Mut zum Mittelmaß

„Jeder Mensch ist etwas Besonderes“ – diese Botschaft, die wir oft an unsere Kinder vermitteln, kann motivieren. Aber sie kann auch gewaltig nach hinten losgehen. Von Jennifer Zimmermann

Mein Sohn zählt Klavier. Er hat damit kurz nach Beginn des ersten Schuljahres angefangen, als die obligatorischen Einladungen für die Probestunden der Musikschule in der Ranzenpost lagen. Ich würde nie wagen zu schreiben, dass er Klavier lernt. Oder gar spielt. Es wäre einfach nicht wahr. Alle zwei Tage begibt er sich planmäßig an sein Instrument. Dann wanken diese tastenden, manchmal qualvoll schleichenden Töne von „Summ, summ, summ“ durch die Wohnung, die auch ich schon vor 25 Jahren auf meiner Kindergitarre fabriziert habe. Und dazwischen kann man ihn flüstern hören. 1, 2. 1, 2, 3.

Musizieren nach Zahlen

Mein Sohn liebt Musik, denn Musik hat Regeln. Man kann Pausen abzählen und wichtige Worte auswendig lernen. Es gibt einen Takt und einen Notenschlüssel und wirklich viele Zahlen. Man könnte sagen, es ist genau sein Ding. Mein Sohn ist nur wirklich kein leidenschaftlicher Musiker. Es ist ihm relativ egal, wie das Instrument klingt, das er spielt. Wie der Text des Liedes ist. Ob es irgendeine Stimmung mit sich trägt. Irgendein Temperament. Egal. Mein Sohn zählt.

Keine Musik im Blut

So hatte ich mir das mit dem ersten Instrument nicht vorgestellt. Ich persönlich arbeite mehr „nach Gefühl“. Das gilt für alle Lebensbereiche. Als also der obligatorische Zettel mit den Probestunden in der Ranzenpost lag, da dachte ich an leuchtende Musiklehreraugen, an Worte wie „Naturtalent“ und „Überflieger“, an Talentwettbewerbe. Jetzt sitze ich hier im Wohnzimmer, höre „Summ, summ, summ“ im Schneckentempo und fühle mich, als wäre ich im Sport als Letzte in die Völkerballmannschaft gewählt worden. Warum? Weil mein Sohn zwar ein begeisterter Mathe-, aber ein ziemlich durchschnittlicher Musikschüler ist.

Irgendwann zwischen dem letzten Weltkrieg und dem ersten Social-Media-Account sind wir westlichen Gesellschaften auf die Idee gekommen, dass Selbstbewusstsein eine wirklich wichtige Sache für unsere persönliche Entwicklung sein muss. Für unseren Erfolg. Unsere Leistungsfähigkeit. Wir haben uns auferlegt zu denken, dass jeder von uns etwas ganz Besonderes ist. In vielfacher Hinsicht.

Sehnen nach dem „Ah“ und „Oh“ der anderen

Wir wachsen mit der Vorstellung auf, dass sich tief in unserem Inneren ein ganz eigenes Leuchten verbirgt wie die Perle in der Auster. Es braucht vielleicht nur die richtigen Umstände, den richtigen Anreiz, um die Auster zu knacken und dieses Leuchten an die Oberfläche zu bringen, damit es über die ganze Welt strahlt. Wir lechzen nach dem „Ah“ und „Oh“ der anderen, die unser Leuchten in ihren Augen widerspiegeln. Wir sagen es uns selbst, wir sagen es jedem Menschen, der es gerade vergessen hat. Sogar unseren Kindern.

Für jeden Menschen gibt es den richtigen Beruf, in dem seine besonderen Fähigkeiten zur Entfaltung kommen. Jeder Mensch ist zu Großem berufen. Vielleicht sogar von Gott. Jedes Kind hat ein Talent. Es gibt das richtige Instrument für jeden Erstklässler. All die zu oft gehörten Motivationssätze, sie fangen an, mich gewaltig zu nerven. Denn sie behalten ihre motivierende Wirkung nur so lange, bis wir uns an ihrer Grenze gewaltig die Zehen stoßen. Der Autor und Coach Mark Manson schreibt es laut und geradeheraus: „Die Botschaft schmeckt super, wenn man sie runterschluckt, aber im Grunde sind es leere Kalorien, von denen man nur emotional fett und aufgeblasen wird, der sprichwörtliche BigMac für dein Herz und Hirn.“

Keine Wettkampfbilder

Ich habe meine Gitarre an den Nagel gehängt, als ich feststellte, dass ich zwar viel Rhythmus im Blut, aber wenig Lust zum Üben hatte. Und keinerlei Sinn für Musiktheorie. Ich habe Sozialarbeit studiert, nicht weil meine Fähigkeiten in einer helfenden Tätigkeit am besten zur Geltung kommen, sondern weil ich, um ehrlich zu sein, ein kleines Helfersyndrom in meiner Handtasche versteckt halte. Meine Facebook-Chronik ist ziemlich langweilig. Ich bin in der Elternzeit nicht um die Welt gereist. Es gibt keine Bilder von mir und meinen Kindern im Partnerlook. Keine Wettkampfbilder von meinem so sportlichen Nachwuchs. Keine extrem emotionalen Bekundungen meiner Liebe zu meinem Mann.

Nichts Besonderes

Mein Leben ist ziemlich durchschnittlich. Das meiner Kinder auch. Sie jetten nicht von einem Termin zum nächsten. Sie räumen keine Preise ab. Können sie auch gar nicht, weil sie nämlich ständig krank sind. Irgendwann auf meiner Reise durch das Leben habe ich festgestellt, dass die allermeisten Menschen auf dieser Welt keine Naturtalente sind. Dass die allermeisten Menschen auf der Welt in einem Moment großartig sind und im nächsten wirklich furchtbar. Dass sie glänzen und im Dreck liegen. Dass sie, kurz gesagt, wirklich nichts Besonderes sind. Und dass ich dazugehöre.

Vom Versagen zur Erleichterung

Aber jedes Mal, wenn ich es wage, so ehrlich zu mir zu sein, dann fühlt sich das an wie Sterben. Wie, wenn ich jemandem meine schlaflose Nacht mit dem rotznasigen Kind haarklein darlege, demonstrativ Kaffeedampf inhaliere und lediglich ein „Normal“ zu hören bekomme. Wie, wenn ich auf einer Party den Witz meines Lebens reiße und keiner lacht, manche nur verlegen auf ihre Schuhe gucken. Sich einzugestehen, dass man überwiegend so normal ist wie die allermeisten Menschen auf diesem Planeten, sich seine eigene Großartigkeit abzuerkennen, ist schmerzhaft. Peinlich. Kränkend. Und befreiend. Weil endlich pfeifend die Luft aus dem Ego entweicht, die mir die ganze Zeit aufs Herz gedrückt hat. Es fühlt sich kurz an wie Versagen. Und dann muss man schrecklich über sich selbst lachen.

Geduld statt geniale Pläne

Ich wünsche mir für meine Kinder nicht, dass sie möglichst viel und möglichst großartige Leistung erbringen. Dass sie ihre Berufung finden, auf den Bühnen dieser Welt stehen und dabei ihren unverwechselbaren Stil präsentieren. Was ich mir wirklich wünsche, ist, dass meine Kinder Menschen werden, die sich selbst vergessen können. Dass sie aufgehen können in einer Tätigkeit. Dass sie Zeit haben, unverplante Zeit, in der ihnen etwas wichtig werden kann und seien es Zahlen – auch wenn ich das am wenigsten verstehen kann. Ich wünsche ihnen, dass sie Geduld lernen. Ich wünsche ihnen, dass sie sich unterbrechen lassen in ihren vermeintlich genialen Plänen. Dass sie von ihrer eigenen Großartigkeit absehen, um einem anderen Menschen Platz zu machen, um jemanden ausreden zu lassen, jemanden zu halten, der weint.

Eine Revolution des Weniger

Ich wünsche mir eine Revolution des Weniger. Eine Revolution der Ruhe gegen den Zeitgeist, der mit seinen ständigen Erinnerungen und bimmelnden ach-so-wichtigen Nachrichten an meinem Hosenbein zuppelt und mich und meine Familie zur Hektik ruft. Der uns heiser ins Ohr wispert, dass wir irgendetwas verpassen, irgendetwas falsch machen, irgendeine Chance ungenutzt lassen und versagen, weil wir nur mittelmäßig sind. Dass wir uns einfach noch nicht genug angestrengt haben, unser inneres Leuchten zu finden und die Anerkennung zu kassieren, die uns zusteht.

Es braucht Menschen, die leidenschaftlich lieben

Die Welt braucht nicht unbedingt noch mehr leidenschaftliche Klavierspieler. Aber sie braucht unbedingt noch mehr Menschen, die leidenschaftlich lieben. Mitten im „Normal“ des Alltags. Menschen, die in die Politik gehen, weil sie sich dafür einsetzen wollen, dass die Autos auf der Hauptstraße nicht mehr länger den Gehweg zuparken. Menschen, die sich von ihren pubertierenden Kindern stundenlang alle wichtigen YouTuber zeigen lassen. Menschen, die ehrenamtlich verletzte Fledermäuse aufpäppeln. Menschen, die ein Foto von ihrem Samstagnachmittagsesstisch schießen, von ihren stinkenden verwelkten Blumen und der Plastikverpackung vom Fertigkuchen und damit Instagram unsicher machen.

