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Unterschiedliche Wünsche beim Sex? So finden Sie eine gemeinsame Lösung!

Unser ganzes Leben prägt, was für Vorstellungen wir von Sex haben. Aber: Wir müssen nicht so bleiben, wie wir sind, sagt Sexualberaterin Dr. Ute Buth.

Tom und Lena (Namen verändert und Fall verfremdet) sind noch nicht so lange verheiratet. Für Tom ist es die zweite Ehe. Seine erste Frau ist vor wenigen Jahren gestorben. Seit der Hochzeit kreisen beide um die Frage: Wie leben wir unsere Sexualität so, dass sie für beide zufriedenstellend ist? Tom hat Sex in seiner ersten Ehe als besonders erfüllend erlebt, wenn sie dabei eine bestimmte Position einnahmen. Lena jedoch mag diese überhaupt nicht.

Anfangs traute sie sich kaum, dies zu sagen, schließlich war er doch der Erfahrenere von beiden. Auch wollte sie den Beginn ihrer gemeinsamen Sexualität nicht verkomplizieren und gleich zu Anfang rummeckern. Sie hoffte, dass sich dies mit der Zeit geben würde, spätestens wenn sie ihre Sexualität miteinander erst einmal richtig entdeckt hatten. Nach und nach jedoch wurde ihr klar, dass Tom jedes Mal darauf hinwirkte, dass er in genau jener Position zum Höhepunkt kam. Schließlich kommen sie in die Beratung: Über die sexuellen Begegnungen berichten sie von häufigen „Abstürzen“ und regelrechtem Streit. Lena fühlt sich für seinen Höhepunkt benutzt und dadurch fremdgesteuert.

Was ist die sexuelle Lerngeschichte?

Die Entstehung der sexuellen Lerngeschichte lässt sich am Beispiel einer zunächst leeren Computerfestplatte verdeutlichen. Jeder Mensch hat sie zu Beginn des Lebens mitbekommen. Tom und Lena mögen ein besonders anschaulicher Fall sein, aber man muss nicht zum zweiten Mal verheiratet sein oder Erfahrungen mit vorherigen Partnern gemacht haben, um auf die Platte zu schreiben. Jeder Mensch hat seine ganz einzigartige und persönliche sexuelle Lerngeschichte. Sie beginnt bereits, wenn wir als Babys im Mutterleib heranwachsen und setzt sich über die Kindheit und Teenager-Zeit bis ins Erwachsenenalter fort. Sie endet erst mit unserem Tod, auch wenn die aktive Sexualität für manche Menschen eventuell schon früher keine Rolle mehr spielt. Und sie besteht auch bei Menschen, die Sex gar nicht aktiv ausleben.

Sexualität ist eine besonders intensive Form der Kommunikation, die nonverbal und verbal stattfinden kann. Und die größtmögliche Nähe, die man zu einer anderen Person haben kann. Lebenslang wirken sich unzählige Faktoren auf die sexuelle Lerngeschichte aus. Alles, was nur im Entferntesten mit Sexualität oder auch Beziehungen zu tun hat, speichern wir ab und setzen es in Relation zu Vor- und Folgeerfahrungen. Wir bilden uns unsere Meinung. Wir weben gleichsam lebenslang einen hochkomplizierten individuellen Orientteppich rund um dieses Thema. Bereits im Mutterleib nehmen wir Mutter, Vater, andere Menschen und auch deren Beziehung zueinander wahr.

Als Kleinkind lernen wir, in Beziehung zu anderen Menschen zu stehen. Wir entdecken unsere Geschlechtlichkeit und die anderer Menschen. Wir erleben, wie offen oder verschlossen das Gespräch über Sexualität geführt wird. In Menschen, die uns begegnen, haben wir unfreiwillige und unbewusste Lernobjekte und Lebensmodelle. Wie wir uns im Laufe unseres Lebens positionieren, ist komplex und höchst individuell.

Mentale Festplatte lässt sich nicht löschen

Selbstverständlich gehört die Sexualaufklärung mit in dieses Webmuster unseres ureigensten Teppichs. Sogar dann, wenn sie scheinbar nicht stattgefunden hat. Denn auch das konsequente Schweigen zum Thema Sexualität spricht Kindern gegenüber eine laute und deutliche Sprache: „Darüber spricht man nicht!“ Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Werbung und anderer visueller Reize wie Fotos und Filme.

Im Laufe der eigenen Entwicklung wird die Festplatte mit Wissenswertem, Erfahrungen und Entscheidungen beschrieben. Oder anders gesagt: Unser Gehirn speichert all dies ab und verwebt es in unzähligen neuronalen Verschaltungen. In der IT ist es gar nicht so einfach, gespeicherte Daten komplett zu löschen oder zu überschreiben. Das Formatieren der Festplatte reicht nicht. Häufig können Fachleute selbst nach einem unvorhergesehenen Crash vieles wiederherstellen. Ungleich komplexer verhält es sich mit unserer mentalen „Festplatte“. Wir können ja keine Bereiche dieses internen Speichers markieren und aus unserem Blickfeld verbannen oder gar löschen, zum Beispiel, wenn sie nicht mehr zu den eigenen Wertvorstellungen passen. Wir können nur umlernen, neue Erfahrungen abspeichern oder im Bild des Webteppichs neue Fäden einweben. Auch deshalb ist es unerlässlich, die eigene sexuelle Lerngeschichte verantwortungsvoll zu gestalten.

Neue Lerngeschichte schreiben

Tom ist frustriert. Er hat zunehmend den Eindruck, dass Lena nicht auf seine Wünsche eingehen möchte. Inzwischen funktioniert es anders aber gar nicht mehr. Besonders ist die Situation des Witwers: Für Tom ist es wichtig, die Trauer über den Tod seiner Frau und die damit erloschene Sexualität zu verarbeiten.

Doch Tom und Lena müssen nicht bei alten Erfahrungen stehen bleiben. Sie haben die Chance, eine neue gemeinsame Lerngeschichte zu schreiben. Die partnerschaftliche Sexualität trägt das Potenzial in sich, dass sie im Laufe der Zeit erfüllender wird. Doch nur wenn es beiden ein Anliegen ist und sie bereit sind, auf ihr Gegenüber einzugehen.

Wenn verlassene Trassen zuwachsen

Sobald Frauen und Männer die Grundprinzipien der sexuellen Lerngeschichte verstanden haben, können sich Türen in neue Lebens- und Lernbereiche hinein öffnen. Das Paar ist dem Erlebten nicht mehr hilflos ausgeliefert. Dabei ist es ratsam, nicht zu verurteilen, sondern zu verstehen. Auf Basis dieser Erkenntnisse können die Partner schauen, welches Verhalten sie langsam und schrittweise neu prägen möchten.

Vielleicht könnte Lena dann feststellen, dass sie es gerne hat, wenn sie an bestimmten Stellen sanft von Tom berührt wird. Vielleicht würde dann Tom spüren, dass es ihn selbst erregt, wenn er merkt, dass Lena Gefallen an seinen Berührungen findet. Wenn Tom nicht darauf fixiert bleibt, auf eine bestimmte Weise Sex zu erleben, dann können Bereiche, die nicht mehr bedient werden, im Laufe der Zeit gleich einer verlassenen Bahntrasse mitunter zuwachsen. Die Prägung an sich aber bleibt im Gehirn angelegt. Wichtig ist, nicht frustriert aufzustecken, falls sich manche Prägungen als stark oder unveränderbar herausstellen. Stattdessen gilt es, den eigenen Handlungsspielraum wahrzunehmen und in dem Bereich gestalterisch voran zu gehen, wo eine Entwicklung möglich ist.

Neue Strecken anlegen

Vielleicht gibt es in einer bestimmten Lebensphase gute Gründe, nicht mehr so viel Zeit aufs Vorspiel zu verwenden, weil jederzeit ein Kind um die Ecke biegen könnte. Die vormals gebahnte Trasse beginnt schmaler zu werden. Irgendwann besteht die Gefahr aber nicht mehr, doch wenn das Paar die neuen Freiräume nicht auszuloten beginnt, wird es noch auf der eingefahrenen bisherigen Trasse unterwegs sein.

Neue Strecken wollen und können angelegt werden. Das gilt für Paare, die noch wenig Erfahrungen miteinander gemacht haben, aber genauso auch für Paare, die schon lange miteinander unterwegs sind. Tom lernt in der Beratung, seine Trauergefühle zu verarbeiten. Für Lena ist es hilfreich, die vorhandenen Muster zu durchschauen. Beide sammeln jetzt neue Erfahrungen miteinander. Tom erfährt, dass auch andere Berührungen lustvolle Gefühle in ihm hervorrufen. Lena lernt, dass sie nicht für Toms Gefühle verantwortlich ist. Sie darf sich an ihren eigenen lustvollen Gefühlen freuen und diese erstmals bewusst beachten und ausloten. Tom wiederum lernt, sich ein wenig zurückzunehmen und sich an Lenas neuen Impulsen zu erfreuen, die auch für ihn frischen Wind in die gemeinsame Intimität bringen.

Lena muss sich nicht länger anstrengen, um Tom aus der Reserve zu locken und sie muss keine Angst mehr haben, dass ihre Grenzen überschritten werden. Sie sind auf einem guten Weg, ihre gemeinsame sexuelle Lerngeschichte positiv weiterzuschreiben.

Keine Scheu vor Hilfe!

In dem Verstehen der eigenen geprägten Geschichte, können wir ab heute neue Weichen stellen, hin zu einer sinnerfüllten Sexualität. Es sollte uns nicht belasten oder beschämen, wenn wir Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter aufsuchen, die uns in diesem Prozess helfen. Große Schiffe brauchen auch mitunter einen Lotsen. Wer sein Ziel nicht kennt, erreicht es nicht. Wer sein Ziel kennt, es aber nicht erreicht, steht letztlich vor dem gleichen Ergebnis.

Daher sollten wir die Scheu ablegen und uns aufmachen, das gute Land einzunehmen, das uns mit der Sexualität gegeben ist.

