Großeltern: „Wir haben das früher anders gemacht“ – So funktioniert die Beziehung zwischen Generationen

Zwischen Eltern und Großeltern kommt es oft zu Konflikten über Erziehungsmethoden. Was früher galt, wird heute ganz anders gesehen und gehandhabt. Wie kann man mit solchen Unterschieden konstruktiv umgehen?

Tragehilfen, Familienbetten, moderne Stoffwindelsysteme, zuckerfreie Ernährung, Langzeitstillen, Bedürfnis- und Bindungsorientierung, kitafrei – all das sind Schlagworte unserer Zeit, die es früher in dieser Form nicht gab und die daher manchmal zu Unverständnis bei den Großeltern führen.

„In Diskussionen geht es darum, wie mit Wut umgegangen wird, mit dem Schreien von Kindern. Um Strenge, Konsequenz, Teilen, Schlafenszeiten. Meine Eltern drängen sehr darauf, dass man eine feste Struktur mit den Kindern hat. Mir liegt das nicht so, das ist bei uns manchmal etwas lockerer“, beschreibt eine Mutter Beispiele für Streitthemen. Auch Kleidung, Ernährung (Süßigkeiten), Sicherheit und Gesundheit, Grenzen setzen, Medienkonsum, die Frage, wie sehr man Kinder in Entscheidungen einbezieht und richtige Zeitpunkte für bestimmte Entwicklungsschritte des Kindes bergen Konfliktpotenzial.

Durch neue Forschungserkenntnisse, andere pädagogische Ansätze und aktuelle gesellschaftliche Umstände erziehen wir unsere Kinder heute anders als früher, bisweilen sogar konträr. Die Eltern von früher – die heutigen Großeltern – haben manchmal Probleme, das zu akzeptieren. Sie verstehen nicht, warum jetzt alles anders ist, und bekommen das Gefühl, ihre eigenen Kinder völlig falsch erzogen zu haben. Die Digitalisierung trägt ihren Teil dazu bei. Die heutigen Großeltern wuchsen komplett analog auf, sie verließen sich auf ihre Intuition und Erfahrungen. Den heutigen Eltern steht über das Internet sekundenschnell umfangreiches Wissen zur Verfügung. Früher hoch geschätztes Erfahrungswissen wirkt heute schnell veraltet und verliert in einer sich immer schneller verändernden Welt an Bedeutung. Bei dieser Geschwindigkeit mitzuhalten, ist für Großeltern nicht einfach. „Jungen Menschen fehlen heute oft innere Werte und das Selbstvertrauen, auf ihre eigene Intuition zu vertrauen“, schildert eine Großmutter ihren Eindruck.

Das Großelternprivileg

Vor allem der heute oft vertretene, nach außen scheinbar weniger strenge, bedürfnisorientierte Beziehungsstil scheint viele Großeltern zu irritieren. „Die Großeltern wollen, dass das Kind nach ihrem Willen funktioniert. Es wird eher wenig nach den Bedürfnissen gefragt oder diese werden ignoriert. Aus Sicht der Großeltern lassen wir Eltern zu viel Freiraum“, beschreibt eine Mutter die Sichtweisen. „Wir wünschen uns dagegen, dass sie mehr auf das Kind eingehen und nicht versuchen, es mit Belohnung gefügig zu machen“, fügt sie an.

Doch auch der umgedrehte Fall kann für Streit sorgen: Manche Großeltern sehen in ihren Enkeln eine zweite Chance, etwas aus der Erziehung der eigenen Kinder wieder gutzumachen oder Versäumtes nachzuholen. Oft genießen sie ihr „Großelternprivileg“, verwöhnen die Enkel voller Freude mit Spielzeug, Süßigkeiten, Fernsehen und erlauben ihnen mehr, als Mama und Papa das tun. Bis zu einem gewissen Maß ist das in Ordnung. Kinder können schon früh differenzieren, wenn Sachen bei den Großeltern anders laufen. Oft verhalten sich Kinder bei den Großeltern auch anders als bei den Eltern. Es stärkt ihre soziale Kompetenz und sie lernen, dass ein unterschiedlicher Umgang mit ihnen nicht automatisch ein unterschiedliches Level an Zuneigung bedeutet. Wer von uns kennt aus seiner Kindheit nicht das eine oder andere, was es nur bei Oma gab und worauf man sich immer freute?

Vom Kindsein in die Elternrolle

Mischen sich die Großeltern mit ihren Erfahrungen zu sehr in die Erziehung ein, fühlen sich die Eltern oft zurückversetzt in ihre eigene Kindheit, als sie von den Eltern kritisiert und bevormundet wurden. Manchmal kommen alte Themen und ungelöste Konflikte aus der Vergangenheit wieder ans Licht. Vor allem bei unsicheren Erstlingseltern kann das Vertrauen in die eigene Intuition und in die elterlichen Fähigkeiten geschwächt und letztlich die Bindung zu den Kindern negativ beeinflusst werden. Sich mit den Prägungen durch die eigenen Eltern auseinanderzusetzen, kann helfen, sich in die Elternrolle einzufinden und einen eigenen Erziehungsstil zu entwickeln. Das gibt Stabilität und Sicherheit, auch in möglichen Konflikten mit den Großeltern. Hilfreiche Fragen können sein: Wie bin ich als Kind aufgewachsen? Welche Werte wurden mir vermittelt? Was tat mir gut von meinen Eltern, was möchte ich übernehmen? Was war nicht hilfreich, was möchte ich anders machen?

Letztlich muss jede Familie ihren eigenen Weg finden. „Man muss auch nicht jeden Punkt vor den Großeltern diskutieren. Dort, wo die Kinder auch mal von den Großeltern betreut werden, gibt es Sachen, die mir wichtig sind. Und es gibt Sachen, die Großeltern anders machen, und das ist auch gut. Als Elternteile hat man ja auch manchmal einen unterschiedlichen Umgang mit verschiedenen Sachen. Das Wichtige für Kinder ist der unterschiedliche Umgang mit verschiedenen Bezugspersonen, die sie trotzdem alle lieben“, meint eine Mutter.

Keine ungefragten Ratschläge der Großeltern

Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Großeltern sind normal und gesund. Sie erweitern den Horizont und die eigenen Erziehungsansichten. Die meisten Eltern sind auch durchaus interessiert an der Meinung der Großeltern. Diese wollen mit ihren Erfahrungen und Ratschlägen ja nicht bewusst verletzen, sondern helfen. Ihre Einmischungen zeigen ihr Interesse an den Kindern und Enkeln. „Großeltern würden sich wahrscheinlich wünschen, dass man mehr aus ihren Erfahrungen übernimmt. Sie meinen es ja im Grunde gut, nur muss jede Familie ihre eigenen Werte kreieren. Für beide Seiten ein Seiltanz“, schildert eine Mutter das Dilemma.

Hilfreich ist es, wenn Großeltern vorher fragen, ob die Eltern den Ratschlag hören wollen. Die Eltern fühlen sich so nicht bevormundet und können den Rat in Ruhe überprüfen. Großeltern sollten akzeptieren, wenn dieser nicht angenommen wird. Sie sollten den Eltern – ihren Kindern – das Recht auf eigene Ideen, Erfahrungen und Fehler zugestehen. „Es sind andere Zeiten, Lebenssituationen und Anforderungen“, meint eine Großmutter. „Unsere Werte und Methoden aus den guten alten 80ern waren sicher auch nicht immer richtig. Manches würde ich heute anders machen. Meiner Meinung nach muss eine junge Familie ein geschlossenes System sein. Mit der Möglichkeit, sich eigenständig zu entfalten und zu entwickeln.“

Ehrliche und klare Kommunikation

In manchen Situationen müssen sich Eltern als Erziehungsberechtigte klar positionieren und deutlich erklären, dass sie die Verantwortung für die Kinder tragen. Und dass sie genauso ihr Bestes geben wie früher die Großeltern bei den eigenen Kindern. Aber was wünschen sich die Großeltern von ihren Kindern? „Dass sie offen und ehrlich mit uns sprechen. Dass sie ihre Vorstellungen, Erziehungsschwerpunkte und -ziele, aber auch Probleme mitteilen. Dass sie offen sagen, wenn wir in ihren Augen Fehler machen“, drückt es ein Großvater aus. Durch frühzeitige, ehrliche Aussprachen wird Verständnis gefördert. Konflikte können vermieden werden. Frust herunterzuschlucken, lässt Situationen irgendwann eskalieren.

Besonders problematisch ist es, wenn Konflikte vor den Kindern ausgetragen werden. „Wenn wir streiten, geraten die Kinder zwischen die Fronten. Sie wissen nicht richtig, zu wem sie halten oder auf wessen Seite sie sich schlagen sollen“, schildert eine Mutter. Offene Konflikte zwischen Eltern und Großeltern können Kinder verunsichern. Manchmal bekommen sie unbewusst ein negatives Bild von einer Partei. Eine Mutter hat das erlebt: „Unser großes Kind hat bemerkt, dass es Spannungen zwischen uns gibt und ist jetzt nicht mehr so offen gegenüber den Großeltern.“ Daher sollten Konflikte lieber nicht im Beisein der Kinder ausgetragen werden.

