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Besser als gedacht: Debora und ihr Mann gestalten ihre Ehe mit einem Business-Tool

Eigentlich soll die Methode „OKR“ Unternehmen nach vorne bringen. Debora Herwig und ihr Mann haben sie im Familienalltag ausprobiert, mit erstaunlichem Ergebnis.

Ein Business-Tool für die Ehe? Und das soll ein Ehekurs sein? Für mich klang OKR, also „objectives and key results“ (Ziele und Schlüsselergebnisse) nach Arbeit, nach Zielen und Unternehmensplänen, sehr fremd und wenig einladend. Außerdem war ich mit unserem Sohn im Kleinkindalter so ausgelastet, dass ich keinen Nerv dafür hatte, mir eine Ehe-Vision zu überlegen, die ich auch noch umsetzen soll. Mein Mann war jedoch sofort Feuer und Flamme, als er vom Seminar „OKR für Paare“ hörte. Mit OKR ist er vertraut, da er die Methode im Beruf anwendet.

Wir hatten uns bei unserer Hochzeit vor sieben Jahren vorgenommen, einmal im Jahr etwas ganz Besonderes für unsere Ehe zu tun. Wir gönnen uns zum Beispiel ein Wochenende zu zweit oder einen Ehekurs, um unserer Beziehung etwas Gutes zu tun und sie frisch zu halten. Der Kurs „OKR für Paare“ war aber ganz anders gestrickt als die Ehekurse, die wir bereits besucht hatten.

Partner entwickeln eine gemeinsame Vision

Wie können wir unser Leben so gestalten, dass wir uns nach unseren Zielen ausrichten und unsere Wünsche und Bedürfnisse Erfüllung finden? Genau darum geht’s bei „OKR für Paare“. Das fand ich spannend und überzeugend. Es gibt in diesem Kurs keinen Input zu klassischen Beziehungsthemen. Wir lernten eine Methode kennen, die uns in kurzer Zeit helfen sollte, das Leben zu leben, das wir uns wünschen. Es geht dabei um eine Ehe mit Sinn und tiefer Verbundenheit zum Ehepartner – trotz vieler Aktivitäten und begrenzter Zeit im Alltag.

Zunächst entwickelten wir eine gemeinsame Ehe-Vision basierend auf der Fragestellung: Wie soll unser (Ehe-)Leben in den nächsten Jahren aussehen? Dann arbeiteten wir eine Mission aus und definierten fünf Strategiefelder oder Bereiche, in denen wir diese Vision leben wollen.

Konkret sieht dies bei uns so aus: Wir haben viele großartige Menschen um uns herum, die nicht wissen, wie wertvoll sie sind und wie sie ihre Begabungen entfalten können. Wir haben daher die Vision entwickelt: „Die Welt blüht auf, weil Menschen eine neue Perspektive leben.“ Davon abgeleitet haben wir die Mission: „Menschen in unserem Umfeld erkennen ihren Wert und leben ihre Berufung.“ Dafür schlägt unser Herz! Zuallererst möchten wir diese Mission bei unseren Kindern und den Menschen um uns herum leben. Zusätzlich habe ich mich als Lebens- und Familienberaterin selbstständig gemacht. Mein Mann ist als Mentor für junge Männer tätig.

Leitfragen bestimmen den Alltag

Nun kann man große Visionen haben, ohne dass sie im Alltag eine Rolle spielen. Und irgendwann fragt man sich, welches Leben man eigentlich gelebt hat. Genau hier kommen die OKRs ins Spiel. Abgeleitet von den großen Linien werden viermal im Jahr konkrete Wünsche, Bedürfnisse und Ziele für die nächsten drei Monate entwickelt. Hierbei geht es nicht um To-do-Listen. Die Leitfrage lautet vielmehr: Wie soll sich unser Leben in drei Monaten anfühlen? Und woran erkennen wir, dass dabei herauskommt, was wir möchten? Die OKRs werden dann in einem „Wochencheck“ besprochen.

Wir wünschen uns mehr Ruhe und Zeit für uns? Wir wünschen uns eine tiefere Beziehung zu unseren Kindern? Wir möchten uns geliebt fühlen? All dies können Ziele für ein Quartal sein.

Eines unserer Strategiefelder ist zum Beispiel unsere wachsende Familie. Ein weiterer Sohn bereichert mittlerweile unsere Familie. Wir haben uns vorgenommen, dass wir herausfinden, was unseren Kindern Freude bereitet, und bauen dies bewusst in unseren Alltag ein. Unser Erstgeborener spielt gerne mit Wasser. Erst kürzlich wollte er mir in der Küche helfen und hat für mich „gespült“. Ich wusste, dass er danach von oben bis unten nass sein und die ganze Küche unter Wasser stehen würde. In unserer Strategie steht jedoch, dass unser Sohn glückliche Momente erleben soll, in denen er zum Beispiel „nass ist“. So konnte ich mich über seine Hilfe beim Spülen freuen, auch wenn das für mich hinterher viel Arbeit bedeutete.

Mehr Glück durch Wochenchecks

In unserer Strategie haben wir auch die Beziehungen zu unseren Herkunftsfamilien angeschaut und überlegt, wie wir diese leben möchten. Die Oma von meinem Mann ist schon alt. Es ist uns wichtig, dass unsere Kinder eine gute Beziehung zu ihr aufbauen können und wir die Zeit nutzen, die wir (noch) mit ihr haben. Konkret wurde daraus ein regelmäßiges Essen bei ihr zu Hause. Dass wir unser Abendbrot in einen Korb packen und zu ihr fahren, bedeutet für uns wenig Mehraufwand, es bereichert aber unsere Beziehung zu ihr. Das macht einen großen Unterschied.

Auch unsere Paarbeziehung ist ein wichtiger Teil unserer Strategie. Dort haben wir festgehalten, dass wir uns jede Woche Zeit als Paar nehmen, dass wir uns gemeinsam engagieren wollen, uns ein gemeinsames Hobby suchen wollen und unsere Kinder merken sollen, dass wir uns lieben. Hierzu haben wir uns überlegt, wann wir uns selbst vom anderen geliebt fühlen und dann immer beim Wochencheck reflektiert, wie stark wir dies in der vergangenen Woche erlebt haben. Das klingt im ersten Moment unromantisch, jedoch ist der Vorteil, dass wir unsere konkreten Wünsche im Blick haben, unsere Beziehung im Alltag bewusster gestalten und dadurch glücklicher sind.

Schwierige Gespräche, gutes Ergebnis

Der Wochencheck hilft nicht nur, die gemeinsame Entwicklung im Blick zu behalten, er schafft auch eine tiefe Verbindung zueinander, weil wir uns intensiv darüber unterhalten, wie es uns geht, was uns beschäftigt, was uns fehlt … Diese Gespräche sind sehr wertvoll, auch wenn sie ab und an schwierig sind, da es hier ans Eingemachte geht. Uns wird immer wieder deutlich, dass es schmerzhaft ist, wenn Bedürfnisse und Wünsche im Alltag untergehen. Manchmal stehen sich Bedürfnisse auch gegenseitig im Weg. So wünsche ich mir Sicherheit und Zeit mit der Familie, während mein Mann seine Selbstständigkeit gerne ausbauen möchte. Es ist herausfordernd, solche Themen zu klären, gleichzeitig ist es sehr wichtig, hinter unsere Wünsche und Ziele zu schauen. Genau solche Knackpunkte zu besprechen, die Bedürfnisse herauszufinden und vielleicht auch ganz neue Lösungen zu finden – dafür bietet die Methode einen guten Rahmen.