5 Fragen für Paare, die ihre Sexualität weiterentwickeln möchten:

  • Sprechen Sie über eure individuellen Lerngeschichten. Wie wurde über Sex in Ihrer jeweiligen Herkunftsfamilie (nicht) gesprochen? Welche Schlüsse haben Sie als Kind und Jugendliche daraus gezogen?
  • An welches Mal miteinander können Sie sich noch besonders gut erinnern? Warum ist Ihnen gerade dieses Mal in Erinnerung geblieben?
  • Was empfinden Sie nach wie vor als besonders schön? Wo würden Sie sich gerne von Gewohntem trennen oder entfernen?
  • Was würden Sie gerne (erneut) ausprobieren? Wo könnten Sie neue Bahntrassen anlegen, wo alte reaktivieren?
  • Gibt es negative oder schwierige sexuelle Erfahrungen aus der Vergangenheit, die Ihre Partnerschaft belasten? Bleiben Sie nicht allein damit, sondern suchen Sie sich qualifizierte Hilfe.

Dr. med. Ute Buth ist Fachärztin für Frauenheilkunde, zertifizierte Sexualberaterin und Weißes Kreuz Fachberaterin. Die Buchautorin u. a. von „Frau sein – Sexualität mit Leib und Seele“ leitet die Beratungsstelle „herzenskunst“ in Bochum.

Seismograph der Ehe

Kann eine Partnerschaft florieren, wenn im Bett nicht mehr viel geht? Oder umgekehrt: Kann Sex eine bröckelnde Ehe zusammenhalten? Und was können Paare tun, wenn der Wunsch nach Sex bei einem weniger ausgeprägt ist als beim anderen? Christof Klenk bat den Therapeuten Dr. Michael Hübner um Antworten.

Es kann eine Ehe beflügeln, wenn es im Bett gut läuft. Umgekehrt profitiert das eheliche Sexleben davon, wenn die Ehepartner gut miteinander unterwegs sind. Würdest du dem zustimmen?
Grundsätzlich ja. Beziehung und Sex gehören zusammen. Man kann sogar sagen, dass die Zufriedenheit in der sexuellen Beziehung seismographisch die Ehe widerspiegelt. Anders ausgedrückt: Wo Paare gut miteinander kommunizieren und diese Ebene für beide schön ist, werden beide in der Regel auch guten Sex haben. Ausnahmen sind allerdings beispielsweise körperlich-medizinische Störungen, die das Sexualleben beeinflussen können, oder auch Missbrauchserfahrungen.

Gegenseitig zur Masturbation ermutigen

Gleichzeitig scheint Sex durchaus auch in guten Ehen ein heikles Thema zu sein. Woran könnte das liegen?
Häufig ist es ein Problem, dass er öfter Sex möchte als sie oder umgekehrt. Man hat festgestellt, dass der Höhepunkt der Libido im männlichen Lebenszyklus bei etwa zwanzig Jahren liegt, der der Frau erst etwa bei vierzig Lebensjahren. Danach geht sie ganz langsam zurück. Als Theologe glaube ich, dass Gott den Sex zur Lust, zum Spaß für beide geschaffen hat. Ich rate, Sex eher zu gestalten als zu problematisieren.

Und wie könnte das Gestalten aussehen, wenn ein Teil häufiger will als der andere? Zurückweisen, weil man keine Lust hat, ist nicht schön. Vom anderen zurückgewiesen werden, ist auch nicht schön.
Das ist durchaus eine typische Situation bei vielen Paaren. Wie so oft, gilt auch hier: Die beiden sollten offen miteinander darüber reden. Manche lernen es in der Sexualberatung. Sie können ihre sexuelle Begegnung unterschiedlich gestalten, wenn sie sich gegenseitig liebevoll beschenken wollen. Kreative Möglichkeiten gibt es genug: Sie können sich gegenseitig zur Masturbation ermutigen – freilich ohne Porno, wie heute oft üblich –, oder sie befriedigen sich gegenseitig und führen sich so zum Orgasmus. Auch wenn zum Beispiel die Frau einmal gar nicht zum Orgasmus kommen möchte – es ist ihr vielleicht im Moment „zu aufwendig“ –, so kann sie sich doch körperlich ihrem Mann zum Glied-Scheide-Verkehr hingeben. Oder beide versprechen sich am nächsten Tag zu einem gemeinsamen Date, einem Fest, das vorbereitet ist.

Anders anziehend

Nach zehn oder zwanzig Jahren Ehe kennt man die Vorlieben des anderen und ist vertraut miteinander. Das ist sicher ein Vorteil, aber eine gewisse Routine kann auch langweilig werden.
Geht man von zwei sexuellen Begegnungen pro Woche aus, dann hat ein Paar in zwanzig Jahren ungefähr zweitausend Mal Sex miteinander. Da kann schon mal eine gewisse Routine einkehren, die beide eher als langweilig empfinden.

Ist das das Schicksal von langjährigen Ehen oder kann man dem entgegenwirken?
Liebe und Lust zeigen sich nach Jahrzehnten anders als am Anfang. Das Empfinden für körperliche Attraktivität tritt vielleicht zurück. An ihrer Stelle werden andere Qualitäten des Partners, der Partnerin sexuell anziehend: Vertrautheit und Wärme, Genussfähigkeit, Sinnlichkeit, Zeit zum Spiel, Verwöhnaktionen … Für sie mag es nicht mehr nur seine Sportlichkeit oder der knackige Hintern sein. Sie mag beispielsweise empfinden: Wenn ich ihn mit Abstand reden höre, seine entschlossenen Entscheidungen und den liebevollen Umgang mit den Kindern und seine Zärtlichkeit sehe, dann will ich seine Nähe. Für ihn spielt nicht mehr die Form des Busens eine große Rolle, dafür macht es ihn vielleicht an, ihre geschmeidigen Bewegungen auf dem Fahrrad zu sehen, während er hinter ihr fährt, oder wie sie musiziert … Kreativität im sexuellen Spiel ist angesagt. Manchmal kommt in dieser Zeit der „Appetit auch erst beim Essen“: Ein schöner Sexabend kann wie ein kleines Fest gestaltet werden. Schöne Musik, ein Gläschen Wein, Bodylotion, Duftkerze und angenehmes Licht – das alles ist nicht wie „Fastfood“ und die Vorfreude und Erregung kann steigen.

Sex nicht totschweigen

Wenn das alles nicht mehr hilft, ziehen manche Paare einen Schlussstrich unter das Thema. Nach dem Motto: Bei uns läuft nicht mehr viel, aber es gibt Wichtigeres.
Überarbeitung, Burnout, aber auch ungeklärte Themen und Ablenkungen können die sexuelle Erregungskurve stören und beispielsweise die männliche Erektion beeinflussen. Selbstverständlich sind dies schambehaftete, heikle Themen. Warum? Nicht jeder kann über sexuelle Themen frei reden. Manchmal auch deshalb, weil gerade auch in guten Ehen einer den anderen oder auch sich selbst schonen möchte und das Gegebene hinnimmt. Dies alles kann sich aber früher oder später auf die Beziehungsqualität legen. Paare sollten das aber nicht ignorieren und das Thema Sex nicht unterschätzen. Die Schamschwelle zu überwinden und qualifizierte Hilfe zu suchen, ist jetzt angesagt. Es gibt sehr gute Seelsorger, christliche Berater, Therapeuten oder auch Ärzte und hilfreiche Medikamente, und die Prognose ist in dem Bereich gut.

Es gibt Paare, die keinen Sex miteinander haben, aber nach eigenen Angaben glücklich miteinander sind, vielleicht sogar glücklicher, weil das Feld der Sexualität immer mit Konflikten verbunden war.
Das kann ich mir kaum vorstellen. Wenn sie es aber beide ehrlich sagen: wieso nicht? Dann sollte niemand ein Problem daraus machen.

Ich hätte die Befürchtung, dass dann doch mal irgendjemand kommt, der das Bedürfnis nach Intimität bei einem von beiden weckt.
Da gebe ich dir Recht. Ich würde diesem Paar deshalb ans Herz legen, dass sie über dieses Thema offen und kontinuierlich im Gespräch bleiben. Auch darüber, ob sie ihre sexuellen Bedürfnisse auf andere Weise befriedigen. Manchmal besteht ein ausgesprochener oder unausgesprochener Kontrakt, mit dem sie sich gegenseitig die Freiheit dazu geben. Sich aber beispielsweise anhand von Pornos zu befriedigen, ist keine gute Lösung. Keinen Sex miteinander haben sollte nicht heißen: Wir reden nicht mehr drüber.

Körperlichkeit alleine reicht nicht

Mal von der anderen Seite: Eine Frau schrieb uns, dass ihre Ehe in einem schlechten Zustand war, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Auf körperlicher Ebene lief es aber trotzdem noch gut mit ihrem Mann. Das habe sie sogar ein Stück weit zusammengehalten. Ist das für dich nachvollziehbar?
Da möchte ich korrigieren: Sie hatte sich in einen anderen verliebt, weil ihre Ehe in einem schlechten Zustand war. Denn wer verliebt ist, verliebt sich nicht anderweitig. Und die Frage ist eigentlich: Warum liebte sie ihren Mann nicht mehr und was hatte sie dafür getan, ihn zu lieben? Dass nur die Körperlichkeit noch zusammenhält, das gibt es tatsächlich, ist aber keine Lösung. Ihr hat anscheinend der andere Mann etwas gegeben, was sie bei ihrem nicht bekommen konnte. Darüber hätte ich mit ihnen in meiner Praxis gerne geredet. Sie befinden sich in einer notvollen fürchterlichen Sackgasse, die sich in der Regel bald psychisch negativ auswirkt.

Kann Sex zusammenhalten, was eigentlich auseinanderdriftet?
Das mag bei manchen Paaren so sein. Die amerikanische Soziologin Judith Wallerstein beschreibt Ehetypen so: Neben der traditionell geführten und der partnerschaftlichen Ehe gibt es die Ehe als Zuflucht, aber eben auch die „leidenschaftliche Ehe“, um die es hier geht. In ihr spielt die sexuelle Lust von beiden Seiten eine sehr große Rolle. Das birgt natürlich auch Gefahren. Wenn einzig sexuelle Lust zwischen beiden der Kitt ist, der sie zusammenhält, kann dies beispielsweise dann zur Gefahr für die Beziehung werden, wenn mindestens einer von beiden – aus welchen Gründen und wie lange auch immer – Sex nicht möchte oder nicht haben kann.