Offenheit und Akzeptanz

Stattdessen können bei einem Gespräch in ruhiger Atmosphäre ehrlich und auf sachlicher Ebene Wünsche und Bedürfnisse besprochen werden. Gegenseitiger Respekt, Geduld, Wertschätzung sowie Offenheit und Akzeptanz für unterschiedliche Meinungen helfen dabei. Beide Seiten sollten aktiv zuhören und bei Unklarheiten nachfragen. „Dies bedeutet, dass ich mich in die Lage des anderen versetze und damit sein Tun und Handeln verstehe. Gute Kommunikation entsteht dann, wenn ich nicht wütend, nachtragend und verletzt bin. Deswegen ist Vergebung von gegenseitigen Kränkungen ganz wichtig“, erläutert eine Mutter.

Verallgemeinerungen durch Worte wie „immer“ oder „wieder“ sind eher ungünstig. Nützlicher als Vorwürfe sind Ich-Formulierungen, etwa: „Ich würde mir wünschen, dass ihr unseren Kindern weniger Süßigkeiten gebt, wenn sie bei euch sind.“ Erscheint ein direktes Gespräch zu schwierig, kann ein Brief helfen. Das gibt allen Beteiligten Zeit, sich zu beruhigen und in Ruhe nachzudenken.

Eltern und Großeltern: Liebe als gemeinsamer Nenner

Eltern und Großeltern erleben die (Enkel-)Kinder in verschiedenen Situationen und haben unterschiedliche Perspektiven auf sie, die sich zum Wohl der Kinder gut ergänzen. Eltern, Großeltern und (Enkel-)Kinder können so voneinander lernen. Letztlich wird die gesamte Familie bereichert und gestärkt. Ja, früher war vieles anders, aber nicht automatisch alles besser oder schlechter. „Großeltern hatten ihre Zeit zum Erziehen und sollten jetzt bei den Enkeln nur begleiten“, meint eine Großmutter. Manchmal lernen sie dabei selbst noch etwas Neues. Eltern wiederum dürfen vom reichen Erfahrungsschatz der Großeltern profitieren und ihre eigenen Lehren daraus ziehen.

Alle Generationen erzogen und erziehen ihre Kinder nach dem jeweils aktuell besten Wissen und Gewissen. „Ich höre von meiner Mama oft, dass sie denkt, dass sie vieles falsch gemacht haben“, erzählt eine Mutter. „Das möchte ich ihnen nicht vermitteln. Es war anders, und sie haben nach dem damaligen Kenntnisstand und Wissen so gut erzogen, wie sie konnten. Das Gleiche machen wir heute auch. Auch wenn sich einige Dinge geändert haben, ändert es nichts an der Liebe.“

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und Journalistin.

Abtreibung – und nun? Das brauchen Betroffene jetzt

Eine ungewollte Schwangerschaft und eine Abtreibung kann Frauen große Not bereiten. Eine Expertin erklärt, wie Verwandte und Freunde Betroffenen beistehen können.

Das wichtigste ist, für die Betroffenen da zu sein. Viele Frauen, die zu uns in die Beratungsstelle kommen, erzählen, dass sie von ihrer Meinung und Einstellung her immer gegen einen Schwangerschaftsabbruch waren. Als sie dann plötzlich schwanger wurden, haben sie sich doch für eine Abtreibung entschieden. Sie mussten eine Entscheidung treffen, ohne alles überblicken zu können. Der Schmerz innerhalb dieser Entscheidung ist, dass ein Schwangerschaftsabbruch endgültig ist. Dennoch gibt es einen Neubeginn, immer Hoffnung und es ist einfach wertvoll, wenn du jetzt für die Person, der du nahstehst, da bist und bleibst.

Abtreibung – eine Zeit voll Angst und Zeitdruck

Für einen Menschen da zu sein, der einen Schwangerschaftsabbruch erlebt hat, ist von hohem Wert. Die Zeit vor der Abtreibung ist von Angst geprägt und von dem Zeitdruck, in dem die Entscheidung getroffen werden musste. Die Frau hat den Vorgang des Schwangerschaftsabbruchs in und mit ihrem Körper erlebt und überlebt. Wenn nun alles vorbei ist, ist tatsächlich alles vorbei: Der Bauch ist leer. Leere füllt das Innerste. Die Welt um sie herum dreht sich weiter, aber die eigene Welt ist stehen geblieben. Was ist passiert? Abends, nachts oder auch tagsüber kommen viele Fragen hoch. Und oft auch wortlose, einsame Tränen.

Nicht selten ziehen sich Frauen zurück und verstummen, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch erlebt haben. Indem du der Person zeigst, dass du trotzdem und gerade jetzt für sie da bist, zeigst du ihr Wertschätzung und Anerkennung. Und nicht nur ihr. Es ist auch ein Ausdruck von Wertschätzung und Würdigung dem Menschen gegenüber, der nicht (mehr) ist: das Kind.

Betroffene erleben Grenzverletzung

Sei dir bewusst: Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer auch eine Grenzverletzung. Es muss körperlich eine Grenze überschritten werden, damit die Schwangerschaft beendet werden kann. Viele empfinden zudem eine emotionale Grenzverletzung, weil der Verstand das Herz übertönt hat.

Wenn wir den Weg der Abtreibung gehen, treffen wir in der Gegenwart eine Entscheidung für die Zukunft. Das kann sein: „Jetzt bin ich schwanger (Gegenwart) und der Entbindungstermin fällt genau mit meinem Examen zusammen (Zukunft)“, ein typisches Beispiel aus meinem Beratungsalltag. Wenn die Frau dann das Examen hinter sich hat, erlebt sie die „Zukunft“, über die sie damals die Entscheidung getroffen hat und fragt sich: „Hätten wir doch beides geschafft: schwanger bleiben, das Kind bekommen und das Examen?“

Das sind Zeitpunkte, in denen Schmerz und Trauer auch noch viel später auftauchen können. Lass dich davon nicht verunsichern! Stell Fragen – und höre Antworten! Nimm Anteil – und bleibe zugewandt! Bleib da, durch alle Zeiten hindurch!

Tirza Schmidt ist Gründerin der „VillaVie. Raum für dich” in Bochum, die anbietet, über das Tabu Schwangerschaftsabbruch in den Dialog zu kommen. Infos: villa-vie.org, Instagram: @villavie_

Shelve your agenda – Warum sich Zurückhaltung lohnt

Ein Schlüssel für gelingende Beziehungen besteht darin, sich mit den eigenen Zielen vorübergehend zurückzuhalten. Wie das funktioniert, verrät Paarexperte Marc Bareth.

Kürzlich war ich auf einem Geburtstagsfest. Es gab Apérohäppchen, nette Gespräche, Loungemusik und, wie immer bei solchen Anlässen, die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die meisten Unterhaltungen kamen nicht über ein bisschen Small Talk hinaus, doch es gab auch tiefe Gespräche über die eigene Geschichte, über Glauben, Ängste und Hoffnungen. Dabei fiel mir auf, wie wichtig Zurückhaltung ist.

Das Prinzip Zurückhaltung

Ich habe noch einige Male über diesen Abend und die so unterschiedlichen Gesprächsverläufe nachgedacht. Dabei ist mir bewusst geworden, dass es eine bestimmte Fähigkeit gibt, die jemanden zu einem angenehmen Gesprächspartner macht. Es ist die gleiche Fähigkeit, die auch in einer Paarbeziehung entscheidend ist. Sie lässt sich am besten mit drei englischen Wörtern beschreiben: „shelve your agenda“.

Wörtlich übersetzt bedeutet das in etwa, „seine Gesprächspunkte ins Regal stellen“. Es heißt, dass man seine persönlichen Pläne, Ziele oder Interessen vorübergehend zurückstellt, um Platz für die Bedürfnisse, Interessen oder Prioritäten anderer zu machen. Der Schlüssel: Zurückhaltung.

Der Normalfall ist doch, dass wir nur noch mit einem Ohr dem anderen zuhören, während wir innerlich schon eine Antwort vorbereiten. Oder wir suchen nach Situationen, in denen wir etwas Ähnliches erlebt haben, um es sofort zu erzählen, sobald das Gegenüber kurz Luft holt. Oder wir bewerten das Gesagte in Gedanken und ordnen es in unser eigenes Raster ein, anstatt einfach zuzuhören und uns ganz auf das Bild einzulassen, das uns unser Gesprächspartner aus seiner Perspektive zeichnen möchte.

All diese Verhaltensweisen sind Ausdruck unserer eigenen „Agenda“, bei der es vorwiegend um uns selbst geht – um unsere Überlegenheit, unsere Anerkennung, unsere Weltsicht und unseren Geltungsdrang.

