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Bindung in der Paarbeziehung: Expertin verrät, wie das gelingt

Die Bindung ist der entscheidende Faktor für eine glückliche Paarbeziehung. Im Interview verrät Paartherapeutin Ira Schneider ihre Tipps.

Unser Auto bringen wir regelmäßig in die Inspektion und zum TÜV, viele andere Geräte, die wir benutzen, werden regelmäßig gewartet, nur bei der Beziehung sind wir oft nachlässig. Warum ist das so?

Das kann unterschiedliche Gründe haben. Es kann sein, dass ein Paar so betriebsam ist, dass das gegenseitige emotionale Nähren gar nicht möglich ist. Es kann auch daran liegen, dass man das Gegenüber vielleicht nicht mehr so richtig spürt oder nicht mehr den Zugang dazu hat, wie schön es ist, gemeinsam innezuhalten, sich anzuschauen und sich Raum zu geben. Manche Paare scheuen sich, innezuhalten, weil das auch ein gewisses Maß an Konfrontationen bedeuten könnte. Das Innehalten zu vermeiden, kann unbewusster Widerstand sein, weil da etwas bedrohlich sein und ungemütliche Gefühle wecken könnte.

Man darf nicht vergessen, dass das Leben einfach auch viel fordert. Berufliches, Krankheiten, Übergänge, Umzüge und so weiter. Da sind die meisten Paare und Eltern froh, wenn sie den Alltag überleben.

Da ist dann eine stabile Bindung wichtig. Denn Bindung hat nicht nur etwas mit Erziehung zu tun, sondern betrifft auch Erwachsene. Was macht das Thema Bindung besonders relevant in der Paarbeziehung?

Eine Bindung zu den Fürsorgepersonen ist für Kinder im Grunde eine Lebensversicherung. Kinder können gar nicht anders, als sich zu binden. Eine Kollegin von mir sagt immer: „Kinder binden sich, weil sie nicht anders überleben können. Sie überprüfen dabei ihre Eltern nicht auf pädagogische Eignung.“ Im besten Falle ist das Kind sicher gebunden. Das ist aber nichts, was das Kind beeinflussen kann. Der Bindungsstil ist immer die bestmögliche Strategie, sich der Umwelt anzupassen. Für eine möglichst sichere Bindung braucht es Feinfühligkeit und Responsivität seitens der Fürsorgepersonen. Für das Kind ist wichtig, dass die Fürsorgepersonen überwiegend in der Lage sind, Bedürfnisse zu erspüren und darauf angemessen und versorgend einzugehen.

Das ist bei Paaren nicht viel anders. In der Paartherapie sprechen wir von der sicheren Paarbindung. Das Ziel, auf das ich mit den Paaren hinarbeite, ist, dass sie beieinander emotional sicher sind und sich verletzlich zeigen können. Ein Indikator für eine sichere Paarbindung ist die Responsivität. Dabei geht es darum, ob das Paar tendenziell innerlich bereit ist, auf das Gegenüber einzugehen und emotional verfügbar und aufgeschlossen ist. Paare strecken sich nach Bindung aus und versuchen einander zu erreichen. Im besten Falle haben beide Partner das Gefühl, sich gegenseitig mit positiven Bindungssignalen zu erreichen. Wer sich fallen lassen kann, spürt, dass die Paarbeziehung ein sicherer Ort, ein Bindungshafen ist.

Solche Bindung ist besonders wichtig, auch in Krisensituationen. Was sind die häufigsten Krisenherde, die Ehen erleben?

Leidensdruck entsteht, wenn die Paarbindung erschüttert ist und nicht mehr ganz sicher ist. Dann geraten Paare immer häufiger in bestimmte Interaktionszyklen. Das sind oft schmerzliche Reaktionskreisläufe, die sich dauernd wiederholen, die oft zu Rückzugsverhalten führen oder zu einem emotionalen Protestverhalten. Es kann sein, dass der eine Teil immer vehementer, immer beharrlicher, immer lauter wird und der andere Teil immer verschlossener und sich immer mehr zurückzieht. Das Rückzugsverhalten wird in der Paartherapie oft als Schutzverhalten vor dem Druck, nicht zu genügen, verstanden. Das Protestverhalten wird als Kampf gegen das Gefühl des Unverbunden- und Abgeschnitten-Seins eingeordnet. Manchmal schluckt der Rückzügler länger viel Frust und explodiert dann. Oder der protestierende Teil ist so erschöpft vom Versuch, Bindung wiederherzustellen, dass er oder sie sich abspaltet und aussteigt.

Was können kleine Rituale sein, die der Beziehung und der Bindung dienlich sind?

Was ich wichtig finde, ist beispielsweise Blickkontakt. Den anderen bewusst anzuschauen. Manchmal bitte ich Paare in der Therapie, einander einfach anzuschauen. Ich gehe dafür kurz raus aus der Sitzung. Und viele sagen mir anschließend, dass es das erste Mal seit Monaten sei, dass sie sich wieder ansehen. Einige weinen vor Ergriffenheit und spüren wieder etwas Wärme füreinander.
Eine Idee ist, auch tagsüber in Kontakt zu bleiben. Vielleicht durch einen kurzen Anruf, eine kurze Nachricht oder einfach durch ein kleines Liebes-Emoji. So ist die Kommunikation nicht nur funktional im Sinne der Absprachen, sondern schafft auch eine Herzensverbindung.

Manchmal ist die Belastung durch Kinder, Job und andere Dinge so groß, dass man als Ehepaar zu zerbrechen droht. Was hilft in solchen Situationen, den Partner nicht aus dem Blick zu verlieren?
Es kann hilfreich sein, das große Ganze im Blick zu behalten und sich immer wieder daran zu erinnern, dass es Phasen gibt, die wirklich intensiv sind. Alle Phasen haben ein Anfang und ein Ende. Wichtig ist, dass eine Phase nicht in einen langanhaltenden Zustand übergeht. Deshalb sollte man Frühwarnzeichen nicht ignorieren und feinfühlig bleiben.

Der zweite Punkt ist, daran festzuhalten, dass das Band der Liebe stark ist, auch wenn ein Paar nicht jeden Tag die Zeit hat, die es gerne miteinander hätte. Sich das gegenseitige Vermissen dann zuzusprechen, kann guttun. Und sich so viel Wertschätzung entgegenzubringen wie möglich, für all die Dinge, die das Paar gerade miteinander wuppt. So entsteht ein Grundgefühl von: „Ich sehe dich und du siehst mich.“

Welchen Stellenwert hat aus deiner Sicht die gemeinsame Verbindung zu Gott?

Für mich persönlich ist das sehr wichtig. Ich glaube, dass es wohltuend ist, als Paar zu wissen, dass man nicht allein mit den Herausforderungen ist. Wir haben einen Gott an unserer Seite, der wohlwollend ist und wir können uns zu ihm immer wieder hinwenden und mit seiner Unterstützung rechnen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Family-Redakteur Marcus Beier.

Ira Schneider ist Paartherapeutin, Autorin und Referentin. In Ihrem Podcast „Voll Liebe! Der Beziehungspodcast“ spricht sie ausführlich über Bindung in der Partnerschaft. Zu hören unter erfplus.de oder überall, wo es Podcasts gibt. schneider-ira.com

Trigger erkennen: Experte verrät, wie Traumaforschung in der Paarbeziehung hilft

Das Verhalten des Partners kann uns emotional aus der Bahn werfen. Die Trigger liegen oft in früheren Erfahrungen. Sind das schon Traumata? Ein Experte erklärt.

Eine Patientin streitet mit ihrem Mann (Beispiele anonymisiert). Nach einem Streit zieht er sich zurück. Über Stunden fühlt sie sich unruhig und verlassen. Doch ihr Mann braucht Zeit. Er will im Streit nichts sagen, was er später bereut. Lieber geht er in sich, um herauszufinden, wie er zu dem strittigen Thema steht. Was ihm entspricht und ihm guttut, ist für meine Patientin ein schrecklicher Trigger. Was ist passiert? Welche alten Erfahrungen können heute getriggert werden? Das macht eine Therapie­methode sichtbar, die ich gerne einsetze.

Die Gefühlsbrücke

Ich lade meine Patientin ein, sich mit mir anzuschauen, was genau in ihr abläuft: „Versetzen Sie sich noch einmal in Gedanken in die Situation mit Ihrem Mann. Dann leite ich Sie an, eine Kindheitssituation auftauchen zu lassen, in der Sie sich einmal ähnlich gefühlt haben.“ Über diese Gefühlsbrücke gehen wir zurück in eine ferne Vergangenheit.

Meine Patientin erinnert sich an eine Situation, in der sie etwa fünf Jahre alt ist. Ihre Mutter ist überfordert. Sie zieht sich ins Schlafzimmer zurück. In dieser Zeit leidet die Mutter an Depressionen und liegt häufig im Bett. An manchen Tagen geht es der Mutter besser. Dann meistert sie den Alltag und kann für meine Patientin da sein. Doch wenn das Mädchen einmal wütend wird oder weint und sich nicht beruhigen kann, wird es der Mutter zu viel. Sie sagt noch ein paar halbherzige Worte. Dann geht sie in ihr Bett und ruht sich aus. Ihre kleine Tochter bleibt allein und verstört zurück. Schrecklich.

Obwohl dieser Zusammenhang naheliegend ist, hat meine Patientin ihn noch nicht entdeckt. Mit seinem Rückzug triggert ihr Mann die alte Erfahrung, verlassen zu werden. Natürlich ist es ist nicht angenehm, wenn sich der Partner nach einem Streit zurückzieht. Doch zur Not kann man das aushalten. Wer aber mit Gefühlen aus der Vergangenheit überflutet wird, gerät in eine bedrohliche und unerträgliche Situation. Das macht einen Unterschied: Es ist nicht der Ehemann, der die schlimmen Gefühle verursacht. Er löst sie nur aus.

Was getriggert werden kann

Ist meine Patientin nun traumatisiert? Ja und nein. Um die Diagnose einer Traumafolgestörung zu stellen, müssten die Erfahrungen aus der Vergangenheit immer wieder in gefühlsgeladenen Erinnerungen auftauchen, auch nachts in Alpträumen. Betroffene vermeiden dann alles, was an die traumatische Erfahrung erinnern könnte. Sie bleiben in einem körperlichen und geistigen Alarmzustand, der sich nur selten beruhigt.

So weit geht es bei meiner Patientin nicht. Doch vollständig verarbeitet ist ihre kindliche Verlassenheit nicht. Sie kann durch entsprechende Auslöser wieder aktiv werden. Insofern liegt eine traumatische Erfahrung vor. Neben der Verlassenheit, die meine Patientin durchlitten hat, gibt es auch andere Kindheitserfahrungen, die später getriggert werden können, zum Beispiel:

  • von zu hohen Maßstäben überfordert werden
  • misshandelt werden, wenn ein Elternteil zum Beispiel seine Wut am Kind abreagiert
  • in der eigenen Selbstständigkeit und im Selbstvertrauen untergraben werden
  • emotional vernachlässigt werden
  • keine angemessenen Grenzen gesetzt bekommen (und dadurch von der eigenen Freiheit überfordert sein)
  • ständig auf jemanden Rücksicht nehmen müssen, dem es schlechter geht
  • in seinen Gefühlen und Bedürfnissen nicht verstanden werden
  • für Dinge bestraft werden, auf die man keinen Einfluss hatte
  • kontrolliert und klein gehalten werden
  • für Eltern Verantwortung übernehmen müssen, wenn diese mit sich und dem Leben nicht zurechtkommen
  • unter übertriebenen Sorgen der Eltern leiden
  • sich nur geliebt fühlen, wenn man erwünschtes ­Verhalten zeigt

Welches Verhalten meiner Frau oder meines Mannes bringt mich aus dem Gleichgewicht? Welche Verhaltensweisen von mir triggern meine Frau oder meinen Mann? Und welche frühen Erfahrungen werden dabei berührt? Die Chancen sind gut, dass Sie die Antwort auf diese Fragen in der Liste finden.

