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Darf ich vor meinem Kind das Handy nutzen?

Vor dem Kleinkind völlig auf das Smartphone zu verzichten ist kaum möglich, sagt Derya Leermeier von der Landesanstalt für Medien NRW. Doch sie rät: Es sollte nicht die Aufmerksamkeit vom Kind wegnehmen.

„Ist es okay, wenn ich mein Handy vor den Augen meines Kleinkindes (2) benutze? Oder ist es irgendwie schädlich? Und macht es mich gleich zum schlechten Vorbild?“

Im stressigen Familienalltag kann das Smartphone eine große Unterstützung sein und ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Ob Absprachen in der Kita-WhatsApp-Gruppe, Einkaufslisten-Apps oder Online-Shopping für die Großen und Kleinen – das Internet erleichtert uns die Organisation von vielen Dingen enorm. Zudem hält das Netz für Sie als Eltern unzählige Informationsmöglichkeiten bereit. Darüber hinaus nutzen wir das Smartphone auch zur Unterhaltung und Entspannung, indem wir Beiträge lesen, durch Social Media scrollen oder Videos anschauen. Es ist also auch eine willkommene Quelle, um mal kurz abzuschalten und dem Alltag für ein paar Augenblicke zu entkommen.

Vorbildrolle bedenken

Dass Eltern das Smartphone ab und zu in die Hand nehmen und vor den Augen ihres Kleinkindes benutzen, lässt sich daher nicht vermeiden. Es spricht erst einmal auch nichts dagegen. Wer dies jedoch sehr häufig tut, sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Art und Weise, wie man als Elternteil mit Medien umgeht, die eigenen Kinder prägt – auch bereits die ganz Kleinen. Diese werden zum einen neugierig auf das digitale Gerät und möchten es auch anschauen und benutzen. Zum anderen merken sie schon früh, wenn die Aufmerksamkeit des Elternteils nicht auf ihnen liegt. Im schlechtesten Fall kann dies die Beziehung zwischen Kind und Elternteil sogar stören.

Die gemeinsame Zeit ohne Ablenkung genießen

Der elterlichen Vorbildrolle im Alltag gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Wenn es um den Umgang mit digitalen Medien geht, sollten Eltern schauen, wie sie sich regelmäßig Auszeiten vom Smartphone schaffen. In diesen Zeiten können sie sich ausschließlich mit dem Kind beschäftigen, ohne dass die Aufmerksamkeit leidet und man vom Smartphone abgelenkt wird. Statt häufig auf den Bildschirm zu starren, ist es daher wichtig, die gemeinsame Zeit zu genießen, dem Kind zuzuhören und ihm zu vermitteln, dass Sie voll und ganz anwesend sind. Sich ohne Ablenkung auf Ihr Kind zu konzentrieren, tut sowohl dem Kind als auch Ihnen selbst gut. Das schafft noch mehr Nähe und bietet Raum für wichtige Momente ohne digitalen Begleiter.

Derya Leehmeier ist Referentin bei der Landesanstalt für Medien NRW für die EU-Initiative klicksafe.

„Hätte am liebsten losgeheult“ – Stefanie besucht mit Sohn Daniel (15) Holocaust-Überlebende in Israel

Stefanie und Daniel Böhmann waren in Israel zu Gast bei Shoa-Überlebenden. Jetzt haben sie einen Auftrag: gegen das Vergessen.

Ich hatte in den letzten Monaten oft den Eindruck, dass Daniel, unser 15-jähriger Sohn, und ich in zwei unterschiedlichen Welten leben: Er hat seine Sicht der Dinge, seine Ausdrucksmöglichkeiten und „Minuten“, in denen er mir unendlich fern scheint. Da ist es nicht so einfach, verbindende Elemente zu finden. Doch ein Thema ist uns beiden wichtig: die Versöhnungsarbeit in Israel. Vor fünf Jahren waren wir das erste Mal mit Ebenezer Deutschland, einer Organisation, die Juden bei ihrer Rückkehr nach Israel hilft und Versöhnungsarbeit leistet, in Israel. Wir haben Überlebende in Altenheimen oder in ihrem Zuhause besucht. In diesem Jahr haben wir nun schon zum dritten Mal als Familie dieses faszinierende Land bereist. Dieses Mal haben wir so viel Gastfreundschaft erlebt und durften in so viele unterschiedliche Haushalte Einblick nehmen, dass wir die ganzen Eindrücke erst mal sortieren müssen. Da hilft Daniel und mir das Schreiben.

