Sohn mit Tourette: „Mein Kind war mir peinlich“

Er rief unvermittelt „Heil Hitler“: Mit ihrem Tourette-kranken Sohn Florian ging Sabine Eisenmann regelrecht durch die Hölle. Ein Bericht.

Sabine Eisenmann (62) ist eine lebenslustige, attraktive Frau aus Aspach bei Stuttgart. Aber die Friseurmeisterin und ihr Mann Volker waren oft verzweifelt über Florian, ihren Erstgeborenen. Als Säugling litt er massiv unter Neurodermitis. Was danach kam, forderte die Eltern aber noch mehr heraus: Tourette. Mit acht, neun Jahren wurde Florian immer verhaltensauffälliger. Der Junge warf zunehmend mit obszönen Worten um sich, spuckte über den Tisch, beschimpfte Passanten aufs Übelste oder rief unvermittelt mit ausgestrecktem rechtem Arm „Heil Hitler!“ in der Fußgängerzone. „Mir war mein eigenes Kind peinlich und ich hatte massive Selbstzweifel,“ sagt die Mutter heute. Als der Kinderarzt ihr riet, sich bei der Erziehungsberatungsstelle Hilfe zu holen, war ein erster von vielen Tiefpunkten und Erschöpfungszuständen erreicht.

Hinzu kamen Querelen in der Ehe. Denn die Eltern waren unterschiedlicher Auffassung, wie mit Florian zu verfahren sei. Neben der Bibel las Mutter Sabine Erziehungsratgeber, um sich Hilfe zu holen. Denn die Aussetzer des Sohnes, der bald mit Max einen jüngeren Bruder hatte, bot auch in Kindergarten, Grundschule oder Sportverein immer wieder Angriffsflächen, erforderte Erklärungen, Rechtfertigungen und Entschuldigungen. Parallel kamen im Abstand von vier Wochen immer neue Tics hinzu, wie der Fachbegriff für diese Auffälligkeiten bei Tourette lautet – zum Beispiel das Ablecken von Schuhen oder Fassaden.

Horrortrip

„Solange wir nicht wussten, was Florian fehlt, war das wie ein Horrortrip,“ erinnert sich die Mutter, die tagsüber mit den Söhnen allein war, weil der Vater im Außendienst arbeitete. Das Schlimmste sei gewesen, dass sich Mutter und Sohn wechselseitig heimlich beobachteten. Denn intuitiv spürte der Zehnjährige, dass sein Verhalten die Mama stresste. Deshalb versuchte er, seine Tics unbemerkt von ihr auszuagieren. Sie wiederum observierte ihn umso lückenloser, um nichts zu verpassen.

Hilfreich in diesen schweren Jahren war, dass die erweiterte Familie, Freunde, Nachbarn und Gemeindemitglieder Florian nahmen, wie er sich gab, sodass hier keine zusätzlichen Konflikte wie Ausgrenzung, Rückzug oder Scham drohten. Der Terminkalender war mit Arztterminen, Untersuchungen und Besprechungen gefüllt, bei denen immer die Botschaft mitschwang, Florian sei nicht okay.

Dagegen wiederum half, dass Florians Lehrerin am Ende seiner Grundschulzeit den Eltern nahelegte, ihren Sohn trotz seiner Auffälligkeiten auf eine weiterführende Schule gehen zu lassen. Dadurch war für den Jungen der Weg frei, mit seinen Klassenkameraden zusammenzubleiben, die seine Marotten bereits kannten und ihn notfalls auch „beschützten“.

Stets „normal“ behandelt

Sabine Eisenmann hat über ihre Erfahrungen ein Buch verfasst mit dem eindrücklichen Titel: „Ficken, Fotze, Feuerfrei.“ Darin beschreibt sie, wie sie eines Tages mit Sohn und Ehemann in eine psychiatrische Einrichtung fuhr, in der Florian untersucht werden sollte. Schon auf der Hinfahrt sahen die Eltern auf dem Gelände Kinder mit Helmen, die sich selbst auf den Kopf schlugen oder die in Vorrichtungen fixiert waren. „Ich sagte zu Volker: ‚Egal, was die hier diagnostizieren und machen, hier lassen wir unseren Florian nicht.‘“ Als aber bereits zehn Minuten nach Beginn der Untersuchung und Befragung der Psychiater dem Zwölfjährigen „einen reinrassigen Tourette“ diagnostizierte und ihn mit Tabletten sedierte, war das für die Eltern wie ein Befreiungsschlag. „Endlich war klar, dass wir nichts falsch gemacht hatten.“ Und die Mutter war dankbar, dass die Nervenkrankheit nicht von weiteren Störungen überlagert war, die etwa die Motorik oder den Verstand einschränken.

Gern ließ der Arzt den Jungen wieder mit den Eltern nach Hause in dessen gewohnte Umgebung gehen, wo er seinen Platz hatte, anerkannt war und sich geliebt wusste. „Diese Normalität und Selbstverständlichkeit, die wir mit Florian in der Familie, der Nachbarschaft und in unserem Dorf lebten, hat immer alle überrascht und beeindruckt.“ Dies sei vermutlich vor allem das Verdienst von ihr und ihrem Mann gewesen, die Florian stets „normal“ behandelten und dasselbe auch von anderen erwarteten.

Regelmäßige Krisen mit Tourette

„Ich habe Florian in der Erziehung nichts durchgelassen, nur weil er vermeintlich krank gewesen ist oder es so schlimm hatte“, erklärt Sabine Eisenmann. Notfalls stellte sich der jüngere Bruder Max in der Clique schützend vor seinen Bruder und machte damit unmissverständlich klar, dass Florian dazugehört, egal, was er sagt und tut. Diese Haltung war mit ein Grund, weshalb sich die Mutter auch keiner Selbsthilfegruppe anschloss. „Ich wollte nicht ständig von Tourette sprechen müssen, wenn ich schon dauernd Florians Tics um mich hatte.“ Auch hätte ihr dieses Umfeld wohl die Hoffnung auf ein konventionelles Leben genommen, weil sie hier „von vielen schlimmen Entwicklungen hörte und las“.

In Florians Pubertät erlebte die Familie regelmäßig Krisen. So drohte den Eltern nach fünf, sechs Jahren Dauerstress die Kraft auszugehen. Doch in ihrem Glauben schöpfte Sabine Eisenmann immer neue Kraft. Und da sie ohnehin Notizen über den Krankheitsverlauf gemacht hatte, reifte in ihr der Impuls, über das Erlebte ein Buch zu schreiben. „Das Buch hat uns geholfen, das Erlebte aufzuarbeiten.“ Die Lektüre berührt durch die intimen Einblicke, die die Autorin gewährt. Wenn etwa der Ehemann phasenweise damit haderte, lieber keinen Sohn gehabt zu haben als diesen oder das Liebesleben der Eltern über Jahre auf der Strecke blieb. Das Buch macht aber auch Mut, eigene Krisen anzunehmen – weil wir sie meistern können. Es ist auch ein Plädoyer gegen Segmentierung und für Verschiedenheit im Leben. Florian arbeitet übrigens seit Jahren in Zürich. Er hat eine Top-Position in der IT-Security bei einer Bank.

Leonhard Fromm ist Wirtschaftsjournalist und Diplom-Theologe. Der zweifache Vater lebt in Schorndorf bei Stuttgart.

Notärztin gibt Tipps: Kindernotfall – So reagieren sie richtig!

Kinder rennen, klettern, fahren Roller – und sie tun sich dabei weh. Wie reagieren Eltern richtig? Notärztin Dr. Katharina Rieth erklärt, was ein Kindernotfall ist und was man tun muss.

Infekte, Verletzungen und Krampfanfälle – das sind typische Beispiele für einen Kindernotfall. Besonders häufig sind Atemwegs- und Magen-Darm-Infekte. Diese können, gerade bei Babys, die durch die verlegte Nasenatmung schlechter trinken beziehungsweise durch ständiges Erbrechen und/oder Durchfall Flüssigkeit verlieren, zur Austrocknung führen und so zu einem Notfall werden. Auch Verletzungen, zum Beispiel durch Stürze oder Verbrühungen und Verbrennungen, können rasch zum Notfall werden, wenn innere Organe oder große Flächen betroffen sind. Krampfanfälle wirken auf Eltern besonders bedrohlich. Fieberkrämpfe treten typischerweise zwischen dem sechsten Lebensmonat und sechsten Lebensjahr auf, dauern zwei bis drei Minuten und hören von allein auf. Die Kinder haben offene Augen, einen starren Blick und zittern symmetrisch. Dauert der

Krampf länger, hört nicht von allein auf, tritt innerhalb von 24 Stunden mehr als einmal auf oder zeigt eine Asymmetrie, muss das dringend abgeklärt werden.

Woran erkenne ich einen Notfall?