Es gibt allerdings noch andere, seltenere Prägungen. Wenn Sie psychisch stabil sind, können Sie selbst einmal versuchen, über die Gefühlsbrücke zu gehen. Dazu versetzen Sie sich in eine Situation, in der Sie das Verhalten Ihres Partners emotional aus dem Gleichgewicht gebracht hat: Was fühlen Sie genau? Was noch? Wenn es Wut ist, gibt es unter der Wut vielleicht noch ein zarteres Gefühl? Wie spüren Sie die Gefühle im Körper? Und nun bleiben Sie bei den Gefühlen und Körperempfindungen. Öffnen Sie sich für eine Kindheitssituation, in der Sie sich einmal ähnlich gefühlt haben. Lassen Sie sich einfach ein wenig Zeit und warten ab, was kommt.

In den meisten Fällen taucht eine Situation auf, die man leicht einordnen kann, eine Erfahrung ähnlich wie die in der Liste auf Seite 51. Manchmal muss man ein wenig nachdenken, worin die Ähnlichkeit zur heutigen Situation besteht und warum eine Kindheitssituation wie die, die einem eingefallen ist, noch heute eine Rolle spielen könnte.

Liebevoll mit dem Trigger umgehen

Wenn ein Paar um seine Triggerpunkte weiß, erleichtert das vieles. Eine Ehefrau könnte zum Beispiel sagen: „Ich fühle mich gerade furchtbar dominiert von dir. Aber ich weiß, dass du offener für meine Wünsche bist, als ich gerade denke.“ Der Partner fühlt sich dann nicht mehr wie ein Tyrann, wie es in vergangenen Konflikten der Fall war. Dagegen hat er sich gewehrt.

Nun kann er vielleicht sehen, womit er dieses Gefühl seiner Partnerin ausgelöst hat. Vielleicht hat er seine Sicht der Dinge zu kämpferisch vertreten und nicht nach der Sicht seiner Partnerin gefragt. Er könnte nun auf die Triggerpunkte seiner Partnerin achten. Dann würde er sich in seiner Selbstbehauptung bremsen und nach ihren Wünschen fragen. Seiner Partnerin würde es so viel bedeuten, in einer Beziehung zu leben, in der ihre Bedürfnisse etwas zählen. Er würde sogar dazu beitragen, dass ihre alte Wunde der Fremdbestimmung heilt. Denn jede neue gute Erfahrung überschreibt alte Erfahrungen. Der Partner würde staunen, wie entspannt Situationen werden, die früher zu Konflikten geführt haben. Schließlich wäre er überwältigt davon, wie viel Liebe sein neues Verhalten bei ihr weckt – und das alles nur, weil er sich zwischendurch bremst und sich für ihre Bedürfnisse interessiert.

Doch es ginge sogar ohne Veränderung auf seiner Seite. Auch die Partnerin kann das Triggerthema lösen. Dazu reicht es, wenn sie sich Luft verschafft, wie mit den zwei Sätzen, die ich ihr in den Mund gelegt habe. Sie zeigt, wie sie sich fühlt, übernimmt aber die Verantwortung für ihre Gefühle. Dadurch hören sich ihre Worte nicht wie ein Vorwurf an. Gleichzeitig macht sie sich selbst bewusst, dass sie ihre Wünsche heute vertreten darf und nicht sofort nachgeben muss, nur weil ihr Partner gerade so kämpferisch diskutiert. Auch das kann eine entspannende Lösung sein.

Über Heute und Damals sprechen

Manchmal kann man den Zusammenhang zwischen heute und früher sogar ansprechen. Dann könnte ein Partner erklären: „Wenn du dir Sorgen machst, fühle ich mich wie früher, als die Sorgen meines Vaters das ganze Familienleben bestimmt haben. Ich habe mich damals so eingeengt und beschwert gefühlt. Du bist ja nicht wie mein Vater, trotzdem bekomme ich manchmal Beklemmungen, wenn du Sorgen aussprichst.“

Auch hier kann von jedem der beiden Partner eine entspannende Lösung ausgehen. Die besorgte Partnerin könnte prüfen, ob sie die Dinge nicht auch zuversichtlicher sehen und optimistischer reagieren kann. Vielleicht würde ihr das auch selbst guttun. In jedem Fall würde sie ihrem Partner die Erfahrung schenken, dass er endlich einmal wichtiger ist als die Sorgen. Aber sie muss sich nicht verändern. Es würde auch reichen, wenn sich ihr Partner den Unterschied zwischen heute und früher bewusst macht. Dann kann er entspannter auf die Sorgen seiner Frau reagieren: „Ich bin da gerade zuversichtlicher und selbst, wenn etwas schiefgeht, könnte ich damit umgehen. Denkst du, wir können das trotzdem wagen und dabei eine gute Zeit haben?“ Er ist den Sorgen seiner Frau nicht so ausgeliefert wie den Sorgen seines Vaters damals.

Wahrscheinlich lässt sich seine Frau für mehr Zuversicht gewinnnen, wenn man darüber spricht. Vielleicht wird sie aus Liebe einen Kompromiss eingehen, dabei ängstlich sein, aber tapfer mit ihren Sorgen umgehen. Wo es sie wirklich überfordert, kann ihr Mann Dinge vielleicht auch ohne sie machen. Er muss den sorgenvollen Gedanken seiner Frau auch nicht so lange zuhören, bis es ihn selbst runterzieht. Zwei Minuten Zuhören und Mitgefühl reichen für die meisten Sorgen, dann darf man unauffällig das Thema wechseln. Oder man steht auf und kocht einen Tee – auch Unterbrechungen bringen oft auf andere Gedanken. Heute gibt es einfach so viel mehr gute Möglichkeiten als damals.

Trigger: Eine Mode, die uns dient

Der Traumahype mag übertrieben sein, wenn etwa Sendungen oder Podcasts von Triggerwarnungen eingeleitet werden: „Die Mordfälle unserer Sendung sind auf keinen Fall für Ihre Kinder geeignet. Auch nicht für Menschen, die darauf sensibel reagieren.“

Doch der Hype um die Trigger macht uns auch ein Geschenk. Denn allmählich wird es zum Allgemeinwissen: Die meisten Menschen haben auch schwere Erfahrungen gemacht und diese sind oft nicht vollständig verarbeitet. Sie können deshalb getriggert werden. Dann bricht eine alte Erfahrung ins Heute durch. Das ist bedrohlich und verwirrend, weil wir dabei früher und damals verwechseln. Wir nehmen eine Person heute schlimmer wahr, als sie es verdient hat. Wir zeigen ein Verhalten, das eigentlich der Person gilt, die uns vor langer Zeit beeinträchtigt hat.

Wer hier zu unterscheiden lernt, kann Situationen entspannen. Er kann außerdem verständlich machen, wie er fühlt und was er braucht. Gäbe es einen Führerschein für Liebesbeziehungen, würde ich eine Trauma-Lektion in den Prüfungsstoff aufnehmen.

Jörg Berger ist Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg. Sein Buch zum Thema zeigt wunde Punkte in Beziehungen auf: „Meine Stacheln. Wie Sie Ihre Liebe vor Verletzungen schützen.“

Psychische Probleme bei Teenagern: Sind Eltern schuld daran?

Wenn Teenager psychische Probleme entwickeln, fragen sich Eltern oft, ob sie versagt haben. Psychotherapeut Jörg Berger verrät, was die Paardynamik damit zu tun hat.

Der Schreck sitzt tief, wenn das eigene Kind offenbart, dass es manchmal nicht mehr leben will, oder wenn es zum ersten Mal die Wunde am Unterarm zeigt, die es sich mit der Schere zugefügt hat. Andere Eltern entdecken, dass es kein Zufall mehr sein kann, dass ihre Tochter nach Mahlzeiten gleich aufs Klo geht und es dann trotz offenem Fenster nach Erbrochenem riecht. Ein Sohn, der aktiv war, zieht sich zurück und geht nur noch außer Haus, wenn er muss. Es gibt leider so viel, das sich ganz anders entwickeln kann, als es Eltern bei ihrem Kind erwarten: Ängste, Zwänge, Schulprobleme oder Suchtverhalten. Psychische Probleme treffen auch Teenager, die aus guten Verhältnissen kommen, die mit Liebe erzogen und gut gefördert wurden.

Eine Schuldentlastung, die nicht hilft

Eine 19-Jährige kommt aufgebracht ins Therapiegespräch. Sie ist wegen einer Borderline-Störung in Behandlung, von der Außenstehende vor allem die starken Stimmungsschwankungen bemerken und eine Wut, die gelegentlich explodiert, sich sonst aber gegen die eigene Person richtet: in Form von Selbstabwertungen, Selbstverletzungen oder Suizidgedanken. Ihre Eltern hätten einen Vortrag über Borderline-Störungen besucht.

Der Fachmann habe gesagt, die Erkrankung sei biologisch bedingt, eine Besonderheit im Gehirn. Meine Patientin hat sicher richtig gehört, was die Eltern damit ausdrücken wollten: „Damit hat sich doch erledigt, was du an uns kritisierst. Wir haben nichts damit zu tun, dass es dir so schlecht geht.“ Das emotionale Klima in der Familie meiner Patientin ist allerdings abweisend und vernachlässigend. Wenn sie versucht, sich gegenüber den Eltern verständlich zu machen, läuft es darauf hinaus, dass mit ihr etwas nicht stimme und dass sie undankbar sei.

Diese Erfahrung macht ein Dilemma sichtbar. Der Kollege hat seinen Vortrag für die Eltern betroffener Kinder gehalten. Er wollte offenbar entlasten und hat vermutlich die biologischen Faktoren betont. Was hilft es, wenn Eltern, die schon mit der Sorge um ihr Kind belastet sind, auch noch von Schuldgefühlen gequält werden? Andererseits ist das nicht die ganze Wahrheit. Nur wenige psychische Erkrankungen gehen in erster Linie auf Gehirnbesonderheiten zurück, AD(H)S zum Beispiel oder Autismus. Die meisten psychischen Probleme haben auch eine emotionale Ursache. Wenn sich Eltern auch dann von der Schuldfrage entlasten, übersehen sie, was sie verändern können.

Schuld annehmen lernen

Wo wir Verantwortung übernehmen, werden wir auch schuldig. Es gibt eine tragische Schuld, die wir auch dann auf uns laden, wenn wir unser Bestes geben. Wir werden sozusagen unschuldig schuldig. Wenn Eltern ihre Schuld gegenüber Kindern nicht tragen können, werden sie ihr Kind abweisen, wenn es einmal andeutet: „Da verhältst du dich so, dass es mir damit nicht gut geht.“

Doch abgewiesene Kinder fühlen sich falsch, schuldig und unzureichend. Wenn es nicht an den Eltern liegt, muss doch mit ihm, dem Kind, etwas nicht stimmen. Hilfreicher ist eine Haltung der Eltern, die Schuld annehmen kann: „Wir lieben dich und haben unser Bestes gegeben. Aber natürlich machen wir Fehler und du leidest unter unseren Schwächen. Wo wir das nicht sehen können, hilf uns, damit es uns klar wird und wir etwas verändern können.“

Mit der Entwicklung von Kindern wachsen

Je jünger Teenager sind, desto weniger können sie auf den Punkt bringen, warum sie etwas in der Familie belastet. Deshalb braucht es Geduld, ein aufmerksames Hinsehen und ein Ausprobieren von Veränderungen nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum. Für jedes Problemverhalten gibt es einen guten Grund. Wenn sich ein Kind verschließt, hat es Gründe, sich nicht zu öffnen, auch wenn es vielleicht ein Geschwisterkind gibt, das in der gleichen Familie sehr offen ist. Wenn ein Kind in so hohe Anspannung gerät, dass es diese mit Selbstverletzungen reguliert, hat auch das seinen Grund. Nie liegt es an den Eltern allein, aber es ist wahrscheinlich, dass sie unwissend dazu beigetragen haben.

