vielleicht so verletzt und sexuell unerfüllt sind, dass wir das nicht mal unseren Männern kommunizieren können und lieber nur mit uns selbst ausmachen? Oder kann es sein, dass wir uns nicht trauen, unsere unerfüllten Sehnsüchte anzusprechen, weil wir – vielleicht auch nur unterbewusst – der Lüge glauben, dass es beim Sex ohnehin nur um die Bedürfnisbefriedigung der Männer geht? Aber sollten Frauen tatsächlich nur Sex haben, damit ihr angetrauter Mann keine Pornos schaut oder ihnen fremd­geht? Frauen sollten doch ebenfalls Freude an Sex haben, und vor allem: Lust dabei empfinden.

Sex braucht Zeit

Nein, mit dem Mann zu schlafen ohne Lust darauf zu haben, ist für keinen Betei­ligten erfüllend. Wie also entfachen wir unsere Lust wieder neu? Veronika Schmidt spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kultur der Verführung“, die wir (wieder) erlernen müssen. Wenn wir nach einem anstrengenden Tag bis 23 Uhr online sind, wenn wir nicht mal am Wochenende, wenn die Kinder schon schlafen, zusammen ins Bett gehen und stattdessen vorm Fernseher auf der Couch versacken, dann werden wir wohl nie Sex haben. Denn Sex braucht Zeit. Freizeit. Wir brauchen eine Kultur des Verführens und ein Einplanen von festen Zeiten, in denen wir diese Kultur ausleben können. Denn wenn man nie Sex hat, ver­liert man auch die Übung darin – und vergisst, wie auf­regend und schön es sein kann. Die meisten Frauen brauchen vor allem zwei Sachen, damit sie Lust entfachen können.

Plant die Zweisamkeit

Erstens: Vorlaufzeit. Frauen können nicht von jetzt auf gleich Sex haben, wenn sie noch die Schulbrote schmieren, die Schuhe putzen und der Freundin eine WhatsApp­Nachricht schreiben wollen. Sie könnten aber Lust ent­wickeln, wenn sie sich schon morgens emotional darauf vorbereiten können. Wir können dann schöne Unter­wäsche anziehen und dem Mann schon tagsüber eine verführerische Nachricht schicken. Später packt er dann selbstverständlich im Haushalt mit an. Er schmiert die Schulbrote und arbeitet Hand in Hand mit seiner Frau, damit sie später nicht halbtot ins Bett fällt und eigentlich nur noch schlafen will.

Entdeckt euch!

Zweitens:  Selbstannahme. Liebt euch selbst. Entdeckt euch. Lernt kennen, was euch guttut, was euch Freude macht. Und kommuniziert das, wenn euer Partner nicht selbst da­rauf kommt. Vergleicht euch nicht. Auch nicht mit den eventuell vorhandenen früheren Sexualpartnerinnen eures Mannes oder mit euren eigenen früheren Se­xualpartnern. Das ist Vergangenheit und gehört nicht ins gemeinsame Bett. Habt Spaß und seid frei. Und bitte, habt Or­gasmen. Sagt nicht „Ist schon okay, ich brauche keinen Orgasmus.“ Es ist nicht okay. Orgasmen sind wichtig, allein schon für die Gesundheit, vor allem aber für eure Lust. Wenn ihr bisher keine Orgasmen hattet, dann ver­sucht mit eurem Partner herauszufinden, wie ihr welche bekommen könnt. Es macht unendlich viel Spaß.

Dieser Artikel ist zuerst in dem Buch „Mama. Frau. Königstochter“ (Gerth Medien) erschienen. Autorin Priska Lachmann ist selbst dreifache Mama, Theologin und freie Redakteurin.

GIBT ES EIN SEXLEBEN NACH DER GEBURT?

Wenn sich der Nachwuchs einstellt, dreht sich erst mal alles ums Kind. Doch die frischgebackenen Eltern sollten die Romantik nicht aus den Augen verlieren, rät Sexualtherapeutin Veronika Schmidt.