Um einzuschätzen, ob ihr Kind wirklich kritisch krank ist, können sich Eltern am sogenannten „pädiatrischen Beurteilungsdreieck“ orientieren. Mit diesem Tool beurteilt man durch Hören, Sehen und Fühlen:

  • Den Allgemeinzustand: Lässt sich das Kind beruhigen? Ist es noch agil? Spielt und interessiert es sich noch? Lässt sich das Fieber zwischendurch senken und scheidet es noch gut aus? Dann heißt es oft Entwarnung! Schreit es schrill, ist apathisch, trinkt nicht mehr und fiebert unter Therapie weiter hoch auf, dann ab zum Arzt!
  • Die Atmung: Zeigt das Kind Luftnot, atmet es angestrengt, also schneller und flacher oder weniger als sonst? Macht es komische Geräusche bei der Ein- oder Ausatmung? Hustet es so stark, dass es nicht mehr in den Schlaf kommt? Dann besser früher als später zum Arzt.
  • Den Kreislauf: Ist das Kind blass-marmoriert, hat kalte Arme und Beine oder blaue Lippen? Dann handelt es sich um einen Notfall!

Was gehört in jede Hausapotheke?

Meine Top Five sind:

  • Kochsalz- und abschwellende Nasentropfen, um die Nasenatmung freizuhalten
  • Fiebersenkende und schmerzlindernde Mittel in Zäpfchen- und in Saftform
  • Verbandskoffer mit Wunddesinfektionsmittel, Verbänden/Pflaster und Pinzette
  • Antihistaminika in Tropfen-, Gel- und Saftform zur Bekämpfung allergischer Reaktionen oder Juckreiz
  • Mittel gegen Stuhlunregelmäßigkeiten wie zum Beispiel Kümmelzäpfchen, Milchzucker, Elektrolytlösungen

Sollten Eltern in einem Kindernotfall ihr Kind selbst ins Krankenhaus fahren?

Wenn man mithilfe des pädiatrischen Beurteilungsdreiecks zu dem Schluss gekommen ist, dass das Kind stabil genug ist, kann man problemlos selbst in die Klinik fahren. Dabei ist es generell von Vorteil, zu zweit zu fahren, damit sich eine Person ums Kind kümmern kann. Wenn das Kind gerade einen Fieberkrampf hatte oder etwas verschluckt hat, sollte man das Kind auf keinen Fall mit dem PKW selbst in die Klinik transportieren. Das Kind könnte auf der Fahrt nochmals krampfen und dabei erbrechen oder der verschluckte Gegenstand auf einer holprigen Fahrt doch noch in die falsche Röhre gelangen. Sind Atmung, Kreislauf und Allgemeinzustand oder Bewusstsein stark beeinträchtigt, sollte immer ein Notruf abgesetzt werden.

Dr. med. Katharina Rieth ist Kinderfachärztin, Intensivmedizinerin und Notärztin. Sie engagiert sich auf Social Media unter drrieth für Aufklärung und Prävention in Sachen Kinder- und Familiengesundheit und ist Buchautorin von „Fit für den Kindernotfall“.

Ich will mehr Sex! – So finden Paare einen gemeinsamen Weg

Wenn Liebespaare unterschiedlich stark ausgeprägte sexuelle Lust haben, kann das die Beziehung sehr belasten. Was hilft, damit die Lust nicht zum Frust wird?

„Wie oft habt ihr beide Sex?“ Als uns in einer anonymen Fragerunde bei einem Eheseminar diese Frage gestellt wurde, waren wir uns einig: Darauf geben wir keine konkrete Antwort! Garantiert keine Zahl – denn wem sollte das helfen? Anders Martin Luther, der einst frei heraus den Ratschlag gab: „In der Woche zwier, schaden weder ihm noch ihr, macht im Jahre hundertvier.“ Doch wir glauben, dass Sexualität sich nicht so verallgemeinern lässt. Es gibt kein Richtig oder Falsch in Praktiken oder Häufigkeit. Entscheidend ist, wie es beiden damit geht. Viel wichtiger als die genaue Zahl der Sexualkontakte ist die Qualität der Paarbeziehung. Allerdings bedingt sich beides oft: Paare, die in Befragungen eine hohe Beziehungszufriedenheit angeben, haben in der Regel häufiger Sex als Paare, die insgesamt unzufrieden sind.

Unzufriedenheit und Konflikte

Das Problem kennt fast jedes Paar: unterschiedliches sexuelles Verlangen und verschiedene Vorstellungen darüber, was eine angemessene Frequenz für Intimverkehr sei. Tendenziell beobachten wir mehr Interesse an Sex bei Männern. Das variiert aber von Paar zu Paar. Immer häufiger sind es auch Frauen, die sich mehr intime Aktivitäten erhoffen, während ihre Partner sich zurückziehen. Die Gründe sind vielfältig: Stress, Erschöpfung, medizinische Probleme, hormonelle Schwankungen, traumatische Vorerfahrungen, psychische Erkrankungen, häufiger Pornokonsum. Oft ist es eine Störung der Beziehungsdynamik insgesamt, Unzufriedenheit über die Qualität des gemeinsamen Lebens und mit dem gegenseitigen Umgang, die einem (oder beiden) die Lust rauben.

Die Kluft im sexuellen Begehren führt zu Unzufriedenheit und Konflikten. Schließlich ist Sexualität ein starker Motor und Teil der Identität. Wer immer wieder im Bett abgewiesen wird, entwickelt Frustgefühle und fühlt sich manchmal sogar persönlich abgewertet. Allerdings gerät auch die Person, die weniger Lust hat, unter Druck. Viele plagt ein schlechtes Gewissen, wenn sie nicht auf das Drängen des anderen eingehen. Sie fühlen sich möglicherweise auf ihren Körper reduziert und als Ehepartner ungenügend. Wenn dann Sex regelrecht eingefordert oder einzig aus Angst vor Ablehnung ertragen wird, hilft das der Liebe auf keiner Seite weiter.

Was sind gute Strategien, um mit diesen unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen?

Offen über Sex reden

Wer Probleme mit der Sexualität hat, sollte darüber reden, und zwar offen und mit der ehrlichen Absicht, die Sicht des anderen zu hören und zu verstehen. Vielen ist das Thema unangenehm und sie ziehen sich zurück oder attackieren einander auf anderen Ebenen. So halten sie den anderen auf Abstand, um sich dem eigentlichen Problem nicht mehr stellen zu müssen. Das verfestigt aber den Keil zwischen beiden.

Ein ehrliches Gespräch über unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse und sexuelle Gefühle hilft, einander wieder näherzukommen und möglicherweise auch die Gründe hinter der starken Lust oder Lustlosigkeit zu entdecken. Dabei ist wichtig: Man darf den anderen nicht angreifen oder Vorwürfe machen, sondern sollte ausschließlich die eigenen Gefühle und Erwartungen beschreiben. Währenddessen sollte der Partner einfühlsam und interessiert zuhören. Nicht selten führt allein schon diese offene Kommunikation dazu, dass sich etwas in der Paardynamik bewegt und sich Lösungen, mit denen beide gut leben können, finden lassen.

Forschungen weisen sogar darauf hin, dass Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und die Bereitschaft, auf den Partner einzugehen, sexuelles Verlangen fördern können.

Wichtig ist, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt und geliebt fühlt: „Auch wenn du meine Sehnsüchte gerade nicht befriedigen kannst, liebe und achte ich dich.“ „Auch wenn mir deine sexuelle Energie manchmal zu heftig ist, glaube ich dir, dass du mich als Person liebst und es dir nicht nur ums Körperliche geht. Ich respektiere deine größere Lust und kann sie als Ausdruck deiner Leidenschaft für mich annehmen.“ „‚Nein, nicht heute‘ bedeutet nicht, dass ich dich nicht liebe. Es liegt nicht an deiner Attraktivität und deinem Wert.“

Zugegeben, das klingt idyllisch und manchmal ist es ein schmerzlicher Weg, bis Paare dahin kommen. Einige schaffen es nicht ohne therapeutische Hilfe. Die Moderation einer dritten Person und der neutrale, wohlwollende Blick von außen können hilfreich sein, um gute Lösungen zu finden.

Sex ist nicht alles

Wie steht es um die Paarbeziehung insgesamt? Paare, die Probleme im sexuellen Bereich haben, sollten viel Zeit in andere Aktivitäten investieren, die beiden guttun: gemeinsame Hobbys, Ausflüge, ehrenamtliches Engagement, sportliche Aktivitäten. Wer auf dem sexuellen Pfad so gar nicht weiterkommt, muss Druck rausnehmen. Es hilft nicht, wenn einer dem anderen permanent ein schlechtes Gewissen macht. Vielleicht ist es für den sehr bedürftigen Partner auch dran, Selbstbeherrschung zu lernen und sich bei der geliebten Person weniger auf den Körper als vielmehr auf die inneren Werte zu konzentrieren.

Manche Paare gehen einander regelrecht aus dem Weg, um ja nicht in die Situation zu geraten, nach Sex gefragt zu werden. Da kann es helfen, zu vereinbaren, das Thema für eine gewisse Zeit ganz ruhen zu lassen und sich stattdessen bewusst auf andere Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Manche brauchen diese Sicherheit, um wieder vertrauen zu können.