Mit einem Stein reden

Es fällt uns schwer, diese Verhaltensweisen bei uns selbst zu erkennen. Doch wir alle kennen den Extremfall. Wir kennen mindestens eine Person, bei der es eigentlich egal ist, was ihr Gesprächspartner sagt. Sie spult sowieso ihr Programm herunter und erzählt ihre Geschichte im Alleingang und ohne Einfluss des Gegenübers. Ein Satz des anderen dient nur dazu, sich in ihrer Sicht bestätigt zu fühlen und fortzufahren. Sie könnte genauso gut mit einem Stein reden, solange er nur ab und zu anerkennend nicken würde. Solche Menschen wollen vor allem eines: gehört werden. Zurückhaltung? Fehlanzeige! Leider vergessen sie dabei, dass sie erst dann wirklich gehört werden, wenn sie selbst bereit sind, wirklich zuzuhören.

Den eigenen Gedanken einen temporären Maulkorb zu verpassen und uns ganz auf unsere Gesprächspartnerin einzulassen, braucht Übung. Ich glaube sogar, dass es eine lebenslange Reise ist. Doch nur so kann eine echte Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden. Gute Beziehungen entstehen dort, wo es uns gelingt, unsere eigenen Ziele vorübergehend zurückzustellen. Es lohnt sich, diese Fähigkeit zu trainieren. Es lohnt sich für das Geburtstagsfest genauso wie für den Beruf, für die Beziehung zu den Nachbarn und für die Beziehung zu Gott. Und natürlich ganz besonders für die Partnerschaft.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five.

Resilienz – Was Kindern hilft, stark zu werden

Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder stark werden. Sie sollen Resilienz, also Widerstandsfähigkeit entwickeln, um den Anforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Was dabei helfen kann, erklärt Resilienz-Trainerin Dorothea Beier.

Aus der Forschung wissen wir, dass ein sehr wichtiger Faktor für die Entwicklung einer gesunden Resilienz eine gute Bindungsbeziehung ist. Sie entsteht durch die wechselseitige Kommunikation – zunächst mit einer Bezugsperson – vom Säuglingsalter an. Durch feinfühliges Antworten auf die Signale des Babys, wobei es angeschaut wird und bereits Gespräche mit Gestik und Mimik geführt werden, bilden sich Urvertrauen und ein positives Grundgefühl aus. Das Kind nimmt wahr: „Ich bin sicher und geborgen, ich bin richtig, ich darf sein, wie ich bin, meine Welt ist in Ordnung.“ Durch diese Wahrnehmung prägen sich bereits ein gesundes Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit aus. Kinder lernen durch liebevolle Interaktion mit der Bezugsperson, ihre Gefühle zu regulieren und Stress zu bewältigen. Hierdurch erlangen sie auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und mit ihnen zu fühlen. Sie werden beziehungsfähig, entwickeln Freundschaften, was wiederum eine starke Säule ist, die in stürmischen Zeiten Halt und Stütze gibt.

Manchmal haben Eltern bei einem ihrer Kinder den Eindruck, dass die Bindung instabil geworden ist. In jedem Lebensalter wirkt es dann Wunder, Zeit zu zweit mit dem Kind zu pflegen. Unternehmungen mit einem Elternteil allein, Gespräche auf Augenhöhe, etwas gemeinsam tun, was beiden Spaß macht, kann die verloren geglaubte Bindung wiederherstellen. „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.“ Dieser Satz des bekannten Psychotherapeuten Milton Erickson macht Mut, positiv in die Zukunft zu schauen, Visionen und Ziele zu verfolgen und dies auch unseren Kindern zu vermitteln. Selbst wenn ein Mensch keine sichere Bindung in seinen ersten Lebensjahren erfahren hat, kann das nachgeholt werden.

Humor macht stark

Es gibt keine perfekten Eltern und das ist gut so! Aber wir können uns Anregungen holen, wie unser Miteinander schöner werden kann und was Kinder in der Entwicklung zu starken Persönlichkeiten unterstützt.

Der Psychologe und Logotherapeut Viktor E. Frankl betont: „Resilienz entsteht durch gute Gefühle und durch Humor.“ Tatsächlich hat die Art, wie wir miteinander kommunizieren, einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Resilienz unserer Kinder. Würzen wir unsere Kommunikation mit Humor, so nimmt dies oftmals Stress aus einer Situation. Kinder lieben es, wenn sie mit uns lachen können und Spaß haben. Wir erfüllen damit nicht nur ihnen, sondern auch uns eines der wichtigsten seelischen Grundbedürfnisse, in diesem Fall Lustgewinn und Unlustvermeidung. Und zahlreiche Studien aus aller Welt bestätigen: Humor hilft Kindern, mit widrigen Lebensumständen umzugehen.

„Ich bin dumm, blöd und viel zu klein“

In unserer hektischen und schnelllebigen Zeit fällt es oft schwer, einfühlsam zuzuhören. Aber gerade dies fördert eine gute Kommunikation und damit auch Resilienz. Es kann helfen, wenn wir uns klarmachen, wie sehr es unsere Kinder lieben, wenn wir Blickkontakt aufnehmen und ihnen aktiv zuhören. Was möchte mein Kind mir sagen? Noch einmal nachfragen, mit Gestik und Mimik zugewandt sein, zeigt, dass wir wirklich zuhören.

Für unsere Kinder ist es wichtig, dass wir ihre verbalen und nonverbalen Botschaften verstehen, dass wir ihre Gefühle, Gedanken und Überzeugungen wahr- und ernst nehmen, indem wir sie aufnehmen und noch einmal mit unseren Worten wiederholen. Auf diese Weise fühlen sie sich von uns verstanden und mit uns verbunden. Diese Art der Kommunikation – auch aktives Zuhören genannt – ist eine sehr hilfreiche Methode, die in eine Familie viel Entspannung bringen kann. Welchen Unterschied es macht, wenn man sie anwendet, soll mit dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden: Der 8-jährige Yannis konnte sich nur sehr schwer in der Schule mit Gleichaltrigen zurechtfinden. Zu Hause erklärte er eines Tages seiner Mutter, dass er dumm, blöd und viel zu klein sei. Erschrocken über seine Worte versuchte sie sofort, ihm das auszureden, worauf er mit einem Wutanfall reagierte.

Gemeinsam Resilienz entwickeln

Nach einer kompetenten Beratung verstand die Mutter, dass sich ihr Kind durch ihre Reaktion nicht verstanden gefühlt hat. Als sich die Situation wiederholte, versuchte sie es mit aktivem Zuhören. Sie sagte: „Ich weiß, was du denkst. Du kommst dir zu klein vor, glaubst, dass du blöd und dumm bist. Ich bin sehr froh, dass du mir das sagst, auch wenn ich anders darüber denke. Ja, es gibt Dinge, die dir noch nicht so gut gelingen. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir herausfinden können, was dir helfen könnte, besser über dich zu denken“. Die Mutter hatte mit ihrer Aussage die Wahrnehmung ihres Sohnes bestätigt, er fühlte sich verstanden und ernst genommen.

Wir machen unsere Kinder stark, wenn wir sie darin unterstützen, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. Gemeinsam mit Kindern über Lösungen für ein Problem nachzudenken und abzuwägen, was man tun könnte, hilft ihnen, gesunde, resiliente Erwachsene zu werden. Wenn wir sie darin anleiten, Handlungspläne zu entwickeln, fördert das ihre Eigenständigkeit, erfüllt ihr Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle. Dies fördert wiederum ihre Selbstwirksamkeit und stärkt ihr Selbstwertgefühl.

Fehler feiern

Es bleibt nicht aus, dass unsere Kinder auch mit Misserfolgen konfrontiert werden. Viele Menschen leiden unter der Angst, Fehler zu machen. Das kostet viel Kraft. Wir machen unsere Kinder stark fürs Leben, wenn wir ihnen helfen, zu verstehen, dass Fehler zum Leben dazugehören und dass man daraus lernen kann.

Eine Lehrerin fragte dazu am Beginn eines Schuljahres ihre Schüler: „Wer von euch hat das Gefühl, in diesem Jahr vielleicht Fehler zu machen oder manche Dinge nicht zu verstehen?“ Dann hob sie als erstes ihre Hand, woraufhin auch die Kinder sich trauten, das zuzugeben. Sie stellte einen Krug und einen Behälter mit Steinen auf ihr Pult und erklärte den Kindern: „Immer, wenn einer von uns einen Fehler macht, werfen wir einen Stein in den Krug. Wenn der Krug voll ist, feiern wir.“ Da der Krug nicht sehr groß war, konnte die erste Party schon bald darauf beginnen. Kinder, die sich zuvor – oft aus Angst vor Fehlern – nicht getraut hatten zu antworten, waren jetzt ermutigt und beteiligten sich am Unterricht. Das Leistungsniveau der Klasse steigerte sich hierdurch enorm und es gab so gut wie keine Disziplinschwierigkeiten.