Nur wenigen Paaren ist wirklich bewusst, wie stark ein Kind ihre Beziehung und ihr Sexleben durcheinanderbringen kann. Doch eigentlich ist es gar
nicht so schwer, die entsprechenden Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um ein Auseinanderdriften der frischgebackenen Eltern zu verhindern. Am leichtesten finden Paare in den Wochen nach der Geburt im Bett wieder zueinander, wenn sexuelle Begegnungen im positiven Sinne selbstverständlich sind und ein beständiger Teil der Beziehung bleiben.

Aber nicht erst die Zeit nach der Geburt kann für ein Paar zur Zerreißprobe werden. Auch schon davor sind Hürden für ein entspanntes Sexleben zu überwinden. Wenn der Kinderwunsch lange Zeit unerfüllt bleibt, ist Sex möglicherweise über Monate oder sogar Jahre nach Zyklusplan angesagt und zu einer Pflicht geworden. Manche Paare kapitulieren dann angesichts einer Art Überdosis. Eine ungeplante oder zu schnelle Schwangerschaft zu Beginn der sexuellen Beziehung versetzt das Paar in Stress und beeinträchtigt häufig auch die Entwicklung eines befriedigenden Sexlebens.

Auch Paare ohne solch eine Leidensgeschichte „vergessen“ manchmal einfach den Sex in der Schwangerschaft. Andere Paare werden übervorsichtig und ängstlich und gehen nicht mehr miteinander ins Bett, um das Baby nicht zu „stören“. Dazu scheitern manche Paare daran, dass sie die Frau nur in Extremen sehen können – als „Hure oder Heilige“. Diese verdrehte Perspektive kann auch nach der Geburt weiter wirken. Also müssen Frauen sich ihrer mütterlichen und ihrer erotischen Seite widmen, Männer in sich das Bild von ihrer Frau als Mutter und Liebhaberin vereinen können. Dass dies nicht allen Paaren gelingt, ist sicherlich ein Grund dafür, dass die Zahl der Seitensprünge in der heiklen Zeit von Schwangerschaft und Geburt so hoch ist.

KEINE ANGST VOR SEX IN DER SCHWANGERSCHAFT

Wenn es keine medizinischen Vorbehalte zum Beispiel wegen einer Risikoschwangerschaft oder Frühwehen gibt, braucht der schwangere Körper keine Sexabstinenz. Die gesundheitlichen Vorteile des regelmäßigen Sexlebens tun Körper, Seele, Geist und der Paarbeziehung gut. Es gibt Frauen, die ihre Sexualität während einer Schwangerschaft mehr genießen, weil sie jetzt nicht ungeplant schwanger werden können. Im ersten Drittel der Schwangerschaft ist die Lust oft nicht sehr groß, sie steigt im zweiten Drittel bei vielen Frauen aber wieder an. Weil die Geschlechtsorgane durch die Schwangerschaft besser durchblutet sind, erreichen Frauen sogar leichter einen Orgasmus. Gegen Ende der einzelnen Schwangerschaftsdrittel setzen die körperlichen Veränderungen der Lust auf Sex Grenzen. In dieser Phase könnten Paare mit schonenden Sexstellungen experimentieren oder auch andere erotische Möglichkeiten ausloten. Leider suchen viele Paare, die kaum Sex während der Schwangerschaft miteinander haben, auch sonst oft keinen Körperkontakt. Dabei tun sich Paare, die einander regelmäßig auf zärtliche Weise berühren, deutlich leichter, nach längerer Sexabstinenz wieder zueinander zu finden.

Es schadet der Beziehung, wenn man aufhört, sich erotisch zu begegnen. Egal, in welcher Beziehungsphase – Paare sollten sich beständig auch als erotisches Liebespaar sehen und dafür Sex „rationalisieren“. Das heißt, Sex als ganz natürlichen und normalen Bestandteil der Beziehung betrachten und ihn nicht einfach einstellen. So, wie sie weiterhin essen und trinken, schlafen und Sport treiben … Am wichtigsten ist dabei die Erkenntnis: Lust auf Sex fängt nicht bei der Lust an, sondern beim sexuellen Spiel, bei dem die Lust sich einstellen wird. Dass wir im Bett tun, was uns Spaß macht, ist eine wichtige Voraussetzung. Und das kann man erlernen (mehr dazu in meinem Buch „Alltagslust“).

