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3 Familien erzählen: So ist das Leben mit Austauschschüler

Elternfrage: „Da unsere älteste Tochter ausgezogen ist, haben wir nun Platz im Haus. Wir überlegen, einen Austauschschüler aus dem Ausland aufzunehmen. Welche Erfahrungen haben andere Familien damit gemacht?“

Kein „Wunschkind“ erwarten

Nachdem ich mit 17 Jahren von einem Austauschjahr zurückkam, nahm meine Familie zwei Jahre hintereinander jeweils eine Austauschschülerin auf. Für mich als Einzelkind war es eine neue und manchmal auch herausfordernde Erfahrung, plötzlich eine „Schwester“ zu haben. Als Gastfamilie muss man sich darüber im Klaren sein, dass da ein Jugendlicher mit einem eigenen Charakter aus einer anderen „Familienkultur“ kommt, kein perfektes „Wunschkind“. Aber wenn beide Seiten offen sind, Verständnis füreinander haben und miteinander klar kommunizieren, wächst sehr oft eine herzliche Beziehung zwischen Gastfamilie und Austauschschüler.

Unsere finnische Gastschülerin war eher ruhig, sprach nach wenigen Monaten aber perfekt Deutsch, schloss in der Schule gute Freundschaften und stand mir sehr schnell nahe. Die zweite Austauschschülerin kam aus der Türkei. Sie war sehr offen, wollte viel erleben und hatte eine innige Beziehung mit meinen Eltern – die sie Mama und Papa nannte. Auch für meine Eltern war es eine lebensverändernde Erfahrung und ein wertvoller Blick über den eigenen Tellerrand. Noch heute, mehr als zehn Jahre später, sind wir mit beiden eng verbunden und haben uns jeweils wiedergesehen. Beide Erfahrungen haben unsere Familie unglaublich bereichert!

Annika Ramsaier wohnt in Augsburg und war als Schülerin selbst für ein Jahr zu Gast bei einer italienischen Familie.

Nicht nur ein Schlafplatz

Meine Eltern waren immer gastfreundlich und wir hatten mehrmals Austauschschüler und -schülerinnen. Diese Erfahrung wollte ich auch mit meinen Kindern teilen. Über die Organisation AFS haben wir für 11 Monate einen japanischen Gastschüler (17) aufgenommen. Unsere Söhne (zu dem Zeitpunkt 10, 12 und 15) und er haben sich gut verstanden. Die Verständigung mit ihm war allerdings manchmal schwierig und führte auch mal zu Missverständnissen, da er anfangs kein Deutsch konnte und auch Englisch nicht immer klappte. Kurz darauf haben wir relativ spontan einen Schüler aus Johannesburg, Südafrika, aufgenommen. Er war genauso alt wie unser ältester Sohn, konnte richtig gut Deutsch sprechen und war sehr interessiert an allem. Die vier Wochen mit ihm sind wie im Flug vergangen, und wir werden ihn bestimmt wiedersehen.

Unsere aktuelle Erfahrung mit einem slowakischen Austauschschüler ist jedoch nicht so schön. Es ließ sich schon vom Steckbrief her vermuten, dass wir nicht viel gemeinsam haben. Leider ist es so, dass der Schüler wenig bis gar nicht an unserem Familien­leben (an Gesprächen, gemeinsamen Mahlzeiten …) teilnehmen möchte. Darüber sind wir enttäuscht. Bei einer Gastfamilie zu sein, sollte mehr bedeuten, als einen Platz zum ­Schlafen und einen Wäscheservice zu haben – zum Glück durften wir das bei den beiden anderen Gastschülern erleben.

Sabine T. wohnt in Bochum und ist Mutter von drei Söhnen.

Das Haus mit Leben füllen

Unsere 15-jährige Tochter ging im letzten Jahr für ein Highschool-Jahr in die USA. Meine jüngere Tochter und ich spürten die Lücke schmerzhaft. In mir reifte die Idee, eine Gastschülerin aufzunehmen. Ich überlegte lange. Was, wenn wir mit der Schülerin nicht klarkamen? Diese und andere Fragen konnte ich nur beantworten, indem ich das Risiko einging. Einige Monate später stand eine 16-jährige Schülerin aus Australien vor unserer Haustür. Jede von uns bemühte sich um eine gelingende Eingewöhnungsphase. Wir hatten eine lokale Betreuerin als Ansprechpartnerin für Fragen und Notfälle. Die Schule empfing sie mit offenen Armen, und obwohl das Mädchen vor Nervosität fast das Atmen vergaß, dauerte es keinen halben Tag und sie hatte die ersten Freundschaften geknüpft.

Mit manchen Dingen fremdelten wir und sie. So musste sie sich erst an unsere vegetarische Küche gewöhnen und dass Handys am Tisch tabu waren. Aber mit einem guten Maß Toleranz auf beiden Seiten ruckelten sich die Unterschiedlichkeiten schnell zurecht. Meine Tochter und das Mädchen aus Australien wuchsen in diesen drei Monaten über sich hinaus: im Sprachlichen und in der persönlichen Entwicklung. Aber das Schönste: Die beiden fanden zusammen, sodass das Haus bald wieder mit Lachen und Toben, Dis­kussionen und Geplapper gefüllt war.

Veronika Smoor ist Autorin und lebt in der Nähe von Heilbronn.

Stützen und loslassen: Was große Kinder von den Eltern brauchen

Jugendliche müssen ihren eigenen Weg finden. Der Pädagoge Axel Hudak erklärt, welche Unterstützung sie dabei von den Eltern brauchen und was Mutmachen mit Loslassen zu tun hat.

Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr.“ Diese abgewandelte Version des bekannten Zitats von Wilhelm Busch (der nur die Väter im Blick hatte) würden viele Eltern von Jugendlichen wohl seufzend unterschreiben. Wobei die Herausforderungen, die sich mit dem Familienzuwachs einstellen, ja nicht erst in der Pubertät beginnen. Erfahrene Eltern wissen: Die Sorgen um das Kind beginnen mit dem ersten Atemzug, manchmal – „dank“ moderner medizinischer Diagnostik – sogar bereits im Mutterleib.

So ging es uns im Sommer 2003, als die Gynäkologin meiner Frau und mir bei einem turnusmäßigen Ultraschall erklärte, dass die Nieren unseres Sohnes eine ungewöhnliche Fehlbildung aufwiesen. Ihr gut gemeinter, aber etwas lapidarer Satz: „Das müssen Sie nach der Geburt dann mal anschauen lassen“, klingt mir jetzt noch in den Ohren. Dieses Nachschauen wuchs sich zu einem jahrelangen Klinikmarathon aus, der bis heute andauert. Verständlich, dass man ein solches Kind in Watte packt und es beschützt und behütet, oder nicht?