„Welche meiner Reaktionen könnte für meinen Sohn vielleicht unangenehm sein, wenn er sich öffnet? Und was könnte ich stattdessen tun?“ – „Welche meiner Reaktionen und Sichtweisen könnte die innere Anspannung meiner Tochter verstärken? Und was wäre eine heilsame Alternative für mein bisheriges Verhalten?“ Eltern, die eine Weile mit solchen Fragen leben, schärfen ihre Wahrnehmung. Sie können probeweise ändern, was ein Kind vermutlich belastet. Wenn ich Eltern darin begleite, entspannt sich die Beziehung zu den Teenagern oft und Eltern können das tun, was sie ja wollen: mehr zur Lösung als zum Problem beitragen. Im Teenageralter sind Erfahrungen mit den Eltern bereits verinnerlicht und mit dem verwoben, was Teens mit Gleichaltrigen erleben. Probleme verschwinden daher nicht gleich, wenn sich im Elternhaus etwas ändert. Auch hier braucht es Geduld und ein Vertrauen in Teenager. Sie müssen ihren eigenen Weg mit dem Problem finden, der zu ihnen und ihren Möglichkeiten passt.

Ungute Elternbündnisse auflösen

„Wo belaste ich mein Kind, ohne dass mir das bewusst ist?“ Meist kennt der Ehepartner die Antwort, denn er leidet unter den gleichen Schwächen, die Kinder treffen. In den meisten Ehen entscheidet sich allerdings früh, über welche Schwächen seines Partners man reden darf und über welche besser nicht. Manche Schwächen liegen im toten Winkel eines Partners und vertragen sich so wenig mit dem Bild, das dieser von sich hat, dass ein Tabu entsteht. Man redet nicht mehr darüber, weil es nur zu Streit führt. Ehepartner können sich mit Schwächen zur Not arrangieren. Über die Jahre passen sie sich vielleicht sogar einer unguten Sichtweise des Partners an, einem Misstrauen zum Beispiel oder übertrieben strengen Maßstäben. Was ein Erfolgsgeheimnis für eine harmonische Ehe sein kann, nämlich ein Tabu unangetastet zu lassen, wirkt sich auf Kinder verhängnisvoll aus. Denn die stehen dann nicht nur einem Elternteil gegenüber, das eine Schwäche nicht zugeben will. Der andere Elternteil scheint auch noch zu bestätigen, dass es diese Schwäche nicht gibt.

In der Ehe beginnen

Wenn Teenager psychische Probleme haben, lohnt es sich, an den Punkt zurückzugehen, an dem man die Schwäche seines Ehepartners noch wahrgenommen hat. Doch soll man ausgerechnet jetzt den Partner mit einer Schwäche konfrontieren, wenn im Raum steht, dass diese zu Problemen des Kindes beigetragen hat? Wenn man vom Partner nicht dazu eingeladen wurde, würde ich eher raten: Nein. Doch wenn man als Ehepartner wieder spürt, wie es einem mit einer Schwäche geht, warum nicht das Tabu brechen und das Gespräch suchen? Dann muss man vielleicht einem Kampf standhalten, der sich darum dreht, dass das Tabu erhalten bleibt und damit das Gewohnheitsrecht des Partners auf eine unkorrigierte Schwäche.

Doch dem muss man nicht nachgeben: „So sehe ich es leider wirklich. Es ist nicht in Ordnung für mich und ich wünsche mir, dass du dich damit auseinandersetzt.“ Schon das verändert das emotionale Klima in der Familie und Kinder spüren es, auch wenn man mit ihnen nicht über den Ehekonflikt spricht. Die Chancen sind nicht schlecht, dass sich ein Partner schließlich doch einer Schwäche stellt und ihm dann selbst auffällt, dass vielleicht auch das Kind unter dem leidet, was der Ehepartner nicht mehr klaglos hinnimmt.

Eltern, die wussten, was sie tun

So schwer die unschuldige Schuld von Eltern zu tragen ist, die es nicht besser wussten, so erdrückend kann echte Schuld auf dem Gewissen lasten. Die Wutausbrüche zum Beispiel, die Kinder so erschrecken, hat sich eine Mutter nicht ausgesucht, doch wenn sie nichts für eine Veränderung tut, ist das eine Schuld wider besseren Wissens. Genauso wenn ein Vater über Jahre innerlich abwesend ist, weil ihn seine Affäre beschäftigt und die Komplikationen, die sie in sein Leben bringt.

Viele Menschen können wohl nur eine gute Form von Verdrängung suchen, die das wahrnimmt, was man heute eingestehen und ändern kann, und alles andere möglichst vergisst: Das Leben geht weiter, wenn man Altes hinter sich lässt, für Eltern und für Kinder. Als Christ glaube ich, dass Eltern einen Zugang zu Gottes Vergebung haben. Doch das nimmt die Last der Schuld nicht automatisch weg. Denn Eltern sehen bei ihren Kindern vielleicht weiterhin Probleme, zu denen ihr Verhalten beigetragen hat. Je nach biblisch-seelsorgerlicher Tradition, in der die eigene Kirchengemeinde steht, sehen die Wege etwas anders aus, auf denen gläubige Menschen von Schuld frei werden. Wer sehr belastet ist, profitiert vielleicht von einer Seelsorge oder geistlichen Begleitung.

Unsere Fähigkeit, Schuld zu bewältigen, und unsere Fähigkeit, Verantwortung für das zu übernehmen, was wir als Eltern tun und lassen, bedingen einander: Nur wer aushalten kann, was er hört, kann aufrichtig fragen, warum es seinem Teenager nicht gut geht. Doch warum sollte uns die Liebe zu unseren Kindern dazu nicht befähigen? Und gehört nicht auch das zu einer starken Ehe: einander bei der Bewältigung von Schuld unterstützen?

Jörg Berger ist Psychologe, Psychotherapeut und Autor, unter anderem von „Meine Stacheln. Wie Sie Ihre Schwächen entschärfen“.

 

Unter einem Dach – Nur noch Augen für die Freundin?

Elternfrage: „Mein Sohn (16) hat zum ersten Mal eine Freundin. Er ist sehr glücklich und fast jeden Tag mit ihr zusammen. Mit seinen Freunden trifft er sich kaum noch. Sollte ich ihn darauf hinweisen?“

In meiner Ausbildung zur Beraterin habe ich gelernt, dass wir Kindern keine Ratschläge erteilen sollten, denn es seien doch Schläge. Schläge kommen nicht gut an und führen meistens zum Gegenteil dessen, was wir erreichen wollen. Alles schön und gut, aber wenn es um das eigene Kind geht, sieht die Sache anders aus, oder? Denn manchmal würde man sie doch am liebsten rütteln, die lieben Pubertiere, wenn sie ganz andere Vorstellungen haben als wir Eltern. Es ist schwer zu ertragen, wenn sie unsere wohlgemeinten Ratschläge nicht hören wollen. Wenn sie dann auch noch mit dem anderen Geschlecht ins Haus kommen, die Hormone verrücktspielen und sich alles in die rosarote Wolke einhüllt: Dann bekommen wir Eltern unsere Kinder gar nicht mehr zu sehen. Da stehen wir dann mit unseren Erfahrungen und Wahrnehmungen und fragen uns, wie wir durch den rosaroten Dunst und die Hormone zu unseren Kindern durchdringen und sie vor dem Untergang retten können.

Ehrlich sein

Mir helfen in diesen Momenten die banalen Ich-Botschaften. Ich möchte mir und meinen Gefühlen genauso treu bleiben, wie meine Kinder eine Chance verdienen, ihren eigenen Weg finden zu dürfen. Meine Kinder wissen: Wenn ich sie frage, ob sie mal kurz Zeit für mich hätten, sollten sie am besten nicht „Nein!“ sagen. Dann benenne ich die Dinge, die mir aus meiner Mama-Perspektive auf der Seele brennen, die mir aufgefallen sind oder warum ich vielleicht Sorge um ihr Wohl habe. Mit diesen Ich-Botschaften versuche ich, sie nicht mit wohlgemeinten Ratschlägen zu erschlagen, sondern ihnen auf Augenhöhe meine Wahrnehmung sowie die Konsequenzen ihres Handels zu präsentieren. Sie dürfen dann entscheiden, wie für sie das beste weitere Vorgehen aussehen könnte. Ich weiß nach einem solchen Gespräch: Ich konnte ihnen sagen, was mir wichtig ist, und ich habe authentisch gehandelt.

Aus Erfahrung lernen

Ihr Sohn wird womöglich erfahren, dass sich Freunde abwenden, weil er eine ganze Zeit lang nur Augen für die Freundin hatte. Aber er wird aus den gewonnenen Erfahrungen lernen und vielleicht mehr mitnehmen, als wenn Sie als Eltern ihn in Watte gepackt oder von oben herab interveniert hätten. Er hat aber auch Ihre elterliche Perspektive gehört und nun die Wahl, diese zu überdenken und anzuwenden. Und dann stellt er vielleicht fest, dass Eltern in der Pubertät nicht immer nur schwierig sind, sondern es ab und zu auch mal gut meinen.

Stefanie Böhmann ist Pädagogin und individual-psychologische Beraterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Auf eigenen Füßen – Ehe mit Nichtchristen

Elternfrage: „Unsere Tochter (22) und ihr Verlobter planen zu heiraten. Er teilt unseren christlichen Glauben nicht. Wie können wir als Eltern, die sich einen gläubigen Schwiegersohn gewünscht hätten, weise mit dieser Situation umgehen?“

Die Hoffnung auf eine Ehe des eigenen Kindes, die auf Gott ausgerichtet ist, kann ein starkes Motiv für das elterliche Handeln gegenüber dem Fast-Schwiegersohn und der Tochter sein. Um die Beziehung zur Tochter zu stabilisieren und gleichzeitig die Beziehung zum Schwiegersohn aufzubauen, ist daher Feingefühl vonnöten. Auch, weil Christen von Menschen, die Gott nicht kennen, manchmal als bewertend, kontrollierend oder sogar ausgrenzend empfunden werden. Eine Triebfeder für das Miteinander kann der Bibelvers aus Johannes 13,35 sein: „Eure Liebe zueinander wird der Welt zeigen, dass ihr meine Jünger seid.“

Keine Distanz aufbauen

Fragen, mit denen Sie sich beschäftigen können, um gut mit der Situation umzugehen, sind: Was hilft dem jungen Mann, das persönliche Christsein zu entdecken und zu verstehen? Gibt es Rituale, die Ihre Tochter als einengend wahrgenommen hat oder sogar als sinnentleert empfindet? Gibt es Momente des christlichen Glaubens, die sie auch in ihrer Ehe mit einem Nichtchristen weiterverfolgen möchte? Durch einen inneren Schritt zurück auf einen Beobachtungsposten können Sie als Eltern sogar etwas über Ihren eigenen Glauben lernen. Wo sind die persönlichen Werte tatsächlich auf Jesus Christus ausgerichtet? Wo geht es um Rituale und Traditionen? Gemeinsam können Sie überlegen, welche Geschenke Sie im christlichen Glauben sehen, um diese dann weiterzugeben: Beispielsweise ein ausgesprochener Segen für die Ehe, ein bewusst gewählter Bibelvers für die Tochter oder ein Brief mit Wünschen für die Ehe …

Dabei geht es nicht darum, zu jedem Geburtstag oder möglichen Anlass ein frommes Buch oder einen Bibelverskalender zu schenken. Es geht auch nicht darum, alle Entscheidungen und alle Wochenendaktionen durch Kommentare zu bewerten und stetig zu fragen, ob das junge Paar schon eine Gemeinde für sich ausprobiert hat. Diese Punkte führen zu Distanz. Es führt womöglich auch dazu, dass sich Ihre Tochter falsch fühlt. Es geht darum, etwas mit wirklichem Wert aus Ihrer persönlichen Beziehung zu Jesus an Ihre Tochter und gegebenenfalls auch an das Paar zu schenken.