Die Lust auf Sex anregen

Oft leidet der Partner mit geringerer Libido darunter und würde eigentlich dem anderen zuliebe, aber auch für sich selbst gerne mehr sexuelle Intensität entwickeln. Die Forschung sagt: Menschen, die öfter Sex haben, empfinden auch ein höheres Maß an Lust auf Sex und wollen öfter intim werden. Ist Sex eine gute Erfahrung, möchte man sie häufiger machen.

Insofern könnten Partner, die eine geringere Libido haben, versuchen, sich in Stimmung zu versetzen. Eine Frau kann sich gedanklich auf Lust programmieren, indem sie im Lauf des Tages immer wieder bewusst ihre Geschlechtsorgane wahrnimmt, den Beckenboden durch Anspannen trainiert, hübsche Unterwäsche trägt, in der sie sich schön fühlt. Angenehme erotische Anspielungen des Partners, schmeichelnde Bemerkungen und zärtliche Berührungen im Alltag können luststeigernd wirken. Manchen hilft es, Termine für Sex zu setzen. Was für manche befremdlich klingt, hilft anderen, weil sie sich kontrolliert auf diese Paarzeit vorbereiten und intensiv darauf einstellen können.

Sich auf die unterschiedlichen Empfindungen einlassen

Es klingt ein bisschen verrückt, aber tatsächlich: Der Appetit kommt mit dem Essen. Befriedigender, lustvoller und erfüllender Sex steigert die Lust auf Wiederholung. Enttäuschende Erfahrungen beim körperlichen Zusammensein haben gegenteilige Wirkung. Das heißt auch: Der Partner mit der stärkeren Lusterfahrung sollte intensiver danach fragen, wie Sex für den anderen zu einem beglückenderen Erlebnis werden könnte.

Vor allem Frauen haben oft nicht spontan Lust auf Sex, können aber durch liebevolles Werben des Partners und durch erotische Berührungen, die sie mögen, dafür gewonnen werden. Hier ist Kommunikation besonders wichtig! Viele Partner wissen nämlich gar nicht, was sich für den anderen tatsächlich gut anfühlt und was der andere erotisch findet. Auch ändert sich das im Verlauf des Zyklus einer Frau stark. Während zum Beispiel in einem Stadium die Berührung der Brustwarzen elektrisiert, kann es an anderen Tagen wehtun und abschrecken. Ein bisschen ist Sex eben wie ein Tanz: Einer fordert auf, der andere lässt sich ein, beide finden in den Rhythmus und erst nach einigen Takten ist die Harmonie hergestellt.

Kompromisse aushandeln

Wenn die Erwartungen an die Häufigkeit der sexuellen Begegnungen stark abweicht, können Paare versuchen, Kompromisse auszuhandeln. Vielleicht hätte er gerne am liebsten täglich Sex, während ihr alle zwei Wochen vollkommen ausreichen. Wie wäre es, wenn die beiden sich zum Beispiel auf einmal pro Woche einigen? Dann sind die Parameter klar und beide können sich darauf einstellen und diese Begegnungen bewusst gestalten.

Sicher wird es nicht für alle die vollkommen zufriedenstellende Lösung geben. Einige körperliche oder hormonelle Ursachen sind zwar medikamentös behandelbar, aber manchmal kommt die Medizin an ihre Grenzen. Nebenwirkungen von Medikamenten hemmen teilweise die Lust und machen es schwer bis unmöglich, sexuelle Leidenschaft zu entwickeln. Auch psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen können nicht einfach durch einfühlsame Kommunikation überwunden werden.

Aber auch solche Paare können Wege finden, wie sie einander dennoch nah bleiben: Zärtlichkeiten müssen nicht immer im Beischlaf enden, sorgen aber für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen und stärken damit das Wohlbefinden. Alternative Formen von Intimität ohne Penetration können helfen, dass der lustbetonte Partner trotzdem auf seine Kosten kommt.

Marcus und Susanne Mockler – er ist Journalist, sie ist Paartherapeutin mit eigener Praxis und Vorsitzende der MarriageWeek Deutschland.

Enttäuschung: Wenn mein Kind nicht meinen Vorstellungen entspricht

Kinder entsprechen nicht immer den Erwartungen, die ihre Eltern an sie haben. Was können Eltern tun, damit daraus keine schädliche Dynamik von Enttäuschung und Ablehnung entsteht?

Über ein Thema in der Eltern-Kind-Beziehung wird wenig gesprochen und geschrieben: die Enttäuschung über das eigene Kind. Dabei kennen dieses Gefühl wohl die meisten Eltern mehr oder weniger stark. In manchen Momenten ist mir mein Kind vertraut und herzensnah. Aber je älter das Kind wird und je deutlicher die Persönlichkeit sichtbar wird, desto eher müssen wir uns dem Gefühl der Enttäuschung stellen.

Unerfüllte Wünsche

Aber darf ich als Mutter oder Vater überhaupt enttäuscht von meinem eigenen Kind sein? Vorsichtig formuliere ich eher: „Ich mache mir Sorgen“ oder „Ich verstehe nicht, warum …“. Ich wage es nur selten, meine Gedanken über meine innere Zerrissenheit zu teilen. In der Psychologie gibt es eine Sicht auf diese Irritation zwischen Eltern und Kindern. Die Definition des Begriffes Enttäuschung ist darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen darunter leiden, dass ihre Wünsche oder Hoffnungen nicht in Erfüllung gegangen sind. Wenn die Wünsche der Eltern nicht erfüllt werden, entsteht bei ihnen Kummer und Enttäuschung.

Das sind oft kleine Alltagsmomente: So kann zum Beispiel ein Kind, das ständig die Nähe seiner Mutter sucht und an ihr klebt, für sie zur Herausforderung werden. Wenn sie ehrlich ist, eskaliert es schon in ihr, wenn sie spürt, dass das Kind sich im Raum näher zu ihr orientiert. Immer wieder bekommt sie Rückmeldungen, wie wichtig es sei, dass sie ihr Kind ermutigt, sich von ihr zu lösen. Sie gibt sich alle Mühe, hat aber das Gefühl, ihr anhängliches Kind lässt sich nicht darauf ein. Nach überstandenen Stresssituationen sammelt sich in ihr eine Mischung von Erschöpfung und Ratlosigkeit, die sie in ihrem mütterlichen Handeln lähmt. Das innere Bild ihres Kindes nimmt die Mutter mit zum nächsten Geburtstag, wo scheinbar alle Kinder miteinander spielen – ihr Kind aber auf ihrem Schoß wie festgeklebt ist. Das Bild verstärkt sich beim Besuch in der Stadtbücherei, wo das Kind jammert und keine Ruhe zum Verweilen hat. Das Gefühl der Verunsicherung und der inneren Abwehr klebt an dieser Mutter und lässt sie nicht los.

Die Enttäuschung ansehen

Die Dynamik der Enttäuschung kann vor allem dann zerstörerisch sein, wenn ich die Enttäuschung nicht bewusst wahrnehme, sondern verdränge. Sogar vor mir selbst fällt es mir oft schwer, ehrlich zu sein. Die inneren Enttäuschungsmomente führen dann mehr und mehr zu einer Distanz zum Kind. Diese Distanz spürt das Kind und wird dadurch noch mehr verunsichert.

Es können viele unterschiedliche Dinge sein, die bei mir als Mutter ein Gefühl der Enttäuschung auslösen: Mein Kind ist nörgelig oder unmusikalisch oder ängstlich oder unfreundlich oder unsportlich … Dabei ist es wichtig, meine Enttäuschung anzusehen und auszusprechen. Wenn ich wegsehe, machen mich die gesammelten Enttäuschungsmomente immer weniger liebesfähig. Enttäuschungen haben so viel mit meinen Hoffnungen, Wunschvorstellungen und Erwartungen zu tun. Bei Enttäuschungen handelt es sich um eine subjektive Wahrnehmung. Das bemerke ich allein dadurch, dass mein Mann ganz anders mit bestimmten Situationen umgeht.

Es ist wichtig, meine Emotionen, Erwartungen und Handlungen zu verstehen, um letztendlich meinen Frieden mit der Enttäuschung zu schließen: Ich wäre so gern verständnisvoll. Ich verstehe mein Kind nicht. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Als Christin hilft mir das Gebet: Je mehr ich meinen Kummer vor Gott ausbreite, desto mehr fällt mir mein „Ich“ auf. Ja, mein Kind ist vom Charakter und vom Handeln her anders, als ich es mir ausgemalt habe. Es geht hier aber tatsächlich um mich!

Eigene Erwartungen

Die Dynamik der Enttäuschung hat etwas mit meinem Bild von meinem Kind und von mir als Mutter zu tun. Die Enttäuschung fühlt sich so an, als würde ich meinen eigenen Erwartungen nicht gerecht. Die ursprüngliche Erwartung war demnach höher als das tatsächliche Ergebnis. Aber die Beziehung zu meinem Kind ist keine abrufbare Investition. Sie ist ein offener Prozess voller Nähe- und Distanzübungen.