Wöchentliches Ehemeeting

Erotische Anziehung scheint davon zu leben, dass der Partner/die Partnerin anders ist als ich. Ist zu viel Harmonie und Seelenverwandtschaft vielleicht gar nicht so förderlich?
Ja, das Fremde ist das Attraktive. Wenn wir das Fremde im Gewohnten immer wieder zu entdecken versuchen – unser Gegenüber verändert sich ja auch immer wieder –, bleibt die Beziehung spannender. Im Gewusel des Alltags fallen uns die Veränderungs- und Entwicklungsprozesse oft gar nicht so auf. Meine Frau und ich – wir machen Paaren Mut zu einem wöchentlichen „Ehemeeting“. Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Buch. Bei so einem Meeting kann es dann auch darum gehen, über Sexualität zu reden. Wichtig ist, miteinander im Gespräch zu bleiben – und das besonders in bestimmten Lebensphasen, wenn die gemeinsame Zeit knapp bemessen ist, weil die familiäre Situation oder der Beruf sehr viel abverlangt.

Dr. (theol.) Michael Hübner ist Gründer und Dozent der Stiftung Therapeutische Seelsorge und leitet eine Therapiepraxis in Neuendettelsau. Mit seiner Frau Utina hat er das Buch „Der Kick für die Partnerschaft – Vitaminkur für das Ehegespräch“ geschrieben.

Aufklärung: So können Eltern mit Kleinkindern über Sex reden

Was tun, wenn das Kind sich an Penis oder Vagina fasst? Wie darüber sprechen, wo Babys herkommen? Sexualberaterin Ute Buth zur Aufklärung.

Warum ist die Phase, in der Kinder sich mit dem Thema Sexualität und ihren eigenen Geschlechtsorganen auseinandersetzen, so wichtig?
Wenn Kinder heranwachsen, entdecken sie Geschlechtsorgane wie alles andere, was sie entdecken. So gesehen ist es also eigentlich gar keine besondere Phase, die Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebt haben müssen. Das ist höchst individuell. Die Kinder entdecken auch, dass sie selbst Geschlechtsorgane haben und manche, dass sie schöne Gefühle machen. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, dass diese Organe zu ihrem Körper gehören, sie zu benennen, ihren Körper zu schützen und die Körpergrenzen anderer zu respektieren. Dieses Grundwissen spielt nicht zuletzt in Zeiten von #metoo eine wichtige Rolle.

Dass Kinder ihr Geschlecht entdecken, ist normal

Wenn ich mitbekomme, dass sich mein Kind an den Kitzler oder den Penis fasst, wie soll ich dann reagieren?
Wenn Kinder entdecken, dass sie Geschlechtsorgane haben und sich dort berühren, bedeutet das noch nicht, dass sie sich daran betätigen und sich selbst befriedigen. Manchmal juckt etwas oder sie ziehen nur die Kleidung gerade. Wenn sie die Organe entdecken, dann ja erst einmal, dass es da etwas wie die Genitallippen, den Kitzler oder den Penis oder Hoden gibt. Bei Jungen sind die Harnwege und die Geschlechtswege gleich. Ein Junge kommt also gar nicht umhin, sich mit seinem Penis zu beschäftigen. Er wird ja täglich zum Wasserlassen berührt, ist vorgelagerter und gut greifbar und so probieren sie auch aus, was sie damit machen können.

Bei Mädchen sind die Harn- und Geschlechtswege getrennt. Der Kitzler liegt verborgener unter den Genitallippen. Sie entdecken sexuelle Gefühle deshalb nicht so selbstverständlich wie Jungen. Manche entdecken sie beim Duschen, beim Trockenrubbeln danach oder wenn sie auf einer Sofakante sitzen. Wenn Kinder ihre Organe entdecken, anfassen, fühlen oder daran reiben, ist das also an sich normal. Wenn Sie das als Eltern mitbekommen, ist es ratsam, sich nicht aus Scham wegzudrehen, es pauschal zu verbieten oder einen abwertenden Kommentar abzugeben. Denn damit beschämen Sie Ihr Kind für etwas, was selbstverständlich zu seinem Sein dazu gehört. Dass unsere Geschlechtsorgane fühlen können, gehört zur Grundausstattung von uns Menschen und zum Menschsein.

Reagieren, wenn Kinder Sex nachspielen

Wenn man sich nicht wegdrehen, es nicht pauschal verbieten oder abfällige Kommentare dazu machen soll, wie soll man denn dann reagieren?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist, das Kind nicht zu beschämen. Man kann schon zum Beispiel fragen, was es da macht und wie es dem Kind damit geht. Oder man kann in der Situation oder danach ins Gespräch darüber kommen, dass es einen intimen Privatbereich gibt und wie man den schützt. Erstmal ist es doch so: Die Kinder stellen fest: Was ich da tue, macht mir schöne Gefühle. Sie denken sich nichts Böses dabei. Manchmal erzählen sie auch begeistert davon und wollen ihr neu gewonnenes Wissen mit den Eltern teilen, im Sinne von ‚ich gebe einen guten Tipp weiter‘.

Gibt es auch Situationen, auf die man reagieren sollte, und wie?
Wenn ein Kind explizit irgendwelche sexuellen Handlungen nachspielt und das immer wieder, dann könnte man sich fragen, wo es das womöglich gesehen hat. Ist es vielleicht mit Pornografie in Kontakt gekommen? Wenn ein Kind sich selbst befriedigt, würde ich schauen, wie oft es das macht, ob es dieses Verhalten sehr in Beschlag nimmt und sich irgendwelche Muster abzeichnen: Wenn es sich immer dann, wenn es traurig oder gestresst ist, so verhält, dann kann es sein, dass Selbstbefriedigung zum Tröster oder Entspannungstool wird. Falls Sie als Eltern unsicher sind, können Sie auch ihren Kinderarzt um Rat bitten.

Wenn die Selbstbefriedigung eine Funktion erfüllt und Sie sie einfach unterbinden würden, machen es die meisten Kinder heimlich weiter – dann aber belastet mit einem schlechten Gewissen. Suchen Sie mit dem Kind gemeinsam nach Alternativen, indem Sie überlegen, was es beruhigt, was sonst noch guttut. Wenn es sich in der Öffentlichkeit, wo andere es sehen und sich darüber lustig machen können, an seine Geschlechtsorgane fasst oder sogar befriedigt, sollte es lernen, seinen Privatbereich in Sachen Intimität zu schützen.

Kinder lernen spätestens ab der Schule, woher Babys kommen

Welche Rolle spielen Eltern bei der Aufklärung der Kinder?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sexualität eine große Rolle spielt. Eltern sollten sich bewusst machen, dass sie keine Aufklärungshoheit haben und dass sie auch nonverbal aufklären. Das permanente Schweigen zum Thema Sex sendet auch die Botschaft, darüber spricht man nicht! Wenn ein Kind bis zum Schuleintritt nicht weiß, woher die Babys kommen und was Sex ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es das in der Schule lernt, riesengroß – und damit meine ich nicht in erster Linie den Aufklärungsunterricht! Bis dahin haben sie in aller Regel schon etliches auf dem Schulhof, von anderen Kindern oder in den Medien erfahren.

Medienwissenschaftler weisen darauf hin, dass die ersten Informationen, die man auf einem Wissensgebiet erhält, einen viel stärker prägen als Folgeinformationen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Eltern möglichst vor dem Schuleintritt eine gute Grundlage für die Aufklärung ihrer Kinder legen. Ich ermutige Eltern, Aufklärung als Aufgabe und Chance zu begreifen und sich auch mit der eigenen Lerngeschichte auseinanderzusetzen. Wenn sie schambestimmt reagieren, weil ihr Kind sich mit seinen Geschlechtsorganen beschäftigt, hat das häufig mit Hilflosigkeit aber auch mit der eigenen Prägung zu tun. Wenn ich gelernt habe, dass man so etwas nicht tut, was ich aber nun mein eigenes Kind tun sehe, dann gerate ich womöglich schon dadurch in einen inneren Konflikt, bei dem eine Klärung hilfreich sein kann.

Kind kein Aufklärungsgespräch aufzwingen

Und wenn sich mein Kind gar nicht für das Thema interessiert?
Dass ein Kind nicht danach fragt, bedeutet nicht, dass es keine Fragen in seinem Kopf hat. Es kann durchaus sein, dass es Fragen hat, vielleicht sogar auch schon Kontakt mit dem Thema hatte und es so schräg findet, dass es meint, mit den Eltern nicht darüber sprechen zu können oder Sorge hat, Ärger oder peinliche Rückfragen zu bekommen, wenn es Fragen stellt. Wichtig ist, sich möglichst früh sprachfähig auch zu sexuellen Themen zu positionieren. Dann lernt Ihr Kind, dass es normal ist, dass die Eltern dazu ansprechbar sind.

Überfordern Sie Ihr Kind nicht und zwingen Sie ihm kein peinliches Aufklärungsgespräch auf. Es geht ja auch nicht darum, den ganzen Tag über Sex zu reden, aber eben auch darüber zu reden. Manchen Kindern hilft es, über die eigene Zeit als Baby ins Gespräch über das Thema zu kommen. Die Eltern können auch von der Schwangerschaft erzählen und so nach und nach Informationen vermitteln.

Aufklärung nach dem Baukastenprinzip

Wie klärt man Kinder am besten auf?
Aufklärung ist kein Termin im Kalender, den man abhakt und dann ist es erledigt. Aufklärung ist ein Lebensstil. Es geht im Prinzip darum, dass ich wie beim Baukastenprinzip immer wieder an vorhandenes Wissen weitere Informationen anbaue und dafür vor allem zu Beginn Begriffe aus der Alltagswelt des Kindes benutze.