„Weil ich Israel liebe“

Eine der ersten Begegnungen fand in Jerusalem statt. Wir waren bei einer deutschen Journalistin zum Shabbatessen eingeladen. Ihre Mitbewohnerin in der WG ist Jüdin und fragte Daniel, warum er ausgerechnet in Israel sei. Daniel antwortete von ganzem Herzen: „Weil ich Israel liebe.“ Mehr Worte brauchte es nicht. Die Mitbewohnerin war beeindruckt und erzählte es am nächsten Tag ihrer Schwester: „Hey, gestern Abend war hier ein 15-jähriger Deutscher, der Israel liebt.“ Zuhören und da sein ist eine der wichtigsten Brücken, die zur Verständigung beitragen.

Als ich Daniel fragte, was er an Israel so liebt, schrieb er Folgendes auf: „Israel ist ein Land, das besonders in Deutschland durch die Medien mit Vorurteilen belegt ist. Solche Vorurteile hatte ich auch bei meinem ersten Besuch. Doch als ich hier ankam, habe ich die Wahrheit über Israel gesehen, gerochen und gespürt. Sei es, durch die Altstadt in Jerusalem zu laufen und in die Läden reinzuschauen, die Gewürze zu riechen oder mitzubekommen, wie es ist, wenn mir auf dem Markt irgendjemand versucht, etwas anzudrehen. Das würde mir nie so in Deutschland passieren.

Gerade freitags vor dem Beginn des Shabbats versuchen sich auf dem Shuck (Markt) hunderte Menschen einen Weg durch die Menschenmassen zu bahnen, um noch pünktlich vor Shabbatbeginn zu Hause zu sein. Da pulsiert das Leben. Wenn man nur ein bisschen aus den Städten herausgeht, dauert es nicht lange, bis man vom Flachland in eine wunderschöne Hügellandschaft kommt und gerade im März über die schönsten wilden Alpenveilchen, Mohn und grüne, saftige Wiesen staunen kann.“

„Du hast mein Herz gewonnen“

Aber es ist nicht nur das Land, das uns als Familie fasziniert, es sind auch die Menschen. Wir sind hier, um die Geschichten der Menschen zu hören, vor allem derjenigen, die den Holocaust überlebt haben. Als die 99-jährige Edith, die immer noch acht Sprachen sprechen kann, nach einer Stunde Gespräch meine Hand hält und mir sagt: „Steffi, du hast mein Herz gewonnen“, hätte ich am liebsten losgeheult. Diese Frau trauert immer noch um ihre Eltern und Verwandten, die in Auschwitz ermordet wurden. Und doch werde ich als fremde Deutsche mit einem wunderbaren Abendessen empfangen. Und mir wird mit so viel Offenheit und Wärme begegnet, dass ich tief beschenkt ins Hotel zurückfahre.

„Wir sind es, die etwas tun müssen“

Nach dem Besuch bei Regina Steinitz, einer anderen Überlebenden, schreibt Daniel: „Da sitzt eine 91-jährige Frau und berichtet über Dinge, die sie in meinem Alter erlebt hat, bei denen ich mir nicht mal nach genauester Schilderung ausmalen kann, wie viel Leid sie erlebt hat und noch mit sich trägt. Regina Steinitz ist für mich ein Vorbild. Ein Bundesverdienstkreuz ist ihr vollkommen egal. Das Einzige, was sie möchte, ist, dass Menschen die Shoa nicht vergessen und Menschen sich als Menschen begegnen und auch so behandeln. Nicht nur einmal ist sie an dem Abend außer sich und hat uns manchmal sogar angebrüllt, dass wir es sind, die etwas tun müssen gegen das Vergessen.

