Eine pinke Winterjacke …

„Mein mittlerer Sohn (4) wünschst sich rosafarbene und glitzernde Playmobilfiguren aus dem ‚Feenwald‘ und eine pinke Winterjacke. Sollten wir das als Eltern unterstützen oder setzen wir ihn damit Mobbing aus?“

Wenn Jungs sich für Dinge interessieren, die in unserer Gesellschaft eher mit Mädchen in Verbindung gebracht werden, machen Eltern sich schnell Sorgen. Während Mädchen in solchen Fragen ein breiterer Rahmen zugestanden wird und beispielsweise kurze Haare, Interesse an Fußball oder Autos akzeptiert werden, sind die Grenzen für Jungs enger gesteckt. Meistens handelt es sich bei gesteigertem Interesse an Sachen, die eher das andere Geschlecht mag, jedoch nur um eine Phase. Nur in sehr seltenen Fällen ist das in diesem Alter schon ein Hinweis auf eine Transidentität, also eine Abweichung der Identität vom sichtbaren Geschlecht.

ES IST NUR EINE FARBE

Wichtig ist, dass Sie die Wünsche Ihres Kindes ernst nehmen und Ihren Sohn unterstützen. Im Grunde sind pink und rosa nichts anderes als Farben. Der Unterschied ist nur, dass diese Farben und die von Ihnen angesprochenen Spielsachen bei uns hauptsächlich Mädchen mögen. Das macht sie aber nicht automatisch zu Mädchenspielzeug oder -farben. Rosa zum Beispiel galt in einigen Epochen als Farbe für Jungs. Es war nämlich das kleine Rot, Farbe des Blutes und des Kampfes und stand für heranwachsende Männlichkeit. Die Vorlieben für Farben und Spielsachen haben also viel mit der Gesellschaft zu tun, in der Kinder aufwachsen. Deshalb können Sie auch davon ausgehen, dass die Vorlieben Ihres Sohnes sich in den nächsten Jahren von allein verändern werden. Er kommt gerade in eine Entwicklungsphase, in der er sich mehr und mehr als Junge wahrnehmen wird und zu Gruppen dazugehören möchte. Das wird sich irgendwann auch in seiner Kleiderwahl und seinen Vorlieben beim Spielen bemerkbar machen.

RÜCKHALT GEBEN

Bis dahin stehen Sie ihm zur Seite. Es kann sein, dass er im Kindergarten aufgrund seiner Vorlieben geärgert wird. Wichtig ist, dass Sie ihm dann nicht das Gefühl geben, an seiner Lage selbst schuld zu sein. Sätze wie: „Zieh halt eine andere Jacke an, dann lassen sie dich in Ruhe“ ändern nichts an seinen Vorlieben, sondern geben ihm das Gefühl, nicht richtig zu sein. Bestärken sie ihn in dem Gedanken, dass Farben und Spielsachen für alle da sind und er rosa tragen darf. Falls Sie dafür offen sind, kann es helfen, wenn der Papa mal mit einem pinken Hemd oder einem rosafarbenen Schal zur Kita kommt und so zeigt, dass auch erwachsene Männer solche Farben tragen. Holen Sie auch das Kitapersonal mit ins Boot, sodass solche Themen auch in der Gruppe oder beim Elternabend besprochen werden können, falls Probleme auftreten. Gerade beim Thema Mobbing ist es zudem leider so, dass Sie Ihr Kind nicht umfassend schützen können. Heute ist es vielleicht das glitzernde Einhorn, es könnte aber genauso etwas anderes sein. Es ist gut, wenn Kinder in solchen Fällen schon früh merken, dass sie unseren bedingungslosen Rückhalt haben. Ein liebevolles Zuhause, in dem Kinder gesehen und angenommen werden, bietet das beste Rüstzeug. Nur Mut!

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Elternund Familienberaterin. Sie lebt mit ihrer Familie bei Kassel und bloggt unter www.eltern-familie.de.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Ein Paar, zwei Perspektiven: Autofahren

MIT DEN SCHILDERLESEN HAT ER ES NICHT SO

Katharina hat als Beifahrerin alle Hände voll zu tun.

Katharina: Ja, wir kommen häufig zu spät. Einer der Gründe: Hauke verfährt sich regelmäßig. „Papa, wo fahren wir hin? Wir wollen doch zum Sport? Warum fährst du auf die Autobahn?“ Wir sind ständig unterwegs – wohin auch immer Hauke uns trägt. Meine Hauptaufgabe als Beifahrerin ist, immer hellwach zu sein und frühzeitig zu erkennen, dass wir mal wieder drohen, Richtung Süden zu fahren, obwohl die Reise nach Norden gehen soll. Denn merke ich es erst, kurz bevor es zu spät wäre, ist es bereits zu spät, denn mein Bester ist dann nicht mehr in der Lage, das „Ruder“ herumzureißen. Also drehen wir häufiger mal eine Extra-Runde auf der Autobahn, wenn Hauke seine Ausfahrt verpasst. Die A3 ist vermutlich nur deshalb so eine Dauerbaustelle, weil wir die Fahrbahnen so strapazieren.

Hauke will zum Training fahren und wird erst stutzig, wenn er vor dem Kindergarten steht. Er will zur Arbeit und wundert sich nach einer Weile über das fröhliche Gegluckse eines Kindergartenkindes von der Rückbank. Wieder einmal heißt es: „Bitte wenden!“

Unser Bus verfügt auch über eine Rückfahr-Kamera und viele Sensoren, es piept und blinkt überall laut und klar. Es ist mir ein Rätsel, aber mein Mann hat es in den letzten drei Jahren trotzdem geschafft, vier (!) große Parkschäden zu verursachen. Er räumt zwar ein, dass es schon irgendwie gepiept hat, aber er dachte, es wäre vorne gewesen, und da war ja alles frei! Oder er dachte, er hätte noch ein paar Zentimeter. Oder er hätte einfach die Warntöne gar nicht gehört. Die Wahrheit ist wohl: Die Einparkkompetenz sinkt im Alter – mit dem Verlust der Hörfähigkeit. Vor Kurzem wollte ich ihm daher bei schlechter Sicht durch Einweisen in eine enge Parklücke helfen. Ich konnte sein Gesicht im Rückspiegel sehen und winkte ihn langsam zu mir. Plötzlich rollte unser Ungetüm von Wagen mit Schmackes auf mich zu. Ich rief, winkte, boxte gegen den Kofferraum und konnte noch rechtzeitig beiseite springen, bevor der Bus zum Stehen kam, als er mit der Anhängerkupplung das Nummernschild des Autos hinter uns touchierte. Hauke behauptet beharrlich, er hätte mich nicht gesehen!

Natürlich ist mein Mann ein guter Autofahrer. Er fährt uns stets sicher ans Ziel. Wir brauchen halt nur Zeit und mit dem Schilderlesen hat er es auch manchmal nicht so. So hat er bereits zweimal den Führerschein abgeben müssen, weil er zu schnell war. Natürlich: es war beide Male ein Sonntag auf einer 4-spurigen, leeren Autobahn, bei herrlichem Sonnenschein. Trotzdem ist man mit 170 km/h einfach zu schnell, wenn nur 100 km/h erlaubt sind.

Ja, ich sammle auch meine Knöllchen in den 30er Zonen unserer Stadt und die erste Beule in unserem Bus habe auch ich verursacht, weil eine Sturm-Böe die Tür an der Tankstelle gegen einen Pfosten gerissen hat. Aber die Bilanz, wer von uns beiden besser fährt, ist angesichts aller Beobachtungen eindeutig: Frauen können besser einparken, kommen sicherer und vor allem direkter ans Ziel und sind einfach die besseren Autofahrer!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

ICH WIDME MICH GEISTIG ANSPRUCHSVOLLEREN THEMEN

Hauke muss sich von einem beliebten männlichen Klischee verabschieden.

Hauke: Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, es stimmt. Meine Frau fährt besser Auto als ich. Nach diesem Geständnis hat die Kolumne wahrscheinlich den größten Teil ihrer männlichen Leserschaft bereits verloren – warum sollte man(n) auch Zeit damit verschwenden, eine offenkundige Lügengeschichte weiter zu beachten, welche es wagt, das Alleinstellungsmerkmal des Mannes in Zweifel zu ziehen, nämlich die meisterhafte Beherrschung des Automobils? Denn wir wissen es doch alle: Frauen können nur zuhören, Männer hingegen einparken, Frauen und Technik … (lassen Sie beim Lesen hier bitte eine unheilvolle Pause), Frau am Steuer, das wird teuer … und so weiter und so fort.

Diese Macho-Matsche ließe sich noch beliebig fortsetzen. Doch was ist dran an der legendären Verschmelzung von Mann und Maschine? Bei der Beantwortung dieser Frage verlassen wir Männer uns natürlich nicht auf ein diffuses Bauchgefühl, sondern setzen auf knallharte Fakten. Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, es stimmt. Auch insgesamt fahren Frauen besser Auto als wir Männer.