Leid lässt uns reifen

Es gibt beeindruckende Menschen, wirklich mutige, charakterstarke, tiefvertrauende Menschen, die genau deshalb so besonders sind, weil sie sich kein bisschen dafür interessieren, welches Instrument ihnen am besten steht. Es gibt sie in allen Altersklassen. Oft sind sie durch Leid, Verluste und Fehler hindurchgegangen. Sie haben erlebt, dass das Leben weh tut. Dass es traurig ist. Dass es langweilig ist. Dass es in Hochs und Tiefs verläuft. Dass es konfliktreich ablaufen kann. Und dass das alles nicht nur nicht zu ändern, sondern auch ziemlich okay ist.

Einfach Mensch sein

Wenn unser Leben nicht nur aus Hoch-Zeiten und Highlights, aus wehenden Haaren im Sonnenuntergang und leuchtenden Kinderaugen besteht, dann sind wir so, wie jeder andere Mensch auf dieser Welt. Wir sind Menschen. Wir gehören zu dieser handgemachten, verrückten, grausamen, liebenswerten Truppe, die diese Erde bevölkert. Das ist eine Ehre. Unser Leben wird nicht wertvoller, weil wir den Talentwettbewerb gewonnen haben. Weil wir etwas ganz besonders gut können. Oder ganz besonders große Probleme haben. Wir sind Menschen. Gottes Menschen. Das ist alles.

Jennifer Zimmermann lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Bad Homburg. Gerade ist ihr erstes Buch erschienen: „Als Gott mich fallenließ. Vom Ausharren und Weitergehen mit ihm“ (SCM R.Brockhaus).

Keine Angst vorm Zockerspaß: Chancen und Risiken von Fortnite, Minecraft & Co

Videospiele gehören heute zum Leben von Jugendlichen dazu. Laut dem Branchenverband Bitcom spielen 89 Prozent der 10- bis 18-Jährigen digitale Spiele. Nathanael Ullmann sieht darin eine große Chance – aber auch Risiken.

Folgt man der Debatte über das Thema „Kind und Videospiele“, sind vor allem zwei Lager besonders laut. Die einen sehen, überspitzt gesprochen, in jedem Computerspieler den nächsten Amokläufer heranwachsen. Die anderen glorifizieren das digitale Spiel als den optimalen Lernort. Nach jahrelanger Spielerfahrung und wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Thema kann ich sagen: Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte. Ein paar Stunden in der virtuellen Welt werden kein Kind mit einem natürlichen Sozialverhalten zum Problemfall werden lassen – aber eben auch nicht zur Intelligenzbestie.

Es ist nicht zu leugnen, dass in der digitalen Spielewelt Gefahren lauern. Trotz allem bin ich ein großer Befürworter der Idee, Kinder – auch virtuell – spielen zu lassen. In diesem Artikel möchte ich beide Seiten beleuchten. Einerseits will ich darauf aufmerksam machen, wo Fallstricke hinter den Pixeln lauern, andererseits aber auch Angst nehmen.

DIE VORURTEILE

Wenn ich über Computerspiele rede, begegnen mir immer wieder falsche Vorstellungen. Mit zweien möchte ich hier aufräumen.

„Videospiele machen einsam“
In der Gesellschaft fällt mir regelmäßig ein vorherrschendes Bild auf: vom einsamen Zocker, der im dunklen Raum vor der Flimmerkiste sitzt. Und tatsächlich sitzt der Spieler ja erst einmal alleine vor dem Rechner oder der Konsole. Aber besorgte Eltern kann ich beruhigen: So einsam, wie Ihr Kind wirkt, ist es vielleicht gar nicht. Seit einiger Zeit ist auf dem Spielemarkt eine Bewegung hin zu so genannten „Multiplayer-Games“ zu sehen. Das heißt: Menschen aus aller Welt können sich online treffen und gemeinsam spielen. Nun darf man das nicht mit verklärter Brille sehen. Je nach Spiel kann der Umgangston zwischen den Nutzern durchaus harsch sein. Auf der anderen Seite regt das gemeinsame Spiel zu zwischenmenschlicher Interaktion an.

Regelmäßig treffe ich mich online mit Freunden. Ein Treffen im echten Leben wäre abends unmöglich, wohnen wir doch weit verstreut. So können wir uns trotz allem hören, gemeinsam etwas erleben und uns austauschen. Wir lösen zusammen Aufgaben, feiern Erfolge und haben Spaß. Zocken macht also nicht zwingend einsam. Es bleibt jedoch die Frage, ob Kinder, wenn die Zeit und Entfernung es zulassen, sich nicht lieber „in echt“ sehen sollten. Und natürlich wird digitaler Kontakt niemals reale Treffen ersetzen können. Wie so häufig gilt auch hier: Es kommt auf das richtige Maß an. Unterhält ihr Kind nur noch online Freundschaften, sollte das angesprochen werden. Trifft es seine Freunde gelegentlich online, kann das eine wertvolle Bereicherung sein.

„Videospiele machen dumm“
In dieser Deutlichkeit ist mir dieses Vorurteil zwar selten begegnet. Aber es schwingt immer wieder mit. Dabei können Computerspiele durchaus sinnvoll sein. Vorderhand entspannen sie natürlich. Aber auch darüber hinaus sind sie eine gute Schule. Ein Kind, das Minecraft spielt, kann lernen, von sich heraus kreative Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ich selbst habe während meiner Schulzeit gewinnbringend das Strategiespiel Civilization III gespielt – die historischen Hintergründe haben mir die römische Geschichte zugänglicher gemacht.

DIE GEFAHREN

Ich wäre nicht seriös, würde ich die Gefahren des Spielens totschweigen. Vor allem an drei Stellen sehe ich Stolpersteine, von denen Eltern wissen sollten.

Die Sucht
Videospielsucht ist ein schwieriges Thema. Das lässt sich nicht leugnen. Gerade das Genre Rollenspiel nutzt bewusst Strategien, um Nutzer über lange Zeit bei der Stange zu halten. Hier kann man eben ein Level aufsteigen, dort noch eine Aufgabe (genannt Quest) erledigen. Die Chance auf großen Ruhm lockt viele in die virtuellen Alternativwelten – und lässt sie nicht mehr los. Das Mittendrin- Gefühl, das Spiele anderen Medien voraushaben, tut dann das Übrige. Das gilt bei weitem nicht für jedes Genre und jeden Spieler. Ich halte es zudem nicht für eine gute Lösung, Kindern deswegen das Spielen ganz zu verbieten. Klare Grenzen sollte es aber geben. Die EU-Initiative Klicksafe empfiehlt beispielsweise, Kinder zwischen vier und sechs Jahren nicht mehr als 30 Minuten am Tag in Begleitung der Eltern spielen zu lassen. Jugendliche zwischen elf und 13 Jahren sollten laut Klicksafe nicht mehr als 60 Minuten spielen. Definieren Sie mit Ihrem Kind im Bestfall Regeln. Beispielsweise: Wie viele Runden darf es nach den Hausaufgaben spielen?

Das Glücksspiel
Eng mit dem Thema „Sucht“ hängt auch das Thema „Glücksspiel“ zusammen. Seit einigen Jahren ist es in der Branche üblich, Spieler zu Zusatzkäufen zu verlocken. Manch ein Spiel, gerade auf dem Smartphone, kommt kostenlos auf den Markt, setzt aber darauf, dass Kunden für zusätzliche Waffen, Karten oder Outfits extra bezahlen. Die Methoden sind nicht selten dem Glücksspiel entlehnt. Anfangs wird der Spieler mit Gratis-Belohnungen überhäuft, er lernt den Reiz des schnellen Erfolgs kennen. Später werden die Belohnungen zurückgefahren, er soll dafür bezahlen. Die Gegenstände sind in Truhen versteckt, in denen ein nebensächlicher Artikel oder eine unglaublich seltene Waffe warten können – was der Käufer bekommt, ist Zufall. Hierfür kann eine Menge Geld ausgegeben werden. Wenn Programme mit Begriffen wie „Free2Play“ locken, sollten Eltern einen kritischen Blick darauf werfen.

