Was wird aus meinen Kindern, wenn …?

Dass die Eltern sterben, wenn die Kinder noch klein sind, mag sich niemand gern vorstellen. Wer aber gut vorsorgen möchte, sollte sich damit auseinandersetzen, was dann mit den Kindern passiert. Hilfreiche Tipps gibt der Rechtsanwalt Stephan Lang.

Für meine Kinder tu‘ ich alles!“ – Würde man eine Umfrage unter Eltern durchführen, kann man sich sicher sein: Fast alle Befragten würden dieser Aussage vollständig zustimmen. Warum sonst geben Eltern für den Kinderwagen der neugeborenen Tochter gut und gerne 900 Euro aus, finanzieren dem neunjährigen Sohn eine Gitarre mit Verstärker, den Gitarrenunterricht, übernehmen selbstverständlich die Fahrten zum Unterricht, außerdem zum Fußballtraining und zur Englisch-Nachhilfe und schließen für die älteste Tochter einen Bausparvertrag ab? Für die Kinder ist das Beste grade gut genug!

Deutlich schwerer fällt es Eltern jedoch, auch für unangenehme Lebenssituationen vorzusorgen. Insbesondere junge Eltern tun sich hiermit eher schwer. Die Frage: „Was wird aus meinen Kindern, wenn ich mal nicht mehr da sein sollte?“, verdrängen sie dabei meist. Immerhin tritt dieser Fall statistisch gesehen meist erst im höheren Lebensalter ein. Aber dann sind die Kinder in der Regel selbst erwachsen und unabhängig. Eltern, die „alles für ihr Kind tun“, sollten sich allerdings frühzeitig auch mit solchen unangenehmen Fragen auseinandersetzen.

Die Frage, wer sich im Falle des Todes oder anderweitiger Verhinderung der Eltern um die Kinder kümmert, ist im Familienrecht geregelt. Das Gesetz spricht vom Sorgerecht. Dieses steht meist mit der Geburt des Kindes beiden Elternteilen gemeinsam zu. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen von Geburt an nur ein Elternteil für das Kind sorgeberechtigt ist. Durch verschiedene Umstände kann das Sorgerecht eines Elternteils im Übrigen auch entfallen beziehungsweise ruhen, etwa wenn der Elternteil geschäftsunfähig ist oder das Familiengericht feststellt, dass er die elterliche Sorge nicht ausüben darf. Die Ausgangssituation (Wem steht das Sorgerecht zu dem Zeitpunkt zu, zu dem ein Elternteil ausfällt?) ist von entscheidender Bedeutung für die Fragen, wer das Sorgerecht ab diesem Zeitpunkt erhält:

FALLKONSTELLATION 1: GEMEINSAMES SORGERECHT BEIDER ELTERNTEILE

Sind beide Elternteile für ein minderjähriges Kind gemeinsam sorgeberechtigt und verstirbt einer der beiden Elternteile, so steht das Sorgerecht dem überlebenden Elternteil zu (§ 1680 Abs. 1 BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob die Eltern zusammen oder getrennt leben beziehungsweise verheiratet oder geschieden sind. Alleine von Bedeutung ist die Tatsache, dass beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt waren.

Sind beide Elternteile für ein minderjähriges Kind gemeinsam sorgeberechtigt und versterben beide Elternteile beziehungsweise wird ihnen das Sorgerecht entzogen, wird von Amts wegen, also auch ohne Antrag, durch das Familiengericht eine Person als Vormund bestellt (§ 1773 Abs. 1 BGB). Dieser hat dann sowohl das Recht als auch die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Die landläufige Auffassung, wonach in einem solchen Fall die Paten „einspringen“ und die Erziehung und Pflege übernehmen, hat im Gesetz keine Grundlage.

Die Bestellung des Vormunds erfolgt nach dem Ermessen des Familiengerichts. Hierbei muss es allerdings den mutmaßlichen Willen der Eltern, die persönlichen Bindungen des Kindes (Mündel), die Verwandtschaft oder Schwägerschaft sowie das religiöse Bekenntnis des Kindes berücksichtigen. Hierzu soll das Familiengericht Verwandte des Kindes anhören (§ 1779 Abs. 2 und 3 BGB).

Tipp: Ein schriftlich festgehaltener Wille der Eltern hinsichtlich der Frage, wer Vormund werden soll, hilft dem Familiengericht bei der Auswahl des Vormunds erheblich weiter, selbst wenn er nicht in der erforderlichen Form verfasst ist.

FALLKONSTELLATION 2: ALLEINIGES SORGERECHT EINES ELTERNTEILS

Von der ersten Konstellation zu unterscheiden ist der Fall, in dem nur einem Elternteil das Sorgerecht für das Kind zusteht, sei es, weil ein Elternteil bereits verstorben ist, oder weil das Sorgerecht schon immer nur einem Elternteil zustand. „Allein sorgeberechtigt“ ist nicht gleichbedeutend mit „alleinerziehend“. Elternteile können gleichzeitig alleinerziehend (also die tatsächliche Erziehung und Pflege des Kindes übernehmen), aber gemeinsam (mit dem getrennt lebenden Elternteil) sorgeberechtigt sein.

Stirbt der allein sorgeberechtigte Elternteil oder ist er verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, so bestellt auch hier das Familiengericht einen Vormund. Lebt der andere, nicht sorgeberechtigte Elternteil noch, so hat das Gericht das Sorgerecht auf den überlebenden Elternteil zu übertragen (§ 1680 Abs. 2 BGB). In zwei Fällen wird das Gericht jedoch hiervon absehen: Zum einen, wenn dies dem Wohl des Kindes widerspricht, und zum anderen, wenn die sorgeberechtigte Person eine Anordnung für diesen Fall getroffen hat.

Tipp: Gerade für diesen Fall sind die Vorsorgemöglichkeiten des sorgeberechtigten Elternteils von großer Bedeutung. Sorgeberechtigte können nicht nur festlegen, wer Vormund des Kindes werden soll, sondern auch, wer als Vormund ausgeschlossen werden soll (siehe unten).

VORSORGEMÖGLICHKEITEN

In bestimmten Fällen widerspricht die gesetzliche Regelung möglicherweise dem, was für die eigene Familienkonstellation sinnvoll ist. Wie in anderen Bereichen gibt es auch hier die Möglichkeit, für den Fall der Fälle Vorkehrungen zu treffen: Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass Eltern für den Fall, dass ihr Kind einen Vormund braucht, eine Person als Vormund benennen können. Eine solche Vormundbenennung (sog. Vormundverfügung gem. §§ 1776, 1777 BGB) muss allerdings in der vorgeschriebenen Form einer letztwilligen Verfügung verfasst werden (§ 1777 Abs. 3 BGB).

Tipp: Form der „letztwilligen Verfügung“ bedeutet, dass die für ein Testament erforderliche Form eingehalten werden muss: Das Dokument muss handschriftlich verfasst und unterschrieben sein (§ 2247 BGB) oder vor einem Notar verfasst werden (§ 2232 BGB). Bei gemeinsamen letztwilligen Verfügungen durch Ehegatten genügt es, wenn ein Ehegatte das Dokument handschriftlich aufsetzt und der andere Ehegatte unterschreibt (§ 2267). Um Fehler zu vermeiden, lohnt es, sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Notar beraten zu lassen.

Möglich ist, dass Eltern gemeinsam für mehrere Kinder einen gemeinsamen Vormund oder auch ein Ehepaar als Vormünder bestellen (§ 1775 BGB). Sollten beide Elternteile verschiedene Personen benennen, ist die zuletzt genannte Person maßgeblich (§ 1776 Abs. 2 BGB).