So verunglücken in allen Altersgruppen im Straßenverkehr deutlich mehr Fahrer als Fahrerinnen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug: Wir sind auch meistens selbst schuld daran! Dieses Ergebnis bleibt auch dann bestehen, wenn man berücksichtigt, dass Männer rund zehn Prozent mehr Kilometer im Jahr zurücklegen. Woran liegt unser zerstörerisches Verhältnis zum Vehikel? Die Antwort kommt aus Flensburg: Dort sind 2,5 Mio Frauen als „Verkehrssünder“ registriert – und 8 Mio Männer! Tempolimit, Abstand, Alkoholverbot – in diesen Bereichen setzt die männliche Vernunft am häufigsten aus, so dass statt der edlen Krone der Schöpfung eher ein triebgesteuerter Testosteron-Torpedo über die Autobahn rast.

Bei mir ist das natürlich anders. Meine Blechschäden resultieren aus der Tatsache, dass ich den banalen Einparkvorgang in Gedanken schon längst abgeschlossen habe und mich geistig bereits anspruchsvolleren Themen widme. Während ich über den türkischen Einmarsch in Syrien sinniere, fällt der Parkpoller in die Fahrertür ein, denke ich an die prägenden Einflüsse der Fremdsprachen auf die deutsche Grammatik, hinterlässt ein fremder Außenspiegel seine Prägung im Seitenblech, und aus den Grübeleien über kulturell bedingte Kommunikationsdistanzen reißt mich das knirschende Geräusch einer Stoßstange, die mir beim Rückwärtsfahren zu nahe gekommen ist.

Und auch das, was die beste Ehefrau von allen despektierlich als „sich verfahren“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur Ausdruck eines großen Geistes. Ich bin in Gedanken (und alsbald auch physisch) eben einfach woanders. Auf diese Weise lerne ich die nähere Umgebung auch viel intensiver kennen und darf mich mit Fug und Recht vielleicht nicht als den besseren, aber als den erfahreneren Automobilisten bezeichnen. Und was soll noch mal der Dirigent Karajan zum Taxifahrer gesagt haben? „Fahren Sie mich irgendwo hin, ich werde überall gebraucht.“ So wird‘s wohl sein.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Im Sturm der Traurigkeit

Der Mann unserer Autorin kämpft immer wieder mit Depressionen. Wie kommt sie damit klar?

Vor ein paar Jahren, ich war gerade im Auto unterwegs, hörte ich das Lied „Flames“ von Boy. Darin heißt es (frei übersetzt): „Die beständige Angst und Traurigkeit liegt schwer auf deiner aufgewühlten Seele. Ich rufe deinen Namen, aber ich kann nicht zu dir durchdringen. Es tut mir weh, dich so leiden zu sehen. Wenn ich doch nur einen Weg finden könnte, um dich zu beruhigen und zu heilen.“ Als ich so zuhörte, stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war, als hätte jemand das in Worte gefasst, was ich gefühlt habe, als ich meinen Mann durch seine Depression begleitete.

Ich wusste von Anfang an, dass er psychische Probleme hat. Als wir uns ineinander verliebten, erzählte er mir, dass er sich gerade von einer Depression erholt habe, die vor ein paar Monaten, während einer Prüfungszeit, aufgetreten sei. Er konnte nichts mehr essen, nicht mehr schlafen und hatte irgendwann einen totalen Blackout. Nichts funktionierte mehr. Er wollte nichts vor mir verheimlichen und mir klar machen, dass ein Ja zu ihm auch ein Ja zu seiner Depression sein würde. Ich wusste also, was mich erwartete und gleichzeitig wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartete.

Ein halbes Jahr nachdem wir zusammen waren, war sie wieder da. Eine Depression mit einer Angststörung. Er befürchtete ständig, durch seine Prüfungen zu fallen und sein Studium nicht zu schaffen und lernte Tag und Nacht. Und obwohl die Klausuren immer „sehr gut“ ausfielen, konnte er seinen Erfolg nicht genießen. Er war nicht in der Lage, so etwas wie Freude, Zufriedenheit oder Gelassenheit zu empfinden – und wenn, dann nur für einen kurzen Moment. Es war ein Leben ohne Graustufen. Alles, was ich sagte, schob er, wie es für Depressive typisch ist, entweder in die weiße (gute) oder schwarze (schlechte) Kategorie. Das machte unsere Kommunikation unglaublich schwierig. Gab es etwas, was mir an unserer Beziehung nicht gefiel und ich sagte es ihm, fühlte er sich sehr verletzt. Er zweifelte oft an sich selbst, und, nicht selten, auch an mir. Immer wieder stellte er mich und unsere Beziehung in Frage. Das verletzte mich am allermeisten. Zwei Mal trennten wir uns in den ersten Jahren voneinander. Bis wir ein wirkliches Ja zueinander gefunden hatten, sollten viele Jahre vergehen.

Nicht alle davon waren schlecht. War er medikamentös gut eingestellt und wir in „ruhigen Fahrwassern“ ging es uns sogar sehr gut. Wir reisten zusammen, suchten nach gemeinsamen Hobbys und machten Pläne für die Zukunft. Wir lernten, uns immer mehr so zu lieben, wie wir sind. Wir lernten auch voneinander: Ich lernte von ihm, mehr Ehrgeiz an den Tag zu legen und fing an, mich für Sport zu begeistern. Er lernte von mir, gelassener zu sein und den Moment zu genießen.

Es gab aber auch viele herausfordernde Momente. Als er ins Berufsleben einstieg, war es besonders schwierig. Der Stress und der Erwartungsdruck, der auf ihm lastete, machten ihm so sehr zu schaffen, dass ich befürchtete, er würde nun vollends zusammenbrechen und den Beruf, auf den er so lange hingearbeitet hatte, aufgeben müssen. In Phasen, in denen er psychisch stabil war, versuchte er immer wieder mit Begleitung eines Psychiaters das Antidepressivum, das er inzwischen mehrere Jahre zu sich nahm, auszuschleichen. Doch jeder Versuch scheiterte und warf ihn und uns jedes Mal zurück.

„Wie kommst du da durch?“

Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Wir sind verheiratet und haben eine Familie. Mein Mann ist in seinem Beruf inzwischen zufrieden und sehr erfolgreich. Er hat seine Depression und seine Ängste dank der Psychopharmaka und Menschen, die ihn und uns begleiten, im Griff. Die Stürme kommen jetzt seltener, aber es gibt sie noch.

Was hilft mir in stürmischen Zeiten? Diese Frage konnte ich selbst lange nicht beantworten. Fragte man mich, wie ich da durchgekommen sei, gab ich häufig „Mit Gottes Hilfe“ zur Antwort. Und es stimmt: Hätte ich mich in all meiner Verzweiflung, Hilflosigkeit und mit all meinem Schmerz nicht an Gott wenden können, hätte es für uns keine Zukunft gegeben. Aber es sollte nicht nur der Glaube sein, der Angehörige von Depressiven durchträgt. Es sind auch die Freunde, die nachfragen, mitbeten oder, wenn nötig, auch mal ablenken. Es ist wichtig, sich über das, was man an der Seite eines Depressiven erlebt, auszutauschen – und zwar nicht nur mit dem Partner. Je nachdem, wie schwerwiegend seine Depression ist, kann es für ihn sogar zusätzlich belastend und deshalb kontraproduktiv sein. Wenn die Situation so belastend ist, dass ich sie selbst nicht aushalten kann, wende ich mich an meine Eltern, zu denen ich ein sehr gutes Verhältnis habe, und gute, vertrauensvolle Freunde – meistens solche, mit denen ich auch ins Gebet gehen kann. Eine von ihnen ist Psychologin und kann mir auch fachliche Tipps geben.

Überhaupt ist es wichtig, sich mit dem Thema Depression fachlich auseinanderzusetzen. Als ausgebildete Pädagogin dachte ich lange, ich wüsste bereits genug darüber. Ich hatte jedoch nie längere Zeit mit Depressiven zu tun gehabt und wusste schon gar nicht wie es ist, als Angehörige davon betroffen zu sein. Auch ich brauchte Hilfe und Begleitung. Das Internet bietet auf vielen Seiten, wie etwa der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, die Möglichkeit, sich zu dem Thema zu informieren. Aber auch ein Gespräch mit einer Person vom Fach, wie etwa einem Psychotherapeuten oder Psychiater, der man direkt Rückfragen stellen kann, ist hilfreich. In vielen Städten gibt es außerdem Selbsthilfegruppen für Angehörige von Depressiven, in denen man sich mit anderen austauschen kann. Je mehr man über Depressionen weiß, desto besser kann man das Verhalten des Partners verstehen und einordnen.

Gleichzeitig ist es wichtig, nicht alle Zweifel und Ängste, die der Partner hat, als übertrieben oder psychisch bedingt abzutun. Es ist nicht die Person selbst, sondern die Depression, die dazu führt, dass diese Gefühle für sie so unerträglich und für uns so unnachvollziehbar werden. Viele verstehen das nicht. „Das ist Quatsch“ oder „Du spinnst ja“ sind Sätze, die mein Mann während einer depressiven Phase manchmal zu hören bekommen hat. Auch Sätze wie „Du bist halt krank“ oder „extrem empfindlich“ sind in so einer Episode wenig hilfreich. Deshalb überlegen wir uns sehr genau, wen wir in dieses Thema einweihen. Mein Mann ist nicht „der Depressive“ oder „der Verrückte“, als den ihn manche abstempeln, weil es ihnen zu anstrengend und unangenehm ist, sich in ihn und seine Gefühlswelt hineinzudenken. Er ist der Mann, den ich liebe und der ab und zu jemanden braucht, der ihn sanft zurück auf die Beine stellt, ohne über seine Gefühle und Gedanken zu urteilen! Das steht niemandem zu – egal, ob gesund oder krank.