Optimismus und Glaube

Kinder lieben es, wenn Eltern optimistisch in die Zukunft schauen. Das macht gute Gefühle und gibt ihnen Sicherheit. Sie beobachten, wie Eltern Probleme lösen und Entscheidungen treffen. Nicht allein hier kann auch der Glaube an Gott, der zu jeder Zeit einen Weg und eine Hilfe für uns hat, für den nichts zu schwer und unmöglich ist, eine große Hilfe sein. Wir können es mit den Kindern zu einem Ritual werden lassen, darüber nachzudenken, was am Tag besonders schön war. Gemeinsames Staunen über schöne Dinge, Dankbarkeit und Frohsinn helfen zu einem optimistischen Familienklima. Zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, sich nicht von Negativem herunterziehen zu lassen, sondern zu vertrauen, macht stark und fördert Resilienz.

Einfach Kind sein

Kinder brauchen auch Zeiten, in denen sie sich entspannen können und zur Ruhe finden. Ein ausgewogener Zeitplan, in dem unsere Kinder Kinder sein dürfen, unterstützt eine ausgewogene Hirnentwicklung. Sie entwickeln emotionale Regulationsfertigkeiten und sogar die Intelligenz wird gefördert, wenn sie zu spontanem und kreativem Spiel Zeit finden. Hierbei wird ihnen die Gelegenheit geboten, neugierig und erfinderisch zu sein. Sogar Langeweile kann förderlich sein, um die Welt und sich selbst zu entdecken.

Jede Interaktion mit unseren Kindern bietet die Gelegenheit, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie einzigartig und wertvoll sind. Wie wichtig und nötig auch „Extra-Zeiten“ sind, die wir in der Familie einrichten können, und in denen jedes einzelne Kind ganz besonders bedacht wird, kann man immer wieder beobachten. Kinder nehmen hierdurch in besonderer Weise die Liebe der Eltern wahr. Diese Zeiten sind Kraftquellen für Kinder. Hier können sie auftanken, den Stress des Alltags hinter sich lassen und einfach glücklich sein. Nicht zuletzt sind besondere Familienzeiten mit Spiel und Spaß, gemeinsame Ausflüge, Wanderungen und vieles mehr Oasenzeiten, die unsere Kinder resilient machen und ihnen helfen, mit Stress in gesunder Weise umzugehen.

Dorothea Beier ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Selbstbehauptungs- und Resilienz-Trainerin, Spiel- und Bewegungstrainerin sowie Coach für Kinder und Jugendliche. Sie lebt und arbeitet in Uelzen. praxis-dbeier.de

Umweltbewusst reisen? So gelingt der nachhaltige Familienurlaub

Familien planen schon jetzt den wohlverdienten Urlaub für das nächste Jahr. Wie gelingt es, diesen zu genießen und gleichzeitig umweltbewusst und nachhaltig zu reisen?

Langsam neigt sich das Jahr dem Ende zu und erste Gedanken drehen sich um den Urlaub im nächsten Sommer. Nachhaltigkeit kann und sollte ein Aspekt sein, den man in der Urlaubsplanung berücksichtigt, denn Tourismus und Freizeitaktivitäten auf Reisen haben enorme Auswirkungen auf die Luft- und Wasserqualität, die Biodiversität und das Landschaftsbild. Im Urlaub verbrauchen wir meist mehr Ressourcen als zu Hause – sei es Wasser, Energie oder Lebensmittel. Unsere Verantwortung ist es aber, die Erde zu bewahren steht. Und sowohl im Kampf gegen den Klimawandel als auch gegen die Ausbeutung des Globalen Südens spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle.

Sanfter Tourismus

Daher wird „nachhaltiges Reisen“ immer beliebter. Gemeint ist damit eine Form des Tourismus, die im besten Fall keine negativen Folgen für die Natur und Bevölkerung am Zielort hat. Wer sanft oder nachhaltig verreist, belastet die Umwelt so wenig wie möglich und versucht, die Kultur im Reiseland nicht (negativ) zu verändern, sondern passt sich an.

Worauf sollten wir also konkret achten, wenn wir als Familie oder als Paar nachhaltig verreisen wollen? Es beginnt schon bei der An- und Abreise. Wie gelangen wir möglichst umweltschonend an unseren Zielort? Muss es wirklich ein weit entferntes Reiseziel sein? Können wir mit der Bahn anreisen? Flüge oder Kreuzfahrten sind bekanntlich problematisch, da diese besonders viele CO2-Emissionen mit sich bringen. Wenn man nur zu zweit unterwegs ist und mit dem Auto fahren möchte, ist es auch eine gute Idee, eine Mitfahrgelegenheit zu nutzen oder anzubieten, zum Beispiel über blablacar.de. Das spart auch Geld.

Nachhaltig reisen

Nachhaltig reisen geht mit sanftem Tourismus einher und bedeutet, sich auch vor Ort verantwortungsvoll zu verhalten: Müll vermeiden, Wasser und Strom sparen, aber auch die Kultur und Traditionen respektieren und die Tier- und Pflanzenwelt nicht zu zerstören.

Wie können wir uns also auch am Urlaubsziel möglichst umweltschonend fortbewegen? Gibt es öffentliche Verkehrsmittel oder Sharing-Modelle, die wir nutzen können? Können wir gar mit dem Fahrrad fahren?

Eine nachhaltige Unterkunft zu finden, ist mittlerweile nicht mehr schwierig. Es gibt immer mehr Hotels oder Ferienbauernhöfe, die mit saisonalen und regionalen (Bio-)Lebensmitteln kochen, Bio-Textilien verwenden, naturnah gebaut sind, Ressourcen aus der Umgebung und Ökostrom nutzen und dies durch Siegel und Zertifikate nachweisen. Beim Urlaub im Ferienhaus können wir unser nachhaltiges Verhalten von zu Hause weiterverfolgen – oder den Urlaub nutzen, um etwas Neues auszuprobieren: Brot selbst backen, möglichst plastikfrei einkaufen…

Und schon das Packen können wir nachhaltig gestalten: Wir sollten nur so viel einpacken, wie wir benötigen. Weniger Gewicht bedeutet weniger Emissionen bei der Fortbewegung. Was ist in der Grundausstattung in unserer Unterkunft enthalten? Was bringen wir von zu Hause mit, um unnötigen Müll zu sparen (Soda-Stream, Bienenwachstücher…)?

Für das Freizeitprogramm können wir nachhaltige Projekte und Aktivitäten einplanen: Ruderboot oder Stand-up-Paddling statt Motorboot, Radtour statt Ausflug mit dem Auto. Und brauchen wir wirklich noch ein zehntes Souvenir? Außerdem können wir mit offenen Augen unsere Wege gehen und Müll einsammeln, wo er nicht hingehört.

Eine gute Wahl treffen

Wie finden wir nun den richtigen Ort für den nächsten Urlaub? Können wir jeder Unterkunft trauen, die behauptet, sie sei nachhaltig? Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das herauszufinden: Sucht auf der Homepage oder auf Social Media nach Informationen über die Nachhaltigkeit der Unterkunft. Über besonders innovative und nachhaltige Unterkünfte gibt es manchmal auch Reportagen und Berichte im Internet oder in Magazinen. Hilfreich können auch die Bewertungen anderer Gäste sein. Oder ihr fragt direkt bei der Unterkunft nach.

Vielleicht gibt es sogar Projekte und Aktivitäten, an denen sich die Gäste beteiligen können – und an denen im besten Fall auch Kinder oder Jugendliche Spaß haben.

Plattformen für nachhaltige Unterkünfte

Öko-Reiseportale helfen dabei, eine Vorauswahl zu treffen. So findet ihr zum Beispiel auf goodtravel.de Unterkünfte ausgewählt nach Kriterien wie Architektur (naturnahe Bauweise), Umwelt (bewusste Nutzung von Ressourcen) oder Kulinarik (regionale und frische Bioküche) in jeder Preiskategorie.

bookitgreen.com bewertet Unterkünfte nach bestehenden Zertifikaten im Tourismus, den eigenen 15 Nachhaltigkeitskriterien und den Bewertungen der Gäste (neben Sauberkeit und Freundlichkeit auch Nachhaltigkeit). Für jede Buchung pflanzt das Unternehmen einen Baum. fairweg.de wählt Hotels basierend auf ihren zwölf Nachhaltigkeitskriterien aus. Dazu zählen das Angebot an Bio-Lebensmitteln und Bio-Textilien, eine E-Ladestation, Ökostrom und eine Solaranlage. Ihr könnt auch ein Hotel in Verbindung mit einem Flug dorthin buchen. Fliegen zählt nicht zu den umweltschonenden Reisemethoden, daher bietet die Plattform eine CO2-Kompensation der Flüge an.

Unterkünfte auf forumandersreisen.de orientieren sich an Mensch und Umwelt, indem die Ressourcen vor Ort sorgsam und gezielt genutzt und die wirtschaftliche Entwicklung in den Reiseländern unterstützt werden. Der Urlaub soll besonders ethisch und sozial gerecht sein.

renatour.de ist spezialisiert auf naturnahes Reisen und hat vor allem für Familien nachhaltige Angebote. Bei den Unterkünften wird Wert auf eine gesunde, landestypische Küche möglichst in Bio-Qualität gelegt. Hier findet ihr eine europaweite übersichtliche Auswahl an Urlaubsangeboten wie „Single mit Kind“, „Urlaub mit Teenagern“ oder „Urlaub mit Tieren“.