Das Familiengericht ist an eine Benennung durch die Eltern auch grundsätzlich gebunden und kann nur in Ausnahmefällen die benannte Person übergehen. Dies ist insbesondere nur möglich, wenn die Person als Vormund nicht geeignet ist, weil sie minderjährig oder geschäftsunfähig ist oder durch die Benennung das Kindeswohl gefährdet würde (§§ 1778 ff. BGB). Hat das Gericht eine Person als Vormund bestellt, kann diese wiederum nur in Ausnahmefällen die Übernahme der Vormundschaft ablehnen (§ 1785 ff. BGB).

ALLEINE SORGEBERECHTIGTER ELTERNTEIL

Alleine Sorgeberechtigte haben unter Umständen ein Interesse daran, dass der nicht sorgeberechtigte Elternteil im Fall der Fälle nicht Vormund des gemeinsamen Kindes wird. Durch eine Vormundverfügung kann auch für diesen Fall der nicht sorgeberechtigte Elternteil als Vormund ausgeschlossen werden (§ 1782 BGB).

Tipp: Um dem Gericht diese Entscheidung leicht zu machen, empfiehlt es sich, ausführlich und nachweisbar zu begründen, warum der andere Elternteil als Vormund nicht geeignet ist, etwa weil durch die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn das Wohl des Kindes gefährdet würde.

GEMEINSAM SORGEBERECHTIGTE, GETRENNT LEBENDE ELTERN

Eltern, die gemeinsam sorgeberechtigt sind, jedoch getrennt leben oder geschieden sind, können nicht verhindern, dass der überlebende Elternteil das Sorgerecht für das Kind erhält, sollte der andere sterben oder verhindert sein, die elterliche Sorge auszuüben. Ein Ausschluss des anderen Elternteils, wie bei alleine sorgeberechtigten Elternteilen, ist nicht möglich.

Tipp: Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern können jedoch in ihrem jeweiligen Testament festlegen, dass der Nachlass, welcher der verstorbene Elternteil dem minderjährigen Kind hinterlässt, nicht der Vermögenssorge durch den überlebenden Elternteil unterliegt (§ 1638 BGB). Das hat zwar nicht zur Folge, dass dem überlebenden Elternteil die Personensorge für das gemeinsame Kind entzogen wird, allerdings hat dieser dann keinen Zugriff auf das dem Kind hinterlassene Vermögen.

Stephan Lang ist Fachanwalt für Familienrecht in Mittelhessen. Er ist seit 21 Jahren glücklich verheiratet und hat fünf Kinder.

MitOhne – Fasten als Familie

Mit Grundschulkindern oder Teenagern kann man die Fastenzeit gemeinsam gestalten. Von Stefanie Böhmann

Als unsere Kinder kleiner waren, haben sie immer auf die Frage, ob sie Wasser mit Kohlensäure oder ohne haben wollen, geantwortet: „Bitte mitohne!“ Sie wollten Wasser ohne Kohlensäure. Dieses Wort MitOhne habe ich mit in die letzte Fastenzeit genommen, weil ich es passend fand, um das auszudrücken, was die Fastenzeit für mich und uns als Familie bedeutet. MitOhne heißt für mich in der Fastenzeit, mehr mit Gott unterwegs zu sein, ohne das verbissene Aufpassen auf etwas, dass ich unbedingt weglassen oder nicht essen soll, aber auf der anderen Seite ohne ein Produkt, das viel Zeit von mir in Anspruch nimmt oder mir sehr wichtig ist. Ich verzichte auf etwas, um intensiver mit Gott in Kontakt zu kommen. Diese Beziehung zu Gott ist mir dabei wichtig und nicht der Verzicht. Wenn ich mich über die „Mehr-Zeit“ mit Gott freuen kann, dann steht der Verzicht im Hintergrund und ich kann gestärkt und fröhlich meinen Weg gehen.

JESUS UND DAS FASTEN

Jesus ist selbst in die Wüste gegangen, nicht um seine Figur zu optimieren oder um sich selbst auf die Schulter zu klopfen, weil er es geschafft hat, 40 Tage ohne Essen auszukommen. Er wollte auch seinem Vater nicht beweisen, dass er für ihn leiden kann. Nein, er wollte Zeit mit seinem Vater haben und sich auf das vorbereiten, was vor ihm lag. Er wusste, dass er dafür Kraft brauchen würde. Das heißt, er wollte mehr mit seinem Vater in Beziehung stehen, aber ohne Essen oder andere Ablenkungen.

Jesus hat damals für längere Zeit auf das Essen komplett verzichtet. Er hatte aber auch keine Schule oder keinen Arbeitsalltag zu bestreiten. Er konnte sich ganz auf Gott konzentrieren. Das würde ich auch gerne mal ausprobieren. In den sieben Wochen zwischen Fasching und Ostern läuft allerdings der Alltag bei uns ganz normal weiter. So denke ich, dass für uns mit unseren Kids, die in die Schule müssen, in der Fastenzeit nur ein Teilfasten dran ist.

ZUSAMMEN  MITOHNE

Wichtig ist uns als Familie, dass wir beim Fasten nicht wie gequälte Leidenspersonen herumlaufen. Dazu gibt es einen passenden Bibelvers in Matthäus 6,16: „Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler, denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten.“ Wenn wir MitOhne unterwegs sind, soll das Endprodukt Freude sein.

Die gute Botschaft ist. Es funktioniert! Wenn wir mehr auf das Mit schauen, aber das Ohne uns hilft, mehr mit zu leben, dann kommt eine große Fröhlichkeit ins Herz.
Ich glaube, ein wichtiger Aspekt beim Fasten ist auch die Gemeinschaft. Wenn wir mehrere sind, die zusammen MitOhne unterwegs sind und sich über ihre Erlebnisse austauschen, fällt es uns leichter, dranzubleiben. Sieben Wochen sind manchmal ganz schön lang. Auch wenn ich als Mama davon träume, mich mit meinen Kindern über die Erlebnisse, die jeder mit Gott hatte, auszutauschen, dann habe ich doch gelernt, dass eigentlich für meine Teens der Austausch mit ihren Freundinnen und Freunden wichtiger ist und sie mehr motiviert, dranzubleiben.

MITOHNE KONKRET

Wir haben hier als Anregung Vorschläge für sieben Wochen MitOhne gesammelt, die auf unsere Familie zugeschnitten sind. Wenn ihr sieben eigene Ideen habt oder alle sieben Wochen dasselbe fasten wollt, dann könnt ihr das natürlich auch tun.

