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Shelve your agenda – Warum sich Zurückhaltung lohnt

Ein Schlüssel für gelingende Beziehungen besteht darin, sich mit den eigenen Zielen vorübergehend zurückzuhalten. Wie das funktioniert, verrät Paarexperte Marc Bareth.

Kürzlich war ich auf einem Geburtstagsfest. Es gab Apérohäppchen, nette Gespräche, Loungemusik und, wie immer bei solchen Anlässen, die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die meisten Unterhaltungen kamen nicht über ein bisschen Small Talk hinaus, doch es gab auch tiefe Gespräche über die eigene Geschichte, über Glauben, Ängste und Hoffnungen. Dabei fiel mir auf, wie wichtig Zurückhaltung ist.

Das Prinzip Zurückhaltung

Ich habe noch einige Male über diesen Abend und die so unterschiedlichen Gesprächsverläufe nachgedacht. Dabei ist mir bewusst geworden, dass es eine bestimmte Fähigkeit gibt, die jemanden zu einem angenehmen Gesprächspartner macht. Es ist die gleiche Fähigkeit, die auch in einer Paarbeziehung entscheidend ist. Sie lässt sich am besten mit drei englischen Wörtern beschreiben: „shelve your agenda“.

Wörtlich übersetzt bedeutet das in etwa, „seine Gesprächspunkte ins Regal stellen“. Es heißt, dass man seine persönlichen Pläne, Ziele oder Interessen vorübergehend zurückstellt, um Platz für die Bedürfnisse, Interessen oder Prioritäten anderer zu machen. Der Schlüssel: Zurückhaltung.

Der Normalfall ist doch, dass wir nur noch mit einem Ohr dem anderen zuhören, während wir innerlich schon eine Antwort vorbereiten. Oder wir suchen nach Situationen, in denen wir etwas Ähnliches erlebt haben, um es sofort zu erzählen, sobald das Gegenüber kurz Luft holt. Oder wir bewerten das Gesagte in Gedanken und ordnen es in unser eigenes Raster ein, anstatt einfach zuzuhören und uns ganz auf das Bild einzulassen, das uns unser Gesprächspartner aus seiner Perspektive zeichnen möchte.

All diese Verhaltensweisen sind Ausdruck unserer eigenen „Agenda“, bei der es vorwiegend um uns selbst geht – um unsere Überlegenheit, unsere Anerkennung, unsere Weltsicht und unseren Geltungsdrang.

Mit einem Stein reden

Es fällt uns schwer, diese Verhaltensweisen bei uns selbst zu erkennen. Doch wir alle kennen den Extremfall. Wir kennen mindestens eine Person, bei der es eigentlich egal ist, was ihr Gesprächspartner sagt. Sie spult sowieso ihr Programm herunter und erzählt ihre Geschichte im Alleingang und ohne Einfluss des Gegenübers. Ein Satz des anderen dient nur dazu, sich in ihrer Sicht bestätigt zu fühlen und fortzufahren. Sie könnte genauso gut mit einem Stein reden, solange er nur ab und zu anerkennend nicken würde. Solche Menschen wollen vor allem eines: gehört werden. Zurückhaltung? Fehlanzeige! Leider vergessen sie dabei, dass sie erst dann wirklich gehört werden, wenn sie selbst bereit sind, wirklich zuzuhören.

Den eigenen Gedanken einen temporären Maulkorb zu verpassen und uns ganz auf unsere Gesprächspartnerin einzulassen, braucht Übung. Ich glaube sogar, dass es eine lebenslange Reise ist. Doch nur so kann eine echte Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden. Gute Beziehungen entstehen dort, wo es uns gelingt, unsere eigenen Ziele vorübergehend zurückzustellen. Es lohnt sich, diese Fähigkeit zu trainieren. Es lohnt sich für das Geburtstagsfest genauso wie für den Beruf, für die Beziehung zu den Nachbarn und für die Beziehung zu Gott. Und natürlich ganz besonders für die Partnerschaft.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter: familylife.ch/five.

Öfter mal was Neues – Wie Abwechslung die Beziehung bereichert

In langjährigen Beziehungen schleichen sich viele Routinen ein. Da hilft es, diese aufzubrechen und Neues zu wagen. Das bringt neuen Schwung in das (Liebes-)Leben.

Bei unserem ersten Date aßen meine Frau und ich einen tropfenden Kebab, tranken etwas in einer Bar auf dem höchsten Gebäude der Stadt und liefen dann mit Flip-Flops an den Füßen eineinhalb Stunden zum Zoo, nur um festzustellen, dass dieser schon in wenigen Minuten schließt. Alles Dinge, die wir normalerweise in unserem Alltag nicht tun.

Am Anfang war das Kribbeln

Zu Beginn einer Beziehung ist man meist kreativ, was gemeinsame Aktivitäten anbelangt. Man probiert Neues aus, wagt sich an Außergewöhnliches. Doch je länger die Partnerschaft dauert, desto weniger neue und aufregende Erlebnisse macht ein Paar zusammen.

Die Teilnehmenden einer Studie der Psychologin Amy Muise füllten drei Wochen lang jeden Tag einen Fragebogen aus mit Fragen wie: „Wie stark hat heute deine Partnerschaft dazu geführt, dass du neue Erfahrungen gemacht hast?“ Dabei listeten die Teilnehmer Aktivitäten wie zum ersten Mal Austern schlürfen, die Teilnahme an einem Tanzkurs oder Städtereisen auf.

Wenn die Teilnehmenden an einem bestimmten Tag neue Erlebnisse gemacht hatten, berichteten sowohl sie als auch ihre Partner über ein größeres sexuelles Verlangen und eine größere sexuelle Zufriedenheit in der Beziehung. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie an diesem Tag Sex hatten, stieg um 36 Prozent.

Angenehm oder aufregend?

In einer anderen Studie wurden Paare gebeten, eine Liste mit aufregenden Aktivitäten und eine Liste mit angenehmen Aktivitäten zu erstellen. Dann wurden die Paare nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen Paare machten jede Woche 90 Minuten lang etwas von ihrer Liste der aufregenden Aktivitäten, die anderen Paare etwas von ihrer Liste der angenehmen Aktivitäten. Nach zehn Wochen waren die Paare, die wöchentlich etwas Aufregendes unternommen hatten, deutlich glücklicher als die Paare, die jede Woche etwas Angenehmes zusammen gemacht hatten.

Besonders in einer langjährigen Partnerschaft lohnt es sich also, immer mal wieder neue, nicht alltägliche gemeinsame Aktivitäten auszuprobieren. Wieso nicht auch eine solche Liste erstellen und sich zum Ziel nehmen, jede Woche etwas davon auszuprobieren?

Marc und Manuela Bareth stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter familylife.ch/five

Mannsein: Bist du der Mann, der du sein willst?

Was bedeutet es eigentlich, Mann zu sein? Was für ein Mann möchte ich werden? Moor Jovanovski gibt sechs Ratschläge, die dabei helfen, ein authentiches Mannsein zu leben.

Was willst du mal werden, wenn du groß bist?“ Diese Frage stellen wir oft kleinen Kindern, weil wir wissen möchten, welche Vorstellungen sie haben. Und dann bekommt man herzerfrischende und ungefilterte Antworten. Zwar sind diese oft wenig realistisch, aber sie geben etwas von der Persönlichkeit und dem Charakter der Kinder preis. Im Laufe des Erwachsenwerdens verblassen die Träume und die berufliche Karriere beginnt unter anderen Gesichtspunkten als dem des Träumens.

Die Frage bleibt spannend: „Was willst du werden?“ Um es noch greifbarer zu machen, hilft ein Perspektivwechsel in die Zukunft. Stell dir dich selbst in zehn oder zwanzig Jahren vor und frage dich: „Bist du der geworden, der du werden wolltest?“ Warum diese Frage wichtig ist? Weil sie über deine Zufriedenheit im Leben entscheidet. Es ist nicht der Besitz und auch nicht der Erfolg, der einen Menschen glücklich macht, sondern das Wissen, dass man mit sich schlüssig ist.

Mannsein? Person vor Position

Das gilt genauso für das Mannsein. Früher wollte man vielleicht ein Superheld werden und die Welt retten. Und dann findet man sich in einem Büro oder auf dem Bau wieder. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber definieren Berufsbilder auch das Sein? Ich bin überzeugt, dass man aus einer versöhnten und geklärten inneren Welt heraus sein Leben gestalten kann. Man ist zuallererst eine Person, und dann kommt der Rest. Bei der Frage, welcher Mann ich sein will, sollte ich nicht die Antwort in Rollen und beruflichen Positionen suchen, denn davon hängt meine männliche Identität nicht ab. Jobs und Positionen verändern sich. Was bleibt, ist immer man selbst. Es ist gut, sich mit seinem Tun zu identifizieren, aber das stiftet nicht Identität, sondern die Identität bestimmt, was ich tue.