Nicht immer die Stärkere

Hilfreich war für mich auch, einzusehen, dass ich als „Gesündere“ von uns, nicht gleichzeitig auch immer die Stärkere sein muss. Natürlich versuche ich für ihn da zu sein, ihn zu trösten und aufzumuntern, wenn es ihm schlecht geht. Aber auch ich habe meine Grenzen, die ich lernen musste anzuerkennen, um nicht selbst krank zu werden. Manchmal bedeutet das auch, ihm vorzuschlagen, mal mit jemand anderem darüber zu sprechen und mich selbst ein bisschen zurückzuziehen. Ja, man darf sein Leben trotzdem genießen und sich selbst etwas Gutes gönnen – auch, wenn es dem Partner gerade nicht gut geht. Für mich bedeutet das, mich mit Freundinnen zu treffen, mir eine Massage zu gönnen oder ausführlich Sport zu machen. Aber auch als Paar darf man sich in solchen Zeiten schöne Abende gönnen und das Leben trotz allem feiern, indem man zum Beispiel einen Babysitter engagiert und ausgeht oder aber sich das Essen nach Hause liefern lässt und einen schönen Film zusammen guckt oder ein Spiel spielt. Umgekehrt gab es übrigens auch schon zahlreiche Situationen, in denen er der Stärkere von uns war, obwohl er der „Kränkere“ ist.

Es wäre falsch zu behaupten, dass wir inzwischen so sturmfest wären, dass uns die Stürme nichts mehr ausmachen würden. Wenn Ängste und Zweifel herumwirbeln und unser Schiff zum Schwanken bringen, erfordert es immer noch viel Kraft und Glauben, Jesus auf dem schwankenden Wasser zu erkennen und darauf zu vertrauen, dass er uns nicht untergehen lässt.

Die Autorin ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.

„Ihr Verhalten ist uns unangenehm“

„Unsere Tochter (1,5) schubst und schlägt andere Kinder – wenn ihr jemand zu nahe kommt zum Beispiel, oder wenn sie sich freut oder aufgeregt ist. Was können wir tun?“

Kinder unterscheiden sich in ihren Interessen und ihrem Temperament. Auch Gefühle bringen sie unterschiedlich zum Ausdruck: Manche weinen, stampfen oder werfen sich zu Boden, wenn sie sich ärgern oder wütend sind. Andere schlagen, beißen oder schubsen, auch dann, wenn sie sich freuen oder aufgeregt sind. Für Sie als Eltern ist dieses Verhalten oft sehr unangenehm. Dabei hat das vermeintliche „Fehlverhalten“ wenig mit Ihnen zu tun.

KEINE BÖSE ABSICHT

Das Gehirn des Kindes entwickelt sich erst. Während das „Gefühlszentrum“ schon angelegt ist und Ihr Kind unterschiedliche Gefühle wahrnehmen kann, ist sein „Vernunftshirn“ noch in der Entwicklung. Um wichtige Verbindungen zwischen „Gefühlszentrum“ und „Vernunftshirn“ herzustellen, braucht das kindliche Gehirn noch einige Jahre. Erst diese Verbindungen ermöglichen es ihm, sich bei bestimmten Gefühlen angemessen zu verhalten.

Vor allem in Stresssituationen funktioniert das im Kleinkindalter ohnehin nur rudimentär angelegte „Vernunftshirn“ noch weniger. Das „Gefühlszentrum“ bestimmt dann das Verhalten Ihres Kindes: Überfordert von den intensiven oder negativen Gefühlen, weiß es sich nur mit einfachen, reflexhaften Handlungen (schlagen, schubsen) zu helfen. Der Situation angemessene Verhaltensweisen muss sie noch lernen. Erst im Alter von drei bis vier Jahren fangen Kinder an zu verstehen, dass sie anderen mit ihrem Verhalten wehtun können. Es steckt also keine böse Absicht dahinter.

SEIEN SIE EIN VORBILD

In Situationen, die Ihre Tochter stressen oder starke Emotionen hervorrufen, können Sie ihr wichtige Hilfestellungen geben. Ihre Tochter reagiert nicht grundlos mit Schubsen und Schlagen, auch wenn die Gründe für das Verhalten nicht immer leicht zu verstehen sind. Überlegen Sie, wie sie sich wohl in Situationen fühlt, in denen sie gehäuft schubst oder haut. Was möchte sie mit ihrem Verhalten erreichen? Vermutlich schubst Ihre Tochter beispielsweise ein zu nahe kommendes Kind (nennen wir es Lara), weil sie sich in ihrer persönlichen Sicherheitszone verletzt fühlt und diese verteidigen möchte. Wehrt sich Lara daraufhin, ist Ihre Tochter frustriert oder fühlt sich noch bedrohter.

Seien Sie deshalb in der Nähe Ihrer Tochter, wenn sie mit anderen Kindern zusammen ist. So können Sie schnell reagieren, wenn ihr ein Kind zu nahe kommt. Sagen Sie ihr: „Du möchtest nicht, dass Lara dir zu nahe kommt? Schau, so kannst du es ihr zeigen.“ Seien sie dann ein Modell für Ihre Tochter (nennen wir sie Maria), indem sie freundlich mit Lara sprechen: „Lara, Maria möchte nicht, dass du ihr so nahe kommst. Kannst du dich bitte hierher stellen?“ So lernt Ihr Kind im Zuge seiner normalen Sprachentwicklung auch, eigene Grenzen zu wahren.

Seien Sie immer wieder ein gutes Modell, indem Sie Ihrer Tochter sagen und zeigen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten kann. Sie braucht Sie als Übersetzungshilfe ihrer Gefühle und als Vorbild, um sich in Zukunft eigenständig sozial kompetent ausdrücken und verhalten zu können. Haben Sie Geduld!

Sandra Maul ist Psychologin und lebt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn bei Gießen.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Wenn ich nur auf die Behinderung schaue, verpasse ich mein Kind“

Sarah träumte von einem Kind, wie man es sich eben vorstellt: schön, gesund, schlau und stark. Doch dann wurde ihr Sohn Lasse mit Trisomie 21 geboren und sie musste all ihre Vorstellungen vom vermeintlichen Mutterglück loslassen.

Jetzt ist er da. Endlich. Und er ist perfekt, mein kleiner, wunderschöner Lasse. Doch als man ihn mir auf den Bauch legen will, bleibt mein Blick an der sehr kurzen Nabelschnur hängen. Ich bin erschöpft. Ich sollte mich lieber auf meinen glücklichen Mann konzentrieren, der gerade die Schnur durchtrennt, ermahne ich mich. Aber, denke ich jetzt, wo sein kleines Köpfchen meine Brust sucht, irgendwie sieht er auch ein bisschen merkwürdig aus. Das Wort „Down-Syndrom“ kreist in meinem Kopf. Aber alle verhalten sich normal, also zwinge ich mich, es auch zu tun.

Herzfehler übersehen

Die Hebammen verlassen den Raum und kommen schnellen Schrittes mit einer Ärztin im Schlepptau wieder. Sie untersucht ihn und befragt uns nach unseren Berufen. Ob wir denn da zufällig etwas über Trisomie 21 gelernt hätten? Okay, das gehört jetzt nicht zu den Standardfragen, denke ich. Die Ärztin rät uns, ihn Tim zu nennen. Das wäre ein leichter Name, den er sich leicht merken könne. Ob er „es“ nun habe, könne sie uns nicht sagen. „Aber organisch ist er völlig unauffällig“, höre ich noch wie durch Watte. Dass sie einen schweren Herzfehler und eine Darmkrankheit übersehen hat, erfahren wir erst zwei Tage später.

Nicht mehr Mensch

Ich schaue das warme Bündel auf meinem Arm an, und es kommt mir plötzlich fremd vor. Das Kind in meinem Arm ist nicht mehr Lasse, nicht mehr mein Sohn, nicht mehr Bruder, nicht mal mehr ein Mensch – er ist Down-Syndrom. Elf Buchstaben, die alles, wirklich alles verändern. Nicht zum Guten. Können wir ihn überhaupt noch Lasse nennen? Er ist behindert, geistig und körperlich wahrscheinlich lebenslang eingeschränkt, soviel weiß ich tatsächlich noch aus dem Studium. All die Bilder von zwei Brüdern, die demnächst gemeinsam durch den Garten rennen, verrinnen in ein tiefes, schwarzes Loch.

Niemand gratuliert

Obwohl wir erst 16 Tage später den Gentest in den Händen halten, fühlen sich ab diesem Moment alle Babythemen an wie eine Beleidigung. Falsch. Unnötig. Übertrieben. Über Krankheit und Defizite zu sprechen, fühlt sich richtig an. Die vorher liebevoll ausgesuchten Strampler bleiben in der Tasche. Sollen wir überhaupt Geburtskarten versenden? Keiner gratuliert mir, und das passt zu meinem Eindruck. Wieso habe ich eigentlich das Gefühl, ich muss die anderen trösten? Aber über all diese Gedanken schiebt sich ein anderer, größerer: Ich liebe ihn. Und ich habe einen starken Mann an meiner Seite. Das beruhigt mich.