Nach über einem Jahr mit „OKR für Paare“ können mein Mann und ich diese Methode wärmstens empfehlen. Mit geringem zeitlichem Aufwand kann sich viel Positives in der Ehe und im Alltag verändern – das ist beeindruckend!

Debora Herwig ist Diakonin und Systemische Beraterin (deboraherwig.de). Sie lebt mit ihrer Familie im Kreis Calw im Nordschwarzwald.

Auf das, was da noch kommt!

Das „leere Nest“ schenkt Freiräume für Beziehungen, die mal nichts mit den Kindern zu tun haben. Irina Ort mit Anregungen, wie alte Freundschaften wiederbelebt und neue gewonnen werden können.

Zwischen Geburt und Loslassen der Kinder stecken jede Menge Erlebnisse, Geschichten und Erfahrungen. Durch oder wegen der Kinder haben sich ein paar von den damals bereits bestehenden Freundschaften gefestigt. In der Kleinkind- und Kindergartenphase sind aber auch neue Freundschaften entstanden. Ich erinnere mich an unzählige Male, wo wir uns mit oder wegen unserer Kinder trafen und zwischen uns Erwachsenen eine Freundschaft begann. Diese Freundschaften waren praktisch, alltagstauglich und gleichzeitig Gold wert. Wir trafen uns auf Spielplätzen, unternahmen gemeinsame Ausflüge und halfen uns gegenseitig mit dem Babysitten aus. Wenn wir uns als Paar ein paar kinderfreie Tage gönnen wollten, vertrauten wir uns gegenseitig die Kinder an. Kinder waren ein großer gemeinsamer Nenner unserer Freundschaften.

Jetzt sind die Kinder erwachsen. Die Lebensschwerpunkte verlagern sich. Ich stelle fest, dass ich und wir als Paar immer mehr Freiräume haben. Wir haben mehr Zeit. Ich habe mehr Zeit. Doch wie sieht es eigentlich mit meinen und unseren Freundschaften aus? Ich stelle auch fest, dass ich mich nun tatsächlich weniger mit Freunden treffe und gefühlt auch weniger Freunde habe. Das bringt mich dazu, über das Thema Freundschaft nachzudenken.

Freundschaft zu mir selbst

 

In dieser Umbruchzeit wird es mir besonders wichtig, mir selbst eine gute Freundin zu werden oder wieder zu sein. Eine Freundschaft zu mir selbst bedeutet, bewusst „Ja“ zu mir zu sagen, mich selbst annehmen zu können, meine Begrenzungen und Schwächen zu kennen und meinen Stärken mehr Raum zu geben. Ich darf neugierig werden, auf Entdeckungsreise gehen und Neues mit meinen bereits erworbenen Erfahrungen kombinieren. Ich darf aber auch lernen, das Älterwerden zu akzeptieren. Die einzige Konstante ist bekanntlich die Veränderung. Wie begegne ich ihr in diesem neuen Lebensabschnitt?

Freundschaft zu meinem Mann 

 

Schon am Anfang unserer Ehe war uns beiden klar: Wenn wir eines Tages Kinder bekommen, werden diese nach einer gewissen Zeit unser Nest verlassen. Genauso klar war und ist es, dass wir beide bleiben werden. Für jedes Paar ist es eine besondere Herausforderung, sich zwischen den Wäschebergen, den beruflichen Weiterbildungen, dem Hausbau, dem Ehrenamt und vielem mehr nicht aus den Augen zu verlieren. Für uns beide war die Wochenendbeziehung, der wir beruflich bedingt fünfeinhalb Jahre ausgesetzt waren, ein zusätzlicher Spagat.

Jetzt, in dieser neuen Lebensphase mit den neuen Freiräumen, stellen wir uns bewusst diese Fragen: Was wollen wir in unserer Beziehung wiederbeleben? Was wollen wir neu entdecken? Welchen Traum (den wir durch die intensive Familienphase auf Eis gelegt haben) wollen wir weiterverfolgen?

Die Anschaffung eines Fahrradanhängers macht es uns möglich, unsere fast vergessene Leidenschaft des gemeinsamen Fahrradfahrens wiederzubeleben und auszuweiten. Mit dem wöchentlichen Terminblocker „unsere Zeit“ halten wir uns bewusst die Zeit füreinander frei. Auch wenn das nicht immer klappt, wissen wir: Wer nicht plant, der wird vom Alltag überrollt und verplant. Wir beide haben Träume, einer davon ist es, ein Sabbat(halb)jahr im Ausland zu verbringen.

Alte Freundschaften wiederbeleben

 

Beim Gedanken an die alten Freundschaften habe ich bestimmte Gesichter vor Augen. „Wenn dir etwas wichtig ist, gibt es kein ABER“ – dieser Spruch auf einer Karte, die ich bei mir zu Hause entdeckt hatte, brachte mich auf den Gedanken, selbst aktiv zu werden.

Mir ist klar, dass eine Freundschaft kein Selbstläufer ist. Freundschaften sind enorm wichtig und wollen, ja sollten gepflegt werden. Dann kommt das ABER: Wenn die räumliche Distanz nicht wäre … Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesprochen … Wir leben in ganz unterschiedlichen Welten … Es ist schwierig, einen gemeinsamen Termin zu finden … Die könnte sich auch mal melden … Diese Gedanken verhindern häufig das Wiederbeleben alter Freundschaften.

Ich habe mich meinem ABER in den Weg gestellt, indem ich den Kontakt zu der Tochter meiner Freundin aufnahm. Ich erklärte ihr mein Vorhaben, ihre Mutter – meine Freundin – zu überraschen und beauftragte sie, ein paar wichtige Dinge für mich in Erfahrung zu bringen. Bevor ich mir ein paar Tage freinahm, musste ich ganz sicher sein, dass meine Freundin an dem Tag keine weiteren Termine und tatsächlich Zeit hätte. Nachdem ich von der Tochter grünes Licht bekam, reservierte ich auf den Namen meiner Freundin einen Tisch für uns zwei. Meine Vorfreude und die Aufregung wuchsen. Ich würde die Freundin bald wiedersehen, die ich durch den Kindergarten unserer Kinder kennen- und schätzen gelernt hatte. Wir beide sind wie Hanni und Nanni durch dick und dünn gegangen. Ganz zufällig bekamen wir zeitgleich eine Mutter-Kind-Kur genehmigt. Gemeinsam mit unseren sechs Töchtern (wir haben jeweils drei) verbrachten wir eine unvergessliche Zeit in Cuxhaven. Lang ist es her. Ich wollte diese Freundschaft auf jeden Fall wiederbeleben.

Zwei Tage vor unserem gemeinsamen Date erfuhr meine Freundin von ihrer Tochter, dass sie an dem besagten Donnerstag ein Date habe. Sie teilte ihr auch mit, dass der Tisch auf ihren Namen reserviert sei und sie sich auf das Date freuen könne. Nun wuchs die Spannung auch bei meiner Freundin. Sie fragte sich, wen sie dort wohl antreffen würde. Endlich kam der Tag unseres Treffens. Ich war absichtlich etwas früher im Lokal. Meine Freude war groß, auch, weil wir einen tollen Tisch abseits, mit einem Ausblick, bekamen. Nachdem ich mit der Kellnerin gesprochen und ihr von meinem ganz besonderen Date erzählt hatte, war sie gerührt und auch bereit, „mitzumachen“. Ich bat sie, meine Freundin zum Tisch zu führen (währenddessen stand ich in einem „Versteck“, von dem aus ich alles beobachten konnte). Ich bat die Kellnerin außerdem da-rum, meiner Freundin die Speisekarte und auch die Karte mit dem Spruch „Wenn dir etwas wichtig ist, gibt es kein ABER“ zu überreichen. Ich wartete etwas, um die Spannung noch mehr aufzubauen. Dann ging ich zum Tisch …

Mit einer gelungenen Überraschung, einer unbezahlbaren Erinnerung und unendlich dankbar fuhr ich wieder nach Hause. Es war so wie früher gewesen – unbeschreiblich wertvoll und schön. Jetzt bin ich gespannt, wann und wo die Karte, die ich nach unserem Treffen mit dem Datum versehen habe und diese als „Wanderpokal“ meiner Freundin überlassen habe, in meine Hände zurückkommen wird.