Die Werte, die mich als Mann ausmachen, muss ich mir eigenständig und zweckfrei erhalten. Da es viele Vorstellungen und Klischees in Sachen Mannsein gibt, stehe ich als Mann hier vor einer Herausforderung: Was für ein Mann bin ich eigentlich? Und will ich wirklich so sein? Ich möchte es gleich auf den Punkt bringen: Das ist keine Aufgabe, die ich allein lösen muss. Zunächst muss ich mir vor Augen halten, dass es immer um ein Werden geht und nicht um Ergebnisse.

Für dieses Werden möchte ich sechs Hinweise geben, die dir dabei helfen können, dich in deinem Sein weiterzuentwickeln.

1. Behüte dein Herz!

Das Herz ist die Quelle von Charakter und Persönlichkeit. Das stellt König Salomo im biblischen Buch der Sprüche Kapitel 4 Vers 23 fest: „Vor allem aber behüte dein Herz, denn dein Herz beeinflusst dein ganzes Leben.“ Das Herz ist aber auch ein sehr komplexer und paradoxer Ort: Man kann lieben und hassen, man kann großherzig und neidisch, freigiebig und geizig sein. Und all das sprudelt aus derselben Quelle. Man gestaltet seine Welt von innen nach außen. Aus diesem Grund solltest du darauf achten, was in deinem Herzen Raum haben darf und was du ändern solltest. Das hilft auch dabei, dir darüber klar zu werden, wer du eigentlich sein möchtest. Ein Herz voller Gier, Geiz oder Hass bringt keine Freude hervor. Aber Liebe, Zuwendung und Wohlwollen wirken positiv auf dich und dein Umfeld. Daher gilt für dein Mannsein: Was du bist und wie du lebst, beginnt in deinem Herzen.

2. Lass Wunden heilen!

Es ist für Männer nicht leicht, über Verletzungen und Schmerz zu sprechen. Sich mit Kränkungen oder verwundeten Emotionen auseinanderzusetzen, wirkt verweichlicht. Aus diesem Grund verdrängen wir Schmerz und Wunden oder ignorieren sie. Viele Männer haben mir gesagt, dass sie Angst haben, sich diesen Themen zu stellen, weil sie in ihrer Wahrnehmung dann Schwäche zeigen würden. Diese Schwächen würden von anderen ausgenutzt, und man gehöre automatisch zu den Verlierern. Mannsein bedeutet schließlich, stark zu sein, alles im Griff zu haben und alles rational abzuarbeiten. Und doch berichten mir dieselben Männer, dass sie mit Minderwertigkeit, Versagensängsten, Neid, Hass und anderen Gefühlen zu kämpfen haben. Verletzungen und Lebenslügen wie „Das schaffst du nie!“ oder „Aus dir wird nie etwas!“ haben sie fest im Griff.

Ich kenne das aus meinem Leben. Es gibt Wunden, die mir wehtun und mich abwerten. Ich kenne das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit, weil ich lange Zeit keine väterliche Bestätigung und Unterstützung bekommen habe. Das ist ein tiefsitzender Schmerz, der mich immer wieder in Übertreibungen geführt hat. Ich habe mich entweder isoliert oder besonders hart gearbeitet, um der Beste zu sein. Doch mit beiden Strategien habe ich mich unnahbar für meine Mitmenschen gemacht.

Wenn man sich seinem Schmerz nicht stellt, wird die Wunde immer größer. Als ich anfing, mich meinem Schmerz zu stellen, begann die Heilung. Wenn du deine Wunden kennst, findest du heraus, was Heilung verschafft. Und wie du bei äußerlichen Wunden zum Arzt gehst, darfst du auch bei inneren Wunden Hilfe suchen. Das kann ein Seelsorger, ein Therapeut, ein enger Freund oder ein väterlicher Mentor sein. Mit dem Benennen des Schmerzes kann die Gesundung beginnen.

3. Mannsein ohne Masken

Masken zu tragen, kann eine Reaktion auf äußere Einflüsse sein. Man will den Schein wahren oder sich besonders gut darstellen. Oft dienen sie als Verstecke, um nicht aufzufallen oder eigene Fehler zu kaschieren. Integrität ist ein wichtiges Thema, nicht nur in sozialer Interaktion, sondern eben auch in der Persönlichkeitsentwicklung. Echt zu sein ist immer besser, als einen Schein zu wahren. Masken fallen irgendwann sowieso. Und dann ist alles, was man sich aufgebaut hat, wie Sand, der durch die Finger rinnt.

In Psalm 139 schreibt David einen Satz, der die Einzigartigkeit seines Seins unterstreicht. Im Vers 14 heißt es: „Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiß ich wohl.“ Und das ist auch eine wunderbare Aussage der Sicht Gottes auf uns Menschen. Diese Aussage hilft dir, dein Mannsein zu definieren, weil du wissen darfst, dass du nicht jemand anderes sein musst.

Im gleichen Psalm ist aber auch von einer Demaskierung die Rede – David bittet Gott darum, sein Herz zu prüfen: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Zeige mir, wenn ich auf falschen Wegen gehe und führe mich den Weg zum ewigen Leben“ (Vers 23-24). Jeder von uns kann auf Holzwegen unterwegs sein. Ein ehrlicher Moment mit sich und Gott ist ein Moment der Demaskierung und auch der Befreiung. Man muss eben kein Theater spielen, um jemand zu sein.

4. Finde einen Mentor!

Nicht jeder hat ein positives Vaterbild. Aber jeder hat hoffentlich schon mal die Erfahrung gemacht, wie befreiend es ist, einem Menschen zu begegnen, der wirklich an einen glaubt. Ich erinnere mich an ein einschneidendes Erlebnis in meiner Jugend: Mein Fußballtrainer war ein Choleriker. Mein Co-Trainer war das Gegenteil: leise, besonnen, ermutigend und motivierend. Wenn mein Trainer mich anschrie, um mich zu besseren Leistungen zu peitschen, gelang mir erst recht nichts. Wenn mich mein Co-Trainer nach dem Training oder Spiel ansprach, meine gelungenen Spielaktionen unterstrich und mir Verbesserungsvorschläge mitgab, entfesselte mich das regelrecht. Mein Spiel und mein Talent kamen wesentlich besser zum Tragen und verhalfen mir zu einer stabilen Entwicklung.

Das meine ich mit einem väterlichen Mentor: Ein Mann, zu dem ich aufsehen kann, weil er mich respektiert und an mich glaubt. Der weiß, was ich zu lernen habe und wo ich mich noch entwickeln muss, der aber dabei nicht übersieht, wer ich schon bin und was ich schon kann. Nach solch einem väterlichen Mentor halte Ausschau, weil es dein Weg zum Mannsein stärkt. Randnotiz: Halte es für möglich, dass auch du ein Mentor für andere sein kannst!

5. Investiere in förderliche Freundschaften!

Bekannte hat man viele, aber Freunde nur wenige. Echte Freunde erkennst du daran, dass sie zur Familie werden. Sie sind da, wenn du sie brauchst – wie ein Bruder, der mit dir durch Freud und Leid geht. Ihre Liebe ist unverfälscht und selbstlos und immer ist Verlass auf sie. Wenn alles zusammenbricht, bleiben sie stabil. Klingt das zu schön, um wahr zu sein? In Sprüche 17,17 heißt es: „Auf einen Freund kann man sich immer verlassen, und ein Bruder ist dazu da, dass man einen Helfer in der Not hat.“

Es gehört zu meinen wertvollsten Schätzen, dass ich solche Männer in meinem Leben haben darf. Aber diese Art der Bruderschaft bedarf der Investition. Es braucht Zeit, Engagement, Willen und Aufrichtigkeit. Jeder von uns begegnet im Leben Männern, mit denen eine solche Freundschaft möglich ist. Ich kann dir versichern, dass es sich lohnt, darein zu investieren. Nicht nur, weil es eine Stütze ist, sondern auch weil diese brüderlichen Freunde schonungslos ehrlich mit dir sind. Sie sprechen unbequeme Wahrheiten aus. Freunde können streiten und diskutieren, ohne abzuwerten. Sie hinterfragen und ermutigen dazu, festgefahrene Meinungen nochmal zu überdenken. Und sie halten dich, wenn du weinst oder am Ende bist. Sie gehen nicht, selbst wenn alle anderen gehen. Investition in so eine freundschaftliche Bruderschaft fördert das eigene Mannsein.

6. Sei du selbst!

Du hast allen Grund, du selbst zu sein. Kopieren ist nicht nötig!

Moor Jovanovski ist Pastor, Redner und Berater.

Beziehungs-Check für Gestresste: Mit dieser kleinen Frage halten Sie Ihre Liebe frisch

Verbundenheit in Beziehungen will gepflegt werden – gerade in stressigen Zeiten. Das muss nicht immer ein aufwändiger Date-Abend sein. Oft reicht schon eine kleine Frage.