Löweneltern ja, Helikoptereltern nein

Wir haben uns damals bewusst anders entschieden. Als Eltern mit medizinischer Erfahrung (Krankenschwester und Krankenpfleger, später dann Pflegepädagoge) waren und sind wir heute noch oft Löweneltern, wenn es in der Klinik darum geht, gemeinsam mit den behandelnden Ärzten Entscheidungen zu treffen. Löweneltern meint, dass wir zur Not auch einem Konflikt nicht aus dem Weg gehen, wenn es für das Wohl unseres Sohnes nötig ist. Und doch war uns gleichzeitig klar: Wir wollen ihm ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Und das geht nur, wenn wir nicht zu Helikoptereltern werden, sondern ihn von klein auf loslassen und ihn seine eigenen Erfahrungen machen lassen: die freudigen genauso wie die schmerzlichen.

Damit er und auch seine nachfolgenden beiden Geschwister ihre eigenen Wege finden und gestalten konnten, war uns von Anfang an klar: Wir möchten, dass unsere Kinder mündige und mutige Menschen werden, die in der Lage sind, Situationen zu überblicken, Beweggründe zu hinterfragen und fundiert eigene Standpunkte zu beziehen. Dafür brauchen sie unsere Ermutigung. Mittlerweile sind unsere beiden Großen siebzehn und neunzehn Jahre alt, und sie stehen vor neuen Herausforderungen: Was will ich mit meinem Leben nach der Schule anfangen? Wird der Beruf oder Studiengang, den ich wähle, mich wirklich mein ganzes Leben begleiten? Wie gehe ich damit um, wenn meine Entscheidungen und Aussichten eher Angst erzeugen als Vorfreude?

Entscheidungen treffen

Bei unseren Kindern, aber auch bei ihren Freunden erlebten wir in den letzten Jahren zunehmende Zukunftsängste in Bezug auf den Klimawandel und die weltpolitische Situation. Aber es ergaben sich auch persönliche Fragezeichen, in welche Richtung es denn beruflich und schulisch gehen sollte. Beide Kinder entschieden sich nach dem mittleren Schulabschluss für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).

Diese Entscheidung, eine Art „Pausenjahr“ einzulegen, stellte sich als sehr weise und segensreich heraus. Dieses erste Hineinschnuppern in die Arbeitswelt gepaart mit der großen Entlastung, ein ganzes Jahr nicht durch Noten bemessen und bewertet zu werden, empfanden unsere Kinder als eine sehr wertvolle Erfahrung. Gleichzeitig bemerkten wir, wie sie in ihren Persönlichkeiten reiften. Beide legen eine uns Eltern völlig neue Strukturiertheit und Stringenz an den Tag, die uns verblüfft und gleichzeitig darin bestätigt, dass diese Entscheidung richtig war.

Nach der FSJ-Zeit stand für beide die nächste große Kreuzung des Lebens an: Abitur oder Ausbildung? Dieses Bild der Kreuzung im Sinne einer Weggabelung ist hier bewusst gewählt. Denn darum geht es doch bei unseren heranwachsenden, beinahe erwachsenen Kindern: Wir begleiten sie auf ihrem Lebensweg von klein auf; erst an der Hand, dann lernen wir, Stück für Stück loszulassen. Und eines Tages stehen sie an den wichtigen Gabelungen des Lebenswegs und müssen Entscheidungen treffen von einer Tragweite, die sie selbst kaum einschätzen können.

Einen Schritt zurücktreten

Ein erster, völlig natürlicher Reflex wäre es nun, ihnen mit unserer geballten Lebensweisheit zur Seite zu stehen und ihnen zu sagen, was sie unserer Meinung nach am besten tun sollten. Hier hilft es, sich bewusst zu machen: Ich kann mein Kind bis zu dieser Kreuzung begleiten. Gern darf ich gemeinsam mit ihm um die Ecke schauen und herausfinden: Was könnte passieren, wenn ich nach rechts gehe – und was, wenn ich die linke Seite nehme? Ich darf helfen, dass es eine fundierte Entscheidung wird, indem ich Informationen sammle oder meine eventuell vorhandene Expertise zum Besten gebe.

Eins ist dabei allerdings von großer Bedeutung: Ich muss es schaffen, nach diesem Ausblick einen Schritt zurückzutreten und mein Kind diese Entscheidung selbst treffen zu lassen. Es ist ein überaus wichtiger Reifeprozess-Schritt, dass es die Verantwortung für die Entscheidungen des Lebens selbst tragen lernt. „Ich an deiner Stelle würde ja …“ ist hier fehl am Platz. Denn durch diese gut gemeinten Ratschläge übernehme ich die moralische Verantwortung und bevormunde mein Kind sogar ein Stück weit. Hier ist Loslassen angesagt, auch wenn das Eltern und Kind eine Menge Mut kostet!

Fehler zulassen

Hat das Kind sich schließlich für einen der möglichen Wege entschieden, darf ich gern anbieten, mich wieder unterzuhaken und es auf dem eingeschlagenen Weg zu begleiten und auf Wunsch auch aktiv zu unterstützen. Gern gesehen sind hierbei unter anderem Sach- und Finanzspenden … Wenn ich die Entscheidungsverantwortung auf mein Kind übertrage, komme ich im Fall einer Fehlentscheidung auch nicht in die Versuchung zu kommentieren: „Ich hab’s dir ja gesagt …“, denn ich habe es ja nicht gesagt! Ganz im Gegenteil, hier habe ich die Möglichkeit, mein Kind mit offenen Armen aufzufangen, aufzubauen und gemeinsam mit ihm an eine neue, andere Weggabelung zu gehen. Auch das ist eine Form der Ermutigung: eine innerfamiliäre Fehlerkultur zu schaffen, die ein mutiges Ausprobieren erlaubt und gleichzeitig den moralischen Zeigefinger in der Hosentasche lässt. Denn Fehler gehören zum Leben, sind wichtige, lehrreiche Mosaikstücke, die das Gesamtbild Mensch erst rund werden lassen.

Den Mut-Tank auffüllen

Einen wichtigen Punkt dürfen wir bei alldem nicht außer Acht lassen: Ein Ermutiger zu sein, kostet selbst Mut und Kraft! Selbstverständlich ist es nicht leicht, das Kind um die Ecke biegen zu sehen und nicht zu wissen, was aus dieser Entscheidung wird. Wird es seinen Weg gehen? Wird es zurückkommen, und wenn ja: in welcher Verfassung? Für meine Frau und mich ist es deshalb unerlässlich, dass wir auftanken an der besten Kraftquelle, die man finden kann. Gleichzeitig dürfen wir dort all unsere Sorgen und Zweifel adressieren: Der christliche Glaube gibt uns den notwendigen Mut und die Zuversicht und das Gebet gibt uns Kraft. Natürlich verstehen wir nicht alle wege Wege – aber dass wir bei Gott unsere Sorgen abgeben und schwach sein dürfen, tut so gut und füllt unseren Mut-Tank immer wieder neu auf!