Nachhaltiges Reisen wird immer einfacher. Warum es also nicht einfach mal probieren?

Helena Berger ist Voluntärin bei der Zeitschrift Family.

„Mama, du bist zu früh!“ – So vermeiden Sie Zoff beim Abholen

Nicht selten erleben Eltern beim Abolen aus der Kita, dass die Kinder nicht nach Hause wollen. Warum das so ist und wie man damit umgehen kann, erklärt Erzieherin Pia Tober.

Es kommt immer mal wieder vor, dass Kinder scheinbar alles andere als Freude über das Erscheinen der Eltern empfinden. „Mama, du bist zu früh!“, oder ein protestierendes „Ich will noch nicht nach Hause!“ sind dann zu hören. Manche Kinder brechen beim Abholen auch zusammen und weinen und bekommen vor Emotionen kein Wort heraus. Was auch immer in diesem Moment in dir als Elternteil vorgeht, lass dir eins gesagt sein: Diese Reaktionen sind normal. Ich erlebe es täglich und kann dir sagen, dass es vielen Eltern so geht.

Lass uns gemeinsam beleuchten, was beim Abholen aus der Kita passiert und was du beachten kannst, damit der Abschied aus der Betreuung für alle Beteiligten zufriedenstellend wird.

Was geht in dem Kind vor?

Dein Kind hat einige Stunden in der Kita verbracht. Es hat sich an Regeln gehalten, Konflikte gelöst, mit verschiedensten Menschen gesprochen, kooperiert und alles in allem viel erlebt.

Gerade hat es sich einer Tätigkeit gewidmet, als du in die Tür kommst. Es ist mitten in seinem Tun. Das, was dein Kind im Gegensatz zu dir noch nicht kann, ist, sich schnell auf eine neue Situation einzustellen. Kitakinder haben noch kein ausgeprägtes Zeitgefühl und reagieren hin und wieder mit für uns unpassend wirkenden Reaktionen.

Das hilft beim Abholen

Es gibt ein paar Kniffe, die das Abholen aus der Kita angenehmer gestalten können:

1. Sorge für dich und deine Bedürfnisse!
Du bist gestresst und in Eile? Sorge für einen Moment zum Durchatmen vor der Kita. Du bist hungrig? Sorge für einen Snack im Auto. Es macht einen großen Unterschied und sorgt für mehr Geduld.

2. Tauche in das Tun deines Kindes ein!
„Was machst du denn da?“, „Das sieht aber bunt aus!“, „Da hast du dir aber Mühe gegeben!“, „Wie hast du es geschafft, einen so hohen Turm zu bauen?“ – mit solchen Sätzen fühlt sich dein Kind gesehen und in seinem Tun wertgeschätzt. Erfahrungsgemäß lässt sich ein Kind mit dieser Haltung schneller aus seinem Spiel herausholen als mit rationalen Argumenten oder dem Versprechen einer Belohnung zu Hause.

3. Berücksichtige die Bedürfnisse deines Kindes und bleibe gleichzeitig bei deinem Plan!
Es geht nicht darum, mehr Zeit für das Abholen des Kindes einzuplanen, sondern um einen sanften Übergang. Es darf seine Tätigkeit in Ruhe beenden – mit deiner Hilfe. Wenn du möchtest, auf spielerische Art. Vielleicht hilft eine Vereinbarung: „Noch einmal Farbe nachnehmen.“ Überlege, wo sein Kunstwerk platziert werden kann, sodass es dies morgen wiederfindet. Bleibe klar und bewege es zum Gehen. Ist es heute an der Zeit, ihm beim Händewaschen und Anziehen zu helfen, obwohl es dein Kind schon kann? Wenn du merkst, dass dein Kind missmutig ist und nicht mit möchte, beziehe es nicht auf dich. Es liegt nicht an dir. Es war gerade in sein Spiel vertieft. Du darfst den Übergang liebevoll begleiten.

Pia Tober ist Erzieherin mit Leidenschaft und beschäftigt sich auch nach ihrem Feierabend mit Kinder- und Familienthemen.

Die richtige Beikost finden: Brei oder Babyled weaning?

Ab sechs Monaten bekommen Säuglinge meistens Beikost. Was ist sinnvoller: Brei oder Baby-led weaning? Das sind Vor- und Nachteile.

Im zweiten Lebenshalbjahr steigt der Energieund Nährstoffbedarf Ihres Babys. Um diesen zu decken, braucht es neben Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrung ergänzende Lebensmittel: Die Zeit der Beikost beginnt. Generationen von Eltern haben ihre Kinder in dieser Zeit mit Breien ernährt. Seit einigen Jahren ist ein weiteres Ernährungs-Konzept im Trend, das Baby-led weaning. Dabei stehen – statt pürierter Breimahlzeiten – feste Lebensmittel auf dem Speiseplan, zum Beispiel gedünstetes Gemüse in Stücken. Das Kind wird außerdem nicht gefüttert, sondern führt sich die kleinen, weichen Nahrungsstücke selbst mit den Händen zum Mund. Welche und wie viel der angebotenen Lebensmittel es isst, entscheidet es selbst.

Alle nötigen Nährstoffe

Die Breikost hat gegenüber dem Baby-led weaning einige Vorteile. Zum einen ist sie ein erprobtes Konzept zur schrittweisen Einführung von drei unterschiedlich zusammengesetzten Breien, das genau auf die ernährungsphysiologischen Bedürfnisse des Säuglings abgestimmt ist. Ein Ernährungsplan mit den verschiedenen Breirezepten für das erste Lebensjahr bietet Orientierung bei der Umsetzung (zu finden auf gesund-ins-leben.de). Beim Babyled weaning ist es schwieriger sicherzustellen, dass das Baby alle nötigen Nährstoffe bekommt. Da es sich selbst füttert, können die Eltern schlechter nachvollziehen, was es in welcher Menge gegessen hat. Zudem hängt die Qualität der Ernährung stark von dem Angebot auf dem Esstisch sowie letztlich der Lebensmittelauswahl des Säuglings ab.

Motorische Fähigkeiten

Zum anderen können die meisten Kinder zum empfohlenen Beikoststart zwischen dem 5. und 7. Monat Breie problemlos essen. Um sich selbst zu füttern, brauchen sie dagegen sowohl mehr motorische Fähigkeiten beim Greifen, Kauen und Schlucken als auch Ausdauer beim Sitzen. Die Einführung von Baby-led weaning beginnt damit meist später als die der Breikost. Muttermilch oder Säuglingsmilchnahrung bleiben deswegen bei vielen durch Fingerfood ernährten Kindern bis weit ins zweite Lebenshalbjahr hinein die hauptsächliche Nährstoffquelle.

Trotzdem müssen sich Brei und Baby-led weaning nicht ausschließen: Werden dem Säugling zusätzlich zu den Breien nährstoffreiche Lebensmittel in Stückchen angeboten, kann er sie mit allen Sinnen erfahren und spielerisch eine gesunde Ernährung entdecken. Auch für Babys, die Brei eher verweigern, kann dies ein Weg sein, sie an feste Nahrung heranzuführen. Wenn Sie sich entscheiden, Ihrem Kind ausschließlich stückige Beikost zu geben, sollten Sie sich durch qualifizierte Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte individuell beraten lassen.

Hanna Seul ist Online-Redakteurin beim Netzwerk „Gesund ins Leben“. gesund-ins-leben.de

Stillsitzen statt Bewegung: Wie Eltern die ersten Schulwochen unterstützen können

Ab dem ersten Schultag müssen Kinder plötzlich viel stillsitzen anstatt rumzulaufen und zu spielen. Anika Schunke gibt Tipps, wie Eltern diesen harten Übergang abmildern und Bewegung in den Tag integrieren können.

Mein Kind kommt in die Schule! Damit einher gehen viele Gefühle: Stolz, Wehmut, Erleichterung, aber auch Angst. Ist es wirklich bereit? Kann es die Schulstunden und das Stillsitzen meistern? Kann es die Aufmerksamkeitsspanne aufrecht erhalten? Kann es sich lange genug konzentrieren, oder wird es schnell zappelig? Meist schließt sich hier auch die Frage an, was wir als Eltern tun können, um unsere Kinder bei diesem besonderen Übergang zu unterstützen? Zumal sich zeitgleich die dunkle und kalte Jahreszeit anschließt, in der man ohnehin weniger draußen unterwegs ist, wenig Bewegung hat und mehr sitzt. Es gibt aber einige praktische Tipps, die man als Eltern beachten kann und die dem Kind helfen.

Bewegter Schulweg

Um die ersten Stunden ausgeglichen arbeiten zu können, hilft es Kindern, wenn sie sich schon vor der ersten Stunde etwas bewegen. Das bedeutet, dass sie möglichst mittels eigener Bewegung zur Schule kommen. Das heißt: Wenn möglich sollte das Auto zu Hause stehen bleiben und die Kinder sollten laufen. Wenn das nicht geht, ist eine Möglichkeit, das Auto ein Stück von der Schule entfernt abzustellen und den restlichen Weg zu Fuß zurücklegen. So hat das Kind die Möglichkeit, sich auf einem etwas kürzeren Weg zu bewegen. Ein guter Weg zu Fuß ist hier tatsächlich das Beste.