Das beste Mittel, alte Freundschaften wiederzubeleben, ist, sich bewusst Zeit zu nehmen. Übe Gastfreundschaft, lade alte Freunde einfach mal wieder zu dir ein. Vielleicht ist auch ein neutraler Ort eine bessere Variante, zum Beispiel ein ganzes Wochenende gemeinsam in einem Ferienhaus. Zusammen kochen, reden, spazieren gehen, spielen, lachen – das wie in früheren Zeiten zu erleben, tut so gut!

Nicht alle Freundschaften, die ich versucht habe wiederzubeleben, ließen es tatsächlich zu. Einige musste ich schweren Herzens loslassen. Die Erkenntnis, dass es Freundschaften für eine bestimmte Zeit gibt und diese nicht lebenslang halten müssen, befreite mich von einer falschen Erwartungshaltung. Beziehungen baut man nicht, man sät sie. Diese Tatsache machte mir klar, dass ich in der neuen Lebensphase auch neue Beziehungen säen will.

Neue Freundschaften säen

 

Die erste Frage, die sich beim Säen stellt: Geht da überhaupt etwas auf? Wird da tatsächlich eine Freundschaft entstehen? Wenn ja, was wird da wohl wachsen? Ich möchte keine Freundschaft erzwingen, vielmehr einen Freiraum für die einzigartige Entfaltung geben.

Eine gemeinsame Israelreise ist der Ursprung einer neuen Freundschaft gewesen. Diese flüchtige Urlaubsbekannte war eine der ersten Frauen, die ich als Teilnehmerin beim Body-Spirit-Soul-Kurs, den ich für Frauen anbiete, begrüßen durfte. Nach dem Kurs sprang der Freundschaftsfunke über. Heute sind wir Freundinnen und mit einem großen Herzen für die Arbeit mit Frauen gemeinsam unterwegs.

Wenn wir säen, haben wir keine Garantie, dass etwas aufgehen und wachsen wird. Wir können mit einer einjährigen Blume, einem Begleiter für eine bestimmte Zeit, beschenkt werden. Wir können aber auch mit einem Baum, der Jahr für Jahr Früchte tragen wird, überrascht werden. Bei beidem ist es wichtig, aktiv zu werden, sich auf Menschen einzulassen, zu geben und abzuwarten, ob dies erwidert wird.

Die gemeinsamen Nenner der neu entstehenden Freundschaft werden jetzt sicherlich nicht mehr die Kinder sein. Vielleicht ist es zuerst der gemeinsame Kaffee, das gemeinsame Wandern, die Leidenschaft fürs Nähen oder eine Weiterbildung. Für den Beginn einer neuen Freundschaft können es ganz unterschiedliche gemeinsame Nenner sein. Hüte nicht nur die Schätze der Vergangenheit: Werde aktiv, öffne dich, öffne dein Haus für neue Freundschaften.

Irina Ort lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von Heidelberg. Sie arbeitet als Lebensberaterin, DISG-Trainerin und Lebe-leichter-Coach in ihrer eigenen Praxis. www.einblick-schafft-durchblick.de

Ein leeres Nest – Und nun?

Ja, es tut weh, wenn die Kinder ihr Zuhause verlassen und in die Welt hinausziehen. Wie Eltern gut mit diesem Schmerz umgehen können, beschreibt Sylvia Sobel.

In dem Augenblick, in dem wir uns entscheiden, ein Kind zu bekommen oder es in unserem Leben willkommen zu heißen, wählen wir häufig unbewusst ein Credo oder Motto: zum Beispiel das Sprichwort „Aller Anfang ist schwer“ oder das Hesse-Zitat: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Wir haben die Wahl, welche Weisheit wir uns zu eigen machen wollen. Welche Erkenntnis soll unser Credo, unser Wegweiser werden? Beim ersten Kind wissen wenige von uns wirklich, was auf sie zukommt. Wir haben Hoffnungen, Wünsche, Vorstellungen und vor allem: Träume! Diese Träume geben uns viel Kraft.

Trauer zulassen

Der Auszug von Kindern aus der elterlichen Wohnung ist für viele Eltern ein kritischer Moment im Leben, der – obwohl erwartet – häufig plötzlich eintritt. Robert Bor von der Uni London hat das „Leere-Nest-Syndrom“ folgendermaßen beschrieben: „Abgesehen von Geburt und Tod ist der Auszug eines Kindes die weitreichendste Veränderung, die eine Familie treffen kann. Dies sollte als besonders stressbeladene Phase anerkannt werden.“ Bor stellt ferner fest: „Was nötig ist, ist eine größere Offenheit bezüglich des ‚Leeren-Nest-Syndroms’, eine breitere Anerkennung seiner Existenz und der Schmerzen und Einsamkeit, die es verursachen kann.“ Der Auszug der Kinder bedeutet das Ende eines Lebensabschnitts. Ein wichtiger Lebensinhalt fällt weg, und Eltern erleben das Gefühl, verlassen zu werden.

Als unsere beiden Söhne drei Jahre nach ihrer großen Schwester das Nest verlassen haben, geschah dies in einem Abstand von vier Wochen, also fast gleichzeitig. Während dieser Zeit waren wir Eltern so sehr mit den Vorbereitungen und der Durchführung der beiden Umzüge beschäftigt, dass wir Gefühle der Trauer oder gar des Verlustes zunächst gar nicht wahrnahmen. Wir packten und ordneten, sortierten und diskutierten zwei Monate ohne Unterlass. Diese Aktivitäten hielten uns auf Trab und lenkten uns ab.

An dem Tag, als der jüngste Sohn auszog, um das Leben zu ergründen, empfand ich als Mutter eine tiefe Trauer und Leere, das Gefühl eines tiefgreifenden Verlustes. Diese Empfindung hielt eine Zeitlang an und kehrt selbst noch Jahre später ab und zu wieder zurück. Dann allerdings nur flüchtig und weniger intensiv. Meine Erfahrung ist aber, dass es auf längere Sicht hilfreich, ja sogar notwendig ist, Gefühle der Trauer und des Verlustes zuzulassen und zu ertragen! Anderenfalls flüchten Eltern sich in Verdrängungsmechanismen, die weder uns noch unserer Umgebung helfen, mit der Situation umzugehen und sie in den Griff zu bekommen.

Gezittert und gefeiert

Es ist doch eigentlich logisch: Eine lange und wichtige Phase unseres Lebens haben wir damit verbracht, unseren Kindern beim Aufwachsen und Erwachsenwerden zur Seite zu stehen und sie zu begleiten, wenn nötig sogar mit Rat und Tat. Wir haben uns bemüht, ihnen den richtigen Weg zu weisen, und sie auf ihrem steinigen Weg durch den Schuldschungel begleitet. Wie glücklich und befreit waren wir, als sie endlich – trotz Schule – einen qualifizierten Abschluss errungen haben. Ich sage ganz bewusst: Meine Söhne haben das Abitur abgelegt – trotz Schule! Unvergessen unzählige Elternabende und Anrufe der Lehrer, wenn wieder einmal Mitteilungsheft, Hausaufgaben, Turnbeutel etc. vergessen wurden. Bis kurz vor der Abiturprüfung wurde häufig gemeinsam diskutiert, gelernt, gezittert – und dann endlich gefeiert!

