Das Baby und ich: Keine Ahnung vom Muttersein?

Das Gefühl, keine gute Mutter zu sein, kann sehr lähmend wirken. Rachel Hollis kennt diese Gedanken und hat sie als Lüge enttarnt.

Ich bin die schlimmste Schwangere, die du je getroffen hast. Ich hasse einfach jeden Aspekt an einer Schwangerschaft – abgesehen davon, dass man am Ende ein Baby hat. Ich bin dankbar für meine Schwangerschaften – aus tiefstem Herzen dankbar dafür, dass Gott es mir geschenkt hat, drei wundervolle kleine Jungs und ein Mädchen austragen zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber jeder einzelne Aspekt einer Schwangerschaft setzt mir zu.

Die Wehen sind das Schlimmste

Doch als das wundervolle Ereignis schließlich geschah, war ich in Ekstase. Erstens, weil ich endlich Jackson Cage kennenlernen konnte – unser Wunschkind, dessen Namen wir schon vor Jahren bei einer Reise quer durchs Land festgelegt hatten. Zweitens, weil ich meinen Körper nun wieder für mich allein haben würde. Ich war euphorisch, dass ich die Wehen überstanden hatte, die ich offen gesagt für das Schlimmste am Muttersein halte.

Aber als wir mit Jackson in seiner ganzen Pracht zu Hause ankamen, traf mich völlig unvorbereitet das Gefühl, als frisch gebackene Mama vollkommen ungeeignet zu sein. Ich liebte ihn unbändig. Und ich hatte Angst um ihn. Ich konnte nachts kaum schlafen, weil ich mir sicher war, dass er aufhören würde zu atmen. Das Stillen war schwierig und schmerzhaft und ich produzierte nie genug Milch, um diesen gigantischen Nachwuchs satt zu kriegen. Mein Mann war immer mein bester Freund und mein Lieblingsmensch auf Erden, aber ich erinnere mich noch an die Zeit, in der Jackson anderthalb Monate alt war, und ich Dave ansah und ernsthaft dachte, ich würde ihn hassen. Aus tiefster Seele hassen.

Elternwerden ist ein Schwindel

Jackson war sechs Wochen alt – was übrigens genau die Zeit ist, in der ungetrübter Hass am häufigsten auftritt – und wachte nachts immer noch auf. Es ist wichtig an dieser Stelle die Worte immer noch zu betonen, denn mein junges, ahnungs- und kinderloses Ich hatte gedacht, am Ende des ersten Monats hätten wir alles überstanden und befänden uns auf bestem Wege ins elterliche Paradies. Ach, mein reines, unschuldiges Herz …

Elternwerden ist ein großer Schwindel. In den ersten Wochen schwimmt man auf der großen Euphoriewelle. Liebe Menschen bringen einem Aufläufe vorbei, die Mama ist noch da und hilft und man hat diesen wundervollen kleinen Engel. Aber dann vergehen die nächsten zwei Wochen und man gerät in eine Zombieroutine. Die Brüste tropfen durch die Kleidung und man hat schon eine Woche nicht gebadet. Die Haare sehen so schlimm aus wie nie zuvor – egal. Du schaffst das schon.

In mich reingefressen

Aber nach sechs Wochen ist die Luft raus. Man denkt: Warum bin ich so erschöpft? Warum sehe ich immer noch so aus, als wäre ich im fünften Monat schwanger? Warum mache ich immer noch nichts anderes außer stillen?

Nach sechs Wochen war ich ein wenig … äh … frustriert darüber, wie sehr ich damit beschäftigt war, mich ums Baby zu kümmern. Ich hatte das Gefühl, dass Dave nicht sehr viel dazu beitrug und fand die Verantwortung, das meiste allein stemmen zu müssen, ziemlich erdrückend. Aber ich sagte kein Wort zu ihm. Ich wickelte das Gefühl fest ein und schluckte es ganz tief hinunter, wo es niemandem in die Quere kam. Eines Tages unterhielten wir uns über irgendetwas, als die Bombe platzte. „Ich bin müde.“ Das war es, was er sagte. Das waren seine Worte. Meine Welt wurde aus den Angeln gerissen, und meine Augen nahmen das Achtfache ihrer normalen Größe an. Aber er war zu sehr mit Reden beschäftigt: „Ich bin todmüde, weil ich heute Morgen so früh aufgewacht bin … blablabla … weitere falsch verstandene Worte.“

Komplett ausgerastet

Ich rastete komplett aus. Ich weinte, ich lachte, ich überlegte, wer dieses Baby aufziehen würde, wenn ich Dave mit dem Plastikschlauch meiner Milchpumpe erdrosselte. Und um eins der berühmtesten Zitate unserer gesamten Ehe zu wiederholen: „Bei unserer Hochzeit hätte ich nie gedacht, dass ich dich einmal so sehr hassen könnte wie jetzt!“ Das war sicher nicht meine Sternstunde. Aber zu meinem Glück stecken Beziehungen voller Chancen für Gnade.

Selbst als das Baby anfing, durchzuschlafen (und wir auch), war ich ein Wrack. Ich liebte Jackson, aber ich hatte das Gefühl, keine richtige Bindung zu ihm zu haben. Ich hatte solche Angst, etwas falsch zu machen, dass ich mich nie entspannte. Ich war so darauf bedacht, den Haushalt zu erledigen und dafür zu sorgen, dass sein Strampler fleckenfrei blieb, dass ich es nie einfach nur genoss, eine junge Mutter zu sein. Ich glaube, ich hatte solche Angst, ihm gegenüber zu versagen, dass ich mir selbst gegenüber versagte.

Ich habe vergessen, wer ich bin

Weil ich so sehr darauf bedacht war, wie wir als Familie wirkten, hatte ich mir nie die Zeit genommen, eine Verbundenheit zu spüren. Und weil ich das Gefühl hatte, keine gute Mutter zu sein – die eine Sache, die man doch von Natur aus beherrschen sollte –, war ich mir sicher, restlos zu versagen. Im Rückblick erkenne ich, dass meine Wahrnehmung von Bildern aus dem Internet und aus Zeitschriften geprägt war. Ich verschwendete so viele Sorgen daran, irgendeinem Pinterest-Standard nicht zu entsprechen, dass ich komplett vergaß, wer ich eigentlich war.

Die einzig wahre To-do-Liste

Das hier ist wichtig für junge und werdende Mamas: Hör zu! Du brauchst nicht schon vorher alles geplant zu haben. Du brauchst auch nicht alles zu wissen. Die Handgriffe, die ein Neugeborenes am Leben erhalten, sind ziemlich simpel: füttern, kuscheln, liebhaben, feuchte Windeln wechseln, warmhalten, wieder kuscheln.

Die tägliche To-do-Liste einer frischgebackenen Mama sollte auf zwei Punkte zusammengestrichen werden:

1. Sich um das Baby kümmern.
2. Sich um sich selbst kümmern.

Peng. Ende.

Mist, du hast die Wäsche heute nicht gemacht? Guck auf deine Liste: Hast du dich um das Baby gekümmert? Ja. Hast du dich um dich selbst gekümmert? Auch ja. Na also, ich glaube, du hast die Mamasache drauf. Ich schätze, die Wäsche kann warten.

Wie bitte? Du bist traurig, weil du die Kilos von der Schwangerschaft noch nicht wieder runter hast? Nimm dir deine prima-praktische To-do-Liste mit den exakt zwei Punkten noch mal zur Hand. Lebt das Baby noch? Super. Was ist mit dir – atmest du noch ein und aus? Na dann – es klingt, als seist du die beste Mama überhaupt. Mach weiter!

Keine Angst vor dem Versagen

Pinterest ist klasse, und das Kinderzimmer in perfekt aufeinander abgestimmten Farben zu dekorieren, ist der halbe Spaß am Kinderkriegen. Durch Instagram surfen? Klar, ich sehe immer noch gern bei den ganzen schwangeren Insta-Frauen vorbei, immer auf der Suche nach tollen Outfits, die zur Kugel passen! Es ist gut, über den Tellerrand zu blicken, wenn wir unsicher sind, weil Neues anbricht – und selten sind wir so unsicher wie als junge Eltern. Aber lass mich dir eins sagen:

Der Gott, der Mond und Sterne und Berge und Meere geschaffen hat, glaubte, dass du und dein Baby zusammenkommen sollten. Das heißt nicht, dass ihr perfekt zusammenpasst. Das heißt nicht, dass du nicht auch Fehler machen wirst. Das heißt aber, dass du keine Angst vor dem Versagen haben brauchst, denn es ist unmöglich, in einer Aufgabe zu versagen, für die du geschaffen wurdest.