Vielleicht dürfen sich die Kinder vor der ersten Stunde auch schon auf dem Schulhof aufhalten, dann können sie sich hier auch noch ein wenig austoben. 10 bis 15 Minuten sind hier ausreichend. Auf dem gemeinsamen Schulweg kann Ihr Kind auch auf kleinen Mauern, Bordsteinen und Bodenplatten Balancierübungen und Hüpfspiele spielen. Ihr Kind kann rückwärts laufen oder Sie machen ein kurzes Wettrennen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Wenn die Eltern Ideen einbringen, lassen sich die Kinder oft gut motivieren.

Hilfreich sind auch Laufgemeinschaften. Hier laufen mehrere Kinder (mit einem Erwachsenen, später auch allein) zu Schule. Das ist eigentlich die eierlegende Wollmilchsau. Die Kinder sind in Bewegung, haben dabei sozialen Kontakt, sind eben nicht allein unterwegs und üben sich darin, selbstständig zu handeln. Ein bewegter Schulweg wirkt sich somit positiv auf das Selbstbewusstsein aus, was sich wahrscheinlich auch im Unterricht bemerkbar macht und die Teilnahme am Verkehr wird zur Normalität.

Ernährung

Wie Kinder sich ernähren, hat auch einen großen Einfluss darauf, wie gut sie stillsitzen und sich konzentrieren können. Zucker liefert zwar schnell Energie, aber diese Energie ist leider auch genauso schnell wieder aufgebraucht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Energie vom Frühstück, wie sie z.B. von Kornflakes oder Frühstücksflocken kommen, verbrannt sind, bevor die Kinder im Klassenzimmer ankommen. Hiervon ausgenommen sind Haferflocken und Müslimischungen mit wenig Zuckerzusätzen. Herzhafte Gerichte halten den Blutzuckerspiegel meist länger konstant, sodass die Kinder länger satt sind und die Inhaltsstoffe gemächlich im Körper verarbeitet werden. Dadurch können die Kinder sich länger oder besser konzentrieren und auch das Stillsitzen fällt einfacher.

Es gibt verschiedenen Frühstückstypen, auch bei Kindern: Typ 1 isst süß, Typ 2 isst herzhaft und Typ 3 isst gar nichts. Hier sind die Eltern gefordert, zu beobachten, Kompromisse zu verhandeln oder vielleicht auch mehrere Optionen anzubieten. Was beim Frühstück liegenbleibt, können Sie in die Brotbox packen. Dann ist es nicht verschwendet. Aufwändige Snacks, wie sie im Internet vorgestellt werden, können auch schon am Vorabend vorbereitet werden und schmeckt am nächsten Morgen trotzdem noch. In den Wochen vor dem Schulstart können Sie das schon ausprobieren, was schmeckt und was in den morgendlichen Ablauf passt.

Bewegte Hausaufgaben

Kinder müssen nicht nur im Unterricht länger und öfter stillsitzen, auch zu Hause muss das dann oft nochmal sein, um die Hausaufgaben zu erledigen. Hier gibt es einige Tipps, wie Sie die Hausaufgaben mit Bewegung gestalten können. Aber auch da gilt es herauszufinden: Was passt zu uns und unserem Kind?

Das Prinzip des klassischen Laufdiktats, beispielsweise, lässt sich auch auf andere Aufgaben anwenden. Je nach Aufgabe, können Sie diese auf verschiedene Tische oder sogar in verschiedene Räume verteilen. Muss zum Beispiel etwas ausgeschnitten und aufgeklebt werden, gibt es einen Tisch zum Schneiden und einen anderen zum Kleben. Die Kinder können diese oder andere Hausaufgaben auch gerne im Stehen erledigen.

Vielleicht haben Sie einen höhenverstellbaren Schreibtisch, an dem das Kind gut im Stehen arbeiten kann. Auch das Auswendiglernen von Gedichten oder Leseübungen können im Stehen, auf dem Bauch liegend oder auch laufend gemeistert werden. Es erhöht teilweise sogar die Gedächtnisleistung. Da unterschiedliche Sinne in den Prozess einbezogen werden, werden mehrere Verknüpfungen gebildet, die dem Kind ermöglichen, Lerninhalte besser und schneller zu verarbeiten.

Bewegung und Mathematik

Eine andere Möglichkeit der bewegten Hausaufgaben sind Bewegungskarten oder -würfel. Nach jeder gelösten Matheaufgabe zieht das Kind eine Karte, würfelt oder macht einen eigenen Vorschlag für eine Bewegung z.B. Hüpfen, Kniebeugen, Hampelmänner etc. Hier können Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe, für die Entscheidung benutzen, wie oft eine Übung ausgeführt werden soll. Lautet die Aufgaben z.B. „3+4=“ schreibt das Kind die „7“ dahinter und macht dann 7 Hampelmänner.

Um den Kindern ein besseres mathematisches Verständnis zu ermöglichen, ist es ratsam, besonders im ersten halben Jahr, so oft es möglich ist, Materialien zu den Mathehausaufgaben dazu nehmen. Hier ein Beispiel: Wir nehmen die gleiche Aufgabe wie oben, 3+4=7. Lassen Sie Ihr Kind 3 Gegenstände aus der Küche holen und 4 Gegenstände aus seinem Zimmer. Wir haben dann z.B. 3 Löffel und 4 Autos, ergibt 7 Gegenstände aus unserem Zuhause. Somit hat das Kind Bewegung, schult seine Merkfähigkeit und bekommt ein klareres Bild von Zahlen und Mengen.

Diese Art, Hausaufgaben zu machen, ist natürlich recht aufwendig und kann bestimmt nicht jeden Tag praktiziert werden. Sie können sich das für das Wochenende aufheben, wenn freitags z.B. hausaufgabenfrei ist. Oder in einer besonders regnerischen Woche, oder wenn das Kind krank zu Hause ist. Auch hier gilt, machen Sie es für sich passend.

Ein Wort zum Schluss

Eine Weile still am Tisch sitzen und sich über einen gewissen Zeitraum konzentrieren können, ist natürlich trotzdem wichtig und sollte vor dem Schuleintritt bereits klappen. Das kann man auch vor dem Schulstart trainieren. Es erleichtert den Einstieg in die Schule, weil die Kinder das nicht noch zusätzlich lernen müssen. Es schadet den Kindern auch nicht, wenn sie eine Aufgabe, oder auch zwei (Rätselhefte etc.) am Tisch sitzend erledigen müssen.

Es ist ratsam, solche „Arbeitszeiten“ ebenfalls in die Ferienzeiten zu integrieren – besonders in den sechs Wochen Sommerferien. Dann gewöhnen sich die Kinder wieder schneller an die Schule.

Der Schulanfang ist für alle Beteiligten eine aufregende Zeit. Damit es eine schöne und aufregende Zeit wird, hoffe ich, die Tipps werden dabei helfen, die Freude am Lernen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

Anika Schunke hat zwei Kinder und arbeitet als Erzieherin. Sie bietet Eltern-Kind-Turnen sowie Kinderturnen and und ist als Referentin und Autorin tätig.

Einschlafprobleme überwinden – Das sollten Eltern wissen

Eines der größten Probleme von Kleinkindern ist das Einschlafen. Warum das oft schwierig ist und was Eltern tun können erklärt Kinder- und Jugendtherapeutin Melanie Schüer.

Schlaf, Kindlein, Schlaf … wenn das Einschlafen doch so einfach wäre: Man singt ein oder zwei Lieder, streichelt dem kleinen Schatz noch kurz den Rücken und dann schlummert der Nachwuchs seelenruhig und friedlich ein.

Die Realität sieht für viele Eltern von Kleinkindern leider oft ganz anders aus: Das Kind will nicht ins Bett, womöglich schon nicht die Zähne putzen, muss noch etwas trinken, hat Bauchweh und überhaupt noch so unfassbar viele Gründe, warum es einfach noch nicht schlafen kann! Dabei wollen wir als Eltern doch einfach auch irgendwann mal Feierabend haben – das Wohnzimmer für uns, ein Stündchen „Erwachsenenzeit“, in der wir mal nicht versorgen, begleiten und beruhigen müssen.

Einschlafen ist eine Form von Loslassen

Ein Aspekt, der vielen Kindern, aber auch Erwachsenen, das Einschlafen erschwert: Einschlafen geht nur, wenn wir ein Stück weit loslassen können. Einschlafen bedeutet, dass man all das am Tag Erlebte – das Schöne wie das Stressige – nun „gut sein lässt“. Man trennt sich von den Gedanken, Plänen, Eindrücken und Fragen des Tages und lässt sich von der Welt des Denkens und Handelns in die Welt des Fühlens und Seins gleiten. Man gibt ein wenig die Kontrolle ab und lässt auch die lieben Menschen zumindest kurzzeitig los. Denn im Schlaf können wir nicht mit ihnen sprechen und nehmen ihre Gegenwart nicht mehr bewusst wahr.