Mitten in der Hektik des Alltags kann sich eine Woche sich schnell anfühlen wie zwei kurze Tage. Das Leben rast dahin wie eine Achterbahn. Da bleibt oft kaum Zeit für die Beziehung. Solche Phasen sind normal und jedes Paar kennt sie. Kritisch wird es allerdings dann, wenn aus zeitlich begrenzten Phasen dauerhafte Zustände werden. Das kann einen hohen Preis fordern. Um gut vorzusorgen und Prävention zu betreiben, hat sich eine simple Frage für Paare bewährt.

Kurz und bündig

Eine Frage nimmt Paare behutsam an die Hand und ermöglicht ihnen, sich für einen kurzen und ruhigen Moment einander zuzuwenden. Diese Frage braucht nicht viel Zeit und passt auch in einen randvollen Tag.

Diese Frage lautet: „Auf einer Skala von 1 bis 10 – wo steht diese Woche dein Liebesbarometer?“

10 bedeutet, dass das Bedürfnis nach Liebe überfließend erfüllt ist. 1 meldet zurück, dass das Gefühl, geliebt zu sein, völlig ausbleibt und dass das Miteinander sich zunehmend beziehungslos anfühlt.

Hinter diesem Liebestankbarometer verstecken sich gleichzeitig mehrere Fragen: Wie geliebt fühlst du dich? Wie sehr wahrgenommen fühlst du dich? Diese Frage entschleunigt. Sie regt zum Nachdenken an. Sie führt dazu, dass wir selbst wahrnehmen, wie geborgen oder wie gehemmt wir uns innerhalb unserer Paarbeziehungen fühlen. Diese Frage lädt Paare dazu ein, Bedürfnisse zu benennen und schafft dafür einen sicheren Raum.

Es braucht Mut

Für den Liebestankbarometer braucht es eine Portion Mut. Die Antwort zu der Frage kann alles andere als schmeichelhaft ausfallen. Wir müssen bereit sein, auszuhalten, dass unser Gegenüber womöglich seit ein paar Tagen ausgehungert ist. Vielleicht signalisiert unser Gegenüber eine Dürre oder eine Wüstenzeit. Eine solche Statusmeldung kann unangenehm. Wer möchte das schon zurückgemeldet bekommen? Das kann den Wunsch nach Verteidigung auslösen. „Ja, Schatz, ich hatte leider so viel zu tun…“ oder „Ich habe gerade starken Druck auf der Arbeit“ oder „Du hast ja auch nie Zeit!“ sind normale Abwehrreaktionen, die aber nicht helfen. Hier ist Zuhören und Annehmen angesagt.

Sich Zurückzuhalten und nach den Wünschen des anderen zu fragen, fordert viel Reife. Ein Paar kann lernen, eine solche Entwicklungsaufgaben miteinander zu bewältigen, um Erlebensmuster und Bewältigungsimpulse im Alltag zu verändern.

Klar und konkret

Es ist natürlich komplizierter, diese Frage mitten in einer stressigen Phase zum ersten Mal zu stellen. Das kann irritierend wirken oder gar größeren Streit auslösen. Sinnvoller ist es, in ruhigen bzw. normalen Zeiten damit zu beginnen. Paare, die sich das Kommunizieren von Bedürfnissen und Wünschen langfristig zur Gewohnheit machen, beugen für holprige Zeiten gut vor. Dabei gilt es, die Frage aufrichtig zu beantworten. Wenn grundsätzlich eine Zufriedenheit mit der Beziehung da ist, kann eine positive Rückmeldung als Zufriedenheitsverstärker dienen und Wertschätzung entgegenbringen. Gleichzeitig kann der Liebestankbarometer helfen, Wünsche besser in Worte zu fassen. Dabei ist es wichtig, klar und konkret zu sein: Ich würde mich mal wieder über ein ernsthaftes Kompliment freuen. Ich würde mich mal wieder mich über eine kleine Schultermassage freuen.

Den Liebesbarometer auszuprobieren, dauert weder lang noch fordert es ein besonderes Setting. Wenn man gut vorgesorgt hat, kann man sich diese Frage auch in hektischen Zeiten Zwischendurch einfach mal stellen und neugierig sein, was passiert.

Ira Schneider ist Paartherapeutin und Autorin. Mehr bei Instagram unter @ira.schneider_.

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

Mit Nicht-Gläubigen über Gott und den Glauben zu sprechen, ist nicht einfach. Das gilt umso mehr in der Familie. Wie es aber trotzdem gelingen kann und uns nebenbei noch selbst weiterbringt, berichtet Matthias Kleiböhmer.

Wir sitzen vor dem Kamin und sprechen darüber, wie die letzten Jahre gelaufen sind. Meine Frau sagt: „Wir können doch ganz zufrieden sein: Job okay, Kinder gesund und wir wohnen in einer guten Gegend.“ Ich denke: „Ja, Gott hat uns gesegnet.“ Aber ich sage es nicht. Meine Frau glaubt nicht an Gott. Und ich möchte den Augenblick nicht kaputt machen. Denn davon zu sprechen, was Gott in unserem Leben tut, führt eigentlich immer zu Diskussionen. In diesem Fall wäre das Thema: „Wieso segnet er dich und andere nicht?“ Aber wir werden noch darüber sprechen. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.

Außerhalb der Kirchenmauern

Es braucht Mut, über den Glauben zu sprechen. Nicht in der Gemeinde – da geht es einfach. Aber fast überall sonst. Meine letzte Blitzumfrage nach dem Gottesdienst hat gezeigt: Es geht vielen so. Was Businesstrainer für den Smalltalk empfehlen, haben wir schon längst verinnerlicht. Geld, Politik und Glaube lässt man besser außen vor, sonst wird es zu persönlich, übergriffig oder einfach zu emotional – und es kann eskalieren. Deswegen bleiben wir mit unserem Glauben unter uns in der Gemeinde oder in der Anonymität unserer Social Media-Bubble. Alle anderen lassen wir besser außen vor.

Wenn man – wie ich – „die anderen“ direkt in der Familie hat, geht das nicht. Für den Moment kann man Gott schon mal aus einem Gespräch ausklammern. Aber auf Dauer gelingt es nicht. Man kommt sich sonst vor, als müsste man öffentlich erklären, dass die Erde eine Scheibe ist. Wir können unser Christsein nicht an der Haustür neben dem Schlüsselbrett ablegen. Wir bringen den Glauben mit. Er begleitet uns durch eine Gesellschaft, in der der Unterschied zwischen denen, die glauben, und „den anderen“ immer größer wird. Immer mehr haben Gott nicht nur vergessen; sie vergessen, dass sie ihn vergessen haben. Schon allein deshalb glaube ich, dass es in Zukunft mehr Beziehungen wie unsere geben wird. Zu Hause kann man sich aber nicht dauerhaft verbiegen. Deswegen können wir nicht permanent auf den Gottesdienst verzichten. Und wir können Gott – wie alles andere Wichtige im Leben auch – nicht für immer aus allen Gesprächen verbannen.

Also braucht es Mut. Denn wir wissen ja selbst, wie brüchig, unvollständig und schwach unser Glaube manchmal ist. Und das kann ein solches Gespräch offenbaren. Wie peinlich! Dabei ist das nicht einmal das Schlimmste. Viel schlimmer ist es, dass es uns oft schwerfällt, unsere Liebe zu Gott in Liebe zu den Menschen zu übersetzen. Schließlich erleben uns unsere Angehörigen immer und überall in der Nahaufnahme. Sie kennen unsere Stärken und Schwächen sehr genau. Der Mut besteht nicht nur darin, von Gott zu erzählen und die verständnislosen Blicke, das Desinteresse oder die anschließende Diskussion auszuhalten. Er besteht vor allem darin, sich selbst mit dem Maßstab des Glaubens messen zu lassen.

Der Anspruch ist gewaltig

Viele Menschen haben zwar Gott vergessen, aber trotzdem gewaltige Ansprüche an Christinnen und Christen, was Geduld, Barmherzigkeit und Nächstenliebe angeht. Drei Disziplinen, in denen ich ständig versage. Als Bibelleser denke ich dabei oft an Paulus, und das macht es nicht leichter. Er ist nämlich der Meinung, dass in Beziehungen wie meiner nicht-gläubige Partnerinnen und Partner gewonnen werden können durch die vorbildliche Lebensweise der Christinnen und Christen. Das ist die wichtigste Art, wie wir über unseren Glauben sprechen, und es ist die schwierigste.

Man kann das alles maximal groß und kompliziert denken oder man kann die Freiheit des Glaubens ernst nehmen. Was ich meine: In meiner Situation spürt man den Erwartungsdruck der anderen, man liest Paulus und hört vielleicht sogar Jesu Aufforderung, „alle Welt“ mit dem Evangelium in Kontakt zu bringen. Das überfordert nicht nur mich, sondern auch Menschen, die im Glauben fester sind als ich. Tatsächlich hat Gott aber die Neigung, Menschen mit großen Schwächen zu Zeugen seiner Liebe zu machen. Petrus war ein Verräter, Paulus ging keinem Streit aus dem Weg und ein Berufssoldat der verhassten Römer erkennt als Erster: „Dieser Mann ist Gottes Sohn gewesen!“ Willkommen in der Gemeinschaft der Unvollkommenen!