Du bist gut

Irgendwo denkt eine zynische Leserin gerade an all die Eltern, die dennoch versagen. Es gibt viele Mütter, die schlechte Entscheidungen treffen, die sich selbst oder ihren Kindern Verletzungen zufügen. Als frühere Pflegemutter weiß ich aus eigener Erfahrung, dass gerade jetzt in diesem Moment Säuglinge misshandelt und vernachlässigt werden, und selbst wenn ein heiliger Plan sie zu ihren Müttern brachte, ist es für sie vielleicht nicht das Beste, auch dort zu bleiben.

Aber über diese Mütter rede ich hier nicht. Ich spreche mit dir. Lass dich nicht von der Sorge zermürben, ob dein Kind einem festen Schlafrhythmus folgt, nur Bio-Gläschen isst oder schnell sitzen lernt. Ich spreche mit derjenigen, die all die Bücher und Artikel liest und sich überfordert fühlt bei der Frage, was denn das Richtige ist, wenn man doch so viele falsche Entscheidungen treffen kann. Allein, dass du dir so viele Gedanken machst, zeigt doch schon, dass du voll bei der Sache bist und das Beste erreichen willst. Das zeichnet die besten Eltern aus. Und der Rest regelt sich dann schon von allein.

Was mir geholfen hat:

1. Eine Clique finden. Suche dir eine Gruppe von Frauen, die wissen, was es bedeutet, eine junge Mutter zu sein. Solidarität ist eine große Kraft. Es tut gut, sich mit einer Frau zu unterhalten, deren Baby ihr auch aufs Shirt spuckt.
2. Mich von Pinterest fernhalten.
Aus Liebe zu allem, was mir heilig ist – niemand sollte nach einem großen Lebensereignis Zutritt zu Pinterest haben. Warum? Weil man entweder das Gefühl hat, etwas zu verpassen oder das eigene Leben, Kinderzimmer oder Gewicht dem anpassen zu müssen, was man im Internet sieht. Achte einmal darauf, was dir Angst macht und wodurch du an dir zweifelst. Wenn es die Sozialen Medien sind, tu deinem Herzen einen Gefallen und lege eine Pause ein. Ich verspreche dir, dass sie noch da sind, wenn du mehr Schlaf bekommst und emotional stabiler bist.
3. Aus dem Haus gehen.
Jeden. Tag. Wieder. Das Beste, was du für dich selbst, deine Gesundheit und dein Kind tun kannst, ist, den Ort des Verbrechens zu verlassen. Verabschiede dich für eine Weile von dem Ort mit dem Geschirr in der Spüle und dem überquellenden Windeleimer. Pack dein Kind in die Trage oder Karre und spaziere durchs Viertel. Steck dir Kopfhörer ins Ohr und höre Beyoncé oder Adele oder einen Podcast über Firmenethik. Tu, was nötig ist, damit du nicht vergisst, dass ein Leben außerhalb deines Nestes existiert und dass du immer noch dazugehörst.
4. Mit jemandem über meine Gefühle sprechen. Lügen lassen sich wirksam aufdecken, wenn wir sie vor jemandem laut aussprechen. Egal, ob du dir dafür deinen Mann, deine Freundin oder eine liebe Verwandte aussuchst: Zu erzählen, dass du zu kämpfen hast, kann dir die notwendige Unterstützung verschaffen, um all die Irrtümer aufzuklären, die dein Leben bestimmen.

Rachel Hollis ist die Gründerin der Website The-ChicSite und Geschäftsführerin von Chic Media. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt sie in Austin, Texas. Dieser Text ist ein Auszug aus ihrem Buch „Schmink’s dir ab. Lass die Lügen los und lebe“, das gerade bei SCM Hänssler erschienen ist.

Mutter mit zerbrochener Seele

Stefanie Bogner-Raab hat Paul (Name von der Redaktion geändert) als Pflegekind in ihre Familie aufgenommen. Seine Mutter hatte das Kind abgegeben. Weil sie sich nicht kümmern konnte. Weil sie gezwungen wurde, sich zu prostituieren. Und weil sie trotzdem stark und mutig war.

Mein Sohn kuschelt mit mir. „Du bist die beste Mama auf der Welt.” Ich streichle seinen Kopf und denke an seine leibliche Mutter. Sicher würde sie diese Worte auch gerne hören.

Paul ist unser Pflegesohn, eins von drei Pflegekindern, die wir aufgenommen haben. Er kam als Baby in unsere Familie. Zunächst waren mir die leiblichen Eltern der Pflegekinder nicht wichtig, aber nach und nach beschäftigte ich mich doch mit ihnen. Das Schicksal von Pauls Mutter berührte mich besonders, und ich empfand tiefes Mitleid und auch Verständnis für ihre Situation. Gott hat mir einen ganz anderen Blick auf Pauls leibliche Mutter geschenkt. Sie war nicht eine schwache Frau, die ihr Kind nicht erziehen konnte. Im Gegenteil, ich sehe nun ihre Stärke und auch ihre ausweglose Situation. Sie hat mit ihrer Entscheidung, Paul in eine Pflegefamilie zu geben, richtig gehandelt. Diese Entscheidung hat von ihr sehr viel Liebe, Kraft und Stärke erfordert.

Ein Brief an die Mutter

Weil mir ihr Schicksal nicht mehr aus dem Kopf ging, habe ich einen Text über sie geschrieben. Viele Fakten und Ereignisse in diesem Text sind wahr, andere könnten so passiert sein. Mit ihrer Geschichte möchte ich auf ein Schicksal hinweisen, das viele junge Frauen erleiden: Menschenhandel und Prostitution.

Wenn Paul alt genug ist, werde ich ihm diesen Text zeigen. Er soll wissen, dass seine leibliche Mutter ihn nicht einfach weggeben hat, sondern dass sie eine starke Frau voller Liebe war.

Aus einem armen Land

Liebe …,

Ich bewundere dich. Du konntest nichts dafür, dass du in einem Land geboren wurdest, in dem die Armut herrscht. Du hattest keine unbeschwerte Kindheit, musstest sehr früh mit anpacken. Die Kühe mussten versorgt werden, der Stall ausgemistet, die kleinen Geschwister geweckt und der Tisch gedeckt. Deine Eltern haben dich geliebt, aber sie waren einfache Menschen, die genauso früh lernen mussten, dass man hier nur mit harter Arbeit überleben kann.

Als du älter wurdest, hast du dich nach schönen Dingen gesehnt. Du wolltest gern ausgehen, das Leben genießen. Aus dem Fernsehen kanntest du diese wunderbaren Sachen, die man sich nur mit viel Geld kaufen kann. Mit 16 Jahren hast du dein Dorf, dein Leben gehasst. Du wolltest weg. Raus aus diesem einfachen, harten Leben.

Der Traum: Deutschland

Du trafst Alex, 9 Jahre älter als du. Er war nett, er hatte Geld und er kam aus Deutschland. Von Deutschland hattest du viel im Fernsehen gesehen und von Freunden gehört. „Es wäre ein Traum, dort zu leben“, dachtest du.

Du hast dich in Alex verliebt und er sich scheinbar auch in dich. Er hat dir Kleider und Schmuck geschenkt und dir schöne Geschichten über sein Leben in Deutschland erzählt. Von einem Au-Pair-Job berichtete er. Eine nette Familie suchte angeblich ein Mädchen wie dich. Konnte das wahr sein? Sollte der Traum tatsächlich Wirklichkeit werden?

Im Zimmer eingesperrt

Er wurde es – zunächst. Du hast deine Sachen gepackt, deine besorgte Familie hinter dir gelassen und bist mit Alex nach Deutschland gegangen. Kaum hier angekommen, änderte sich alles schlagartig. Alex war plötzlich nicht mehr nett. Dein Pass wurde dir weggenommen und du wurdest in einem Zimmer eingesperrt.