Aber spätestens nach dem Abitur oder einem anderweitigen Schul- oder Ausbildungsabschluss werden die Flügel ausgespannt, und der Radius unserer Sprösslinge erweitert sich schlagartig. Unsere Söhne zog es in die „weite Welt“ hinaus: nach Indien und nach Afrika, wo beide in sozialen Projekten tätig waren. Dies war im Grunde eine gute Hinführung auf das, was danach kam: der endgültige Auszug aus dem Elternhaus. Zunächst aber verblieben noch zahlreiche ihrer Besitztümer zu Hause, es handelte sich um einen Abschied auf Zeit.

Unser jüngster Sohn wurde selbst in Westafrika von mir, seiner Mutter, „heimgesucht“, natürlich nach Absprache und mit seinem vollsten Einverständnis. Dieser Besuch hat unserer Beziehung nicht geschadet, im Gegenteil. Ich durfte ihn dort als fürsorglichen und kompetenten Reiseführer und als voll integriert in seinen Aufgabenbereich erleben! Dies ist ein Beispiel dafür, dass die Eltern-Kind-Beziehung auch nach dem Auszug andauern kann, aber auch gepflegt werden sollte, in dem Bewusstsein, dass wir nun ein erwachsenes „Kind“ vor uns haben! Dieses „Kind“ will respektiert, aber keineswegs reglementiert oder eingeengt werden.

Geborgenheit vermitteln

Ich habe nach dem Auszug des dritten Kindes begonnen, regelmäßig und intensiv für alle drei Kinder zu beten. Ich vertraue sie dem Schutz und der liebenden Allmacht Gottes an, versäume aber dennoch nicht, ab und an einige „lebensnotwendige“ Hinweise mit auf den Weg zu geben: Fahr vorsichtig, benutze Sonnenschutz, genieße dein Bier oder Wein in Maßen … Vor besonderen Anlässen beten wir mit ihnen und für sie. Wir segnen sie mit dem Zeichen des Kreuzes, wenn sie heimkommen. Dies ist unsere Art und Weise, ihnen auch in der Ferne Geborgenheit zu vermitteln.

Experten sagen, dass ein geordneter Abschied auch bedeutet, dass wir unsere Sache gut gemacht haben. Wir bereiten die Kinder schließlich kontinuierlich auf den Auszug aus dem elterlichen Nest vor, versuchen, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen und aus ihnen gerade und selbstbewusste Menschen zu machen. Am Ende dieser Bemühungen schließlich verlassen sie dann Haus und Eltern, um ihre eigenen Wege zu suchen und zu beschreiten. Viele Eltern beklagen, dass gerade in dem Moment, wo die mitunter stressigen Phasen der Pubertät abnehmen und wir unseren Kindern auf Augenhöhe begegnen könnten, sie ihre eigenen Wege einschlagen.

Hier stellt sich die Frage: Haben wir unsere Kinder mit viel Liebe und Fürsorge großgezogen, damit sie unser Leben auf Dauer bereichern und erleichtern? Die Antwort muss hier leider „Nein“ lauten! Das Fortgehen der Kinder gehört zum normalen Kreislauf des Lebens.

Schuldgefühle loslassen

„Das größte Geschenk, das wir unseren Kindern mitgeben können, ist Unabhängigkeit, emotionale Stärke und Freiheit von Schuldgefühlen“, schreibt Shelley Bovey in ihrem Buch „Und plötzlich sind sie flügge“. Diese Freiheit von Schuldgefühlen gilt ebenso für Mütter und Väter. Viele Eltern berichten von Schuldgefühlen, die sie vor allem in der Rückschau quälen. Vor allem Mütter leiden darunter, aber die Tatsache, dass sie ihr Bestes gegeben haben, ist eigentlich schon beachtlich und oftmals auch genug. Shelley Bovey schreibt: „Es ist wichtig, dass wir nicht an einer Stelle festhaken, wo wir die Vergangenheit nicht loslassen können, weil wir überzeugt sind, wir hätten es damals besser machen können.“

Lassen Sie Ihre Gefühle zu, erzwingen Sie nichts, trauern Sie und reden Sie! Auch die Resilienzforschung kann helfen: Diese Wissenschaft beschäftigt sich mit der menschlichen Fähigkeit, auch in schwierigen Lebensphasen Kraft und Zuversicht zu entwickeln. Resiliente Menschen können Krisensituationen besser durchstehen und gestärkt daraus hervorgehen. Die Resilienzforschung hat herausgefunden, was helfen kann:

  • Optimismus bzw. eine positive Einstellung Problemen gegenüber
  • Akzeptanz: gegebene Lebensumstände zunächst annehmen
  • Lösungsorientierung: nicht bei den Hindernissen stehenbleiben
  • Ablegen der Opferrolle
  • Übernehmen von Verantwortung: Dinge in die Hand nehmen – Probleme anpacken
  • Aufbau von Netzwerken, Gleichgesinnte suchen
  • Zukunftsplanung: vorwärts denken

Diese Einstellungen zum Leben können Menschen einüben. Die Erkenntnis, dass auch aus einer Krise etwas Gutes entstehen kann, ist dabei grundlegend für die Entwicklung einer resilienten Lebenshaltung. Jeder von uns kennt diese Situationen oder Phasen im Leben, wo etwas zerbricht und wir beinahe selbst daran scheitern. Reinhard Mey, selbst Vater dreier erwachsener Kinder, singt an einer Stelle: „Und ich mach mit Liebe alles falsch, so gut ich kann.“ Und für die Zeit nach dem Fortgehen der Kinder sei noch ein Ausspruch Karl Lagerfelds zitiert: „Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt.“ Mögen wir sie bewusst und intensiv nutzen, für uns und ab und an auch für unsere erwachsenen Kinder.

Sylvia Sobel lebt in Berlin und arbeitet als Lehrerin, Autorin und Schulmediatorin. Sie ist Mutter von drei erwachsenen Kindern und verheiratet mit Alfred Sobel, mit dem sie das Buch „Stärke fürs Leben entwickeln: So meistern Sie den Alltag mit einem behinderten Kind“ (Neufeld Verlag) geschrieben hat.

War’s das schon?

In der Midlife-Krise drängen wichtige Lebensthemen an die Oberfläche. Was hilft Paaren, damit klarzukommen? Wie kommen sie gut durch die Krise? Von Michael Hübner

Wolf Biermann beschrieb die Midlife-Krise schon 1977 in dem Lied „Das kann doch nicht alles gewesen sein“. War’s das wirklich schon?, fragt sich der Dichter. „Das bisschen Sonntag und Kinderschreien“? „Die Überstunden, das bisschen Kies, und abends in der Glotze das Paradies“? Müsste nicht eigentlich noch etwas Entscheidendes kommen oder wurde es bereits verpasst?

Midlife-Krise ist nachgewiesen

Zuerst wurde die Midlife-Krise belächelt. Mittlerweile ist sie allerdings wissenschaftlich belegt. Sie ist weder eine Krankheit noch Einbildung. Weder ist man „unmöglich“, noch kann man sich „einfach zusammenreißen“. Sie kann jeden in der sogenannten Lebensmitte treffen, also zwischen 45 und 55. Manche beziffern ihren möglichen Beginn sogar schon auf Mitte 30. Den einen treffen die typischen Gedanken dieser Krise wie ein plötzlicher Schock. Andere beschleicht langsam ein nagender Zwiespalt: Weiter so? Oder: Soll das schon alles gewesen sein?