Nicht-Gläubige, die wissen, dass wir Christen sind, werden sich sicher immer mal wieder fragen, wie glaubwürdig wir leben. Aber sie verstehen darunter meist etwas anderes, als Gott darunter versteht. Sie meinen meist eine moralische Christlichkeit mit selbstlosem Einsatz für den Nächsten. Dabei sind sie so ungnädig, wie wir Menschen eben sind. Gott kann da liebevoller drüber hinwegschauen und das sollte unser Maßstab sein. Wir müssen es trotzdem mit aller Kraft versuchen. Wir sind dran, weil es eben niemand anderen gibt, der es tun kann. In der Familie kann man sich nicht vertreten lassen.

Aber wie macht man das?

Wie findet man Worte für den Glauben und wie spricht man ihn aus? Ich meine, der einfachste Weg ist, mit einem eigenen Erlebnis zu beginnen. Da braucht man keine große Theologie und keine Argumente. Man darf einfach erzählen, wie man etwas erlebt hat. Zum Beispiel, dass man Gott erlebt hat, wo andere nur einen glücklichen Zufall sehen. Beispielsweise so, dass Gott in mein Leben positiv eingreift.

So habe ich es gemacht, als ich mich bei einem Beinahe-Unfall auf der Autobahn „bewahrt“ gefühlt habe. Das ist so ein typisches „Christenwort“, aber so habe ich es erlebt: Ein BMW fuhr viel zu schnell an meinem und einigen anderen Fahrzeugen vorbei und prallte in die Leitplanke. Dabei drehte er sich nur wenige Meter vor mir um die eigene Achse. Beim Aussteigen war ich geschockt – und fühlte mich bewahrt. Ich habe das bewusst auch denen genau so erzählt, die meinen Glauben nicht teilen. Was ich erlebe, darf ich auch so erleben. Wenn dann daraus eine theologische Fragestunde entsteht, in der ich nicht alle Antworten habe – sei es drum. Da bin ich trotz Studium und Predigtdienst manchmal nicht so gescheit, wie ich gern wäre. Aber was macht das schon? Ein anderer Christ oder eine andere Christin ist eben nicht da.

Bestätigung statt Zweifel

Was wir erleben, ist das eine. Das andere sind die Worte dafür. Und die kann man sehr gut mit Menschen üben, die den Glauben teilen. Nicht, weil es ein Formulierungstraining braucht, sondern weil man sich am Anfang etwas dazu überwinden muss. Und das geht leichter in einem Umfeld, das ein solches Erlebnis nachempfinden kann. Der Partner oder die Partnerin ahnt ja vielleicht nicht, dass die Situation auch für uns eine Herausforderung ist. Wir wissen es aber und wir brauchen gerade am Anfang Bestätigung und nicht Zweifel. Deswegen kann man solche Erlebnisse (ich meine solche mit Gott, sie müssen nicht unbedingt so spektakulär sein wie in meinem Fall) gut zunächst in der Gemeinde oder im Hauskreis erzählen. Später dann in der Familie.

Als dritte Möglichkeit, neben einem authentischen christlichen Lebensstil und dem Reden über den Glauben, bleibt noch die subtilere Sprache der Symbole. Wer keine Worte findet, kann die Kunst in Bild oder Ton sprechen lassen. Dabei geht es weniger darum, die Wohnung sakral zu möblieren. Aber wenn der Glaube zu deinem Leben dazugehört, findet er auch einen Platz im Wohnraum, in der Spotify-Playlist oder beim Streaming. Ich selbst schaue die Streaming-Version der Jesusgeschichte („The Chosen“) zwar meist allein, aber ich erzähle davon, was ich daran gelungen finde und was nicht. Solange es nicht zu nerdig wird, ist es in Ordnung. Solange es kein dogmatischer Vortrag ist, sondern persönlich, darf es einen Platz im Familienleben haben. Deswegen gibt es im Wohnzimmer auch ein Kreuz, obwohl es nicht allen Familienmitgliedern etwas bedeutet. Es berührt mich, also darf es bleiben.

Aushalten

Trotzdem ist meine Erfahrung, dass man im Gespräch mit Nicht-Gläubigen einiges aushalten muss. Und das empfinden die Gesprächspartner umgekehrt auch manchmal so. Die gegenseitige Zumutung besteht darin, sich zu lieben und dennoch wichtige, grundlegende Sichtweisen auf das Leben nicht zu teilen. Das lässt sich aushalten, wenn man sich der Beziehung grundsätzlich sicher ist und die Tagesform passt. Bei beiden. Denn auch der Partner oder die Partnerin erlebt dann im Gespräch einen „Die-Erde-isteine-Scheibe“-Moment. Deswegen kommt es auf den richtigen Moment für das Gespräch an.

Ich weiß, dass solche Gespräche trotz guter Vorbereitung, entspannter Stimmung und tiefer, inniger Liebe scheitern können. Niemand möchte das und doch passiert es. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Aber ich muss sagen, dass mich solche Gespräche letztlich immer weitergebracht haben. Denn sie führen dazu, dass ich meine Gedanken neu ordne und meine Antworten neu durchdenke. Und das stärkt auch meinen eigenen Glauben. Mein Christsein wird tiefer, wenn es regelmäßig durchgeschüttelt wird. Denn manchmal lernt man aus gescheiterter Kommunikation mehr als aus gelungener.

Matthias Kleiböhmer ist mit einer atheistischen Naturwissenschaftlerin verheiratet. Der Theologe leitet den YouTube-Kanal der Stiftung Creative Kirche.

BUCHTIPP

Matthias Kleiböhmer „Sonntagmorgensingle – Wie es ist, der einzige Christ in der Familie zu sein“ (Gütersloher Verlagshaus)

Expertin klärt auf: Vorsicht vor toxischen Beziehungen!

Toxische Beziehungen sind in aller Munde, aber was genau passiert da eigentlich? Die psychologische Beraterin Christina Glasow erklärt, wie man eine toxische Beziehung erkennt, was man tun kann und wann eine Trennung nötig ist.

Katja bekommt das Grinsen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht, sie ist glücklich. Ben hat ihr Blumen geschenkt. Einfach so. „Du bist so wunderschön. Ich liebe dich. Du machst mich zum glücklichsten Mann“, hat er gesagt und sie angelächelt, dass ihr die Knie weich werden. Zwanzig Minuten später hat sie einen dicken Kloß im Hals. Beim Auswechseln einer Glühbirne ist ihr der Lampenschirm aus der Hand gerutscht und in tausend Teile zersprungen. „Wie dumm und idiotisch bist du eigentlich!? Du solltest am besten gar nichts machen, du hast einfach zwei linke Hände!“, ist dabei noch das Netteste, was aus Bens Mund kommt. Katja sagt kein Wort. Etwas zu entgegnen würde alles nur noch schlimmer machen. Sie fühlt sich dumm, klein und schuldig.

Sie entschuldigt sich immer wieder und nachdem sie besonders lieb und zuvorkommend mit Ben umgegangen ist, findet schließlich, wie so oft, im Bett die Versöhnung statt.

Was genau ist eine toxische Beziehung?

Eine Beziehung sollte ein Raum sein, in dem sich zwei Menschen einander liebevoll zuwenden und gleichzeitig die Freiheit haben, sie selbst zu sein – mit ihren Ecken und Kanten. Manches ist und bleibt herausfordernd, deshalb ist eine Beziehung aber nicht gleich toxisch. Wenn deine Beziehung jedoch mehr von Zwängen, Schmerz oder Einsamkeit als von dem Gefühl der Wertschätzung und des Angenommenseins geprägt ist, dann schadet sie dir mehr, als dass sie dir guttut.

In manchen Beziehungen ist Kampf an der Tagesordnung. Ihr streitet oft nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ und nehmt keine Rücksicht auf den anderen. Diese destruktiven Konflikte enden irgendwann aus Verzweiflung oder Erschöpfung. Vielleicht landet ihr zur Versöhnung im Bett oder lasst bis zum nächsten Mal Gras darüber wachsen; aber einem gesunden Miteinander seid ihr kein Stück nähergekommen.

Auch Beziehungen, die nach außen sehr harmonisch wirken, können innen toxisch sein. Es gibt keinen Streit, weil die Angst vor Verlust und Liebesentzug so groß ist, dass du dich und dein Verhalten lieber anpasst, als die Harmonie zu gefährden. Du sprichst nicht über deine Gefühle und Bedürfnisse, um nicht anzuecken. Allerdings verlierst du so mehr und mehr den Kontakt zu deinem Gegenüber und auch zu dir selbst.

Besonders toxisch ist die Dynamik von Katja und Ben. Sie läuft nach dem Täter-Opfer-Prinzip ab: Der „Täter“ wertet ab und handelt egozentrisch, empathielos oder manipulativ, trägt oft narzisstische Züge. Das „Opfer“ denkt und handelt abhängig vom Verhalten des Gegenübers. Eigene Gefühle und Interessen werden zurückgestellt. Man nennt das „co-abhängig“.