Ein älterer Mann erklärte dir, dass du nun für ihn arbeiten müsstest. Du hast erst gar nicht verstanden, was er von dir wollte, bis er sich auszog, dich aufs Bett presste und in dich eindrang. Du dachtest, du müsstest sterben. Tränen rollten über deine Wangen. In dir zerbrach etwas. Danach warst du ein anderer Mensch.

Ungewollt schwanger

Jeden Tag musstest du nun Männer an dich heranlassen und dabei noch sexy und freundlich sein. Dir wurde schnell klar: Ich kann nur überleben, wenn ich mitspiele. Also hast du deine zerbrochene Seele von deinem Körper gelöst. Du bist eine Prostituierte geworden, die ihrem Zuhälter viel Geld in die Taschen bringt. Mit 19 wurdest du ungewollt schwanger. Aber du hast nicht abgetrieben. Du hast dich für dein Kind entschieden. Wie mutig und liebevoll von dir!

Dein kleiner Junge kam zur Welt und du hast alles für ihn getan, was du nur konntest. Aber das Leben war hart. Du musstest weiter arbeiten, es gab keine Pause für dich und dein Baby. Deine Wohnung war kalt, keine Heizung, kein warmes Wasser. Dein kleiner Junge wurde krank und musste ins Krankenhaus. Dort hattest du das erste Mal Kontakt mit den Ämtern. Sie haben versucht zu helfen, aber es gab keinen wirklichen Ausweg für dich. Du hattest keinen Pass, warst in Deutschland nur geduldet, dein Zuhälter war mächtig, was solltest du tun? Du wolltest das Beste für dein Kind, und so hast du eine sehr schwere, aber ungeheuer tapfere und mutige Entscheidung getroffen: Du hast dein Kind einer Pflegefamilie anvertraut.

Trennung aus Liebe

Deine Seele ist wieder einmal zerbrochen. Was für ein Schmerz, sich von seinem eigenen Kind zu trennen! Unvorstellbar. Aber du hast es aus Liebe getan. Du warst dir sicher, dass es die richtige Entscheidung ist.

Nun sind fast zehn Jahre vergangen und du hast es geschafft: Du bist frei. Du hast dich entschieden zu kämpfen und hast den Kampf gewonnen. Keine Prostitution mehr, kein Zuhälter mehr. Mit fast 30 Jahren darfst du endlich leben. Es ist nicht leicht für dich. Du lebst unter dem Radar, aber alles ist besser als das Leben vorher.

Die gleichen braunen Augen

Du hast vor kurzem erfahren, dass es deinem kleinen Jungen gut geht. Er wird geliebt und entwickelt sich in der Pflegefamilie zu einem tollen Jungen. Und er hat die gleichen großen braunen Augen wie du. In ihnen kann man bis in die Seele blicken.

Deine Seele ist immer noch gebrochen, aber sie wohnt wieder in deinem Körper. Langsam, ganz langsam werden sich Narben über deine Risse bilden. Ich bewundere dich. Du lebst und gehst weiter. Du kämpfst.

Du bist eine starke Frau!

Deine Stefanie

Stefanie Bogner-Raab lebt mit ihrem Mann, drei Kindern, Hund und Katzen auf einem Hof im Münsterland. Wenn sie nicht liest oder schreibt, unterrichtet sie als Sprachtherapeutin freiberuflich Kinder und Jugendliche in Deutsch und Englisch.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Brotdosen

DAS GLÜCK AUS DER TUPPERDOSE

Katharina Hullen füllt den Liebestank ihrer Familie mit Pausenbroten.

Katharina: Liebe geht durch den Magen. Das gilt für den romantischen Eheabend mit feinem Essen ebenso wie für den rustikalen Sauerkrauteintopf oder die schnöden Nudeln mit Tomatensoße, wenn sie mittags zur Begrüßung als Lieblingsessen auf dem Tisch stehen. Ich habe entdeckt, dass ich den Liebestank einzelner Familienmitglieder mit Essenszubereitung füllen kann. Kommt eines der Mädchen früher von der Schule nach Hause als die anderen und steht auf seinem Platz ein verzierter Teller mit geschnittenem Obst, dann bin ich mit Sicherheit – für den Moment „die beste Mama der Welt!“ Eine andere freut sich in gleicher Weise, wenn sie ein warmer Kakao und ein Keks erwartet. Unser viertes Kind stürmt nach dem Kindergarten ins Haus und schreit gleich lautstark nach seinem Apfel, und Hauke nimmt mich viel lieber zur Begrüßung in den Arm, wenn wir ihm noch etwas vom Mittagessen übriggelassen haben.

Mit diesem Wissen über die Macht der liebevollen Essenszubereitung stehe ich jeden Morgen auf und schlurfe in die Küche, um fünf Brotdosen und ihre Nutzer startklar für den Tag zu machen. Sie sind niemals Kunstwerke und absolut gewöhnlich, aber ich bemühe mich, für jeden Einzelnen das Lieblingsbrot mit dem Lieblingsaufschnitt und dem Lieblingsobst liebevoll angeordnet unterzubringen. Wer einen langen Tag hat, bekommt noch einige Lieblingskekse dazu, und wer eine Arbeit schreibt, den obligatorischen Traubenzucker. Für meinen Mann gibt es noch einen großen Kaffeebecher und ein Frühstücksbrot. Tatsächlich spannen wir unsere Kinder im Vergleich zu ihren Freunden im Haushalt recht umfangreich ein. Und bei vielen Aufgaben denke ich auch, dass es nur richtig und wichtig ist, wenn jeder in der Lage ist, zumindest seine Dinge zu erledigen. Natürlich sind die Kinder in der Lage, sich ihre Dosen selbst zu füllen. Ich bräuchte es nur kundzutun, dass diese Regel ab morgen gilt. Aber irgendwie stehen die Brotdosen auf meiner Aufgabenliste! Sie sind wie kleine Zettel, die man im Mäppchen oder der Arbeitstasche der Lieben versteckt und auf denen „Ich denke an dich!“ steht.

So ist es nicht das gleiche, wenn Papa mal diesen „Dienst“ übernimmt. Er, der ohnehin morgens um jede halbe Minute im Bett feilscht, wirft in jede Snackbox irgendein Brot mit irgendeinem Aufschnitt und viertelt vielleicht noch einen Apfel, den er auf die Kinderdosen aufteilt. Fertig! „Warum machen die sich eigentlich nicht selbst die Dosen? Ich hatte früher gar keine Dose, wenn ich mir nicht selbst was mitgenommen habe. Hat mir nicht geschadet, bis mittags nichts zu essen!“, höre ich ihn grummeln, während er sich (weil er ja nicht so lange für die Zubereitung braucht) noch einmal fünf Minuten neben mich legt. Mmh, er tut mir ein bisschen leid. Vielleicht kaufe ich ihm ein Steak für heute Abend …

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

PAUSENBROTE FÜR PRINZESSINNEN

Hauke Hullen ärgert sich über die liebevoll zubereiteten Zwischenmahlzeiten seiner Frau.

Hauke: Da steht sie auf dem Küchentisch: die Brotdose, liebevoll gefüllt von der besten Ehefrau und Mutter von allen. Was da zwischen den Plastikdeckeln liegt, ist lecker, gesund und im höchsten Maße ärgerlich!

Ganz ehrlich: Warum können sich unsere Kinder ihre Schulbrote nicht selbst schmieren? Warum stehen wir in aller Herrgottsfrühe auf den kalten Küchenfliesen und legen Salami auf Brotscheiben – eine Tätigkeit, die unsere Kinder genauso gut beherrschen wie wir?

All das ist die Folge eines Prozesses, der einem Suchtverhalten ähnelt. Angefangen hat es damals mit einer ganz kleinen Dosis, der niedlichen Brotdose für den Kindergarten. Nur ein halbes Brot. Nur ein paar Gurkenscheibchen. Nur für die KiTa-Zeit und stets in dem festen Glauben, jederzeit aufhören zu können. Ich äußerte erste Bedenken: Unser Mädchen frühstückt doch schon zu Hause, bekommt im KiGa ein zweites Frühstück gestellt, ist zum Mittagessen auch schon wieder daheim, muss es da wirklich noch eine zusätzliche … – es musste.

Im Laufe der Zeit brauchte meine Frau mehr Stoff, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Inzwischen werden 5 Dosen gefüllt, Kathi experimentiert auch mit anderen Substanzen herum, immer auf der Suche nach dem nächsten Glücksgefühl.