Schlafstörungen, sexuelle Unlust, …

Weil wichtige Lebensfragen jahrelang verdrängt wurden, können sie mit Macht dann plötzlich und unerwartet aufbrechen. Sowohl Männer als auch Frauen sind betroffen und die Krise läuft bei Paaren eben nicht synchron. Hormone auch im männlichen Körper flachen langsam ab. Das kann sexuelle Unlust und Erektionsstörungen zur Folge haben. Aber unsere Hormone beeinflussen eben auch unser Fühlen, Streben und Verhalten. Männer und Frauen sind plötzlich sehr reizbar, leiden unter Schlafstörungen, fühlen sich abgeschlagen und müde.

Torschlusspanik macht sich breit

Manche Ehepartner stürzen sich in dramatische Abenteuer, getrieben von Minderwertigkeitsgefühlen. Torschlusspanik macht sich breit. Man will noch einmal alles haben und erleben, worauf man bisher verzichten musste: das heiß ersehnte Cabrio, die große Reise, sexuelle Abenteuer. Plötzlich zieht ein Familienvater in das Haus seiner Nachbarin, eine Frau verliebt sich in den Gruppenleiter oder in den Chef …

Leben aneinander vorbei

Wieder andere wechseln überstürzt den Job, wollen im Ausland das große Geld machen oder bestellen einen Termin beim Schönheitschirurgen. Und das Erschreckende: Dies alles geschieht nicht selten am Partner vorbei. „Ich habe plötzlich einen ganz anderen Menschen vor mir!“, sagen mir Eheleute in der Beratung. „Er spricht anders“, „Sie kleidet sich anders, macht alles anders“. Unerkannt bleibt, dass beide schon lange aneinander vorbei lebten. Sein Einfluss auf das Verhalten des anderen ist jetzt gleich Null. Der andere scheint nicht mehr erreichbar. Deutlich wird: Auf der Suche nach Erfüllung soll alles kompromisslos und schnell gehen.

Wie kommt es, dass es manchen Ehen gelingt, sich durch die Stürme der Midlife-Krise hindurch in ruhigere Gewässer zu retten, während andere daran zerbrechen? Fünf entscheidende Eckpunkte sollen dazu genannt werden. Ich möchte sie an dieser Stelle als lange hilfreiche Erfahrung aus der Eheberatung weitergeben:

1. Machen Sie sich die biologischen Zusammenhänge bewusst.

Die Midlife-Krise hat zunächst mit unseren körperlichen Abläufen zu tun. Panik um die zerrinnende Zeit, das tiefe Bewusstsein um die Unumkehrbarkeit der Vergangenheit fordert uns jetzt, die Verantwortung für diese Lebensphase, diese Krise zu übernehmen und die eigene Einstellung, nicht die des anderen, zu überdenken.

2. Vermeiden Sie Machtkämpfe!

Nichts führt so sehr in die Sackgasse jeder Beziehung wie Machtkämpfe. Woran sind Machtkämpfe zu erkennen? Es geht bei ihnen um Sieger oder Verlierer, richtig oder falsch, besser oder schlechter, oben oder unten. Das Denken kreist dabei darum, den anderen von der eigenen Richtigkeit und dessen Unrichtigkeit zu überzeugen. Man will ihn auf diesem Weg um jeden Preis verändern. Diese Haltung führt meist ins Gegeneinander, nicht ins Miteinander. Es entsteht ein „Ehekrieg“. Aus ihm auszusteigen, heißt, zu deeskalieren, „den Anker zu werfen“, dem anderen mitunter, wo es irgend geht, mit Nachdruck auch recht zu geben. Vor allem aber geht, es darum, dass jeder von sich selbst redet, von seinen eigenen Überzeugungen, seinem Empfinden und Erleben, seinen Gefühlen und seinen Wünschen, ohne sich über den anderen zu stellen oder ihn verändern zu wollen.

Erst nur Mauern

An dieser Stelle ein Blick in unsere Ehe: 2010 erzählte mir meine Frau von einer Idee. Sie würde gerne mit mir zusammen ein Sabbatical nehmen und ins Ausland gehen. Wenn ich nicht mitwollte, würde sie auch allein gehen. Fassungslos sah ich zunächst nur Unmöglichkeiten: Wie sollten wir das ohne schwere finanzielle Verluste meistern? Das Haus musste weiter abgezahlt, die Rente eingezahlt, der Arbeitgeber überzeugt, die Arbeit verteilt, den Mitarbeitern diese Planung klargemacht werden. Nein, nein, nein.

Plötzlich Möglichkeiten

So etwa ging es mir, bis ich über die Sache betete. Langsam gelang es mir, nicht mehr zu „mauern“. Lagen darin nicht auch Chancen? Jetzt konnte ich ihr Fragen stellen: „Warum möchtest du das gerne machen? Wie hast du dir das genau vorgestellt? Was bedeutet das für uns beide? Wie können wir das zusammen gestalten?“ Und schließlich, Stück für Stück, öffnete Gott, fast wundersam, alle Wege in diesem Gestrüpp der Undenkbarkeiten. Möglichkeiten in Kenia eröffneten sich. Rückblickend entstand gerade daraus für viele ein großer Segen bis heute, zum Beispiel unsere Hilfsorganisation „TS-Care“ für notleidende Familien in den Slums von Nairobi, und unser gerade erschienenes Ehebuch („Der Kick für die Partnerschaft“).

3. Wer jetzt überlegt handelt, wird es später nicht bereuen.

Wie immer kommt es nicht auf die Tatsachen an, die wir erleben, sondern darauf, wie wir mit diesen Tatsachen verantwortlich umgehen (nach Epiktet, Handbüchlein der Moral, S. 11). Paare können sich jetzt durch Worte, Verhalten, Rückzug oder Trennungsgedanken gegenseitig zutiefst verletzen. Eine „Aufbruchsstimmung“ muss allerdings nicht zur Katastrophe werden. Wir können diese Zeit als Herausforderung erleben. Wir können neue Wege einschlagen. Sie „kann als zweiter Frühling empfunden werden, als willkommener Neustart, als Drücken des ‚Reset‘-Knopfs für das eigene Leben“, so Redakteurin Kristina Kreisel bei FOCUS Online. Durch solche Krisen können Paarbeziehungen eben auch ganz neu reifen.

Jetzt geht es darum, beim anderen um eine gemeinsame Horizonterweiterung, um Veränderungen im Kleinen zu werben. Manche Paare suchen ein neues verbindendes Hobby oder machen gemeinsam Sport, gehen miteinander tanzen oder planen interessante Reisen.

Über sexuelle Vorstellungen reden

Ungesunde Umstände und Angewohnheiten können und sollten jetzt geändert werden. Vielleicht geht es auch darum, sexuelle Vorstellungen zu besprechen und in der Ehe auszuleben. Beginnen Sie die gemeinsamen Umgestaltungen im Kleinen und durchbrechen Sie eingefahrene Routinen wieder mit mehr Abenteuerlust. Reden Sie zusammen darüber, wie Ihr Leben aussehen könnte, wenn die nächste Lebensphase in 5, 10 oder 20 Jahren beginnt.

Auch gute Beziehungen und Freundschaften sind für jedes Paar elementar. Ein Paar, das sich nicht isoliert, sondern gut eingebettet weiß in eine Gemeinschaft, lebt gesund. Ich habe es oft erlebt, dass Paare es geschafft haben, gerade durch solch eine Krise zu einer gesunden, guten Änderung und Erneuerung ihrer Beziehung zu kommen.