Der Ursprung dieser toxischen Verhaltensmuster liegt meist zeitlich weit zurück, sie haben deine Persönlichkeit über einen langen Zeitraum geprägt.

Das kann sich in deiner Beziehung beispielsweise so anfühlen:

  • Du erlebst eine emotionale Achterbahnfahrt. Hochs (in den Himmel gelobt werden, „Love-Bombing“) und Tiefs (Abwertung, Erniedrigungen) wechseln sich ab. Die schönen Momente werden immer weniger. Für die guten Momente erträgst du die schmerzhaften. Du glaubst, wenn du nur ganz doll liebst, wirst du auch zurückgeliebt.
  • Du glaubst, du kannst dein Gegenüber retten, er oder sie braucht deine Hilfe, um die Probleme zu überwinden. Du glaubst, dass du das Problem bist, weil du nicht gut genug bist. Du glaubst, du musst dich ändern. Aus Angst vor Konflikten und dem Verlassenwerden nimmst du dich immer mehr zurück. Du machst dein Verhalten abhängig vom Verhalten deines Gegenübers und nimmst dich selbst nicht so wichtig. Dein Gegenüber ist sehr schnell gekränkt. Du wirst kontrolliert und immer mehr eingeengt, zum Beispiel, ob und mit wem du dich triffst, wofür du Geld ausgibst usw.
  • Du wirst ständig kritisiert und bist an allem schuld. Dein Gegenüber sieht sich immer als Opfer. Du entschuldigst dich für Dinge, die du nicht getan hast. Du bist gestresst, weil du ständig Angst hast, etwas falsch zu machen.
  • Du fühlst dich abhängig von deinem Gegenüber, denkst, du kannst ohne sie oder ihn nicht leben. Deine Grenzen werden nicht respektiert und immer öfter überschritten.
    Du glaubst, dass er oder sie sich dieses Mal wirklich ändern wird.
  • Du wirst manipuliert und die Realität wird verdreht, bis du immer mehr an dir zweifelst und schließlich selbst nicht mehr weißt, was wahr und was falsch ist („Gaslighting“).
    Es findet, neben der seelischen, auch körperliche Gewalt statt.

So schlimm ist das ja bei uns nicht …

… denkst du jetzt vielleicht. Natürlich gibt es bei der Ausgestaltung von Beziehungen eine riesige Bandbreite. Jede Beziehung ist anders. Aber wo fängt denn nun das Toxische an? In der bibel finden wir eine sehr gute Orientierungshilfe. Jesus sagt in Markus 12,31: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Nicht nur unter Christen hat die Nächstenliebe zu Recht einen besonders hohen Wert.

Die Liebe zu sich selbst wird dagegen nicht selten mit Egozentrik oder Egoismus verwechselt oder einfach nur übergangen. Aber Liebe zu sich selbst meint einen liebevollen Umgang mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen. Eigenliebe und Nächstenliebe müssen in Balance stehen, um gute Beziehungen führen zu können: Selbstliebe ohne Nächstenliebe macht das Gegenüber zu einem ersetzbaren Objekt, das nur der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse dient. Liebe ohne Selbstliebe führt in die emotionale Abhängigkeit und zum Verlust der eigenen Identität.

Wenn du also dauerhaft (nicht punktuell!) egozentrisch oder selbstvergessen handelst, entsteht ein Ungleichgewicht. Hier fängt Toxizität an. Was kannst du selbst tun, um toxischem Verhalten entgegenzuwirken?

Erkennen

Vielleicht hast du in deiner Vergangenheit gelernt, dass Liebe an bestimmte Bedingungen geknüpft ist oder dass zur Liebe Schmerz dazugehört. Du empfindest es deshalb als normal, dass mit dir so umgegangen wird. Das ist es aber nicht. Niemand hat das Recht, dich schlecht zu behandeln, dich herabzusetzen oder dir emotionale oder körperliche Gewalt zuzufügen!

Wenn du dein Gegenüber niedermachst oder manipulierst, um dein eigenes Selbstbewusstsein zu pushen, und dir sicher bist, dass er oder sie dich nicht verlassen wird, dann ist dein Verhalten lieblos und egoistisch.

Ein liebevoller, wertschätzender Umgang ist in einer Paarbeziehung grundlegend, denn das ist der Ort, an dem wir uns besonders verletzlich machen.

Selbstverständnis und Fürsorge

Um aus schädlichen Mustern herauszukommen, die dir bei der Liebe zu dir selbst im Wege stehen, spielt Achtsamkeit eine entscheidende Rolle. Das bedeutet, dir selbst auf die Spur zu kommen und immer wieder innezuhalten in deinem Alltag: Was geht gerade in dir vor? Welche Gefühle sind da? Du kannst sie zum Beispiel in einem Gefühlstagebuch festhalten.

Jeder von uns schleppt falsche Glaubenssätze mit sich herum, die unser Denken und Handeln bestimmen. Sie lassen uns zum Beispiel glauben, dass wir nur geliebt werden, wenn wir etwas leisten. Oder dass wir uns nicht so anstellen sollen, weil es anderen ja schließlich viel schlechter geht oder dass wir zu nichts taugen. Die Liste dieser Lügen ist unendlich vielfältig und gleichermaßen lieblos. Ein erster Schritt, diesen schlechten Einfluss zu entmachten, ist, dir ihrer bewusst zu werden. Indem die Glaubenssätze vom Unbewussten ins Bewusstsein treten, kannst du dein Verhalten aktiv verändern. Du bist ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert und darfst stattdessen liebevolle Gedanken kultivieren und die Wahrheit über dich selbst entdecken. So kann zum Beispiel aus „Ich bin nicht schlau“ ein „Ich bin schlau genug“ werden.

Mit diesen neuen Erkenntnissen stehst du auf einer ganz neuen Basis, um dich zu fragen, welche Dinge dir guttun und dich auftanken lassen. Vielleicht fällt dir ein, womit du dich als Kind am liebsten beschäftigt hast, und du transportierst das in dein heutiges Leben (zum Beispiel Sport, kreativ sein, Instrument spielen, lesen, spazieren, Leute treffen…). Erlaube dir, dir hierfür Zeit zu nehmen. Du lernst so, deine Bedürfnisse zu spüren und deren Erfüllung in die Hand zu nehmen. Du übernimmst Verantwortung für dich selbst. Dazu gehört auch, darauf zu achten, welche Dinge oder Personen dir nicht guttun. Was löst in dir Stress oder „Bauchweh“ aus? Dazu gehört auch, dass du dir bewusst machst, was deine wichtigsten Werte und was deine No-Gos in einer Beziehung sind. Indem du hier achtsamer mit dir selbst umgehst, lernst du, deine eigenen Grenzen zu spüren und diese auch für dein Umfeld sichtbar zu machen. Du darfst freundlich, aber klar Nein sagen! Und du wirst erleben, dass Menschen dich trotzdem oder gerade deshalb mögen.

Ich-Botschaften helfen dir dabei, klarer zu kommunizieren, und eröffnen einen Weg aus eurer destruktiven Konflikt-Spirale. Dabei sprichst du über dein Gefühl („Es macht mich traurig, dass wir fast nie Zeit zu zweit verbringen.“) anstatt den anderen anzuklagen („Immer gehst du weg. Ich bin dir doch egal!“).

Die Erfahrung aus meiner eigenen Beratungs-Praxis zeigt, dass es hilfreich ist, hierfür professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die dich in deinem Prozess unterstützt. Je tiefer die toxische Verstrickung, desto ratsamer, den Weg nicht alleine zu gehen.

Welche Voraussetzungen braucht es für eine gesunde Beziehung?

Dein neues, ungewohntes Verhalten stößt beim Gegenüber vielleicht nicht auf Gegenliebe, denn euer altes „Spiel“, euer Muster funktioniert nicht wie bisher. Veränderungen erfordern Mut und auch Disziplin. Vor allem, wenn du bisher jeden Konflikt gescheut hast. Lass dich vom Gegenwind nicht entmutigen, sondern bleibe zugewandt, aber auch liebevoll dir selbst gegenüber. Setze klare Grenzen. Du bist damit auf einem guten Weg, denn du gibst damit deinem Gegenüber und eurer Beziehung die Chance, zu wachsen und zu reifen.

In jeder Beziehung gibt es Krisen und Konflikte. Auch toxische Elemente wie Abhängigkeiten, Grenzüberschreitungen oder manipulatives Verhalten können vorkommen. Entscheidend ist, wie ihr dabei grundsätzlich miteinander umgeht. Nähe und Distanz, Nehmen und Geben, Bestimmen und Anpassen müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Liebe kann sich da entwickeln, wo Freiheit und Zuwendung gleichermaßen vorhanden sind. Unterschiedlichkeiten könnt ihr als wertvolle Ergänzung schätzen lernen. Dazu braucht es eine gute, offene Kommunikation, die Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und vor allem, den eigenen Anteil am Problem anzuerkennen. Dann müssen aus Worten Taten werden. Zum Beispiel gemeinsam zur Paarberatung zu gehen.