Wenn nun diese Dynamik der Enttäuschung erneut loslegen will, möchte ich mich hinterfragen: Die Entwicklung einer Persönlichkeit ist keine Gleichung: Liebe rein – Charakter raus. Situationen, die nicht meinen Erwartungen gerecht werden, sollten nicht immer als komplett negative Situationen gewertet werden. Ich darf versuchen, der Situation etwas Positives abzugewinnen und sie als Chance für mich und mein Kind zu betrachten. Ich möchte diese objektiv beurteilen und hinterfragen: Was will mir mein Kind mit seinem Verhalten mitteilen? Als Mutter kann ich Vorbild sein und einen Platz zum Austausch unserer Gefühle finden, um diese zu verarbeiten.

Mutige Schritte

Dabei verzichte ich auf negativ festlegende Gedanken und Aussagen über mich. Mich als Mutter an den Pranger zu stellen und mir Vorwürfe zu machen, belastet nicht nur mich, sondern auch die Nähe zum Kind. Um mich von meiner Enttäuschung zu lösen, gebe ich meine Vorstellungen, Hoffnungen und Wünsche ganz bewusst an Gott zurück. Ich bemühe mich um ein Miteinander mit meinem Kind, sodass es sich angenommen und geliebt weiß. Dabei können diese kleinen Übungen helfen:

  • Ich lächle mein Kind an, wenn es den Raum betritt.
  • Ich kommentiere das Spiel meines Kindes nicht.
  • Ich frage: Wie ging es dir in dieser Situation?
    Oder: Was schlägst du vor?

Vielleicht finden wir zusammen eine Idee für mutige Schritte. So lange übe ich mich darin, das Gute in meinem Kind zu sehen und zu benennen.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern.

Warum Faulsein nicht immer schlecht ist

Faulsein hat einen schlechten Ruf. Zu Recht? Family-Redakteurin Bettina Wendland findet, dass Faulheit sowohl hilfreich als auch hinderlich sein kann.

Pippi Langstrumpf hat uns diesen Ohrwurm beschert: „Faulsein ist wunderschön, denn die Arbeit hat noch Zeit.“ Allerdings assoziiere ich die Efraimstochter eher mit „hyperaktiv“ als mit „faul“. In meiner Erinnerung ist sie immer in Bewegung: Sie jagt Verbrecher, klettert Wände hoch, bespaßt ihre Freunde und reist durch die Südsee. Aber ja, es gibt auch diese andere Seite bei ihr: Sie schwänzt die Schule, chillt in der Villa Kunterbunt und schwebt mit dem Heißluftballon über die schwedische Landschaft. Und das ist irgendwie typisch für das Thema Faulsein: Es ist vielschichtig und wird, je nachdem, aus welcher Perspektive man es anschaut, sehr unterschiedlich bewertet.

Der Begriff „Faulsein“ oder „Faulheit“ ruft verschiedene, zum Teil sogar gegensätzliche Assoziationen hervor. Eher positive wie ausruhen, Pause, Entspannung, das Leben genießen … Und eher negative wie Trägheit, Arbeitsscheu, Bequemlichkeit, abhängen … Die Synonyme Nichtstun und Müßiggang sind ähnlich mehrdeutig. „Nichtstun macht nur dann Spaß, wenn man eigentlich viel zu tun hätte“, wird der englische Schriftsteller und Komponist Noël Coward (1899-1973) zitiert. Ein wahres Wort. In stressigen Zeiten ist die Sehnsucht danach, einfach mal nichts zu machen, besonders hoch. Für Menschen, die aufgrund ihres Alters oder einer Erkrankung nur wenig aktiv sein können, ist das Nichtstun dagegen eher eine Belastung. Und die Herausforderung des Alltags liegt für sie eher darin, „die Zeit totzuschlagen“.

Zwischen Todsünde und Dolce far niente

Von der Antike bis in die Neuzeit hinein war der Müßiggang kulturell meist höher angesehen als die Arbeit. Sokrates lobte die Muße als „Schwester der Freiheit“. Die Arbeit war eher etwas für das einfache Volk und mit Mühsal und Nöten verbunden. Diese Einstellung zur Arbeit – und damit zum Nichtstun – änderte sich maßgeblich mit der Reformation. Luther zitiert ein Sprichwort seiner Zeit: „Wer treu arbeitet, der betet zweifach.“ Gott nachzufolgen und die irdischen Pflichten zu erfüllen, gehört für ihn zusammen. Damit knüpft er an die katholische Tradition an, in der die Acedia (Nichtstun, Trägheit) seit dem Ende des vierten Jahrhunderts zu den sieben Todsünden gehörte. Der Dichter Hans Sachs, ein Zeitgenosse und Anhänger Martin Luthers, bringt die Kritik an der Faulheit in seinem Gedicht „Die frau Sorg und frau Faulkeit“ auf den Punkt: „ste auf, sunst bist verloren!/wiltu der Faulkeit hulden,/so mustu armut dulden./Faulkeit tregt auf dem rücke/wol mengerlei unglücke.“

Für den Reformator Calvin waren Fleiß und der damit im Idealfall verbundene Reichtum Begleitumstände eines gottgefälligen Lebens und der Gnade Gottes. Die sich in dieser Zeit entwickelnde so genannte protestantische Arbeitsethik prägt viele von uns bis heute.

Wohlergehen braucht Auszeiten

Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten die Wahrnehmung des Nichtstuns in unserer Gesellschaft gewandelt. Dr. Yvonne Robel von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg hat erforscht, wie sich die gesellschaftliche Haltung zum Müßiggang historisch verändert hat: „In den 50er- und 60er-Jahren herrschten auf der einen Seite extreme Sehnsüchte, etwa nach dem sogenannten ‚Dolce far niente‘ – dem süßen Nichtstun im Italienurlaub. Auf der anderen Seite gab es bis 1969 Arbeitshäuser zur Disziplinierung von sogenannten Arbeitsscheuen.“ (zit. n. uni-hamburg.de). Seitdem hat sich einiges geändert, wie Dr. Yvonne Robel feststellt: „Inzwischen steht mehr im Fokus, dass jeder für sich und sein Wohlergehen verantwortlich ist – und dazu gehört eben auch, sich um Auszeiten zu kümmern.

Nichtstun erfährt dabei übrigens eine vermehrte Bedeutungsaufladung. Das eine wichtige Stichwort ist Gesundheit, ein weiteres ist Kreativität. Nichtstun ist ja nicht einfach nur Rumhängen, sondern wird mit Ratgebern, die erklären, wie man richtig und effektiv nichts tun kann und dabei noch kreativ wird, quasi gestaltet.“ Das Faulsein ist salonfähig geworden.

Schöpferisches Faulsein

„Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause“, sagte schon die englische Dichterin Elizabeth Barrett Browning (1806-1861). Was zu ihrer Zeit nur der „Upper Class“ vorbehalten war, ist heute Allgemeingut. Nichtstun, Ausruhen, Pausieren ist wichtig. Ohne regelmäßiges Abschalten brennen wir aus. Wie unsere technischen Geräte müssen auch wir uns immer wieder herunterfahren und ausschalten, bevor wir neu durchstarten können.

Allerdings geht es meist weniger darum, dass wir uns von etwas erholen, sondern dass wir uns für etwas ausruhen – um anschließend mit voller Kraft weiterzuarbeiten. Die Faulheit und das Nichtstun sind nicht in sich selbst wertvoll, sondern weil sie uns gesundheitlich und kreativ weiterbringen. Nicht umsonst sprechen wir gern von einer schöpferischen Pause. Eine Pause ist nur dann „erlaubt“, wenn dabei etwas herausspringt. So richtig faul ist das nicht.

Es fällt uns wohl tatsächlich schwer, einfach nur faul zu sein. Ohne Hintergedanken. Ohne Überlegung, wie wir davon wieder profitieren können. Dabei ist doch das Nichtstun um seiner selbst willen wertvoll. Aber in unserer Lebensrealität kaum auszuhalten. Das schlechte Gewissen ist unser ewiger Begleiter. Wenn wir mal faul sind, dann nur mit gutem Grund und einer Entschuldigung oder Erklärung auf den Lippen.

Hinderliches Faulsein

Aber das ist ja auch nachvollziehbar. Denn faul zu sein ist nicht nur wunderschön. Faulheit kann uns Wege verbauen, Entwicklungen behindern – unsere eigenen oder auch die unserer Kinder. Wobei ich an dieser Stelle eher von Bequemlichkeit sprechen würde. Bequemlichkeit hindert uns daran, notwendige Schritte zu gehen und positive Veränderungen einzuleiten. Wem es zu anstrengend ist, Jobmöglichkeiten zu recherchieren und Bewerbungen zu schreiben, der wird aus seinem ungeliebten Berufsalltag nicht herauskommen und möglicherweise immer unzufriedener. Wer zu bequem ist, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, verliert vielleicht die enge Beziehung zu ihnen. Auch in Bezug auf die Bewahrung unserer Schöpfung ist Bequemlichkeit eine der größten Hürden. Mit dem Auto lassen sich Wege schneller und vor allem bequemer zurücklegen als mit dem Rad oder der Bahn. Nachhaltig einzukaufen kann anstrengend sein. Müll trennen nervt …

Problematisch finde ich auch Faulheit im zwischenmenschlichen Bereich. Beziehungen zu pflegen, kann anstrengend sein. Gemeinschaft zu leben, fordert uns heraus, weil der andere so anders ist als ich. Dabei lohnt es sich, hier zu investieren, weil gute Beziehungen echte Lebensqualität bedeuten.