Wir verabschieden uns also vom Tun und der Geschäftigkeit und auch für eine Weile von unseren vertrauten Menschen – und das fällt besonders Kleinkindern oft gar nicht leicht. Sie fangen gerade an, ihre Welt zu entdecken, lernen ständig Neues dazu und sind voller Tatendrang. Das macht Spaß und ist so spannend, dass es schwierig sein kann, abzuschalten. Und zugleich sind die Kleinen noch völlig abhängig von ihren Bezugspersonen, sodass ihnen die Trennung von ihnen das Gefühl von Verunsicherung und Unruhe bereiten kann.

Durch Nähe zur Ruhe kommen

Gerade weil Kleinkinder so abhängig sind von ihren Bezugspersonen, brauchen sie die Begleitung von diesen, um sich sicher und geborgen zu fühlen. Kuscheln, vorher noch gemeinsam ein Buch lesen, ein altersgerechtes Gebet, in dem man für das Gute dieses Tages dankt und auch das Schwere und Belastende in Gottes Hände legt … all das hilft, den Tag gut abzuschließen. Auch beruhigende Musik ist oft hilfreich als Teil des Abendrituals. Manchen Kindern helfen auch Hörbücher – hier sollte man aber nicht zu spannende Handlungen wählen! Empfehlenswert für Kleinkinder ist z.B. „Die Geschichte vom kleinen Elefanten, der so gern einschlafen möchte“.

Insgesamt ist Körpernähe und die liebevolle Präsenz von zugewandten, geduldigen Eltern eine wichtige Grundlage für ein gutes Einschlafen. Daher, liebe Eltern: Sorgt auch gut für euch, wenn ihr euer Kind ins Bett bringt! Wenn ihr wisst, dass es länger dauern kann, bis euer Kind abschalten kann: Macht es euch bequem im Kinderzimmer und vielleicht hilft auch ein Hörbuch oder angenehme Musik per Kopfhörer, um die Zeit für euch angenehm zu gestalten. Kinder spüren, wenn ihre Eltern unruhig darauf warten, wann sie endlich schlafen – und werden dann oft von dieser Unruhe angesteckt.

Dunkelheit, Düfte, Durchhalten

Zu viel Licht verhindert die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Deshalb sollten Kinder etwa eine, besser zwei Stunden vor dem Schlafengehen nicht mehr auf Bildschirme starren. Etwa 30-45 Minuten vor dem Schlafengehen sollte das Licht möglichst gedämmt werden. Ein Nachtlicht sollte entweder ganz weggelassen oder durch ein rötliches ersetzt werden – das stört die Produktion von Schlafhormonen am wenigsten.

Ab dem Alter von drei Jahren kann man auch ätherische Öle wie Lavendel oder Zirbenholz (z.B. 1-2 Tropfen auf einem Stück Holz) in der Nähe des Kinderbettes nutzen.

Dass Säuglinge beim Füttern, Kuscheln oder Spazierenfahren einschlafen, ist völlig normal. Ab einem Alter von 3-4 Monaten ist es allerdings empfehlenswert, mit dem Kind nach und nach etwas mehr Eigenständigkeit beim Einschlafen einzuüben. Das bedeutet nicht, dass man das Kind wecken sollte, wenn es auf dem Arm eingeschlafen ist. Doch wenn das Kind noch nicht fest schlummert, ist es ratsam, die elterliche Einschlafhilfe in kleinen Schritten sanft zu reduzieren.

Wenn ein Kind auch mit drei Jahren nur in den Schlaf finden kann, wenn Mama oder Papa direkt neben ihm liegen, kann das dazu führen, dass es genau diese Begleitung auch nachts erwartet, wenn es aus dem Leichtschlaf aufwacht – und nicht in der Lage ist, sich nachts selbst zu regulieren. Die Eltern „schleichen“ sich heimlich heraus, wenn das Kind schläft – und dieses wacht irgendwann erschrocken auf und merkt: „Mama/Papa ist ja gar nicht mehr da! So kann ich doch nicht schlafen!“

Grundsätzlich gilt beim Schlafenlernen die Devise „Durchhalten“, denn Gewohnheiten bilden sich erst nach einiger Zeit und Rückfälle durch Stressfaktoren wie Entwicklungsschübe, Zahnen, Infekte, einen Umzug o.ä. sind normal!

Schritt für Schritt zum Ziel

Von Einschlafprogrammen, die sehr rabiat vorgehen und beinhalten, dass Kinder längere Zeit allein im Bett weinen müssen, ist eher abzuraten. Denn diese können der Eltern-Kind-Beziehung schaden und langfristig dazu führen, dass das Kind Einschlafen mit Angst und Unbehagen verbindet. Viel besser ist es, schrittweise und behutsam vorzugehen, beispielsweise wie in diesem Fall:

Tom, 3 Jahre alt, kann nur einschlafen, wenn seine Eltern ihn umhertragen. Wenn er dann endlich im Land der Träume angekommen ist, legen sie ihn ganz vorsichtig ab und verlassen auf Zehenspitzen das Zimmer. Spätestens nach 2 Stunden, oft deutlich früher, weint Tom dann und sie müssen ihn erneut tragen, was sich in der Nacht dann mehrfach wiederholt.

Ein schrittweises, sanftes Vorgehen könnte so aussehen:

Bei jedem Schritt findet vorher ein liebevolles Abendritual statt – z.B. mit Geschichte, Gebet, Kuscheln oder Massage.

So klappt das Einschlafen

Schritt 1: Die Eltern tragen Tom wie gewohnt umher – aber nur, bis er ruhig und entspannt ist. Das eigentliche Einschlafen findet auf dem Arm, aber im Sitzen statt (erste Reduktion: die Bewegung wird ausgeschlichen).

Schritt 2: Sobald es 2-3 Abende ohne Bewegung (oder höchstens kurzes Tragen zum Entspannen, 2-3 Minuten) klappt, setzen sich die Eltern direkt mit Tom auf dem Arm hin und kuscheln mit ihm. Auch hier warten sie auf den Zeitpunkt, wenn Toms Augen langsam zufallen und er kurz davor ist, in den Schlaf zu sinken: Dann legen sie ihn sanft in sein Bettchen und bleiben noch nah bei ihm, um ihn zu streicheln bzw. eine Hand an seinem Körper zu lassen (zweite Reduktion: Einschlafen im Bettchen statt auf dem Arm).

Schritt 3: Auch hier lassen die Eltern der neuen Gewohnheit 2-3 Abende Zeit, sich zu festigen. Dann legen sie ihn schon etwas früher in sein Bettchen und streicheln ihn nur noch, bis er kurz vor dem Einschlafen ist. An diesem Punkt ziehen sie sich etwas zurück und sitzen nur noch neben dem Bett, ggf. mit leisem Singen oder Summen (dritte Reduktion: Einschlafen ohne Körperkontakt).

Der Stuhl neben dem Bett kann dann nach und nach weiter weggerückt werden. Wenn das Kind sich nicht beruhigen lässt, ist es ratsam, noch einmal Nähe und Sicherheit zu vermitteln, bis das Kind wieder entspannter ist und dann einen neuen Versuch zu starten. Anfangs sind oft viele Wiederholungen dieses Beruhigens und erneut Versuchens nötig – aber steter Tropfen höhlt den Stein.

Beratung suchen – online und vor Ort

Vielerorts gibt es Beratungsstellen mit Fachkräften, die sich mit dem Thema Kinderschlaf gut auskennen, oft in Erziehungsberatungsstellen (Adressen findet man unter dajeb.de). Manche Themen lassen sich auch online gut besprechen, z.B. in der kostenlosen Onlineberatung des Portals „ElternLeben“ (elternleben.de).

Melanie Schüer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Autorin. Zudem berät sie Eltern von Babys und Kindern mit Schrei- und Schlafproblemen. 

Schutz vor Drogen? Das können Eltern tun

Immer wieder sterben junge Menschen durch Drogenmissbrauch, wie im Juni in Altentreptow. Eltern fragen sich: Was können wir tun, um unser Kind zu schützen? Sicherheit gibt es nicht, aber diese fünf Strategien können helfen, sagt Erziehungsexpertin Daniela Albert.

Dass das eigene Kind in Kontakt mit Drogen kommt, süchtig wird und vielleicht sogar in Folge dieser Sucht verstirbt, ist ein fürchterlicher Albtraum aller Eltern. Meistens schieben wir diese Möglichkeit ganz weit weg und setzen uns erst mit ihr auseinander, wenn es tatsächlich konkrete Hinweise darauf gibt, dass unser Kind auf die schiefe Bahn geraten sein könnte. Doch dann ist es leider oft schon sehr spät, in manchen Fällen zu spät. Suchtprävention beginnt in jungen Jahren.