Die Gewalt
Auch zur Gewalt in Videospielen muss ich ein Wort verlieren. Ja, eine Vielzahl von Mainstream-Spielen setzt darauf, dass der Spieler mit einer Waffe umgehen muss. Und ja, Videospiele können auch gewaltverherrlichend sein. Ich selbst hatte als kleiner Knirps im Urlaub viel zu lange die Möglichkeit, auf dem PC meines Cousins GTA: Vice City zu spielen. Diese Gewalteindrücke konnte ich lange nicht verarbeiten. Auf der anderen Seite möchte ich hier relativieren: Erstens gibt es aus ebendiesem Grund Altersfreigaben, die auf jeden Fall beachtet werden sollten. Gewisse Spielinhalte kann ein Kind noch gar nicht verarbeiten – dazu gehört je nach Alter auch die Waffengewalt. Zweitens gibt es gerade außerhalb des Massenmarktes eine Vielzahl an Spielen, die vollkommen friedlich daherkommen. Ein Beispiel ist das Adventure „Fire“ vom deutschen Entwicklerstudio „Daedelic“. Hier klickt sich der Spieler als Steinzeitmensch durch eine liebevoll gezeichnete Welt. Die Besonderheit: „Fire“ kommt ohne geschriebene Worte aus. Auch die meisten Nintendo-Titel (wie die Super Mario-Reihe) sind, was Gewalt angeht, eine Empfehlung wert. Zwar kann man in diesen Titeln gegen Monster kämpfen, das ist, mit wenigen Ausnahmen, allerdings absolut kinderfreundlich dargestellt.

WAS KÖNNEN ELTERN TUN?

Eltern sollten das Spielverhalten des Sohnes oder der Tochter in geregelte Bahnen lenken. Wegen bestehender Gefahren lohnt sich ein kritischer Blick. Wie kann der aussehen?

Zuhören und Mitmachen
Wenn Ihr Kind Spiele liebt, wird es darüber reden wollen. Auch wenn es Sie vielleicht nicht interessiert, kann aufmerksames und interessiertes Zuhören nur sinnvoll sein. So erfahren Sie am leichtesten, in welche Spielwelten es gerade versinkt. Und so können Sie auch am ehesten erfahren, ob das Erlebte zu seiner Altersklasse passt. Noch besser als nur zuzuhören ist natürlich das Mitmachen. Gerade in jungen Jahren ist das gemeinsame Spielen eine unglaubliche Freude. Die Montagnachmittage, an denen mein Vater und ich uns durch Monkey Island gerätselt haben, zählen noch heute zu den schönsten Erinnerungen meiner Kindheit.

Informieren
Ein großer Vorteil des Informationszeitalters ist, dass es über jedes moderne Spiel eine Vielzahl an Artikeln gibt. Erwähnt ihr Kind, dass es Fortnite spielt, ist es ein Leichtes, diesen Begriff zu googeln. Webseiten wie www. spieleratgeber-nrw.de erklären fachlich fundiert die Hintergründe zu den wichtigsten Titeln. Und wenn Ihnen Texte über den Titel nicht reichen, können Sie ein so genanntes „Let’s Play“ schauen. Das sind Videos, in denen Spieler sich beim Zocken filmen. So wissen sie ganz schnell, wie das Spiel funktioniert und ob es für Ihr Kind geeignet ist.

USK beachten
Ein großer Segen, den wir in Deutschland haben, ist die USK, die „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“. Kein Spiel, das in den Laden kommt, kommt ohne diese Kennzeichnung aus. Mit einem Blick auf die Verpackung lässt sich leicht erkennen, ab welcher Altersstufe ein Game geeignet ist. Problematisch wird es, wenn Ihr Kind die Spiele nicht mehr im Laden, sondern online kauft. Einige Shops wie der Google Play Store oder der Xbox Store sind Teil des IARC-Systems, das eine Alterseinstufung nach einem automatisierten Verfahren vergibt. Diese Kennzeichnung kann ebenfalls ein Anhaltspunkt sein. Sinnig ist es zudem, gerade bei jüngeren Kindern, Online-Spieleplattformen wie Steam nicht fest mit einem Bezahl-Konto zu verknüpfen. Neue, kostenpflichtige Spiele können Ihre Kinder dann nur gemeinsam mit Ihnen erwerben. So behalten Sie den Überblick.

Nathanael Ullmann ist Volontär in der Online-Redaktion des SCM Bundes-Verlags und beim Männer-Magazin MOVO.

Der Tochter die BRAVO verbieten?

„Unsere Tochter (12) kauft sich die BRAVO. Was in dieser Zeitschrift steht, ist unserer Meinung nach nichts für sie: Es geht nur um Promis, Schönheitsideale und Sex. Uns ist klar, dass Verbieten sinnlos ist, aber wie sollen wir damit umgehen?“

Seit inzwischen 60 Jahren macht die BRAVO Jugendliche neugierig und empört Eltern. Sie ist up-to-date und trendy, aufgeklärt und schamlos. Zwischen den digitalen Medien wie YouTube, Instagram und TicToc muss sie sich behaupten und erreicht vor allem so genannte Preteens, die sich noch nicht frei im Internet bewegen. Für manche Mädchen kann sie ein wichtiges Mittel sein, um mit Klassenkameradinnen ins Gespräch zu kommen. Jede möchte dazugehören und keine will diejenige sein, die keine Ahnung hat.

Ich persönlich finde die BRAVO auch nicht bravo. Wenn ich beim Kieferorthopäden auf meine Kinder warte, blättere ich manchmal darin. Die meistens Bands kenne ich nicht, YouTuber sowieso nicht und die schrille Grafik überfordert mich. Die Nacktfotos sind nicht ästhetisch und erinnern mich eher an ein medizinisches Journal. Das Doktor-Sommer-Team beantwortet Fragen zur körperlichen und seelischen Entwicklung, manche Teens wird es amüsieren, andere verwirren oder nicht interessieren. Was ich gut finde: Bei all den Ratschlägen rund um Schönheit und Sexualität betonen die Autoren mit Sätzen wie „Sage nein“, „Bleib dir treu“ oder „Lass dir Zeit“, dass man sich zu nichts überreden lassen darf.

SPRECHEN SIE OFFEN ÜBER IHRE BEDENKEN!

Sie dürfen Ihrer Tochter sagen, dass Sie die Zeitschrift nicht gut finden, dass vieles überzogen und unrealistisch ist. Ermutigen Sie sie, auf ihr Schamgefühl zu achten. Es ist ihr Kompass, um zu wissen, ob sie sich schon mit den gezeigten Themen auseinandersetzen möchte. Es ist in Ordnung, wenn man ein Unbehagen bei Nacktbildern fühlt oder wenn es peinlich ist, dass über Masturbation geschrieben wird oder dass man sich unvollkommen zwischen den Influencern fühlt. Helfen Sie Ihrer Tochter, diese Empfindungen zu orten. Achten Sie auf einen Moment, wo Sie das unbefangen ansprechen können. Vielleicht findet eine andere Bezugsperson einen besseren Zugang zu Ihrem Kind – zum Beispiel die große Schwester, die Jugendleiterin oder die Patentante?

Sie können Ihrer Tochter nicht verbieten, die Zeitschrift zu lesen, denn ein Verbot zerstört die Atmosphäre, die solch sensible Themen brauchen. Viel mehr Einfluss als die BRAVO hat das echte Leben. Wie kommentieren Väter, Onkel und Brüder das Verhalten oder Aussehen von jungen Frauen? Schaut man als Familie GNTM und lästert ab? Gibt es ein wertschätzendes Miteinander in der Familie? Als die Kinder klein waren, haben wir ihnen vermittelt, wie wertvoll und geliebt sie sind. Nun heißt es, den Töchtern zu vertrauen, dass sie mit Neugier, Schamgefühlen und dem Bedürfnis nach Anerkennung umgehen können.

Susanne Ospelkaus ist Ergotherapeutin. Sie lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München und bloggt unter www.susanne-ospelkaus.com
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Ein Paar, zwei Perspektiven: Gute Nacht

DER TRAUM VOM FEIERABEND

Katharina Hullen hat sehr aufgeweckte Kinder, vor allem, wenn sie eigentlich schlafen sollten. Ihr Ehemann ist keine große Hilfe.

Katharina: Entwischte Hühner einfangen – haben Sie das schon einmal gemacht? So ungefähr müssen Sie sich unser abendliches Zu-Bett-Bringen der Kinder vorstellen. Es ist zum Auswachsen! Selbstverständlich haben wir immer wiederkehrende Rituale, die klare Signale senden, dass nun Schlafenszeit ist und Ruhe im Bau.

Pustekuchen! Wie besagte Hühner schlüpfen sie durch Türritzen und schleichen sich mit vielen Fragen oder wichtigen Anliegen durch die Wohnung. „Muss noch Zähneputzen!“ – „Ich brauche noch Kakaogeld für morgen!“ – „Mama, die Stelle im Buch gerade war sooo witzig! …“ – „Mein Bein tut weh!“ (ersetzen Sie Bein durch jedwedes Körperteil) – „Habe ich morgen um 9 XY?“… Natürlich dürfen die drei Großen etwas länger aufbleiben, aber schön wäre ja, wenn sie in dieser Zeit trotzdem all diese Fragen und Anliegen schon einmal klären könnten. Und nicht erst, wenn ich bei den Kleinen fertig bin.

