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Wer darf schlafen?

„Meine Tochter hat im ersten Jahr ziemlich problemlos geschlafen. Aber jetzt wird sie nachts immer wieder wach und brüllt wie verrückt, bis ich sie zu uns ins Schlafzimmer hole. Sie ist dann sofort still, zappelt aber so viel herum, dass unsere Nacht zu Ende ist. Was können wir tun?“

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Kinder schon früh im Internet

Sollen Kinder ins Internet? Eine viel diskutierte Frage – dabei ist das schon längst Realität in vielen Familien. Kinder und Jugendliche nutzen Medien ganz selbstverständlich und sie beginnen früh damit. Viele drei- bis achtjährige Kinder sind bereits regelmäßig im Internet aktiv.
Das ist ein Ergebnis der U9-Studie, die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig  gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) und dem Heidelberger Sinus-Institut in Berlin vorgestellt hat.
„Eltern möchten ihren Kindern einen guten Start in eine Gesellschaft ermöglichen, die sich zunehmend digital organisiert. Deshalb müssen Kinder von Anfang an die Chance haben zu lernen, wie sie gut und souverän mit Medien umgehen“, erklärte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig.

Im Rahmen der U9-Studie „Kinder in der digitalen Welt“ wurden 1029 Kinder im Alter von 6 bis 8 Jahren sowie 1832 Eltern mit Kindern im Alter von 3 bis 8 Jahren befragt. Die Ergebnisse der Studie „Kinder in der digitalen Welt“ in der Zusammenfassung:
– Mehr als die Hälfte der Achtjährigen (55 Prozent) ist regelmäßig online. Von den Sechsjährigen geht fast ein Drittel ins Internet (28 Prozent) und bei den Dreijährigen ist es immerhin schon jedes zehnte Kind (11 Prozent). Viele, die noch nicht lesen oder schreiben können, sind über das Erkennen von Symbolen fähig, eigenständig Internetseiten aufzurufen. Außerdem: Mit dem Schuleintritt lösen Computer oder Laptop die Spielekonsole als meistgenutztes Endgerät ab.
– Nicht alle Kinder sind „Digital Natives“ – auch wenn sie in einer digitalisierten Welt aufwachsen. Je häufiger und selbstverständlicher die Eltern selbst im Netz unterwegs sind, desto eher sind auch ihre Kinder online und desto selbstsicherer präsentieren sich diese hinsichtlich ihrer eigenen Internetkompetenzen.
– Zwei Drittel der Eltern Drei- bis Achtjähriger verbieten ihren Kindern, ins Internet zu gehen. Gleichwohl sieht die deutliche Mehrheit (65 Prozent) Chancen digitaler Medien und des Internets für ihren Nachwuchs, insbesondere wenn es um die Sicherstellung der sozialen Teilhabe geht.
– Nach Ansicht der Eltern überwiegen für Kinder dieser Altersgruppe die Risiken des Internets die wahrgenommenen Chancen. Nicht kindgerechte Inhalte und der mögliche Kontakt zu unbekannten Personen sowie Mobbing zählen sie zu den größten Risiken des Internets für ihre Kinder. Auch der Schutz der Privatsphäre ist aus Elternsicht ein relevantes Risikofeld. Sie befürchten, dass Kinder im Internet zu viel von sich preisgeben.
– Bei vielen Eltern gibt es erhebliche Unsicherheiten. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass moderne Medien heute quasi selbsterklärend seien. Gleichzeitig ist vielen Eltern bewusst, dass es beim Umgang mit digitalen Medien um mehr geht als das Bedienen von Benutzeroberflächen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Thema Kinder und digitale Medien für viele Eltern mit großen Unsicherheiten verbunden ist. Je weniger kompetent Eltern sich selbst hinsichtlich des Umgangs mit dem Netz fühlen, desto weniger Sicherheitsmaßnahmen ergreifen sie für ihre Kinder.
– Einkommensunterschiede der Eltern haben keinen Einfluss darauf, ob Kinder Spielkonsolen, Smartphones und Computer/Laptops nutzen. Jedoch zeigt die Studie, dass Kinder von Eltern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen das Internet deutlich seltener für Informationssuche oder Lernzwecke nutzen.
Die vollständige U9-Studie finden Sie unter www.divsi.de

Wo leben die glücklichsten Kinder?

Kinder erleben große Unterschiede. In europäischen Ländern sind sie zufriedener mit ihren Freundschaften, während Kinder aus afrikanischen Ländern tendenziell glücklicher mit ihrem Schulleben sind. Das ist ein Ergebnis der Children´s Worlds Studie.