  • Woche 1: Ohne den ersten Griff zum Handy
    Bei uns allen geht oft der erste Griff nach dem Aufstehen erstmal zum Handy. In der ersten Woche wollen wir versuchen, die ersten Minuten unseres Tages ohne Handy, aber mit Gott zu verbringen. Wir versuchen fünf Minuten still zu sein und seine Nähe zu genießen. Das klingt so einfach, ist aber unglaublich schwer. Denn gerade in diesen fünf Minuten vibriert das Handy (kleiner Tipp: Stelle es einfach aus oder lege es weg!) oder dir kommen die besten Einfälle oder Dinge in den Kopf, die du noch unbedingt tun willst. Danach kannst du aufschreiben, wie die Zeit war. Was du mit Gott erlebt hast.
  • Woche 2: Ohne Süßigkeiten
    Immer wenn du Lust auf Süßes hast, kannst du an Gott denken und ein Zwiegespräch mit ihm beginnen. Erzähle ihm von deinem Wunsch, etwas Süßes zu essen. Versuche mal die Augen zu schließen und Gott Zeit zu geben, dir etwas Schönes vor deinem inneren Auge zu zeigen, was dich ablenkt von deinem großen Verlangen nach Naschis.
  • Woche 3: Ohne YouTube
    YouTube-Videos sind gern gesehen und nehmen viel Zeit in Anspruch. Wenn wir diese Zeit Gott widmen, kann da eine Menge Freude entstehen. Wir probieren es aus.
  • Woche 4: Ohne Kaffee/Cola oder Alkohol
    Diese Woche haben wir Eltern es eher schwer, da unser Kaffee am Morgen schon ein besonders schöner Beginn in den Tag ist. Auch das Glas Wein am Abend ist häufig eine schöne Zeit der Begegnung. Aber ein Tee tut es auch und gemeinsames Gebet stattdessen ist eine super Alternative.
  • Woche 5: Ohne Instagram
    Meine Teens sind sehr gern bei Insta unterwegs. Da geht viel Zeit bei drauf. Versucht doch in dieser Woche jedes Mal, wenn ihr zu Instagram gehen würdet, ein kurzes Gebet nach oben zu schicken und Gott für irgendetwas zu danken, das ihr erlebt habt.
  • Woche 6: Ohne Schimpfwörter
    In dieser Woche wollen wir ganz bewusst auf das Wort mit Sch… und ähnliche Worte verzichten. Jedes Mal, wenn sie in unseren Mund kommen, wollen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam machen und für das Ereignis oder für den Menschen beten, über das oder den wir uns aufgeregt haben.
  • Woche 7 (Karwoche): Ohne Fleisch
    In vielen Familien gibt es diese Tradition schon, in der Karwoche kein Fleisch zu essen. Unsere Kids essen sehr gern Fleisch. In dieser Woche wollen wir tatsächlich ohne Fleisch auskommen, aber mit einer kurzen Zeit vor dem Essen, in der wir gemeinsam Gott die Ehre geben.

Eigentlich haben unsere Kids auch den Antrag gestellt, dass man mal eine Woche Hausaufgabenfasten durchziehen könnte, leider fanden ihre Lehrer diese Idee nicht so brillant. So wünschen wir jedem, der MitOhne in der nächsten Fastenzeit ausprobiert, ganz viel Freude und Fröhlichkeit im Herzen und viele bewegende Momente mit Gott.

Stefanie Böhmann ist Hauptschullehrerin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

 

 

Versuch etwas anderes!

Fünf Ideen, eingefahrene Erziehungssituationen zu verändern. Von Debora Güting

Mein Mann und ich haben früh Kinder bekommen und damit auch früh mit der Erziehung von Kindern begonnen. Mit Mitte zwanzig hatten wir bereits zwei kleine Kinder. Einige Freunde haben in dieser Zeit noch nicht an Kinder gedacht. So waren wir einige Jahre voraus in Thema Erziehung, als diese dann ihr erstes und zweites Kind bekamen. Immer mal kam und kommt es vor, dass sie uns fragen, was wir über Erziehung denn gelernt hätten und ob wir ein paar Tipps weitergeben können. Dieser eine Erziehungstipp, schlicht und flexibel, wirkungsvoll und jederzeit anwendbar, hat sich immer wieder bewährt und gefestigt: „Wenn es auf eine Art und Weise nicht funktioniert, dann versuch‘ etwas anderes.“

Jedes Kind ist einzigartig, und jedes Kind reagiert anders auf diverse Erziehungsmethoden. Gibt es also ein unerwünschtes Verhalten des Kindes, das wir als Eltern nicht in den Griff bekommen? Oder soll das Kind etwas lernen, und es klappt nicht? Dann ist es immer wieder notwendig, sich an die Situation anzupassen und kreativ zu werden. Habe ich als Mutter auf eine Situation immer gleich reagiert, zum Beispiel geschimpft, wenn das Kind Schuhe stehen lässt, ist es unwahrscheinlich, dass das Kind bei einer weiteren gleichen Situation sein Verhalten ändert. Daher ist es schlauer, wenn ich selbst mein Verhalten ändere. Damit provoziere ich eher eine andere, neue und hoffentlich bessere Reaktion auf Seiten des Kindes. Wenn wir als Eltern die dafür notwendige Energie investiert haben, und es tut sich was auf der Seite des Kindes, dann macht es Freude, schafft Freiräume und verbessert die Beziehung zum Kind.

Hier einige Beispiele, die es leichter machen sollen, an festen Schemen zu rütteln und auf neue Ideen zu kommen:

1. DEM UNERWÜNSCHTEN VERHALTEN KEINE AUFMERKSAMKEIT SCHENKEN

Unser ältester Sohn, Nino, hat immer gut darauf angesprochen, wenn wir ihm Dinge erklärt haben. Wenn er etwas verstanden hat, dann hielt er sich meist an die damit verbundenen Erwartungen, auch schon als ganz kleiner Junge. Mit etwa vier Jahren fing er an, mit den Zähnen zu knirschen. Ich hatte gehört, dass das nicht gut für die Zähne sei, und zusätzlich war das Geräusch für mich unangenehm. In diesem Fall versagten die uns bekannten Methoden: Kein Erklären half. Kein Schimpfen half. Kein Bitten half. Schließlich beschlossen wir, dem Knirschen für eine Weile einfach keine Aufmerksamkeit zu schenken und zu sehen, was passiert. Das Erstaunliche geschah: Innerhalb von ein paar Tagen hat Nino von allein aufgehört, die Zähne aneinander zu reiben. Durch unser geändertes Verhalten änderte sich auch das Verhalten unseres Sohnes.

2. VORBILD SEIN

Unsere Tochter Lucy rannte als älteres Kindergartenkind immer quer über jede Straße, ohne zu schauen, ob ein Auto kam. Wir warnten sie, wir zeigten die Gefahr, wir erschraken in solchen Situationen und schimpften schließlich. Lucy ließ sich nicht dazu bringen, nach den Autos zu schauen. Was die Situation änderte, war, dass mir bei einem gemeinsamen Spaziergang klar wurde, dass die Art und Weise, wie ich die Straße überquerte, für Lucy genauso aussah, wie das, was sie tat. Dass wir als Erwachsene eine Verkehrssituation schnell überblicken können, war für sie nicht zu erkennen. Für sie sah es so aus, als gingen wir ohne zu gucken über die Straße. Also änderten mein Mann und ich mit Lucy gemeinsam unser Verhalten. Wir blieben aktiv und deutlich stehen, und ich zeigte ihr, wie ich nach rechts und nach links schaue, bevor ich über die Straße gehe. Unser Vorbild machte den Unterschied. Wir zeigten es ihr, und sie machte es dann richtig nach. So lernte sie das Verhalten, was wir uns von ihr wünschten.

3. SCHLECHTES VERHALTEN NACHMACHEN

Unser jüngster Sohn Jakob, der einige Jahre später als zweiter Nachzügler nachkam, hatte sich angewöhnt, Grimassen zu schneiden. Es waren nicht unbedingt provokative Gesichter, wie Zunge rausstrecken, aber es waren unangenehme Grimassen, die so mancher Fremde grundlos zu sehen bekam und die Jakob auch oft in unserer Familie zeigte – manchmal einfach so, manchmal auch als Reaktion auf eine Frage oder Anforderung. Ignorieren, schimpfen, erklären und wettern half nicht. Aus einem spontanen Impuls heraus zog ich ihm als Reaktion auf sein Gesichterziehen auch mal ein Gesicht. Ich rollte die Augen, verzerrte den Mund und versuchte, auch mal grimmig zu sein. Ich war etwas geschockt, als Jakob anfing zu weinen. Es war ihm offenbar sehr unangenehm, selbst eine Grimasse abzubekommen. Ich bin nicht sicher, ob ich danach noch etwas erklärte oder sagte, um seinen Frust pädagogisch zu lenken. Aber seither ist das Grimassenschneiden kein Thema mehr.