Mit Sorge blickt sie auf den Antisemitismus, den es immer noch gibt und der eher zu- als abnimmt. Immer noch versuchen Menschen, Juden für Leid verantwortlich zu machen. Immer noch wird ein Unterschied zwischen Menschen gemacht und Rassismus gelebt. Ich kann mir nur ausmalen, was es mit so einer besonderen Person macht, wenn sie erneut mit Ausgrenzungen konfrontiert wird. Doch, was ihr besonders zu schaffen macht, ist, dass sie ihr Leben nicht mehr mit ‚meinem Zwi‘, wie sie ihren vor zwei Jahren verstorbenen Mann nennt, verbringen kann.“

„Sie sind für mich Vorbilder“

„Genauso geht es Gerda Büchler. Schon öfter habe ich ihre Geschichte gehört und gelesen, doch sie fasziniert mich immer wieder. Obwohl sie Mitte 90 ist und nach der Flucht vor den Nazis neun Operationen brauchte, damit ihre im Schnee erfrorenen Füße wieder halbwegs normal zu gebrauchen waren, sagt sie: ‚Ich mache alles, damit man nicht vergisst.‘ Selbst in diesem hohen Alter hat der Einsatz gegen das Vergessen für sie Priorität. Dabei geht es ihr nicht um ihre Geschichte, sondern darum, dass man davon erfährt, was mit dem jüdischen Volk gemacht wurde. Und dass Menschen wie wir aktiviert werden, sich gegen Völkermord und das Vergessen einzusetzen.

Diese beiden Damen sind für mich Vorbilder und gehören zu den stärksten Menschen, die es zurzeit auf dieser Welt gibt, da sie in ihrem hohen Alter noch immer erzählen und lächeln können, trotz dessen, was ihnen widerfahren ist. Sie geben nicht auf, haben ein Ziel vor Augen und halten daran fest.“

So fliegen wir tief beeindruckt und mit einem Auftrag zurück nach Hause. Wir bereiten einen weiteren Austausch für Jugendliche und Lehrer vor, damit weitere Brücken gebaut werden zwischen den Völkern, Vorurteile durch Begegnungen abgebaut werden und wir unseren Auftrag ausführen können: Dazu beizutragen, dass die Shoa nicht vergessen wird und Menschen sich als Menschen kennenlernen und begegnen können. Was für ein besonderes Geschenk, diesen Auftrag als Mutter und Sohn auf dem Herzen haben und teilen zu können, denn Daniel will mit einem Klassenkameraden an dem Austausch teilnehmen.

Stefanie und Daniel Böhmann leben in Hamburg.

Was tun? Plötzlich benutzt Sohn (13) Beleidigungen seines Lieblings-YouTubers

Influencer beeinflussen Jugendliche ganz natürlich. Aber was tun, wenn sie sich auch schlechte Angewohnheiten abschauen?

„Mein Sohn (13) nutzt häufig Redewendungen, die er sich scheinbar von seinen Lieblings-YouTubern abgehört hat. Das sind zum Teil aber Formulierungen, die ich nicht okay finde, weil sie zum Beispiel abwertend sind. Wie kann ich da passend reagieren?“

Ich kann gut verstehen, dass Sie die eine oder andere kopierte Formulierung Ihres Sohnes als abwertend oder verletzend wahrnehmen. Und dass Sie sich wünschen, dass Ihr Sohn so nicht mit Ihnen oder anderen Menschen redet. Ich finde allerdings als ersten Schritt wichtig zu verstehen, dass er das vermutlich nicht macht, um jemanden bewusst abzuwerten, sondern um so zu sein wie sein Vorbild.

Kinder brauchen Vorbilder

Vorbilder sind für Teenager extrem wichtig, um eigene Positionen entwickeln zu können. Neben uns Eltern, die wir automatisch als Vorbild für unsere Kinder dienen, suchen sich Kinder spätestens mit dem Schulstart weitere Vorbilder. Das ist normal, gut und wichtig. Bei der Auswahl eines Vorbildes spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: eine wahrgenommene Ähnlichkeit, der wahrgenommene Erfolg des Vorbildes und die Überzeugung, dem Vorbild nacheifern zu können. Natürlich werden auch Sätze und Verhaltensweisen und häufig auch der Kleidungsstil und das Styling des Vorbildes kopiert.