Und jetzt?

Mein persönliches Fazit nach meiner intensiven Beschäftigung mit dem Faulsein – was in sich ja schon irgendwie unlogisch ist: Im Kleinen, Alltäglichen ist Faulsein, ist Nichtstun überlebenswichtig, um den Kopf freizubekommen, den Moment zu genießen, neue Kraft zu schöpfen und eine gesunde Balance für sein Leben zu entwickeln. Das heißt nicht, dass ich nun bei meinen alltäglichen Aufgaben schluderig werden soll. Aber ich darf es mir leisten und gönnen, auch mal einfach nur faul zu sein und in die Luft zu gucken.

Vor allem in großen Entscheidungen des Lebens kann Faulheit allerdings dazu führen, dass ich Chancen verpasse und Träume irgendwann ausgeträumt habe, weil es zu spät ist, sie umzusetzen. Das kann berufliche Entscheidungen betreffen, Erziehungsziele, Ideen, wie ich meine Begabungen auslebe oder mich persönlich weiterentwickeln kann. Ich möchte mich nicht im Nachhinein ärgern, dass ich aus Bequemlichkeit etwas nicht getan habe, was ich eigentlich gern tun und erreichen wollte. Aber es fällt mir definitiv leichter, mich für die großen Schritte zu motivieren, wenn ich mir im Kleinen ein bisschen Faulheit gönne. Und deshalb brauche ich jetzt erst mal eine Pause!

Bettina Wendland ist Redaktionsleiterin von Family und FamilyNEXT.

Soziale Netzwerke – gehören Kinderbilder auf Insta und Co?

Soziale Netzwerke laden dazu ein, das eigene Leben mit dem Rest der Welt zu teilen. Dabei stehen Eltern oft vor der Frage: Kann ich ein Bild von meinem Kind posten? Mediencoach Iren Schulz rät zur Vorsicht.

Das Familienleben hält jede Menge aufregende, lustige und besondere Momente bereit. Und weil Eltern sich gern daran erinnern und stolz auf ihre Kinder sind, werden die Erlebnisse mit der Smartphone-Kamera festgehalten und in privaten oder eben auch öffentlichen Communities geteilt. Insbesondere soziale Netzwerke bieten eine Plattform. Auch wenn Eltern positive Gedanken dabei haben, übersehen sie leider, dass solches Bildmaterial im Prinzip für jede(n) zugänglich ist und in falsche Hände geraten kann.

Grundsätzlich muss man sagen, dass digitale Medien wie das Smartphone heute selbstverständlicher Bestandteil des Familienalltags sind und nicht nur bei der Organisation helfen, sondern auch eine Art Erinnerungskiste, Verbindungsschnur und Sammelalbum darstellen. Gleichzeitig ist aber die Kindheit eine besonders schützenswerte Lebensphase. Wir als Erwachsene tragen die juristische und erzieherische Verantwortung dafür, dass Kinder sicher und gut aufwachsen können.

Das Recht am eigenen Bild

Juristisch gesehen ist das zum Beispiel darüber geregelt, dass auch Heranwachsende ein Recht am eigenen Bild haben. Weil sie aber noch nicht selbst über die Veröffentlichung entscheiden können, sind Eltern gefragt, hier besonders sensibel und sorgsam zu entscheiden. Denn sicher ist, dass Kinderfotos im Netz das Risiko für unerwünschte Kontakte oder eine problematische Weiterverwendung bergen. Deshalb sollten sich Eltern gut überlegen, ob und auf welche Art und Weise sie Kinderfotos im Netz und in sozialen Netzwerken verbreiten.

Öffentlich zugängliche Profile, Portale und Programme sind dafür nicht geeignet. Wenn Bilder veröffentlicht werden, sollten Kinder auf diesen Fotos nicht direkt erkennbar sein, sondern beispielsweise nur im Anschnitt, von hinten oder mit Sonnenbrille. Außerdem ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Fotos keine Kontextinformationen wie personenbezogene Daten zum Kind, Standortdaten oder Ähnliches enthalten. Zudem sollten Eltern regelmäßig die Sicherheits- bzw. Privatsphäre-Einstellungen in ihren Social-Media-Profilen überprüfen. Fotos von Kindern in peinlichen, unangenehmen oder unangemessenen Situationen sind absolut tabu!

Gute Routinen und Regeln

Mit dem Älterwerden sollten Heranwachsende in die Entscheidung einbezogen und gefragt werden, ob sie einverstanden sind, dass ein Foto von ihnen erstellt und geteilt wird. Kinder haben nicht nur ein gutes Bauchgefühl, sondern eben auch ein Recht darauf und lernen so, bewusst und souverän mit den Möglichkeiten digitaler Medien umzugehen. Hierbei ist auch noch einmal die Vorbildrolle von uns Erwachsenen angesprochen. Wenn wir uns verantwortungsvoll mit und in digitalen Medien bewegen, gute Routinen und Regeln in der Familie etablieren und auch mal ohne Smartphone zum Ausflug antreten, wird es eher gelingen, diese Handlungsweisen an unsere Kinder weiterzugeben. Und mal ehrlich: Ist nicht jeder Ausflug und jedes Erlebnis schöner, wenn die Familie mit allen Sinnen – und nicht mit allen Bildschirmen – dabei ist?

Dr. Iren Schulz ist Mediencoach bei der Initiative „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“

Silvester mit Teenagern? So gelingt die Party

Jedes Jahr die gleiche Frage: Wie feiern wir Silvester? Eltern möchten gerne mit den Kindern feiern, aber viele Teenager finden die Party mit den Eltern öde. Wie ein Familienfest gelingen kann verrät Pädagogin Stefanie Böhmann.

Eins steht für unsere Kinder fest, die mittlerweile Teenager oder junge Erwachsene sind: Um 24 Uhr an Silvester wollen sie das neue Jahr nicht mit einem musikalischen Feuerwerk oder langen Ausführungen über das letzte Jahr oder nicht erreichbaren Vorsätzen für das neue Jahr begrüßen, sondern mit handfesten Umarmungen und einem Glas Sekt in der Hand. Alles andere wird boykottiert.

Teebeutelrakete

Die Knallerei muss nicht mehr sein. Denn unsere jungen Erwachsenen sind zunehmend am Erhalt der Welt interessiert und sehen in den Knallern doch zu viel Umweltverschmutzung. Was natürlich nicht gegen ein nachbarliches Schnorren von ein paar Knallern um 24 Uhr spricht, um doch noch den pyromanen väterlichen Genen etwas nachzukommen. Alternativ kann man einen Teebeutelraketen-Wettbewerb durchführen. Dazu muss sich jeder eine Teebeutelrakete bauen. Alle zählen den Countdown runter. Jeder zündet die eigene Rakete an und hofft, mit der eigenen Teebeutelrakete am höchsten zu kommen (Anleitung: kurzelinks.de/9c8c).

Fondue gehört bei uns zu Silvester wie, man könnte schon sagen: das Amen in der Kirche. Es braucht doch seine Zeit, bis man satt geworden ist. Und diese Zeit hat man ja normalerweise an diesem besonderen Abend im Jahr. Unser letzter Silvesterabend hat uns allen sehr gut gefallen: Unsere Kinder meinten einige Wochen vorher, dass sie vermutlich alle außer Haus seien, was uns dazu veranlasst hatte, Freunde einzuladen. Eine Woche vor Silvester stellte sich heraus, dass unsere Kids dann doch lieber mit Freunden zu Hause feiern wollten. An einen Esstisch passten wir somit nicht mehr. Wir stellten im „Kinderzimmer“ eine Bierbank auf, sodass die Jugend erst mal für sich das Fondue gegessen und Musik gehört und getanzt hat.

Das Erstellen eines kurzen Jahresrückblicks mit Highlights aus dem vergangenen Jahr oder einer selbst moderierten Nachrichtensendung mit den wichtigsten Fakten war auch schon alles mal da und hat für Spaß, Anerkennung und Zeitvertreib gesorgt.

Alt gegen jung

Wenn alle Gäste involviert sein sollen, eignet sich das klassische „Activity“-Spiel. Hat man es nicht im Haus, kann man sich mit der „Wortbowl“ gut behelfen, denn dazu braucht man nur etwas zum Schreiben, kleine Zettel und eine Schale. Jeder Teilnehmer schreibt drei Hauptwörter auf jeweils einen kleinen Zettel, der in der Mitte einmal geknickt und dann in die Wortschale gelegt wird (wie zum Beispiel Herbstzeitlose, Pyrotechniker, Christbaumkerzenständer). Man teilt die ganze Gruppe in zwei Gruppen – sehr beliebt: alt gegen jung.