MÄNNER MIT „GEBURTSTRAUMA“

Mit der Geburt beginnt dann ein neuer Lebensabschnitt für die Eltern. Heutzutage sind die Väter im Kreißsaal meistens dabei. Für viele ist das auch eine unglaublich schöne Erfahrung, aber nicht für alle. Immer wieder begegnen mir Männer in der Praxis, für die die Geburt ihres Kindes ein traumatisches Erlebnis war. Sie kriegen die Bilder nicht mehr aus dem Kopf vom Blut, den Verletzungen, dem Anblick der leidenden Frau, der Hektik im Gebärsaal. Manche tun sich dann schwer mit der Vorstellung, in diese Vagina wieder eindringen zu wollen und kämpfen mit dem Impuls „nie mehr Sex zu wollen“. Paare sollten darüber unbedingt im Vorfeld der Geburt sprechen. Ob er dabei sein will, welche Bedenken und persönlichen Grenzen er hat, wie er damit umgehen kann. Zum Beispiel: am Kopfende der Frau bleiben, sich keinen Spiegel in die Hand drücken lassen, den direkten Blick auf den Geburtsvorgang vermeiden. Werden Männer im Nachhinein ihre Eindrücke nicht mehr los, sollten sie sich unbedingt Hilfe holen. Besser auch schon davor. Es gibt einige Kliniken oder Anlaufstellen, die sich den Fragen der Männer zum Vaterwerden annehmen.

DEPRESSIONEN UND KÖRPERHASS

Offiziell leidet etwa eine von sechs Frauen an postnataler Depression. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Eine verständnisvolle Umgebung kann helfen, dass die Verstimmung nach ein paar Wochen von selbst wieder verschwindet. Doch wenn Unglücklichsein über die Mutterschaft und zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber anhalten, ist professionelle Hilfe angezeigt. Manchmal braucht es dazu den nachdrücklichen Anstoß von der nächsten Umgebung. Depressionen haben negative Auswirkungen auf die Partnerschaft, aber noch häufiger lösen schon bestehende Schwierigkeiten und unzufriedene Beziehungen die Depressionen aus – bei beiden Partnern. Auch das Körperbild trägt seinen Teil zur Unzufriedenheit bei. Der Bauch ist schlaff, die Brust überbeansprucht und das Übergewicht hartnäckig. Dass Männer ihre Frauen nach der Schwangerschaft nicht mehr attraktiv finden, oder dass Frauen unter ihrem Körper leiden, spielt bei der Sexver- drossenheit vieler Paare eine Rolle.

Die Hauptursache für die Unzufriedenheit sind oft unrealistische Vorstellungen, geprägt von Bildern Prominenter. Diese beenden ihre Schwangerschaft häufig per Kaiserschnitt, bevor der Körper die extremsten Veränderungen durchmacht. Und sie bringen sich mit teurem Personal Training innerhalb kürzester Zeit wieder in Bestform. Doch der Körper braucht mindestens neun Monate, um sich hormonell ans Nichtschwangersein wieder anzupassen. Damit ist der Körper rein äußerlich aber noch nicht zwingend im Ursprungszustand. Versöhnung mit dem „neuen“ Körper ist also angesagt. Ein befriedigendes Sexleben kann das Vertrauen in den eigenen Körper durchaus wachsen lassen.

WIE BEIM ERSTEN MAL

Wie der Körper verändert sich auch die Sexualität mit jeder Geburt. Der Sex muss neu ausprobiert werden. Einige Paare schlafen so schnell wie möglich wieder miteinander, bei anderen dauert es Monate, aus denen dann manchmal Jahre werden, wo Sex nur noch ab und zu stattfindet. Diesen Paaren rate ich sehr, das sexuelle Gleichgewicht wieder herzustellen. Denn der Kinderalltag ist zwar stressig und herausfordernd er kann aber der Beziehung auch neue Tiefe geben. Viele Frauen erleben zudem Sexualität nach der ersten Geburt viel ganzheitlicher und empfinden mehr dabei.