Mehr als 50.000 Kinder wurden in 15 verschiedenen Ländern zu Erfahrungen, Perspektiven und Wohlbefinden befragt. Die Mehrheit der 53.000 befragten Kinder in allen 15 Ländern bewertet ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn in der Gesamtheit als positiv. Allerdings variiert der prozentuale Anteil der Kinder mit sehr hohem Wohlbefinden: Demnach rangieren die Türkei mit 78 % sowie Rumänien und Kolumbien mit 77 % ganz vorne, während in Südkorea nur 40 % ein hohes Wohlbefinden haben.

Für die deutschen Ergebnisse hebt Studienleiterin Sabine Andresen von der Goethe-Universität Frankfurt hervor: „Kinder in Deutschland sind im hohen Maße mit ihren Freundinnen und Freunden zufrieden. Mit Blick auf die Erwachsenen ist ihnen wichtig, dass sie ernst genommen und einbezogen werden. Generell sinkt das Wohlbefinden bei den Zwölfjährigen, vor allem Mädchen sind weniger zufrieden mit ihrem Aussehen. Im Vergleich zu anderen Ländern zeigt sich außerdem, dass Kinder in Deutschland weniger über ihre Rechte und die Kinderrechtskonvention wissen.“

Auch die Wohn- und Familienformen sind international vergleichend interessant: Während mehr als die Hälfte der Kinder in Nepal (61 %) in einem Haushalt, der aus mindestens einem Elternteil und einem Großelternteil besteht, wohnen, berichten in England, Norwegen und Israel weniger als 10 % von einem Drei-Generationen-Haushalt. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass Kinder einiger europäischer Länder zwei Wohnsitze als ihr Zuhause bezeichnen. Dies trifft auf über 10 % der Kinder in Norwegen, England und Estland zu – solch ein Familienmodell ist nur selten in anderen Ländern dieser Studie aufzufinden.

Zwischen den Ländern wurden beachtliche Unterschiede gefunden, auf welche Weise Kinder ihre Zeit verbringen. Zum Beispiel bringen Kinder in Estland mehr Zeit für ihre Hausaufgaben auf als in Südkorea und England. Kinder in Polen, Norwegen und Israel widmen sich eher sportlichen Aktivitäten. Kinder in einigen Ländern, einschließlich Algerien, Nepal und Südafrika, verbringen hingegen sehr viel mehr Zeit damit, sich um ihre Geschwister oder andere Familienmitglieder zu kümmern als in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, in der Türkei und in Südkorea.


Quelle: bildungsklick.de


Gesunde Kinder

Die gute Nachricht zuerst: „Nach Einschätzung der Eltern weisen 94 Prozent der Kinder und Jugendlichen einen sehr guten oder guten allgemeinen Gesundheitszustand auf.“ Das ist ein wesentliches Ergebnis der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS), die heute veröffentlicht wurde. Sie umfasst den Zeitraum von 2009 bis 2012. Im Vergleich zur KIGGS-Basisstudie, die zwischen 2003 und 2006 erstellt wurde, rauchen Heranwachsende weniger und trinken weniger Alkohol. Dreiviertel der Kinder und Jugendlichen treiben regelmäßig Sport.

Die schlechte Nachricht: Immer noch haben Kinder aus sozial schwachen Familien ein höheres Risiko für bestimmte Erkrankungen.

Zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter gehören Allergien, allein neun Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden an Heuschnupfen. Besonders häufig sind auch psychische Erkrankungen: Bei 20 Prozent der Befragten zwischen 3 und 17 Jahren wurden Hinweise auf psychische Störungen festgestellt.

Weitere Informationen: www.rki.de, www.kiggs-studie.de

Alles bleibt anders

Das gefällt mir am Leben mit Kindern: Es wird nie langweilig. Immer wieder gibt es was Neues. Weiterlesen

Umfrage: Kinder sind zu teuer

In Deutschland werden offenbar deshalb so wenig Kinder geboren, weil sie zu teuer sind. Nach einer repräsentativen Umfrage der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsforschung gaben 67 Prozent an, ein Grund für Kinderlosigkeit seien die hohen Kosten. Weiterlesen

Kinder brauchen freie Zeiten!

Ein Plädoyer für mehr Leerlauf

Es ist mit Käse dasselbe wie mit Wein. Beide werden dann richtig gut, wenn wir ihnen Zeit zum Ruhen geben, zum Reifen. Tomaten und Melonen bekommen solche Reifezeiten, genauso wie junge Pferde oder gute Gedanken. Jedermann weiß es: Was gut werden soll, muss in Ruhe gedeihen.