In der ersten Runde muss man wie bei „Tabu“ das Wort erklären, darf aber das Wort selbst oder Wortteile davon nicht benutzen. Jede Gruppe hat eine Minute Zeit zum Erklären, dann wird gewechselt. Mitraten darf immer nur die eigene Gruppe. Die anderen müssen aber aufpassen, denn die Wörter werden, nachdem alle erklärt und erraten und die erreichten Punkte gezählt wurden, wieder in die Bowl gelegt. In der nächsten Runde werden die gleichen Wörter pantomimisch gespielt. In der darauffolgenden Runde darf nur noch ein anderes Wort gesagt werden, um den Begriff zu umschreiben (zum Beispiel für Herbstzeitlose – Pflanze). In der letzten Runde dürfen nur noch Geräusche gemacht werden, was sehr lustig ist (zum Beispiel Pyrotechniker – Peng!). Wir hatten so viel Spaß dabei, dass der Abend förmlich verflogen ist und wir gestaunt haben, wie schnell es Mitternacht war!

Stefanie Böhmann ist Pädagogin und individual-psychologische Beraterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Wenn’s mal wieder laut wird… – So gelingt der Umgang mit der Wut

Im alltäglichen Familientrubel kann es schnell hitzig werden. Wenn die Wut hochkocht, braucht es starke Nerven. Psychotherapeutin Melanie Schüer gibt Tipps, was Eltern und Kindern hilft.

Knallende Türen, lautes Geschimpfe und jede Menge Tränen – dass die Wut immer mal wieder hoch- bzw. auch überkocht, kennen wohl alle Familien. Und das ist auch ganz nachvollziehbar. Denn Kinder zu erziehen, nebenbei den Haushalt zu führen, den Familienalltag zu organisieren und womöglich auch noch zu arbeiten – das ist Schwerstarbeit und oftmals eine Überforderung. Schlafmangel, ständige Infekte, ein übervoller Terminkalender, riesige Wäscheberge und viele weitere Herausforderungen im Leben mit Kindern zerren einfach an den Nerven. Dass Eltern da immer mal wieder die Geduld verlieren und lauter werden, als sie eigentlich wollen, ist verständlich.

Anschreien ist fast wie körperliche Gewalt

Was, wenn im Affekt dann sogar die Hand ausrutscht? Dann fühlen sich die meisten Eltern sehr schnell sehr schlecht, und das ist gut so! Denn auch wenn wir alle nicht perfekt sind und einzelne Fehler uns nicht gleich zu schlechten Eltern machen – körperliche Gewalt ist ein No-Go. Zahlreiche Studien zeigen, wie schädlich es für Kinder ist, wenn sie mit Gewalt erzogen werden. Übrigens: Studien zeigen zudem, dass regelmäßiges Anschreien sich auf Kinder genauso negativ auswirkt. Beides schadet der psychischen Gesundheit und der Entwicklung von sozialen Fähigkeiten ganz enorm. Schreien ist verbale Gewalt und damit genauso schwerwiegend wie ein Klaps.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es mit der glücklichen Kindheit vorbei ist, wenn Papa oder Mama mal die Sicherung durchbrennt. Aber: Körperliche und verbale Gewalt sollten wir als Eltern beide niemals als „normal“ ansehen.

Schadensbegrenzung im Worst Case

Stattdessen gilt, wenn wir eine solche Grenze überschritten haben:

  • sich kurz Ruhe gönnen, tief durchatmen
  • sich bei dem Kind entschuldigen: „Es tut mir leid! Ich hätte dich nicht anschreien/hauen dürfen. Entschuldige bitte.“
  • Überlegen, was der Auslöser war und, wie die Ruhe zukünftig besser gewahrt werden kann. Oft ist es wichtig, sich mehr Ruhepausen zu organisieren, z.B. mithilfe von Familienpaten oder Projekten wie „wellcome“ mit Kindern im ersten Lebensjahr (wellcome-online.de)
  • Wenn die Wut immer wieder mit einem durchgeht: Unterstützung holen, z.B. von einer Erziehungsberatungsstelle (dajeb.de)

Durch ein solches Verhalten bringen wir unseren Kindern etwas Wichtiges bei: Fehlerfreundlichkeit. Sie sehen an unserem Beispiel, wie man Fehler zugeben und an sich arbeiten kann. Und das hilft auch ihnen selbst, einen guten Umgang mit den eigenen Emotionen und Schwächen im Verhalten zu erlernen.

Wenn die Wut kommt: Tools für den Umgang

  • Eine Hand auf den Bauch legen und tief in den Bauch einatmen, kurz die Luft anhalten, dann langsam und ausgiebig ausatmen. Das 5 Mal wiederholen.
  • Beobachten, was sich in unseren Gefühlen und unserer Körperwahrnehmung verändert, wenn der Ärger wächst, z.B. Hitze, Herzrasen, Anspannen der Muskeln, etc., um zu erkennen, wann es gefährlich wird.
  • Sich ein Codewort überlegen, das man sich innerlich als Stopp-Signal sagt, wenn die Wut stärker wird, z.B.: „Stopp, bleib ruhig, es geht vorbei!“
  • Kurz die Situation unterbrechen und Gegen-Reize setzen, z.B. mit einem Glas Wasser, dem Öffnen des Fensters für etwas frische Luft oder kaltem Wasser, das man sich über die Handgelenke laufen lässt.

Und was ist mit Kinder-Wut?

Dass wir Erwachsenen gut mit Wut umgehen lernen, ist die Basis für ein entspanntes Familienleben, denn Kinder orientieren sich am Verhalten ihrer Eltern. Doch auch Frust und Ärger der Kleinen kann uns im Alltag ziemlich herausfordern – besonders in der Autonomiephase (oft auch „Trotzphase“ genannt) zwischen ca. zwei und sechs Jahren. In diesem Alter spüren die Kleinen ganz besonders stark ihren eigenen Willen. Gleichzeitig ist ihr Gehirn noch nicht so weit entwickelt, als dass sie sich in andere hineinversetzen könnten. Das heißt, sie nehmen intensiv wahr, was sie wollen und verstehen noch nicht, warum andere manchmal ganz andere Bedürfnisse haben. Da sind Wutanfälle vorprogrammiert! Hinzu kommt, dass die Kleinen noch kaum Selbstkontrolle haben: Ruhig bleiben, obwohl die Wut hochkocht ist ohne diese Fähigkeit kaum möglich und so ist es normal, dass Kinder besonders in diesem Alter oft “ausrasten”. Helfen kann dann:

  • Selbst ruhig bleiben und sich erinnern: Mein Kind macht das nicht absichtlich! Es ist gerade überfordert von seinen Gefühlen.
  • Auf Augenhöhe gehen, das Kind freundlich ansprechen, Kontakt herstellen: „Hey, ich bin da!“
  • Die Gefühle, die du bei deinem Kind wahrnimmst, in Worte fassen: „Ich sehe, du bist gerade ziemlich wütend, oder?“ Das zeigt deinem Kind, dass es nicht allein ist und hilft ihm, nach und nach zu lernen, die Wut selbst zu erkennen und zu verbalisieren.
  • Kompromisse und Wahlmöglichkeiten anbieten, um den Wunsch des Kindes nach Autonomie ernst zu nehmen, z.B.: „Wir können jetzt kein Kleid anziehen, aber du kannst zwischen diesen Hosen auswählen!“
  • Techniken zeigen, die helfen, die Wut zu kanalisieren, z.B.: „Komm, wir boxen die ganz Wut jetzt in die Kissen!“ oder „Wir stampfen die Wut jetzt in den Boden, bis es uns besser geht!“

Miteinander statt gegeneinander

Wir haben wohl alle diesen Traum von einem harmonischen, glücklichen Familienleben. Und doch ist es normal, dass der Alltag oft chaotischer, anstrengender und konfliktreicher aussieht. Auch wir Eltern haben Bedürfnisse und Grenzen, die wir auch formulieren sollten. Gerade Gespräche, in denen wir respektvoll mit unseren Kindern reflektieren, was im Streit schiefgelaufen ist und wie es besser gehen kann, stärken die sozialen Fähigkeiten unserer Kinder sehr. Das Wichtigste ist unsere Grundhaltung: Wir leben nicht gegeneinander, sondern miteinander. Nicht „wir gegeneinander“, sondern „wir gemeinsam gegen die Probleme“.

Melanie Schüer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Autorin.

Familienstreit an Weihnachten? So helfen Sie Ihren Kindern

Der Traum einer besinnlichen Weihnacht platzt oft, wenn nicht alles perfekt ist. Der Stress steigt und dann nerven noch die Verwandten. Doch wie erleben das erst die Kinder? Mit diesen Tipps helfen Sie Ihren Kindern, die Spannungen auszuhalten.