Ich ziehe nicht den Schluss daraus, dass es schlau ist, mit dem Kind immer zu machen, was es selbst mit anderen gemacht hat. Aber ich ziehe es als Möglichkeit in Betracht. Im Nachhinein war es so besser, als weitere Wochen nur darum zu kämpfen und nicht weiterzukommen. Immer mal muss man sich klarmachen, dass es weder für die Kinder noch für die Eltern angenehm ist, in einem ungelösten Erziehungs-Kampf zu stecken. Für beide Partien ist es gut, wenn wir Eltern nach einer weiteren und schließlich funktionierenden Lösung suchen, die nicht ständig auf Kosten einer guten Beziehung geht.

4. EIGENVERANTWORTLICHKEIT STÄRKEN

Als unsere beiden Großen Grundschüler waren, hatten wir nach dem Gottesdienst immer wieder den gleichen Reibungspunkt: Jeden Sonntag hingen sie meinem Mann und mir am Ärmel und fragten, ob sie Geld für eine Cola bekommen. Ohne System haben wir manchmal Ja gesagt, manchmal Nein, manchmal mussten sie es selbst bezahlen. Immer wieder wurden dabei Unterhaltungen unterbrochen, und immer wieder mussten wir die gleiche Entscheidung neu treffen. Uns als Eltern hat das angestrengt. Aber das war dann auch das Gute: Dass wir in einer Situation feststeckten und immer wieder genervt waren, musste uns auch erst mal auffallen. Wir mussten uns bewusst machen, wie aufreibend diese ständig wiederkehrende, unangenehme Situation war! Denn erst mit diesem Bewusstsein fingen wir als Eltern an nachzudenken, welche Hebel aus einer aufreibenden Situation herausführen könnten. Wir lösten es damals so, dass wir bei der anstehenden Taschengelderhöhung einen kleinen weiteren Betrag daraufgelegt haben. Damit hatten beide Kinder etwas Geld extra für den Bereich „Trinken nach dem Gottesdienst“ zur Verfügung, und es war die Entscheidung unserer Kinder, ob sie das Geld dafür ausgeben wollten oder nicht. Der Reibungspunkt war für alle überwunden. Klarheit und Eigenverantwortlichkeit haben für uns alle die Lage verbessert.

5. AUCH MAL AUFGEBEN

Ich habe mal in einem Artikel gelesen, dass die Kinder selbst machen sollen, was sie selbst machen können. Das klang gut, und ich wollte es anwenden. Jakob hatte schon gelernt, Schuhe mit Klettverschluss anziehen. Ich fand es daher eine gute Idee, das auch im Alltag von ihm zu verlangen. Aber Jakob nahm es gar nicht an. Es war jedes Mal ein Diskutieren und Schimpfen – schlichtweg nervenzehrend. Auch ein Belohnungssystem zog nicht. Nach einigen Wochen fand ich den Kampf einfach unrentabel. Ich verschwendete meine Energie für null Ergebnis. Diesen Frust wollte ich mir nicht länger aufladen. Ich beschloss, diesen guten Erziehungsrat in diesem Fall nicht weiter umzusetzen und meine Kraft lieber für andere Situationen einzusetzen. Also zog ich unserem Jakob die Schuhe wieder an. Jetzt hatte ich emotional wieder mehr Raum, andere Dinge anzugehen, die vielleicht mehr Erfolg versprachen. Wenige Wochen später war Saisonwechsel. Mit einem Paar neuer Schuhe, die Jakob begeisterten, lief das Schuheanziehen auf einmal von ganz allein. Die Zeit hatte Jakob dann doch noch dazu gebracht, seine Schuhe selbst anzuziehen.

LOS GEHT’S!

Es gibt natürlich Themen, da sind wir als Eltern jahrelang gefordert, dran zu bleiben, und es wird immer ein Auf und Ab geben. Es wird nicht den einen Trick geben, mit dem wir unseren Kindern zum Beispiel Höflichkeit beibringen. Aber gerade, wenn bestimmte Situationen immer wieder auftauchen und uns Kraft und vielleicht sogar eine gute Beziehung zum Kind kosten, lohnt es sich, einen extra Gedanken zu investieren.

Wir sollten möglichst nicht so weit kommen, über unsere Kinder die Augen zu rollen und zu ihnen zu sagen „Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst …!“ Damit vermitteln wir unseren Kindern, wie hoffnungslos die ganze Erziehung ist. Das tut uns und dem Kind weh. Die Kinder lassen sich davon auch wenig beeindrucken und haben kaum Mitleid mit uns Eltern, auch wenn wir in einer Sackgasse stecken. Zudem kommen die Kinder nach einem solchen Satz auch in den seltensten Fällen auf die Idee, ihr unerwünschtes Verhalten zu ändern, um uns Eltern zu entlasten. Also: Wir sind die Eltern, und wir sind am Zug!

Debora Güting ist Referentin und Teil des Patoralteams der Kirche des Nazareners in Seligenstadt, verheiratet mit Johannes und hat vier Kinder.

UND BEI EUCH?

Habt ihr ähnliche Erfahrungen im Erziehungsalltag gemacht? Was hat euch geholfen, wenn ein Verhalten keine Wirkung gezeigt hat? Und welche Tipps von Debora Güting findet ihr hilfreich? Schreibt uns an redaktion@family.de, Stichwort „Versuch etwas anderes“.

Weniger Zeug, mehr Raum

Nicht erst seit Silbermonds Song „Mit leichtem Gepäck“ fragen sich Familien, wie sie ihr Leben vereinfachen und erleichtern können. Auch Rachel Suhre aus dem Hunsrück ist mit ihrer Familie minimalistisch unterwegs.

Eine ausrangierte Fahrradzeitschrift und diverse Holztiere liegen verstreut auf dem Boden herum. Hinter mir ein kleiner Haufen Krimskrams: Drei bunte Badeschwämmchen, ein lila Handspiegel, zwei Spielzeugautos, eine Dino-DVD und ein Handglöckchen aus Metall. Ein kleiner Haufen Spielzeug, der es vom Wohnzimmer nicht ins Kinderzimmer geschafft hat. So sieht das Leben als Familie aus, die sich mit dem Thema Minimalismus auseinandersetzt? Ja. Vor etwa sieben Jahren begann für uns das Weniger relevant zu werden. Wir lebten in einer Wohnung voller Dinge. So viel Besitz wie damals haben wir seitdem nicht mehr gehabt, dennoch ist es noch immer einiges.

DREIMAL MEHR
Es fing damit an, dass wir von allen vermeintlich notwendigen Babyutensilien mindestens zwei hatten: zwei Babyphone, drei Wippen, zwei Babyschalen fürs Auto, Unmengen Babykleidung. Wir begannen zu reduzieren. Erst den Babykram, dann Bücher, DVDs, Kleidung, Möbel.