Merkwürdigerweise gönnen viele Eltern ihren Kindern solche Reife- und Ruhezeiten kaum. Wehe, eine Viertklässlerin liegt zu lange untätig auf dem Sofa. Wehe, ein Zweitklässler spielt zu oft allein in seinem Zimmer mit Lego (ohne einen Freund!). Da werden Eltern schnell nervös: Ist das Kind vernachlässigt oder vereinsamt? Ist es gar entwicklungsverzögert?

Gedanken nachhängen

Tatsächlich aber brauchen Kinder solche Zeiten, in denen sie ungestört und ohne Zeitdruck und ohne erwachsene Anleitung sind. Zeiten, in denen sie nicht bespaßt werden und auch nicht fernsehen dürfen. Sie brauchen Momente, in denen ihre Kreativität reifen kann, Momente, in denen Eindrücke verarbeitet und sortiert werden. Manchmal müssen sich Kinder auch zurückziehen dürfen, um allzu bedrohliche Erfahrungen mal für eine Zeit lang auszublenden. Sie erholen sich dann von der rauen Wirklichkeit und Alltagshektik. Sie hängen Gedanken nach und entwickeln kühne Ideen. Sie kosten Traurigkeiten aus. Sie überdenken ihre Freundschaftsbeziehungen. Gerne sind sie bei Oma und Opa. Eltern aber sind oft getrieben von dem Anspruch, Kinder immer sinnvoll beschäftigen zu wollen. Sie erwarten von ihren Kindern außerdem schulische, musische und sportliche Höchstleistungen. Kinder sollen gerüstet sein für den Wettbewerb des Lebens. Zusätzlich sollen auch Grundschulkinder heutzutage viele gute Freunde haben, beliebt sein und alle guten Gelegenheiten ausnutzen, die das Umfeld nur bietet (und es gibt zurzeit sehr viele gute und einmalige Gelegenheiten). Zuletzt werden Kinder zu zahllosen Ereignissen mitgeschleppt, von deren Existenz ich selbst als Kind noch nicht einmal eine Ahnung hatte: Kinder-Unis, Gewerbefeste, Modenschauen, Ballonfahrten, Musicals, Spanisch-Kurse, Tauch-Urlaube, Mega-Partys, Bergbesteigungen und andere supertolle Angebote.

Produktive Langeweile

Aber oft bleibt bei den Kindern etwas auf der Strecke. Verkümmert wirken bei Grundschülern, mit denen ich als Lehrer zu tun habe, oft die Herzensbildung, die Initiativkraft, die Kreativität, der Problemlöse-Mut, die Empathiefähigkeit, die Freude am Leben und das Selbst-Bewusstsein.

Wenn Kinder zu lebensfrohen, verantwortlichen und reifen Persönlichkeiten heranwachsen sollen, müssen Eltern deren Leben und auch das Familienleben beherzt entschleunigen. Die Rolle des stets engagierten Förderers und die des Entertainers sollten sie ablegen. Erwachsene sind im Grunde nicht zuständig, wenn Kinder darüber klagen, dass sie Langeweile haben. Kinder können selbst überlegen, wie sie sich beschäftigen und selbst Spielideen entwickeln. „Produktive Langeweile“ nenne ich das.

Es gilt für Eltern auch, mutig die meisten guten Gelegenheiten auszulassen, die sich für ihre Kinder bieten. Vielleicht müssen Grundschüler noch gar kein Musikinstrument lernen oder in einem Sportverein sein. Vielleicht können sie Spanisch und Zehn-Finger-System auch noch als Jugendliche oder im Erwachsenenalter lernen. Vielleicht müssen Kinder auch nicht bei jeder Aufführung die Hauptrolle spielen. Und zuletzt: Vielleicht werden sie die richtigen Freunde und das passende Hobby erst später entdecken.

Kinder brauchen Zeit dafür, selbst ihren Weg hinein in ein gutes Leben zu finden. Geben wir sie ihnen!

Johannes Köster ist Leiter der Primarstufe an der Freien Christlichen Schule Ostfriesland. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern (10 und 11 Jahre) im Landkreis Leer.