„Einerseits ist Weihnachten ja echt schön – aber andererseits bin ich auch froh, wenn es vorbei ist. Denn die Erwachsenen sind an diesen Tagen immer so wahnsinnig gestresst …“

So in etwa äußerte sich in der Weihnachtszeit einmal meine Tochter über ihr Erleben der „schönsten Zeit des Jahres“ und ich musste erst einmal schlucken – das saß!

Diese gemischten Gefühle bezüglich der zugleich festlichsten und doch auch anstrengendsten Wochen des Jahres kennen wir vermutlich alle. Kinder und Jugendliche nehmen dies oft noch stärker wahr, weil sie sich besonders freuen – alles ist noch neu und so aufregend! – und gleichzeitig die bestehende Anspannung und Stressbelastung noch weniger reflektieren und einordnen können.

Es könnte alles so schön sein…

Auch in meiner psychotherapeutischen Arbeit erlebe ich, dass gerade depressive Symptome um die Weihnachtszeit herum zunehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig, zum Beispiel:

  • Hohe Erwartungen: Es soll schön werden, besinnlich, gemütlich, lecker, freudvoll, besonders – und das möglichst für alle! Das bedeutet viel Arbeit bei der Vorbereitung und viel Druck, denn Weihnachten ist eben nur einmal im Jahr.
  • Unterschiedliche Bedürfnisse, die alle an drei Tagen unter einen Hut gebracht werden sollen
  • Die Anspannung darüber, Familienmitglieder wiederzutreffen, denen man sonst eher aus dem Weg geht

Weihnachten mit strahlenden Augen

Was kann helfen, damit Kinder und Jugendliche Weihnachten so erleben, wie wir es ihnen wünschen – mit vor Freude geröteten Bäckchen, strahlenden Augen und einem fröhlichen Herzen?

Als erstes ist es hilfreich, zu reflektieren und zu erklären, was los ist: Stress lässt sich in der Adventszeit nicht immer vermeiden. Aber es hilft Kindern, wenn Erwachsene diese Erfahrungen altersgemäß einordnen: „Puh, es tut mir leid, dass ich vorhin so gereizt war! Der Advent ist so schön, aber manchmal auch so stressig, weil so vieles zu erledigen ist. Und das alles neben der normalen Arbeit, die ja auch nicht liegen bleiben kann. Deswegen kommt es vor, dass ich genervt reagiere, weil ich müde bin von all dem, was zu tun ist. Aber morgen machen wir uns einen gemütlichen Tag, ja?“

Das Schlagwort „Weniger ist Mehr“ hilft tatsächlich dabei, die randvolle Zeit zu entzerren. Es bringt oft ungemein Entlastung, wenn man sich zumindest einen Tag vor Heiligabend freinehmen kann, den Baum schon etwas früher als sonst aufstellt und schmückt, die Geschenke schon im November besorgt oder auch mit einigen Leuten bespricht, sich nichts zu schenken, sondern lieber mit weniger Trubel einfach die gemeinsame Zeit zu genießen.

Auch hilft es, wenn wir in den Terminkalender bewusst Zeiten für Stille und Besinnlichkeit einplanen. Das kann auch mit altersgemäßen Medien gelingen, wie:

  • Videos wie „Superbuch – das erste Weihnachten“ (ca. 6-12 Jahre)
  • Der Weihnachtsfolge der Serie „The Chosen“ (ab ca. 12 Jahren)
  • Fortlaufenden Adventskalender-Büchern wie „Komm doch mit nach Betlehem!“ (SCM-Verlag, ca. 5-10 Jahre) oder „Ricas Weihnachtsüberraschung“ (ca. 2-6 Jahre)

Für Erwachsene besonders schwer, aber für das Familienleben ungemein wichtig ist es, Unperfektheiten auszuhalten. Wenn wir Erwachsene an unsere Weihnachtserinnerungen denken oder überlegen, wie wir damals Weihnachten gern erlebt hätten – wäre dann wirklich eine einwandfrei saubere Wohnung oder ganz besondere Deko das Wesentliche? Letztlich entscheidet viel mehr das Maß der Herzlichkeit, Liebe und einer fröhlichen Stimmung darüber, wie positiv Kinder und Jugendliche Weihnachten erleben.

Weihnachten – das Fest der Widersprüche

Jugendliche empfinden das ach-so-friedliche Beisammensein einmal im Jahr mit allen Verwandten, auch der unliebsamen Tante Agatha, oft als heuchlerisch. Daher brauchen sie Unterstützung darin, das Geschehen differenziert einzuordnen. „Das ganze Jahr über wird gestritten und gezankt und dann plötzlich spielen wir uns Friede, Freude, Eierkuchen vor!?“ Hier können Erwachsene am besten reagieren, indem sie:

  • Die Ungereimtheiten und auch mögliche Konflikte und Fehler anerkennen und einräumen, dass nicht alle Beziehungen heil und friedlich sind
  • Und gleichzeitig hervorheben, dass gerade in diesem „sowohl als auch“ eine Chance stecken kann: Nämlich, dass die gemeinsame Besinnung auf etwas Größeres (die Geburt dessen, der sich selbst als „Licht der Welt“ bezeichnet und die Menschen auffordert, Frieden mit Gott und dem Nächsten zu machen) helfen kann, über Uneinigkeiten hinweg zu sehen oder diese zumindest nicht größer werden zu lassen, als sie sein müssten.

Kinder mit einbeziehen

Ein wichtiges Element für ein harmonisches Weihnachtsfest ist, Kinder und Jugendliche in das Geschehen einzubeziehen. Das kann sowohl bedeuten, dem Nachwuchs altersgemäße Aufgaben zu übertragen (beim Putzen, Dekorieren, Backen, etc. helfen) als auch, die kindlichen Ideen und Wünsche bei der Planung zu berücksichtigen. Hier gilt es, ein gesundes Maß zu finden – Eltern sollen und dürfen einen gewissen Rahmen vorgeben, der ihnen wichtig ist. Aber Kinder fühlen sich wertgeschätzt, wenn sie in gewissen Bereichen mitgestalten können, zum Beispiel: Was könnten wir den Großeltern schenken? Wie wollen wir die Bescherung gestalten? Was gibt es als Nachtisch?

Die Advents- und Weihnachtszeit, so schwierig sie oft ist, ist eine ganz besondere Zeit. Daher ist es so immens wichtig, vor allem die Zeit mit den Menschen, die wir lieben, zu genießen, auch wenn manches nicht perfekt ist.

Melanie Schüer Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche und Autorin.

Was die Ehe schützt – Drei Lehren aus gescheiterten Beziehungen

Prinzipiell ist keine Ehe sicher davor, ins Wanken zu geraten. Was können wir tun, um die Ehe zu schützen? Paartherapeut Jörg Berger zieht Lehren aus gescheiterten Beziehungen und zeigt, was helfen kann.

Würden Menschen ein Haus bauen, wenn dabei jeder Dritte scheitern und das Haus mit Verlust verkaufen würde? Vermutlich nicht. Den meisten Menschen wäre das Risiko zu groß. Zum Glück ist unsere Risikobereitschaft größer, wenn es um die Ehe geht. Obwohl jede dritte Ehe zerbricht, gehen Menschen glücklich und hoffnungsvoll hinein. Vielleicht denkt man anfangs, die Menschen, deren Ehe nicht gelingt, seien irgendwie anders als man selbst. Doch die Lebenserfahrung zeigt: Es sind wunderbare Menschen, die auseinandergehen – nicht weniger reif und nicht weniger liebevoll als andere. Außenstehende erleben dann oft einen bangen Moment: Könnte uns das auch treffen? Jedes Ehepaar kann in eine kritische Situation geraten. Doch wir können von gescheiterten Paaren lernen. Denn im Nachhinein zeigt sich, was sie geschützt hätte.

Vertrauen, wenn es bedrohlich wird

Zehn Jahre lang waren Verena und Dirk glücklich miteinander. Dann erlebte Verena eine persönliche Krise, infolge derer es Verena wichtig war, selbstbewusster zu werden und ihr Leben stärker in die eigene Hand zu nehmen. Sie dachte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Ehe hätte. Doch sie hat eine Lawine in ihrer Beziehung losgetreten. Dirk fühlte sich übergangen und abgeschrieben. Erst bemühte sich Verena, ihm mehr Liebe zu zeigen und auf Dirks Gefühle einzugehen. Aber weil das wenig half, zog sie sich zurück. Konnte es sein, dass Dirk einbricht, nur weil sie ein wenig selbstbewusster geworden ist? Der Alltag funktionierte noch, aber das Glück und die Nähe waren weg. Sobald Verena ein falsches Wort sagte, war Dirk verletzt. Sie überlegte, auszuziehen.