Auf die konzentriere ich mich nämlich zuerst. Das ist schon schwierig genug, denn bis der Flohzirkus gebadet, gewickelt und im Bett bereit fürs Vorlesen ist, vergeht schon eine beträchtliche Zeit. Nach dem Buch singe ich noch ein Lied und platziere mich auf einer Matratze vorm Bett und warte, bis beide eingeschlafen sind. Das übrigens ist ein Ritual, welches aus der Not geboren ist. Bei den drei Großen wäre es undenkbar gewesen – natürlich sind die Kinder alleine eingeschlafen! Da inzwischen bei dem Krawall draußen vor der Tür aber beide Jungs stets mehrfach ihr Zimmer verlassen haben, musste eine lebendige Barrikade her: DU! KOMMST! NICHT! VORBEI!

Leider schläft man selbst häufig ein auf diesem Wachposten, sodass ich irgendwann zwischen halb 10 und 11 Uhr hochschrecke, geweckt vom Huschen, Tuscheln, Singen, Pfeifen, Klappern der drei Großen im Rest der Wohnung. Ich gehe ins Wohnzimmer und finde auf dem Sofa den besten Ehemann von allen und frage mich, wie lange er eigentlich schon hier sitzt.

Er hätte ja den Mädchen schon mal Gute Nacht sagen können! „Hab ich!“, höre ich dann. Und gesungen habe er auch schon bei jeder. „Und dann war doch auch Ruhe, oder?“, meint er. Nein – eine liest noch, eine andere spielt, die dritte ist gerade erst zum Zähneputzen ins Bad gehuscht. Er hört und sieht nichts. Es käme ihm im Traum nicht die Idee, noch einmal nachzusehen oder gar zu schimpfen.

Dabei haben wir beide den Wunsch nach einem früheren Feierabend für uns Eltern – aber den können wir uns nur gemeinsam erkämpfen. Mir eine sinnvolle Konsequenz für die Kinder auszudenken, finde ich richtig schwierig. Es müssen also wohl wieder Belohnungspunkte her. Vielleicht mache ich auch eine Belohnungsliste für Hauke – ein Aufkleber für jeden Abend, wo er die Kinder um 21 Uhr schlafend im Bett hat. Die Idee gefällt mir!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

„SO LEGT EUCH DENN, IHR BRÜDER …“

Hauke Hullen führt zermürbende Debatten über das Einschlafen und findet in Matthias Claudius einen Leidensgenossen. Seine Frau ist keine große Hilfe.

Hauke: Da liegen sie: Hingegossen, zart, engelsgleich. Unsere Kinder schnaufen sanft in ihren Träumen – und Kathi und ich schnaufen auch: Endlich Ruhe!

Wer keine schlafunwilligen Kinder hat, kann sich nicht vorstellen, wie nervenaufreibend solche Abende sein können. Auch wir gehörten lange Zeit dazu: unsere vier ältesten Kinder schliefen alle schnell ein und durch. Durchwachte Nächte waren Ausnahmen. Doch dann kam Nummer Fünf!

Beim kleinen Jonathan führen eine ausgeprägte Willensstärke, gepaart mit bemerkenswerten Power-Napping-Fähigkeiten, zu schwer zu prognostizierenden Einschlafrhythmen. Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass ihm zwischen 16 und 18 Uhr die Augen zufallen, ansonsten verwandelt sich das Kinderzimmer in einen Debattier-Club, der erst weit nach Mitternacht schließt. Es ist nicht nur frustrierend, wenn die To-do-Liste eines ganzen Abends auf einen einzigen Punkt zusammenschnurrt (selber bis 1 Uhr im Bett zu sein, na gut, bis 2!). Es ist auch entwürdigend, wenn man den Argumenten eines Zweijährigen irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen hat: Ja, er ist halt wirklich gar nicht müde, und ja, er will tatsächlich gar nicht schlafen, und ja, er hat recht, die Sonne geht doch eh gleich wieder auf …

Unser Pastor meinte einmal, das wichtigste Gebot in der Kindererziehung sei: „Du sollst nicht töten!“ Nachts um 3 ist es wichtig, sich an diese Aussage zu erinnern.

Damit es nicht so weit kommt, habe ich eine sedative Form des Singens entwickelt, die bei unseren beiden kleinen Jungen meist recht gut funktioniert. Ich liege in ihrem Zimmer auf der Elternmatratze und stimme „Der Mond ist aufgegangen“ an – möglichst tief und möglichst langsam. Oft wirkt das so gut, dass Jungs und Papa schon bei der dritten Strophe einschlafen.

Wenn dies nicht der Fall ist und Jonathan weiterhin Rabatz macht, dann singe ich auch noch die letzte Strophe und bemerke, dass wohl auch Dichter Matthias Claudius mit renitenten Kindern zu kämpfen hatte. Hören Sie selbst:

„So legt euch denn, ihr Brüder“ – damit sind natürlich die Brüder Jonathan und Konstantin gemeint, die gerade in ihren Betten herumkullern – „in GOT-TES NA-MEN nieder!“ – man sieht förmlich, wie der Dichter die Fäuste ballt – „kalt ist der Abendhauch“ – das ist ganz klar eine Drohung – „verschon uns Gott mit Strafen“ – was war noch gleich das wichtigste Gebot in der Kindererziehung? – „und lass uns ruhig schlafen“ – nämlich meine Frau und mich – „und unser‘n kranken Nachbarn auch“ – ein Flehen, dass die anderen Bewohner des Hauses nicht unleidlich werden.

Inzwischen schlafen die Jungs. Ich schleiche mich aus ihrem Zimmer und entdecke die beste Ehefrau von allen auf dem Sofa. Offenbar hat sie von dem ganzen Theater nichts mitbekommen.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Meinem Schulkind helfen

„Mein Kind ist gerade in die Schule gekommen. Wie kann ich es unterstützen?“

Verena drückt sich am Freitagmorgen ein Tränchen heraus und gibt sich untröstlich. „Jetzt sind schon wieder Ferien! Kannst du uns nicht doch Hausaufgaben geben?“, bettelt sie bei der geliebten Lehrerin, die entspannt am Pult sitzt und die Hefte der Kinder durchschaut. Mit „Ferien“ meint das Mädchen den langen Samstag und den langen Sonntag, an dem sie nicht weiter lernen darf.

Auch Fabian weint. Er sitzt in einer anderen Klasse in einer Stillarbeitsphase vor seinem Rechenheft. „Ich will diese Aufgaben nicht machen!“, jammert er laut und wirft sich schlapp auf den Schultisch, um eine Weile zu schmollen. Seine Lehrerin merkt davon nichts. Sie ist gerade damit beschäftigt, mit Vanessa deren Fibel zu suchen, die sich wieder einmal im Ranzen nicht auffinden lässt. Die Lernvoraussetzungen und die Reife, die Erstklässler in die Schule mitbringen, sind extrem unterschiedlich. Höchst verschieden sind auch die Gegebenheiten, die die Kinder in ihren jeweiligen Schulen vorfinden. Fast immer aber profitieren Schulneulinge davon, wenn sie von ihren Eltern gelassen unterstützt werden.

TIPPS VOM SCHULLEITER

Ich gebe als Schulleiter immer einige Tipps, die für jedes Kind gültig sind:

  • Bei allem, was Ihnen gefällt oder nicht gefällt, und bei allem, was Sie verstehen oder worüber Sie den Kopf schütteln: Sie als Eltern sollten sich stets hinter die Entscheidungen und die Vorgehensweise der Lehrkräfte stellen. Jedenfalls in Gegenwart Ihres Kindes. Denn Erstklässler vergöttern ihre Lehrer gern und für lange Zeit. Das gibt ihnen Sicherheit und Motivation. Beides sollten Eltern nur im Ausnahmefall stören. In der Schule geht es nicht immer gerecht zu. Es können auch nicht alle Kinder immer in der ersten Reihe sitzen.
  • Begrenzen Sie die Bildschirmzeiten Ihrer Kinder! Smartphones, Tablets und Spielekonsolen haben bei Grundschülern nichts zu suchen!
  • Stecken Sie Ihre Kinder so früh wie möglich ins Bett, gönnen Sie ihnen auch mal einen Mittagsschlaf. Im Schlaf werden alle Eindrücke und alles Gelernte verarbeitet und gespeichert.

ÜBERHÄUFEN SIE IHR KIND MIT BÜCHERN!

  • Lesen ist der Schlüssel für den schulischen Erfolg. Daher: Lesen Sie viel mit Ihren Kindern. Üben Sie mit ihnen Buchstaben und Silben. Lesen Sie ihnen vor. Überhäufen Sie sie mit Büchern.
  • Helfen Sie Ihren Kindern dabei, Ordnung im Ranzen und in den Schulmaterialien zu halten. Besuchen Sie die Elternabende, nehmen Sie Anteil, lesen und beachten Sie die schulischen Elternbriefe.
  • Gerade Jungen fangen schnell damit an, Grenzen zu suchen und zu erproben. Sie beleidigen ältere Schüler oder verstecken sich während des Unterrichts auf der Schultoilette. Die Konsequenzen sollten sie dann tragen müssen, ohne dass Sie als Eltern gleich händeringend zum Telefon greifen.
  • Hausaufgaben werden anfangs in der Nähe der Mutter oder des Vaters an einem ruhigen Ort gemacht.