Nun, ich will die Drogen-Metapher nicht zu sehr strapazieren, auch will ich nicht auf die schwierige Symbolik eingehen, die ein von der Frau angebotener Apfel in frommen Kreisen hat. Doch festzuhalten ist, dass unsere Mädels morgens auf dem Sofa herumlungern, während wir ihre Brote schmieren – da stimmt doch was nicht! Zugegeben: ich bin nicht der hilfsbereiteste Mensch, vor allem, wenn ich Arbeiten übernehmen soll, die der andere locker selbst erledigen könnte. Dass ich meinen Kindern nur ungern die Brotdosen fülle, mag kaltherzig klingen – aber ich mähe auch nicht den Rasen für meine Nachbarn, damit diese mehr Zeit fürs Fernsehgucken haben.

Als Lehrer erlebe ich immer wieder Eltern, die es nicht geschafft haben, sich abzunabeln. Vergessene Hefte, Mützen und Handys werden den kleinen Prinzen und Prinzessinnen hinterhergetragen und auch gerne mitten im Unterricht überreicht. Ja, Brotdosen selbstverständlich auch. So was gab es damals nicht, als ich zur Schule ging, quasi direkt nach dem Krieg. Ich wurde auch nicht einmal von meinen Eltern mit dem Auto abgeholt, inzwischen reicht jedoch leichter Nieselregen, und … ach, Sie können es sich denken.

Schweife ich ab? Nein, ich glaube nicht. Während ich morgens zur Schule fahre, fallen mir viele Beispiele ein, die das Überbehüten der Eltern und die Unselbstständigkeit der Kinder illustrieren. So gesehen ist die Brotdose kein Zeichen der Liebe, sondern eher eine Fußfessel in Lillifee-Optik. „Schlimm!“, denke ich, und nehme einen Schluck Kaffee aus meinem Thermobecher, den mir meine Frau, dieser Schatz, schnell noch zugesteckt hat.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Papa mit Drei-Tage-Bart: So sehen Kinder Gott

Was tun, wenn Kinder nach Gott fragen? Jugendpastor Bastian Erdmann klärt über Dos und Don’ts bei der religiösen Erziehung auf.

Warum ist es dir wichtig, dich mit Gottesvorstellungen auseinanderzusetzen?
Mir ist erst einmal wichtig wahrzunehmen, dass meine eigene Gottesvorstellung nicht vom Himmel gefallen ist und ich die auch nicht allein aus der Bibel gewonnen habe. Ich glaube, meine Vorstellung von Gott ist immer in meiner bestimmten Lebenswelt gewachsen. Das ist schon in der Bibel zu sehen: Ein Nomadenvolk kann mit dem Bild eines Hirten sehr viel anfangen. Ein Volk in Gefangenschaft wünscht sich einen starken Retter. In den Zeiten der Könige, wo es in Israel viel Unrecht gab, hat die Menschen die Vorstellung von Gott als einem guten Richter abgeholt. Wenn ich es auf einen Satz bringen sollte, würde ich sagen: Gott ist für mich dort, wo ich ihn brauche. Und er begegnet mir so, wie ich es jetzt zum Leben brauche.

Wie entwickelt sich das Gottesbild von Kindern? Und welchen Einfluss haben Eltern darauf?
Eltern sind die erste Projektionsfläche für die Gottesvorstellung der Kinder. Deshalb prägen sie ihr Gottesbild. Für Kleinkinder ist Gott so etwas wie der ideale Papa oder die ideale Mama – eine tröstende, lächelnde, erwachsene Bezugsperson. Eines unserer Kinder hat mal Gott gemalt und hat dafür mein Gesicht mit einem Dreitagebart gemalt. Damals war ich noch Gemeindepastor und habe mich nur im Urlaub nicht rasiert. Da steckte zwischen den Zeilen: Gott ist ein bisschen so wie Papa, wenn er Urlaub hat. Das hat mich sehr berührt. Nicht, dass ich Gott spielen wollte, aber ich habe dann doch sehr auf meine freien Tage geachtet.

Letztlich kommt es also viel mehr auf das an, wer ich bin, als auf das, was ich sage?
Ja. Bis zum Alter von 12 Jahren stellen Kinder sich Gott wie eine Person vor, die sie anfassen können, und sie malen ihn auch so. Bis in dieses Alter hinein ist es gar nicht so entscheidend, was ich sage, sondern was ich bin. Dass ich ihnen Begleiter bin und sie und ihre Fragen ernst nehme – das ist viel wichtiger, als die richtigen Antworten zu geben. Ab etwa 14 Jahren fangen Jugendliche an, in den so genannten theologischen Diskurs zu treten. Dann ändern sich auch die Gottesbilder noch mal, Symbole werden wichtig. Dann zeichnen sie Gott nicht mehr als Menschen, sondern vielleicht als Hand oder als Stütze oder als Licht.

Welche Aspekte von Gottes Wesen sind denn in welchem Alter wichtig?
Für ganz kleine Kinder ist es der freundliche und unterstützende Begleiter. Später ist es der starke Kämpfer an ihrer Seite. Irgendwann wird es auch der Gerechte, der immer ganz genau weiß, was richtig und was falsch ist.

Können Eltern das Gottesbild ihrer Kinder prägen?
Es ist unmöglich, es nicht zu prägen.

Ist es denn möglich, zu steuern, wie das Gottesbild der Kinder aussieht?
Ja schon und zwar, indem ich gucke: Was ist das Thema der Kinder jetzt gerade, was brauchen sie und welchen Zugang zu Gott kann ich ihnen anbieten? Es ist meine Aufgabe als Vater oder Mutter, meinen Kindern zu vermitteln: Was auch immer in deinem Leben passiert, es gibt einen Gott, der für dich ansprechbar ist. Das lernen sie dadurch, dass ich ihnen Gott erlebbar und erfahrbar mache.

Also würdest du immer eher vom Kind her denken?
Unbedingt! Ich kann das am besten an einem Beispiel aufzeigen. Im Kindergarten war eine Erzieherin, die den vier- und fünfjährigen Kindern Ostern erklären wollte. Und so hat sie den Kindern anhand eines Bilderbuches Jesu Sühnetod am Kreuz erklärt, mit kleinen Herzen, die schwarz waren und einer Blutsbrücke, über die dieses eine Herz rübermusste. Am Ende des Tages haben viele Kinder nicht gut schlafen können. Daraufhin habe ich mit der Erzieherin gesprochen und sie betonte, dass alles, was sie gesagt hatte, der Bibel gemäß sei. Aber ich habe ihr gesagt: „Ich möchte jetzt erst mal wissen, was die Kinder verstanden haben. Und wenn das, was die Kinder verstanden haben, bibelgemäß ist, dann bin ich ruhig. Aber wenn das, was die Kinder verstanden haben, nicht mit der Botschaft der Bibel übereinstimmt, dann müssen wir uns unterhalten.“ Das ist für mich das Entscheidende: Was kommt bei den Kindern an? Für Eltern bedeutet das, dass ich nicht überlege: Welches Gottesbild möchte ich vermitteln? Sondern: Welches Gottesbild haben die Kinder jetzt gerade nötig?

Was wäre für dich denn ein No-Go bei der Vermittlung von Gottesbildern?
Ein No-Go wäre für mich, ein Gottesbild zu fördern, das mir etwas bringt, aber nicht den Kindern. Also zum Beispiel Gott als Erziehungsverstärker zu nehmen. Wenn ich als Vater mit meinem Latein am Ende bin, dann den lieben Gott in den Zeugenstand zu rufen und zu sagen: „Gott sieht das und er ist traurig, wenn du mir nicht gehorchst.“

Wie sollten Eltern reagieren, wenn das Kind ein „merkwürdiges“ Gottesbild hat? Sollen sie es korrigieren oder es dem Kind lassen?
Eltern sollen ihr Kind fragen! Damit können sie nur gewinnen. Außerdem: Was ist überhaupt ein merkwürdiges Gottesbild? Ist ein merkwürdiges Gottesbild eines, das meinen Vorstellungen widerspricht? Jesus selbst hatte ein merkwürdiges Gottesbild. Zumindest fanden das viele fromme Menschen damals. Falsch ist ein Gottesbild dann, wenn es dem Leben im Weg steht und nicht guttut. Das kann passieren, wenn man fremde Bilder ungeachtet der eigenen Lage übernehmen will oder soll. Eltern haben manchmal das Gefühl, sie müssten das wahre biblische Gottesbild beschützen. Ich glaube, Gott kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.