Anfangs fehlte uns einfach der Platz. Dann wurde uns bewusst, wie viel Pflege und Arbeit viele Dinge erfordern. Sei es die Instandhaltung technischer Geräte oder das Säubern und Ordnen von Regalen und Kommoden. Beides erfordert Zeit, die wir plötzlich zurückgewannen und für anderes einsetzten. Das Leben wurde leichter, und wir hatten plötzlich wieder mehr Raum. Mehr Raum für uns, mehr Raum zum Spielen, mehr Raum zum Durchatmen. Das sind meine ganz persönlichen drei Mehr, von denen wir heute als Familie profitieren.

Nach dieser Erfahrung entschieden wir, nur noch das in unseren Haushalt hineinzulassen, was wir wirklich brauchen. Wir haben keinen Fernseher. Allerdings schauen wir ausgewählte Kinderserien am Notebook, und das Tablet darf zum Spielen verwendet werden. Ich stelle keine Regale im Wohnzimmer auf. Ich halte den Süßigkeitenkonsum gering, und das Spielzeug unterliegt meiner mal mehr, mal weniger strengen Auswahl. Unser Wasser trinken wir aus dem Hahn und nicht mehr aus der (Plastik-)Flasche. Wir kaufen viel frisch aus dem Bio-Hofladen und den Joghurt in Gläsern. Bücher leihen wir uns aus der Bücherei. Wir sind viel draußen unterwegs. Deshalb hat jeder ein eigenes Fahrrad. Ist das Minimalismus? Keine Ahnung. Das machen viele Familien so, ganz ohne das große Wort Minimalismus.

Glühbirnen-Bildchen und Checklisten

ADHS-Trainerin Judith Gruhler gibt Tipps, was betroffenen Familien helfen kann. Teil 2 unserer Mini-Serie zu ADHS

Ein Leben mit ADHS bringt ständige Herausforderungen mit sich – das kostet Kraft. Vor allem, wenn man als Elternteil selbst auch betroffen ist! Doch es ist möglich, dass der Alltag entspannter wird. Dazu möchte ich in diesem Artikel einige Anregungen geben. Diese ersetzen allerdings kein Elterntraining! Darum ist der erste Tipp: Nehmen Sie an einem ADHSElterntraining teil! Dort lernen Sie, Ihr Kind besser zu verstehen und besser mit ihm umzugehen. Dazu gehört zu verstehen, welche Auswirkungen die andere Netzwerknutzung im Gehirn eines Kindes mit ADHS hat (siehe Teil 1 der Mini-Serie in Family 4/16). Und sie können sich dort mit anderen Eltern austauschen. Das gilt auch für ADHSSelbsthilfegruppen. Je mehr hilfreiches Wissen Sie über ADHS haben, umso besser werden Sie den Alltag bewältigen können (Infos und Buchtipps siehe Kasten).

VORSICHT, GEÄNDERTER FAHRPLAN!
Was kann helfen, dass der Alltag entspannter wird? Einige praxisbewährte Anregungen dazu:

  • Kinder mit ADHS haben Probleme mit Umstellungen. Sie brauchen eine Ankündigung vor einer Umstellung, etwas Neuem oder einer „Fahrplanänderung“. Hilfreich ist ein Küchenwecker, der als Ankündigung beispielsweise fünf Minuten vor dem Ende des Spielens läutet.
  • Bei einem Kind mit ADHS, das überreizt oder irritiert ist, kann die Stimmung unmittelbar kippen. Es kann heftig erregt sein und verletzende Dinge sagen. Nehmen Sie diese Äußerungen nicht persönlich! Versuchen Sie, tief durchzuatmen. Stellen Sie sich vor, vor Ihnen sei eine Plexiglasscheibe, an der die Aussagen Ihres Kindes abprallen.
  • Achtsamkeit, Gelassenheit und Humor können bewirken, dass Schweres leichter wird. Diese Fähigkeiten kann man lernen, dazu braucht man jedoch Zeit!
  • Weil der Alltag viel Kraft kostet, ist ein positiver Ausgleich wichtig. Tun Sie regelmäßig etwas, das Ihnen guttut, wo Sie auftanken können. Um Stresshormone abbauen zu können, ist Bewegung sehr gut. Planen Sie auch Zeiten ein, in denen Sie gemeinsam mit dem Kind etwas Schönes erleben können.

„Es geht nicht nur um die Hebammen“

Immer weniger Hebammen bieten Geburten zu Hause oder im Geburtshaus an. Dabei würden sie das gern. Ein Gespräch mit Lisa Leitlein, Hebamme in Essen.

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Nachhaltig leben

… muss nicht teuer sein. Natürlich haben Bio-Produkte und faire Kleidung ihren Preis. Aber wer auf Nachhaltigkeit setzt, kann auch Geld sparen. Drei Familien berichten von ihren Erfahrungen. Ein Experte gibt Tipps.

Bio bezahlbar

Bei uns fing es mit dem Kaffee an. Das war das erste Produkt, bei dem wir uns Gedanken gemacht haben, ob es ethisch korrekt angebaut und gehandelt wird. Also begannen wir den Kaffee im Eine-Welt-Laden in Bioqualität zu kaufen. Ansonsten bestand unser Einkauf beim Lebensmitteldiscounter auch aus den dort vorhandenen Biolebensmitteln. Da wir allerdings über ein recht überschaubares Budget verfügen, kamen auch weiterhin Sonderangebote in den Einkaufskorb.

Angeregt durch die Fastenzeit 2010, in der ich mich entschlossen hatte, vegetarisch zu leben, begann ich mir mehr und mehr Gedanken über meinen Konsum zu machen. Nach der Lektüre etlicher Bücher beschlossen wir als Familie, dass wir etwas ändern wollen. Der ethisch beste Konsum ist nach wie vor kein Konsum. Das bedeutet, dass wir uns zurückhalten mit Spontankäufen. Bei Lebensmitteln haben wir seit geraumer Zeit eine Biokiste vom Bauernhof, die hauptsächlich mit regionalem Obst und Gemüse gefüllt ist. So ist auch Bio bezahlbar.

Unseren Fleischkonsum haben wir auf ein- bis zweimal wöchentlich eingeschränkt, da ich auch nach der Fastenzeit Vegetarierin geblieben bin. Das Fleisch beziehen wir von der Metzgerei oder dem Bauernhof vor Ort. Brot ist ein relativ teures Lebensmittel, vor allem in Bioqualität. Aus diesem Grundbacke ich so oft wie möglich selbst. Bei Kleidung hat sich das Ganze mit den Kindern etwas schwieriger gestaltet. In jungem Alter haben wir viel Gebrauchtes geschenkt bekommen oder gekauft. Unsere zwei Teenager legen jedoch mehr und mehr Wert auf aktuelle Mode. Da wir uns hier aber nicht ausschließlich ethisch korrekte Kleidung leisten können, kaufen wir für die Jungs auch mal ganz konventionell ein.

Es ist wichtig, sich Gedanken zu machen, wie unsere Güter hergestellt werden und wie die Arbeitsbedingungen dabei sind. Wir alle haben eine Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen und Gottes Schöpfung. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass dies auch mit kleinem Geldbeutel möglich ist. Trotz allem braucht man nicht dogmatisch zu sein, denn viele kleine Veränderungen führen zu einem großen Ziel.

Sylvia Imhoff arbeitet als Augenoptikerin und lebt mit ihrer Familie in Neuenbürg.

Nachhaltiger leben – vier Tipps zum Einstieg

1. Fang mit dem an, was du schon weißt
Mit dem nachhaltigen Leben ist es wie mit anderen Dingen auch: Bevor man angefangen hat, erscheint einem alles völlig unüberschaubar. Doch oft weiß man mehr, als man denkt. Und da sollte man ansetzen. Am einfachsten geht es beim Lebensmitteleinkauf: Kaffee, Schokolade und viele andere Produkte gibt es auch „Fairtrade“, Milch kann man „erzeugerfreundlich“ bekommen und bei Eiern auf artgerechte Haltung achten.