Haben Sie dafür Beispiele?
Ich habe meinen Kindern immer erzählt, dass Mütter im Bauch das Zimmer „Gebärmutter“ haben und darin die Babys wohnen. Vom Zimmer Gebärmutter führt der Gang „Scheide“ nach draußen. Aus dem kommen die Babys dann heraus. Auf dem Weg zum Schwimmkurs knöpfte ich einmal daran an und erklärte, dass das Zimmer Gebärmutter auch ein Schwimmbad ist, dass da Wasser drin ist und es den Babys Bewegung ermöglicht und wie sich die Gebärmutter durch das Wasser dehnt. Ein anderes Mal sagte eine ältere Dame zu meiner 3-jährigen Tochter: „Du hast die Augen und die Haare von deiner Mama.“ Ich erklärte ihr daraufhin, dass wenn ein Baby entsteht, es die Hälfte von Mama und die andere Hälfte von Papa bekommt. Damit hatte ich Zeugung erklärt, aber auf einem ganz niedrigen Level – nichts von Samen, Eizellen, Penis, Scheide und Sex.

Daran kann man dann anbauen und darüber sprechen, dass Frauen im Bauch kleine Eier haben. Eier können sich die Kinder gut vorstellen und Samen kennen sie auch – zum Beispiel aus dem Frühjahr, wenn sie Samen aussäen, damit daraus etwas wächst. Nur dass man Papas Samen nicht in den Boden stecken und gießen kann, damit ein Baby daraus wächst, sondern dass sie die winzigen Eier von der Mama treffen müssen. So gibt man immer weitere kleine Informationen dazu, damit die Kinder nach und nach ihr Wissen auf eine breitere Basis stellen können.

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Mehr Spaß am Sex? Mit diesen fünf Spielen heizen Sie Ihr Liebesleben an

Erotik muss nicht ernst sein. Sexualtherapeutin Dr. Cordula Kehlenbach hat fünf Ideen, wie Sie Spannung in Ihr Liebesleben bringen.

Spielend leicht gefällt uns unser Liebesspiel wohl am besten. Da können wir ausgelassen sein, Sorgen vergessen, uns aneinander freuen. Es gibt zum Glück kein Argument, warum Sexualität eine ernste Sache sein sollte und nicht etwas Spielerisches sein darf. Wer spielt, der lacht meist auch. Lachen entspannt ungemein und fördert damit Sexualität auf seelischer, partnerschaftlicher und körperlicher Ebene. Denken Sie einmal daran, wie Kinder spielen: Einen festen Plan haben sie nicht, es wird laufend improvisiert, „Fehler“ gibt es nicht. Über Unerwartetes lachen Kinder und sie bauen es ins Spiel ein.
Folgende Spielarten dürfen Ihre Neugier wecken:

1. Den Körper entdecken mit Bodypainting

Man muss kein Künstler sein, um Spaß zu haben beim Bemalen oder Beschriften des Partners. Mit der Farbe dürfen die ohnehin schönen Stellen noch schöner gemacht werden. Narben, Flecken und ähnliches können verziert oder in ein schönes Bild integriert werden. Eine Krampfader kann zum Fluss einer Landschaft oder zu einer Blumenranke werden. Ein Fleck wird das Auge eines Smileys. Und die Einzigartigkeit der Liebenden wird hervorgehoben. Es gibt spezielle Bodypaint-Stifte oder Flüssigkeiten in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen, Lebensmittel oder Cremes aus dem Haushalt eignen sich aber genauso. Es ist schön, dass beim Bodypainting einer ganz aktiv ist. Der andere gibt sich dem Malenden ganz hin und ist gespannt auf das Ergebnis.

2. Nähe spüren beim Spiegel-Spiel

Gleichzeitige Aktivität ist beim Spiegel-Spiel angesagt. Beide sind nackt, sitzen sich zum Beispiel im Bett gegenüber. Einer ist der „Anführer“, er berührt oder küsst oder leckt den anderen an einer beliebigen Stelle, wie er es mag und so oft er mag. Der andere macht danach genau das Gleiche spiegelbildlich beim „Anführer“. Nach einer Weile werden die Rollen gewechselt. So kann man seinem Lieblingsmenschen gut zeigen, welche Stelle oder welche Art der Berührung man besonders gerne mag.

3. Spaß mit Strip-Poker oder Strip-Würfeln

Ein beliebiges Spiel mit mehreren kurzen Runden kann genutzt werden. Oder ein Würfel, bei dem eine bestimmte Zahl ausgewählt wird. Jeweils der Verlierer einer Runde oder der Würfler besagter Zahl zieht ein Kleidungsstück aus. Albern sein ist strengstens erlaubt. Man darf vorher in den Spielregeln festlegen, was passieren kann, wenn der erste nackt ist. Zieht euch warm an! Dann habt ihr länger was davon.

4. Zwei Wahrheiten, eine Lüge

Ein weiteres Spiel hat mit erotischen Fantasien zu tun. Veronika Schmidt schreibt zu Fantasien in ihrem Buch „Liebeslust“ (S. 115) Folgendes: „Damit ist nicht gemeint, dass wir uns andere Personen oder Paare in ihrer Intimität vorstellen, sondern vielmehr, dass wir eine erotische Fantasie und Vorstellung von uns selbst und unserem Partner entwickeln. Das sexuelle Begehren in der Partnerschaft erfordert es, dass sich Mann und Frau selbst und gegenseitig erotisieren, sich also Fantasien und erotische Gedanken erlauben.“

Jeder schreibt zwei Fantasien auf, die er wirklich reizvoll fände, und eine, die er nicht erotisch findet. Die Ideen dürfen durchaus verrückt oder lustig sein. Keine dieser Fantasien müsst ihr je ausgelebt haben oder wirklich durchführen wollen, zum Beispiel Sex auf dem Eiffelturm oder Liebe in einer einsamen Berghütte bei Gewitter. Abwechselnd liest man eine Fantasie vor und versucht zu erraten, ob es eine Wahrheit oder die Lüge ist. Das Ausdenken und das Erraten können sowohl Spaß als auch Lust machen. Das gemeinsame Spiel mit Fantasien erhält die Sexualität aufregend.

5. Vibratoren sind nicht schmuddelig

Interessante Erfahrungen können auch Vibratoren bringen. Manch einem mögen sie nicht geheuer sein, wie aus der „Schmuddelecke“ kommend. Dabei sind es lediglich technische Instrumente, die das (Sexual-)Leben schöner und angenehmer machen können (so wie eine Waschmaschine es auch tut). Es gibt viele Modelle, die ganz speziell für das gemeinsame Liebesspiel gedacht sind, indem sie beiden direkt oder indirekt (über die Freude am anderen) schöne Gefühle und Erregung bereiten. Unterschiedlichste Vibratoren können Penis, Hoden, Klitoris, G-Punkt und weitere erogene Zonen anregen. Entspannter Austausch darüber, wie man sich die gemeinsame Nutzung und die Vibration wünscht, gehören zum Spiel dazu. Seid immer offen für Improvisation und für Pannen.

Auf der Suche nach weiteren Spielarten stieß ich auf noch mehr Ideen, die an die Leichtigkeit der spielenden Kinder erinnern. Verstecken: An der Haustür (zur Ankunftszeit des Partners) seine Kleidung liegen lassen mit der Notiz, man habe sich nackt in der Wohnung versteckt. Eine Kissenschlacht im Bett veranstalten. Herausfinden, was zwei nackte Menschen alles mit einem langen Schal machen können? Sich gegenseitig mit viel Öl einreiben und das neue Berührungsgefühl entdecken (nach guter Präparation des Bettes!). Sich verkleiden und die entsprechende Rolle spielen, es reichen schon Andeutungen. Allein unsere Bewertung und unser Umgang mit den verschiedenen Spielarten und Ideen entscheiden darüber, wie wir uns dabei fühlen. Schmutzig und lächerlich? Oder eben spielerisch, leicht, humorvoll, aufregend, sexy, erotisch.

Dr. med. Cordula Kehlenbach ist Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Krefeld.

Erektionsstörung: So überstanden Cathrin und Daniel gemeinsam die Krankheit

Als Daniels Prostata entfernt wird, stürzen seine Frau Cathrin und er in ein Tief. Dr. Ute Buth erzählt, wie die beiden ihre Sexualität dadurch neu entdeckten.

Cathrin und Daniel empfanden ihre Sexualität anfangs als aufregend und zugleich auch als herausfordernd. Nicht alles lief, wie sie es sich vorgestellt hatten. Manch eine Prägung aus ihren sexuellen Lerngeschichten* fuhr ihnen in die Parade, musste eingeordnet und verstanden werden. Trotz mancher Irrfahrten blieben sie auf Kurs: Gemeinsam entwickelten sie ihre Sexualität in Höhen und Tiefen, manchmal auch mit Unterstützung in einer Fachberatung.

Mit der Zeit genossen und schätzten sie ihr intimes Miteinander immer mehr. Daniel beschreibt es so: „Diese besondere intime Nähe, diese Vertrautheit, die teilten nur wir zwei. Wir haben erst lernen müssen, über Sex zu reden, das war in unseren Familien so gar nicht selbstverständlich.“ Doch von der Sprachfähigkeit profitierte die Zweisamkeit, denn sie begannen, „uns immer mehr unsere gegenseitigen Vorlieben anzuvertrauen. Und das hat Früchte getragen.“ So konnten sie ihre Sexualität miteinander genießen und feiern.

Wolke 7 trifft auf Alltag

Doch selbst eine gelingende, aufregende partnerschaftliche Sexualität ist kein permanentes Schweben auf Wolke 7. Sie findet live statt und will auf dem Boden alltäglicher Rahmenbedingungen gelebt werden. Sexualität lebt davon, dass beide Partner sich kennen, sich vertrauen und dass sie Wege finden, mit den alltäglichen ungeschminkten Herausforderungen des Lebens weise umzugehen.