Gleichzeitig lernen Teenager auch, sich mit ihrer eigenen Meinung gegen andere, wie auch ihre Vorbilder, abzugrenzen. Diese Fähigkeit, eine eigene Meinung zu haben, diese zu äußern und das eigene Verhalten zu reflektieren, muss sich Stück für Stück entwickeln. Dabei können Eltern ihre Kinder unterstützen, aber bitte nicht mit der Brechstange oder mit Verboten, sondern liebevoll und geduldig.

Gemeinsam Videos schauen

Eine Möglichkeit, mit Ihrem Sohn ins Gespräch zu kommen, wäre es, mit ihm gemeinsam ein Video seines Lieblings-YouTubers zu schauen. So zeigen Sie Interesse an dem, was Ihrem Sohn wichtig ist. Und Sie können herausfinden, in welchem Zusammenhang die Formulierungen im Original verwendet werden. Nach dem gemeinsamen Anschauen könnte folgende Frage ein Gespräch eröffnen: „Was fasziniert dich so an [Name vom Lieblings-YouTuber]?“ Jetzt gilt es, zuzuhören und die Meinung Ihres Kindes stehen zu lassen. Schätzen Sie wert, was Ihnen selbst imponiert hat.

Im Anschluss könnten Sie fragen: „Gibt es auch irgendwas, was du an [Name] oder an seinen Videos blöd oder komisch findest?“ Diese Frage führt dazu, dass Ihr Sohn die Videos seines Vorbildes bewusst reflektiert. Und selbst wenn er keine Antwort darauf hat oder alles gut findet, stößt es einen wichtigen Reflexionsprozess an. Anschließend können Sie selbst sagen, was Sie an dem Video irritiert hat, wie zum Beispiel die abwertenden Formulierungen.

Greifen Sie aber nicht das Vorbild Ihres Sohnes an, sondern helfen Sie Ihrem Sohn, seine eigene Meinung zu bilden und sein Verhalten zu reflektieren. Das ist sicherlich ein langsamerer Weg, als bestimmte Aussagen zu verbieten, aber gleichzeitig eine große Hilfe für Ihren Sohn, sich zu einer eigenständigen und selbstbewussten Person zu entwickeln.

Johannes Krupinski ist Referent für Teenager in einem Gemeindeverband. 

Kinderaugen sehen alles!

Ruth Korte wünscht sich mehr Vorbilder im Straßenverkehr – für ihre Tochter und alle anderen Kinder.

Wir bringen unserer Tochter gerade die ersten und wichtigsten Verkehrsregeln bei: Dass man nicht einfach über eine Straße geht, sondern erst nach links, rechts und wieder nach links schaut, bevor man sie überquert, sich im Auto immer anschnallt, die Hände von Mama und Papa immer ans Lenkrad gehören, man den Radweg für Radfahrer freihält und man sich auch dann nochmal umsehen und gegebenenfalls Blickkontakt mit den Autofahrern suchen sollte, wenn die Fußgängerampel schon grün zeigt. Klappt prima. Eigentlich.

Uneigentlich fällt uns seitdem immer öfter auf, wie viele Erwachsene diese Regeln brechen. Da fährt dann doch noch schnell ein Auto über die rote Ampel, glotzen Autofahrer auf ihr Handy statt auf die Straße oder läuft ein Fußgänger über die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten.

Zugegeben: Die eine oder andere Verkehrssünde habe auch ich schon mal begangen, zum Beispiel wenn ich es eilig hatte oder abgelenkt war. Doch die aufmerksamen Augen meiner kleinen Tochter mahnen mich. Beim Einhalten der Verkehrsregeln geht es nicht nur um meine Sicherheit und schon gar nicht darum, ob die Polizei mich erwischen könnte, wenn ich sie breche. Auch Kinderaugen können mich erwischen! Wir Erwachsene haben eine Vorbildfunktion. Kinder lernen von uns, wie man sich verhält – auch im Straßenverkehr. Wir haben ihnen gegenüber somit eine große Verantwortung, die lebensgefährlich werden kann, wenn wir sie nicht wahrnehmen. Denn je öfter Kinder sehen, dass Verkehrsregeln von ihren Vorbildern gebrochen werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Regeln selbst irgendwann brechen und sich somit in Gefahr begeben.