2. Beruhige nicht nur dein Gewissen, sondern ändere dein Leben
Bei der Idee der Nachhaltigkeit geht es um einen Lebensstil, den alle durchhalten können: Verbraucher, Produzenten und Umwelt. Deshalb ist der gelegentliche Kauf eines Bioproduktes zwar ganz nett, sinnvoller ist es jedoch, nach und nach ganze Bereiche auf eine andere Grundlage zu stellen. Also: Nimm nach dem Lebensmitteleinkauf Kleidung und Elektrogeräte unter die Lupe und arbeite dich dann weiter vor.

3. Betrachte das Auto als Luxusgut
Autos sind geschlossene, klimatisierte Räume, die uns von unserer Umwelt trennen. Manchmal ist ihr Einsatz sinnvoll, oft ist er es nicht. Und dann hindert uns das Auto an der Wahrnehmung unseres Körpers, unserer Umgebung und des Wetters. Deshalb sollten wir es so oft wie möglich stehenlassen und uns zu Fuß, auf dem Rad oder im öffentlichen Verkehr bewegen. Das hilft beim Entschleunigen und regt zum Nachdenken an.

4. Probiere vieles aus, halte das meiste davon durch
Nachhaltigkeit ist nicht nur etwas für verbissene Ideologen oder griesgrämige Asketen, sondern fordert zur spielerischen Kreativität heraus. Probiere einfach einmal ein Kochrezept mit regionalen Zutaten aus, versuche ein Brot zu backen, Butter zu machen, einen kleinen Tisch selbst zu schreinern. Finde neue Wege in die Stadt jenseits der Autostraßen. Geh über den Wochenmarkt. Unterhalte dich mit einem Biobauern. Ersetze alte Rituale durch neue, nachhaltige. Wenn es gut läuft, mache es weiter. Wenn nicht, probiere etwas anderes aus.

Dr. Thomas Weißenborn ist theologischer Leiter am Marburger Bildungs- und Studienzentrum (mbs). Mit seiner Frau und seinen vier Kindern versucht er, konsequent nachhaltig zu leben.

Weitere Erfahrungsberichte zum Thema „Nachhaltig leben“ finden Sie in der aktuellen Ausgabe der family.

Bildnachweis: istockphoto/thinkstock

„Warum sind die nur so fies?“

Was soll ich ihm denn jetzt sagen?“ Hilflos steht Mira* (38) vor mir und erwartet einen Rat. Ihr Sohn Luis* (12) wird gehänselt. Manchmal würde er am liebsten zu Hause bleiben, einfach krank werden. Denn Schule ist so anstrengend. Nie laut pupsen. Bloß nichts Falsches sagen, sonst wird man öffentlich ausgelacht. Die Hose immer schön weit runterziehen, auf keinen Fall „strebermäßig“ rüberkommen … So weit klingt für Mira und mich alles ganz normal. Typisch Schule eben. Aber Luis ist unglücklich dabei, hat in letzter Zeit Probleme beim Einschlafen. Als Mira ihm sagte, sie habe das früher auch so erlebt, das gebe sich irgendwann von selbst, ist Luis ausgeflippt: „Du hast ja keine Ahnung!“

Und ich? Ich habe keine Ahnung, wie ich die Situation beurteilen soll. Was müssen Kinder einfach aushalten? Was macht sie stark für die Auseinandersetzungen, die im Erwachsenenleben auf sie zukommen? Wie können sie sich wehren, wenn ihnen etwas zu weit geht? Und was ist seelenverletzendes Mobbing, das man schnellstmöglich stoppen muss?

Was ist Mobbing und was nicht?

„Wenn ein Kind ein anderes Kind tritt, und dies vielleicht auch mehrfach, ist das eine aggressive Handlung und an sich kein Mobbing. Denn hier gibt es einen Angreifer und ein Opfer. Von Mobbing können wir sprechen, wenn negative Handlungen stets ein und dasselbe Kind treffen, und wenn gleichzeitig andere Kinder die Angreifer unterstützen“, weiß Françoise Alsaker. Sie ist Professorin für Entwicklungspsychologie an der Uni Bern und forscht seit vielen Jahren zum Thema Mobbing unter Kindern.

Negative Handlungen, das können Demütigungen sein – wie das Herausstellen von vermeintlichen Schwächen, das Verbreiten von Gerüchten oder der Ausschluss von allen Gruppenspielen. Erpressung kann dazu gehören. Treten, Schlagen, Schubsen oder Kneifen ebenso. Und auch das Zerknicken von Stiften oder ständiges Augenrollen und Stöhnen bei jeder Äußerung eines bestimmten Kindes. Mobbing hat viele Gesichter. Man kann es sogar als „Ist doch alles nur Spaß“ tarnen. Das macht es so schwer, es zu erkennen. Ein Erkennungsmerkmal bleibt allerdings stets gleich: Mobbing ist ein Gruppengeschehen, das sich gezielt gegen eine Person richtet und sich über einen längeren Zeitraum hinzieht.

Bei Mobbing geht es immer auch um Macht. „Mobber wollen Erfolg, kein Kräftemessen und auch keine Strafe“, erklärt Alsaker. „Die Mobber sind viele: Ein, zwei Anführer – oft mehrere Mitläufer. Das Opfer steht allein. Dadurch ist ihr Erfolg bereits vorprogrammiert.“ Und wenn die Mobber doch ertappt werden? „Können sie einander in ihren Aussagen stützen, wodurch das Machtgefälleweiter wächst.“

Mobbing oder simpler Streit?

Und wie unterscheide ich zwischen Mobbing und einem Streit? Dazu Alsaker: „Bei einem Streit sind die Kinder einigermaßen gleich stark, mindestens aber gleichberechtigt.“ Geraten zwei Streithähne öfter aneinander und zieht mal der eine, mal der andere den Kürzeren, egal ob verbal oder bei einer kurzen Klopperei, müssen Eltern sich noch keineSorgen machen. „Solche Konflikte gehören zum Alltag, zur sozialen und emotionalen Entwicklung.“ An ihnen lernten Kinder, sich durchzusetzen, aber auch mal nachzugeben und sich zu vertragen. „Außerdem erkennen sie dabei, wie weit sie gehen können. Und sie lernen, sich zu wehren.“ Mobbing hingegen biete Kindern genau diese Möglichkeit nicht. „Ein Mobbing-Opfer hat keine Chance gegenüber den anderen. Es lernt nur eins: nachgeben und einstecken.“

Noch etwas gibt Alsaker zu bedenken: „In Konflikten wird um oder über etwas gestritten. Beim Mobbing geht es hauptsächlich darum, das Opfer zu verletzen, seinen Wert als Mensch herabzusetzen. Zudem geht Mobbing auch dann noch weiter, wenn das Opfer bereits klein beigegeben hat.“

Um Mobbing herrscht Schweigen

Eines der verstörendsten Ergebnisse der Mobbingforschung ist, dass um Mobbing Schweigen herrscht. Mobber berichten ihren Eltern mit Sicherheit nicht, was sie treiben. Sie wissen, dass es nicht in Ordnung ist. Selbst die Opfer schweigen häufig. Vor allem über das Ausmaß. So wissen Eltern manchmal nur von der Spitze des Eisberges und denken, ihr Kind berichte von Einzelfällen. Deshalb rät Alsaker allen Eltern: „Hören Sie Ihren Kindern gut zu, wenn sie etwas erzählen. Nehmen Sie sie ernst und stellen Sie interessierte Fragen, wie:

• Ist das früher schon passiert?
• Haben die anderen Kinder etwas gesagt?
• Was ist danach geschehen?