Das Interview führte Christiane Henrich.

Sex im Netz: Das können Sie tun, wenn Ihr Kind plötzlich Pornos schaut

„Ich glaube, dass mein Sohn (8) Pornos auf seinem Handy schaut. Wie kann ich mit ihm darüber reden? Und wie kann ich ihm dabei helfen, die Bilder wieder aus dem Kopf zu bekommen?“

Diese Situation ist leider keine Seltenheit. Lehrer erzählen mir immer wieder von Grundschülern, die Pornofilme zu Hause auf dem Computer oder in den Pausen auf dem Handy schauen. Eltern berichten mir von der ständigen Angst, dass ihre Kinder bei Freunden oder allein im Internet mit Pornofilmen konfrontiert werden.

MEHR ALS NUR BILDER

Pornos haben einen negativen Einfluss auf Kinder. Es werden nicht nur, wie Sie schreiben, Bilder in ihre Köpfe geschleust. Auch ihr Verhalten leidet darunter: Die Einstellung zu Beziehungen und der Sprachgebrauch unter Kindern zeigt weniger Respekt denn je. Mädchen werden mit Wörtern beschrieben, die man hier nicht nennen kann. Von einem Psychologen aus Oslo, der mit minderjährigen Sexualverbrechern arbeitet, weiß ich, wie sehr seine Patienten besonders von Pornofilmen beeinflusst wurden.

REDEN SIE ÜBER SEX!

Zwei Dinge sollten Eltern tun. Erstens: Versuchen Sie, die Ersten zu sein, die ihr Kind auf das Thema vorbereiten. Erzählen Sie ihm, wie Sex funktioniert und wie schön er ist. Erzählen Sie von der Ehe als Geschenk und von dem Segen, der davon ausgeht.

BEREITEN SIE IHR KIND AUF DAS INTERNET VOR!

Zweitens: Bereiten Sie die Kinder auf das Angebot im Internet vor. Manchmal sind Eltern besorgt, dass sie ihre Kinder dadurch womöglich erst auf die Idee bringen, Pornos im Internet zu schauen. Informationen, Filme und Bilder sind heute jedoch überall zugänglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann auch Ihr Kind davon etwas mitkriegt.

NOCH VOR DER SCHULE AUFKLÄREN

Meiner Erfahrung nach sollten Eltern diese Gesprächsbrücke allerspätestens vor dem Schulanfang gebaut haben. Der erste Gedanke, der über eine Sache mitgeteilt wird – dazu noch von den Menschen, die den Kindern im Leben am meisten bedeuten –, ist immer die stärkste Grundlage. Von dieser Grundlage aus werden die Kinder neue Eindrücke verarbeiten. Wenn sie in eine entsprechende Situation geraten, werden Sie die erste Bezugsperson sein.

FRAGEN SIE IHR KIND!

Bei unseren eigenen Kindern benutzen wir oft Rollenspiele und Situationsbeschreibungen, um mit ihnen über dieses Thema ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel: „Wenn ein Freund dir einen Film mit nackten Menschen zeigt, was würdest du tun?“ Oder: „Ist es dir schon einmal passiert, dass du etwas im Internet gesehen hast, was dir schlechte Dinge vermittelt hat?” Seien Sie nicht zimperlich beim Werte-Vermitteln. Ihr Kind liebt Sie und wird die Werte in seinen Entscheidungen berücksichtigen.

DIE HARDDISK DER GEDANKEN FÄRBEN

Was ist mit Kindern, die schon Pornofilme gesehen haben? Hier denke ich, dass man diese Filme als schlechte Beispiele besprechen kann. Pornos sind eine unechte Präsentation der Wahrheit. Wir sind für etwas viel Besseres von Gott gebaut worden. Leider ist es sehr schwer, Bilder von der Harddisk der Gedanken zu löschen. Aber man kann sie färben.

Chris Duwe lebt mit seiner Familie auf einem kleinen Bauernhof nördlich von Oslo und arbeitet bei „Jugend mit einer Mission“.

Fortnite: Bastelspaß oder Killerspiel – Wie gefährlich ist das Game für Kinder?

„Unser Sohn (13) spielt mit Begeisterung Fortnite. Ist das Spiel für sein Alter schon geeignet?“ Eine Medienpädagogin gibt wertvolle Tipps.

Das Spiel Fortnite ist bei vielen Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Aufgrund der kindlich anmutenden Comic-Grafik wirkt das digitale Spiel auf den ersten Blick vergleichsweise unbedenklich. Eltern sollten jedoch genau hinschauen, da die Inhalte insbesondere für jüngere Kinder ungeeignet sind.

TÖTEN UM ZU ÜBERLEBEN

Fortnite umfasst aktuell drei Spielvarianten. In der kostenpflichtigen Variante „Save the World“ muss mit anderen Spielern ein Fort (eine Festung) aufgebaut werden, um die letzten menschlichen Überlebenden vor Zombies zu schützen. Weitaus populärer ist jedoch die kostenlose Online-Variante „Fortnite Battle Royale”. Anfangs wird man mit 99 anderen Spielern über einer einsamen Insel abgeworfen. Auf dieser gilt es nun Waffen und Ressourcen zu finden, um möglichst lange zu überleben. Die Spielenden müssen sich gegenseitig töten und der letzte Überlebende gewinnt die Runde.

NEUER KREATIVMODUS

Waffengewalt ist die einzige Handlungsoption, Fortnite enthält jedoch keine detailreichen Gewaltszenen. Im Spiel selbst fließt kein Blut und es gibt keine Leichen. Seit kurzem gibt es Fortnite in einer dritten Spielvariante, dem Kreativmodus. Hierbei steht das Bauen im Vordergrund und die Spielenden müssen nicht miteinander kämpfen.

ALTERSFREIGABEN

Die offizielle USK-Altersfreigabe für den Modus „Save the World“ und „Battle Royale“ liegt bei zwölf Jahren und bezieht sich nur auf die Inhalte des Spiels. Nicht berücksichtigt sind Kommunikationsrisiken über den In-Game-Sprachchat. Bei Fortnite Battle Royale wird das Geschehen von Kämpfen mit Waffengewalt bestimmt. Die Spielhandlungen sind allerdings in ein fiktives Comic-Setting eingebettet, welches eine Distanz zur Realität ermöglicht.

ACHTUNG BEI SENSIBLEN KINDERN

In der Regel verfügen Jugendliche ab 14 Jahren über eine gewisse Medienerfahrung und das notwendige Reflexionsvermögen, um das Geschehen ohne nachhaltige Beeinträchtigung einordnen zu können. Für sensible Gemüter können die Hektik und der spannende Wettkampfcharakter im konstanten Bedrohungsszenario überfordernd wirken. Hier könnte der neue Kreativmodus eine geeignete Alternative sein. Letztendlich obliegt es Ihnen, sich ein Bild von den verschiedenen Spielmodi zu machen, eine Haltung dazu einzunehmen, um dann zu entscheiden, ab wann welcher Spielmodus für Ihr Kind geeignet ist.

MACHEN SIE SICH SELBST EIN BILD!

Tipp: Zeigen Sie Interesse und informieren Sie sich genau über das Thema digitale Spiele. Vereinbaren Sie gemeinsame Regeln zu Spielzeiten und In-App-Käufen. Auf klicksafe.de finden Sie dazu vielfältige Informationen und Tipps. Gemeinsame Medienerlebnisse ermöglichen eine vertrauensvolle Basis zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Suchen Sie daher das Gespräch und begegnen Sie diesem Hobby mit einer unvoreingenommenen Haltung. Durch gemeinsame Spielerlebnisse können Sie mitreden, die Faszination nachvollziehen und eher erkennen, ob ein bestimmtes Spiel für Ihr Kind geeignet ist.

Deborah Woldemichael ist Medienpädagogin und leitet die EU-Initiative „klicksafe“.