Also: Augen auf die Straße und Hände aufs Lenkrad oder den Lenker und Geduld haben, bis die Ampel grün leuchtet – auch wenn die Straße nicht besonders befahren ist. Denn es kann immer sein, dass wir aus einem Auto, Buggy oder vom Straßenrand aus von denen beobachtet werden, die es uns irgendwann nachmachen.

Ruth Korte ist Freie Redakteurin bei Family und FamilyNEXT, Buchautorin und lebt mit ihrer Familie in Gießen.

„Hilfe, mein Kind ist rechts!“ – Das können Eltern tun, wenn Jugendliche abrutschen

Experte Torsten Niebling berät Eltern im Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen. Wichtig ist: Nicht emotional werden!

Welches Verhalten gilt als „rechtsextrem“?
Das Teilen oder Nachahmen rechtsextremer Symbole wie Hakenkreuzen. Handlungen wie den Hitlergruß zeigen. Oder auch das Verunstalten und Posten von Fotos von Mitschülern. Auch äußerliche Merkmale wie das Tragen bestimmter Kleidung oder das Hören bestimmter Musik mit Freunden gehören dazu. Es geht immer darum, Angst zu verbreiten, die eigene Gruppe aufzuwerten und andere zu diskriminieren, zu bedrohen und bestimmte Ideologien zu verbreiten.

Nachfragen!

Was sollen Eltern tun, wenn ihre Jugendlichen plötzlich rechte Lieder trällern oder entsprechende Meinungen äußern?
Eltern haben aufgrund der besonderen Beziehung zu ihrem Kind immer die Möglichkeit, auf es einzuwirken. Falsch wäre, so ein Verhalten nur schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen oder aber nur mit Enttäuschung und Wut, also sehr emotional, zu reagieren. Das verhärtet nur die Fronten. Kommen Sie stattdessen miteinander ins Gespräch. Bemerken Sie, dass es Sie irritiert, dass Ihr Sohn so eine Position vertritt, und fragen Sie ihn, wo er das herhat, was genau er damit meint. Stellen Sie ihm Fragen, denn das führt dazu, dass er sich erklären muss – und mit einer anderen Sichtweise konfrontiert wird. Zeigen Sie sich politisch. Sagen Sie ihm, dass Sie es nicht so sehen und warum. Diskutieren Sie miteinander! So werden Sie auch herausfinden, wie feststehend seine Meinung wirklich ist, oder ob er „nur“ mal provozieren und testen wollte, wie das ankommt.

Manche Jugendliche wollen provozieren

Wo kommt so ein Verhalten her?
Jugendliche politisieren sich durch die Verarbeitung von Erfahrungen im Alltag. Diese Entwicklung ist eingebettet in den Prozess von Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung. Sie bilden sich eine eigene Meinung – auch und gerade unabhängig von den Eltern. Manche gehen gezielt über die Grenzen der Eltern hinaus, um sich als selbstständig zu erleben. Und Eltern kann man mit rechtsextremen Meinungen mitunter sehr stark provozieren! Viele rechtsextrem orientierte Jugendliche haben aber noch keine gefestigte politische Einstellung. Sie haben zwar ihre Meinung, sind darin aber noch in der Entwicklung und somit beeinflussbar.

Holen Sie Hilfe!

Wie können Eltern rechtsextremen Tendenzen entgegenwirken?
Wenn Ihr Kind in die rechte Szene gerät, holen Sie sich frühzeitig Hilfe – auch bei Beratern. Kultivieren Sie eine Konflikt- und offene Gesprächskultur. Dafür ist es nie zu spät! Es geht nicht immer darum, das bessere Argument zu haben. Wenn in Familien nicht über Politik und Werte diskutiert wird, lernen Jugendliche nicht, sich eine Meinung dazu zu bilden und – ganz wichtig! – andere Meinungen zu respektieren. Wir wissen aus Biografien rechtsextremer Gewalttäter, dass sie häufig in kalten Familien aufgewachsen sind, wo es wenig Wertschätzung, keinen Ausdruck von Gefühlen und sogar Gewalt gab. All das sind Risikofaktoren für Gewalt. Lassen Sie Ihren Jugendlichen deshalb viel Wärme erleben und begleiten Sie ihn in seinem Aufwachsen. Jugendliche beobachten sehr genau, wie ihre Eltern mit aktuellen Themen oder Krisen umgehen und wie sie über andere sprechen. Deshalb seien Sie Vorbild!