Traurige Tatsachen

Aber der Reihe nach: Ich heiße Sarah, bin glücklich verheiratet und Lehrerin in Elternzeit. Bei der normalerweise folgenden Angabe – Mutter zweier Jungs – machte sich lange ein diffuses, schuldiges Gefühl in mir breit. Und so fügte ich immer gleich hinzu, dass der eine Junge Träger einer Behinderung sei. Ich fühlte mich, als müsste ich seine Existenz rechtfertigen. Als müsste ich damit ein Gleichgewicht herstellen. Und das ist nicht nur ein Gefühl, es beruht auf traurigen Tatsachen.

Keine Abtreibung

„Es ist in Deutschland leichter, ein Kind mit Behinderung abzutreiben, als einen Baum zu fällen“, titelte vor kurzem eine Zeitschrift. Neun von zehn Eltern entscheiden sich gegen ein Kind mit Down-Syndrom. In Island ist seit acht Jahren überhaupt keins mehr mit diesem Gendefekt geboren worden. Nun ist man als Mama von einem Kind mit Down-Syndrom dazu gezwungen, das eigene geliebte Kind als Risiko zu sehen, als etwas, das in unserer Zeit doch nicht mehr sein muss …

Foto: Sarah Boll

Foto: Sarah Boll

Wie ein Mahnmal

Manchmal spüre ich den Druck so stark, dass ich mich am liebsten mit Lasse in einem sicheren Kokon verschanzen würde, um mich all dem da „draußen“ nicht mehr stellen zu müssen. Nicht mehr den mitleidigen Blicken von Passanten ausgesetzt zu sein. Nicht mehr den Anflug von Erleichterung in ihrem Gesicht zu erhaschen, dass es sie nicht getroffen hat. Denn egal, wo ich mit ihm auftauche, er fällt auf. Er ist wie ein Mahnmal, denke ich an schlechten Tagen. Er zeigt uns, dass es eben auch schiefgehen kann, dass das Leben unberechenbar ist und es anders kommen kann, als man denkt.

Starker Glaube

„Sie können aber dankbar sein“, reißt mich eine ältere Dame aus meinen trübsinnigen Gedanken, als ich Lasse vor dem Krankenhaus herumschiebe, „so ein süßer Junge“. Es berührt mich sehr. Sie hat so recht. Und ich bin es auch wirklich, jeden Tag mehr. Das erste Jahr meistern wir trotz mehrerer Operationen erstaunlich gut. Beide in Elternzeit richten wir uns das Leben zwischen Klinik und Kleinkind zu Hause gut ein. Wir wechseln den Wohnort, und ich arbeite sogar ein bisschen an meiner Selbstständigkeit als Fotografin. Wir fühlen uns stark, getragen von all dem Zuspruch von Freunden und Verwandten, die unsere Fröhlichkeit und Stärke bewundern, und beschwingt von all den Veränderungen. Sogar mein Glaube erhält in dieser Zeit einen Aufschwung, denn meine kritische Theologie weicht einer persönlichen Kraftquelle, so wie ich sie als Kind kennenlernen durfte. Ich wünsche es mir so sehr, darin einen Anker zu finden.

Fürchterliche Schreie

Doch die schwere Herz-OP ringt mir meine letzten Kraftreserven ab. Immer öfter verlasse ich das Klinikgelände und stoße im Wald fürchterliche Schreie aus. Wieder zu Hause folgen Wochen, in denen ich nur noch auf dem Boden hocke und vor Angst, Scham und Verzweiflung nicht mal mehr ein Frühstück zustandebringe. Diese dumpfe Verzweiflung ist so hartnäckig, so freudlos und völlig perspektivlos. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich Fluchtpläne schmiede, die sich nicht selten in Todesphantasien verlieren. Ich stehe mal wieder vor dem Spiegel und schaue dem Biest in mir in die Augen. Was verfolgt mich? Ich dachte, ich hätte alles im Griff. „Ich hasse dich, du Versagerin“, fauche ich mir ins Gesicht. „Schau dich doch an, du schaffst es nicht!“ Heiße Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich klopfe mir stärker als gewollt gegen die Schläfe. Das kann doch alles nicht sein. Wo ist denn Gott? Er ist schließlich an allem schuld. Er trägt die Verantwortung für mein b… Leben. Er ist erbärmlich. Ich besinne mich. Für noch schlimmere Gedanken muss ich bestimmt in die Hölle. Ich tue Buße, und gleichzeitig meldet sich die Vernunft, dass ich so doch längst nicht mehr glaube. Dass ich mich ständig schuldig fühlte, war doch einer der Gründe, warum ich mit dieser Art von Glauben aufgehört habe.

Haushaltshilfe statt Klinik

Ich merke, dass ich Hilfe brauche und suche mir eine Psychologin. Sie bleibt total entspannt und sagt mir schon nach der ersten Sitzung, dass ich psychisch völlig gesund sei. Ich denke an eine geschlossene Klinik, und sie redet von einer Haushaltshilfe und mehr Freiräumen für mich. Und sie behält recht. Durch sie lerne ich, dass ich selbst das Bedürfnis habe, mich zu bestrafen. Ich selbst bin es, die mit einem verzweifelten Genuss in der Vorstellung schwelgt, dass mich die zwei Jungs samt Haushalt, Therapien und Ernährungsumstellung völlig zerstören. Schon mit der Geburt meines ersten Sohnes habe ich vieles aus meinem Leben gestrichen, was mich glücklich macht. In den Gesprächen mit der Psychologin kommen weitere unbearbeitete Themen aus der Vergangenheit hoch, die ich sorgsam unterdrückt hatte. Ich wollte doch so stark sein, und auch ein Kind mit Behinderung sollte mich nicht aus der Bahn werfen. Und jetzt das.

Foto: Sarah Boll

Foto: Sarah Boll

Neue Perspektive

In diesem langen, sehr schmerzhaften Prozess des Loslassens und der Annahme zieht es mich immer tiefer in die Kunst. Das passiert fast unmerklich, denn ich fotografiere meinen Alltag einfach immer mehr. Dokumentarisches Fotografieren ist ja auf Hochzeiten schließlich mein Job. Immer, wenn ich meine Kinder durch die Linse sehe, ändert sich die Perspektive, als würde ich plötzlich das Gesamtbild besser sehen und nicht nur die Fehler. Es entsteht viel mehr als nur ein Foto, das vielleicht eine besonders ästhetische und klare Bildsprache hat. Es ist, als würde etwas Göttliches dazukommen. Etwas Neues, das nicht auf Defizite schaut, sondern eine ganz tiefe Dankbarkeit und Demut schenkt für das, was ist. Vielleicht, denke ich, ist genau das meine Form des Gebets.

Offensichtlich unperfekt

Die vielen Fotos im ganzen Haus erinnern mich immer wieder daran. Sie sind wie kleine Trophäen für mich, die mir zujubeln und sagen: „Nur darauf kommt es an. Schau genau hin, es ist alles da.“ An guten Tagen, und das sind heute die meisten, kann ich sagen: Die Vorstellung, ein Kind mit Behinderung zu haben, ist viel schlimmer, als tatsächlich eins zu haben. Denn in Lasses Gegenwart wird man auf so heilsame Art aufs Wesentliche reduziert, aufs Im-Moment-Sein, aufs Lachen und aufs bedingungslose Lieben.

Er ist offensichtlich so unperfekt und dabei so glücklich, dass es einem schwerer fällt, sich selbst wegen eigener Mängel abzulehnen. Meine Schwester hat das ganz schnell verstanden. Sie hat damals die Geburtskarten mit goldener Gravur anfertigen lassen und erklärt, „dass besondere Kinder eben auch goldene Karten brauchen.“ Recht hat sie! Lasse ist wirklich ein Goldjunge, genau wie sein großer Bruder auch.

Sarah Boll arbeitet als freie Fotografin, ist verheiratet und stolze Mama von zwei Jungs. Sie schreibt auf familyandme.de

Wunderschön

Uns mit unseren Schwächen und Beeinträchtigungen als schön anzunehmen, fällt uns nicht immer leicht. Was unserer Autorin geholfen hat: ganz besondere Fotos …

Mein rechtes Knie schmerzt. In meinem Kopf geht ein kleines rotes Alarmlämpchen an. Überbelastung. Die rechte Körperseite muss die linke mittragen. Die Hemipareseseite. Die schwache Seite. Der Grund: eine vorgeburtliche Schädigung meiner rechten Gehirnhälfte (Fachbegriff: Infantile Zerebralparese). Ich hatte Glück. Nur selten fragt jemand, warum ich hinke.

Das Tippen ist ein .Äegernis. Denn es sieht so aus. Der linke Zeeigedfibnger haut mirt eine Menge fehler rein.

„In Ihrem Alter …“

Mein Orthopäde ist gründlich: linker Oberschenkel 7 cm weniger Umfang, linker Unterschenkel 4,5 cm, linker Arm 4 cm kürzer. Deshalb Beckenschiefstand, Wirbelsäulenverkrümmung, Schulterschiefstand. Er hält kurz inne. „Keine Sorge. Sie sind nicht schwer krank.“ Dann sagt er: „Beim jungen Körper ist alles noch sehr dehnbar und beweglich. Da gleicht der Körper das aus. In Ihrem Alter …“ Ich bin 32 Jahre alt. Auf dem Nachhauseweg kommt mir ein Seniorenpaar entgegen. Die Dame sitzt im Rollstuhl. Das Kopfkino startet.