„Mein Kind will nicht in die Kita“ – Diese Fragen sollten Sie unbedingt stellen

„Meine Tochter (5) ist immer gern in den Kindergarten gegangen. Aber nun weigert sie sich, sich morgens fertig zu machen. Was kann ich tun?“

Erst einmal ist es erfreulich, dass Ihre Tochter bisher immer gern in den Kindergarten gegangen ist. Das spricht dafür, dass sie sich dort grundsätzlich wohlfühlt. Nun gilt es herauszufinden, ob es Veränderungen gab, die ihre plötzliche Verweigerung erklären könnten. Gab es eventuell einen Personalwechsel? Treten Konflikte zwischen Ihrer Tochter und anderen Kindern auf? Gibt es Veränderungen im Tagesablauf oder in der Gruppenzusammensetzung? Am besten sprechen Sie darüber offen mit den Erzieherinnen und mit Ihrer Tochter.

FRAGEN SIE UNAUFFÄLLIG NACH

Suchen Sie einen ruhigen Zeitpunkt, an dem Sie es sich mit Ihrer Tochter gemütlich machen und sie behutsam fragen, warum sie auf einmal nicht mehr gern in den Kindergarten gehen mag. Wenn Ihre Tochter nicht antworten möchte oder den Grund selbst nicht benennen kann, kann es helfen, Beispiele zu nennen, etwa: „Manchmal kommt es vor, dass Kinder nicht mehr gern zum Kindergarten gehen, weil jemand sie ärgert oder weil sich etwas verändert hat, zum Beispiel bei den Erzieherinnen. Kennst du so etwas?“ Sie können auch immer mal wieder unauffällig Fragen stellen wie „Mit wem hast du denn heute gespielt?“ oder „Welche Erzieherinnen waren heute da?“ oder „War alles gut oder gab es heute Streit oder war jemand gemein?“.

BEARBEITEN SIE TRENNUNGSÄNGSTE

Nicht selten entstehen phasenweise Trennungsängste, die den Abschied erschweren. Überlegen Sie, wenn sich kein anderer Grund finden lässt, gemeinsam mit Ihrer Tochter, was ihr helfen könnte – vielleicht ein Kuscheltier-Begleiter oder etwas, das sie an Mama erinnert (zum Beispiel ein Tuch oder ein Mut-Stein)? Tolle Tipps dazu gibt es auch in dem Buch „Fremdeln-Klammern-Trennungsangst“ von Elizabeth Pantley.

SPRECHEN SIE OFFEN ÜBER SEXUALITÄT UND GEWALT

Obwohl es ein schwieriges Thema ist, sollte man immer wachsam sein in Bezug auf mögliche sexuelle oder aggressive Übergriffe, die auch Grund dafür sein können, dass ein Kind plötzlich nicht mehr in den Kindergarten gehen möchte. Achten Sie sehr genau auf mögliche Verletzungen und fragen Sie vorsichtig: „Manchmal möchten Kinder auch nicht mehr zum Kindergarten, weil dort jemand etwas machen will, das sie nicht wollen. Zum Beispiel irgendwo anfassen, weh tun oder Fotos machen. Hast du das schon mal erlebt?“ Auch Kinderbücher helfen, über dieses Thema ins Gespräch zu kommen und Kinder grundsätzlich zu stärken (Mein Tipp: „Mein Körper gehört mir“ von Dagmar Geisler). Bei Unsicherheiten berät auch unverbindlich und kostenlos der Kinderschutzbund.

HOSPITIEREN SIE IN IHREM KINDERGARTEN

Sollten Sie auf diesem Weg nicht weiterkommen, wäre eine weitere Option, mal einen Tag im Kindergarten zu hospitieren. Sprechen Sie das vorher mit dem Kindergarten ab, mit der Begründung, herausfinden zu wollen, wie Sie Ihrer Tochter helfen können, sich wieder wohler zu fühlen. Erklären Sie Ihrer Tochter, dass Sie heute mal ausnahmsweise zu Besuch kommen dürfen, damit Sie nicht erwartet, dass das nun immer so läuft.

Melanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin, Mutter von zwei Kindern und als freie Autorin und Elternberaterin auf elternleben.de und neuewege.me unterwegs. Illustration: Sabrina Müller

Emotionale Affäre: Verliebt in einen anderen – wie diese Frau doch noch ihre Ehe rettete

„Auf einmal war da ein klopfendes Herz“, erinnert sich Lisa* an den Tag, an dem sie sich in einen Fremden verliebte. Ganz ohne Ehekrise, einfach so.

Es ist über zehn Jahre her, und ich bin nicht stolz darauf. Ich war für eine Studienreise im Ausland: ein anderes Land, eine andere Kultur, andere Sitten und andere Bedrohungen. Wir hatten einen Reiseleiter, der uns das Land und die Leute zeigte und der sich als Deutscher sicher in der für mich fremden Umgebung bewegte. Ich fühlte mich unsicher in der fremden Welt – er gab mir die Sicherheit, die ich brauchte, um mich wohl zu fühlen und das Abenteuer des anderen Landes auch zu genießen. Ich lernte das Land lieben. Und ich fing an den Mann zu lieben, der mir den Zugang zu diesem Land zeigte.

Zu Hause in Deutschland waren zur gleichen Zeit mein Mann und meine beiden Kinder ohne mich. Sie managten den Alltag für mich, vermissten mich und nahmen alle Kraft zusammen, mir diese Erfahrung zu ermöglichen. Ich sage ja, ich bin nicht stolz darauf, was ich tat und empfand.

DIE LINIE DER TREUE ÜBERTRETEN

Aber diese Studienreise hatte ein Nachspiel: E-Mails. Durch diese E-Mails stellten der Mann aus der Ferne (der nicht meiner war) und ich fest, dass wir beide ähnliche Gefühle füreinander hegten. Das brachte meine Emotionen vollends zur Explosion. Spätestens hier übertrat ich die Linie der Treue. Ich schrieb Worte, die ich nicht hätte schreiben sollen. Ich las seine Worte der Bewunderung für mich und sog sie in mich auf. Dieser Mann schien mich als Mensch und Frau mehr wertzuschätzen und zu sehen als jeder andere. Das tat so gut, und ich wollte mehr davon. Ich fühlte mich auf einmal lebendig. Meine Gefühle schwemmten meinen Verstand in einer rasenden Flut davon. Ich hatte es mehr und mehr zugelassen. Aber nun fühlte ich mich unfähig, diese Flut zu stoppen.

EINFACH DURCHBRENNEN?

Der Mann fragte mich per E-Mail, was unsere Gefühle nun bedeuten würden und was ich bereit war zu tun oder zu lassen. Das war eine faire Frage. Würde ich meine Familie verlassen? Was war ich bereit für diese Beziehung aufzugeben? Gott sei Dank ernüchterte mich diese Frage. Es hatte schon Momente gegeben, da hatte ich die Flugkosten recherchiert und mir vorgestellt und geträumt, einfach durchzubrennen und ein anderes Leben in einem anderen Land an der Seite eines anderen Mannes zu führen.

Ich bin im Rückblick dankbar, dass dieser Mann einen Flug weit entfernt wohnte und nicht nur eine Autofahrt. Ich weiß nicht, wie stark ich gewesen wäre, wenn ich nur hätte hinfahren brauchen, um den Traum, den ich heimlich hegte, real werden zu lassen, und meine Kinder und meinen Mann in einen Alptraum zu stürzen.

Mit dieser Frage erwachte ich. Ich wollte nicht, dass meine Kinder ohne mich aufwachsen. Und ich wollte meinen Mann nicht verletzen. Trotzdem rang ich in den nächsten Wochen mit den Gefühlen, die ich selbst so heiß gekocht hatte, dass ich sie nicht abstellen konnte. Ich weinte um meinen Traum. Es schmerzte, ihn loszulassen. Ich entschied mit dem Kopf, mein Herz würde folgen, so hieß es in Ratgebern. Es dauerte Monate. Intensive Scham wechselte sich ab mit der Versuchung, die Worte, die mir Wert und Bedeutung gegeben hatten, in meinem Herzen zu tragen und mich daran zu erwärmen.