„In den unterschiedlichen Lebensphasen“, so Cathrin, „haben wir gelernt, in den zahlreichen Wetterlagen des Alltags unsere sexuelle Nische lebendig zu halten. Das war besonders in der Kleinkindphase unserer beiden Kinder nicht immer einfach.“ Beide schmunzeln. Cathrin ergänzt: „Manchmal haben wir uns einen Babysitter geholt und sind für einen langen Abend ins Hotel gefahren. Anfangs fuhr dann einer wieder nach Hause, um den Babysitter abzulösen. Der andere konnte im Hotel in Ruhe ausschlafen. Unsere Flexibilität und Kreativität hat uns später in der Krise sehr geholfen.“

Daniel kämpft mit Erektionsstörungen

Auslöser dieser Krise war eine Krebserkrankung. Mit Anfang 40 ging Daniel zum Urologen, „weil ich Probleme beim Wasserlassen hatte. Der Urologe entdeckte eine auffällige Prostatavergrößerung. Meine Prostata musste radikal entfernt werden.“ Die Operation verlief gut, der Tumor hatte nicht gestreut. Doch auf die Erleichterung folgte auch eine gewisse Ernüchterung, denn „sexuell lief danach gar nichts mehr“. Daniel hatte nach dem Eingriff mit Erektionsproblemen zu kämpfen. „Damit konnte ich als Mann nicht umgehen. Anfangs zog ich mich deshalb zurück.“

Auch Cathrin war mit der Situation überfordert. Sie wünschte sich ihre gemeinsame Sexualität zurück. Und zugleich war ihr klar, dass das so nicht möglich war. Vor allem aber vermisste sie die intime Nähe, die sie geteilt und genossen hatten. Sie wäre glücklich gewesen, mit Daniel zu kuscheln, sich an ihn zu schmiegen und ihm so ihre Liebe zu zeigen. Doch sie wollte ihn nicht bedrängen, stand hilflos vor der Situation und schwieg.

Daniel machte sich Sorgen. Was, wenn sich die Problematik nicht zurückbilden würde? Er sehnte sich nach Intimität mit Cathrin. Dass sie das Gespräch nicht suchte, verstand er als Enttäuschung und Rückzug. War er nun für sie nicht mehr „gut genug“?

Was hilft bei sexuellen Problemen?

Es ist normal, dass ein solcher Einschnitt beide Partner gewaltig erdet und zutiefst verunsichert. Sie verlieren einen Schatz, den sie sicher zu haben wähnten. An bewährte Strategien können sie nicht mehr anknüpfen, und zur Tagesordnung können sie auch nicht übergehen. In einer solchen Situation ist vor allem Mitgefühl gefragt. Mit sich selbst und mit seinem Gegenüber. Und möglichst auch der baldige Austausch darüber, wie es beiden geht. Denn nonverbal stellen sich, wie auch im Fall von Cathrin und Daniel, rasch Missverständnisse und Fehldeutungen ein.

Beim Urologen erfuhr Daniel, dass das Problem mit der Gliedsteife bis zu neun Monate andauern könne. In manchen Fällen würde es auch danach nicht besser. Daniels Verunsicherung war dadurch nicht weg. Die Tabletten, die ihm der Arzt verordnete, verbannte Daniel zunächst in eine Schublade.

Eines Abends ergab sich ein erstes zaghaftes Gespräch mit Cathrin über die aktuelle Situation, zuerst ganz allgemein, wie es beiden geht, aber auch, was all das mit ihnen als Paar gemacht hatte. Beide merkten, dass sie auf dem Weg Federn gelassen hatten, und wie sehr Missverständnisse ihr Verhalten beeinflussten. Doch sie erinnerten sich auch daran, dass sie sich früher in Herausforderungen ihrer Ehe und sexuellen Fragen in der Beratung Hilfe gesucht hatten. So entschieden sie, sich auch in diesem Fall Rat zu holen.

Eine Paarberatung kann helfen

In der Beratung sprachen sie erstmals ohne Bewertung vom anderen darüber, wie es ihnen tatsächlich geht und welche Fragen und Sorgen, aber auch welche Bedürfnisse und Ideen da sind. Überrascht stellten sie fest, dass sie beide weiter ein starkes Nähe-Bedürfnis hatten, dieses aber durch ihren jeweiligen Rückzug nicht geäußert hatten.

Nach und nach stellten sie sich dem akuten Schmerz des Verlustes und auch der Möglichkeit, dass dieser endgültig sein könnte. Sie trauerten über das, was sie eingebüßt hatten, und übten sich dann darin, ihren Blick auf das zu richten, was ihnen an Ressourcen und Möglichkeiten geblieben war.

Intimität jenseits von Geschlechtsverkehr

Überraschend war für Daniel, dass Cathrin zunächst vor allem seine intime Nähe spüren wollte. Ohne Anspruch auf Sex. „Ich war perplex, traurig und freudig überrascht zugleich. Genau das hatte ich mir ja auch gewünscht und mich doch nicht getraut, danach zu fragen. Weil ich meinte, meinen Mann nicht stehen/ nicht liefern zu können.“ Gemeinsam entschieden sie, die Tabletten für später aufzuheben und sich erst einmal langsam wieder anzunähern. Sie belebten anfangs zaghaft, dann immer mutiger längst verschollene Möglichkeiten aus den Anfängen ihrer Partnerschaft: Kuscheln, Streicheln, Küssen, Petting, eine erotische Massage und auch die Stimulation mit der Hand. Vor allem aber genossen sie ihre Zeit zu zweit. Cathrin beschreibt es so: „Endlich war die Eiszeit zwischen uns vorbei. Unsere ganze Beziehung, vor allem aber die Vertrautheit und Nähe tauten auf.“

Viele Paare unterschätzen die Möglichkeiten, Intimität jenseits von Geschlechtsverkehr zu erleben, oder haben sie schlichtweg nie eingeübt. Dabei lässt sich hier viel Land einnehmen und kreativ gestalten. Oftmals kommt erst in der Beratung zur Sprache, wie sehr sich ein Partner Intimität über den Penis-Scheide-Verkehr hinaus wünscht. Fehlt beiden die Sprachebene, ist es sehr herausfordernd, diesen Wunsch einzubringen. Das kann dazu führen, dass man Körperkontakt meidet. Nach dem Motto: Besser nicht kuscheln, sonst versteht das der andere direkt als Einladung zum Sex. Hier helfen klare Absprachen. Wann gehen wir auf Sex zu, wann genießen wir uns bewusst anders und loten unsere Möglichkeiten aus?

Die Erektion: Ein willkommener Gast

Mit den Tipps aus der Beratung entdeckten Cathrin und Daniel ihre gegenseitigen „Körperlandkarten“ und erotischen Zonen neu. Es waren wenige orientierende Sitzungen, bis sie ihren Weg gemeinsam gehen und stärken konnten. Sie tasteten sich langsam vorwärts, lernten Sexualität mit den neuen Randbedingungen zu gestalten und waren überrascht, wie sie nach und nach ganz neu aufregende sexuelle Begegnungen miteinander erleben konnten. Wenn es dabei zu einer Erektion kam, hießen sie diese als Gast willkommen, doch sie suchten bewusst auch Wege, ihre Intimität und Sexualität auch ohne diesen Gast zu genießen und zu feiern.

Was bleibt

Als sich die Erektion Monate später wieder mehr oder weniger regelmäßig einstellte, feierten Daniel und Cathrin auch das. Doch bis dahin hatte sich ihre Sexualität schon deutlich verändert. Ihre neue sexuelle Wirklichkeit wollten sie nicht mehr missen. Ihr Fazit: „Diese Höhen und Tiefen haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Wir hätten anfangs nie gedacht, dass gerade diese krasse Erfahrung unsere Sexualität am Ende bereichern würde.“

Daniel und Cathrin haben sich vorgenommen, in Zukunft frühzeitiger Hilfe zu holen und immer nach Auswegen zu suchen. Sie wollen den Einschränkungen nicht den Sieg überlassen und bereit sein, notfalls verlorenes Terrain zurückzuerobern.

Dr. med. Ute Buth ist Fachärztin für Frauenheilkunde, Weißes Kreuz Fachberaterin und zertifizierte Sexualberaterin und leitet die Beratungsstelle „herzenskunst“ (herzenskunst-beratung.de) in Bochum.

*Zum Begriff „Sexuelle Lerngeschichte“: Unabhängig davon, ob Sex aktiv gelebt wird, hat jeder Mensch seine sexuelle Lerngeschichte. Im Laufe unseres Lebens erhalten wir zahlreiche Informationen zum Thema Sexualität: Erlebnisse, Sachinformationen, Emotionen, Positives und auch Negatives. All diese Informationen verknüpft unser Gehirn wie in einem aufwendigen Orientteppich mit ganz individuellen Mustern. Unliebsame Bereiche kann man nicht wie beim Computer einfach markieren und löschen. Wir müssen umlernen, oder um im Bild des Teppichs zu bleiben: neue Fäden einweben und schauen, ob wir alte Fäden auslaufen lassen können.

„Hilfe, meine Tochter hat ihren ersten Freund!“ – So sprechen Sie über Sex und Verhütung

Die erste Beziehung ist für Jugendliche ein wichtiger Schritt. Therapeutin Melanie Schüer erzählt, welche Fettnäpfchen Eltern jetzt vermeiden sollten.

„Meine Tochter hat ihren ersten Freund. Wie verhalte ich mich als Mutter jetzt am besten?“

Es gibt so manche ersten Male im Leben von heranwachsenden Kindern – und der erste Freund gehört definitiv dazu. Wenn Ihre Tochter Ihnen selbst von der Beziehung erzählt, können Sie schon einmal stolz sein: Offenbar hat sie Vertrauen zu ihnen und sieht sie als wichtiges Gegenüber. Doch auch wenn Ihr Kind die Neuigkeit zunächst geheim hält, sollten Sie das nicht persönlich nehmen. Es hängt sehr vom Charakter ab, wie leicht oder schwer es einem Jugendlichen fällt, seinen Eltern eine solche Nachricht zu übermitteln. Und es gibt weitere Faktoren wie zum Beispiel:

  • Wie offen sprechen die Gleichaltrigen über dieses Thema?
  • Was haben die Jugendlichen darüber schon gehört, zum Beispiel von Freunden und Freundinnen?
  • Ist Ihr Kind das älteste Kind oder hat es schon Geschwister, die diese Erfahrung bereits gemacht haben?