Die Kraft des Segens

Es beweist dienende Liebe, wenn Sie als Eltern mit den Grenzen und Abgrenzungen des jungen Paares gelassen umgehen. Die Beziehung wird stärker durch die Bereitschaft, Ihrer Tochter den Freiraum für eigene Entscheidungen zu lassen. Sie haben auf Ihrer Seite etwas, was unschlagbar ist: die Kraft des Gebetes und des Segens. Mit Ihrem engagierten Einsatz als Betende können Sie persönlich, aber auch im Leben Ihrer Tochter mit spannenden Entwicklungsschritten rechnen.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern.

Wenn das innere Kind dazwischenfunkt

Ausraster, Hilflosigkeit und Ohnmachtsgefühle: Das innere Kind bringt die Harmonie zwischen vielen Ehepartnern durcheinander. Psychotherapeutin Melanie Schüer erklärt die Zusammenhänge.

„Tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum ich mich so aufgeregt habe. Irgendwas hat mich daran total getroffen … aber es ist nicht deine Schuld“, murmelt Lea. Wieder mal ist sie ziemlich wütend geworden in einer Situation, die so ähnlich immer wieder für Konflikte sorgt.
„Wenn ich darüber ­nachdenke, fühle ich mich bei meinen Ausrastern, als wäre ich vergessen worden.“ Und tatsächlich: Gerade hat ihr Mann den Käse vergessen, den sie gern morgen zum Frühstück genossen hätte. Ihr Sohn hat gestern nicht daran gedacht, ihren Brief zur Post zu bringen, und ihre beste Freundin hatte sich nicht, wie angekündigt, gemeldet. In all diesen Situationen hatte Lea übertrieben wütend reagiert – eigentlich unreif, kindlich. Tatsächlich wecken diese Situationen Dinge in Leas Biografie, die das innere Kind betreffen.

Innerer Erwachsener – inneres Kind

Manchmal nehmen wir Menschen in uns verschiedene Stimmen wahr. Das ist die normale Tatsache, dass jeder Mensch verschiedene innere Anteile besitzt. Diese hängen auch mit unseren unterschiedlichen Rollen zusammen, die wir im Alltag einnehmen – zum Beispiel der Rolle als Freundin, als Partner, als Mutter, Vater, Angestellter oder als Schülerin.

Zwei sehr gegensätzliche innere Anteile sind das sogenannte ‚Erwachsenen-Ich‘ und das ‚innere Kind‘. Wenn wir sicher in der Rolle als Erwachsene agieren und uns dem, was uns begegnet, gewachsen fühlen, dann ist das Erwachsenen-Ich in uns besonders präsent. Wir fühlen uns dann souverän, selbstsicher und kompetent. Diese Gefühle sind stärker als Ängste, Sorgen oder Selbstzweifel. Es ist buchstäblich der erwachsene, reife Teil in uns – man könnte auch sagen, „die Stimme der Vernunft“. Das mag positiv klingen, beinhaltet aber auch negatives Potenzial wie Perfektionismus und Verlust von Lebensfreude. Wer immer nur auf den inneren Erwachsenen hört, schwächt oft wichtige Aspekte des Lebens wie Fantasie, Unbeschwertheit, Freude oder Spontaneität.

In diesen Zuständen kommt ein anderer Anteil besonders stark zum Vorschein: unser inneres Kind. Es kann uns befähigen, das Leben zwischendurch leicht zu nehmen und zu genießen. Wir können herumalbern und völlig im Moment sein. Gleichzeitig sind mit dem inneren Kind auch bestimmte negative Erfahrungen verbunden. Wenn das innere Kind in uns stark wird, dann kann es passieren, dass wir uns unzulänglich, gedemütigt, abgelehnt, hilflos oder belächelt fühlen. Diese Gefühle hängen mit Erfahrungen aus unserer Kindheit zusammen, die natürlich individuell unterschiedlich sind. Sie werden in Momenten wach, in denen wir an Situationen aus unserer Kindheit erinnert werden – oft sprechen wir dann von „Triggern“. Es fühlt sich an, als wären wir in die Situation von früher zurückversetzt. So wie Lea, die in Trigger-Situationen ein Muster erkennt, dass sie sich fühlt wie die kleine Lea in bestimmten Momenten.

Grundüberzeugungen auf der Spur

Prägende und wiederkehrende Erfahrungen in der Kindheit führen zur Entwicklung fester Grundüberzeugungen. Das sind Glaubenssätze, die unbewusst unsere Sicht auf uns selbst, andere Menschen und Situationen formen, zum Beispiel:

  • Wenn ich nicht alles perfekt mache, werde ich nicht akzeptiert.
  • Wenn ich anders als andere bin, werde ich zurückgewiesen.
  • Egal, was ich tue, es ist nie genug.
  • Meine Meinung und Wünsche zählen nicht.
  • Ich muss alles kontrollieren, weil ich sonst nicht sicher bin.
  • Die anderen können alles besser.

Selbstverständlich gibt es auch positive Überzeugungen, zum Beispiel „Ich kann etwas leisten!“ oder „Meine Meinung zählt etwas!“. Aber in Krisen und Problemen, insbesondere in der Paarbeziehung, bekommen die negativen Grundüberzeugungen stärkeres Gewicht. Das liegt daran, dass wir uns in einer Paarbeziehung besonders öffnen und dadurch verletzlich machen und an unser Gegenüber Bedürfnisse und Erwartungen herantragen, die denen eines Kindes gegenüber den Eltern ähneln.

Lea könnte die negative Grundüberzeugung so formulieren: „Ich werde oft vergessen, weil ich nicht wichtig bin.“ Lea wuchs bei ihrem alleinerziehenden Vater auf, der völlig überfordert war. Oft vergaß er, Lea etwas zu essen vorzubereiten oder sie vom Kindergarten abzuholen. Sie erinnert sich genau, dass sie oft als letztes Kind wartete, während ihr Erzieher versuchte, den Vater zu erreichen. Wenn Lea ihren Vater dann weinend begrüßte, nahm er sie nicht ernst: „Mach doch nicht so ein Theater. Ich komme doch immer!“ Irgendwann mischte sich Leas Traurigkeit mit Wut. Diese Wut über das Verhalten ihres Vaters konnte das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht ein wenig abschwächen. Und genau diese Gefühle kommen auch jetzt wieder hoch, wenn sie sich vergessen und nicht wertgeschätzt fühlt.

Das innere Kind und die Paarbeziehung

Solche negativen Grundüberzeugungen aus der Kindheit mit den dazugehörigen Gefühlen wie Scham, Angst, Traurigkeit, Wut, gepaart mit Verhaltensweisen wie Konfliktvermeidung, übertriebener Anpassung oder mangelnder Offenheit haben einen enormen Einfluss auf die Paarbeziehung.

Im Paar-Alltag entstehen immer wieder Situationen, die uns unbewusst an Erlebnisse aus der Kindheit erinnern. Die Ähnlichkeit der Situation (zum Beispiel eine frustrierte Reaktion meines Partners, weil ich etwas nicht schaffe) kann die vertrauten Denkmuster, Gefühle und entsprechende Verhaltensweisen auslösen, zum Beispiel, wenn Lea ihren Mann anschreit, weil sie sich in diesem Moment wieder wie die kleine, vergessene Lea fühlt, sie von Traurigkeit überwältigt ist und mit Wut reagiert.

Diese Dynamik kann Konflikte immer wieder befeuern, weil beide Partner nicht verstehen, was eigentlich gerade passiert. Scheinbar kindische, unreife Verhaltensweisen treten immer wieder auf, denn handlungsleitend ist in diesen Fällen tatsächlich das innere Kind!

Das innere Kind auf frischer Tat ertappen

Um diese Zusammenhänge zu erkennen, ist es wichtig zu verstehen, welche Situationen zu Konflikten führen. Welche Muster sind erkennbar? Was haben die letzten Konfliktanlässe, an die Sie sich erinnern, gemeinsam? Was sind Themen, die ähnlich sind – zum Beispiel Äußerung von Kritik, Umgang mit Verschiedenheit, Einstellungen zu bestimmten Fragen wie Haushaltsführung, Finanzen, Alltagsgestaltung. Meist kommen schnell Muster zum Vorschein und zeigen an, was Ihr inneres Kind oder das Ihres Gegenübers triggert.

Dann gilt es, ein wenig in der Zeit zurückzureisen: Inwiefern kennen Sie dieses Thema beziehungsweise ähnliche Situationen aus Ihrer Kindheit? Was haben Sie damals empfunden? Was war damals belastend und stressig? Was hat Sie verletzt, beschämt, wütend gemacht oder geängstigt?

Das innere Kind beruhigen

Wichtig ist, in so einem Reflexionsprozess das innere Kind nicht einfach beiseitezuschieben. Das wäre auf Dauer nicht hilfreich. Denn das innere Kind meldet sich an ähnlichen Stellen wieder, weil dieses Thema in der Kindheit nicht ausreichend verarbeitet werden konnte. Es gilt daher, die Verletzung des inneren Kindes ernst zu nehmen und wie ein liebevoller Erwachsener mit Verständnis zu reagieren.

Es klingt vielleicht komisch, aber hier hilft ein wenig Kopfkino. Stellen Sie sich sich selbst als Kind in einer belastenden Situation vor, an die Sie sich noch erinnern können. Und dann gehen Sie in Ihrer Fantasie als heutiges, erwachsenes Ich auf Ihr jüngeres Ich zu und blicken es freundlich an. Sagen Sie ihm das, was Sie damals schon hätten hören müssen. Sprechen Sie ihm Mut und Trost zu und erklären Sie, dass die Situa­tion heute anders ist als damals. Wenn Sie offen dafür sind, stellen Sie sich auch gerne vor, wie Sie sich dem inneren Kind zuwenden, es trösten und stärken.

Grundüberzeugungen verändern

Der nächste Schritt ist die Frage, welche Grundüberzeugung hinter dem Konflikt stehen könnte – im Beispiel von Lea: „Ich werde vergessen, weil ich nicht wichtig bin.“ Welche Erfahrungen haben zu dieser Überzeugung geführt – und welche anderen, positiven Erfahrungen und Erkenntnisse stehen dagegen? Sammeln Sie Argumente, was gegen die Wahrheit dieser Überzeugung spricht. Und wenn sie der Realität nicht standhält, dann formulieren Sie – am besten schriftlich – eine positive, realistische Grundüberzeugung – wie beispielsweise „Ich bin Gott so wichtig, dass er sogar die Zahl der Haare auf meinem Kopf kennt. Ich bin mir selbst wichtig. Und es gibt Menschen, denen ich wichtig bin, wie …“

Vergegenwärtigen Sie sich die positiven Sätze immer wieder, um neue Denkpfade zu prägen, die Ihre Wahrnehmung prägen und zur Realität werden. Womöglich fühlt sich das anfangs künstlich an – das ist normal, denn Ihr Gehirn hat ja jahrelang das Gegenteil gedacht! Geben Sie dem Training also etwas Zeit.

Nicht alles geht in Eigenregie

Vieles können wir selbst durch Reflexion erreichen. Manche Prozesse brauchen aber Begleitung und Hilfe. Einige Grundüberzeugungen sitzen so tief, haben eine so destruktive Wirkung, manche Erfahrungen unseres inneren Kindes waren so massiv, dass eine Aufarbeitung allein nicht gelingt. Ein freundliches, professio­nelles Gegenüber macht einen großen Unterschied und kann einen sehr heilsamen Prozess in Gang bringen.