„Es steigt der Mut mit der Gelegenheit“, wusste schon Shakespeare. Trauen wir uns doch einfach, unsere Kinder zu ermutigen, indem wir ihnen die Gelegenheiten dazu schaffen – und dann für sie da zu sein, um zu feiern, wenn es gelungen ist, oder ihnen die helfende Hand zu reichen, um wieder aufzustehen.

Axel Hudak arbeitet als Pflegepädagoge an einer Berufsfachschule in Karlsruhe und als selbstständiger Erlebnispädagoge (faszinationerleben.de). Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Mein Sohn raucht

„Unser Sohn (16) hat mit dem Rauchen angefangen. Während er am Anfang wohl nur auf Partys oder im Beisein seiner Kumpels mal eine gequalmt hat, macht er es jetzt jeden Tag. Abgesehen davon, dass ich Rauchen überhaupt nicht mag, habe ich Sorge, dass er seine Gesundheit dadurch ruiniert. Was kann ich tun?“

„Unser Sohn (16) hat mit dem Rauchen angefangen. Während er am Anfang wohl nur auf Partys oder im Beisein seiner Kumpels mal eine gequalmt hat, macht er es jetzt jeden Tag. Abgesehen davon, dass ich Rauchen überhaupt nicht mag, habe ich Sorge, dass er seine Gesundheit dadurch ruiniert. Was kann ich tun?“

Das Rauchen übt eine starke Faszination auf Jugendliche aus. Über viele Jahrzehnte hat die Tabakindustrie ein Raucher-Image aufgebaut, das für Unabhängigkeit, Rebellion und Freiheit steht. Dies ist für Jugendliche, die sich während der Pubertät in einem Prozess der Abnabelung befinden, ein Bild, mit dem sie sich gern identifizieren. Aber auch das soziale Umfeld und Vorbilder wie die Eltern beeinflussen eine mögliche Raucherkarriere stark. In Deutschland ist das Rauchen für Jugendliche unter 18 Jahren allerdings verboten. In der Schweiz, abhängig vom Kanton, ist es auch erst ab 16 bzw. 18 Jahren erlaubt.

Eltern sind entscheidend

Studien zeigen, dass Eltern einen Einfluss auf das Rauchverhalten ihrer Sprösslinge haben. Eine klare, ablehnende Haltung gegenüber dem Rauchen ist entscheidend. Diese Grundeinstellung ist sogar dann zielführend, wenn die Eltern selbst rauchen.

Merkt man, dass das Kind raucht, sollte man das Gespräch suchen. Am besten funktioniert das, wenn man seinen Sprössling nicht überrumpelt, sondern einen ruhigen Moment abwartet. Während des Gesprächs sollten Sie Ihrem Kind klar vermitteln, dass Sie nicht wollen, dass es raucht: „Du bist mir wichtig. Ich wünsche mir, dass du gesund bleibst. Deshalb möchte ich, dass du mit dem Rauchen aufhörst.“ Bleiben Sie bei Ihrer Haltung und wiederholen Sie diese, auch wenn diese möglicherweise nicht auf offene Ohren stößt. Im Gespräch sollten Sie Ihr Kind mit seiner eigenen Meinung ernst nehmen, nicht abwerten und keine langen Monologe führen.

Sie können Ihr Kind außerdem über die Folgen des Rauchens aufklären und mit Fehlannahmen aufräumen. Oftmals glauben vor allem Mädchen irrtümlicherweise, man bliebe schlank, wenn man raucht. Man kann außerdem erklären, dass Nikotin in eine psychische und körperliche Abhängigkeit führt, was nicht viel mit Unabhängigkeit zu tun hat, wie es Jugendliche glauben.

Entwöhnung per Smartphone

Anschließend sollten Sie klare Regeln aufstellen. Erlauben Sie Ihrem Kind nicht, zu Hause zu rauchen. Bleiben Sie konsequent und sagen Sie, was Sie möchten, auch wenn Sie hier mit Konflikten rechnen müssen. Vermeiden Sie jedoch Strafen, Schuldzuweisungen und Vorwürfe, um Ihr Kind nicht in eine Verteidigungshaltung zu drängen.

Kommunizieren Sie Ihrem Kind, dass Sie es unterstützen: „Ich freue mich sehr, wenn du die Entscheidung triffst, nicht mehr zu rauchen, und werde dir helfen, so gut ich kann.“ Benötigt ihr Jugendlicher Hilfe, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Sie in Anspruch nehmen können. Eine niederschwellige Möglichkeit ist die Durchführung eines medizinisch fundierten Nichtraucher-Kurses zur unkomplizierten Durchführung auf dem Handy von NichtraucherHelden.de. Dieses Programm kann vom Arzt per Rezept verschrieben werden.

Dr. Maddalena Angela Di Lellis ist freie Autorin und Medizinprodukteberaterin bei NichtraucherHelden. Sie lebt mit ihrer (bisher rauchfreien) Familie in Tübingen. 

Mit dem Wohnzimmer-Trick stärkt Mutter Stefanie den Kontakt zu ihren Teens

Familie Diekmann will für ihre Teenager da sein und trotzdem Freiraum lassen. Ihnen gehört jetzt ein eigener Raum.

Es war in irgendeinem Vortrag. Ein Satz ist mir tief ins Herz gerutscht: „Unser Verhalten als Eltern lässt den Heranwachsenden oft nur eine Wahl: fliehen. Das Haus verlassen. Ganz weit weg!“ Weil wir keine wilde Musik, hysterisches Gekicher oder unendliche Duschorgien ertragen.

Eigenes Wohnzimmer statt dunkler Park

Wir beschließen als Eltern, uns den neuen Bedürfnissen zu stellen und den Teenagern einen sicheren Ort zu ermöglichen. Sie brauchen einen Platz ohne Elternblicke, kritische Kommentare und Fragen – aber nicht im dunklen Park oder in fremden Partykellern. Einen Platz, wo es einen Kühlschrank gibt, eine Möglichkeit zum Filmegucken und einen Haufen Matratzen und Schlafsäcke für Übernachtungspartys. Und so wird aus einem Arbeitszimmer unter dem Dach ein zweites Wohnzimmer.

Erst bin ich skeptisch, ob ich schlafen kann, wenn die sechs gackernden Mädels sich nachts Spiegeleier braten oder ein Konsolen-Tanzspiel spielen. Ich schlafe tatsächlich wenig, aber genieße das späte Frühstück am Mittag mit den jungen Damen. So bekommen wir viel mit, ohne zu bohren. Je älter die Teens werden, umso öfter starten ihre Besuche mit Kochaktionen, zu denen wir eingeladen werden und beim Essen in gute Gespräche kommen. Einmal kommt nachts unsere Tochter zu uns und braucht Hilfe, weil der Liebeskummer der Freundin zu arg ist.