Torsten Niebling arbeitet bei „Rote Linie“, einer pädagogischen Fachstelle für Rechtsextremismus in Marburg.
Interview: Ruth Korte

Papa mit Drei-Tage-Bart: So sehen Kinder Gott

Was tun, wenn Kinder nach Gott fragen? Jugendpastor Bastian Erdmann klärt über Dos und Don’ts bei der religiösen Erziehung auf.

Warum ist es dir wichtig, dich mit Gottesvorstellungen auseinanderzusetzen?
Mir ist erst einmal wichtig wahrzunehmen, dass meine eigene Gottesvorstellung nicht vom Himmel gefallen ist und ich die auch nicht allein aus der Bibel gewonnen habe. Ich glaube, meine Vorstellung von Gott ist immer in meiner bestimmten Lebenswelt gewachsen. Das ist schon in der Bibel zu sehen: Ein Nomadenvolk kann mit dem Bild eines Hirten sehr viel anfangen. Ein Volk in Gefangenschaft wünscht sich einen starken Retter. In den Zeiten der Könige, wo es in Israel viel Unrecht gab, hat die Menschen die Vorstellung von Gott als einem guten Richter abgeholt. Wenn ich es auf einen Satz bringen sollte, würde ich sagen: Gott ist für mich dort, wo ich ihn brauche. Und er begegnet mir so, wie ich es jetzt zum Leben brauche.

Wie entwickelt sich das Gottesbild von Kindern? Und welchen Einfluss haben Eltern darauf?
Eltern sind die erste Projektionsfläche für die Gottesvorstellung der Kinder. Deshalb prägen sie ihr Gottesbild. Für Kleinkinder ist Gott so etwas wie der ideale Papa oder die ideale Mama – eine tröstende, lächelnde, erwachsene Bezugsperson. Eines unserer Kinder hat mal Gott gemalt und hat dafür mein Gesicht mit einem Dreitagebart gemalt. Damals war ich noch Gemeindepastor und habe mich nur im Urlaub nicht rasiert. Da steckte zwischen den Zeilen: Gott ist ein bisschen so wie Papa, wenn er Urlaub hat. Das hat mich sehr berührt. Nicht, dass ich Gott spielen wollte, aber ich habe dann doch sehr auf meine freien Tage geachtet.

Letztlich kommt es also viel mehr auf das an, wer ich bin, als auf das, was ich sage?
Ja. Bis zum Alter von 12 Jahren stellen Kinder sich Gott wie eine Person vor, die sie anfassen können, und sie malen ihn auch so. Bis in dieses Alter hinein ist es gar nicht so entscheidend, was ich sage, sondern was ich bin. Dass ich ihnen Begleiter bin und sie und ihre Fragen ernst nehme – das ist viel wichtiger, als die richtigen Antworten zu geben. Ab etwa 14 Jahren fangen Jugendliche an, in den so genannten theologischen Diskurs zu treten. Dann ändern sich auch die Gottesbilder noch mal, Symbole werden wichtig. Dann zeichnen sie Gott nicht mehr als Menschen, sondern vielleicht als Hand oder als Stütze oder als Licht.

Welche Aspekte von Gottes Wesen sind denn in welchem Alter wichtig?
Für ganz kleine Kinder ist es der freundliche und unterstützende Begleiter. Später ist es der starke Kämpfer an ihrer Seite. Irgendwann wird es auch der Gerechte, der immer ganz genau weiß, was richtig und was falsch ist.

Können Eltern das Gottesbild ihrer Kinder prägen?
Es ist unmöglich, es nicht zu prägen.

Ist es denn möglich, zu steuern, wie das Gottesbild der Kinder aussieht?
Ja schon und zwar, indem ich gucke: Was ist das Thema der Kinder jetzt gerade, was brauchen sie und welchen Zugang zu Gott kann ich ihnen anbieten? Es ist meine Aufgabe als Vater oder Mutter, meinen Kindern zu vermitteln: Was auch immer in deinem Leben passiert, es gibt einen Gott, der für dich ansprechbar ist. Das lernen sie dadurch, dass ich ihnen Gott erlebbar und erfahrbar mache.