Zersprungen

Ich starre auf die zersprungene Glastür unserer Dusche. Hunderte Scherben werden durch das Sicherheitsglas nur noch auf fragile Weise zusammengehalten. Es war mitten in der Nacht, als wir durch ein lautes Geräusch geweckt werden. Der Handwerker meint, das sei ein seltener Fall, ähnlich wie bei Holz, das arbeitet. Bis er kommt, bleibt uns fünf eine Woche Gäste-WC und Nachbarschaftshilfe. So lange hält mir die zersprungene Tür einen Spiegel vor Augen für mein Innerstes, mein Selbstbild. Eine Freundin bringt das Gefühl auf den Punkt: „Behinderung auf Abruf“.

Ganz kleine Schritte

Nach dem allmorgendlichen „Ich will aber nicht zuerst die Zähne putzen“, „Bitte zieh jetzt endlich die Schuhe an“ und meinem Sieben-Uhr-Mantra im Treppenhaus „Pssssssssssst!“ sitze ich neben dem leeren Kinderwagen auf der Treppe zur Ergotherapie und überlege, was mich wohl erwartet. 20 Minuten lang, weil ich die erste und viel zu früh bin. Weil auch beim dritten Kind unvorhersehbar bleibt, wie viele Windeln sich unversehens füllen, wenn man gerade aus der Tür will. Und wie viele Feuerkäfer auf dem Weg zum Kindergarten noch gejagt werden müssen. Heute haben sie sich gut versteckt. Dann folgt die Ernüchterung. Ganz kleine Schritte, Geduld und üben, üben. Ich könnte zu Hause kleine Bälle suchen und mit den Kindern zusammen üben, schlägt die Ergotherapeutin vor. Oh ja, male ich mir aus: Der Kleine schreit freudig „Balla, Balla“ und stürzt los. Der große Bruder ist aber schneller. Der Fokus liegt dann eindeutig auf einem anderen Schwerpunkt im Nervensystem, nämlich da, wo die Nerven einer Mama am besten Drahtseilstärke erreichen sollten.

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„Wie wunderschön. Das bin ich!“

Es tut weh

Nach langer Sommerpause beginnt die Erkältungszeit. Erst wird der ältere Sohn krank. Dann folgt der jüngere. Und dann ich. Ein einfacher grippaler Infekt. Doch auch dafür fehlt mir die Kraft. Und dann passiert es. Da war auf einmal diese Wut. „Die Mama hat sich auf den Kopf gehauen“, sagt mein Sohn und lacht unsicher. Als die Kinder schlafen, schließe ich die Arme fest um meinen Mann. So stehen wir eine ganze Weile schweigend. Weil ich gelernt habe, dass es mit meinen Gefühlen schwer ist für meinen Mann, ringe ich mir die Worte ab: „Es ist ein Gefühl, das so weh tut in der Brust.“ Nun wird er aktiv und richtet unsere Kuschelecke (weil der Jüngste in unserem Bett schläft). So lange schaue ich mir Fotos an. Aktfotos. Nur drei Wochen ist das her. Es kommt mir vor wie aus einer anderen Welt.

Wunderschön

Als ich unsere Fotos betrachte, bleibt mein Blick bei meinem Gesicht hängen: Wie entspannt. Wie glücklich. Wie verliebt. Wie wunderschön. Das bin ich! Das habe ich Dana, der Stylistin, zu verdanken. „So schöne Augen hast du. Und solche Wimpern. Viele tun viel dafür … Toll, dass ihr euch das traut. Aus welcher Richtung kommt ihr denn?“ „Theologie“, sage ich. Und Dana völlig gelassen „Spannend, erzählt …“ Als ich die Fotos zum ersten Mal betrachtete, dachte ich: Wahnsinn, was das Spiel mit Licht und Schatten bewirkt. Einzelne Fotos sind so „perfekt“ wie in einem professionellen Kalender. Mit meiner Realität hat das wenig zu tun. Ist das nicht eine „Beschönigung“, wie wir sie überall in der digitalen und realen Welt erleben? Nein, denke ich. Es ist nicht so, dass etwas wegretuschiert wäre. Wenn ich ganz nah herangehe, sind da immer noch meine Asymmetrien, meine blassen und meine Sonnenseiten. Sie treten im Lichtspiel aber in den Hintergrund, machen den Blick frei. Es ist für mich eine ganz persönliche Umkehrung der Paradieserfahrung. Als ich mich so nackt sah, erkannte ich: Ich bin wunderschön.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Mit den Kindern spielen

ZWISCHEN EMPÖRUNG UND STOLZ

Katharina hält viel vom freien Spiel, wenn sie es regeln kann.

Katharina: Kinder lernen am besten durch freies Spielen, Nachahmung und ständige Wiederholung und all das am liebsten mit anderen Kindern. So gesehen hätte man als Eltern lediglich die Aufgabe, freies Spiel zu ermöglichen.

Doch wenn ich den Dingen freien Lauf lasse, läuft die Sache tendenziell aus dem Ruder. Dann werden Wände angemalt, Blumenkästen überschwemmt und ausgeweidet oder im Materialrausch alle Gesellschaftsspiele zusammengekippt. Höhepunkt dieses freien Spiels war, als unser Nachbar meinen Schwiegervater anrief: „Ich will wirklich kein Spielverderber sein, aber auf dem Giebel eures Hausdachs sitzen drei Kinder!“

Opa lotste die Mädchen in aller Ruhe vom Dach und einigte sich mit den Dreien, dass er Mama und Papa nichts verrät, wenn sie so etwas nie wieder tun. Letztlich haben sie es selbst erzählt, woraufhin Hauke noch mal unter Aufsicht sehen wollte, wie genau sie das gemacht haben. In so einer Situation hängt man irgendwo zwischen Empörung, Angst, Verständnis und Stolz. Um so etwas nicht allzu häufig zu erleben, bemühe ich mich, die Kinder – dann halt doch etwas unfreier – in Beschäftigungen zu lenken, die ich besser im Blick haben kann. Also spiele ich mit ihnen Gesellschaftsspiele, und nebenbei lernen sie sprechen, Rücksicht nehmen, verlieren und aufräumen. Wunderbar! Oder ich überlege mir ein Bastelprojekt, damit die drei vorpubertären Mädels eine Idee davon bekommen, was man zu Hause noch alles tun kann, außer mit dem Handy auf dem Sofa zu sitzen. Gern trommel ich auch zum „Alle Kinder Schuhe an! Wir gehen in den Wald!“-Projekt. Dort gibt es ein Picknick, wir spielen Verstecken oder die Kinder toben einfach zu fünft durch den Wald.

Wenn wir dann nach Hause kommen, beseelt von dieser schönen Aktion, treffe ich meinen Liebsten, ebenfalls beseelt, weil er auch eine schöne freie Zeit hatte. Eine Win-Win-Situation, sollte man meinen. Aber oft denke ich: Warum laufe eigentlich immer ich mit allen durch den Wald? Wer ist hier der Pädagoge, der sich mal was überlegen könnte mit den Kindern?

Ist der Papa zuständig, herrscht quasi Anarchie im Hause Hullen. Die Große will, dass Papa jetzt endlich ihr neues Zimmer streicht – er reagiert nicht – sie schnappt sich ihre beiden Schwestern und zu dritt sind kurzerhand alle Wände weiß getüncht – so schwer kann das ja nicht sein! Der Rasen muss gemäht werden, damit man besser darauf spielen kann, Papa arbeitet gerade an anderen Dingen. Ok, dann machen wir das eben selbst. Mit dieser maximalen Freiheit fordert und fördert mein toller Mann jede intrinsische Motivation bei unseren Kindern und sie feiern dabei tolle Erfolge. Meine Nerven sind zu schwach für so eine Pädagogik! Wie gut, dass die Kinder uns beide haben!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

BORING-OUT-ATTACKEN

Hauke fühlt sich vom Spielen mit den Kleinen unter- und überfordert.

Hauke: Das Leben ist bekanntlich eines der schwersten. Da hat man gerade ein freies Zeitfenster erspäht, in dem nichts Dringendes ansteht und alles Wichtige noch ein Stündchen warten kann, so dass man sich mit einem Seufzer und der Zeitung aufs Sofa sinken lässt, um dem erschöpften Körper und dem ermatteten Geist seine wohlverdiente Ruhepause angedeihen zu lassen – da vergällt mir die beste Ehefrau von allen den Genuss mit dem Appell: „Mach doch mal was mit den Kindern!“

Ich will ganz offen sein: Ich mag meine Kinder. Ich mag aber auch meine Zeitung. Leider wollen meine Kinder nicht mit mir Zeitung lesen. Stattdessen möchten sie spontan in weit entfernte Spaßbäder fahren, meinen ausgemergelten Körper zu sportlichen Aktivitäten zwingen oder – und das ist das Anstrengendste – mit mir Eisenbahn spielen. Letzteres halte ich immer nur für wenige Minuten aus, bevor mich heftigste Boring-out-Attacken heimsuchen. Denn meinen Söhnen reicht ein halbes Dutzend Schienen vollkommen aus, die noch nicht einmal einen Kreis bilden müssen. Wenn der Modellbauer in mir dann anfängt, das Kinderzimmer in das Streckennetz der Deutschen Bahn zu verwandeln, reißen meine Jungs hinter mir direkt wieder alles achtlos ein. Ich will nicht überheblich klingen, aber auch die Dampflok-ICE-Rollenspiele mit meinem Dreijährigen unterfordern mich, da sie genauso zusammenhanglos sind wie die im Raum verteilten Schienenstränge. Ich bewundere meine Frau und alle anderen Menschen, die es schaffen, sich in die (Spiel-)Welt von kleinen Kindern hineinzuversetzen und, um der gemeinsamen Zeit willen, eben diese miteinander zu teilen. In meinem Kopf melden sich dann aber immer zwei Dinge: Zum einen eine lange Liste mit viel wichtigeren Dingen, die ich just jetzt erledigen muss. Und zum anderen das schlechte Gewissen: Ist die Familienzeit nicht das Wichtigste und Schönste überhaupt? Sollte ich nicht jede Minute auskosten?