Insgesamt: Bleiben Sie entspannt! Nicht alle Kinder können den schulischen Erwartungen in gleicher Weise entsprechen. Manche können schon an Weihnachten lesen, andere erst später.

Johannes Köster ist Leiter der Primarstufe an der Freien Christlichen Schule Ostfriesland. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern im Landkreis Leer.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Misch dich ein!

Wenn Christen Verantwortung übernehmen, verändert sich die Gesellschaft. Ein Plädoyer von Uwe Heimowski.

Es war an einem Sonntagmorgen. Ich stand unter der Dusche. Meine Tochter klopfte an die Kabine. „Papa, ich muss dich mal was fragen“. Ich drehte das Wasser ab, wischte die beschlagene Scheibe frei und sah sie an. „Hallo Schatz, was gibt’s?“ Sie nestelte ein wenig an ihrem Schlafanzug, bevor sie ihren Satz formulierte. „Papa, heute ist doch die Wahl.“ Wir hatten zu dieser Zeit eine Jugendpastorin in unserer Gemeinde angestellt, meine Töchter waren ziemlich begeistert von ihr. Heute sollte nach einer Probezeit über eine feste Berufung abgestimmt werden. „Ja, heute ist die Wahl.“ Sie suchte die richtigen Worte. „Darf da jeder abstimmen?“ Baptistengemeinden sind Kongregationalisten, die Mitgliederversammlung (englisch „congregation“) ist das höchste Gremium. „Ja“, antwortete ich, „jedes Mitglied hat eine Stimme.“ Meine Tochter war noch nicht fertig. „Muss man seine Wahl auch begründen?“ „Nein, die Wahl ist geheim, jeder kann wählen, wie er möchte.“ Jetzt war Talitha entrüstet: „Aber das ist doch gemein. Dann kann man ja auch gegen sie stimmen, nur weil man sie nicht mag. Das ist doch kein Argument!“ Sie stampfte mit dem Fuss und rauschte aus dem Badezimmer. Völlig perplex (und ziemlich stolz) ließ sie mich in der Dusche zurück. Was für eine messerscharfe Analyse! Und das von einer gerade mal Zehnjährigen.

RÜCKZUG IN DIE SCHMOLLECKE

Die Begebenheit liegt etwa sieben Jahre zurück. Damals war von „Merkel muss weg“ noch keine Rede. Im Gegenteil: Noch 2013 ist mancher CDU-Kandidat auf „Mutti-Ticket“, also mit Kanzlerinnen-Bonus, in den Bundestag eingezogen.

Seither hat sich unser Land verändert. Nicht nur durch die Flüchtlingskrise. Seit 2009 arbeite ich im politischen Berlin, zunächst als Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten, seit Oktober 2016 als politischer Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz. Ich habe also einen ganz guten Überblick, würde ich sagen.

Und mir fällt auf: Immer mehr Menschen verhalten sich so, wie Talitha es bei der Wahl in der Gemeinde befürchtet hatte: Statt sich eine fundierte Meinung zu bilden und das Beste für das Gemeinwesen zu suchen (wie es der Prophet Jeremia fordert: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“, Jeremia 29,7), schließen sie sich der Anti-Fraktion an: Sie schimpfen auf „die da oben“, sie verbreiten Halbwahrheiten, und häufig vergreifen sie sich im Ton, insbesondere in den sozialen Netzwerken. Gleichzeitig ziehen sie sich in ihre jeweilige Schmollecke zurück, statt politisch aktiv zu werden.

ABSAGE ANS MECKERN

Auch bei Christen lässt sich das beobachten. Sie beklagen den Verfall christlicher Werte in der Politik, überlassen aber anderen das Feld – doch warum sollte ein Nichtchrist christliche Werte befördern? Das müssen wir schon selbst tun. Man kann beklagen, dass das „C“ in der CDU nur noch Makulatur sei, wenn diese eine „Ehe für alle“ zulasse. Man kann lamentieren, dass statt der Erziehungsleistung einer Mutter nur noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Agenda der Politik bestimme. Und so weiter und so fort.

Doch gilt nicht bei all dem immer: Wer nicht handelt, wird behandelt? Wenn Christen die Welt nach Gottes Maßstäben mitbestimmen wollen, dann sollten sie Verantwortung übernehmen. Die Bibel fordert uns an vielen Stellen dazu auf. Nehmen wir etwa die so genannte Goldene Regel, in der Jesus sehr klar formulierte: „Was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen zuerst.“ (Matthäus 7,12). Das ist eine überdeutliche Aufforderung zu pro-aktivem Handeln und damit eine Absage ans Meckern oder daran, von anderen zu fordern, was wir selbst nicht zu geben bereit sind. Jesus sagt: Wartet nicht darauf, dass andere euch etwas Gutes tun. Fangt ihr damit an. Liebe Christen, seid aktiv, gestaltet, stellt euch an die Spitze, wenn es darum geht, etwas für das Wohl der Menschen und der Gesellschaft zu tun.

DER AUFTRAG DER CHRISTEN

Mag sein, dass wir für unsere Positionen nicht sofort Mehrheiten finden. Aber das darf uns nicht hindern. Jeder, der schon mal Hefekuchen gebacken hat, weiß: Die Hefe ist mengenmäßig nur ein kleiner Teil der Zutaten, aber sie wird buchstäblich in den gesamten Teig „hineingemischt“. Sich einmischen: das ist ein sehr naheliegendes Bild, wenn Christen sich die Frage stellen, ob sie sich politisch engagieren sollen. Jesus selbst hat dieses Bild gebraucht: „Womit soll ich das Reich Gottes vergleichen? Es gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Scheffel Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war“ (Lukas 13,20f).

Der Auftrag der Christen, und das macht Jesus an vielen Stellen deutlich, ist es, das Evangelium vom Reich Gottes auszubreiten. Das tun wir, indem wir vom „König“ dieses Reiches reden: von Jesus, dem Sohn Gottes, unserem Retter und Herrn. Und wir tun es ebenso, indem wir aktiv für Recht und Gerechtigkeit wirken, indem wir mutig Frieden stiften, wo Unfrieden und unbarmherzige Zustände herrschen; wir tun es, indem wir Freude ausbreiten, also für ein gesellschaftliches Klima der Dankbarkeit und Zufriedenheit einstehen. „Denn das Reich Gottes ist … Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geiste“, schreibt Paulus (Römer 14,17).

Unsere Gesellschaft braucht Christen, die ihre Verantwortung wahrnehmen. An den unterschiedlichsten Stellen: in Parteien, in Elternvertretungen, als Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr oder als Trainer einer Jugendmannschaft, um nur einige wenige Möglichkeiten zu nennen.

ES GEHT UM VERANTWORTUNG!

Zurück zur Gemeindestunde. Einige Mitglieder kamen extra zur Wahl, obwohl sie vorher lange nicht da gewesen waren. So auch ein Mann in den Vierzigern. Kaum, dass er mich sah, schoss er auf mich zu. „Uwe, du arbeitest doch jetzt in Berlin. Hast du auch die Kanzlerin schon getroffen?“ Ich musste mich ein bisschen schütteln. „Ja“, antwortete ich, und wimmelte ihn ab.

Da hat einer nicht verstanden, worum es geht in der Politik. Es geht nicht darum, Karriere zu machen oder Prominente zu kennen. Auch nicht in erster Linie um Macht. Sondern um Verantwortung. Oder mit Talithas Worten: Es geht um Begründungen. Um das Verstehen von Zusammenhängen und dann um konstruktives Mitgestalten. Sei es im „großen“ Berlin oder im „kleinen“ (Gemeinde-)Alltag.

Uwe Heimowski vertritt die Deutsche Evangelische Allianz als deren Beauftragter beim Deutschen Bundestag in Berlin. Er ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

Mettwurst oder Spitzenwäsche: So zeigen Sie Ihrem Partner, dass Sie ihn wirklich lieben

Romantische Fünf-Sterne-Dinner mit Sonnenuntergang sind super, ohne Frage. Aber es sind ganz andere Aufmerksamkeiten, die eine Beziehung ausmachen.

Um der Liebe unseres Lebens zu beweisen, wie wunderbar und einzigartig sie ist, geben wir uns viel Mühe, vor allem, wenn wir frisch verliebt sind. Die Verliebtheit aktiviert unsere Hirnwindungen in der rechten Großhirnrinde und treibt uns an. Wir schreiben Gedichte, basteln Karten, sparen für ein Vier-Gänge-Menü, stricken Schals, üben den Kniefall oder eine sinnliche Geste, schnuppern uns durch die Parfumabteilung und holen die Sterne vom Himmel.