Verkneifen sollten Eltern sich vorschnelle Erwiderungen wie „Ist doch nicht so schlimm!“, „Da musst du dich selber wehren!“ oder „Was hast du denn dazu beigetragen, dass dir das passiert ist?“ Soll Mobbing wirkungsvoll gestoppt werden, muss darüber geredet werden: Kinder sollten zu Hause alles äußern dürfen. Eltern sollten offen mit den Lehrkräften sprechen können. Und Lehrer sollten Mobbing in der Klasse ansprechen, allerdings ohne nach Ursachen oder Schuldigen zu suchen. So muss sich kein Mobber verteidigen. Und kein Opfer wird bloßgestellt.

*Alle Namen geändert

Anke Gasch ist freie Autorin und lebt mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern in Hilden.

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Bildnachweis: thinkstock

Mütter bestürmen den Himmel

Christine Gehrig trifft sich regelmäßig mit anderen Müttern zum Beten. Ein echter Segen!

Nein, wir sind nicht zu verwechseln mit den Kabarettistinnen „Die Mütter“. Trotzdem sind wir welche. Nicht Kabarettistinnen, sondern Mütter. Und das Leben ist manchmal wie ein Kabarett: schräg, irrwitzig, heillos verworren. Wenn unsere Kinder daneben langen in der Wahl ihrer Freunde. Wenn ihr Verhalten uns Rätsel aufgibt. Wenn wir überanstrengt sind. Wenn sich beruflich oder beziehungsmäßig was verkantet. Wenn wir unter Krankheiten, Krächen, Krisen leiden. Und auch, wenn es was zum Freuen gibt.

Deshalb treffen wir Mütter uns, tauschen uns aus, lachen, ermutigen uns und beten mit- und füreinander. Zu einem Unsichtbaren, der dabeisitzt, mitfühlt und unsere Dinge in Planung nimmt: Jesus.

Gestaunt und gelacht

Meine Zweifel wiegen manchmal schwerer als mein Vertrauen. Dann ist es ein starkes Getragenwerden, wenn meine Freundinnen für mich glauben und den Himmel bestürmen. Umgekehrt tue ich es auch gern für sie. Ich bin so froh, dass ich sie habe: Nikolina ist sehr einfühlsam, Heidrun weiß oft das rechte Wort zur rechten Zeit, Annette bringt komplexe Inhalte gut auf einen Nenner, Anja hat ein weites Herz, Joyce kann sehr gut zuhören.

Leider haben wir es in unserem zweieinhalbjährigen Bestehen verpasst, Protokoll zu führen. Protokoll über etappenweise oder spontane Gebetserhörungen. Denn oft haben wir gestaunt und gelacht. Sei es, dass eine Freundin inneren Frieden und Klarheit bekam. Eine Tochter hat sich mit ihrer Freundin wieder versöhnt. Eine Familie hat ein Haus gefunden. Ein finanzieller Engpass weitete sich, schulische Probleme haben sich gelöst, ein Kindergeburtstag verlief harmonisch oder ein in sich gekehrtes Kind taute vergnügt auf. Und eine Freundin, die mit großem Interesse bei uns eingestiegen ist, hat einen Durchbruch zu Jesus erlebt.

Praktische Hilfe

Unsere Gebete beschränken sich nicht auf die Mittwochvormittage. Gedanklich nehmen wir die Anliegen mit in die Woche. Auch in ganz lebenspraktischen Dingen unterstützen wir uns gegenseitig. Einmal nahm ich ganz spontan einen kleinen Jungen in Obhut, den das Jugendamt vermittelt hat. Weil meine Kinder schon groß sind, hatte ich weder Kleidung noch Kinderwagen oder Kinder sitz. Schnell und zuverlässig bekam ich alles von meinen Freundinnen. Mal backt die eine für die andere einen Kuchen, wenn es pressiert. Wertvolle Informationen, welcher Arzt gut ist, wo man Geld sparen kann, wie man eine Haushaltspraktikantin bekommt, wo welche Veranstaltung stattfindet, machen bei uns die Runde. Da wird Gottes Liebe herrlich erfahrbar.

Wie fing es eigentlich an? Durch Zuzüge entstand eine kleine Ansammlung christlicher Familien in unserem Wohnviertel und bei Heidrun die Idee für unsere Treffen. Auch aus anderen Stadtteilen kamen Frauen hinzu. Die jeweilige Gastgeberin stellt Wohnzimmer, Spielekiste und Getränke zur Verfügung und wir halten uns an die Termine, soweit es geht.

Unsere geographische, zeitliche und zwischenmenschliche Schnittmenge ist ein großes Geschenk und nicht selbstverständlich. Dafür sind wir dankbar. Erwartungsvoll beten wir weiter und sind gespannt, welche Überraschungen wir noch erleben werden.

Christine Gehrig ist Familienfrau und Nordic-Walking- Lehrerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Bamberg.

Foto: photocase/unseen

Ehe in der Pubertät

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, dann kriselt häufig nicht nur die Eltern-Kind-Beziehung. Auch die Beziehung zwischen den Ehepartnern kann ins Trudeln geraten. Wie man dem entgegenwirkt, erläutern die Paarberaterin Felicitas A. Lehnert und der Theologe Dr. Volker A. Lehnert im Gespräch mit family-Redakteur Christof Klenk.

Ihr neues Buch heißt „Ehe in der Teenie-Krise“. Was sind besondere Herausforderungen, denen sich Väter und Mütter in dieser Zeit stellen müssen?

Felicitas Lehnert: Eltern geraten in den Spagat zwischen der Pubertät der Kinder und den Erinnerungen an die eigene Pubertät. Aber die Merkmale der Teenagerwelt damals passen häufig nicht auf die Teenagerwelt von heute, weil die Welt eine andere geworden ist. Wir erziehen unsere Kinder in eine Welt, die wir selbst nicht gelernt haben. Dies ist eine Gratwanderung und eine große Herausforderung. Sie sagen auch, dass Eltern von Teenagern sich entwickeln müssen. Wohin sollen sie sich entwickeln?

Volker Lehnert: In die nächste Reifestufe. Die „Aufzucht der Kleinen“ kommt zu einem Abschluss. Damit auch das eigene Leben in die nächste Stufe kommt, sind neue Perspektiven, neue Ziele und Zukunftspläne für die eigeneBeziehung nötig.

Felicitas Lehnert: Diesen Entwicklungsschritt weiter zu gehen, ist erstrebenswert. Die Teeniephase der Kinder ist eine entscheidende Phase für die Eltern. Wenn man sie durchlebt, durchleidet und für sich eine Perspektive findet, dann ist das ein enormer Schritt. Ein Mensch verändert sich nur in der Krise. Wenn alles gut läuft, besteht kein Anlass zur Veränderung.

Wie kann sich eine kriselnde Ehe der Eltern auf die Pubertät der Kinder auswirken?

Felicitas Lehnert: Kinder lernen von ihren Eltern – so auch den Umgang mit Krisen. Gelingt es den Eltern, eine Krise als Herausforderung anzugehen und zu bewältigen, so lernen Kinder: Probleme sind dazu da, sie zu lösen. Scheitern Eltern an dieser Aufgabe, so lernen Kinder Ohnmacht. Dieses Grundgefühl werden sie in ihre eigene Partnerschaft hineintragen.