Illustration: Thees Carstens

„Was hast du denn da?“

Warum Doktorspiele wichtig sind

Viele Eltern sind verunsichert oder auch peinlich berührt, wenn sie sehen, dass sich ihre Kinder ausziehen und mit ihren eigenen Geschlechtsorganen oder denen der Freunde spielen. Sollen wir jetzt eingreifen? Sollen wir das verbieten oder einfach nur weggucken? – Das sind Fragen, die Eltern in solchen Situationen durch den Kopf gehen.

Jeder Junge und jedes Mädchen ist von Anfang an eine sexuelle Persönlichkeit. Deshalb ist es ganz natürlich, dass ein Kind seinen Körper und damit auch seine Geschlechtsorgane wahrnimmt und erforscht. Kinder sind neugierig, berühren sich selbst an Penis oder Scheide und können schon früh angenehme Gefühle wahrnehmen. Allerdings sind das Lustempfinden, wie es Erwachsene erleben, und das Schamgefühl noch nicht entwickelt.

Neugier und Wissensdurst

Im Kindergartenalter wächst die Neugier und viele Kinder untersuchen nicht mehr nur sich selbst, sondern entdecken, dass der Freund oder die Freundin ganz anders aussieht und beziehen den anderen in ihr Spiel ein. In Rollenspielen, den so genannten Doktorspielen, werden dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersucht. Genau wie bei den Arztbesuchen im realen Leben ziehen sich die Kinder aus, verbinden sich, geben sich Spritzen und beziehen auch die Geschlechtsorgane ein. Diese Spiele dienen dazu, dass sich Kinder Wissen über ihr eigenes und das andere Geschlecht aneignen und festigen. In der Regel verliert sich das Interesse, wenn der Wissensdurst gestillt ist. Kommen Eltern ins Kinderzimmer und sehen, dass sich die Kinder gegenseitig untersuchen, sollten sie gelassen reagieren. Mit den Worten: „Oh, ihr habt euch ja ausgezogen. Was spielt ihr denn?“, kann man kurz auf das Doktorspiel eingehen, ohne ihm aber viel Bedeutung beizumessen. Anschließend kann man die Aufmerksamkeit auf eine andere Aktivität lenken, indem man zum Beispiel ein Gesellschaftsspiel miteinander spielt. Auf diese Weise erleben Kinder, dass das Erforschen des anderen Geschlechtes nichts Verbotenes ist, aber auch keine Aktivität, die im Speziellen gefördert und bestärkt wird. Vielleicht können Vater oder Mutter darauf hinweisen, dass sie nun ja wissen, wie der Freund oder die Freundin aussieht und dass sie beim nächsten Mal die Unterhose anlassen können.

Wichtige Regeln

Reagieren Eltern erschrocken und emotional und verbieten das Spiel, kann das für Kinder verwirrend und unverständlich sein und vielleicht sogar zu unangemessenen Schuldgefühlen führen. Eltern sollten dieses Verhalten ihrer Kinder also nicht grundlegend unterbinden, aber auf die Einhaltung folgender Regeln achten:

  • Jedes Kind bestimmt selbst, mit wem es Doktorspiele spielen möchte.
  • Jedes Kind bestimmt selbst, wo es berührt werden möchte oder nicht.
  • Keiner darf dem anderen wehtun.
  • Keiner darf dem anderen einen Gegenstand in Po, Scheide, Penis, Mund, Nase oder Ohr stecken.
  • Doktorspiele finden nur unter Gleichaltrigen statt.
  • Doktorspiele finden in einem geschützten Rahmen und nicht in der Öffentlichkeit statt.
  • Es werden keine Fotos gemacht. (Viele Kinder haben heute Spiel-Digitalkameras in ihren Kinderzimmern.)

Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, sollten Eltern mit ihren Kindern im Gespräch über Sexualität sein. Hilfreich ist es, gemeinsam gute Kinderbücher zur Aufklärung anzusehen. Auf diese Weise können neugierige Fragen beantwortet werden. Herrscht in der Familie eine offene Atmosphäre und ist Sexualität kein Tabuthema, lernen Kinder einen entspannten und verantwortungsvollen Umgang mit ihrem eigenen Körper.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in Remscheid.

Illustration: Thees Carstens

 

 

„Dumm und faul“: Jedes vierte Kind wird geschlagen und beschimpft

Gewalt ist für viele Kinder und Jugendliche in Deutschland normal. Vor allem in sozial schwachen Familien gehören Missachtung und Ohrfeigen oft zum Alltag. Große Sorge bereitet Experten aber auch die wachsende Gruppe der „Piesacker“.