Manchmal kommt die Lust erst nach einiger Zeit zurück. Man sollte sich hier nicht unter Druck setzen. Aber man sollte trotzdem das Ziel „Lust“ auf dem Radar haben. Die Angst, gleich wieder schwanger zu werden, kann die Lust beeinträchtigen. Also lohnt es, über Verhütung zu sprechen. Stillen ist kein zuverlässiges Verhütungsmittel. Weil sich der Zyklus noch nicht wieder eingependelt hat, sind Verhütungsmethoden, die sich danach richten, ungeeignet. Kondome schützen nicht nur vor einer neuen Schwangerschaft, sondern auch vor Keimen, die eine Infektion verursachen könnten.

Der Körper braucht etwa sechs bis acht Wochen, um sich von der großen Umstellung von Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Die Ablösung der Plazenta hat im Körper eine große Wundfläche hinterlassen. Ist di se abgeheilt und der Wochenfluss versiegt, kann man wieder miteinander schlafen. Die Lust der Frau auf Sex ist aber oft weniger ausgeprägt, weil sie durch das Stillen und die damit ausgeschütteten Hormone bereits Befriedigung erlebt. Geburtsverletzungen oder Schei- dentrockenheit wegen des Stillens können beim Geschlechtsverkehr zudem Schmerzen verursachen. Ein hochwertiges Vaginalgel kann Abhilfe schaffen. Der erste Sex nach der Geburt ist wie das erste Mal – nur leider ohne die Aufregung der Verliebtheit. Für die Zeit nach der Geburt kann es helfen, sich über Küssen und Petting der Sexualität wieder anzunähern, aber auch, sich emotional auszutauschen.

EIN KIND KANN PAARE UNGLÜCKLICH MACHEN

Nach der Geburt wird in der Partnerschaft vieles anders. Das Baby steht im Mittelpunkt, die Mutter muss sich erholen, der Alltag neu erfunden werden. Zum ersten Mal Eltern werden ist oftmals nicht nur reine Freude, sondern auch ein Schock. Untersuchungen zeigen: Viele Paare fühlen sich mit Baby unglücklicher als ohne. Gleichzeitig haben sie den Eindruck, sie müssten jetzt eigentlich rundum glücklich sein und setzen sich damit zusätzlich unter Druck. Doch nicht nur das Seelenleben, auch der Alltag muss neu geordnet werden.

Kinderbetreuung, Job, Hausarbeit, Hobbys, Gemeindeengagement, Paarzeit – das alles muss neu eingespurt werden. Ein Baby beansprucht etwa ein Viertel der verfügbaren Zeit. Vor der Geburt haben viele Paare den Haushalt einigermaßen fair aufgeteilt, die Mehrheit möchte dies beibehalten. Doch sobald Paare Eltern werden, wird die innerfamiliäre Aufgabenverteilung oft traditionell – auch entgegen der eigenen Ideale. Dieses Ungleichgewicht frustriert vor allem Frauen, denn sie müssen die persönlichen Bedürfnisse deutlich stärker einschränken.

Die Aufgabenteilung, die Beziehung, das Liebes- und Sexleben neu aushandeln klingt nicht sehr poetisch, ist aber eine Notwendigkeit. Wenn es nicht gelingen will, ist Beratung angezeigt. Denn es lauert die Gefahr der Unachtsamkeit. Die Kommunikation des Paares verändert sich nämlich. Oft wird der Umgangston mit dem Baby rauer, sogar gehässig. Paare sind kürzer angebunden und die Gesprächsthemen verändern sich. Die Verbundenheit bleibt nur bestehen, wenn man auch über Gefühle spricht, darüber, wie man sich fühlt bei dem, was passiert.

Es ist für die Paarzufriedenheit zudem entscheidend, regelmäßig ohne Kind etwas zu unternehmen, je früher, desto besser. Fehlende Zweisamkeit schadet. Am besten trägt man schöne Termine schon vor der Geburt in die Agenda ein. Denn man ist nicht nur Eltern, sondern auch Liebes- paar, und will es hoffentlich bleiben.