Zumindest ist dies die Erwartung, die an die „neuen Väter“ herangetragen wird. Zu dieser Vaterrolle gehört nicht nur das finanzielle Versorgen, sondern auch das emotionale Kümmern: man(n) reduziert Arbeitszeiten, sitzt nachmittags mit den Kindern am Sandkasten und freut sich darauf, am Wochenende mit den Jungs um den Block zu ziehen – aber halt mit den eigenen. Meinem Naturell entspricht das nur begrenzt. Ich kümmere mich gerne um Dinge, aber nicht um Personen. Zusammen mit den Kindern Rasen zu mähen, Schränke aufzubauen oder Abenteuer zu bestehen macht mir große Freude. Aber eine halbe Stunde neben meinem Sohn zu sitzen, während er wieder und wieder die falschen Puzzleteile zusammensteckt, ist zermürbend, weil es nicht um das Erreichen eines Zieles geht – der Weg das Ziel ist. Das fordert mich. Zum Glück habe ich Katharina, die mich darin fördert.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

„Der Erfolg der Impfungen: Wir kennen die Krankheit nicht mehr.“

Diphtherie oder Kinderlähmung sind nicht mehr präsent. Trotzdem werden Kinder dagegen geimpft. Ist das sinnvoll? Und welche Risiken bestehen beim Impfen? Ein Interview mit Dr. Thomas Schmitz, Oberarzt und Dozent an der Berliner Charité.

Herr Dr. Schmitz, warum ist Impfen so ein polarisierendes Thema?
Es geht um unsere Kinder, und wir alle wollen das Beste für sie. Deswegen ist es ein sehr emotionales Thema. Und wenn es um Expertenwissen geht, ist es manchmal schwierig, den Überblick zu behalten: Auf welche Expertenmeinungen kann man sich verlassen? Es ist natürlich gut, kritisch zu sein. Denn es gibt ja leider viele selbsterklärte Experten, denen man nicht folgen sollte.

Aber woran erkenne ich einen vertrauenswürdigen Experten? 
Es müssen Leute sein, die sich seit langem mit dem Thema befassen, die sich damit auskennen und Spezialwissen erworben haben. Und die Expertenmeinung muss unabhängig sein. Bei der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts, der STIKO, wird mittlerweile sehr darauf geachtet, dass die Mitglieder der Kommission unabhängig von Pharmafirmen sind. Das gilt auch für die Eidgenössische Kommission für Impffragen, die EKIF, und für das Nationale Impfgremium in Österreich. Das ist auch ein Ergebnis der Skepsis in der Bevölkerung.

Die Skepsis rührt ja daher, dass man immer wieder von Impfschäden hört. Wie sicher sind Impfungen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind einen gravierenden, bleibenden Schaden davonträgt, ist extrem gering. Das Paul-Ehrlich-Institut hat den Auftrag, potenziellen Impfschäden nachzugehen. Aber wenn man sich von den vielen tausend Meldungen, die es im Jahr gibt, die einzelnen anguckt, bleiben am Ende nur sehr wenig Fälle übrig. Es gibt etwa einen gravierenden Impfschaden bei ein bis zwei Millionen Impfungen. Natürlich ist jeder Fall tragisch und sollte vermieden werden. Aber alles, was wir tun, hat immer Vor- und Nachteile, Wirkung und Nebenwirkung. Wenn wir nicht impfen, wissen wir genau, was die Nebenwirkungen des Nicht-Impfens sein werden. Ein Rückfall in die desaströsen Verhältnisse der Vergangenheit – Infektionskrankheiten, die wir gar nicht mehr kennen, kehren zurück. Das ist ja der Erfolg der Impfungen: Wir wissen gar nicht mehr, wie schlimm Infektionskrankheiten wirklich sind. Wenn man in bestimmte Regionen nach Afrika geht, fällt sofort auf, wie hoch die Sterblichkeit von Kindern ist, die solchen Krankheiten ausgesetzt sind.

Bakterien gibt es überall

Aber wenn es manche Krankheiten bei uns nicht mehr gibt, wie Diphtherie, Tetanus oder Kinderlähmung, warum soll ich mein Kind dagegen impfen lassen?
Bei Diphtherie oder Tetanus ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit gar nicht so gering, wenn man nicht geimpft ist. In Russland und anderen Ländern Osteuropas gibt es immer wieder Epidemien. Und sowohl Diphtherie als auch Tetanus kann man beim Spielen im Schmutz erwerben. Die Bakterien gibt es überall. Und es sind gefährliche Erkrankungen, an denen man sterben kann. Wir erleben das deswegen nicht, weil trotz Impfskepsis gegen diese Krankheiten häufig geimpft wird. Ohne Impfungen würden diese Krankheiten schnell zurückkehren. Was die Kinderlähmung, Polio, betrifft: Es gibt diese Krankheit nur noch in Pakistan und Afghanistan. Aber es gibt ja nicht wenig Menschen, die nach Afghanistan reisen – als Geschäftsreisende, Politiker oder Soldaten. So lange Polio nicht völlig vom Globus verschwunden ist, würde ich diese Impfung beibehalten.

Impfkritiker sprechen davon, dass Impfungen das Allergie-Risiko erhöhen. Gibt es da einen Zusammenhang?
Es gibt einen Zusammenhang von Allergien und dem westlichen oder industrialisierten Lebensstil. Da können Sie jetzt als Faktoren aber auch den Verzehr von Zitrusfrüchten nehmen oder die Häufigkeit von Kaiserschnitten, das sind alles Marker für eine Lebensweise. Aber es gibt keine seriöse Studie, die zeigt, dass das Impfen als alleinige Ursache Allergien gehäuft vorkommen lässt. In Ostdeutschland haben Allergien nach der Wiedervereinigung zugenommen, während die Impfquoten zurückgingen.

Kein Autismus durch Impfungen

Seit Jahren hält sich der Verdacht, Impfungen würden Autismus auslösen. Das ist mittlerweile aber widerlegt, oder?
Ja. Es ist schon sehr erstaunlich, dass sich das immer weiter hält mit dem Autismus. Das ist eine Geschichte, die ganz klar und eindeutig widerlegt wurde. Der Arzt, der das behauptet hat, hat seine Lizenz verloren, ist verklagt worden und hat die Prozesse verloren, weil er seine Daten manipuliert hat. Er war ein Betrüger, dem die Welt viel zu lange aufgesessen ist. Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis das Gegenteil bewiesen wurde: Impfungen verursachen keinen Autismus.

Manche Impfgegner behaupten auch, dass ungeimpfte Kinder grundsätzlich gesünder seien als geimpfte Kinder. Was sagen Sie dazu?
Ich kenne keine Studie, die diese Behauptung aufrechterhalten kann. Diejenigen, die sich aktuell nicht impfen lassen, verlassen sich natürlich auf den Schutz durch andere. Wenn man nur wenige hat, die sich nicht impfen lassen, sind sie trotzdem mit geschützt. Und man muss sich mal anschauen: Wer ist das, der sich nicht impfen lässt? Das sind meist wohlhabende, gebildete Menschen. Weil deren Kinder meist behüteter, gesünder aufwachsen als Kinder aus ärmeren Familien, sind diese Kinder vielleicht tatsächlich gesünder. Aber das hat nichts ursächlich mit dem Nicht-Impfen zu tun.

Viele sehen den Einsatz von Aluminium als Verstärker der Immunreaktion kritisch. Wie ist das einzuschätzen?
Es ist in klinischen Studien widerlegt worden, dass Impfungen durch die Zugabe von Aluminiumverbindungen eine schädigende Wirkung haben. Außerdem nehmen wir über die Nahrung und die Umwelt Aluminiummengen auf, die weit über dem liegen, was durch Impfungen aufgenommen wird.

Es gibt Nebenwirkungen

Sie haben ja vorhin erklärt, dass es gravierende Impfschäden nur sehr selten gibt. Nebenwirkungen sind aber schon häufig, oder?
Ja, es gibt nicht erwünschte Wirkungen: Das Kind fühlt sich ein paar Tage kränklich. Es kann sein, dass der Arm schmerzt oder das Bein, wo die Einstichstelle war. Diese nicht erwünschten Wirkungen, das ist Teil des Trainingseffekts des Immunsystems. Gerade die Impfungen mit abgetöteten Erregern lassen ein Kind nicht erkranken, sie enthalten ja quasi nur den Fingerabdruck des Erregers, der das Immunsystem trainieren lässt. Dieses Training ist, wie jedes andere körperliche Training auch, mit einer gewissen Anstrengung verbunden. Aber das Training bewirkt, dass das Kind danach immun ist.