Weinflaschen im Rucksack

Das ist unser Gedanke bei dem eigenen Rückzugsort: Die Jugendlichen können sich erproben, wir sind aber greifbar und zeigen mit der investierten Nervenkraft unseren Rückhalt. Auch die ersten „Weinproben“ sind so in unserer Nähe, auch wenn unsere Teens denken, wir hören das Klirren der Flaschen im Rucksack nicht. Viel zu oft verlieren Eltern und Teens den Kontakt zueinander. Wir wollen den Kontakt halten und so Nähe in turbulenten Zeiten ermöglichen. Das zusätzliche Wohnzimmer kann das fördern.

Übrigens haben wir diesen Grundgedanken auch in unserem Gemeindehaus umgesetzt. Jeder Jugendliche, der wollte, bekam einen Schlüssel und war eingeladen, jederzeit (besonders nachts) dort Zeit zu verbringen. Das Vertrauen, dass die jungen Menschen sorgsam mit den Räumen sind, haben sie nie missbraucht. Nicht selten wurde dort abends gekocht oder gespielt. Bis sie auf das Matratzenlager in unserem Wohnzimmer Nr. 2 fielen und ich beruhigt „nicht-schlafen“ konnte.

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern.

Kaum erwachsen, schon verschuldet? So helfen Sie Ihrem Kind aus der Schuldenfalle

Mit Anfang 20 klafft eine Lücke zwischen Konsumanspruch und finanzieller Realität. Laut dem Statistischen Bundesamt belaufen sich die durchschnittlichen Schulden 20-25 Jähriger auf 8.800 Euro. Wie Sie ihrem Kind helfen können, einen soliden Haushalt auf die Beine zu stellen.

„Unsere Tochter (22) wohnt in einer eigenen Wohnung und macht eine Ausbildung. Sie hat bisher immer gesagt, dass sie mit ihrem Geld auskommt. Jetzt hat sie aber zugegeben, dass ihr Konto 2.000 Euro im Minus ist. Mein Mann möchte, dass wir die Schulden begleichen und uns das Geld in Raten zurückzahlen lassen. Ich wäre dafür, dass wir das Nötigste für sie einkaufen, sie aber selbst sehen muss, wie sie aus den Schulden rauskommt. Was ist der bessere Weg?“

Die Begleitung der Kinder ist ein spannendes Thema, auch wenn sie bereits erwachsen sind. Als Eltern das Beste für sie zu wollen, ist bestimmt eine gute Idee – doch was ist das Beste? Unser Anliegen als Eltern ist es ja, dass die Kinder in der Lage sind, auf eigenen Beinen zu stehen und ihr Leben selbstständig zu managen, oder?

Verschuldete Jugendliche bei der Problemlösung einbinden

Ihre Tochter ist mit 22 Jahren und einer eigenen Wohnung schon ein deutliches Stück auf dem Weg der Selbstständigkeit vorangekommen. Daher wäre meine erste Überlegung, sie ins Boot zu holen. Ist es überhaupt ratsam, dass Sie das Problem für Ihre Tochter lösen? Wie wäre es, wenn Sie mit Ihrer Tochter erst einmal klären, ob sie selbst schon eine Lösung gesucht hat? Interessant wäre zu fragen, was dabei hilfreich war und was nicht funktioniert hat.

In diesem Zusammenhang sollten Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter herausfinden, wie es zu der Kontoüberziehung gekommen ist. Es ist wichtig, die Ursache zu kennen und zu verhindern, dass man erneut in die Situation kommt, von einem Minus auf dem Konto überrascht zu werden. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob sich die Situation aus einem Einmaleffekt (z. B. Autoreparatur oder Anschaffungen) ergeben hat oder einfach die laufenden Kosten die Einnahmen übersteigen. Hier wäre es hilfreich, sich einen Überblick zu verschaffen. Alle vorkommenden Zahlungen eines Jahres sollen bekannt sein. Darüber hinaus gibt es außerordentliche Ausgaben, für die es vorzusorgen gilt. So können Überraschungen vermieden werden.

Finanzvorsorge: Rücklagen und Kredite bilden

Vorbeugen bedeutet auch, die Rücklagenbildung für Sonderausgaben zu berücksichtigen. Am besten so rechtzeitig, dass der Betrag bei Bedarf auch zur Verfügung steht. Die Alternative wäre ein Kredit. Kredite sind eine Herausforderung. Das Geld wird ausgegeben, bevor es verdient worden ist. Daher soll bei einem Kredit beachtet werden, dass die Laufzeit dem Zweck entspricht. Ein Kredit für Reparaturen oder Urlaub darf nur maximal so lange laufen, bis der nächste Urlaub oder die nächste Sonderausgabe ansteht. Und ein Kredit für Anschaffungen soll die Nutzungsdauer der Anschaffung nicht überdauern. Auch ein Kredit ist eine Art zu sparen. Ein Zurücksparen. Und egal, ob der Betrag aufs Sparkonto geht oder die Rate für den Kredit bezahlt werden muss, der Betrag muss am Ende in das monatliche Budget passen.

Noch einmal zurück zu Ihrer Tochter. Nachdem das Gespräch mit ihr stattgefunden hat, sollten auf der einen Seite die Sachfragen geklärt worden sein, aber auch, ob und in welcher Form eine elterliche Unterstützung für Ihre Tochter willkommen ist. Ihr die Entscheidung zu überlassen, bedeutet, ihr auf Augenhöhe zu begegnen. Und eine Begegnung auf Augenhöhe hilft Ihrer Tochter, selbstständig zu werden. Trauen Sie ihr ruhig etwas zu! Fehler sind in Ordnung, solange man daraus lernt.

Carsten Gutknecht-Stöhr ist Bankfachwirt und Paarberater.

„Ich vermisse unseren Sohn“

„Unser Sohn ist ausgezogen. Nun drehen sich meine Gedanken den ganzen Tag darum, was er gerade macht, vor welchen Schwierigkeiten er stehen könnte und ob ich ihm helfen sollte. Ich weiß, dass ich loslassen muss, aber es fällt mir schwer. Wie kann ich es lernen?“

Unsere Kinder in die Selbstständigkeit zu entlassen, ist ein wichtiger und oft auch schmerzhafter Prozess. Er vollzieht sich in vielen kleinen Schritten, die schon früh beginnen: Das erste Mal allein im Kindergarten, das erste Mal allein zu Fuß zur Schule gehen, das erste Mal allein zum Zahnarzt – all das sind wichtige Meilensteine. Wenn eines der wichtigsten Erziehungsziele ist, dass aus den Kindern selbstständige, verantwortungsvolle Menschen werden, die ihren Platz in der Welt finden, ist jeder dieser Schritte ein Grund zur Freude. Es ist eine wichtige Aufgabe von uns Eltern, unsere Kinder darin zu fördern und diese Dinge nicht für sie zu erledigen.