Wenn sie davon erfahren, liegt es an Ihnen, möglichst souverän und vertrauenswürdig zu reagieren. Denn je besser Sie mit der Neuigkeit umgehen, desto höher ist die Chance, dass Sie Ihre Tochter in einer positiven Gestaltung der neuen Lebenssituation begleiten können und Ihr Kind Ihre Unterstützung annimmt.

Gelassen und respektvoll reden

Unterlassen Sie unbedingt herablassende Kommentare, aber auch mit lustig gemeinten Scherzen sollten Sie vorsichtig sein. Denken Sie daran: Ihre Tochter erlebt das alles zum ersten Mal und wird eine gehörige Portion Unsicherheit und vermutlich auch Verlegenheit Ihnen gegenüber verspüren. Ihr Job als Elternteil ist es daher, Gelassenheit und Normalität auszustrahlen. Reden Sie möglichst entspannt und weder besonders aufgeregt noch übertrieben locker oder humorvoll über das Thema. Versuchen Sie, eine ruhige, respektvolle und unaufgeregte Gesprächsstimmung herzustellen. Zeigen Sie Interesse, ohne zu neugierig zu wirken, beispielsweise so: „Super, ich freue mich für dich. Das ist ja eine ziemliche Veränderung, was? Wie heißt er denn und wo habt ihr euch kennengelernt?“

Kennenlernen ohne Einmischen

Natürlich wollen Sie sich als Elternteil ein Bild von dem Auserwählten Ihres Kindes machen und das ist auch gut so! Wichtig ist aber auch hier eine gewisse Zurückhaltung. Geben Sie Ihrer Tochter etwas Zeit. Wenn sie dann selbst kein Kennenlernen vorschlägt, können Sie behutsam nachfragen: „Ich würde Tobias ja gerne mal kennenlernen. Muss nicht lang sein. Vielleicht morgen Nachmittag kurz zum Tee, wenn er dich abholt?“

Beim Treffen selbst stellen Sie ein paar interessierte, aber nicht zu persönliche Fragen zum Beispiel über Hobbys, eventuelle Geschwister, Lieblingsfächer oder berufliche Pläne. Und erzählen Sie ruhig etwas von sich, aber nur kurz und knapp („Ach ja, Mathe hab ich früher auch nicht gemocht. Ich hatte damals die Idee, Polizistin zu werden, aber daraus wurde nichts.“).

Auch wenn Sie keinen guten Eindruck von Ihrem Gegenüber haben, bleiben Sie höflich und respektvoll. Sonst bringen Sie Ihr Kind nur gegen sich auf. Denn die rosarote Brille ist gerade in der Verliebtheitsphase ziemlich machtvoll! Sollte etwas an dem Freund Ihres Kindes oder dem Umgang miteinander Ihnen wirklich Sorgen machen, dann sprechen Sie in einem ruhigen Moment vorsichtig mit Ihrer Tochter. Formulieren Sie Ihre Sorge als Ich-Botschaft und eher als Frage: „Ich merke, dass du gern mit Jonas zusammen bist und das freut mich. Ich fand es auch super, dass ich ihn kennenlernen konnte. Nur irgendwie gibt es da etwas, das mich beschäftigt. Vielleicht übertreibe ich oder verstehe es falsch, aber mein Eindruck ist, dass …“

Verhütung ansprechen

Natürlich ist auch Intimität ein wichtiger Aspekt, wenn Ihre Tochter (oder auch Ihr Sohn) zum ersten Mal in einer Beziehung ist. Auch hier gilt es, mit Bedacht und möglichst gelassen und wertschätzend vorzugehen. Auf keinen Fall sollten Sie hier allzu scherzhaft oder von oben herab auftreten, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ebenso sollten Sie es vermeiden, diesen Aspekt wie ein Tabu-Thema zu behandeln. Bemühen Sie sich auch hier um einen möglichst normalen, unaufgeregten Tonfall. Suchen Sie das Gespräch unter vier Augen zu einem Zeitpunkt, zu dem Ihr Kind entspannt und zugänglich scheint (Das ist in der Pubertät durch das Hormonchaos häufiger mal nicht der Fall … dann lieber etwas abwarten!). Warten Sie aber nicht zu lange, denn im Rausch der Verliebtheit können auch die scheinbar vernünftigsten Jugendlichen manchmal viel schneller im Bett landen, als man das für möglich gehalten hätte.

Eine mögliche, beispielhafte Einstiegsformulierung wäre: „Hast du gerade etwas Zeit? Ich wollte gerne noch mit dir über etwas sprechen. Du bist ja jetzt ein paar Wochen mit Marcel zusammen. Ich weiß nicht genau, ob ihr beide schon über Verhütung gesprochen habt. Wir hatten das Thema ja noch nicht so ausführlich. Ich wollte dich mal fragen, wie gut du dich da informiert fühlst oder ob du Fragen hast?“ Warten Sie dann erst einmal ab, was Ihr Kind schon weiß, und beschränken Sie sich auf die wichtigsten Informationen, zum Beispiel:

  • Nur Kondome schützen vor Geschlechtskrankheiten;
  • Es gibt weitere Möglichkeiten wie die Pille;
  • Manchmal wirkt die Pille nicht (Durchfall, Erbrechen, verschiedene Medikamente wie Antibiotika).

Bedeutung der Intimität hervorheben

Sie können Ihrer Tochter auch einen gemeinsamen Besuch bei der Gynäkologin vorschlagen. Weiten Sie das Thema nicht zu sehr aus, aber versuchen Sie, zumindest kurz auf die Bedeutung von Intimität einzugehen: „Du allein entscheidest, wie weit du mit Marius gehen willst. Ich traue dir zu, gute Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist, dass du immer nur das tust, womit du dich wirklich wohlfühlst. Überlege einfach gut, was wann dran ist und lass dir Zeit. Manchmal lässt man sich zu Dingen hinreißen, die man später bereut. Gerade am Anfang einer Beziehung, da hat man quasi eine rosarote Brille auf. Oft sieht man erst nach einem halben bis einem Jahr klarer und kennt auch die Schwächen des anderen und sieht, ob es wirklich passt.“

Und, was manchmal vergessen wird: „Kein Verhütungsmittel ist 100 Prozent sicher. Etwa 5 von 100 Frauen, die mit Kondom verhüten, werden innerhalb eines Jahres schwanger. Deshalb ist es immer sinnvoll, sich genau zu überlegen: Würde dieser Junge im Ernstfall, wenn was schiefgeht, zu dir stehen? Willst du das gewisse Risiko eingehen, kannst du ihm vertrauen? Ich denke, dass man keine Nacktfotos verschicken sollte, ist dir sicher klar. Da sind echt schon schlimme Dinge passiert …“

Überlegen Sie sich vorher, welche Botschaften Sie vermitteln wollen und finden Sie dann Ihre eigenen Worte. Die obigen sind nur als Inspiration gedacht.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin. Sie bietet (Online-)Beratung für Eltern von Babys und Kleinkindern mit Schrei- und Schlafproblemen an (neuewege.me).

Sie will ein Junge sein

„Meine Tochter (10) zieht sich an wie ein Junge – breite Shirts und Hosen, Sneaker, Cap – und hängt kaum noch mit Mädchen rum. Jetzt will sie sich auch noch ihre langen Haare abschneiden lassen. Ich frage mich manchmal, ob sie kein Mädchen mehr sein will, und mache mir Sorgen. Ob ich es mal ansprechen soll?“

Ein offenes und wertschätzendes Gespräch ist immer eine sehr gute Idee! Hier würde ich Sie ermutigen, den Gedanken und Beweggründen des Verhaltens Ihrer Tochter mit viel Neugier und aufgeschlossenem Interesse zu begegnen und diese nicht zu problematisieren.

Stereotype hinterfragen

Bei Themen wie der Geschlechteridentität besteht für uns Erwachsene die große Chance, unsere eigenen Positionen und Werte immer wieder neu zu überprüfen. Wer entscheidet darüber, welche Kleidergröße oder Haarlänge weiblich oder männlich ist? Letztlich sind dies gesellschaftlich gewachsene Stereotype, die einer freiheitlichen, selbstbestimmten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eher im Wege stehen, als diese zu fördern. Wir haben die Chance, uns zu fragen, ob es mehr unser persönlicher Wunsch ist, dass unser Kind sich in bestimmter Weise kleidet und warum das so wichtig für uns ist. Dass ein Kind oder Teenager sich nach eigener Vorstellung „gestalten“ möchte, losgelöst von den Stereotypen oder gesellschaftlichen Konventionen, kann zunächst einmal auch als Ausdruck einer selbstbewussten Haltung verstanden werden. Dabei unterstützen wir unsere Kinder dann weitergehend, indem wir uns ganz aufgeschlossen für ihre Gedanken und Ideen interessieren, ohne diese zu bewerten.

Hierbei sollten wir selbstverständlich trotzdem weiterhin wachsam für Sorgen oder mögliche Probleme der Kinder bleiben. Auch solche können Ihre Tochter zu ihren aktuellen Veränderungen veranlassen. Vielleicht treiben sie Fragen in Bezug auf die Entwicklung ihrer Weiblichkeit oder damit verbundene Sorgen um? Sie befindet sich in einem Alter, in dem auch auf der biologischen Ebene viele Veränderungen stattfinden – einige Mädchen bekommen in diesem Alter das erste Mal ihre Periode, was sehr kontroverse Gefühle auslösen kann. Ebenso gut kann es sich um ungelöste Streitigkeiten zwischen Freundinnen oder schlicht Neugier für die Interessen des männlichen Geschlechts handeln. Der Vielzahl an möglichen Anliegen sind hier keine Grenzen gesetzt.