Wann ist es besser, sich zu trennen?

Deine eigenen Themen anzugehen, hat bleibenden Wert, unabhängig von der Paarbeziehung. Du lernst, besser für dich zu sorgen und bessere Beziehungen zu führen. Wenn dein Verhalten eher dem des „Täters“ entspricht, lernst du, die Perspektive deines Gegenübers besser zu verstehen und liebevoller zu handeln.

Mit Hilfe deiner Gos und No-Gos weißt du, was du bereit bist, für den Erhalt deiner Beziehung auf dich zu nehmen und was nicht mehr. Denn es kann sein, dass dein Gegenüber trotz deiner Bemühungen in toxischen Mustern kleben bleibt, keine eigenen Schritte zur Veränderung geht und deine No-Gos ignoriert.

Wenn sich abzeichnet, dass diese Beziehung für dich deshalb ein Ort des Schmerzes bleibt und Wertschätzung und Annahme fehlen, ist es ratsam, eine Trennung in Erwägung zu ziehen. Das gilt natürlich umso mehr, wenn körperliche Gewalt im Spiel ist.

Christina Glasow wohnt mit ihrer Familie in Pulheim bei Köln und arbeitet als Paarberaterin und Psychologische Beraterin. christinaglasow.de

 

Wenn du in einer toxischen Beziehung steckst, such dir Unterstützung! Sprich mit einer Person deines Vertrauens und/oder wende dich an eine Seelsorgerin, einen Berater oder Therapeuten. Im Internet findest du Organisationen in deiner Nähe, die Hilfe für Opfer von emotionaler und/ oder körperlicher Gewalt anbieten. Du kannst dich auch an die Telefonseelsorge wenden (0800/111 0 111) oder an das Hilfetelefon speziell für Frauen (hilfetelefon.de).

Der Beziehungs-Booster: 12 Monate – 12 Challenges

Das Jahr läuft, die Neujahrsvorsätze sind längst vergessen. Ein guter Zeitpunkt, etwas für die Partnerschaft zu tun. Paartherapeutin Ira Schneider stellt eine 12-Monats-Challenge vor.

Der Frühling ist angebrochen. Meine Fantasie malt sich einen weiten Raum. Voller Hoffnung blicke ich in diesen neuen Horizont. Zugleich sehe ich ein unbeschriebenes Blatt. Was wird das weitere Jahr mit sich bringen? Werden sich Sorgen bestätigen? Oder freudige Erwartungen erfüllen? Vieles haben wir nicht selbst in der Hand. Doch manches können wir selbst gestalten.

Gemeinsam unterwegs

Zu wissen, dass mein engster Vertrauter, mein bester Freund und Lieblingsmensch an meiner Seite ist, beflügelt mich. Wir können gemeinsam losgehen. Staunen. Lernen. Loslassen. Annehmen. Uns Vortasten. Ausprobieren. Fallen. Aufstehen. Trösten. Das Leben leben. Mein Mann und ich lieben es, den Alltag zu feiern und uns kleine Challenges, sprich kleine Strategien zu überlegen, um dem anderen eine unerwartete Freude zu bereiten. Hier findet ihr eine Auswahl kleiner Portionen Extraliebe zum Ausprobieren.

Bevor ihr die 12 Challenges lest, empfehle ich, die Monate zu verteilen. Im besten Fall wechselt ihr euch ab. So hat jeder sechs Challenges. Oder machen beide alles? Auf geht’s in 12 Monate lieben und sich lieben lassen. Bist du dabei?

April

Es gibt Tage, da habe ich große Augenringe, zerzauste Haare und meine Haut fühlt sich trocken an. Ich stehe vor dem Spiegel und denke: „Alltag halt …“ Doch genau an solchen Tagen ein Kompliment zu erhalten, kann den Tag in ein anderes Licht rücken.

Sprich deinem Partner oder deiner Partnerin diesen Monat bewusste Komplimente zu. Wie wäre es mit mindestens einem besonderen Kompliment pro Woche?

Mai

Zu einer Beziehung gehört, Erinnerungen im Herzen zu bewahren. Sie sind wie Blumen entlang unseres Lebenspfades als Paar.

Kramt euer Fotoalbum raus und feiert eure gemeinsamen Erinnerungen.

Juni

Freunde von mir haben in Zeiten, in denen Zoom, WhatsApp oder E-Mails noch nicht üblich waren, eine Fernbeziehung zwischen Deutschland und Japan geführt. Sie haben sich in langen Briefen aus ihrem Alltag erzählt. Dann mussten sie warten, bis der Brief ankam und sie eine Antwort erhielten. Ein ganzes Jahr haben sie das geschafft. Wirklich beeindruckend!

Wie wäre es in diesem Monat mit einem Liebesbrief oder einem Brief, in dem du von dem erzählst, was dich bewegt, oder Fragen stellst, um herauszufinden, was dein Gegenüber bewegt?

Juli

Meine Liebessprache sind Geschenke. Wenn ein anderer Mensch an mich denkt und sich in meiner Abwesenheit etwas Liebevolles überlegt, ist das für mich wundervoll. Das Geschenk ist wie ein Stück Liebe, die greifbar wird. Was dann alles toppt, ist, wenn das Geschenk auch noch liebevoll verpackt ist.

Das ist doch mal eine Challenge: Ein unerwartetes und wundervoll verpacktes Geschenk. Es muss nicht teuer sein, aber eine kleine Freude soll es bereiten.

August

Zeitgeschenke sind immer besonders. Wenn ihr kleine Kinder habt, kann es ein kostbares Geschenk sein, dem anderen einen freien Tag zu ermöglichen. So kann der Partner oder die Partnerin einen Tag lang nach Lust und Laune tun, was ihm oder ihr beliebt. Wenn ihr keine (kleinen) Kinder habt, könnt ihr euch dennoch eine größere Aufgabe abnehmen, um einander Zeit für sich oder eigene Aktivitäten zu schenken.

Nimm deinem Schatz Aufgaben oder die Kinderbetreuung ab, damit er oder sie einen Tag für sich gestalten kann.

September

Ein Bereich, der Intimität als Paar schafft, ist der intellektuelle und kreative Austausch. Im Alltag prasseln – in Print oder digital – alle möglichen Informationen und Texte auf uns ein.

Was bewegt oder begeistert dich momentan? Lies deinem Lieblingsmenschen etwas Inspirierendes aus einem Buch, einem Artikel oder der Bibel vor.

Oktober

Jetzt wird es experimentell. Ich lade euch ein, zu verweilen und Stille miteinander auszuhalten und zu genießen.

Stellt euch einen Timer und schaut euch eine Minute lang in die Augen. Das ist alles. Welche Erfahrung macht ihr dabei?

November

Von einem Tag auf den anderen bricht die Kuschelsockenzeit an. Die Heizung wird aufgedreht und die Winterjacke liegt bereit.

Das ist die richtige Zeit für Massagen. Ob Kopf-, Fuß- oder Rückenmassage, du weißt am besten, worüber sich deine Liebste oder dein Liebster am meisten freuen würde. Vielleicht holst du noch eine Flasche Zitronen- oder Orangenöl, dann ist die Wellnessoase perfekt.

Dezember

In den Nikolausstiefeln müssen nicht nur Kekse zerbröseln oder die Schokolade schmelzen. Manchmal bringen Worte das Herz zum Schmelzen.

Schreibe eine Dankeskarte für all die Dinge, Eigenschaften und wunderbaren Eigenarten, die du an deinem Partner oder deiner Partnerin wertschätzt.

Januar

Draußen ist es kalt. Die Festlichkeiten liegen hinter uns. Vielleicht schleppen wir ein paar Kilo mehr mit uns. Jedenfalls ist es nachmittags schnell dunkel und der Frühling lässt noch auf sich warten. Der Weihnachtsbaum ist erloschen, der Adventskranz abgebaut. Trotzdem wollen wir hell erleuchtet ins neue Jahr starten.

Da helfen Teelichter! Zünde sie an und erhelle den Raum. Vielleicht muss dein Lieblingsmensch lange arbeiten und kommt dann unerwartet in ein gemütliches Zuhause. Bei einer Tasse Tee kann der Abend noch richtig gut werden.

Februar

Im Februar wird der Winter zäh. Es war nun lange genug kalt, grau und ungemütlich. Nun erwacht die Vorfreude auf längere Tage. Dieser Ungemütlichkeit kann man zum Beispiel mit einem kulinarischen Vergnügen entgegenwirken – Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Aber nicht nur irgendeine Liebe geht durch irgendeinen Magen, sondern es geht um euch!

Hat dein Schatz ein besonderes Lieblingsessen, ein Lieblingsgetränk oder eine Lieblingsleckerei vom Bäcker? Nichts wie hin zum Bäcker, Supermarkt, an den Herd oder zum Coffee-Shop.