Das Beziehungs-Gen

Woher kommt die Sehnsucht, der Liebe einen Ausdruck zu geben? Wir sind Beziehungswesen. Keiner lebt für sich allein. Wir brauchen das Gegenüber, um uns selbst zu erkennen, Bedürfnisse wahrzunehmen und uns weiterentwickeln zu können. Eremiten sind die absolute Ausnahme, aber selbst sie suchen ein Gegenüber. Eine mystische Begegnung. Eine Erkenntnis. Gott. Es scheint eine genetische Struktur in uns zu geben, die sich nach Begegnungen sehnt.

Einmal geklärt. Fertig.

Der Ausspruch: „Ich liebe“ ist nur sinnvoll, wenn es einen Adressaten gibt. Ich liebe Kunst, Sport, Essen – dich! Auch, wenn es praktisch zu sein scheint, ein einmaliges Bekenntnis der Liebe genügt nicht, denn „lieben“ ist ein aktives Verb. Es verlangt die Aktivität von kleinen und großen Liebesbeweisen, um nicht zu verkümmern. In der ersten Phase der Verliebtheit fällt es uns leicht, Aufmerksamkeiten zu ersinnen und zu verschenken. Doch irgendwann kommt unsere Liebesbeziehung im Alltag an, findet sich zwischen Routine und Gewöhnlichem wieder und wir gehen davon aus, dass der/die andere schon weiß, dass wir ihn/sie lieben. Wenn wir wollen, dass unsere Liebe Spuren hinterlässt, muss sie erlebbar sein, zum Anfassen und Spüren, zum Erinnern und Träumen. Doch wie sieht der perfekte Liebesbeweis überhaupt aus?

Hände weg von Hollywood

Hollywood und romantische Romane liefern Ideen, doch die scheinen sich nur umsetzen zu lassen, wenn man viel Geld, einen Adoniskörper, unbegrenzte Risikobereitschaft oder am besten alles zusammen hätte. Die Ansprüche an einen perfekten Liebesbeweis lassen uns erschöpft und überfordert zurück. Wir sind weder Romanheldin noch Prince Charming und dennoch sehnen wir uns danach, unserem Partner auf ganz besondere Weise zu zeigen, wie sehr wie ihn/sie lieben.

Im Kleinen wie im Großen

Aber vielleicht muss es auch nicht immer der ganz große Wurf sein. Wenn man sich nicht an Kleinigkeiten freuen kann, kann man sich auch nicht an den großen Überraschungen freuen. Kann man ein Sternemenü zelebrieren, wenn man die schlichte Mahlzeit verachtet? Kann man den Wellness-Urlaub genießen, wenn man sich nicht im Alltag entspannen kann? Was nützen die spektakulären Liebesbeweise, wenn man sich nicht an den kleinen Gesten der Zuneigung erfreuen kann? Eine Umarmung. Ein Post-it mit Herzchen. Eine gepflückte Blume vom Wegrand. Eine SMS mit: „Du fehlst!“. Die aufgehaltene Tür. Ein Streicheln über den Handrücken. Eine Süßigkeit auf dem Schreibtisch.

Unsere Liebe verdichtet für einen Augenblick in eine liebevolle Geste. Wenn ein Augenblick die Zeit zwischen zwei Lidschlägen ist und wir zwischen 11 und 19 Mal in der Minute blinzeln, dann sind das bis zu 16.200 Augenblicke am Tag. Wird da nicht ein Moment dabei sein, den wir unserem Partner schenken können?

Individuelle Vorlieben

Es mag Frauen geben, die empfinden Handlungen wie Tür aufhalten, in den Mantel helfen oder eine Rechnung zu übernehmen als Bevormundung. Übereifriger Feminismus und Gender Mainstreaming haben der Höflichkeit so manche Kerbe geschlagen. Ich finde es angenehm, wenn mir jemand in die Jacke hilft, damit ich mich nicht mit den verknuddelten Ärmeln plage. Sobald wir die Motivation einer freundlichen Geste entdecken, tut sie einfach nur gut.

Wir kennen doch unseren Partner und wissen, worüber er oder sie sich besonders freut. Ist es ein kleines Geschenk oder eine gemeinsame Unternehmung oder ermutigende Worte?

Wer mag die runde Brötchenhälfte?

Wenn wir nicht wissen, was unserem Partner gefällt, dann müssen wir darüber sprechen und unser Gegenüber muss ehrlich antworten. Wie oft hat man schon ein vermeintliches Lieblingsessen zubereitet und dabei denkt der Mann: „Jetzt hat sie schon wieder gefüllte Paprika gekocht. Ich konnte das Gericht schon als Kind nicht leiden.“ Es wäre doch schade, wenn wir aus Liebe auf die runde Brötchenhälfte verzichten, in der Annahme, dass unser Partner sie mag, und dabei ist es ihm schnurzpiepegal.

Mettwurst und Spitzenwäsche

Mein Mann ist als Außendienstmitarbeiter in verschiedenen Städten unterwegs. Er hat die Möglichkeit, zwischen zwei Terminen in ein Geschäft zu gehen und bringt mir dann Dinge, von denen ich mal gesagt habe, dass ich sie gebrauchen könnte, wie einen Topfkratzer oder eine Tasche für meine Ordner, mit. Manchmal bringt er mir auch Dinge mit, die ich nicht dringend brauche, zum Beispiel ein Spitzenbustier. In meinem Alltag komme ich höchstens beim Bäcker und Metzger vorbei. Dann kaufe ich ihm seine Lieblingsmettwurst, die er mit rohen Zwiebeln isst. Er freut sich, auch wenn er anschließend keine Küsse mehr bekommt. Blumen bringt er mir nie mit und das ist gut so, ich kaufe sie mir selbst, denn sie müssen zu den Vasen, Sofakissen und Tischdecken passen.

Sagt was!

Unter Frauen höre ich solche Klagen: „Mein Mann kennt nicht einmal meine Kleidergröße und bringt mir nie etwas mit.“ „Andere Männer sind viel aufmerksamer als meiner.“ „Nie kocht er für mich.“

An Valentinstag drängeln sich die Männer ins Blumengeschäft und zum Hochzeitstag schleppen sie sich schweratmend durch die Parfumabteilung. Lasst uns die Männer von diesen Vorstellungen an Aufmerksamkeiten befreien! Lasst uns direkt sagen, was uns gefällt und nicht nur hoffen, dass der Partner die indirekten Andeutungen decodieren kann. Wie die kleinen Gesten aussehen, entscheidet jedes Paar für sich. Wir dürfen nicht vergleichen. Der einen Frau sind ihre von ihrem Mann frisch gebügelten Blusen ein Liebesbeweis, dem anderen, dass man zusammengekuschelt einschläft und bei meinem ist es die Zwiebelmettwurst.

Kleine Gesten im Alltag

Eine kleine Geste ist ein lebendig gewordener Gedanke der Zuneigung im Alltag. Ohne großen Aufwand kann ich etwas für den anderen erledigen, was er nur ungern tut, zum Beispiel zur Post gehen, die Flaschen wegbringen, die Betten machen, staubsaugen, die Blumen gießen.

Kleine Gesten haben die Kraft, Missverständnisse zu entwaffnen. Sie schützen uns vor Empfindlichkeiten und zu hohen Ansprüchen. Sobald sich eine Geste mit Dankbarkeit paart, hat sie die Fähigkeit, uns durch Alltagsstürme zu tragen.

Ein Butterbrot voll Liebe

Jeden Morgen richte ich für meine Kinder und meinen Mann eine Brotdose her. Ja, es ist gesünder und kostengünstiger als ein gekaufter Snack, aber es ist auch eine Tupperdose voller Zuneigung. Ein Zettel mit „Du schaffst das“ oder „Ich denke an dich“ oder mit Herzchen signalisiert, dass wir auch während des Arbeitstages miteinander verbunden sind und er lässt mich wissen, dass es ihm gefällt. Wieso sonst sollte ich mir die Brotschmiererei im schlaftrunkenen Zustand antun?

Bleibt authentisch!

Wenn ich mich ständig verbiegen muss, damit mein Partner sich wertgeschätzt weiß, wird die Ehe zur Last. Die kleinen Gesten müssen nicht eingeübt und trainiert werden, sie schlummern in uns, vielleicht müssen sie nur wachgerüttelt werden. Aufmerksamkeiten lassen sich leicht in den Alltag integrieren, wenn sie authentisch sind.

Es fällt mir leicht, meinem Mann körperliche Zuneigung zu schenken, aber es würde mir schwerfallen, mich für Fußball und Stadionbesuche zu begeistern. Der andere wird es sowieso spüren, wenn man etwas ungern tut. Als ich ein Kind war, sagte meine Oma: „Wenn du nicht gern teilst, brauchst du überhaupt nicht zu teilen.“ Ich habe mir dann immer überlegt, wie ich trotz des Teilens freudig aussehen kann. Es geht nicht! Ein Geschenk muss von Herzen kommen, damit es sich im Gesicht widerspiegelt. Ja, und manchmal gibt es die Momente, die man für sich alleine haben möchte. Für diesen Fall hat mein Mann ein kleines Snacklager in seinem Kleiderschrank und ich trockne meine Fruchtgummiteile in meinem Bücherregal, bis sie hart wie Bonbons sind. (Das muss man im Verborgenen tun, sonst futtern die Kinder alles weg.)