Wichtige Ansprechpartnerin

Wichtig ist bei all diesen Belangen, in einem vertrauensvollen Kontakt zu Ihrer Tochter zu stehen. Als Mutter sind Sie für Ihre Tochter erst einmal das gleichgeschlechtliche Vorbild und somit eine wichtige Ansprechpartnerin in Bezug auf Fragen zur weiblichen Entwicklung. Wenn Sie das Gefühl haben, dass es Ihrer Tochter schwerfällt, mit Ihnen direkt über dieses Thema oder ihre Sorgen zu reden und sie dennoch eine erwachsene Ansprechperson braucht, überlegen Sie, welche vertrauensvollen Alternativen es gibt. Fragen Sie beispielsweise eine gute Freundin der Familie oder eine wichtige andere weibliche Bezugsperson Ihrer Tochter, ob diese ihr in einem passenden Moment ein Gespräch oder Unterstützung anbieten kann.

Mara Pelt ist Psychologin M.Sc., systemische Beraterin und Familientherapeutin, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin i.A. und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Mutter fragt sich: „Will meine Tochter ein Junge sein?“ – Das rät die Expertin

Breite Hosen, Jungen-Clique und kurze Haare: Wenn sich Mädchen plötzlich wie Jungen verhalten, muss das kein Problem sein, sagt Psychologin Mara Pelt.

„Meine Tochter (10) zieht sich an wie ein Junge – breite Shirts und Hosen, Sneaker, Cap – und hängt kaum noch mit Mädchen rum. Jetzt will sie sich auch noch ihre langen Haare abschneiden lassen. Ich frage mich manchmal, ob sie kein Mädchen mehr sein will, und mache mir Sorgen. Ob ich es mal ansprechen soll?“

Ein offenes und wertschätzendes Gespräch ist immer eine sehr gute Idee! Hier würde ich Sie ermutigen, den Gedanken und Beweggründen des Verhaltens Ihrer Tochter mit viel Neugier und aufgeschlossenem Interesse zu begegnen und diese nicht zu problematisieren.

Stereotype hinterfragen

Bei Themen wie der Geschlechteridentität besteht für uns Erwachsene die große Chance, unsere eigenen Positionen und Werte immer wieder neu zu überprüfen. Wer entscheidet darüber, welche Kleidergröße oder Haarlänge weiblich oder männlich ist? Letztlich sind dies gesellschaftlich gewachsene Stereotype, die einer freiheitlichen, selbstbestimmten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eher im Wege stehen, als diese zu fördern. Wir haben die Chance, uns zu fragen, ob es mehr unser persönlicher Wunsch ist, dass unser Kind sich in bestimmter Weise kleidet und warum das so wichtig für uns ist. Dass ein Kind oder Teenager sich nach eigener Vorstellung „gestalten“ möchte, losgelöst von den Stereotypen oder gesellschaftlichen Konventionen, kann zunächst einmal auch als Ausdruck einer selbstbewussten Haltung verstanden werden. Dabei unterstützen wir unsere Kinder dann weitergehend, indem wir uns ganz aufgeschlossen für ihre Gedanken und Ideen interessieren, ohne diese zu bewerten.

Hierbei sollten wir selbstverständlich trotzdem weiterhin wachsam für Sorgen oder mögliche Probleme der Kinder bleiben. Auch solche können Ihre Tochter zu ihren aktuellen Veränderungen veranlassen. Vielleicht treiben sie Fragen in Bezug auf die Entwicklung ihrer Weiblichkeit oder damit verbundene Sorgen um? Sie befindet sich in einem Alter, in dem auch auf der biologischen Ebene viele Veränderungen stattfinden – einige Mädchen bekommen in diesem Alter das erste Mal ihre Periode, was sehr kontroverse Gefühle auslösen kann. Ebenso gut kann es sich um ungelöste Streitigkeiten zwischen Freundinnen oder schlicht Neugier für die Interessen des männlichen Geschlechts handeln. Der Vielzahl an möglichen Anliegen sind hier keine Grenzen gesetzt.

Sie sind eine wichtige Ansprechpartnerin!

Wichtig ist bei all diesen Belangen, in einem vertrauensvollen Kontakt zu Ihrer Tochter zu stehen. Als Mutter sind Sie für Ihre Tochter erst einmal das gleichgeschlechtliche Vorbild und somit eine wichtige Ansprechpartnerin in Bezug auf Fragen zur weiblichen Entwicklung. Wenn Sie das Gefühl haben, dass es Ihrer Tochter schwerfällt, mit Ihnen direkt über dieses Thema oder ihre Sorgen zu reden und sie dennoch eine erwachsene Ansprechperson braucht, überlegen Sie, welche vertrauensvollen Alternativen es gibt. Fragen Sie beispielsweise eine gute Freundin der Familie oder eine wichtige andere weibliche Bezugsperson Ihrer Tochter, ob diese ihr in einem passenden Moment ein Gespräch oder Unterstützung anbieten kann.

Mara Pelt ist Psychologin M.Sc., systemische Beraterin und Familientherapeutin, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin i.A. und lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Sexologin: Gleichberechtigung sorgt für besseren Sex

Wenn sich Paare im Alltag auf Augenhöhe begegnen, hat das auch positive Auswirkungen im Bett. Sexologin Veronika Schmidt erklärt, wie das zusammenhängt.

Je gleichgestellter ein Paar ist, desto größer ist die Chance auf ein erfülltes Sexleben. Das ist nicht einfach eine Behauptung, sondern gut untersucht. So fand eine Studie der Universität von Alberta heraus, dass Männer, die angaben, sich auf faire Weise an der Hausarbeit zu beteiligen und Verantwortung in der Kinderbetreuung zu übernehmen, auch mehr Sex hatten und zufriedener damit waren. Der Umkehrschluss: Je gleichgestellter sich Frauen erleben und Gleichberechtigung verhandeln, desto eher übernehmen sie andererseits Verantwortung für ihr eigenes und das gemeinsame Sexerleben. Das Schlüsselwort ist „Verantwortung“.

Sexentzug hat oft mit Machtkämpfen zu tun

Das Sexleben verweist oft auf Paarmechanismen außerhalb des Bettes. Da sind die offenen oder versteckten Machtkämpfe, die sich durch den Beziehungsalltag ziehen und im Bett zum Ausdruck kommen. Das kann dann bedeuten, dass man Sex oder bestimmte Praktiken dominant einfordert oder demonstrativ beleidigt ist, wenn es nicht so funktioniert, wie geplant. Häufig entziehen sich Ehepartner einander. Dabei ist der Sexentzug einfach eine Spielvariante des Liebesentzugs. Wer sich dem Sex und somit dem Partner oder der Partnerin verweigert, übt Macht aus. Meist geht es hier um eine Macht, von der man glaubt, sie sonst nicht zu besitzen. Macht auszuüben ist die Kehrseite der Ohnmacht. Ohnmacht wiederum gründet in der Annahme, auf sein eigenes Leben keinen Einfluss nehmen zu können.

Weshalb verweigern Frauen (und manchmal Männer) Sex? Weil sie es nicht besser wissen! Sie wissen nicht und nehmen nicht wahr, wie wichtig Sex für die Paarbeziehung ist. Keinen Sex wollen, heißt, sich der Verantwortung gegenüber der Paarbeziehung zu entziehen. Gleichzeitig muss dazugesagt werden, dass es kein Recht auf Sex gibt! Sex einzufordern, ist genauso verantwortungslos. Sex kann nicht eingeklagt werden. Aber Sex ist ein Akt der Freundlichkeit und Verantwortung. Deshalb sagt Paulus Paaren in der Bibel: „Entzieht euch einander nicht.“ (1. Korinther 7,5) Und er stellt diese Aussage ganz deutlich in den erweiterten Zusammenhang der bedingungslosen Gleichberechtigung, in etwas Wechselseitiges, sich Bedingendes.

Der Alltag lässt die Erotik vergessen

Häufig geht eine Flaute im Ehebett zurück auf die Unlust der Frau, aber nicht nur. Auch Männer können für eine Sexflaute verantwortlich sein, und auch da ist es eine Frage des eigenen Selbstverständnisses. Nehme ich das einfach so hin oder bin ich überzeugt, dass es Veränderungsmöglichkeiten gibt?

Ein sexloses Leben wird oft so lange ignoriert, bis sich die Angst einstellt, den Partner zu verlieren. Dabei hat nicht selten zu Beginn der Beziehung der Sex sogar beiden Spaß gemacht. Doch dann passiert das Leben, die Erotik wird vergessen oder sie passt nicht mehr in den Alltag.

Gerade die Lebensabschnitte, in denen die Rollen neu definiert werden müssen, sind besonders sensible Phasen für die Intimität. Jeder Lebensabschnitt bringt dabei seine eigenen neuen Herausforderungen. Zum Beispiel, wenn es gilt, von der unbeschwerten jungen Liebesbeziehung in die oft auch stressige und verantwortungsvolle Alltagsbeziehung zu wechseln.

Kinder ändern das Sexleben

Ganz entscheidend für den Sex ist die Phase des Kinderkriegens, wenn sich das Liebespaar zum Elternpaar entwickelt. Es kommt darauf an, wie das Paar mit dieser Rollenerweiterung umgeht. Besonders Frauen ringen oft damit, den Spagat zwischen Muttersein und Liebhaberin hinzubekommen, weil sie ununterbrochen an andere denken und für sich selbst dann nicht mehr existieren. Um Lust zu entwickeln, muss eine Frau aber Zeit haben, an sich selbst denken zu können. Und manche Männer kämpfen damit, die Mutter ihrer Kinder noch als erotisch begehrenswertes Gegenüber zu sehen.

Manche stellen auch Probleme in ihrem Sexleben fest, wenn sich das Nest leert und die Kinder ausziehen. In vielen Fällen ist das Liebespaar irgendwann auf der Strecke geblieben und man hat sich verloren. Man wollte es aber jahrelang nicht bemerken. Dabei können Paare aber nicht nur an sich selbst scheitern, sondern auch an den gesellschaftlichen und religiösen Rollenerwartungen, denen sie entsprechen wollen oder meinen, entsprechen zu müssen.