4. Liebe ist eine Entscheidung!

Kämpfen Sie immer um das gemeinsame Wir! Mag sein, dass auch in Ihrer Ehe die „Schmetterlinge im Bauch“, Verliebtheitsgefühle und Romantik auf der Strecke geblieben sind. Auf Grundlage einer immer wieder neuen Entscheidung füreinander können Sie dennoch immer wieder entstehen.

5. Die beste Prophylaxe: Rituale

Wenn Sie längst vor der Krise hohen Wert auf Beziehungsriten gelegt haben, werden Sie langfristig positive Folgen ernten. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für eine gemeinsame Tasse Kaffee. Auch der feste Termin für ein wöchentliches, etwa halbstündiges Ehe-Meeting unter dem Vorzeichen: „Wir wollen unser Projekt Ehe miteinander zum Ziel führen“, ist vielen gestressten Paaren zur Hilfe geworden. Impulse für solche Gespräche haben wir in unserem Buch zusammengestellt. Planen Sie ein jährliches Wochenende zu zweit, den Besuch eines Eheseminars oder -vortrags und natürlich regelmäßige gegenseitige Überraschungen und Freuden.

Und: Gehen Sie immer den ersten Schritt auf den anderen zu! Zeigen Sie einander Ihre Liebe im Alltag und strahlen Sie den anderen öfter mal wieder an, wenn er den Raum betritt.

Dr. (UNISA) Michael Hübner ist verheiratet mit Utina. Die beiden haben fünf erwachsene Kinder. Er ist Leiter der Beratungsstelle Therapeutische Seelsorge, Neuendettelsau.

„Ich liebe einen schwierigen Menschen“

Manche Menschen zerstören durch ihr Verhalten auf Dauer jede nahe Beziehung. Kann man mit ihnen zusammenleben? Von Jörg Berger

Manchmal wird es in einem einzigen Augenblick ganz deutlich: „Was mein Partner tut und sagt, ist nicht normal.“ In diesem Moment bricht ein Damm aus Beschönigungen und Entschuldigungen. Eine Flut schmerzlicher Einsichten spült alte Gewissheiten fort. Die Erkenntnis verändert die gesamte Sicht, und das Leben steht unter Wasser. Dem eigenen Umfeld kann man kaum erklären, was da passiert. Schließlich sind Freunde und Verwandte auch davon ausgegangen, dass alles weitgehend in Ordnung ist. Oder haben sie bereits alles geahnt und nur aus Taktgefühl geschwiegen?

Was bitte ist normal?

Doch wie soll man mit Sicherheit sagen können: „Mein Partner ist schwierig.“ Haben nicht beide ihren Anteil? In etwa 90 Prozent aller Paarbeziehungen ist es auch eine gute Regel, dass sich jeder am besten an die eigene Nase fassen sollte. Doch in etwa zehn Prozent der übrigen Paarbeziehungen führt das nicht weiter. Die Lebensweisheit, dass immer beide schuld sind, verdeckt dann eine schmerzliche Wahrheit, denn es gibt Menschen, die sich in nahen Beziehungen so verhalten, dass mit ihnen ein Zusammenleben konfliktreich und frustrierend ist. Es gibt extreme Verhaltensmuster, die in einer Paarbeziehung schwer erträglich sind. Folgende kommen am häufigsten vor:

Dominanz und Kontrolle. Ein Partner versucht, das gemeinsame Leben weitgehend allein zu bestimmen. Er verwickelt den anderen in zähe Machtkämpfe, wenn dieser mitbestimmen will. Es kommt häufig zu Grenzüberschreitungen: zum Versuch, das zu beeinflussen, was eindeutig in der Entscheidungsfreiheit des anderen liegt. Auch übermäßige Kritik kann ein Mittel von Kontrolle sein.

Verschlossenheit. Ein Partner zieht sich bei Konflikten zurück und verweigert sich emotionaler oder sexueller Nähe. Vielem, was andere Paare gemeinsam tun, entzieht sich der verschlossene Partner ebenfalls.

Verantwortungsflucht. Ein Partner vernachlässigt den Einsatz für das Familieneinkommen, den Haushalt oder die Kindererziehung in schwerwiegender Weise. Er kümmert sich kaum um die eigene Entwicklung und auch nicht um die Paarbeziehung.

Aggression. Ein Partner kann seine Aggression nicht zurückhalten, die sich in lautem Streit, Beleidigungen, Abwertungen, Drohungen, Gewalt oder Racheakten entfesselt.

Sucht. Sie ist ein Sonderfall schwierigen Verhaltens. Ein Suchtmittel wie Alkohol wird zunehmend zum Mittelpunkt des Lebens, und für Partnerschaft und Familie fallen nur noch Reste ab. Hier ist es die Macht der Sucht, die einen Partner schwierig macht, der, abgesehen davon, ein umgänglicher Mensch sein kann.

Ein sicheres Unterscheidungskriterium findet sich außerhalb der Paarbeziehung. Ein schwieriger Partner hat entweder keine nahen Beziehungen außerhalb der Partnerschaft oder es treten ähnliche Probleme wie in der Paarbeziehung auf, sobald Beziehungen näher und verbindlicher werden. Wenn Sie solche Differenzen im Umfeld Ihres Partners feststellen, dann ist die Diagnose eindeutig: „Nicht ich bin schwierig, sondern ich liebe einen schwierigen Menschen.“

Was kann ich tun, damit sich mein Partner ändert?

Partner von schwierigen Menschen suchen meist erst nach leidvollen Jahren eine Seelsorge, Beratung oder Psychotherapie auf. Oft stellen sie eine Frage, auf die es nur eine ernüchternde Antwort gibt. Sie fragen: „Was kann ich tun, damit sich meine Frau/mein Mann anders verhält?“ – „Nichts“, müssen Fachleute dann ehrlich sagen. „Ändern kann sich nur jeder selbst.“ Schwierige Partner sind nicht bereit, in eine Paarberatung oder -therapie zu gehen. Wenn sie dies tun und ernsthaft mitarbeiten, dann stimmt die Einschätzung „schwierig“ nicht, denn dass sie sich nicht korrigieren lassen, ist ein charakteristisches Merkmal schwieriger Menschen. Wenn sich schwierige Partner unverhofft doch selbst in Beratung oder Therapie begeben, ist das eine Chance. Ich kenne jedoch auch Fälle, in denen schwierige Menschen ihre Probleme und Lebenssituation in der Therapie verschleiert haben. Gestärkt von der persönlichen Begleitung leben sie dann ihre unguten Muster umso selbstbewusster aus: „Ich habe gelernt, mich abzugrenzen.“ – „Ich muss auch einmal für mich selbst sorgen.“

Im Zusammenleben mit einem schwierigen Menschen müssen sich betroffene Partner ihrer Ohnmacht stellen: „Selbst wenn ich mich auf der Stelle in eine Heilige/einen Heiligen verwandle, wird das am schwierigen Verhalten meines Partners nichts ändern.“ Als Ausweg öffnen sich drei Wege: eine Trennung als letzte Konsequenz ins Spiel bringen, ein Gleichgewicht aus Unabhängigkeit und Einsatz finden oder die Selbstaufopferung in der Bindung an Gott.

Der erste Weg: Die Trennung als letzte Konsequenz

Für diesen Weg entscheiden sich heute viele, die jahrelang unter einem schwierigen Ehepartner gelitten haben. Sie gehen ihn allerdings zu spät, dann nämlich, wenn sie mit der Beziehung bereits abgeschlossen haben. Es gibt schwierige Menschen, die tatsächlich den Weg der Veränderung suchen, wenn eine Trennung droht. Etliche habe ich in dieser Situation schon begleitet. Aber ihr ernsthaftes Bemühen und ihre Fortschritte nützen manchmal nichts mehr. Sie klopfen wieder beim Partner an. Aber die Tür bleibt verschlossen.