Junge Eltern sind manchmal erschlagen davon, was laut Impfplan alles geimpft werden soll. Gerade angesichts der Mehrfachimpfungen fragt man sich: Ist das nicht zu viel für so ein kleines Kind?
Das ist eine ganz und gar richtige Überlegung, und die ist auch im Impfplan berücksichtigt. Sie dürfen beispielsweise eine Lebendimpfung nicht in den ersten Monaten geben, sondern frühestens ab dem elften Lebensmonat. Denn diese Lebendimpfungen brauchen ein viel stärkeres Immunsystem, als ein Neugeborenes es hat. Die Impfungen mit Totimpfstoffen dagegen sind viel harmloser, daran kann das Kind nicht erkranken. Und man weiß, dass es gut und sinnvoll ist, wenn man diese Impfungen dreimal im ersten Lebenshalbjahr verabreicht.

Windpocken-Impfung ja oder nein?

Bei den Windpocken wird in Deutschland die Impfung schon für kleine Kinder empfohlen, in der Schweiz aber nicht. Muss ich mein Kind in Deutschland unbedingt impfen lassen? So schlimm sind die Windpocken ja nicht, oder?
Genau, das Kind hat ein paar Tage hoch Fieber, es muss sich kratzen und hat ein Krankheitsgefühl, aber etwas wirklich Schlimmes passiert nicht. Die Komplikationsrate bei Windpocken ist sehr gering, wenn man gesund ist. Aber jemand, der HIV oder einen angeborenen Immundefekt hat oder der Leukämie überstanden hat, ist in hohem Maße gefährdet, wenn er Windpocken bekommt. Diese Menschen schützt man darüber.

Dann könnte ich mir aber die Frage stellen, warum ich das meinem Kind zumute, nur damit irgendwer anders geschützt ist.
Die Frage ist: Ist es eine so große Zumutung, die Windpocken mit der Dreifachimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln einfach mitzuimpfen? Ich glaube nicht, dass es eine Zumutung ist. Die ganze Bevölkerung profitiert davon, und es ist ja kein extra Nadelstich dafür nötig. Und: Wer gegen Windpocken geimpft ist, erkrankt im Alter nicht an Gürtelrose.

Was raten Sie Eltern, die unsicher sind, welche Impfungen sie bei ihrem Kind machen lassen sollen?
Ich treffe immer wieder auf solche Eltern, aber es sind gar nicht so viele. Es gibt nur wenig Impfgegner, aber die sind oft sehr laut, gerade im Internet. Wenn ich auf verunsicherte Eltern treffe, erkläre ich zuerst die Erkrankung, gegen die geimpft werden soll und wie es in Ländern aussieht, wo es diese Impfungen nicht gibt. Wenn sie sich diese Auswirkungen von Infektionskrankheiten vor Augen führen, sind eigentlich fast alle Eltern dabei. Der Erfolg der Impfungen ist, dass wir die Krankheiten nicht mehr kennen. Deswegen vergessen wir, warum wir sie eigentlich machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Spieglein, Spieglein an der Wand …

Die Schönste will man ja gar nicht sein. Aber wenigstens stilvoll, hübsch, elegant, attraktiv … Doch was tun, wenn die Bilder im Kopf nicht zum Bild im Spiegel passen? Und wenn die Schwangerschaften Spuren hinterlassen haben – wie bei Jennifer Zimmermann?

„Darf man gratulieren?“ In den letzten fünf Wochen haben mir fünf Menschen unabhängig voneinander diese Frage gestellt. Ich möchte ein T-Shirt haben, auf dem „Nein, darf man nicht!“ steht. In Großbuchstaben. Quer über meinen Bauch. Der ist nämlich nach dem dritten Kind nicht mehr, was er mal war. Die Neun-Monate-Marke, nach der der Körper sich angeblich von der Schwangerschaft erholt hat, ist seit über einem Jahr verstrichen. Aber vielleicht muss man das nach mehreren Schwangerschaften auch individuell berechnen. Rational betrachtet kann ein Körper nach der Beherbergung von drei kleinen Menschen nicht mehr so aussehen wie davor. Und trotzdem kann mich dieser Satz an einem besonders trüben Tag zum Weinen bringen. „Darf man gratulieren?“

Beim Frausein versagt

Ich bin überfordert von dieser Aufgabe namens „Frau sein“. Ständig scheint es darum zu gehen, das Leben möglichst stilvoll über die Bühne zu bringen. In den richtigen Klamotten möglichst lässig dazustehen, pickel- und faltenfrei und mit rasierten Beinen. Es scheint diese Frauen zu geben. Ich sehe sie, wenn ich mit ungekämmten Haaren zum Bäcker stolpere und sie gebügelt und gestylt an mir vorüberziehen. Oder wenn sie mir in knallengen Sporthosen winkend entgegentraben. Wider besseres Wissen ziehe ich Vergleiche und verliere jedes Mal. Wenn es beim Frausein darum geht, sich möglichst gut zu präsentieren, möglichst knackig zu bleiben und möglichst genau zu wissen, was mir steht, dann habe ich schlicht und ergreifend versagt.

Regenbogensocken unter Miniröcken

Wenn ich als Teenager meine Mutter anbettelte, mir die teure Markenjeans zu kaufen, weil ich so unbedingt dazugehören, so dringend in die Masse passen wollte, dann sagte sie jedes Mal etwas, das ich ziemlich schwer zu verdauen fand: „Ich wünsche mir nicht für dich, dass du so aussiehst wie alle anderen. Ich wünsche mir, dass du selbst kreativ wirst.“ Ich habe sie dafür brennend gehasst. Ungefähr ein Jahr lang. Dann wurden unsere Schulklassen neu gemischt und ich hatte das unfassbare Glück, auf eine Gruppe von Mädchen zu treffen, die genau das zu ihrem Lebensmotto gemacht hatten.

Sie trugen Regenbogensocken unter Miniröcken. Sie nähten ihre Klamotten selbst. Sie färbten sich ihre Haare in blau und grün und rosa, und sie schnitten sie sich gegenseitig, wenn sie einen Mutanfall hatten. Manche belächelten sie. Sie passten nicht dazu, und sie hatten entschieden, das nicht zu ändern. Sie standen zu sich. Sie waren kreativ statt Einheitsbrei. Sie taten das, was Teenies tun sollten. Sie spielten mit dem Begriff Schönheit, mit Farben und Ideen, um sich besser kennenzulernen. Ich verstand, warum meine Mutter die immer gleichförmige, glattgebügelte Masse der markenjeanstragenden Mädchen nicht mochte. Diese Mädchen hier waren bunt und laut und lustig und echt. Und sie scherten sich einen Dreck darum, was andere von ihnen hielten.

Überall pickelfreie Frauen

Irgendwann zwischen der siebten Klasse und meinem ersten Kind scheint mir dieses Wissen abhanden gekommen zu sein. Fast ist es, als legten sich täglich neue Bilder in meinen Kopf. Bilder, die dichter sind als meine lachenden Teenagererfahrungen. Jeden Tag blättern sich Fotos von rasierten Beinen und lackierten Nägeln, von hautengen Jeans und straffen Bäuchen in unsere Seelen. Wir müssten schon Einsiedler werden, um das zu verhindern. Jedes noch so harmlose Bild in jedem noch so neutralen Artikel zeigt eine pickelfreie Frau mit farblich abgestimmten Klamotten. Keine ungeschminkte Mutti mit Jogginghose, die ihre schreienden Kinder vom Spielplatz nach Hause schleift.

Ich weiß nicht, wie lange wir es schon tun, aber wir Menschen erschaffen konstant Bilder von uns, denen wir im wahren, turbulenten, langweiligen, bunten Leben nie standhalten können. Es ist, als fügten wir uns selbst Schmerzen zu. Wir sind zu einer sich selbst verletzenden Gesellschaft geworden, und das betrifft längst nicht mehr nur Frauen, auch wenn unsere Geschichte mit diesem Thema schon ewig zu sein scheint.

Ungefragte Ratschläge

Die Schönheitsindustrie hat ein ganzes Waffenarsenal anzubieten, mit dem wir uns selbst, diese langweiligen, manchmal stinkenden, pickeligen, strähnigen Alltagsmenschen, die wir eigentlich sind, bekämpfen können. Sie eröffnet mir jeden Tag unendlich viele ungefragte Ratschläge, wenn ich mein Smartphone entsperre und den Internetbrowser öffne. Und ich ziehe meinen Kopf ein und lasse die Schläge über mich ergehen. Wenn deine Haare nicht so glänzen wie die von deiner Nachbarin, dann hast du wohl die falsche Bürste oder nicht hundertmal gebürstet. Wenn dein Teint nicht strahlt, solltest du eine Kosmetikerin besuchen. Oder diese Creme kaufen. Oder eine Typberatung machen. Je tiefer ich mich in diesen Dschungel der Must-dos wage, desto dunkler wird es um mich herum und desto ängstlicher und vorsichtiger schleiche ich voran. In meinem depressiven Gedankenkarussell steht mir immer wieder der britische Autor Matt Haig zur Seite, der seine weise Sicht auf eine chaotische Welt mit mir teilt. „Wie verkauft man Antifaltencreme? Indem man Menschen Angst vor Falten macht“, schreibt er und bringt mich zum Grübeln. Was würde passieren, wenn wir keine Angst mehr hätten, nicht hübsch zu sein? Was wäre, wenn wir nicht mehr darüber nachdenken würden, ob wir genug sind?