BEDÜRFNISSE STILLEN

Wie hatte dieser Mann mein Herz erobern können? Mein Mann und ich waren nicht in einer Krise gewesen. Wir hatten eine Ehe wie viele andere. Es war alles okay. Aber nach einigen Jahren habe ich das Gute nicht mehr gesehen. Die Herausforderungen und Erwartungen aber wurden größer. Der Alltag schlich sich ein, die Wertschätzung meines Mannes war nicht mehr so reich wie am Anfang unserer Ehe – oder ich nahm sie nicht mehr so wahr. Die Unterschiedlichkeiten waren nicht mehr reizvoll, sondern aufreibend. An das Gute hatte ich mich gewöhnt. Die Lücken in meinem Selbstwertgefühl hat mein Mann nicht (mehr) gefüllt. Und es gab Dinge, die ich mir wünschte, die einfach nicht in seinen Möglichkeiten standen. Mit all diesen Aspekten hatte ich zu dieser Zeit keinen Frieden gefunden. Und da kam ein anderer und füllte mir all diese Bedürfnisse: Wertschätzung, Bewunderung und das Abenteuer, das mir im Alltag fehlte.

Ich merkte damals, dass ich die Krise in mir nicht alleine in den Griff bekam. Und so habe ich mir eine Beraterin gesucht. Ein Prozess des Aufarbeitens begann. Wichtig war für mich, als die Beraterin sagte, dass all meine Bedürfnisse, die eine Rolle für meine Gefühle gespielt hatten, echt und gut seien; der Knackpunkt war aber, dass ich für die Erfüllung der Bedürfnisse keinen anderen Mann brauchte. Ich hatte tatsächlich gedacht, meine Bedürfnisse seien das Problem. Und wenn ich den anderen Mann aus meinem Leben bannte, müsste ich für immer auf die Erfüllung verzichten. Aber ich habe gelernt, dass ich diese Bedürfnisse auch selbst in die Hand nehmen kann.

Und auch für mein Selbstwertgefühl bin ich verantwortlich. Letztlich ist mein Selbstwert in Gottes Hand, weder meinem Mann noch einem anderen sollte ich meinen Wert in die Hand legen. Es war ein guter Anfang, das zu verstehen. Auch für meine Sehnsucht nach Abenteuer oder Abwechslung bin ich selbst verantwortlich. Dieses Bedürfnis hatte ich vorher gar nicht so wahrgenommen. Ich musste Wege finden, diese Bedürfnisse, die ich in mir entdeckt hatte, ernst zu nehmen, aber andere Lösungen zu finden, um sie zu stillen. Ich musste mir selbst vergeben und wieder mit mir ins Reine kommen. Und natürlich war es nötig, alles mit meinem Mann aufzuarbeiten.

„Ich habe gelernt, für meine Bedürfnisse selbst zu sorgen.“

VERGEBUNG UND NEUANFANG

Ich bin dankbar, dass mein Mann bereit war, mir zu vergeben. Er hat sich getraut, mir wieder zu vertrauen. Wir haben einen Weg aus der Krise gefunden und an unserer Ehe gearbeitet. Wir akzeptieren heute im Großen und Ganzen die Schwächen und die Stärken des anderen. Wir können unsere Unterschiedlichkeit besprechen und sehen sie meist nicht als bedrohlich, sondern als bereichernd. Es war ein langer Weg, der noch durch mehr Herausforderungen führte. Heute genießen wir eine stabile und glückliche Ehe. Das ist nicht selbstverständlich.

Außerdem habe ich gelernt (und bin noch dabei), für meine Bedürfnisse selbst zu sorgen. Manchmal gelingt es mir zum Beispiel, ein Abenteuer in mein Leben einzubauen, etwas Neues auszuprobieren und etwas zu wagen, was ich noch nie gemacht habe. Das ist wichtig für mich, und ich nehme mir die Energie, die ich brauche, um es umzusetzen. Manchmal habe ich aber auch einfach Frieden über einem ganz normalen Familienalltag und komme auch gut ohne weitere Abenteuer aus.

Was andere Männer anbetrifft, bin ich mehr auf der Hut: Wenn ich zum Beispiel ein warmes Kompliment von einem anderen Mann bekomme, gehe ich anders damit um. Ich freue mich, und das darf ich auch. Aber ich lasse es nicht nachhallen oder hänge meinen Wert daran. Ich versuche auch nicht den Kontakt zu intensivieren, um mehr davon zu bekommen. Letztlich weiß ich, dass kein Mann alle meine Bedürfnisse (für die ich sowieso selbst verantwortlich bin) stillen würde, selbst wenn einer mal reizvoll erscheint. Dann hat er Lücken eben woanders. Es hilft, das mit dem Verstand zu wissen.

„Ich kann sagen, dass ich meine Gefühle im Griff habe, solange sie noch tröpfeln.“

GEFÜHLE IM GRIFF

Ich weiß heute auch, dass ich meine Gefühle kontrollieren kann und dass es am einfachsten ist, wenn ich Gefühle für andere gleich im Keim in Angriff nehme. Ob ich heute gegen die Flut besser ankommen würde, kann ich nicht mal sagen. Aber ich kann sagen, dass ich meine Gefühle im Griff habe, solange sie noch tröpfeln. Und ich lasse sie nicht zum Strom werden.

Es gibt dazu eine indianische Geschichte: Ein alter Cherokee-Indianer unterhielt sich mit seinem Enkel. „Großvater“, fragte der Junge, „sind wir Menschen gut oder böse?“ – „Das kommt darauf an“, erwiderte der alte Mann. „Jeder von uns beherbergt zwei Wölfe in seinem Herzen. Der eine ist der Wolf der Gier und des Hasses. Der andere ist der Wolf der Liebe und des Mitgefühls.“ – „Und welcher Wolf ist stärker?“, wollte der Junge nun wissen. „Der, den du fütterst“, sagte der Großvater.

Derartige emotionale Entgleisungen sind mir nicht wieder passiert. Denn ich füttere den bösen Wolf nicht mehr.

*Die Autorin möchte anonym bleiben.

 

Mein Kind isst nicht: 6 Appetitanreger

Haben die Kids keinen Hunger, verzweifeln die Eltern. Diese sechs Tipps helfen, die Situation gelassen zu meistern.

Wenn Kinder vermeintlich schlecht essen, sind Eltern schnell in Sorge und das ist nur allzu verständlich. Schließlich ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig für die kindliche Entwicklung. Dazu kommt, dass wir, anders als viele Elterngenerationen vor uns, viel genauer wissen, wie wir uns gesund ernähren und was wir lieber vermeiden sollten. Dass sich die Empfehlungen zu gesundem Essen jedoch schneller ändern als die Wettervorhersage für die Nordseeküste und sich verschiedene Experten zudem noch ständig widersprechen, macht es nicht einfacher.

1. FÖRDERE SPASS

Deswegen empfehle ich, sich beim Thema Essen nicht zu sehr von Nahrungsempfehlungen leiten zu lassen, sondern stärker dem Gedanken Raum zu geben, dass Ernährung Spaß machen sollte. Der Leitsatz, dass gemeinsame Mahlzeiten in der Familie mehr sind als bloße Nahrungsaufnahme, sollte mehr wiegen als der Wunsch, die Kinder ausgewogen und gesund zu ernähren. Langfristig ist es nämlich viel sinnvoller, den Familientisch zum Ort für Nähe und Begegnung zu machen, an dem sich jeder wohlfühlen darf. Nahrungsaufnahme mit positiven Gefühlen zu besetzen, macht es wahrscheinlicher, dass Kinder ein gutes Verhältnis zum Essen entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass für jedes Familienmitglied mindestens eine Sache auf dem Tisch steht, die es gern isst.

2. VERMEIDE ZWANG

Auch Zwang sollte man beim Essen vermeiden. Kinder ändern ihr Essverhalten nicht, wenn sie gezwungen werden, Nahrungsmittel zu essen oder zu probieren, gegen die sie eine Abneigung haben. Im Gegenteil – langfristig kann dies problematisches Essverhalten eher verstärken. Dass Kinder neue Sachen oft nicht gern probieren, hatte über weite Teile der Menschheitsgeschichte durchaus Sinn. Ein kleines Kind, das in der Zeit der Jäger und Sammler neugierig jede Grünpflanze am Wegesrand abgerupft und verzehrt hätte, wäre schnell Gefahr gelaufen, sich zu vergiften. Kleinen Menschenkindern wurde also mit dem Hang zum mäkeligen Essen ein wertvoller Schutzschild mit auf den Weg gegeben, den sie auch heute noch mit sich herumtragen – auch wenn uns das mittlerweile mehr störend als nützlich erscheint.