Vermeiden Sie zu häufige Telefonate!

Wenn dann der große Schritt des Auszugs nach Ausbildung oder Abitur kommt, sind die jungen Erwachsenen hoffentlich gut darauf vorbereitet, auch die nächsten Schritte zu gehen: eine passende WG aussuchen, sich in einer neuen Stadt orientieren, dafür sorgen, dass man genug zu essen im Kühlschrank hat, Menschenkenntnis in den vielen neuen Begegnungen anwenden … Wer seine Kinder darauf in den ersten 20 Jahren vorbereitet hat, hat gute Grundlagen gelegt.

Für die meisten Kinder ist der Auszug ein großes Abenteuer und eine aufregende Zeit, die sie genießen und zelebrieren. Das sollten wir ihnen gönnen und uns über die Erfolge freuen. Widerstehen Sie auf jeden Fall der Versuchung, mehr als einmal in der Woche anzurufen oder unablässig Nachrichten zu schicken. Telefone funktionieren in beide Richtungen. Wenn es unlösbare Fragen gibt, wird Ihr Sohn sich schon melden.

Loslassen ist ein Trauerprozess

Und trotzdem bleibt die innere Unruhe und Trauer. Ja, es ist wirklich ein Trauerprozess, den wir als Eltern durchlaufen. Vom Nicht-wahr-haben-Wollen („Mein Sohn kommt ja noch ganz oft nach Hause, das Kinderzimmer lassen wir so, wie es ist“) über eine gewisse Wut („Anderes ist ihm jetzt viel wichtiger als ich, obwohl ich alles für ihn getan habe“) bis zum Einrichten in die neue Situation, die ja auch Angenehmes hat. Aber zunächst muss ich loslassen. Ich konnte meine Kinder viele Jahre umsorgen und mich für sie einsetzen, aber jetzt weiß ich nicht mehr, wo sie sich Tag für Tag genau aufhalten und wie es ihnen geht.

Die Beziehung zum Kind wird nicht mehr die gleiche sein wie vorher. Allein das anzunehmen, kostet Kraft und Zeit. Mir persönlich hat es geholfen, Sorgen und Ablösungsschmerzen bei Gott abzugeben. Ihm konnte ich sowohl die Sicherheit meiner Kinder als auch meinen eigenen Schmerz anvertrauen. Kontrolle, Klammern und ständiges Nachfragen sind dagegen keine Option. Wir werden als Eltern aber auch auf uns selbst geworfen, wenn die Kinder ausziehen: Eine neue Lebensphase beginnt, in der wir viel Freiheit haben. Wie will ich diese Lücke füllen? Was kommt jetzt für mich als Vater oder Mutter? Es dauert meistens eine ganze Weile, bis man darin etwas Positives entdecken kann.

Anke Kallauch ist Referentin für Kindergottesdienst im Bund Freier evangelischer Gemeinden und Mutter von drei erwachsenen Kindern. 

10 Tipps: So können Sie den Auszug der Kinder feiern

Wenn die Großen das Haus verlassen, ist das ein wichtiger Moment. Zweifach-Mama Kerstin Wendel gibt Tipps, wie Tag X zum Highlight wird.

Der Tag X – im Leben vieler Familien gibt es ihn: den Tag, an dem der Sohn oder die Tochter das Haus verlässt. Sie brechen auf zum Freiwilligen Sozialen Jahr oder zum Studium, zur Ausbildung oder zur „Weltreise“, um sich mit Work and Travel über Wasser zu halten. Herrliche Freiheit ruft. Großartige Erfahrungen locken. Das pralle Leben wartet. So die Erwartung der Aufbrechenden, verbunden vielleicht mit ein bisschen Wehmut oder Respekt vor dem Neustart ganz allein.

Für die Familie ist Tag X ein großer Einschnitt – für die loslassenden Eltern, das freiheitsliebende Kind, aber auch für eventuell vorhandene Geschwister. Der gemeinsame Alltag mit seiner Routine, der Geborgenheit, dem Spaß und den Möglichkeiten, aber auch mit allen Reibungspunkten wird so in Zukunft nicht mehr stattfinden. Das riecht ein bisschen nach Abschied vor dem Neubeginn.

Erinnerungen teilen

Unsere beiden Kids drängten beide ins Freiwillige Soziale oder Ökologische Jahr „raus ans Meer“. Wir Wendels haben ihre Entscheidungen sehr begrüßt. Wir wissen um unsere Begrenztheit als Eltern und vertrauten darauf, dass unsere Kids woanders gut weiterwachsen würden.

Am Abend vor dem Tag X haben wir jeweils ein Abschiedsfest gefeiert. Nur wir vier (nach Lisannes Auszug wir drei). Es gab leckeres Essen, das ich vorher mit der Familie abgesprochen hatte. Außerdem hat das ausziehende Kind ein persönliches Lesebuch bekommen. Darin waren Erinnerungen und Sprüche aus der Kindheit notiert, gesammelt in den 18 Lebensjahren. Es hat Spaß gemacht, noch mal die eine oder andere Erinnerung zu teilen und kräftig zu lachen. Da gibt es ja genug Stürze, Sprüche, Missgeschicke, Witziges, Chaotisches, was zu den gemeinsamen Erinnerungen gehört. Weißt du noch? Wir haben an dem Abend auch miteinander gebetet und unseren Sohn beziehungsweise unsere Tochter für den neuen Lebensabschnitt gesegnet.

Neustart ohne Auszug

Und was ist, wenn es den Tag X nicht in Form eines Auszuges gibt? Vielleicht bleibt das Kind zu Hause und studiert von dort aus? Oder es hat eine Ausbildung oder einen FSJ-Platz am Heimatort? Oder es ist krank oder behindert, sodass ein Umzug aktuell nicht in Frage kommt? Auch wenn kein Umzug mit dem Neustart verbunden ist, bietet sich ein Fest an. Denn der junge Mensch ist nun erwachsen. Es sollte klar sein, dass er nun mehr Rechte und vielleicht auch mehr Pflichten zu Hause hat. Man kann trotzdem ein Abschiedsfest gestalten, vielleicht auch gemeinsam planen, wie das Miteinander nun weiterlaufen kann. Was gibt es für Wünsche, Hoffnungen, Ideen?

Für mich als Mutter ist die Erinnerung an dieses Abschiedsfest wichtig gewesen, besonders in der Abschiedszeit, die zunächst etwas tränenreich war. Sie hat mir geholfen, in mein neues Leben hineinzufinden.