Eins sei hier jedoch vorweggenommen: Wir Eltern haben niemals zu 100 Prozent in der Hand, wie sich der Lebensweg unserer Kinder entwickelt. Es gibt keine Garantie dafür, dass unsere Kinder niemals Drogen nehmen werden, wenn wir nur alles richtig machen. Letztlich spielen in der Entwicklung unserer Kinder, gerade in den Teenager-Jahren, so viele Unbekannte eine Rolle, dass wir uns von der Illusion verabschieden müssen, dass das eigene Kind vor allen Gefahren gefeit ist und niemals auf dumme Ideen kommt.

Doch ganz machtlos sind wir nicht. Es gibt einige Punkte, mit denen wir zumindest Weichen stellen können.

1. Bindung und Beziehung vor allem anderen

Wenn kleine Kinder von Anfang an verlässlich und liebevoll betreut werden, entwickeln sie Vertrauen in sich und die Welt – sie binden sich sicher an ihre Bezugsperson. Innerhalb dieser Beziehung können sie auch lernen, mit unangenehmen Gefühlen und Situationen umzugehen. Im besten Fall lernen sie von einem zugewandten Erwachsenen, wie sie mit Angst, Frust oder Wut umgehen können. Wenn sie umgekehrt keine verlässlichen Menschen an ihrer Seite haben oder ihre Bindungspersonen sie nicht ernstnehmen, ihre Ängste verlachen, sie wenn sie traurig sind, nicht trösten, sie für Frust oder Wut vielleicht sogar schimpfen und bestrafen, statt ihnen zu zeigen, wie man mit diesen Gefühlen gut umgehen kann, lernen sie nicht, sich selbst zu regulieren. Solche unangenehmen Empfindungen bleiben dann auch im späteren Leben ein Problem, mit dem sie nicht umgehen können. Drogen können hier als Art Ersatz für fehlende Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen gesehen werden.

Auch heute hält sich noch hartnäckig das Gerücht, man könnte Kinder verweichlichen, wenn man sie tröstet, sie beruhigt und auf ihre Gefühle eingeht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Durch unsere Zuwendung lernen sie langfristig, sich selbst zu helfen und Angst, Wut oder Trauer nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Deswegen ist es immer richtig, ein weinendes Kind zu trösten, ein ängstliches in den Arm zu nehmen, im Elternbett schlafen zu lassen oder in einer schwierigen Situation zu begleiten. Wut muss nicht bestraft werden, sondern nur begleitet – und zwar so, dass niemand zu schaden kommt.

All das muss natürlich nicht in jeder Situation perfekt umgesetzt werden, sondern nur oft genug gut genug. Es wird immer Situationen geben, in denen uns das weniger gelingt. Solange wir verstehen, dass es grundsätzlich wichtig ist, den Kindern im Umgang mit Gefühlen zu helfen und dass wir sie dadurch nicht verziehen oder verwöhnen, ist schon vieles erreicht.

2. Wertschätzung – du bist gut genug

In unserer Leistungsgesellschaft erwarten wir ziemlich viel von Kindern. Oft fühlen sich schon die Kleinsten eher dadurch beurteilt, was sie können und wie sie nach außen wirken als für das, was sie sind. Suchtprävention ist auch, hier einen Gegentrend zu setzen und den Kindern zu zeigen, dass sie wertvoll sind, ganz unabhängig davon, was sie irgendwo leisten. Kinder müssen von Anfang an erleben, dass sie gewollt und geliebt sind, dass wir ihnen zuhören, dass ihre Worte Gewicht haben und dass sie so sein dürfen, wie sie sind.

Das bedeutet nicht, dass sie der Welt auf der Nase herumtanzen würden, das Thema Grenzen ist ein anderes, sondern nur, dass nicht alle in ein bestimmtes Raster passen müssen und dass wir sie nicht mit unseren eigenen Ansprüchen überfrachten sollten. Stattdessen sollten wir neugierig auf sie bleiben und den Fokus immer wieder auf ihre Stärken legen. Kinder entwickeln so ein gutes Selbstwertgefühl – und das ist ein wichtiger Suchtpräventionsfaktor.

3. Sinnstiftende Lebensinhalte

Hobbys, Ehrenämter, das Eingebundensein in eine positiv erlebte Glaubensgemeinschaft oder einen Verein – all das können ebenfalls Resilienzfaktoren für unsere Kinder sein. Zum einen können sie so gute soziale Kontakte knüpfen und müssen nicht an schlechten Orten nach Anerkennung und Zugehörigkeit suchen. Zum anderen gibt die kontinuierliche Beschäftigung mit etwas, was man gernhat oder indem man vielleicht auch richtig gut ist, gerade in den schwierigen Umbruchjahren der Pubertät Halt und Stabilität.

Hier geht es darum, tatsächlich das Kind und seine Stärken und Vorlieben im Blick zu haben und uns nicht von dem leiten zu lassen, was wir uns vielleicht wünschen würden. Es nützt niemandem, den Klavierunterricht durchzuziehen, wenn das Kind lieber skaten oder zeichnen möchte. Nur eine Beschäftigung, die das Kind selbst gewählt hat, hat auch die Chance, langfristig in seinem Leben eine große Rolle zu spielen.

4. Jugendlichen eine offene Tür bieten

Alkohol, Zigaretten, echt komische Freunde und Musik mit grenzwertigen Texten – ab einem gewissen Alter kann es echt herausfordernd sein, Jugendliche ins Leben zu begleiten. Man möchte ihnen eigentlich ständig sagen, dass das, was sie tun, völlig daneben ist. Viele Eltern entscheiden sich in solchen Phasen dafür, solche Themen auszulagern – die Musik kannst du woanders hören, rauch halt, wir wollen es nur nicht sehen, deine Freunde triff bitte draußen, ich mag sie hier nicht und ich weiß, dass du Alkohol trinkst, aber hier ist das tabu.

Nun hat jede Familie andere Grenzen und niemand sollte seine Werte komplett über Bord werfen, wenn Jugendliche sich selbst austesten und sich dabei schwierig verhalten. Allerdings müssen wir bedenken, dass wir ihnen ab einem bestimmten Alter nicht mehr alles verbieten können – sie werden vieles trotzdem tun. Und gerade wenn wir quasi „wegschauen“ und Themen auslagern, treiben wir unsere Kinder in die Ecken, in denen wir sie eigentlich auf keinen Fall haben wollen. Wenn sich einen 16-jährige mit der Zigarette im Park verstecken muss, wird sie das vielleicht da tun, wo sich auch andere Menschen mit viel schlimmeren Suchtmitteln vor den Augen der Öffentlichkeit verbergen. Besser wäre hier, sich klar zu positionieren und zu sagen, dass man es nicht gut findet, dass sie raucht, aber es erst einmal als ihre persönliche Entscheidung akzeptiert.

Gerade an der kritischen Schwelle zwischen nicht mehr Kind und noch nicht Erwachsen brauchen junge Menschen einen Schutzraum und das kann nur ihr Zuhause sein. Sie müssen wissen, dass sie dort willkommen sind, sogar mit dem komischen Freund, der Musik, auch wenn die Eltern dabei tief durchatmen und mit den Augen rollen – und auch dann, wenn sie richtig Mist gebaut haben. Wenn wir diese Offenheit und diesen Schutzraum nicht bieten, werden sie ihn woanders suchen.

5. Kontrolle und Grenzen

Doch ganz ohne Grenzen werden wir nicht auskommen. Gerade bei jüngeren Teenagern können wir die Dinge nicht einfach laufen lassen. Die Versuchungen sind zu groß, die Tricks derer, die unsere Kinder zum Drogenmissbrauch verführen wollen, immer raffinierter. 13-, 14- oder 15-jährige dürfen sich nicht ohne unser Wissen überall da aufhalten, wo sie wollen. Es ist völlig in Ordnung, gewisse Orte komplett zu verbieten und feste Regeln – wie zum Beispiel Uhrzeiten, zu denen sie zu Hause sein müssen – aufzustellen. Gerade in diesem Alter sind Jugendliche nicht in der Lage die Konsequenz ihrer Handlungen in Gänze abzusehen. Es ist unsere Aufgabe, sie zu schützen. Schützende Verbote, das Intervenieren, wenn sie dabei sind, sich in Gefahr zu begeben und notfalls auch das frühzeitige Einholen von Hilfe von außen, wenn wir den Eindruck haben, etwas könnte richtig schieflaufen, können für sie lebenswichtig sein.

Ich glaube einer der größten Irrwege, auf dem wir uns gesellschaftlich zum Teil befinden, ist die Idee, Teenager könnten bereits allein die Verantwortung für sich übernehmen und wir seien schon bei 14- oder 15-jährigen „raus“. Nein, sind wir nicht. Im Gegenteil, wir sind gefragt wie nie, auch wenn sie nicht mehr ständig in unserer Nähe sein wollen. Es ist an uns, gerade in diesem Alter Begegnungsräume zu schaffen, unser Interesse an ihnen zu zeigen und Teil ihres Lebens zu bleiben!

Daniela Albert ist Autorin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie bloggt unter: eltern-familie.de