Umso wichtiger ist es, dass die Kinder sehen, was wir essen. Die Chance, dass sie neugierig auf neue Speisen sind, steigt, wenn sie merken, dass Eltern oder größere Geschwister selbst gern davon nehmen. Allerdings sollte man keine Wunder erwarten – denn nicht immer ist die Abneigung gegen bestimmte Speisen nur genetisch programmiert. Es kann genausogut sein, dass ein Kind eine bestimmte Konsistenz von Essen nicht mag oder etwas geschmacklich schlicht ablehnt. Einiges ändert sich dann vielleicht im Verlauf der Kindheit noch, anderes wird womöglich bestehen bleiben, so wie bei uns Erwachsenen auch.

3. ACHTE AUF SNACKS

Wenn ein Kind nach Meinung der Eltern zu wenig oder zu selektiv isst, dann ist es gut, dieses Verhalten zunächst über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Mindestens drei Wochen lang können Eltern sich aufschreiben, was das Kind wann isst. Ganz wichtig ist hierbei auch zu beachten, was die Kleinen zwischen den eigentlichen Mahlzeiten essen. Oft verlieren Eltern nämlich aus den Augen, dass Kinder ziemlich viel snacken. Der Apfel auf dem Spielplatz, das Brötchen auf dem Heimweg vom Kindergarten und die Schokolade bei Oma geraten schnell in Vergessenheit, lassen aber, wenn berücksichtigt, die tägliche Nahrungsaufnahme in einem ganz anderen Licht erscheinen. Oft ist das, was uns als zu wenig oder zu einseitig erscheint, dann schon gar nicht mehr so schlimm.

4. SEI GEDULDIG

Doch selbst wenn Eltern am Ende einer solchen Beobachtungsphase feststellen, dass ihr Kind tatsächlich eher wenig und einseitig isst, ist dies nicht sofort Grund zur Panik. Zumindest dann nicht, wenn ihr Kind ansonsten gesund und munter ist. Langzeitstudien haben gezeigt, dass auch Kinder, die sehr selektiv essen, dadurch nicht automatisch Schaden nehmen. Das liegt vor allem daran, dass der kindliche Körper sehr schlau eingerichtet ist. Irgendwann wünscht er sich nämlich bestimmte Nährstoffe, von denen er bisher zu wenig hatte, und die Kinder entwickeln Appetit auf neue Speisen und wollen, nachdem sie monatelang nur Wurstbrot gegessen haben, auf einmal haufenweise Bananen. Sie dürfen in diesem Fall ruhig auf Ihr Kind vertrauen – und darauf, dass unser Schöpfer es mit dem einen oder anderen Vorsorgeprogramm ausgestattet hat, das seit jeher dafür sorgt, dass wir Menschen überlebt haben.

5. ACHTE AUF MÜDIGKEIT

Wenn Eltern dennoch etwas am Essverhalten ihrer Kinder ändern wollen, ist es gut, sich zuerst die Rahmenbedingungen anzuschauen. Manchmal ist nämlich gar nicht das angebotene Essen das Problem, sondern der Tagesablauf. Besonders kleine Kinder können mittags nach dem Kindergarten oder abends, am Ende eines langen Tages, schlicht zu müde sein, um mit Freude an den gemeinsamen Mahlzeiten teilzunehmen. Manchmal müssen Eltern dann ihren Tag eine Weile eher unkonventionell gestalten – und beispielsweise die Hauptmahlzeit in den späteren Nachmittag schieben oder das Zeitfenster fürs Frühstück verlängern.

6. DURCHBRECHE ROUTINEN

Auf jeden Fall sollten Eltern auf dem Weg zu einer Veränderung Machtkämpfe vermeiden. Damit ist niemandem geholfen. Wenn man selbst merkt, dass man angesichts einer schwierigen Lage dabei ist, sein Vertrauen und seine Gelassenheit beim Thema Essen zu verlieren, sollte man eher versuchen, einmal die tägliche Routine zu durchbrechen. Wie wäre es statt eines Essens am Familientisch mit einem Picknick oder ausnahmsweise einmal mit Käsestangen und Gürkchen auf dem Sofa? Veränderte Umstände bringen oft eine gewisse Euphorie mit sich und sorgen dafür, dass auch neue Nahrungsmittel interessant werden oder zumindest schwierige Kreisläufe durchbrochen werden können.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin. Sie lebt mit Ihrem Mann und drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.

Aua, mein Kind zahnt! – So helfen Sie Ihrem kleinen Liebling

„Mein Sohn (17 Monate) bekommt seine ersten Backenzähne und hat solche Schmerzen, dass er seit Tagen nicht mehr richtig essen und trinken will. Wie kann ich ihm helfen?“

Zähne zu bekommen, kann für Kinder eine Tortur sein. Während die ersten spitzen Mausezähnchen oft noch unerwartet durchbrechen, kommen Backenzähne häufig mit Krawall. Verständlich, wenn man sich den stumpfen Zahn vorstellt, der sich durch das Zahnfleisch schiebt.

Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres handelt es sich um eine Art Dauerzustand. Das Zahnfleisch schwillt an, häufig auch die Wange. Die starken Schmerzen, die Sie bei Ihrem Kind wahrnehmen, sind regelrecht zu sehen, wenn rot-leuchtende Wangen mit erhöhter Temperatur und Infektanfälligkeit einhergehen. Als Elternteil stehen Sie daneben, würden es Ihrem Kind so gern abnehmen, wenigstens leichter machen. Aber wie?

STEHEN SIE IHREM KIND BEI!

Grundsätzlich ist es wichtig, dass Sie diese Zeit mit ihrem Kind gemeinsam durchstehen. Es isst und trinkt nicht richtig, schläft gewiss schlecht. Das kann den Familienalltag belasten. Versuchen Sie, Sicherheit und Ruhe auszustrahlen, auch wenn Sie müde und ratlos sind. Emotionale Wärme und Geborgenheit trösten ungemein, während die eigene Unsicherheit sich eher überträgt und auch Mitleid dem leidenden Kind sicher nicht hilft.

Unterstützen Sie sich als Eltern gegenseitig, indem einer das Kind „übernimmt“ und der andere Kraft tankt. Sie können auch jemanden einspannen, der ausgeschlafen ist und Sie kurzzeitig entlastet. Auch Musik kann helfen: Mozart, Schlager oder eigenes Musizieren – was Ihrem Kind zusagt.

Die Symptome müssen ernstgenommen werden. Lassen Sie in der Kinderarztpraxis abklären, ob die Symptome vom Mittelohr, vom Verdauungstrakt oder tatsächlich vom Zahnungsprozess herrühren. Dort werden Sie auch hinsichtlich einer möglichen Schmerzmedikation beraten. In der Apotheke können Sie sich über Produkte wie betäubendes Zahngel oder homöopathische Kügelchen informieren.

ACHTEN SIE AUF GENÜGEND FLÜSSIGKEIT!

Seien Sie vorsichtig beim Knuddeln, beim Anziehen der Mütze und beim Zähneputzen. Manchen Kindern tut Kälte gut. Hier können der Beißring oder eine rohe, gekühlte Möhre Abhilfe schaffen (im Schlauchverband, um Verschlucken zu vermeiden). Andere Kinder nutzen die Situation, um das Nuckeln an Brust oder Flasche aufzugeben. Sie stellen Entlastung fest, wenn sie aus dem Becher trinken.

Bei aller Sorge um die Nahrungsaufnahme dürfen Sie wissen: Der Körper hat Reservefunktionen auch für Zeiten, wenn Ihr Kind mal schlechter isst. Flüssigkeit sollte in jedem Fall in ausreichendem Maß verabreicht werden. Damit das Trinken attraktiver wird, hilft es, dem Tee oder Wasser ein bisschen Apfelsaft zuzufügen, den Sie nach dem Zahnwechsel zügig wieder ausschleichen können. Neue oder andere Trinkgefäße, zum Beispiel aus einem Pinnchen, einer Kanne, aus Papas Tasse oder mit Strohhalm, können ein Kind auch zum Trinken animieren.

Die Buchautorin Irina Kostic ist Kinderkrankenschwester und Schulsozialarbeiterin. Sie lebt mit ihrem Ehemann und vier Kindern in Nordfriesland. irinakostic.de Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com