Sie sagen, wenn die Kinder massiv pubertieren, dann liegt etwas im Argen mit der Beziehung der Eltern. Wenn sie es gar nicht tun, auch.

Felicitas Lehnert: In einer Familie kann man nicht ein einzelnes Mitglied isoliert betrachten. Auffälliges Verhalten des Pubertierenden – egal, in welche Richtung – sagt nicht nur etwas über das Kind. Eltern stehen vor der Frage: Warum? Wo liegen die Wurzeln? Was hat das mit uns zu tun? Was tragen wir zu diesem Verhalten bei? Und: Wovon lenkt der scheinbare ‚Problemfall Kind‘ möglicherweise ab? Ist es nur Symptomträger?

Volker Lehnert: Wenn man die Ursachen für die Probleme des Kindes sucht, stößt man sehr häufig auf Verletzungen und Verdrängungen der Eltern.

Nun haben wir wahrscheinlich alle Verdrängtes und Unverarbeitetes, das wir lieber nicht anrühren wollen. Seien es unverwirklichte Träume oder Enttäuschungen.

Felicitas Lehnert: So wenig wie Eltern ein Anrecht auf perfekte Kinder haben, so wenig haben Kinder ein Anrecht auf perfekte Eltern. Auch dies gilt es nicht zu verdrängen. Die Schwere der Schatten wiegt unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Das entbindet aber nicht von der Aufgabe, sich ihnen zu stellen.

Ist das unausweichlich?

Felicitas Lehnert: Ja. Genauso wie unsere genetischen Dispositionen uns ein Leben lang begleiten, genauso werden wir unsere familiären Prägungen niemals abstreifen können. Wir können sie verdrängen, sie ignorieren, uns ihnen ausliefern. Oder wir können sie erkennen, annehmen, gestalten und eventuell sogar lieben lernen.

Viele Familien leiden auch darunter, dass die gemeinsame Zeit zwischen Alltag und Berufsleben auf der Strecke zu bleibt.

Volker Lehnert: Das neue Zauberwort heißt ‚Work-Life-Balance’. Dabei geht es darum, dass genügend Zeitressourcen für die Beziehungspflege eingeplant werden. Wir beobachten mit großer Sorge, dass unser gesellschaftlichesLeben immer mehr Zeit für Aufgaben in Anspruch nimmt, die nichts mit unseren Primärbeziehungen zu tun haben. Unsere Prioritäten liegen bei genauem Hinsehen zunehmend außerhalb unserer Familie. Wer aber die Zeit an einer guten Beziehungspflege spart, der spart am falschen Ende.

Felicitas Lehnert: Die Plattitüde, es käme lediglich auf die Qualität der Zeit an, die man miteinander verbringt, ist zu kurzsichtig. Es gibt keine Qualität ohne ein Mindestmaß an Quantität.

Sie schreiben in Ihrem Buch auch über „abwesende Väter“. Herr Dr. Lehnert, Sie sind auch ein viel beschäftigter Mann. Wie haben Sie dafür gesorgt, genügend anwesend zu sein?

Volker Lehnert: Als unsere Kinder klein waren, war ich als Gemeindepfarrer tätig. Das ist einerseits eine Belastung, denn Kinder müssen ihren Vater häufig mit vielen anderen Menschen teilen. Anderseits habe ich diese Zeit als großes Privileg erlebt, denn viele Tätigkeiten im Pfarrdienst finden zu Hause statt. Dadurch war ich immer wieder in der Familie präsent. Meine Frau und ich haben uns damals auch klare Regelungen für unsere Paarbeziehung gesetzt. Ich hatte in der Regel montags meinen freien Tag, gelegentlich kamen die Großeltern zur Kinderbetreuung und ein Abend in der Woche gehörte nur uns beiden. Solche Zeiten muss man sich erstreiten. Manche behaupten, sie hätten keine Zeit für Partnerschaft und Familie, aber jeder Mensch hat 24 Stunden am Tag – und damit muss man gut haushalten.

Neben den Vätern, die abwesend sind, berichten Sie auch über Männer, die nicht die Vaterrolle einnehmen. Wie kann man das verstehen?

Felicitas Lehnert: Die Emanzipation hat zu Recht eingeklagt, dass Väter sich mehr in die Familie einbringen, aber nicht als Ersatzmütter, sondern als Väter, mit der Aufgabe des Schutz-Gebens, des Halten-Könnens, des Leiten-Könnens … Kinder brauchen Väter, aber nicht in der Funktion des großen Bruders oder der zweiten Mutter.

Ist das die Schuld der Väter?

Felicitas Lehnert: Es geht hier nicht um Schuld. Väter sind heute häufig verunsichert. Alte Rollenverständnisse sind überholt, neue oft noch nicht gefunden. Der eigene Vater fungiert häufig nicht mehr als Vorbild. Und Frauen haben oft sehr große Erwartungen.

Was wäre die spezifische Väter- und Männerrolle?

Felicitas Lehnert: So wie es eine wichtige Aufgabe der Mutter ist, ihr Kind emotional satt zu machen, so ist es eine wichtige Aufgabe des Vaters, sein Kind emotional stark zu machen.

Volker Lehnert: Ein Vater sollte eine Art ‚Leitwolf’ sein. Dieser hat eine schützende Funktion und weicht keiner Bedrohung aus. Dadurch fühlt sich das ‚Rudel’, also die Familie, geschützt.

Felicitas Lehnert: Ein Vater muss sich bewusst sein, dass er sowohl bei seiner Tochter als auch bei seinem Sohn das Männerbild prägt. Der Sohn sieht: So werde ich mit meiner Frau umgehen. So werde ich mit meinen Kindern umgehen. So wichtig wird mir Familie sein … Die Tochter sieht: So wird ein Mann mit mir umgehen. So wird ein Mann mit meinen Kindern umgehen. So wird ein Mann zu seiner Familie stehen.

Sie schreiben auch über die Mutterrolle und dass es schwierig für Mütter ist, wenn ihre Töchter als „neue Schönheit“ erblühen.

Felicitas Lehnert: Das muss nicht, kann aber problematisch sein, insbesondere, wenn die Mutter sich über ihr Äußeres oder ihr Jungsein definiert und es ihr schwerfällt, in die nächste, durchaus attraktive Altersphase einzutreten. Unsere Kinder sind die nachfolgende Generation, die uns durch ihr Heranwachsen ständig vor Augen führen, dass ein Verharren in einer Lebensphase, mögen wir uns auch noch so an sie klammern, nicht möglich ist.

Wenn Sie die Aufgaben von Müttern und Vätern beschreiben, beziehen sich auf recht feste Rollenbilder. Sind sie unveränderlich?

Felicitas Lehnert: Nein. So viele Menschen es gibt, so viele Familien es gibt, so viele Varianten der Rollenaufteilung gibt es auch. Wichtig ist, dass jedes Paar seine eigene Rollenaufteilung findet. Das Kriterium ist, dass es der Familie dabei gut geht.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Wenn Teenager große Schwierigkeiten haben, tragen sie häufig die Probleme aus, die die Eltern mit sich selbst haben, sind Felicitas und Volker Lehnert überzeugt. In der aktuellen family 01/13  können Sie ihre Reaktion auf den konkreten Fall „Mein Sohn beschimpfte mich aufs Übelste“ nachlesen.

Interessiert? Dann testen Sie doch gleich family!

 

Foto: thinkstock/PolkaDot