Melanie Schüer ist Mutter von zwei Kindern und berufstätig als Kinder- und Jugendlichenpsycho­therapeutin und Autorin im Osnabrücker Land. In Freundschaften und ihrer Paarbeziehung stößt auch sie immer wieder auf ihr inneres Kind.

Kommunikation ohne Eskalation: Expertin gibt Tipps

Unbedachte Worte in der Partnerschaft können tief verletzen. Beziehungs- und Kommunikationsexpertin Piroska Gavallér-Rothe erklärt, wie achtsame Kommunikation einfach gelingen kann.

Gerade war noch alles gut, doch plötzlich kippt die Kommunikation und ein Satz schießt um die Ecke und bohrt sich wie ein spitzer Pfeil in Thomas’ Herz. Thomas’ Kopf weiß: „Das ist nicht böse gemeint!“ – dennoch kann er nicht anders und zieht sich verletzt zurück. Den Rest des Abends muss Lea allein verbringen.

Auch bei Hannah und Jonas nimmt der Abend eine abrupte Wendung: Jonas macht einen unbedachten Kommentar – schon wird Hannah laut. Schneller als sie gucken können, haben sie sich wieder in einen Streit verstrickt.

In der Tat sind es oft Kleinigkeiten, an denen sich in Partnerschaften Streitigkeiten entzünden. Viele Paare stehen dann hilf- und ratlos da und fragen sich, woran es liegt. Es gibt verschiedene Gründe, die zu solchen Situationen führen. In diesem Artikel möchte ich vier Aspekte herausgreifen, die mir in meiner Arbeit mit Paaren regelmäßig begegnen:

1. Formulierungen mit Eskalationspotenzial

Auch wenn wir es selten böse meinen – aus kommunikationspsychologischer Sicht verwenden Menschen erschreckend viele dysfunktionale Sprachmuster. Mit ihnen bringen wir direkt oder indirekt zum Ausdruck, unser Gegenüber habe etwas falsch gemacht oder sei nicht okay.

Zu den dysfunktionalen Sprachmustern zählen insbesondere Urteile und Bewertungen wie zum Beispiel:

  • Du bist einfach viel zu empfindlich!
  • Das war mal wieder eine deiner vorschnellen Aktionen.
  • Vielleicht solltest du erst mal den Kopf einschalten und erst dann sprechen.

Aber auch Vergleiche bergen ungute Botschaften über unser Gegenüber in sich und können daher schnell zu einer Eskalation der Situation führen:

  • Du bist schon so wie deine Mutter!
  • Warum bloß hat niemand außer dir ein Problem mit dem, was ich sage?
  • Früher hast du nicht alles gleich auf die Goldwaage gelegt!

Eine subtile Form dysfunktionaler Sprachmuster ist das Leugnen von Verantwortung. In diesem Fall klingt das Gesagte so, als sei unser Gegenüber für die angesprochene Misere verantwortlich – während man selbst bequem aus dem Schneider ist:

  • Du könntest mittlerweile wirklich wissen, wo meine wunden Punkte liegen …
  • Wenn du nicht immer so empfindlich wärst, hätten wir weitaus weniger Probleme!
  • Wieso soll ich jetzt freundlich bleiben, wenn du mich gerade so angefahren hast?

Frühe Prägung

Die meisten von uns wurden schon seit frühester Kindheit von solchen Formulierungen geprägt. Wir haben sie so oft und selbstverständlich gehört, dass wir sie unbewusst übernommen haben. Heute verwenden wir sie selbst – meistens ohne es überhaupt zu merken! Genau deshalb ist es oft schwer nachvollziehbar, wenn das Gegenüber unleidig reagiert oder sich verletzt zurückzieht.

Dysfunktionale Sprachmuster wirken wie Tretminen in der Kommunikation. Besonders gilt das für Beziehungen, in denen Menschen in einem Näheverhältnis zueinander stehen – also in der Partnerschaft, aber auch in der Eltern-Kind-Beziehung oder der Beziehung zwischen Geschwistern. Das hohe Maß an Intimität macht die beteiligten Menschen verletzlich, denn nirgendwo tut Ablehnung so weh, als in Beziehungen, in denen wir uns nach Liebe sehnen.

2. Empfindliche Ohren in der Kommunikation

Auch empfindliche Ohren können dazu führen, dass Gespräche aus dem Ruder laufen. Oft sind sie das Ergebnis dysfunktionaler Erziehungsbotschaften. Kritische Urteile wie zum Beispiel „Du bist zu neugierig!“, und negative Vergleiche wie beispielsweise „Nimm dir mal ein Beispiel an deinem Bruder!“, können das Selbstvertrauen von Kindern ebenso erschüttern wie der Vorwurf, für unerwünschte Gefühle anderer Menschen die Verantwortung zu tragen: „Mama ist jetzt ganz traurig, weil du immer noch nicht schlafen willst.“ Schnell entsteht so die kindliche Überzeugung, „schuldig“ oder „nicht richtig“ zu sein.

Ohne positive Gegenimpulse gräbt sich dieses negative Selbstbild tief ins eigene Erleben ein und beeinflusst auch im Erwachsenenalter unsere Wahrnehmung und unsere Reaktionen. Auch positiv gemeinte Äußerungen wie zum Beispiel: „Ich bin wirklich froh, dass du heute Abend so entspannt bist!“, können dann leicht als persönlicher Vorwurf gehört werden und zu gekränkten Reaktionen führen: „Sag doch gleich, dass es dich nervt, dass ich in letzter Zeit so gestresst bin!“

Ungute Paarung

Treffen dysfunktionale Sprachmuster auf empfindliche Ohren, ist das Unglück vorprogrammiert. Meistens fehlen nämlich auf beiden Seiten Fertigkeiten, um das Gespräch zurück in konstruktive Bahnen zu lenken: Die sprechende Person vermag es nicht, über ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Selbst wenn sie Ich-Botschaften zu verwenden versucht, verbirgt sich oft noch eine vorwurfsvolle Du-Botschaft in ihren Worten („Ich bin traurig, weil du mich mal wieder nicht ernst nimmst.“).

Der empfangenden Person fehlen wiederum die Fähigkeiten, in vorwurfsvollen Aussagen die Gefühle und Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen, ohne sich dadurch selbst angegriffen oder schuldig zu fühlen („Bist du traurig, weil es dir wichtig ist, ernst genommen zu werden?“).

3. Störungen der Beziehungsebene

Dass es in Beziehungen zu Unstimmigkeiten kommt, ist normal und im Grunde auch nicht schlimm. Schlimm wird es nur, wenn sie nicht aufgelöst werden – weil man zum Beispiel keine Zeit darauf verwenden mag oder es nicht vonnöten erscheint. Dann kommt es zu Verwerfungen auf der Beziehungsebene. Wie bei tektonischen Platten führt das zu Spannungen. Kommen weitere unaufgelöste Unstimmigkeiten hinzu, verstärken sich die Spannungen. Schließlich kann die Spannung so stark werden, dass sie sich selbst bei kleinen Dingen in heftigen Erschütterungen entlädt.

Verbindungslücke

Die herkömmliche Form unserer Kommunikation ist nicht geeignet, Unstimmigkeiten in verbindender Weise auflösenzu können. Stattdessen fördert sie zermürbende Diskussionen, in denen man sich im Kreis dreht und am Ende doch nichts klärt.

4. Biografische Verletzungen

Es gibt immer wieder Situationen, in denen so starke Emotionen zu wirken beginnen, dass wir sie nicht richtig zu steuern vermögen. Dann übernimmt ein Autopilot das Ruder und wir tun oder sagen Dinge, die wir später bereuen.

Ein aktivierter Autopilot zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit an, dass gerade tiefgreifende und noch immer schmerzende Verletzungen in uns berührt werden. Die Heftigkeit der emotionalen Reaktion weist darauf hin, wie groß der stimulierte Schmerz in Wirklichkeit ist.

Verdrängt und abgespalten

Besonders schmerzhaft oder gar traumatisch erlebte Erlebnisse – insbesondere aus der Kindheit – werden sehr häufig aus dem Bereich des bewusst Zugänglichen in den Bereich des Unbewussten verschoben. Die emotionale Reaktivität bleibt jedoch erhalten. So schlittern wir immer wieder in reaktive Verhaltensweisen, können aber nicht wirklich nachvollziehen, weshalb.

Lichtblick

Eskalierender Streit in der Kommunikation als Paar – das muss kein Schicksal bleiben! Als Paar kann man sehr wohl einiges tun, um entspannter miteinander auszukommen:

Kommunikation

Hierbei geht es weder um Rhetorik noch um kommunikative Tipps und Tricks, sondern um die Fähigkeit, anders zu sprechen und anders zu hören.

Anders sprechen bedeutet: Sich aus dysfunktionalen Sprachmustern zu befreien und stattdessen Worte wählen zu können, mit denen wir wertschätzend und klar zum Ausdruck bringen, was wir fühlen und was wir brauchen.

Anders hören bedeutet: Einfühlsam und bedürfnisorientiert unserem Gegenüber zuhören zu können – sogar dann, wenn es gerade dysfunktionale Sprachmuster nutzt.

Dialog

Der Dialog ist der Gegenentwurf zur Diskussion. Kommunikatives Kräftemessen und die Durchsetzung der eigenen Meinung wird ersetzt durch einen verbindenden Austausch auf Augenhöhe. Die dialogische Gesprächsführung folgt klaren Abläufen und verbindet die neue Form des Sprechens und des Hörens zu einem lebendigen Ganzen.

Heilung

Möchten wir auch in Situationen mit einer hohen emotionalen Last angemessen agieren können, kommen wir nicht umhin, uns um unsere tiefliegenden Verletzungen zu kümmern. Kümmern bedeutet nicht, die Situation psychologisch analysieren oder kognitiv erklären zu können. Vielmehr geht es darum, sich der eigenen Verletzung liebevoll anzunehmen und sie damit zu versorgen, was sie braucht, damit es weniger schmerzt – auch und insbesondere dann, wenn sie einen schmerzvollen Impuls durch das Außen erfährt. Erst durch unsere fürsorgliche Zuwendung wird der Anteil nach und nach entspannen und durchatmen können, anstatt sich durch reaktive Automatismen zu schützen zu versuchen.

Am besten gelingt eine solche Heilungsarbeit in einem professionell begleiteten Kontext. Sich einfühlsam den eigenen Verletzungen zu widmen, stärkt nicht nur die persönliche Resilienz, sondern ermöglicht auch die Versöhnung mit der eigenen Biografie. Und wer versöhnt ist mit sich selbst, kann auch versöhnlich mit dem Partner sein.

Piroska Gavallér-Rothe ist Trainerin für Konflikt- und Kommunikationskompetenz und Paartherapeutin. Weitere Informationen unter: gavaller-rothe.com

Partnerschaft: Wir brauchen Vertrautheit und Überraschung

Beziehung, Liebe und Sexualität leben von Gegensätzen, die eine gesunde Spannung in das gemeinsame Leben bringen. Wir brauchen Routinen, aber auch Abwechslung, erklärt eine Psychologin.

Luise und Tom sitzen gemeinsam auf dem Sofa. Sie lieben diese Abende: Endlich schlafen die Kinder und sie haben Zeit zu zweit. Ihre Augen suchen den Insta-Feed ab, immer auf der Suche nach neuen lustigen Videos, die sie einander zeigen können. Dabei kuscheln sie, genießen die Gegenwart des anderen und tauschen sich über ihren Tag aus, bis Tom an diesem Abend auf die Toilette muss. Plötzlich springt die Tür auf. Tom stürmt herein mit dem Ritterhelm des Sohnemanns auf dem Kopf. Dabei schwingt er einen Besen und ruft: „Sinke vor Ehrfurcht nieder, Weib! Sir Tom Tomus ist mit dem gebührenden Respekt zu begegnen, wenn er seinen Minnesang vorträgt.“ Luise lacht, sie legt das Handy weg und lässt sich zurück auf die Couch sinken, die Hände ergebend erhoben.