März

„Morgenstund hat Gold im Mund“, weiß der Volksmund. Aber vor allem morgens ist es hektisch. Gerade dann nehme ich mir vor der Arbeit, wenn wir zu unterschiedlichen Zeiten gehen, vor, achtsam innezuhalten und eine WhatsApp-Nachricht an meinen Mann zu schreiben. Ein paar warme Guten Morgen-Worte ermutigen und er darf wissen, dass ich an ihn denke.

Schnapp dir diesen Monat öfter morgens dein Handy und hinterlasse eine liebevolle Nachricht für den Tag.

 

Ira Schneider arbeitet als psychologische Beraterin in einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle.

Wenn Teens sich zurückziehen: So können Eltern reagieren

Wenn aus Kindern Teens werden, ziehen sie sich von ihren Eltern zurück, suchen aber doch auch immer wieder ihre Nähe. Familienberaterin Daniela Albert verrät, wie Eltern das Dilemma lösen können.

„Was liest du, guckst du oder zockst du gerade?“ Das sind neuerdings Fragen, die mein Mann oder ich am Abend gestellt bekommen, wenn wir unseren eigenen Beschäftigungen nachgehen. Normalerweise ist es dann schon nach 21 Uhr. Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass um diese Zeit bei uns nicht mehr die selige Ruhe aus Grundschultagen herrscht.

Zwei unserer Kinder sind endgültig aus der Phase herausgewachsen, in der sie sich um 20 Uhr ins Bett gelegt und geschlafen haben. Stattdessen hantieren sie viel später noch herum, suchen Hefte oder bringen ihre Brotdosen in die Küche. Und nicht selten kommen sie noch einmal zu uns und fragen, was wir tun.

Unaufdringliche Präsenz

Unausgesprochen wollen sie jedoch etwas anderes wissen: Darf ich dazukommen? Ist bei dem, was du gerade machst, Raum für mich? Darf ich mit dir zusammen ein bisschen auf den Bildschirm schauen, eine Tasse von deinem Tee schnorren und dir vielleicht erzählen, was ich den ganzen Tag für mich behalten habe? Von der Mathearbeit, die ich mit Sicherheit vergeigt habe, den Freundinnen, die sich in letzter Zeit so komisch verhalten, der Gruppe, aus der ich mich ausgeschlossen fühle? Darf ich dir erzählen, welches YouTube-Video mich gerade beschäftigt und welchen Gaming-PC ich cool finde? Können wir zusammen schweigen, damit ich es nicht allein in meinem Zimmer tun muss?

Ich gebe zu: Manchmal denke ich mir in solchen Momenten, dass ich meine Abende lieber allein verbringen würde. Gleichzeitig weiß ich, dass sie so wichtig und wertvoll sind.

Wenn unsere Kinder größer werden, gehen sie mehr und mehr in eine Welt, in die wir nur auf Einladung Zutritt haben. Wir wissen nicht mehr selbstverständlich, was sie beschäftigt, mit wem sie rumhängen oder welche Wünsche und Träume ihnen gerade durch den Kopf geistern. Oft wollen die Heranwachsenden das auch gar nicht. Dass sich gerade junge Teenager und Pre-Teens zurückziehen, ist normal. Doch das bedeutet nicht, dass sie uns nicht brauchen. Das tun sie. Unsere Ohren und unsere Herzen. Unsere unaufdringliche, kaum sichtbare Präsenz in ihrem Leben.

Kontrolle oder Laissez-faire?

Was diese Präsenz angeht, kann man auf beiden Seiten vom Pferd fallen. Man kann sich mit dem Loslassen unfassbar schwertun und das Gefühl haben, dass man die Zügel viel stärker in der Hand behalten will. Müsste ich nicht noch Hausaufgaben kontrollieren und die Eltern der neuen Freunde mal anrufen? Sollte ich nicht darauf beharren, dass das Hobby, das keinen Spaß mehr macht, weitergeführt wird? Kann mein Kind seine Verpflichtungen als angehender Konfirmand wirklich allein organisieren? Sollte ich seine Chats lesen? Und wie viel Mitspracherecht habe ich eigentlich noch bei Klamottenauswahl und Körperpflege?

Ich kann aber auch zu wenig präsent sein. Der völlig freie Zugang zu Medien kann sich, gerade bei jüngeren Teenagern, als richtig schlechte Idee erweisen. Wie viel Laissez-faire ich an den Tag lege, wenn Jugendliche um die Häuser ziehen, hängt wohl auch sehr vom individuellen Reifegrad und dem Wohnort ab – aber auch hier kann ein allzu sorgloser Umgang mit einem bösen Erwachen enden. Und dass unser Kind Probleme in der Schule hat, sollten wir auch nicht erst beim Unterschreiben des Zeugnisses merken.

Egal, wie wir es halten, wir werden wohl bei der Begleitung von Teenagern auch mal stürzen. Ich denke, das gehört dazu, wenn wir mit ihnen einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Genau wie wir im Rückblick das eine oder andere aus der Babyzeit anders machen würden, werden sich auch Entscheidungen, die wir mit älteren Kindern treffen, als falsch erweisen. Das ist okay und gehört dazu. Großwerden ist heute unfassbar komplex. Keine Elterngeneration vor uns musste sich mit so vielfältigen Herausforderungen, gerade in der medialen Welt, auseinandersetzen, wie wir ihnen gegenüberstehen.

Zuhören und ernst nehmen

Genau deswegen habe ich für mich festgestellt, dass es vor allen Dingen einen Bereich gibt, bei dem ich nicht loslassen möchte: unseren Dialog. Ja, manchmal würde ich meine Abende gern anders verbringen. Und gleichzeitig ist es ein riesiges Geschenk, dass unsere Kinder zu uns kommen. Dass sie mit uns reden. Dass sie Familienregeln ausdiskutieren wollen und nicht einfach hinter unserem Rücken brechen.

Das läuft nicht immer harmonisch ab. Im Gegenteil, es kostet meinen Mann und mich gelegentlich Zeit, Schlaf und Nerven und geht manchmal nicht ohne Geschrei und Tränen vonstatten. Und doch ist es wichtig, dass wir einander anhören, ernst nehmen, uns entgegenkommen und Kompromisse finden.

Gerade bei strittigen Themen müssen wir Eltern uns bewusst machen, worum es eigentlich geht. Denn was für uns nach einem sinnvollen Verbot klingt, kann für den Teenager eine Vollkatastrophe sein. Nicht nur verderben wir damit vielleicht jede Menge Spaß – wir katapultieren das Kind mitunter auch aus einer sozialen Gruppe heraus. Dabei ist Zugehörigkeit ein menschliches Grundbedürfnis, und gerade Jugendliche finden sie nun einmal vor allem unter ihren Peers.

Im Dialog bleiben

Das bedeutet nicht, dass wir alles toll finden und erlauben müssen. Aber wir schulden unseren Kindern, dass wir uns kritisch mit der Frage auseinandersetzen, warum wir etwas nicht wollen: Hat das triftige Gründe oder spielen hier übertriebene Ängste mit hinein? Trauen wir unserem Kind zu wenig zu oder treffen wir eine gute Entscheidung zu seinem Schutz? Wo kann ich großzügig sein und auch mal einen Glaubenssatz über Bord werfen, um meinem Kind Raum für seine Bedürfnisse zu geben? Und wo bleibt mir nichts anderes übrig, als seine Freiheit zu beschneiden zu dem Preis, dass es sich unter seinen Freunden ausgeschlossen fühlt?

Für viele dieser Fragen suche ich meine Antworten noch, und für einige kann das, was sich heute richtig anfühlt, morgen schon nicht mehr passen. Im Dialog zu bleiben, scheint mir der einzig hilfreiche Weg durch diesen Dschungel. Neben dem Vertrauen auf den großen Reiseführer im Himmel, der sowieso seine ganz eigenen Geschichten mit unseren Kindern schreibt.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.

Geliebt und genervt: Wie ich meinen Partner ändern kann

Alle wissen, dass man den Partner nicht ändern kann. Paarberater Marc Bareth verrät, wie es trotzdem klappt.

Wir kennen es alle: Unser Partner oder unsere Partnerin verhält sich nicht immer so, wie wir es uns vorstellen. Je länger wir in einer Partnerschaft sind, desto mehr springen uns Charaktereigenschaften ins Auge, die so richtig nerven. Da stellt sich schnell einmal die Frage: Wie kann ich mein Gegenüber ändern? Wer sich mit dem Thema beschäftigt, merkt schnell, dass die Aussagen vieler Fachleute und der Literatur darauf hinauslaufen, dass dies eben gar nicht möglich ist. Und auch unsere Erfahrung zeigt, dass das Unterfangen ziemlich aussichtslos ist. Wir können unsere Mitmenschen nur sehr bedingt verändern. Der berühmte amerikanische Paartherapeut Dan Wile sagt: „Wenn du einen Partner wählst, wählst du damit unweigerlich auch ein bestimmtes Set an unlösbaren Problemen.“ Deshalb der Tipp: Nimm dein Gegenüber an, wie sie oder er ist, und nicht wie sie oder er sein sollte. Ändern kannst du ihn oder sie sowieso nicht.