Kann man sich vor solchen Entwicklungen schützen? Nein, leider nicht. Aber man kann eine Haltung einnehmen, die einen solchen Teufelskreis durchbricht. Es ist menschlich, dass wir dem anderen unser Vertrauen entziehen, wenn wir verletzt oder enttäuscht werden. Doch genau das setzt einen Teufelskreis in Bewegung. Diesen durchbricht man, indem man das Vertrauen erneuert. Für Verena könnte das so aussehen: „Für mich wirkt es so, als würde Dirk kindisch reagieren und als könnte er nur mit mir zusammen leben, wenn ich schwach bin. Doch so war Dirk doch eigentlich nie. Auch wenn ich seine Gefühle nicht verstehe, gibt es sicher einen Weg, wie er sich mit mir verbunden fühlen kann und ich trotzdem die Freiheit behalte, die mir gerade so guttut.“

Dirk könnte sein Vertrauen so aufrichten: „Es fühlt sich für mich zwar so an, als würde Verena unser gemeinsames Leben verraten und als wäre ihr die Selbstverwirklichung wichtiger als unsere Liebe. Aber eigentlich kann das nicht sein. Verena war nie selbstbezogen. Außerdem hat sie sich ja bemüht, auf meine Gefühle einzugehen, auch wenn mir das noch nichts gebracht hat. Wenn sie erst einmal versteht, wie es mir geht, was ich brauche und dass ich nichts Schlimmes von ihr verlange, können wir sicher einen gemeinsamen Weg finden. Sie ist bereit, mir zuzuhören, wenn ich ihr keine Vorwürfe mache.“

Natürlich sollte man prüfen, ob der Mensch, an den man sich binden möchte, vertrauenswürdig ist. Doch wenn man einem Menschen vertrauen kann und sich das durch das gemeinsame Leben bestätigt, muss man dem anderen das Vertrauen nie mehr entziehen. Dann sollen die Teufelskreise ruhig kommen. Selbst wenn nur einer das Vertrauen aufrecht hält, findet man wieder heraus.

Betrauern, was nicht möglich ist

Wieder ein schweigsames Sonntagsfrühstück. Irinas Mann liest etwas auf dem Smartphone. Sie betrachtet ihn. Plötzlich wird es ganz klar und ruhig in ihr: „Ich mag diesen Menschen nicht. Ich kann ihn nicht lieben, jedenfalls nicht als Ehefrau.“ Irina hatte ihren Mann schnell geheiratet. Sie engagierten sich damals in einer neu gegründeten Kirchengemeinde. Beide waren begeistert und haben viel mit Gott erlebt. Hatte sie das blind gemacht für die Frage, ob sie zueinander passen? Oder haben sie geglaubt, dass Gott alles gut macht, was schwierig ist? Irina kann sich heute nur schwer in ihr jüngeres Ich zurückversetzen.

Um zu verstehen, warum Ehen scheitern und was Ehen schützt, muss man manchmal auf die Partnerwahl zurückblicken. Denn die gelingt nicht immer. Befunde aus der Paarpsychologie legen nahe, dass knapp die Hälfte der Paare umfassend zufrieden mit ihrer Beziehung ist. Sie sagen: „Ich könnte nicht glücklicher sein, auch wenn bei uns natürlich nicht alles perfekt ist.“ Andere zweifeln in dunklen Stunden an ihrer Wahl. Sie sagen: „In manchen Bereichen passen wir gut zusammen, aber in anderen fehlt etwas so Wichtiges.“

Wie nicht jeder den perfekten Beruf oder die perfekte Wohnung findet, verliebt sich nicht jeder Mensch in eine Person, die umfassend passt. Viele Menschen entwickeln erst nach der Hochzeit die Reife, die erkennen lässt, wer man im Tiefsten ist und was man braucht. Doch niemandem würde man raten, deshalb mit der Partnerwahl zu warten, bis man 40 ist. Besser geht man ins Risiko. Mit diesem Risiko kann man einen Weg finden.

Meist kann man den Mangel bewältigen, bevor dadurch die Ehe zerbricht oder sich ein Verliebtsein außerhalb der Ehe entzündet. Dazu ist etwas nötig, das man in der Psychologie Trauerarbeit nennt. Vieles kann fehlen in einer Ehe: tiefere Gespräche, Berührungen, leidenschaftliche Sexualität, gemeinsame Interessen, emotionale Wärme. Wenn klar wird: Das Gegenüber kann das von der Persönlichkeit her nicht geben und möchte sich auch nicht auf eine Entwicklung einlassen, ist das wie ein Verlust, der existenziell erschüttert. Doch Menschen kommen selbst über schwere Verluste hinweg und werden wieder glücklich. Warum sollte das nicht auch funktionieren, wenn in der Ehe etwas fehlt? Doch die Trauer darüber verläuft ähnlich heftig. Sie beginnt, wenn man nicht mehr gegen den Mangel ankämpft, sondern ihn akzeptiert: „Das fehlt mir. Ich würde es so dringend für mein Glück brauchen. Doch ich werde es in meiner Liebesbeziehung nicht bekommen.“

Die Trauer darüber kann überwältigend sein. Man darf damit nicht allein bleiben. Man braucht gute Freunde und Begleiter, die einfach mit aushalten. Trauer verläuft in Wellen. Endlich glaubt man, allmählich damit klarzukommen, schon rollt eine neue Welle heran. Doch irgendwann wird eine Freude spürbar, ein neues Glück. Glaubende Menschen entdecken manchmal: „Genau da, wo mir menschlich etwas fehlt, ist meine Beziehung zu Gott inniger geworden. Hier ist jetzt Gott selbst mein Glück.“ Hätte es Irinas Ehe gerettet, wenn sie vor 15 Jahren getrauert hätte, statt weiter zu kämpfen und zu scheitern, statt weiter zu hoffen und enttäuscht zu sein? Vielleicht. Ihr Irren bei der Partnerwahl wiegt schwer, weil die Persönlichkeit ihres Mannes so wenig von dem abdeckt, was sie braucht. Es ist tragisch, wenn einem das erst im Nachhinein bewusst wird. Doch nicht immer liegt es an der Partnerwahl, wenn man das Gefühl hat: „Wir passen einfach nicht zusammen.“

Ein Fundament für die Ehe bauen, bevor die Stürme kommen

Heiko hat einen tiefen Glauben. Er hat seine Familie mitgezogen und Familienandachten eingeführt. Manchmal hat er die anderen moralisch unter Druck gesetzt. Denn Heiko hatte klare Vorstellungen, wie man als Christ lebt und wie nicht. Umso schockierender war es, dass ausgerechnet er fremdgegangen ist, zunächst heimlich und dann ganz offen. Wie passt das denn zu dem, was Heiko immer so ernsthaft vertreten hat? Doch Heiko hat seinen Glauben einfach an seine Gefühle angepasst: Man müsse auf das hören, was einem das Herz sagt. Gott wisse, dass Menschen scheitern, und er vergibt. Er möchte nicht, dass man in einer Ehe bleibt, die einem wie ein Gefängnis vorkommt. Das hätte Heiko so nie vertreten – bis die andere kam.

Kann man dem vorbeugen? Damit man nicht irgendwann von Gefühlen bestochen und seiner Überzeugung untreu wird? Ja, aber dazu braucht man eine Bindung, die wichtiger ist als das eigene Glück. Für mich persönlich sah das so aus: Ich habe als junger Erwachsener zum christlichen Glauben gefunden, der seither mein Leben prägt und mir mit der Bibel ein gutes Wertefundament gibt, die meine Entscheidungen leitet. Seit 30 Jahren habe ich deshalb Menschen, denen ich davon erzählen darf, wie sich mein Leben entwickelt. Sie helfen mir, auf dem Weg zu bleiben, den ich für mein Leben als richtig erkannt habe. Was sonst könnte mich halten, wenn ich einmal vor einem Abweg stehe?

Wenn mich jemand fragt, wie man eine Ehe aufbauen kann, würde ich daher antworten: „Überlege dir, was du tun möchtest, wenn die Stürme kommen, mit denen jeder rechnen muss: ein Fremdverliebtsein, eine emotional unerträgliche Situation oder auch eine Wüstenzeit, in der schöne Gefühle in der Beziehung fehlen. Und sorge jetzt dafür, dass du dann nach deinen Werten handeln wirst.“ Man kann sich gegenüber einem Freund oder einer anderen Vertrauensperson festlegen: „Wenn ich einmal in eine solche Situation gerate, möchte ich so damit umgehen. Erinnere mich dann bitte daran, frage nach, lass dich nicht abwimmeln.“

Wer glaubt, kann sich auch Gott gegenüber festlegen: „Ich werde mich dann eine Woche in die Stille zurückziehen, um zu hören, wie du mich weiter führen möchtest.“ Auch das ist keine Garantie für das Gelingen einer Ehe, aber es ist ein Fundament dafür, mit Krisen so umzugehen, wie es der eigenen Überzeugung entspricht. Ich habe schon viele Paare begleitet, für die genau das die Ehe gerettet und wieder glücklich gemacht hat.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut mit eigener Praxis in Heidelberg. Er ist mit Vorträgen, Büchern und Online-Kursen unterwegs, um Ehen zu stärken (psychotherapie-berger.de/family).