Überraschende Momente, die die Vertrautheit unterbrechen, bringen uns schlagartig in die Gegenwart zurück und erregen unsere Aufmerksamkeit. Innerhalb von Sekunden verändern sie unsere Stimmung und reißen uns aus unseren Gedankenschleifen heraus. Wer mit Kindern zu tun hat, kennt diese Erfahrungen. Mit ihrer einzigartigen Logik überraschen sie uns oft und erhellen im Nu unsere Laune. Auch Witze leben von Überraschungseffekten. Humor, Unerwartetes, Neues – danach sehnt sich jeder und das ist es, was den Beginn einer Beziehung meist so schön und aufregend macht. In Langzeitbeziehungen zeigt sich das Neue nicht mehr täglich. Wir glauben, unsere Partnerin oder unseren Partner zu kennen und wissen bereits, was er oder sie denkt und möchte. Überraschungen sind wie ungewohnte, vielleicht sogar selbst ausgedachte Drehungen in einem Paartanz, die die Vertrautheit von Takt, Grundschritten und Lied durchbrechen. Beim Tanz achten beide Partner aufeinander, sind einander zugewandt und schenken einander ihre volle Aufmerksamkeit. Dabei erwartet der oder die Geführte das Unerwartete. Die Unvorhersehbarkeit der nächsten Figur bringt Leichtigkeit und Spaß in die routinierte Abfolge der Grundschritte. Das ist schön und lässt sich auch auf den Alltag übertragen. Sich

immer wieder einander zuzuwenden, den anderen anzusehen, zuzuhören und aufmerksam zu erspüren, wohin er oder sie im Gespräch möchte, sind Nebenwirkungen einer Beziehung, die Raum für Neues lässt. Ganz im Sinne von Oscar Wilde: „Das Unerwartete zu erwarten, verrät einen durchaus modernen Geist“ – einen Geist, der offen für Veränderungen ist, sich eine gewisse Flexibilität zur Anpassung bewahrt und eingefahrene Muster kritisch hinterfragt.

Gegensätze, die einander brauchen

Vertrautheit und Überraschung sind zwei Pole der Intimität. Während Neues und Überraschendes vor allem beim Kennenlernen und Verlieben eine große Rolle spielt, übernimmt mit der Zeit die Vertrautheit die Führung. Sie wird zum Rückzugsort, an dem beide Partner sie selbst sein können und sich angenommen fühlen. Vertrautheit stärkt die emotionale Bindung und das Gefühl inniger Liebe. Doch so tröstlich sie auch sein mag, ohne die Unterbrechung durch überraschende Momente wird Vertrautheit so spritzig wie eine abgestandene Cola. Langeweile macht sich breit und es fällt immer schwerer, einander die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Ganz ehrlich: Warum auch? Denn wir verbleiben in unseren Mustern und der damit einhergehenden Vorhersehbarkeit von Abläufen und Verhaltensweisen, ähnlich einem Grundschritt ohne Figuren. Nur wenn wir mit dem Unerwarteten rechnen, bleiben wir offen dafür, dass der Partner beispielsweise wirklich etwas Unvorhersehbares zu erzählen hat und hören ihm oder ihr länger als acht Sekunden zu (so lange dauert es in der Regel, bis wir innerlich unsere eigene Antwort formulieren).

Zu viele Überraschungen hingegen überfordern uns. Bestünde das Leben nur aus Überraschungen, würden wir nach kurzer Zeit erschöpft zusammenbrechen. Die Schönheit des Unerwarteten würde der Hässlichkeit des Willkürlichen Platz machen – begleitet von Angst und Stress. Der vertraute Gleichschritt und die Zeit, um die Überraschungen im Nachgang zu genießen, sind genauso wichtig.

Liebe sehnt sich nach der Sicherheit und Geborgenheit des Vertrauten, während die sexuelle Leidenschaft das Abenteuerliche der Überraschung liebt. Beide brauchen einander und bringen in ihrem Zusammenspiel Leichtigkeit und Lebendigkeit in eine Beziehung.

Das Dilemma

Überraschungen bringen Schwung in unseren vertrauten Alltag. Leider haben die meisten von uns die Tendenz, zu wenig zu überraschen und der Vertrautheit den Vortritt zu lassen. Denn zu überraschen bedeutet, sich aufzurappeln. Das kostet Energie, die wir nicht gerne verschwenden und oft einfach nicht haben. Wenn wir über längere Zeit kraftlos sind und die eingefahrenen Muster sich aufgrund des Energiemangels verstetigen, sinkt auch der Mut, die vertrauten Bahnen zu verlassen. Genauso, wie

das Verhalten unseres Partners uns Sicherheit gibt, wollen wir mit unserem Verhalten die Stabilität nicht gefährden. Leider auch dann nicht, wenn es sich um destruktive Muster handelt. Wie beim Tanz nehmen beide Partner eine Rolle ein. Und tappen dabei in eine Falle. Denn wie kann es sein, dass zwei Partner ein Problem lösen wollen und es dabei noch schlimmer machen? Beide Partner geben sich große Mühe und halten das Problem trotzdem am Leben oder machen es durch ihr Handeln noch schlimmer.

Luise und Tom kennen das. Je mehr Luise Tom bittet, seine Sachen wegzuräumen und je mehr sie demonstrativ für Ordnung sorgt, desto weniger räumt er auf und beteuert, dass ein bisschen Chaos nicht schade. Je öfter Tom Annäherungsversuche zum Sex unternimmt, desto bedrängter fühlt sich Luise und weist ihn noch öfter zurück. Was Tom als die Lösung sieht, wird für Luise zum Problem und andersherum. Beide nehmen die Probleme wahr und wollen ihnen auf den Grund gehen. Doch der Grund spielt bei der Lösung eines Problems meist eine untergeordnete Rolle. Er ist nur für die Schuldfrage relevant. Wenn wir aber wirklich eine Lösung anstreben, ist folgende Frage viel wichtiger: Will ich lieber recht haben oder verheiratet sein?

Hier kommt Überraschung ins Spiel: Zu überraschen bedeutet, sich so zu verhalten, wie es unsere Partnerin oder unser Partner nicht erwartet. Die größte Überraschung passiert somit dort, wo wir uns selbst überraschen. Denn damit rechnet der Partner bestimmt nicht. Für Tom und Luise bedeutet das, jeweils das Gegenteil von dem zu tun, was sie bisher taten. Tom müsste abends all seine herumliegenden Sachen aufräumen. Luise müsste aushalten, dass sie nicht für Toms Sachen verantwortlich ist und sie kommentarlos liegen lassen. Alternativ könnten sie als Kompromiss „Toms Minnekiste“ aufstellen, in die Luise alles werfen darf, was sie stört, und Tom die Verantwortung überlassen kann, wichtige Rechnungen unter den Socken trotzdem auf dem Schirm zu haben. Des Weiteren müsste Tom aufhören, Annäherungsversuche zu unternehmen, bis Luise freiwillig die Initiative zum Sex ergreift. Alternativ könnten die beiden einen Deal vereinbaren, dass Luise auf jeden seiner abgelehnten Annäherungsversuche selbst innerhalb von drei Tagen auf ihn zugeht. So können beide ihre Bedürfnisse wahren, ohne Vorwurfs-Rechtfertigungs-Pingpong.

Vier Stellschrauben, um die Leichtigkeit in der Beziehung durch Überraschungen zu erhalten:

1. Überrasche deinen Partner:
Kleine Überraschungen lockern den Alltag auf und teilen deiner Partnerin oder deinem Partner mit: Ich sehe dich. Du bist mir wichtig. Ich mag unsere Beziehung.

Get active: Fertige eine Liste mit Dingen an, die deine Partnerin gernhat, sowie Aufgaben, die sie überhaupt nicht gern mag und beginne, diese Aufgaben anzugehen. Überrasche sie damit am nächsten Tag wieder und den Tag darauf auch. Lade deinen Partner zu einem kurzen Abendspaziergang ums Haus ein, zünde abends mal wieder eine Kerze an oder bring deiner Partnerin morgens einen Kaffee ins Bad. Tun es bei ihr eher Worte der Anerkennung, dann verstecke kleine Botschaften in Jackentasche, Brotdose oder Geldbeutel. Oder schreibe mal wieder eine Mail, am besten in einer anderen Sprache.

2. Überrasche dich selbst:
Was könnte eine größere Überraschung sein, als sich so ungewohnt zu verhalten, dass man über sich selbst staunen muss?

Get active: Frage dich, worauf du wirklich gar keine Lust hast, und dann mache es. Wenn du beispielsweise nicht magst, dass dein Partner abends gerne am PC spielt, überrasche ihn, indem du mitspielst. Wenn du ein hingebungsvoller Langschläfer bist, stelle deinen Wecker zu einer Unzeit und mach euch einen Kaffee. Falls du dich zu den Warmduschern zählst, stell dich unter die eiskalte Dusche. Dabei darfst du gern kreischen, dann hat dein Partner direkt etwas zu lachen.

3. Bewahre einen „modernen Geist“:
Die Fähigkeit, sich flexibel an Bedingungen anzupassen und offen für Unbekanntes zu bleiben, kann geübt werden.

Get active: Wechselt jeden Monat ein paar Aufgabenverteilungen und am besten auch gleich die Bettseite. Plant jede Woche etwas zusammen, was ihr noch nie gemacht habt: eine gegenseitige Handmassage, Sex an einem neuen Ort, ein Eisbad, einen Fallschirmsprung… Je mehr Adrenalin dabei ausgeschüttet wird, desto verliebter werdet ihr danach wieder sein. Erstellt eine Traumliste, was ihr noch alles gemeinsam erleben wollt. Entlarvt typische „Das macht man halt so“ und macht das Gegenteil.

4. Mach Sport:
Ja, richtig gelesen. Sport stärkt Körper und Psyche und liefert langfristig Energie, die wir wiederum brauchen, um uns gegenseitig zu überraschen.

Get active: Schon eine einzige, schwere Wiederholung einer Liegestütze liefert messbare Effekte. Absurd einfach, oder? Falls du dich nur schwer motivieren kannst, dann kopple den Sport an feste Routinen im Alltag, wie beispielsweise eine einzige Kniebeuge nach dem Spülmaschine-Anschalten.

Viel Freude beim Blick über den vertrauten Tellerrand auf der Suche nach Alltagsabenteuern!

Tabea S. Müller ist Psychologin. Sie coacht bei „Micro Sabbaticals“ und „Friede deiner Hütte“.

Vier Tipps: So bleibst du für deinen Partner begehrenswert

Wenn ein Paar lange zusammen ist, kann die Sehnsucht nach körperlicher Nähe schwinden. Eine Psychologin gibt Tipps, wie beide Partner in einer Beziehung füreinander wieder begehrenswerter werden können.

Luise (Namen geändert) ist verliebt. Voller Spannung wartet sie auf Nachrichten von Tim. Ihr Herz hüpft, wenn er geschrieben hat. Eigentlich gehört sie zu den frühen Vögeln, aber um seine Stimme zu hören, wird sie zur Nachtigall, schläft erst nach stundenlangen Telefonaten ein. Nur um danach von Tim zu träumen. Sie begehrt ihn, will nah bei ihm sein, nicht mehr von ihm getrennt sein. Wenn er sie beiläufig streichelt oder sich ihre Knie berühren, fährt ein heißer Schauer durch ihren Körper.