Wenn man dem Partner mit Trennung droht, dann sollte man das früh genug tun, zum Beispiel mit einer Haltung wie dieser: „Ich bin nicht mehr bereit, deine Verschlossenheit zu ertragen. Unser gemeinsames Leben kann man schon längst nicht mehr Ehe nennen. Wenn sich im nächsten halben Jahr nichts ändert, werde ich mich trennen. Zunächst in der Hoffnung auf Änderung, wenn nötig, auch endgültig.“

Ich habe Ethikpapiere unterschiedlicher Kirchen zu diesem Thema studiert. Keines sieht die Ehe als einen Freibrief für einen Partner, sich gehen zu lassen. Keines bindet Menschen in einer bereits gescheiterten Ehe fest. Wenn der veränderungsbereite Partner alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, tragen Kirchengemeinden aller Denominationen einen Weg der Trennung mit. Besonders bei Aggressionsdurchbrüchen, sadistischem Verhalten, schwerer Verantwortungsflucht und Suchtverhalten wird man Mitstreiter finden, die auch helfen, die praktischen Auswirkungen einer Trennung aufzufangen. Vielleicht ist das aber gar nicht nötig, weil dem schwierigen Partner am Ende die Ehe doch wichtiger ist als das Beharren auf seinen Eigenarten, wie auch im folgenden Fall.

Rainer hat sich von der Sexualität zurückgezogen, weil er sich von Leonore kritisiert gefühlt hat. Seit Jahren gibt er kaum noch etwas preis, behält seine Gedanken und Gefühle für sich. Dafür öffnet er sich einer Arbeitskollegin. Rainer gibt sich gar keine Mühe, die Innigkeit mit ihr zu verbergen. Als Leonore nachfragt, räumt er Komplimente, Umarmungen und französische Begrüßungsküsschen ein. „Mir gibt das viel“, sagt Rainer.

Nach einem halben Jahr hat Leonore genug. Sie ist zur Trennung entschlossen, wenn Rainer sich nicht von der Kollegin distanziert. Einige Wochen steht die Zukunft auf der Kippe, dann gibt Rainer nach. Dadurch wird der Alltag auch wieder angenehmer. Leonore und Rainer kommen besser ins Gespräch, die Unternehmungen als Familie machen wieder Freude.

Der zweite Weg: Einsatz bringen und sich unabhängig machen

Es gibt Partner von schwierigen Menschen, die für sich einen zweiten Weg entdeckt haben: Sie investieren in ihre Ehe und grenzen sich gleichzeitig ab, wo es nötig ist. Man kann ihre Ehe in drei verschiedene Bereiche unterteilen: Den ersten Lebensbereich, in dem es trotz allem schön ist, können sie genießen und ausbauen. Dann gibt es einen zweiten Bereich, der nur dann gut läuft, wenn einer einseitig investiert, zum Beispiel einseitig Gelegenheiten zu Nähe sucht und nutzt. Solche Beziehungsbereiche können dann schön und befriedigend sein, wenn man die Einseitigkeit akzeptiert und sich nicht daran aufreibt, dass vom anderen nichts zurückkommt. Drittens gibt es die Beziehungsbereiche, die auch dann nicht schön werden, wenn einer einseitig investiert, weil der andere Partner hier zu stark blockiert. In diesen Bereichen kann man sich unabhängig machen.

Wenn ein Partner zum Beispiel nicht reden will, wird der andere seine Freundschaften vertiefen und dafür auch Zeit einsetzen, die andere mit ihrem Partner verbringen. Das kann man so vertreten: „Eigentlich hätte ich lieber mit dir mehr vertrautes Gespräch. Wenn das aber nicht möglich ist, verbringe ich diese Zeit lieber mit Freunden.“ In einer anderen Situation kann Unabhängigkeit so klingen: „Du drohst mir und beleidigst mich gerade. Wenn du das tust, brauche ich Abstand. Ich werde die Zeit bis zum Wochenende mit den Kindern bei meinen Eltern verbringen.“ Akzeptanz und Loslassen sind hier die Schlüssel, die eine glückliche Ehe ermöglichen, auch wenn im Vergleich zu anderen Ehen vielleicht Wichtiges fehlt.

Leonore steht vor einer weiteren Entscheidung. Wie stellt sie sich zu Rainers sexueller Verweigerung? Eine Paarberatung lehnt er ab, und tiefer gehende Gespräche sind nur alle paar Monate möglich, wenn Rainer einmal sehr gelöst ist. Soll sie noch mal alles aufs Spiel setzen, um ihren Mann hier in Bewegung zu bringen? „Nein“, entscheidet Leonore, „auf keinen Fall, solange die Kinder uns als Eltern brauchen.“ Stattdessen entschließt sie sich zu Unabhängigkeit. Sie öffnet sich gegenüber ihren besten Freundinnen: „In manchem habe ich es sehr gut mit Rainer, aber als Frau muss ich mit unerfüllten Bedürfnissen leben.“ Es tut gut, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Außerdem entschließt sich Leonore zu einer anspruchsvollen Fortbildung. Rainer meckert manchmal, weil sie nun viel außer Haus ist und sich oft zum Lernen zurückzieht. Rainer scheint jedoch zu ahnen, dass sie hier eine Erfüllung sucht, die ihr mit ihm fehlt. Letztlich unterstützt er sie bei ihrer Fortbildung.

Der dritte Weg: Eine selbstaufopfernde Liebe

Wenn ich mit Betroffenen nach Wegen suche, stelle ich auch diesen dritten Weg vor. Es ist ein spiritueller Weg, den zum Beispiel Menschen in der Nachkriegsgeneration gegangen sind. Hier sind mir einige Beispiele bekannt. Betroffene haben in einer schwierigen Ehesituation alle Wünsche losgelassen: nach Sicherheit, nach emotionaler und intimer Erfüllung, nach Wertschätzung und Respekt. Stattdessen haben sie sich entschlossen, ihrem Partner zu dienen und ihn zu lieben, ganz gleich, wie sich dieser verhält. Dies ist keine erotische Liebe mehr, sondern eine Nächstenliebe oder sogar Feindesliebe. Das geht freilich nur, wenn Betroffene ihre Bedürfnisse in eine tiefe Gottesbeziehung einbringen wie es Menschen tun, die im Zölibat leben. (Die Nachkriegsgeneration ist auch die letzte, die in größerer Zahl zu einem zölibatären Leben befähigt war.) Ein solcher Weg entspannt eine schwierige Beziehung oft. Mit den Jahren bessern sich schwierige Partner angesichts einer überraschenden und bedingungslosen Liebe.