Das Aufzählmonster

Kleine Aufmerksamkeiten entfalten sich durch Dankbarkeit und verkümmern durch Vorhaltungen: Es gibt Zeiten, da ist man nicht so aufmerksam, vielleicht weil Stress bei der Arbeit herrscht oder weil man Ärger mit den Nachbarn hat oder weil man körperlich erschöpft ist. In diesen Phasen investiert einer von beiden mehr in die Beziehung. Wenn man jetzt anfängt aufzuzählen, was man schon alles getan hat und wie viel man für den anderen opfert, dann entfesselt man das Aufzählmonster. Es hat die Macht, aus Kleinigkeiten Konflikte zu erschaffen. Plötzlich nervt alles! Zu lautes Einatmen. Zu lautes Ausatmen. Der Schlüssel wird nicht an den gewohnten Platz abgelegt, im Auto rieseln Krümel über die Sitze oder die Spülmaschine wird nicht effektiv eingeräumt. Im gleichen Maß, wie uns Kleinigkeiten erfreuen, können sie uns ärgern. In diesen Momenten müssen wir innehalten, durchatmen und uns dem Aufzählmonster in den Weg stellen. Wir werden kaum die Energie und Kreativität haben, uns etwas Außergewöhnliches für den Partner zu überlegen. Umso besser, wenn wir auf ein Repertoire aus Aufmerksamkeiten zurückgreifen können.

Der Partner ist genervt? Ich gebe ihm Möglichkeiten, sich zurückzuziehen.

Der Partner ist gehetzt? Ich umarme ihn ganz fest.

Der Partner ist entmutigt? Ich bete mit ihm.

Vom Sekundengeizhals zum Zeitschenker

Viele Unglücke passieren, weil man denkt, man hätte nicht genug Zeit. Man hastet durch den Alltag, drängelt sich durch den Verkehr und verbrennt sich am heißen Kaffee den Mund in dem Glauben, dadurch ein paar Sekunden zu sparen. Aus den gleichen Gründen verlieren wir unsere Aufmerksamkeit. Keine Zeit für den Abschiedskuss, weil ein Termin ansteht? Keine Zeit, dem Partner einen gesegneten Tag zu wünschen, weil das Kind quengelt? Die kleinen Aufmerksamkeiten kosten uns nur einen Augenblick und jeder Tag besteht aus wenigstens 16.000 Augenblicken. Wir dürfen nicht zum Sekundengeizhals mutieren. Lasst uns am Tag zehn Minuten Zeit nehmen, die wir in überlegten Portionen an unseren Partner verschenken. Vier Augenblicke, um sich zu umarmen. Zehn Augenblicke, um zwei Cappuccinos zu kochen. Zwei Augenblicke für den Gute-Nacht-Kuss.

Alles, was wir als wichtig erachten, wurde uns geschenkt: Leben, Zeit, Liebe, Beziehungen, Familie, Talente, Hoffnung. Wir sind Beschenkte. Wir dürfen großzügig sein mit unserer Aufmerksamkeit, mit Dank und Lob. Ja, und manchmal schlüpft aus unseren Hirnwindungen eine außergewöhnliche Idee, wie wir unseren Partner auf ganz besondere Weise mit unserer Liebe überraschen können.

Susanne Ospelkaus lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München, bloggt unter susanne-ospelkaus.com und arbeitet als Ergotherapeutin.

„Das Kind meiner Freundin haut“

„Der Sohn meiner Freundin schlägt manchmal andere Kinder und Erwachsene – auch mich. Meine Freundin greift aber oft nicht ein. Was kann ich tun?“

Das ist eine heikle Situation. Auf der einen Seite verhält sich das Kind Ihrer Freundin so, dass Sie eingreifen möchten, auf der anderen Seite ist es nicht einfach, in den Verantwortungsbereich einer anderen Mutter einzudringen. Aber Ihr Gefühl, dass man nicht einfach darüber hinwegsehen darf, ist absolut gerechtfertigt.

DAS HAUEN HAT EINEN GRUND

Die Frage, die sich mir als Erstes stellt, ist, warum der Junge andere Kinder schlägt. In der Regel kann man davon ausgehen, dass dieses Hauen nicht einfach nur frech ist, sondern dass ein ungesehenes Bedürfnis oder eine Not dahintersteckt. Vielleicht fühlt sich der Junge mit anderen Kindern gestresst oder ungerecht behandelt? Oder er fühlt sich in einer bestimmten Situation übersehen und erhofft sich mehr Aufmerksamkeit? Nicht selten hat so ein Verhalten auch damit zu tun, dass Kinder selbstbestimmt leben wollen und ihre Gefühle in diesem Alter noch nicht regulieren können, wenn sie an eine Grenze stoßen. Es kann also viele Gründe für solche Reaktionen geben. Deswegen ist es sinnvoll zu überlegen, was die Ursache sein könnte, und sie vorsichtig mit der Mutter zu thematisieren.

Fragen Sie Ihre Freundin auch, warum sie das so laufen lässt. Auch hier können unterschiedliche Gründe vorliegen. Ist es Unsicherheit, Resignation oder Überforderung, unter der sie leidet? Dann ist Ihre Freundin vielleicht sogar dankbar, wenn sie sich austauschen kann und Unterstützung bekommt. Ist es aber Gleichgültigkeit oder eine bewusste Entscheidung für diesen Erziehungsstil, könnte das Gespräch etwas schwieriger oder sogar kontrovers werden. Aber auch dann dürfen Sie klar und liebevoll Ihre Position vertreten und auf den Missstand aufmerksam machen.

EIGENE GRENZEN KLAR FORMULIEREN

Natürlich ist es nie leicht, andere mit Kritik zu konfrontieren. Aber wenn Sie vorrangig von ihren Empfindungen und Sorgen sprechen, könnte das Gespräch zu einer Haltungsänderung führen. Wie sehr Sie sich selbst in diesen Konflikt investieren möchten und können, hängt sicherlich auch von der Intensität Ihrer Freundschaft ab. Je enger der Kontakt ist und je häufiger sich die Problematik aufdrängt, desto wichtiger ist es, eine Lösung zu finden. Doch letztlich müssen wir uns bewusst machen, dass wir andere Menschen nicht ändern können, wenn Sie keine Einsicht haben.

Erleben sie eine konkrete Situation, in der Sie selbst geschlagen werden, ist es angebracht zu reagieren, auch auf die Gefahr hin, dass das zu einem Konflikt mit der Freundin führt. Wenn Ihre Freundin über das Hauen ihres Kindes hinweggeht, können Sie trotzdem Ihre Grenze klar formulieren: „Stopp, ich möchte nicht, dass du mich haust.“ Diese Rückmeldung braucht das Kind unbedingt. Genauso wichtig ist es, andere Kinder, die gehauen werden, zu schützen und den Sohn ihrer Freundin zu begrenzen und aus der Situation zu nehmen. Auch wenn das eigentlich vorrangig die Aufgabe der Mutter wäre, ist es angemessen, sich hier einzumischen, weil es um andere Kinder geht.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F.
www.sonja-brocksieper.de
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Meine Gefühle stritten mit meinem Glauben“

Ihr Kind zu begraben, hat Regina Neufelds Glauben an Gott, an einen guten, fürsorglichen Gott, stark erschüttert. Und dann gestärkt. Doch um zu dieser neuen Tiefe zu gelangen, musste sie den Zerbruch zulassen und sich den unangenehmen Fragen stellen, die sie als „gute Christin“ eigentlich nicht denken wollte.

Sechs Jahre ist es nun her. Wir hatten uns so auf unser drittes Kind gefreut. Und dann der Schock: Samuel hatte einen Herzfehler und andere Fehlbildungen. In der 34. Schwangerschaftswoche wurde er per Kaiserschnitt geholt und unsere Welt hörte auf, sich zu drehen. Er war zwar stabil, doch die Diagnose Trisomie 18 sagte uns, dass er nicht lange bei uns bleiben würde.

Wir haben gebetet. Viel gebetet. Und auch unsere Familien, Freunde, Bekannten und Menschen, die wir gar nicht persönlich kannten, haben für Samuel gebetet. Dass er gesund zur Welt kommen würde. Doch das ist er nicht. Dass er bald nach Hause kommen würde, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Doch auch diesen Wunsch hat Gott uns nicht erfüllt. An Tag 54 ist er vom Krankenhaus aus in den Himmel geflogen. Warum, Gott? Warum war Samuel krank? Warum hatten wir so wenig Zeit?

BETROGEN UND LEER

Ich kann die Menschen nur zu gut verstehen, die sagen, dass sie nach einer solchen Erfahrung nicht mehr an einen guten, liebenden Gott glauben können. Die Wahrheit ist: Wir sahen einfach keine Alternative. Wohin hätten wir gehen sollen? Wir wussten rein rational, dass Gott der Einzige war, der uns halten konnte, obwohl wir uns noch nie so von ihm im Stich gelassen fühlten. Meine Gefühle stritten mit meinem Glauben und ich musste entscheiden, welchen Weg ich einschlagen wollte.