Nach einigen Jahren und der gemeinsamen Hochzeit ist Tim ihr nah, schläft neben ihr ein und wacht neben ihr auf. Er ist Teil ihres Alltags geworden. Und er bleibt es auch – bis ans Ende ihrer Tage, das haben sie einander versprochen. Sie genießt seine Nähe und Vertrautheit, seine Meinung, sein Mitentscheiden bei Kleinigkeiten. Aber sie begehrt ihn nicht mehr. Die Spannung in ihr ist einer Entspannung gewichen. Die Sehnsucht ist erschlafft.

Der Raum der Gegensätze

Spannung aufzubauen und aufrechtzuerhalten, kostet Kraft. Darum lösen wir sie gern auf, so schnell es geht. Das ist menschlich. In einer Langzeitbeziehung wird es so allerdings zu entspannt. Dann lohnt es sich, sowohl Nähe als auch Distanz immer wieder ungebremst auszuhalten. Beide Extreme im Wechsel zu leben, bedeutet, deinen Mann oder deine Frau in deine Seele blicken zu lassen und ihm oder ihr andererseits Bereiche zu gewähren, die er oder sie ohne dich ausleben darf. Denn zwischen den Gegensätzen Nähe und Distanz öffnet sich ein Raum. Man kann ihn als Raum deiner Seele bezeichnen, mit der du dein Gegenüber liebst.

Gift für eure Beziehung dagegen ist der goldene Mittelweg: das schnelle Wegschauen, wenn dir der intime Blick des Partners zu nah wird. Zur Begrüßung ein Schmatzer anstatt eines innigen Sechs-Sekunden-Kusses. Deine Partnerin auf ihre bekannten Seiten zu reduzieren, weil du dich in vertrautem Terrain wohler fühlst und dir Unbekanntes Angst macht. Dem Partner nicht die Freiheit zu lassen, allein auf ein Festival zu fahren, weil du dann die Kontrolle über die Beziehung verlierst. Jede Beziehungsmelodie braucht Schwingungen, das wellenförmige Auf und Ab, damit sie schön und voll klingt. Schwingungslos, tonlos und auf Dauer ziemlich leblos ist es in der Mitte.

Das Dilemma

Endlich zusammenziehen, die Distanz auflösen, eins werden, das war Luises Ziel. Aber das hatte einen Preis. Den Preis des Nicht-mehr-Begehrens. Wir Menschen können nur begehren, was wir nicht haben. Ein Partner, der dir über Jahre hinweg treu zur Seite steht und Höhen und Tiefen mit dir teilt, den hast du ja schon. Er ist Teil von dir und du von ihm. Untermauert wird diese Annahme durch gemeinsame Kinder, gemeinsame Freundinnen und Freunde und ein gemeinsames Heim. Seid ihr miteinander so verschmolzen, dass es nur noch Wir statt Du und ich gibt, dann wisst ihr nicht mehr genau, was euch selbst ausmacht, wo ihr anfangt und aufhört. Euch gegenseitig zu begehren, wird unglaublich schwierig.

Sexuelles Begehren und Eifersucht brechen oft erst dann wieder hervor, wenn ein toter Punkt in der Beziehung erreicht ist – die Partnerin, der Partner dir entgleitet, du dir ihrer oder seiner nicht mehr sicher bist. Durch das lange Entspannen in der sicheren und vertrauten goldenen Mitte habt ihr euch auseinandergelebt, wie man so schön sagt. Unbewusst die Distanz gesucht, um euch in all der Verschmelzung nicht selbst zu verlieren, bis es mit der Entspannung vorbei war. Der Partner oder die Partnerin ist dir fremd geworden und hat sich verändert.

Angst ist oft die erste Reaktion auf Entfremdung, weil du hier kein berechenbares Aktions-Reaktions-Verhalten kennst und nicht in deiner Komfortzone bleiben kannst. Fremd im Sinne des germanischen Wortstamms „fram“ bedeutet aber nichts anderes als „fern von“ oder „weg von“. Es drückt erst einmal nur Distanz aus, der du auch mit Neugier anstelle von Angst begegnen kannst. Wenn du die Angst loslässt, dich oder deine kleine berechenbare Welt schützen zu müssen, dann kannst du deinen Partner, deine Partnerin mit einem neuen, interessierten und offenen Blick betrachten. So wie damals. Aber das passiert nicht von allein. Es braucht die Entscheidung, die gefühlte Distanz zu deinem Partner nicht als Gefahr, sondern als Potenzial zu sehen, ihn wieder ganz frisch und unvoreingenommen wahrzunehmen. Dann ist wieder Raum für Begehren.

Das Fremde ist begehrenswert

Wann fühlen sich Menschen am meisten zu ihrem Partner, ihrer Partnerin hingezogen? Laut der belgischen Psychotherapeutin Esther Perel, die zahlreiche Paare befragt hat, lassen sich die Antworten auf diese Frage folgenden Kategorien zuordnen:

  • Wenn mein Partner im Flow ist und ganz in seinem Element aufgeht
  • Wenn meine Partnerin längere Zeit weg war und wir uns wieder treffen
  • Wenn mich mein Partner überrascht
  • Wenn ich meine Partnerin mit den Augen eines anderen Menschen sehe

All diese Antworten drücken Entfremdung oder Distanz aus. Der oder die Fremde im eigentlich so vertrauten Gegenüber ist begehrenswert. Ihn oder sie besitze ich nicht. Er/sie hat Dinge im Leben, die er gut kann, die sie mag und die ihn begeistern.

Eine Partnerin, die in ihrem Element aufgeht, strahlt Selbstvertrauen aus, das ist sexy. Wenn du sie in solchen Momenten beobachten darfst, vielleicht auf der Bühne oder beim Toben mit den Kids, dann siehst du nicht deine Frau, die heute Morgen den Abwasch vergessen hat, sondern die Fremde. Sie braucht dich in diesem Moment nicht. Du kannst deine fürsorgliche Seite fallen lassen und sie bewundern.

Ein Partner, der unterwegs ist, macht Erfahrungen ohne dich und trifft Leute, die du nicht kennst. Geheimnisvoll kann er wieder Teil deiner Fantasien werden, die in der Realität des ständigen Beisammenseins verkümmert sind, sich jedoch hervorragend als Nährboden für deine Sehnsucht eignen.

Eine Partnerin, die dich überrascht, indem sie beispielsweise mit neuen Outfits spielt, eröffnet eine fremde Seite, die du noch nicht kennst. Oft zeigt sich diese Seite im Urlaub, da das Standardrepertoire des alltäglichen Verhaltens wegfällt. Sie kommt auch hervor, wenn sie sich trotz Harmonieliebe entscheidet, bei einem Streit nicht wie gewohnt auszusteigen, sondern bis zum Ende zu diskutieren, wo auf euch beide eine neue Perspektive wartet.

Einen Partner, der im Café angeflirtet wird, siehst du mit dem ersten Eindruck eines anderen. Du nimmst neu wahr, wie andere auf seinen Humor und Charme reagieren. Deine Augen öffnen sich für die bewundernswerten Dinge, für die du vielleicht mit der Zeit blind geworden bist. Du hörst ihn mit Nachbarn über Themen reden, die ihr sonst nie ansprecht, und bist von seiner Haltung angezogen. Du bekommst mit, wie sich eine alte Dame über seine Ansprache in der Kirche bedankt und erkennst, dass er im Leben anderer einen positiven Unterschied macht, den du bei dir als selbstverständlich angenommen hast.

Das Exotische, Neue, Überraschende wirkt anziehend. Das gilt auch umgekehrt. Welche Stellschrauben in deinem Leben kannst du drehen, damit dein Mann oder deine Frau auf die gleichen Antworten kommt?

Vier Stellschrauben, um begehrenswert zu bleiben:

1) Im Flow sein

Es ist leichter, deinem Partner, deiner Partnerin Freiraum zu gönnen, wenn du mit dir selbst im Reinen bist und ebenfalls deinen „Spielplatz“ gefunden hast. Fehlt dir deine „Spielzeit“ im Alltagswahnsinn und machst du dein Gegenüber dafür mitverantwortlich, dann schaffst du eine Distanz, die nicht im Begehren, sondern in Ablehnung mündet. Mal ganz ehrlich: Wie oft warst du letzte Woche so vertieft in eine

Sache, dass du die Welt um dich herum vergessen hast? Hat deine Frau, dein Mann das überhaupt mitbekommen?

Get active: Priorisiere zu Beginn der Woche freie Zeitfenster, in denen du Zeit für dich hast und dem nachgehen kannst, was dich begeistert. Sei es Puzzeln, Backen, Lesen, Stricken, Spielen, Rätseln, Programmieren oder Sport.

2) Allein reisen

Beruflich längere Zeit im Ausland zu sein, ist in manchen Branchen normal. Allein Urlaub zu machen, fühlt sich dagegen für viele falsch an. Dabei gibt es tolle Angebote. Und es eröffnet die Möglichkeit, mal keinen Kompromiss zwischen Familienzeit und Lesen, Bergen und Meer, Schweigen und Reden eingehen zu müssen. Mein persönlicher Favorit sind Schweige-Exerzitien.

Get active: Plane dieses Jahr mindestens einen Aufenthalt außer Haus allein ein.

3) Den Partner überraschen

Überraschung zeigt sich im Spontanen, im Neuen und in der Improvisation. In kleinem Stil ist da jeden Tag etwas möglich.

Get active: Probiere ein neues Gericht, google nach Witzen oder nerde dich in ein Thema ein, mit dem du deinen Partner, deine Partnerin beeindrucken kannst.

4) Ein frischer Blick

Von allen vier Stellschrauben macht der frische Blick den größten Unterschied. Leider liegt es außerhalb deiner Kontrolle, wie leicht es deinem Mann oder deiner Frau fällt, dich mit neuen Augen zu sehen. Ein Anfang ist jedoch die Gegenseitigkeit: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch wieder heraus.

Get active: Wenn dein Partner, deine Partnerin zu Hause ist, schließe deine Augen für mehrere Sekunden. Schau ihn/sie anschließend an, als würdest du ihm/ ihr zum ersten Mal begegnen. Was willst du über ihn wissen? Was macht sie interessant, wenn man alle Aspekte ausblendet, die mit eurer Beziehung und deinen eigenen Bedürfnissen zu tun haben? Es braucht sowohl ein gutes Gespür für sich selbst und für den anderen als auch den Austausch darüber, um gemeinsam im Takt beim Tanz zwischen den Extremen Nähe und Distanz zu bleiben. Dazu ermutige ich dich und wünsche viel Erfolg!

Tabea S. Müller ist Psychologin und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in der Nähe von Karlsruhe.

Störenfried: Wenn das innere Kind dazwischenfunkt

Ein plötzlicher Ausraster, undefinierbare Gefühle – so oder anders kann sich das innere Kind zu Wort melden und die Harmonie in der Partnerschaft stören. Therapeutin Melanie Schüer erklärt die Zusammenhänge.

„Tut mir leid, ich weiß auch nicht, warum ich mich so aufgeregt habe. Irgendwas hat mich daran total getroffen …aber es ist nicht deine Schuld“, murmelt Lea, während sie sich Milch in ihren Kaffee gießt und zaghaft ihrem Mann zulächelt. Wieder mal ist sie ziemlich wütend geworden in einer Situation, die so ähnlich – das fällt ihr jetzt, mit etwas Abstand auf – immer wieder für Konflikte sorgt.

„Wenn ich mal so darüber nachdenke, geht es bei meinen Ausrastern ziemlich oft um dieses Thema Vergessen werden“, denkt sie laut nach. Und tatsächlich: Gerade hat ihr Mann den Käse vergessen, den sie so gern morgen zum Frühstück genossen hätte. Ihr Sohn hat vor ein paar Tagen nicht daran gedacht, ihren Brief zur Post zu bringen, als er in der Stadt war und als ihre beste Freundin hatte sich letzte Woche nicht, wie angekündigt, gemeldet. In all diesen Situationen hatte Lea ziemlich wütend reagiert – übertrieben wütend, wie sie selber findet, eigentlich unreif, kindlich. Und das ist ganz logisch, denn diese Situationen lösen aufgrund von Leas Biografie etwas aus, das ihr inneres Kind betrifft.