10 Ideen für ein Abschiedsfest

  • Leckeres Essen vorbereiten
  • Alternativ gemeinsam kochen oder ein Picknick an einem Lieblingsplatz gestalten
  • Erinnerungen von früher teilen: Fotos anschauen, Geschichten vorlesen
  • Gemeinsam beten und das ausziehende Kind segnen
  • Tief miteinander reden: sich für etwas entschuldigen oder wichtige Wünsche für die Zukunft des Kindes aussprechen
  • Einen Film gucken, der typisch für die Kinder- oder Teeniejahre war
  • Das Lieblings-Spiel noch einmal spielen Wenn es ein gemeinsames Hobby gab, dieses noch mal aufleben lassen: beispielsweise Musik machen, etwas gemeinsam basteln, angeln gehen …
  • Möglich ist auch, eine gemeinsame Collage zu erstellen oder auf großem Poster zu notieren: „Woran ich mich gern erinnere …“ Jedes Familienmitglied schreibt oder malt auf, was es mit dem nun Ausziehenden verbindet
  • Ideen für die neue Zeit sammeln

Kerstin Wendel, Referentin und Autorin aus Wetter/Ruhr, findet Abschiedsrituale klasse, weil sie stärken und freisetzen.

Streit mit der Teenie-Tochter: Expertin verrät, wie Sie die Situation entschärfen

Die Pubertät ist eine Zerreißprobe für Eltern. Pädagogin Stefanie Diekmann gibt Tipps, was sie tun können, wenn das Kind sie zur Weißglut bringt.

„Meine Teenie-Tochter (15) und ich rasseln immer häufiger aneinander, ja, sie bringt mich richtig zur Weißglut! Neulich habe ich sie angeschrien und mich danach total schrecklich gefühlt – sie sich natürlich auch. Wie kriege ich es hin, meine Wut unter Kontrolle zu halten, ihr aber auch zu vermitteln, wo sie meine Grenzen überschreitet?”

Diese Zeiten fordern viel – von Eltern und den Teens. Gerade war man als Familie noch ein eingespieltes Team, nun trifft die Pubertät mit irritierenden Pfeilen in die vertrauten Beziehungen. Die Heranwachsenden suchen Halt in ihrer sich so stark verändernden Welt. Halt, den sie sich tatsächlich besonders in der Familie suchen. Paradoxerweise geschieht dies gerade bei Vertrauten durch Pöbeln, Motzen, Provozieren und Boykottieren. Paradoxerweise, denn das Abgrenzen durch Bemerkungen und Sticheleien fühlt sich nicht an, als würde der oder die Jugendliche Halt suchen.

Ja, Teenager sind gute Beobachter und haben über ihre Eltern durch die gemeinsame Lebenszeit ausreichend „belastendes“ Material angesammelt. Mit wenigen Bemerkungen werden Treffer gelandet, die gerade Eltern schmerzhaft aus dem Gleichgewicht bringen. Nicht selten sind Schnappatmung, plötzlicher Zorn und Empörung nach einem gut gesetzten Teenie-Blick oder Kommentar die Begleiterscheinungen für Eltern von Pubertierenden auf der Suche nach Halt.

Grenzen klar machen

Gerade weil der junge Mensch Halt sucht, ist es notwendig, dass Eltern bewusst ihr Stoppschild sichtbar machen. Geben Sie Ihrer Tochter Halt durch eine klare Haltung. Bedenken Sie: Ihre Tochter bringt zwar persönlich verletzende Argumente vor, es geht ihr aber nicht um die Beziehung.

Sie testet unbewusst: Halten meine Eltern das aus? Sie als Eltern dürfen die angespannte Situation verlassen, sich gegebenenfalls sogar gegenseitig an das Verlassen erinnern. Einige Familien einigen sich auf Codewörter, die beide Seiten nennen dürfen. Andere verabreden zusammen, dass sie nicht das Haus verlassen, aber im Schlafzimmer ungestört sein können.

Ins Gespräch kommen

Das Verlassen der akuten Situation erscheint Eltern paradox, weil sie ihren aufgeplusterten Giftschützen unbedingt im Vollzug das „So nicht!“ verdeutlichen und ihre Macht demonstrieren wollen. Das fördert aber eher den Willen nach Unabhängigkeit des Jugendlichen und eine weitere Stufe der Emotionen wird freigeschaltet. Die gewünschte Einsicht ist allein von der Gehirnbeschaffenheit im Streit nicht möglich und führt eher zu Eskalationen, die die Beziehung sehr belasten.

Nehmen Sie in einem ruhigeren Moment das Gespräch mit der Tochter wieder auf. Rutschen Sie dabei nicht auf ihre Stufe und reagieren Sie nicht nachtragend. Die Frage: „Wie ging es dir im letzten Streit mit mir?“ hilft, sich gegenseitig neu kennenzulernen und den wirklichen emotionalen Druck des Haltsuchenden als Eltern zu verstehen. Dabei kann auch zur Sprache kommen, welche verletzenden Kommentare Sie von Ihrem austickenden Teen nicht mehr hören möchten. Im Gespräch zu bleiben, ist die Grundvoraussetzung für das Überleben der Beziehungen. Dann kann es auch nach Turbulenzen später wieder Humor und Respekt geben.

Stefanie Diekmann ist Pädagogin, Trainerin für Eltern und Autorin. Sie gestaltet mit ihrem Mann die Kirchengemeinde EFG Göttingen und genießt ihre Familie. 

Streit mit erwachsenen Kindern: „Hört auf, mich ständig kontrollieren zu wollen“, schreibt Daniel per WhatsApp

Wenn junge Erwachsene den Eltern Vorwürfe machen oder Forderungen stellen, wird das Bild einer guten Beziehung schnell zerrüttet. Wie Sie in solchen Situationen reagieren können.

„Hört auf, mich ständig kontrollieren zu wollen, das habt ihr bis jetzt mein ganzes Leben lang gemacht!“ Diesen Satz knallte uns Daniel (Name geändert), unser 20-jähriger Sohn, per WhatsApp hin. Obwohl schon tagelang heftige Diskussionen liefen, ließ mich dieser Vorwurf erst einmal völlig gelähmt aufs Sofa sinken.

Es ging um ein Konto für Ausbildungszwecke, über das er selbst verfügen wollte. Ein kräftiger Streit folgte mit der immer stärker werdenden Forderung von Daniel nach Verfügungsgewalt und unseren Bedenken dagegen. Dieser Konflikt gipfelte in dem eingangs genannten Vorwurf: „Ihr habt mich schon mein Leben lang kontrolliert!“ Auch davor waren schon harte Worte gefallen – die meisten davon auf die aktuelle Situation bezogen, vermutlich aus der Wut heraus geschrieben und eindeutig übertrieben. Obwohl sie verletzend waren, konnten wir sie dementsprechend einordnen und nicht so persönlich nehmen.