Ich zog mich stark zurück in das dunkle Tal und wollte weder Menschen noch Gott an mich heranlassen. Enttäuschung, Verzweiflung und Wut konnten jedoch nicht meine Sehnsucht nach Gott auslöschen. Ich habe mich danach gesehnt, verstanden und gehalten zu werden. Mein Mann und unsere Kinder Benjamin und Hannah waren ein großer Trost für mich, aber sie konnten mich nicht dort erreichen, wo der Schmerz am größten war. Ich lag einfach da in dieser Dunkelheit, sah keinen Lichtstrahl und weinte und wurde dabei noch von meinem schlechten Gewissen geplagt, weil ich gegen Gottes Weg für mich rebellierte. Schließlich dienen denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten (nach Römer 8,28). Er weiß, was er tut. Er ist alles, was ich brauche. Und doch fühlte ich mich betrogen und leer.

IM DUNKLEN TAL DES TODES

Die Dunkelheit drohte, mir den letzten Lebensmut zu entreißen. Immer wieder versuchte ich, mich aufzurappeln und weiterzumachen mit dem Leben. Doch diesmal war nichts mehr da. Keine Kraft, keine Hoffnung. Plötzlich spürte ich einen starken Arm um meine Schultern. Eine warme Hand wischte mir die Tränen von den Wangen. Gott saß neben mir im Staub. Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch ich war zu schwach. Trotzdem meinten meine geschwollenen Augen, dass es etwas heller geworden war. Gott wartete. Sagte nichts. Er hielt mich. Hielt mich aus. Mein Weinen, mein Schreien, mein Schweigen. Erst als ich mich etwas beruhigt hatte, umfasste er meine Hand und zog mich ein Stück höher. Mit der Zeit spürte ich mich wieder. Ich versuchte aufzustehen, und er stützte mich. Dann wagten wir den ersten Schritt. Wir kamen nur langsam voran, doch er drängte mich nicht. Er blieb dicht an meiner Seite und stützte mich. Der Weg hinaus aus diesem dunklen Tal war lang. Die Verzweiflung meldete sich wieder. Doch ich wusste: Mit Gott an meiner Seite würde ich es schaffen. Irgendwann würde ich wieder Licht sehen. Ich würde wieder leben. Ich würde wieder lachen.

Es ist meine Entscheidung, ob ich im Dunkel liegen bleibe oder mir aufhelfen lasse und dabei sage: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ (Psalm 73,23-26)

EIN LEBEN IN ALLEN FARBFACETTEN

Heute lebe ich mit einer tiefen Lebensfreude und mit Dankbarkeit im Herzen. Mein Glaube ist fester und weiter als vor Samuels Tod. Nicht aufgrund einer Leistung oder weil ich so stark wäre. Im Gegenteil. Ich hatte komplett aufgegeben, die Kontrolle losgelassen, meine Schwäche zugelassen. Und da war Gott. Mitten in meinem Leid. Gottes Gegenwart und Stärke in meiner Leere.

Kein strenger Blick, sondern mitfühlende Tränen. Als ich in seine Augen blickte, wurde das Warum immer kleiner, das Schwarz wurde – langsam – zu grau. Und heute ist mein Leben voller Farben – kräftige neben Pastelltönen, hier und da dunkle Schattierungen. Manchmal erlebe ich auch heute noch einen grauen oder tiefschwarzen Tag. Die Sehnsucht nach meinem Sohn raubt mir immer noch den Atem. Doch ich bin nicht allein. Gott versteht mich. Er hält mich. Und das genügt. Ich muss es nicht verstehen. Ich muss es nicht gut finden und ganz sicher nicht dafür dankbar sein. Stattdessen darf ich fühlen, was ich fühle und werde dabei ausgehalten, festgehalten und wieder hochgehoben.

GOTT IST GRÖSSER ALS MEIN WARUM

Ich glaube an Gott und seine grenzenlose Liebe. Nicht weil ich ihn verstehe oder es inzwischen leichter geworden wäre. Sondern weil er da ist, ohne mich zu drängen oder etwas von mir zu erwarten. Er gibt mir Zeit und hält meine Fragen und Klagen aus. Ich darf schwach sein. Ich darf wütend sein. Ich darf trauern. Meine Tränen sind Zeugen davon, dass die Liebe zu meinem Kind größer ist als der Tod. Und das ist auch mein Glaube, der sich auf das Wissen stützt, dass Gott auch dann bei mir ist, wenn ich ihn weder erlebe noch spüre. Er ist mitten in meinem Schmerz, tiefer als meine Wut und größer als mein Warum. Darum glaube ich noch immer.

Regina Neufeld

Regina Neufeld. Foto: Mel Erdmann

Regina Neufeld ist Autorin, Referentin und Bloggerin. Sie ist Ehefrau und Mutter von vier Kindern, drei auf der Erde und eins im Himmel. Über den Umgang mit Samuels Tod hat sie ein Buch geschrieben: Viel zu kurz und doch für immer. (Gerth Medien)

Welche Versicherungen brauchen wir?

„Wir erwarten bald unser erstes Baby und fragen uns, welche Versicherungen wir für unser Kind abschließen sollen und welche unnötig sind?“

Es ist gut, dass Sie sich schon vor der Geburt Gedanken über den wichtigen Versicherungsschutz Ihres Kindes und eventuell auch Ihren eigenen machen. Vieles lässt sich dann schneller und stressfreier regeln.

Bei der Krankenversicherung besteht in Deutschland eine Versicherungspflicht (zur Situation in der Schweiz siehe unten). Das Kind muss entweder über eine gesetzliche oder private Krankenversicherung versichert sein. Wie der Nachwuchs zu versichern ist, richtet sich nach der Versicherungs- und Einkommenssituation der Eltern. Sind beide Elternteile beispielsweise über die gesetzliche Krankenkasse pflichtversichert, ist ihr Kind im Rahmen der Familienversicherung beitragsfrei mitversichert.

Ein eigener beitragspflichtiger Vertragsteil ist für das Kind in der privaten Krankenversicherung in der Regel notwendig, wenn beide Eltern privat krankenvollversichert sind. Ist dagegen ein Elternteil privat und das andere gesetzlich pflichtversichert, kann das Kind in der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann im Rahmen der beitragsfreien Familienversicherung mitversichert werden, wenn das Einkommen des privat Versicherten unterhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt.

AUSLANDSSCHUTZ FÜR KINDER AUF REISEN

Zumindest dann, wenn ein Auslandsaufenthalt geplant ist, sollte für gesetzlich und für die meisten privat Versicherten eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen werden. Dies kann beispielsweise innerhalb eines Familientarifes erfolgen, bei dem das Kind dann mitversichert ist.

Möchte man später weitere Vorsorge bei gesundheitlichen Problemen für das Kind treffen, raten wir eher zu Kinderinvaliditätsversicherungen als zu Unfallversicherungen. Die Gefahr durch einen Unfall invalide zu werden, ist deutlich geringer als in einem Krankheitsfall. Im Rahmen der Kinderinvaliditätsversicherung besteht nicht nur für Unfallfolgen Versicherungsschutz, sondern auch bei einer Erkrankung. Bei einem solchen Vertrag soll für den Fall der Fälle neben einer Einmalzahlung auch eine regelmäßige Rentenzahlung erfolgen.

Allerdings sind Kinderinvaliditätsversicherungen entsprechend teuer. Sie kosten ungefähr das Vierfache einer guten Unfallversicherung, die etwa 100 Euro jährlich kostet. Ob eine und welche Absicherung gewählt wird, ist auch vom Haushaltsbudget abhängig.

AUCH EIGENEN VERSICHERUNGSSCHUTZ PRÜFEN!

Möchte man Geld beispielsweise für die Ausbildung des Kindes zur Seite legen, sollten Bankprodukte wie ein Banksparplan ins Auge gefasst werden. Ausbildungsversicherungen, bei denen eine Versicherung mit einer Kapitalbildung verknüpft wird, sind nicht empfehlenswert.

Ist ein Kind unterwegs, sollten die Eltern ihren eigenen Versicherungsschutz auf den Prüfstand stellen. Insbesondere wenn dem Hauptverdiener etwas passiert, sollte eine ausreichende Absicherung im Rahmen von Risiko-, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen bestehen. Versicherungen wie Hausrat- oder Kfz-Versicherung sind nur dann anzupassen, wenn sich etwas ändert, zum Beispiel, wenn eine größere Wohnung bezogen oder ein größeres Auto angeschafft wird.

Elke Weidenbach ist Volljuristin und arbeitet als Referentin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale NRW. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Krankenversicherung in der Schweiz

Schweizer müssen für ihr Kind eine obligatorische Krankenversicherung abschließen. Wenn das Kind in den ersten drei Monaten angemeldet wird, gilt der Versicherungsschutz von Geburt an. Die Grundversicherung bietet einen weitreichenden Schutz. Daneben gibt es verschiedene freiwillige Zusatzversicherungen, die extra kosten.