Ich kann mich ändern

Meinen Partner kann ich also nicht ändern. Doch es gibt einen Weg, sein oder ihr Verhalten nachhaltig zu verändern. Hier kommt die Paardynamik ins Spiel. Das Verhalten des Mannes ist jeweils die Reaktion auf das Verhalten der Frau und umgekehrt. Das weitaus erfolgversprechendste Mittel ist es also, sein eigenes Verhalten zu ändern. Genau: Du gibst deinem Gegenüber die Chance, sich zu ändern, indem du dich selbst anders verhältst.

Was langfristig nicht funktioniert, sind Druck, Vorwürfe, Nörgeln und Forderungen. Denn Druck erzeugt Gegendruck und führt nicht zu einer Verhaltensänderung.

Ein Beispiel: Sandra kommt aus einer Familie, in der man Konflikte direkt und auch mal laut angeht. Wenn sie Philipp mit dem konfrontiert, was ihrer Meinung nach schiefläuft und alles auf den Tisch legt, reagiert der sehr einsilbig. Sandra lässt dann aber nicht locker. Sie fühlt sich durch Philipps Passivität provoziert und wird immer lauter, bis Philipp sich irgendwann einfach verdrückt, was Sandra noch mehr verärgert.

Andere Wege suchen

In Philipps Familie wurde offener Streit um jeden Preis vermieden, weil niemand damit umgehen konnte und Konflikte häufig Beziehungsabbrüche bedeutet haben. Lernt Sandra, ihr Anliegen so anzusprechen, dass Philipp sich nicht in die Enge gedrängt fühlt, wird sie viel mehr erreichen, als wenn sie ihn anbrüllt, er solle doch auch mal was sagen. Wenn Philipp die Erfahrung macht, dass Meinungsverschiedenheiten mit Sandra nicht zum Beziehungsabbruch führen, wird er anders auf sie reagieren können. Sandra kann also Philipps Verhalten nur verändern, indem sie sich selbst anders verhält.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter familylife.ch/five.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Fotobuch

Nicht das wahre Leben

Katharina Hullen will Erinnerungen festhalten und prägen – schöne Erinnerungen.

Katharina: „Schaut doch bitte kurz noch mal alle zu mir!“ Ich versuche, einen schönen Abschlussmoment festzuhalten, nachdem ich meine Familie mehr oder weniger unauffällig den ganzen Tag umtanzt habe, um einige der schönen Szenen unseres heutigen Ausflugs digital zu verewigen. Nicht allen ist dabei zum Lächeln zumute, aber wir wissen ja, wofür wir uns hier ins Zeug legen – das alljährliche Familien-Fotobuch muss gefüllt werden!

Alle lieben diese Bücher – die Großeltern wünschen sich zu Weihnachten nichts anderes. Und es ist auch ein großartiges Geschenk: eine Galerie der Menschen, die wir lieben, eine wunderbare Dokumentation des Familienlebens, der Entwicklungen und Meilensteine eines jeden Mitglieds unserer kleinen Einheit. Ausflüge, Geburtstage, Einschulungen, Abschiede, Aufführungen. Wir können beim Betrachten in Erinnerungen schwelgen und mithilfe der schönen Baby- und Kleinkindbilder und der zugehörigen Erzählungen sogar Erlebnisse und Empfindungen prägen, die bei den Kindern ansonsten gar nicht im aktiven Bewusstsein wären.

Diese Bücher sind naturgemäß angefüllt mit den schönen Momenten, mit lächelnden, fröhlichen, ausgelassenen, stolzen, konzentrierten und glücklichen Menschen.

Ich hatte noch nie den Drang, ein Foto zu machen, wenn ich gerade am Mittagstisch ein Donnerwetter loslasse oder wenn sich zwei Streithähne buchstäblich in den Haaren liegen. Auch das Aufwischen von Erbrochenem oder das Durchsetzen einer Auszeit für ein bockiges Kind hat es bei uns noch nicht als Fotomotiv gegeben.

Ist es daher nicht eigentlich ein unehrliches und geradezu ärgerliches Produkt einer zu ehrgeizigen Mutter, die jeden Moment nur nach seiner Fotobuch-Tauglichkeit beurteilt und eben nicht das wahre Familienleben dokumentiert? Warum nicht einfach den Moment genießen und fotolos verstreichen lassen?

Einfacher wäre das, denn es steckt sehr viel Zeit und Arbeit in diesen Büchern. Und dass unser Familienleben auch viel Streit, Frust und Versagen beinhaltet, ist selbstverständlich genauso wahr wie die vielen schönen Augenblicke.

Dennoch gefällt mir der Gedanke, dass diese Bücher vor allem das Positive festhalten: Es war richtig schön! Wir haben sehr viel Gutes und Lustiges zusammen erlebt. So haben wir uns entwickelt, das konnte der oder die damals schon richtig gut und schau, was daraus geworden ist. Solche Fotoalben können helle Landmarken im Leben setzen, wenn man irgendwann mal das Gute vergisst oder niemand mehr da ist, der einen erinnert.

Ich verbuche für mich die Kritik am Fotografieren in der gleichen Kategorie, wie es meine Familie wohl nervt, wenn ich nach gewaschenen Händen und wetterangemessener Kleidung frage. Mütter nerven dann eben. Tja.

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Das Lächeln gefriert

Hauke Hullen möchte den Moment genießen – ohne Fotobuchgedanken.

Hauke: Familienfeier im Garten: Die ganze Verwandtschaft ist da, unsere Kinder baden in Geselligkeit und herzlicher Aufmerksamkeit, als unser 6-Jähriger stolz seiner Cousine Jule den aktuellen Wackelzahn präsentiert. „Komm, den hol ich dir raus“, verspricht die 24-Jährige. Man muss dazu wissen: Jule ist nebenberuflich Zahnfee. Wann immer sie uns besucht, verlieren unsere Kinder einen Milchzahn. Es bahnte sich also ein spektakuläres Ereignis an, da unterbricht die beste Ehefrau von allen: „Moment, die Kamera!“

Es folgt eine hektische Suche nach dem richtigen Handy, dem richtigen Winkel und dem richtigen Bildmodus: Porträt, Panorama oder doch lieber ein Video? Vielleicht in Slow Motion? Am Ende gibt es alles auf einmal, weil inzwischen die gesamte Sippe ihre Handys im Anschlag hat, um dutzendfach zu dokumentieren, wie die zupackende Cousine eine weitere Lücke in der Kauleiste unserer Kinder hinterlässt. So geht das ständig. Bei jeder sich nicht bietenden Gelegenheit ist Katharina dem Zwang erlegen, alles fotografisch festhalten zu müssen – für das legendäre Fotobuch, was stets für die Großeltern und für uns unterm Weihnachtsbaum liegt.

Am schlimmsten ist es, wenn sie ein neues Handy mit neuen Kamerafunktionen hat. Dann gleicht jeder Sonntagsspaziergang einer Hetzjagd, bei der Mann und Mäuse vor der wildgewordenen Knipserin flüchten. In diesen Zeiten entstehen besonders viele menschenleere Landschaftsaufnahmen, bei denen man mit etwas Glück dann doch ein paar Familienmitglieder entdeckt, die sich entnervt hinter den Bäumen verstecken.

Denn die Fotos rauben zwar nicht uns die Seele, aber dem Moment. Wenn Kathi das pralle Leben festhalten will, tut sie exakt das: Das Leben und alle Personen erstarren, das Gelächter hört auf, das Lächeln gefriert zur Grimasse – und all die Leichtigkeit ist weg.

Warum kann man nicht einfach den Augenblick genießen, ohne ständig an die fotogene Verwertbarkeit denken zu müssen? Und warum müssen immer wieder künstlich Aktionen gestartet werden, nur damit schöne Fotobuch-Motive entstehen? Das Fotobuch entwickelt sich zu unserem analogen Instagram-Channel, zu einer Puderzucker-Version unseres Lebens!

Besonders sinnfrei dabei: die Selfie-Seuche. Ganze Urlaubsalben, die nur aus den immer gleichen zwei Visagen bestehen. Immerhin bestraft die Kamera diese Selbstbezogenheit mit übergroßen Nasen, weshalb man diese Bilder nachher auch keinem mehr zeigen mag. Informativ sind die Fotos eh nicht: Man weiß zwar, man war da, sieht aber nicht, wo.

Klar, die Kinder schauen sich gern die Bilder von früher an. Sie glauben dann sogar, sich an diese Kindheit erinnern zu können – dabei weiß die Wissenschaft längst, dass man mit Fotos Erinnerungen in den Köpfen säen kann. Könnte sich Kathi auf diese Weise nicht viel Arbeit ersparen, indem sie einfach ein paar hübsche Motive aus dem Internet kopiert? Hier, unser Hawaii-Urlaub, und da, da warst du Fallschirmspringen! Dann könnten wir endlich in Ruhe unser Leben leben.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.