Nie genug?

Etwas, das die Schönheitsindustrie uns nicht sagt, ist, dass es einen Unterschied gibt zwischen „hübsch“ und „schön“. Jes Baker, eine US-amerikanische Schriftstellerin, die sich für ein positives Körperbild („Body Positivity“) einsetzt, beschreibt den Begriff „hübsch“ als ein „von Unternehmen fabriziertes physisches Ideal, das vermittelt, dass man nie genug ist, bevor man es nicht erreicht hat“. Nie genug. Das beschreibt mein Lebensgefühl im Moment sehr gut. Es beschreibt das Gefühl, das ich habe, wenn ich aus der Dusche steige und die Bilder in meinem Kopf nicht zu dem Bild in meinem Spiegel passen. Die Haut an meinem Bauch, die drei Kindern Platz gemacht hat und dabei eingerissen ist, erscheint gegen die glatte Haut auf den Werbeplakaten des Modeschweden wie eine Kraterlandschaft. Hübsch, sagt mein Kopf, ist das nicht, was ich da im Spiegel sehe.

Wenn ich meinen Schöpfer frage – den Gott, der sich nicht nur meinen Körper ausgedacht, sondern auch die Kinder in meinem Bauch mit unvorstellbarer Freude willkommen geheißen hat – wenn ich ihn frage, dann sagt er sicherlich auch nicht „hübsch“ dazu. Der allmächtige, allwissende, liebende Gott wird mir zu keinem Zeitpunkt meines Lebens sagen, dass ich hübsch bin. Nicht mit sechzehn und nicht mit sechsundneunzig. Er wird mir nie sagen, dass ich aussehe wie die Supermodels auf den Hochglanzplakaten. Und ich möchte niemals anfangen, meine selbstverneinenden fremdbestimmten Vorstellungen von einem Frauenkörper mit seinen Maßstäben gleichzusetzen. Gott hat einen besseren Begriff für das, was er sieht, wenn ich aus der Dusche steige: schön!

Schrumpelhagebutte und Bauchspeck

Gottes „Schön“ muss etwas ganz anderes sein als das glattgebügelte „Hübsch“ der Plakate. Es könnte vielleicht dem ähneln, was ich in den bunten, lauten Mädchen meiner Teenagerzeit gefunden habe. Sicherlich ist es ein lebendiges „Schön“, eines, das dem wahren Leben standhält. In der Natur kann ich das am besten begreifen. Ich kann die überbordend duftend blühende Rose in meinem Garten ebenso schön nennen, wie die Heckenrose, über deren schrumpelige Hagebutten sich die Vögel freuen. Ich kann die Weinbergschnecke mit ihrem faszinierend strukturierten Haus schön nennen und die geheime Choreografie einer Ameisenstraße. Gottes „Schön“ lebt. Es atmet. Es verändert sich mit den Jahreszeiten des Lebens. Pflanzen, Tiere, Menschen, die ihr Wesen nach außen tragen, sind schön. Schneckenschleim, Schrumpelhagebutte oder Bauchspeck inklusive.

Er bleibt beim Schön

Unter Gottes Blick darf ich atmen. Darf dieses „Schön“ mich leise streifen lassen wie der Wind im Mai das frische Grün so tröstlich rascheln lässt. Ich muss ihm nicht glauben, dass er mich schön findet. Vielleicht fühle ich mich heute wie die graueste Maus von allen. Er zwingt mich nicht dazu, meine Meinung zu ändern. Aber er bleibt bei seinem „Schön“, so sicher, wie der Maiwind vom Beginn des Sommers erzählt. Heute bin ich einfach nur still und lausche auf den Wind. Vielleicht fange ich dann langsam wieder an, mich in meinem Körper zu Hause zu fühlen. Vielleicht erinnere ich mich wieder an meine kreative Freiheit. Daran, dass bunte Socken gute Laune machen und dass Farben, die mir eigentlich nicht stehen, manchmal meiner Seele guttun. Dass es Spaß macht, roten Lippenstift zu tragen, nur um den Müll rauszubringen. Und dann passiert vielleicht das Wunder. Nicht, dass ich mich endlich wunderschön fühle, sondern dass ich mich selbst vergesse. Dann entscheide ich, um was ich mich drehen möchte. Womit ich meine Lebenszeit füllen möchte. Und es wird weder mein Teint noch mein Bauch sein.

Wenn ich wählen kann, für was ich im Leben kämpfen möchte, wähle ich weder meine Frisur noch meinen Farbtyp. Ich wähle Liebe. Freundschaft. Sommernächte. Blätterrascheln. Schneeknirschen. Ich wähle die Sehnsucht nach Schönheit, die ich nicht mit Online-Shopping stillen kann. Ich bin auf dem Weg dorthin. Ich werde noch eine Weile meine Wunden lecken und vielleicht noch einmal weinen, wenn ich das nächste Mal gefragt werde, ob man gratulieren darf. Aber vielleicht kaufe ich dann einfach doch das T-Shirt. „Nein, darf man nicht!“. Jetzt eben zwei Nummern größer.

Family-Autorin Jennifer Zimmermann lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Bad Homburg. Vor kurzem ist ihr erstes Buch erschienen: „Als Gott mich fallenließ. Vom Ausharren und Weitergehen mit ihm“ (SCM R.Brockhaus).

Porno nein, Selbstbefriedigung ja?

„Meine Tochter (14) hat einen Text gelesen, in dem Teenager vor Pornografie und Selbstbefriedigung gewarnt wurden. Pornografie sehe ich auch problematisch, aber Selbstbefriedigung? Gehört das nicht zum Entdecken der eigenen Sexualität dazu?“

Es gibt Christen, die davon ausgehen, dass Selbstbefriedigung – als eine sexuelle Aktivität außerhalb einer Ehe zwischen Mann und Frau – Sünde ist. Manchmal wird auch die Bibelstelle 1. Mose 38, 8-10 aufgegriffen. Allerdings geht es an dieser Stelle um etwas anderes – den Versuch, Gott zu täuschen.

Eine eigene Bibelstelle zum Thema Selbstbefriedigung gibt es tatsächlich nicht. Die Frage danach, ob sie jungen Menschen wie Ihrer Tochter schadet oder nicht, beantworte ich daher aus einer anderen Sichtweise, nämlich aus der der sexuellen Entwicklung.

DIE ENTDECKUNG DES KÖRPERS

Bereits bei Kleinkindern kann man beobachten, dass sie gern an ihren Genitalien spielen. Sie tun das auch schon, weil es sich schön anfühlt und weil sie dabei eine kindliche Art von Lust empfinden. Diese hat noch nichts mit erwachsener Sexualität zu tun, ist aber bereits eine Art Selbstbefriedigung.

Mit der Pubertät kommt auch sexuelles Verlangen hinzu, wie wir es als Erwachsene kennen. Junge Menschen bekommen eine neue Lust, ihren Körper zu entdecken. Das ist, wie Sie schon selbst festgestellt haben, ein wichtiger Bestandteil der eigenen sexuellen Entwicklung. Viele Mädchen entdecken ihren Körper in dieser Zeit und lernen dadurch, an welchen Stellen sie Berührungen schön finden – und wie sie zum Orgasmus kommen können.

Es ist wichtig, dass dieser Prozess stattfinden darf. Er hilft Heranwachsenden, eigene Vorlieben und Wünsche herauszufinden und so besser zu einer mündigen Sexualität zu finden, die eine spätere Partnerschaft positiv beeinflussen kann. Ein Verbot oder das Erzeugen von schlechtem Gewissen hingegen können sich negativ auswirken. Schamgefühle und zwanghafte Versuche, das eigene sexuelle Verlangen zu unterdrücken, schlagen oft ins Gegenteil um.

WEDER ERMUTIGEN NOCH VERBIETEN

Nun ist dieses Thema aber für Jugendliche schambelastet. Es kann sein, dass Ihre Tochter es nicht näher mit Ihnen besprechen möchte. Was Sie tun können, ist, Gegengewichte zu solchen Artikeln wie dem von Ihnen angesprochenen bereitzustellen. Es gibt gute Bücher, die Heranwachsende in dieser Lebensphase positiv begleiten (s. Buchtipps). Wichtig finde ich dabei Ihre Rolle: Eltern sind weder in der Position, Kinder zu ermutigen, noch es zu verbieten oder gar mit Scham und Schuld zu besetzen. Sie können aber einen Rahmen für eine gute Entwicklung schaffen

Zu diesem Rahmen gehört auch die Auseinandersetzung mit Pornografie, die im Gegensatz zur Selbstbefriedigung tatsächlich problematisch ist. Kinder und Jugendliche kommen damit immer früher in Kontakt und sehen dort Szenen, die ihre Vorstellung von Sexualität und von Männern und Frauen prägen. Wichtig ist es, Jugendlichen klarzumachen, dass dies nichts mit der Realität zu tun hat – und dass auf Liebe beruhender Sex zwischen zwei Partnern ganz anders abläuft.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin, lebt mit ihrer Familie in Kaufungen und bloggt unter www.eltern-familie.de.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

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