Das innere Kind und die Persönlichkeit

Manchmal nehmen wir Menschen in uns verschiedene Stimmen wahr. Das ist keine Spaltung der Persönlichkeit, sondern die normale Tatsache, dass jeder Mensch verschiedene innere Anteile besitzt. Diese inneren Anteile hängen auch mit unseren unterschiedlichen Rollen zusammen, die wir im Alltag einnehmen – zum Beispiel der Rolle als Freundin, als Partner, als Mutter, Vater, Angestellter oder als Schülerin. Das innere Kind ist der Teil unserer Persönlichkeit, der stark in unserer Kindheit verwurzelt ist. Hier kommen prägende Eindrücke, Gefühle und Erfahrungen aus unserer Kindheit zum Tragen.

Innerer Erwachsener – inneres Kind

Zwei oft sehr gegensätzliche innere Anteile sind das sogenannte ‚Erwachsenen-Ich‘ und das ‚Innere Kind‘. Wenn wir sicher in der Rolle als Erwachsene agieren und uns dem, was uns begegnet, gewachsen fühlen, dann ist das Erwachsenen-Ich in uns besonders präsent. Wir fühlen uns dann souverän, selbstsicher und kompetent – zumindest sind diese Gefühle stärker als Ängste, Sorgen oder Selbstzweifel. Es ist wortwörtlich der erwachsene, reife Teil unserer Persönlichkeit – man könnte auch sagen, „Die Stimme der Vernunft“. Das mag positiv klingen, beinhaltet aber auch negatives Potenzial im Sinne von Druck, Perfektionismus und Verlust von Lebensfreude. Wer immer nur auf die eigene innere Erwachsene hört, schwächt oft wichtige Aspekte des Lebens wie Fantasie, Unbeschwertheit, Freude oder Spontaneität.

In diesen Zuständen kommt ein anderer Anteil besonders stark zum Vorschein: unser inneres Kind. Das innere Kind kann uns befähigen, das Leben zwischendurch leicht zu nehmen und zu genießen. Wir können dann herumalbern und völlig im Moment sein. Gleichzeitig sind mit dem Inneren Kind auch bestimmte negative Erfahrungen verbunden. Wenn das innere Kind in uns stark wird, dann kann es auch passieren, dass wir uns unzulänglich, gedemütigt, abgelehnt, hilflos oder belächelt fühlen. Diese Gefühle hängen mit Erfahrungen aus unserer Kindheit zusammen, die natürlich individuell unterschiedlich sind. Sie werden in Momenten wach, in denen wir an Situationen aus unserer Kindheit erinnert werden – oft sprechen wir dann von „Triggern“. Es kann sich dann anfühlen, als wären wir in die Situation von früher zurückversetzt. So wie Lea, die mit Blick auf die Trigger-Situationen der letzten Zeit ein Muster erkennt und versteht, dass sie sich in diesen Momenten fühlt wie in bestimmten Situationen ihrer Kindheit.

Grundüberzeugungen auf der Spur

Prägende Erfahrungen in der Kindheit führen zur Entwicklung fester Grundüberzeugungen. Das sind quasi Glaubenssätze, die oft unbewusst unsere Sicht auf uns selbst, andere Menschen und Situationen formen. Grundüberzeugungen können zum Beispiel sein:

  • Wenn ich nicht alles perfekt mache, werde ich nicht akzeptiert
  • Wenn ich anders als andere bin, werde ich zurückgewiesen
  • Egal was ich tue, es ist nie genug
  • Ich darf nicht zu hohe Ansprüche stellen, um andere nicht zu nerven
  • Ich muss alles kontrollieren, weil ich sonst nicht sicher bin
  • Andere Menschen werden mich früher oder später enttäuschen
  • Wenn andere mich wirklich kennenlernen, mögen sie mich nicht mehr

Selbstverständlich gibt es auch positive Überzeugungen, zum Beispiel „Ich kann etwas leisten!“ oder „Ich darf meine Meinung sagen!“ Aber durch Krisen und Problemen, insbesondere in der Paarbeziehung, bekommen die negativen Grundüberzeugungen stärkeres Gewicht. Das hängt damit zusammen, dass wir uns in einer Paarbeziehung besonders öffnen und dadurch verletzlich machen und an unser Gegenüber Bedürfnisse und Erwartungen herantragen, die denen eines Kindes gegenüber den Eltern ähneln (Geborgenheit, Annahme, Liebe, Interesse, etc.).

Im Fall Lea

In Leas Fall könnte man die negative Grundüberzeugung in etwa so formulieren: „Wenn andere mich vergessen, zeigt das, dass ich ihnen nicht wichtig bin.“ Lea war mit einem völlig überforderten alleinerziehenden als Vater groß geworden. Der Vater hatte oft vergessen, Lea etwas zu Essen vorzuberteiten oder Lea vom Kindergarten abzuholen. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie dann als letztes Kind noch wartete, während ihr Erzieher Jan versuchte, ihren Vater zu erreichen.

Wenn Lea ihren Vater dann weinend begrüßte, spielte er das Problem herunter: „Ach komm, mach‘ doch nicht so ein Theater, Lealein. Ich komm doch immer irgendwann, oder etwa nicht? Es dreht sich doch nicht immer alles nur um dich.“ Irgendwann hatte sich Leas Traurigkeit mit Wut vermischt. Die Wut half ihr ein wenig, sich stärker zu fühlen. Das Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der Traurigkeit, die ja ohnehin nur belächelt wurde, wurde ein wenig abgeschwächt durch die Wut über das Verhalten ihres Vaters. Und genau diese Gefühle kamen auch jetzt wieder hoch, wenn sich vergessen und infolgedessen nicht wertgeschätzt fühlte.

Das innere Kind und die Paarbeziehung

Diese negativen Grundüberzeugungen aus der Kindheit und die dazugehörigen Gefühle wie Scham, Angst Traurigkeit, Wut und Verhaltensweisen wie Konfliktvermeidung, übertriebene Anpassung oder mangelnde Offenheit haben einen enormen Einfluss auf die Entwicklung einer Paarbeziehung. Denn in einer solchen Beziehung machen wir uns besonders verletzlich und entwickeln eine enge Verbundenheit, die auch Verlassensängste oder Angst vor Abhängigkeit auslösen kann.

Im Paar-Alltag werden immer wieder Situationen entstehen, die uns an Erlebnisse aus der Kindheit entwickeln – oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Diese Ähnlichkeit der Situation (zum Beispiel eine frustrierte Reaktion meines Partners, weil ich etwas nicht schaffe) kann die vertrauten Denkmuster, Gefühle und dann auch Verhaltensweisen auslösen, zum Beispiel, wenn Lea ihren Mann anschreit, weil sie sich in diesem Moment wieder wie die kleine, vergessene Lea fühlt und, weil die Traurigkeit sich zu überwältigend anfühlt, mit Wut reagiert.

Diese Dynamik kann Konflikten immer wieder befeuern, weil beide Partner nicht verstehen, was eigentlich gerade passiert. Scheinbare kindische, unreife Verhaltensweisen treten immer wieder zutage, denn handlungsleitend ist in diesen Fällen tatsächlich das innere Kind!

Das innere Kind auf frischer Tat ertappen

Um diese Zusammenhänge zu erkennen, ist es wichtig, zunächst einmal zu verstehen, welche Situationen zu Unstimmigkeiten und Konflikten führen. Überlegen Sie in einer ruhigen Situation, mit etwas Abstand zu einem konkreten Streit, ob Sie gewisse Muster erkennen können. Was haben die letzten Konfliktanlässe, an die Sie sich erinnern können, gemeinsam? Was sind Themen, die ähnlich sind – zum Beispiel Äußerung von Kritik, Umgang mit Verschiedenheit, Einstellungen zu bestimmten Fragen wie Haushaltsführung, Finanzen, Alltagsgestaltung. Meist kommen schnell Muster zum Vorschein und zeigen an, was Ihr inneres Kind oder das Ihres Gegenübers triggert.

Dann gilt es, ein wenig in der Zeit zurückzureisen: Inwiefern kennen Sie dieses Thema/ähnliche Situationen aus Ihrer Kindheit? Wie haben Sie sich damals gefühlt? Was war damals belastend und stressig? Was hat Sie verletzt, beschämt, wütend gemacht oder geängstigt?

Das innere Kind beruhigen

Wichtig ist, in so einem Reflexionsprozess das innere Kind nicht einfach beiseitezuschieben im Sinne von „Ach so, das liegt nur an meiner Kindheit – okay, das ignoriere ich.“ Das wäre auf Dauer nicht hilfreich, denn das innere Kind meldet sich an ähnlichen Stellen wieder, weil dieses Thema in der Kindheit nicht ausreichend geklärt und verarbeitet werden konnte. Es gilt daher, die Verletzung des inneren Kindes ernst zu nehmen und wie ein liebevoller Erwachsener mit Verständnis zu reagieren.

Es klingt vielleicht komisch, aber erlauben Sie sich ruhig ein wenig Kopfkino. Stellen Sie sich selbst als Kind in einer belastenden Situation vor, an die Sie sich noch erinnern können. Und dann gehen Sie in Ihrer Fantasie als heutiges, erwachsenes Ich auf Ihr jüngeres Ich zu und blicken es freundlich an. Sagen Sie ihm das, was Sie damals schon hätten hören müssen. Sprechen Sie Ihm Mut und Trost zu und erklären Sie, dass die Situation heute anders ist als damals. Wenn Sie offen dafür sind, stellen Sie sich auch gerne vor, sich dem inneren Kind zuwendet, es tröstet und stärkt.

Grundüberzeugungen verändern

Wenn Sie einen Schritt weitergehen möchten, reflektieren Sie auch, welche Grundüberzeugung hinter dem erlebten Konflikt stehen könnte – zum Beispiel im Beispiel von Lea: „Ich werde vergessen, weil ich nicht wichtig bin.“

Überlegen Sie, welche Erfahrungen zu dieser Überzeugung geführt haben – und welche anderen, positiven Erfahrungen und Erkenntnisse ihr widersprechen. Sammeln Sie ruhig Argumente, was für uns was gegen die Wahrheit dieser Überzeugung spricht. Und wenn sie der Realität nicht standhält, dann formulieren Sie – am besten schriftlich, so lernt unser Gehirn effektiver – eine positivere, realistische Grundüberzeugung – wie beispielsweise „Ich bin Gott so wichtig, dass er sogar die Zahl der Haare auf meinem Kopf kennt. Ich bin mir selber wichtig. Und es gibt Menschen, denen ich wichtig bin wie …..“ Lesen Sie sich die positiven Sätze immer wieder durch – so So können Sie neue Denkpfade prägen, die nach und nach Ihre Wahrnehmung prägen und zur Realität werden. Womöglich fühlt sich das anfangs künstlich an – das ist normal, denn Ihr Gehirn hat ja jahrelang das Gegenteil gedacht! Geben Sie dem Training also etwas Zeit.

Nicht alles geht in Eigenregie

Vieles können wir selbst durch Reflexion erreichen. Manche Prozesse brauchen aber Begleitung und Hilfe. Einige Grundüberzeugungen sitzen so tief, haben eine so destruktive Wirkung, manche Erfahrungen unseres inneren Kindes waren so massiv, dass eine Aufarbeitung alleine nicht gelingt. Ein freundliches, professionelles Gegenüber macht einen großen Unterschied und kann einen sehr heilsamen Prozess in Gang bringen. Psychotherapie, Lebensberatungsstellen und Seelsorge können dazu hilfreiche Angebote sein.

Melanie Schüer ist Mutter von zwei Kindern und areitet als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin im Osnabrücker Land.