Gleichberechtigung schafft freien Sex

Zuallererst müssen wir begreifen, was mit den Rollenbildern und der Sexualität im Laufe der Geschichte geschehen ist und was diese Tatsache mit uns allen immer noch macht. Ich habe den Zusammenhang von Gleichberechtigung und glücklichem oder unglücklichem Sexleben gründlich studiert und in meinem Buch „Endlich gleich!“ dokumentiert. Und ich bin zum Schluss gekommen: Ohne grundsätzliche Freiheit der Frau, also ihrer bedingungslosen Gleichstellung in der Beziehung, in der Gesellschaft und in der Religion, gibt es keine Freiheit der weiblichen Sexualität. Und damit auch keine eigenverantwortliche weibliche Sexualität. Es geht dabei nicht einfach um fortschrittliche Rollenbilder versus traditionelle. Sondern darum, wie reflektiert, selbstbestimmt, ebenbürtig und solidarisch das gewählte Lebensmodell zustande kommt. Entscheidend ist, was für das einzelne Paar stimmt.

Eine Frau kam in die Beratung, um einen Orgasmus zu lernen. Oder Freude am Sex überhaupt. Sie war seit über zwanzig Jahren verheiratet und in einer streng religiösen, traditionellen Glaubensgemeinschaft aufgewachsen, zu der sie immer noch gehörte. Durch die Beratung begann eine Entwicklung in ihr, die nicht nur in Kleidung und Frisur zum Ausdruck kam, sondern auch in ihrem ganzen Wesen und Auftreten. Das blieb in ihrer Umgebung nicht unbemerkt, doch sie lernte sich darin zu behaupten. Sie traute sich Aufgaben und Einfluss zu und packte eine Ausbildung an. Am meisten Freude daran hatte ihr Mann. Das ist überhaupt meine Erfahrung. Viele Männer begrüßen eine emanzipatorische Entwicklung ihrer Frau und sind positiv überrascht, auch wenn sie dies zuvor gar nicht hätten ausdrücken können. Es wäre ihnen nicht möglich gewesen, zu benennen, dass es das ist, was ihnen als Paar fehlt. Solche grundlegenden Veränderungen zu erleben, gehört zum Schönsten in meiner Beratungstätigkeit.

Auf das Selbstbewusstsein kommt es an

Eine Sexualität, die als erfüllend erlebt wird, hat viel mit Selbstwert und Selbstbewusstsein zu tun. Sexualität, die als lustvoll erlebt wird, stärkt nicht nur den Selbstwert und das Selbstbewusstsein, sondern auch die eigene Identität als Frau und Mann. Das hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche des Lebens. Selbstbewusstsein ist allerdings auch Voraussetzung dafür, sich im Bett emanzipiert geben zu können und selbstverantwortlich mit der eigenen Lust umzugehen.

Erst wenn Frauen (und einige Männer) die Flaute im Ehebett nicht mehr hinnehmen, weil sie erkennen, dadurch etwas Schönes und Bereicherndes zu verpassen, werden sie sich ganzheitlich emanzipieren können.

Partner sollten wissen, was sich gut anfühlt

Ein emanzipiertes und gestärktes Selbstbewusstsein verändert die Beziehung positiv. Je klarer Frauen dabei werden, je besser sie für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse einstehen können, desto mehr können sich im Gegenzug Männer erlauben, weicher zu sein. Und umso eher können Männer über ihre Bedürfnisse und Gefühle sprechen. Letztlich werden sie genau dadurch stärker und männlicher und wiederum für die Frauen attraktiver.

Diese Zusammenhänge müssen auch unsere Körper „begreifen“ – im ganz wörtlichen Sinn, nämlich im Anfassen. Oft bedeutet dies, erstmals Selbsterfahrungen zu machen, die man dann mit in die Paarsexualität einbringen kann. Wer den Weg zu seinem Gipfel nicht kennt, kann auch nicht erwarten, dass der Partner oder die Partnerin ihn findet. Für meine Lust bin ich selbst verantwortlich. Damit Frauen und Männer Sex genießen können, müssen sie ihren Körper kennen. Und dabei geht es nicht darum, „wie es aussieht“, sondern „wie es sich anfühlt“. Es geht darum, das Anfühlen selbst zu steuern. Und Sex verändert sich mit den Jahren, ebenso die Bedürfnisse. Deshalb muss man immer wieder herausfinden, was stimmt und geht, und es kommunizieren.
Da sind Männer genauso herausgefordert wie Frauen. Denn viele Männer „konsumieren“ Sex, sie wecken ihn nicht aus sich selbst heraus. Deshalb beklagen manchmal Frauen, die keine Lust haben, dass ihre Männer keine guten Liebhaber sind.

Sex hat viele Gesichter

Was macht einen Mann zum schlechten Liebhaber? Er ist darauf fixiert, was er im Sex von der Frau geboten bekommt, statt darauf, was er selbst in seinem Körper an erotischem Erleben auslösen kann. Die meistgehörten Klagen wiederum von Männern in Bezug auf das Sexleben sind: „Sie will keinen Sex.“, „Sie ist nicht oder nicht leidenschaftlich dabei.“, „Sie erlebt nichts oder will nichts dabei erleben.“, „Sie lässt sich nicht auf Experimente ein.“

Es gibt eine große Bandbreite an Sexualität zu entdecken: schnell und wild, ganz zärtlich oder hochemotional, mit und ohne Orgasmus, mit und ohne Penetration. Ein ganzes Orchester. Dazu gehören auch passiv und aktiv, dominant und unterwerfend. Doch gerade Letzteres, das „Machtgefälle in der Sexualität“, kann nur gesund gelebt werden, wenn es eine selbstbestimmte und selbstgewählte Spielvariante ist. Dann aber hat diese ihren ganz eigenen Reiz, die in der Sexualität lustvoll ausgelebt werden kann – Nehmen und Genommenwerden.

Veronika Schmidt ist Sexologin, systemische Beraterin und Autorin. Das Thema „Gleichberechtigung“ hat sie in ihrem Buch „Endlich gleich!“ (SCM Hänssler) untersucht. In ihrem Buch „Alltagslust“ (SCM Hänssler) erläutert sie, wie man die eigenen erotischen Fähigkeiten entwickeln kann.

„Ist unser Sohn pädophil?“

„Ich kam heute in das Zimmer meines Sohnes (16) und sah ein Foto von einem nackten Kind auf seinem Laptop. Er klappte ihn sofort zu und schickte mich raus. Mich lässt das nicht los. Ist unser Sohn pädophil? Wenn ja, wie können wir ihm helfen?“

Sie haben bisher nur gesehen, dass Ihr Sohn ein Bild von einem nackten Kind auf seinem Rechner hatte. Aus Ihrem Brief können wir nicht ersehen, ob dieses Bild für ihn sexuell stimulierend gewesen ist, Sie mit ihm darüber gesprochen haben und was er selbst dazu gesagt hat.

Ist der Sohn selbst Opfer?

Es ist nicht auszuschließen, dass jemand – wahrscheinlich aus seinem Bekanntenkreis – ihm das Bild unaufgefordert zugeschickt hat und Ihr Sohn in diesem Sinne sogar Opfer geworden ist. Auch in diesem Fall ist es durchaus nachvollziehbar, dass er sich schämt und den Laptop schnell zuklappt. Wenn das der Fall wäre, bräuchte er Schutz vor der Person, die ihn mit diesen Bildern konfrontiert hat. Bitte wenden Sie sich in diesem Fall schnell an eine Opferberatungsstelle.

Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle

Es ist natürlich auch möglich, dass Ihr Sohn die Bilder selbst gesucht oder erbeten hat. Jugendliche oder Erwachsene, die Missbrauchsabbildungen von Kindern konsumieren (und sogar diejenigen, die tatsächlich Kinder sexuell missbrauchen), sind nicht notwendigerweise pädophil. Im Gegenteil sind sogar die meisten Sexualstraftäter von sexuellem Kindesmissbrauch nicht auf kindliche Körper fixiert, sondern missbrauchen sie als Scheinlösung für emotionale Probleme wie etwa Ohnmachts- oder Minderwertigkeitsgefühle. Als Entlastung für ihr schlechtes Gewissen finden sie allerlei Vorwände, etwa, dass das dem Kind doch nicht wehtue oder nur als Scherz gemeint sei.

In ihrem Inneren wissen sie jedoch, dass sie eines der größten Tabus gebrochen haben und dass sexuelle Handlungen gegenüber Kindern schädigend und verboten sind. Wenn sie dabei lange unentdeckt bleiben, stellt sich für sie mit der Zeit oft eine Selbstverständlichkeit ein, die eine Verhaltensänderung noch erschwert – verbunden meist mit umso größeren Selbstvorwürfen, sich als Sexualstraftäter sehen zu müssen.

Suchen Sie sich und ihm Hilfe!

Insofern braucht Ihr Sohn auch in diesem Fall Hilfe, auch, weil er möglicherweise mit dem Konsum von Missbrauchsabbildungen eine Straftat begangen hat. Auch das Kind, dessen Nacktbild vermutlich im Internet zu finden ist, braucht Hilfe. Übergriffige Personen sind meist aus Scham nicht bereit, Hilfe anzunehmen. Aber zum Glück ist Ihr Sohn noch jung genug, dass Sie als Eltern auf ihn einwirken können.

Übergriffiges Verhalten braucht – als Schutz vor einem Rückfall in das unerwünschte Verhalten und zum Schutz des abgebildeten Kindes – eine klare Begrenzung, aber übergriffige junge Menschen brauchen auch Unterstützung, sich selbst (wieder) annehmen zu können und sich auf legalem Weg für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Und auch im Falle, dass Ihr Sohn tatsächlich eine pädophile Neigung haben sollte, dürfte seine Identitätsfindung für ihn sehr herausfordernd sein, weil er dann mit einem Leben konfrontiert wäre, in dem er niemals eine seinen Neigungen gemäße Sexualität leben könnte. Bitte nehmen Sie die Hilfe einer Fachstelle in Anspruch.

Barbara Behnen ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in der Beratungsstelle LIEBIGneun und Leiterin der Opferberatungsstelle Wildwasser Gießen.