Fast jedes vierte Kind wird einer neuen Studie zufolge von Erwachsenen geschlagen. Insgesamt 22,3 Prozent der Befragten zwischen sechs und 16 Jahren erlitten oft oder manchmal körperliche Gewalt durch Erwachsene, heißt es in einer am Montag in Berlin vorgestellten Studie der Universität Bielefeld. Gewalt sei in Deutschland für viele Heranwachsende erschreckender Alltag. Kinder ab sechs Jahren seien dabei öfter betroffen (28 Prozent) als Jugendliche (17 Prozent).

Auffällig sei, dass Gewalt ein in allen Schichten verbreitetes Phänomen sei, sagte Professor Holger Ziegler von der Fakultät für Erziehungswissenschaften an der Universität Bielefeld. Jedoch würden Kinder in schwierigen sozialen Verhältnissen häufiger und heftiger geschlagen.

Insgesamt 32,5 Prozent der sozial benachteiligten Kinder zwischen sechs und elf Jahren geben an, oft oder manchmal von Erwachsenen geschlagen zu werden, davon rund 17 Prozent so heftig, dass sie blaue Flecken haben, sagte Ziegler. Bei den durchschnittlich bis privilegiert gestellten Kindern kommt das mit 6,6 beziehungsweise 1,4 Prozent dagegen weitaus weniger vor.

Interessant sei auch die unterschiedliche Wahrnehmung von Eltern und Kindern besonders in den privilegierten Schichten, sagte Ziegler. Weniger als ein Prozent dieser Eltern gaben zu, ihr Kind in der vergangenen Woche geohrfeigt zu haben, ein Wert, der sich mit den Aussagen der Kinder (23 Prozent) nicht deckt. Bei den sozial schwachen Eltern räumten immerhin 14 Prozent Gewalttätigkeiten ein.

Ein großes Problem seien auch Missachtungs- und Mobbingerfahrungen, sagte Ziegler. Rund ein Viertel der Kinder und Jugendlichen (25,1 Prozent) berichten davon, von Erwachsenen als „dumm“ oder „faul“ beschimpft zu werden. Besonders Kinder aus sozial schwachen Familien (45 Prozent) fühlen sich zudem in der Schule von Lehrern schlechter behandelt als ihre privilegierten Mitschüler. Von denen teilen nur 22,6 Prozent diese Erfahrung.

Sozial schwache Schüler werden auch häufiger gemobbt. Über 70 Prozent geben an, gehänselt zu werden, bei den privilegierten sind es rund 60 Prozent. „Insgesamt kann man sagen, je schwächer Kinder sozial sind, desto stärker sind die Mobbingerfahrungen“, sagte Ziegler. Missbrauchs- und Mobbingerfahrungen wirkten sich stärker als körperliche Gewalt auf den Umfang von emotionalen Problemen, das Wohlbefinden und das Selbstvertrauen aus, warnte er.

Bei der Typisierung der Kinder, die mit Gewalt zu tun haben, bereiten dem Erziehungswissenschaftler „die Piesacker“ die größten Sorgen: Diese seien zumeist Jungen aus privilegierten Verhältnissen, mit einem guten Verhältnis zu ihren Eltern, überdurchschnittlich ausgeprägtem Selbstbewusstsein und trotzdem einem hohem Maß an eigener Gewalttätigkeit. Ihr Anteil liegt laut Ziegler derzeit bei rund 16 Prozent – mit wachsender Tendenz. Die „Piesacker-Haltung“ sei erfolgsorientiert und deswegen gesellschaftlich weit verbreitet: „Man muss sehen, wo man bleibt und der Erfolg gibt einem Recht.“

Der Gründer des christlichen Kinder- und Jugendwerkes „Die Arche“, der Berliner Pastor Bernd Siggelkow, berichtete von seinen eigenen Praxiserfahrungen. Demnach habe es in den vergangenen Jahren „eine extreme Zunahme der Gewalt unter Kindern und Jugendlichen“ gegeben. Nichtige Anlässe reichten oft aus, um eine Schlägerei anzuzetteln. „Kinder, die immer unterdrückt und gereizt werden, reagieren irgendwann selber nur noch mit Gewalt“, warnte Siggelkow.

Für die „Gewaltstudie 2013 – Gewalt- und Missachtungserfahrungen von Kindern und Jugendlichen heute“ befragten Wissenschaftler knapp 900 junge Menschen in Berlin, Köln und Dresden. Die Ergebnisse seien somit repräsentativ, hieß es. Entstanden ist die Studie im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung, die seit 2008 Förderprogramme für sozial benachteiligte Kinder finanziell unterstützt.

 

Quelle: epd