 

Veronika Schmidt arbeitet als Paar- und Familienberaterin und Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Schaffhausen am Rhein. Im vergangenen Jahr ist ihr Buch „Alltagslust – ganz entspannt zu gutem Sex“ erschienen. Sie bloggt unter www.liebesbegehren.ch

 

Wir müssen reden

„Wie kann ich mit meinem Teenager über Sex sprechen? Sollte ich das überhaupt tun, und was muss ich beachten?“

Sollte ich mit meinem Teenager über Sex sprechen?“ – Natürlich! „Wie gehe ich dabei vor?“ – Natürlich! Eigentlich liegt in diesem Wort schon eine klare Antwort auf diese wichtige Frage: Wer, wenn nicht wir Eltern, können mit unseren Kindern und Jugendlichen angemessen über dieses Thema reden? Unsere Kinder sind in den meisten Fällen seit dem Kindergarten bestens über die körperlichen Aspekte von Sexualität aufgeklärt. Das Meiste erfahren sie „auf der Straße“, im Kreis von Freunden und Bekannten oder im Internet. Was können wir als Eltern dann noch tun? Und warum sollten wir auch noch mit ihnen reden? Wir können unseren Kindern und Jugendlichen früh vermitteln, dass dies ein natürliches Thema ist, das wir immer gern offen mit ihnen besprechen. Eine offene Gesprächs- Atmosphäre seit Kindheitstagen ist die beste Grundlage für spätere Gespräche mit unseren Kindern. Wichtig ist, dass wir sachlich darüber reden und nicht beschämt oder ironisch oder Sexualität vielleicht sogar nur in „zweideutigen Andeutungen“ besprechen. Genauso wichtig ist es, dass wir die natürliche Schamgrenze unserer Teens beachten. Vielleicht wollen sie nicht mit uns über das Thema reden. Und meistens wollen sie auch nichts von unserem Sexualleben wissen, denn das ist Teenagern oft peinlich.

WICHTIGE THEMEN
Die körperliche Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, Hormone und ihre Auswirkungen, Selbstbefriedigung, Verhütung, Geschlechtsverkehr, Pornografie, Missbrauch, sexuelle Orientierungen – all das sind Themen, auf die unsere Jugendlichen Antworten suchen und brauchen. Anders als zu Kindheitstagen, wo wir diese Themen unsererseits ansprechen konnten, müssen wir bei unseren Jugendlichen die Gelegenheiten wahrnehmen, die diese uns eröffnen. Alltagssituationen lassen sich dafür nutzen: Hochzeiten, Geburten, Frauenarzttermine, Kondomwerbung im TV, AIDS-Kampagnen in den Medien. Besonders die zaghaften Fragen, Bemerkungen, Meinungen, die sie im Gespräch mit uns einstreuen, sind wertvolle Situationen, um einzuhaken. Dann sollten wir den Fernseher ausmachen, den Schlaf unterbrechen oder das Telefongespräch beenden. In diesem Alter sind es oft keine langen Gespräche, sondern kurze Momente, die uns die Möglichkeit geben, Informationen und Werte zu vermitteln.

WICHTIGE WERTE
Etwas, was bei aller organisierten Aufklärung und vielen Kampagnen in den Medien recht kurz kommt, ist die Weitergabe von Werten. Diese können wir als Eltern beim Reden über Sexualität betonen. Für uns Christen ist Sexualität ein Geschenk Gottes an jeden Menschen. Gott beurteilt die Sexualität als „sehr gut!“ (1. Mose 1, 27+31). Sexualität ist nie als Last und Frust, sondern als Freude zum sich gegenseitig Beschenken gegeben worden. Sie ist so wertvoll, dass wir sie nicht verschleudern wollen, sondern bewahren und schützen. Es ist aber auch wichtig, dass wir die Entscheidungen unserer Jugendlichen ernst nehmen. So wie sie in anderen Lebensbereichen eigene Entscheidungen treffen, können sie auch hier andere Werte haben als wir, ihre Eltern. Unsere Kinder sollten immer gewiss sein, dass wir sie bedingungslos lieben – unabhängig von ihren Werten und ihrer Lebensgestaltung. So wie Gott auch uns bedingungslos liebt.

Ekkehard Kosiol hat als Pastor und Heilpraktiker (Psychotherapie) eine Beratungspraxis für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Siegen. Seine sechs Kinder sind alle erwachsen, meist verheiratet, und sieben Enkelkinder sind bereits da.

Wenn sie mehr Lust hat

In unseren aufgeklärten Zeiten sollte es doch eigentlich kein Problem sein, wenn sie mehr Lust auf Sex hat als er, oder? Leider doch, stellt Dr. Ute Buth in der Beratung immer wieder fest.

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