Die Mütter-sind-an-allem-schuld-Alarmglocken

Dieser Vorwurf aber bezog sich nun auch auf die Vergangenheit. Sofort gingen meine Mütter-sind-an-allem-schuld-Alarmglocken an: Hatte da etwas jahrelang in unserem Sohn gegärt, was nie angesprochen wurde und nun in einem Streit hervorbrach? Haben wir durch unser Verhalten seine gute Entwicklung behindert, eine Belastung in sein Leben gelegt, die ihn negativ prägt und unsere Beziehung nun belastet?

Andererseits kamen mir auch gleich Rechtfertigungen: Ja, manchmal habe ich ihn zum Lernen gedrängt. Aber von sich aus hätte er viel weniger gemacht. Und ja, ich habe nachgefragt, mit wem er abends fortgeht und wann er wiederkommt – ist das schon zu viel Kontrolle? Immerhin haben wir Eltern ihm nie Freundschaften ausgeredet oder gar verboten. Auch konnte er Hobbys und Ausbildung selbst wählen. Wir haben ihn auch dort unterstützt, wo wir mit seiner Wahl nicht glücklich waren. So schlimm kann das mit der Kontrolle ja nicht gewesen sein …

Der Auszug kann zu Konflikten führen

Ich berichte deshalb so ausführlich, weil ich weiß, dass meine Reaktionen ziemlich typisch sind. Vermutlich haben viele Leserinnen und Leser Ähnliches durchlebt oder durchleben es gerade. Der Auszug eines Kindes ist für alle Beteiligten ein großer Umbruch. Da liegen manchmal die Nerven blank. Die Belastung durch viel Neues, das bewältigt werden muss, aber auch die Erregung über all die Möglichkeiten, die sich nun bieten, können dazu führen, dass alte Verletzungen aufbrechen, die bisher verborgen waren. Eltern sind dann oft wie vor den Kopf gestoßen, wenn plötzlich Vorwürfe auftauchen, die das bisherige Bild völlig über den Haufen werfen: „Meine Schwester war ja immer euer Liebling.“ „Euer Einsatz für die Gemeinde hatte immer Vorrang, für uns blieb kaum Zeit.“ „Ich konnte euch nie etwas recht machen.“

Andere Kinder stellen nach dem Auszug Forderungen, aus denen ein heftiger, verletzender Konflikt entsteht: mehr finanzielle Unterstützung etwa, die sich die Eltern nicht leisten können oder die für einen Lebensstil „gebraucht“ wird, den die Eltern nicht gutheißen. Jeder fühlt sich mit seinen Forderungen oder seinem Verhalten im Recht. Zudem werden dabei oft grundlegende Werte berührt, die keiner leicht aufgeben kann. So ein Konflikt kann deshalb schnell eskalieren und die Beziehung in der Familie sehr belasten.

Allerdings sind die „Kinder“ ja erwachsen. Sie sollen und müssen ihre Entscheidungen selbst treffen, ihr Leben selbst gestalten. Die Zeit der Erziehung ist vorbei. Was bleibt uns Eltern an Möglichkeiten, solche Konflikte zu lösen? Oder zumindest einen Weg zu finden, der die Beziehung zum Kind erhält? Und der auch für die Eltern gangbar ist? Hier einige Impulse für die oben genannten zwei Konfliktarten: Vorwürfe über (frühere) Fehler der Eltern und Forderungen, die wir als Eltern nicht erfüllen können oder wollen.

Herausfinden, was dahintersteckt

Wie in unserem Fall tauchen Vorwürfe oft im Lauf eines Streites auf, manchmal aber auch in einem „normalen“ Gespräch. Im Idealfall kann ich nach dem ersten Schock eine kurze Auszeit nehmen, in der ich mir meine Reaktion auf den Vorwurf erst einmal bewusst mache. Dazu kann ich das Gespräch unterbrechen, um es später fortzuführen („Das muss ich jetzt erst mal verdauen – ich ruf dich nachher nochmal an.“). Dann höre ich in mich hinein, was da alles hochkommt: Schuldgefühle, Rechtfertigung, Leugnen, Scham, Trauer usw. – ohne etwas zu bewerten! Dieser erste Schritt ist wichtig, um eine gewisse Distanz zu meinen Gefühlen zu bekommen. Dadurch nehme ich sie wahr, lasse mich aber nicht von ihnen überschwemmen.

Auf dieser Grundlage kann dann eine weitere Klärung erfolgen, die erst einmal hauptsächlich aus Zuhören und Nachfragen bestehen sollte: Kannst du mir ein Beispiel erzählen? Wann hast du das zum ersten Mal/besonders stark erlebt? Hast du früher schon versucht, mir das zu vermitteln? Wie bist du bisher damit umgegangen? Wie hättest du es dir anders gewünscht?

Ob das, was das Kind dann erzählt, objektiv genau so stimmt oder nicht – es ist seine Wahrnehmung und damit für sie oder ihn die Wirklichkeit, das, was sein oder ihr Leben im Moment prägt. Dieser Gedanke kann helfen, nicht vorschnell alles zu relativieren oder zu leugnen nach dem Motto: „So schlimm war das doch nicht.“

Fehler eingestehen

Erst, nachdem ich möglichst konkret erfahren habe, was mein Kind verletzt hat, sollte von mir eine Reaktion kommen. Dafür kann man sich auch wieder Zeit nehmen, wenn nötig. Vielleicht kann ich zunächst die Aussagen von Sohn oder Tochter zusammenfassen, damit sicher ist, dass alles richtig ankam. Dann darf ruhig auch meine Sicht der Ereignisse auf den Tisch, wenn ich Situationen anders erlebt habe – ohne den Anspruch, dass eines falsch und das andere richtig ist! Für Versäumnisse kann ich um Vergebung bitten, Fehler eingestehen oder auch Entscheidungen neu bewerten: „Damals war uns diese Arbeit ein großes Anliegen, es ist uns auch heute noch total wichtig. Aber wenn ich nun höre, wie du dich dadurch nicht genug geliebt gefühlt hast, dann tut mir das sehr leid. Mit diesem Wissen würde ich es heute anders machen.“

Das Vergangene lässt sich nicht mehr ändern, es lässt sich nur vergeben. Und die Auswirkungen lassen sich abmildern. Für den Blick nach vorn kann ich deshalb die Frage stellen: Was würde dir helfen, dass diese Verletzung heilen kann und unsere Beziehung gefestigt wird?

Kompromisse beim Geld finden

Als Eltern kennen wir Forderungen unserer Kinder eigentlich ab deren Geburt. Mit dem Auszug kann es jedoch sein, dass nicht erfüllte Forderungen viel tiefergehende Folgen haben: Ohne ein eigenes Auto ist der Studienort nicht zu erreichen. Wenn die Oma nicht das Baby nimmt, kann die Ausbildung nicht beendet werden. Ohne zusätzliches Geld dauert das Studium länger. – Wo viel davon abhängt, ist auch die Gefahr eines langen Streits darum größer.