Dieses Happy End fand die Beziehungsgeschichte von Marga und Heinz-Dieter. Sie blieben kinderlos und dies auch wegen Margas Alkoholproblem. Nüchtern war Marga über viele Ehejahre kaum zu ertragen. Sie war nervös und selbstbezogen. Die meiste Hausarbeit fiel Heinz-Dieter zu, Marga fehlte im Umgang mit ihm jedes Taktgefühl und jede Bereitschaft, seine Bedürfnisse wahrzunehmen. War es Bequemlichkeit oder sein Wachstum im Glauben, die Heinz-Dieter bei Marga hielten? Es war wohl beides. Mit der Entschlossenheit eines Liebenden verschlang Hans- Dieter geistliche Literatur, besuchte Exerzitien und brachte sich ins kirchliche Leben ein. Er gewann dort die Liebe, Ruhe und Großzügigkeit, die er zuhause verschenkte. Als Marga wegen des Trinkens ihren Job verlor, zwang sie das in eine Therapie. Marga reifte über die Jahre. Weil Hans- Dieter sie nicht verurteilte, konnte sich Marga für die Tatsache öffnen, dass sie ihrem Mann manches schuldig blieb. Sie lernte, fürsorglicher und aufmerksamer zu sein, was ihr je nach Tagesform manchmal besser, manchmal schlechter gelang. Rainer brachte die Entwicklung so auf den Punkt: „Eigentlich führen wir eine recht glückliche Ehe.“

Einen Weg aus Überzeugung gehen

Das Zusammenleben mit einem schwierigen Partner zieht Betroffene in einen Strudel der unterschiedlichsten Gefühle. Daher wechseln sie häufig ihre Strategie: Selbstaufopferung schlägt in eine Trennungsdrohung um, dem folgen Beschönigungen und dem wiederum der Versuch, dem Partner ins Gewissen zu reden. Diese wechselnden Verhaltensweisen heben nicht nur ihre Wirkung gegenseitig auf, sie erzeugen auch eine Verwirrung darüber, wo die Probleme liegen und wie es um die Paarbeziehung steht.

Deshalb sollte man sich nach reiflicher Überlegung für einen Weg entscheiden und diesen konsequent durchhalten. Nur dann helfen die genannten Strategien. Wer in der Beziehung den Halt verliert, muss ihn bei seinen tiefsten Überzeugungen finden. Wem das gelingt, der reift als Persönlichkeit und im Glauben enorm. Wenn ein schwieriger Partner dann doch zu einer Veränderung aufbricht, findet sich ein Glück in ungeahnter Tiefe.

 

Wenn Sie einen schwierigen Menschen lieben …

Es gibt Menschen, deren Charakter das Eheleben fast unerträglich macht. Ihre Partner sollten Folgendes beachten:

  • Suchen Sie die Schuld dafür, dass es nicht gelingt, echte Nähe zu Ihrem Partner herzustellen, nicht bei sich.
  • Schwierige Menschen lassen sich nicht ändern. Auch Sie können das nicht.
  • Investieren Sie in Bereiche, in denen Sie mehr Erfüllung finden als in Ihrer Ehe, zum Beispiel in Freundschaften, in die Karriere oder in Ihr geistliches Leben.
  • Suchen Sie nach einer Strategie, die für Sie funktioniert – drei mögliche Wege werden im Artikel beschrieben – und halten Sie mit großer Überzeugung daran fest. Ein ständiger Strategiewechsel wird Ihre Situation verschlimmern.

Jörg Berger ist Psychotherapeut in eigener Praxis. Er lebt mit seiner Familie in Heidelberg.

Zum Weiterlesen: Jörg Berger: „Stachlige Persönlichkeiten – Wie Sie schwierige Menschen entwaffnen“ Francke Verlag, Marburg.

Dieser Artikel ist erschienen in Family 1/16. Ein neuer Folgeartikel ist zu finden in der Ausgabe 5/20 von Family und FamilyNEXT.

Zur Vertiefung: Unter www.derherzenskompass.de/schwereliebe finden Sie einen Kurs des Autors zum Thema „Ich liebe einen schwierigen Menschen.“

 

Zoff mit der Schwiegertochter

„Ich rassle immer häufiger mit der Frau meines Sohnes aneinander. Unser Verhältnis – auch das zu meinem Sohn – wird dadurch immer schlechter. Ich will, dass wir uns gut verstehen. Wie kann ich dieses Problem angehen?“

Da die gestellte Frage keine Einzelheiten und Beispiele beinhaltet, versuche ich, ein paar Grundsätze aufzuzeigen, die mein Mann und ich uns im Umgang mit unseren Kindern und Schwiegerkindern angeeignet haben.

KEINE BESSERWISSERISCHEN VORSCHLÄGE!

Wir, als Eltern und Schwiegereltern, bemühen uns, uns nicht in die Angelegenheiten der Familien einzumischen. Deutlicher: Als „erste Generation“, die bereits Kinder großgezogen hat, kennen wir auf der einen Seite unsere Defizite, auf der anderen Seite sehen wir, dass wir manches gut und richtig gemacht haben und hoffen, dass unsere erwachsenen Kinder unsere Werte übernehmen. Möglicherweise tun sie das, doch die Schwiegerkinder bringen eine andere Prägung mit, und vielleicht entscheiden und leben sie grundsätzlich anders, als wir es tun würden. Sie setzen persönliche Grenzen, lassen uns nicht mitreden, haben eigene Vorstellungen. Was ist daran verwerflich? Meine Lösung: Ich belasse es dabei und mache auch keine besserwisserischen Vorschläge. Mein Motto: Lernen, die Füße stillzuhalten!

Unsere Söhne haben sich für ihre Frauen entschieden. Manche Mütter empfinden darüber tief im Herzen einen Schmerz: Da ist nun die andere, die ihn doch gar nicht kennt, die vielleicht fordernd und in unseren Augen so gar nicht liebevoll mit unserem Sohn umgeht. Weiß sie überhaupt, was ihm guttut? Was ihm schmeckt? Was ihm gefällt? Warum hackt sie dauernd auf ihm herum? Ich als Mutter sollte lernen anzunehmen, dass ich „raus bin aus der Nummer“. Ich habe für seine Erziehung mein Bestes gegeben. Und nun läuft sein Leben an der Seite einer anderen Frau weiter. Punkt. Akzeptieren sollten wir als Mütter auch, dass unser Sohn zu ihr, seiner Frau halten wird – im Ernstfall gegen uns. So ist es erstrebenswert, eine gute Beziehung zur Schwiegertochter zu pflegen, um auch die Beziehung zu unserem Sohn gesund zu erhalten. Dieser Punkt liegt ganz allein in unserer Verantwortung!

DIE KLÜGERE GIBT NACH!

Hilfreich kann es sein, einmal zu analysieren, welches die schwierigen Themen sind, in denen wir aneinanderrasseln. Vielleicht berühren sie meine eigene Komfortzone, aus der ich nicht heraus möchte. Damit könnte es Momente in der Beziehung geben, in denen ich als die Ältere einfach still sein sollte. So ärgerlich es sich manchmal anfühlt: Der Klügere gibt immer nach! Ich muss nicht alles gutheißen, aber auch nicht alles in Frage stellen, sondern kann der nachwachsenden Generation zutrauen, dass sie ihr Leben regeln kann. Auch ohne mich.

Erst die nötige Zurückhaltung in Bezug auf unsere erwachsenen Kinder und Schwiegerkinder macht ein entspanntes Miteinander möglich – das ist meine/unsere Erfahrung!

Sabine Vetter ist seit 41 Jahren mit Ekkehart verheiratet. Gemeinsam haben sie sechs erwachsene Kinder und 15 Enkelkinder.
Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Überwiegend Ehepaare

Die meisten Familien in Deutschland bestehen aus Ehepaaren mit einem oder mehreren Kindern. Das hat der Mikrozensus ergeben, die größte jährliche Haushaltsbefragung in Deutschland und Europa. 2013 waren danach 70 Prozent der insgesamt knapp 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind Ehepaare. 10 Prozent der Familien bestanden aus nichtehelichen oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Der Anteil der Alleinerziehenden betrug 20 Prozent. Zwar ist demnach die Lebensform Ehe dominierend, ihr Anteil sinkt allerdings. 1996 lag er noch bei 81 Prozent.

Quelle: destatis.de