Hier wäre für Eltern die erste Überlegung: Kann ich die Forderung erfüllen? Wenn ja – will ich sie erfüllen? Warum nicht? Auch hier ist der nächste Schritt das Gespräch mit dem Kind. Dabei sollten die Bedürfnisse und Möglichkeiten so klar wie möglich auf den Tisch: Wie viel Geld oder wie viele Betreuungstage sind nötig? Was können Eltern höchstens aufbringen? Wenn diese Zahlen weit auseinanderliegen, kann man gemeinsam nach Alternativen suchen.

Wertvorstellungen führen zu Konflikten

Schwieriger wird es, wenn bei den Eltern Wertvorstellungen berührt sind: Der Sohn will eine Wohnung mit der Freundin finanziert haben, aber die Eltern lehnen unverheiratetes Zusammenleben ab. Oder die Tochter strebt eine Model-Karriere an, die die Eltern nicht unterstützen wollen. Da tritt besonders deutlich das Dilemma des Jung-Erwachsenseins auf: Man ist weitgehend selbstständig, aber finanziell noch von den Eltern abhängig.

Konflikte, die sich daraus ergeben, lassen sich – man muss es so klar benennen – nicht wirklich zufriedenstellend für alle lösen. Letztlich werden Eltern entweder dem Kind seinen eigenen Weg verweigern – was zu dauerhafter Entfremdung führen kann – oder sie haben das Gefühl, etwas Falsches auch noch zu unterstützen – was ihr eigenes Gewissen belasten kann. Es bleibt ihnen nicht erspart, zwischen diesen Möglichkeiten abzuwägen und das kleinere Übel zu wählen.

Liebe hat Priorität

Meiner Ansicht nach sollte die Beziehung zum Kind die oberste Priorität haben. In unserem Fall haben wir letztlich entschieden, dass ein Beharren auf unserem „Recht“ die Beziehung zu unserem Sohn nachhaltig vergiften könnte – und deshalb nachgegeben. Das finanzielle Polster war für uns nachrangig. Schließlich sollten sich Eltern immer wieder bewusst machen, dass sie nicht mehr verantwortlich sind für Entscheidungen der erwachsenen Kinder – selbst, wenn sie diese mitfinanzieren!

Als Christin glaube ich, dass Gott uns unsere Kinder anvertraut hat, um sie zu lieben und sie zur Eigenständigkeit zu führen. Die Eigenständigkeit ist irgendwann erreicht – die Liebe aber bleibt. Ich wünsche allen konfliktgeplagten Eltern, dass dieser Gedanke ihnen Mut gibt, auch in Konflikten die Hoffnung nie aufzugeben und die Gesprächstür für die Kinder immer geöffnet zu halten!

Susanne Bosch lebt mit ihrem Mann im Raum Hohenlohe, ihre beiden Söhne sind schon ausgezogen. Sie arbeitet in eigener Beratungspraxis und ist als Referentin unterwegs. seelsorge-susannebosch.de

Im Bann der Dämonen?

„Schon lange geht unsere Tochter (18) nicht mehr mit uns zum Gottesdienst. Sie trägt dunkle Kleider und hört düstere Musik. Um ihren Hals baumelt ein umgedrehtes Kreuz und auf ihren Handrücken hat sie sich ein Pentagramm tätowieren lassen. Oft verschwindet sie über Nacht. Auch ihre Freunde sind düstere Gestalten. Ich habe Sorge, dass sie an Satanisten geraten ist. Wie kann ich ihr helfen?“

Mit dem Satanismus verbindet man gemeinhin bedrohliche und bedrückende Vorstellungen von schwarzen Messen mit ritueller Gewalt und vielleicht sogar mit rassistischen und rechtsradikalen Tendenzen. Doch ich möchte Sie beruhigen: Solche Extreme sind eher selten, ja unwahrscheinlich und lassen sich zudem recht gut erschließen.

Verständnis statt Ablehnung

Wenn Jugendliche, wie Ihre Tochter, sich mit dunkler Kleidung und satanischen Symbolen ausstatten und sich nachts treffen, handelt es sich womöglich um eine harmlose Adoleszenzerscheinung. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden müssen junge Menschen Entwicklungsaufgaben bewältigen. Dazu gehört auch die Entwicklung eigener Wertmaßstäbe. Auf dem Weg zu einer eigenständigen Persönlichkeit distanzieren sich Jugendliche daher häufig von den als Kind übernommenen elterlichen Wertmaßstäben. So gesehen ist es normal, dass Ihre Tochter nicht mehr mit Ihnen in den Gottesdienst geht. Im Zuge dieser Abgrenzung können sich die prägenden Familienwerte durchaus ins Gegenteil verkehren. Das ist jedoch keine endgültige Abkehr, sondern ein Ausdruck der Suche nach selbstbestimmten Werten.

Sie merken, das beunruhigende Verhalten folgt einer gewissen Logik. Versuchen Sie, Verständnis dafür aufzubringen, anstatt Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Es lohnt sich, offen und neugierig nachzufragen und quasi nebenbei als aktiv Zuhörende zu erfahren, ob und was Ihre Tochter in diesen nächtlichen Treffen praktiziert, wie es ihr in den neuen Kreisen geht, ob sie nur mit gleichgesinnten Jugendlichen Zeit verbringt, die sich auch näher kennenlernen lassen. Beziehung kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten aufrichtig sind. Bringen Sie Ihre Sorge zum Ausdruck, dass die neuen Kontakte womöglich gefährlich sein könnten, und lassen Sie sich vom Gegenteil überzeugen. Bleiben Sie dabei ruhig, aufmerksam und beharrlich.

Extrem verschwiegen?

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Ihre Tochter sich einem praktizierenden Satanistenkreis angeschlossen hat. Sie erkennen das an der Offenheit Ihrer Tochter: Teilt sie Probleme weiterhin mit Ihnen oder ist sie extrem verschwiegen, ängstlich, verunsichert oder provozierend? Möglicherweise gibt es auch äußere Hinweise auf rituelle Praktiken: Gibt es zum Beispiel auffällige schwarze Kostüme, ein besonderes Interesse an schwarzen Kleintieren oder Gegenstände, die möglicherweise in schwarzen Messen benutzt wurden? Gibt es unerklärliche Schnittwunden, blaue Flecken oder verschnittenes Haar? Sollten sich Ihre Befürchtungen nicht zerstreuen lassen, finden Sie zum Beispiel bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen persönliche Beratungsangebote:
www.ezw-berlin.de

Marco Wolff ist Lehrer und pädagogischer Ausbilder, engagiert sich im Help!-Team der Zeitschrift Teensmag und lebt in Northeim bei Göttingen. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com