Also würdest du immer eher vom Kind her denken?
Unbedingt! Ich kann das am besten an einem Beispiel aufzeigen. Im Kindergarten war eine Erzieherin, die den vier- und fünfjährigen Kindern Ostern erklären wollte. Und so hat sie den Kindern anhand eines Bilderbuches Jesu Sühnetod am Kreuz erklärt, mit kleinen Herzen, die schwarz waren und einer Blutsbrücke, über die dieses eine Herz rübermusste. Am Ende des Tages haben viele Kinder nicht gut schlafen können. Daraufhin habe ich mit der Erzieherin gesprochen und sie betonte, dass alles, was sie gesagt hatte, der Bibel gemäß sei. Aber ich habe ihr gesagt: „Ich möchte jetzt erst mal wissen, was die Kinder verstanden haben. Und wenn das, was die Kinder verstanden haben, bibelgemäß ist, dann bin ich ruhig. Aber wenn das, was die Kinder verstanden haben, nicht mit der Botschaft der Bibel übereinstimmt, dann müssen wir uns unterhalten.“ Das ist für mich das Entscheidende: Was kommt bei den Kindern an? Für Eltern bedeutet das, dass ich nicht überlege: Welches Gottesbild möchte ich vermitteln? Sondern: Welches Gottesbild haben die Kinder jetzt gerade nötig?

Was wäre für dich denn ein No-Go bei der Vermittlung von Gottesbildern?
Ein No-Go wäre für mich, ein Gottesbild zu fördern, das mir etwas bringt, aber nicht den Kindern. Also zum Beispiel Gott als Erziehungsverstärker zu nehmen. Wenn ich als Vater mit meinem Latein am Ende bin, dann den lieben Gott in den Zeugenstand zu rufen und zu sagen: „Gott sieht das und er ist traurig, wenn du mir nicht gehorchst.“

Wie sollten Eltern reagieren, wenn das Kind ein „merkwürdiges“ Gottesbild hat? Sollen sie es korrigieren oder es dem Kind lassen?
Eltern sollen ihr Kind fragen! Damit können sie nur gewinnen. Außerdem: Was ist überhaupt ein merkwürdiges Gottesbild? Ist ein merkwürdiges Gottesbild eines, das meinen Vorstellungen widerspricht? Jesus selbst hatte ein merkwürdiges Gottesbild. Zumindest fanden das viele fromme Menschen damals. Falsch ist ein Gottesbild dann, wenn es dem Leben im Weg steht und nicht guttut. Das kann passieren, wenn man fremde Bilder ungeachtet der eigenen Lage übernehmen will oder soll. Eltern haben manchmal das Gefühl, sie müssten das wahre biblische Gottesbild beschützen. Ich glaube, Gott kann ganz gut auf sich selbst aufpassen.

Das Interview führte Christiane Henrich.

„Sie hat nur Mode im Kopf“

„Meine Tochter (17) schminkt sich extrem und beschäftigt sich mit nichts anderem als mit Mode. Ihr Taschengeld gibt sie nur für Klamotten und Schminke aus. Muss ich mir Sorgen machen, dass sie sich so auf Äußerlichkeiten reduziert?“

Die heutigen 17-jährigen zählen zur sogenannten „Generation Z“, also zu den Menschen, die von klein auf digital aufgewachsen sind. Für diese Jugendlichen gehören Smartphones und Tablets so selbstverständlich dazu wie für frühere Generationen das Fernsehen. Dazu zählt auch ihre aktive Nutzung, um sich selbst darzustellen. Natürlich so schön wie möglich.

Ihre Tochter erhält Beauty-Tipps von Freundinnen und – was nicht unwahrscheinlich ist – auch von YouTubern, die ihre Schmink- und Schönheitstipps zum Nachmachen ins Internet stellen. Die Mädchen schminken sich, machen sich zurecht, fotografieren sich mit dem Handy und schicken sich die Fotos. Jede will natürlich besonders gut aussehen. 17-Jährige haben heutzutage andere Vorbilder als früher.

SEIN ÄUSSERES LIEBEN IST GUT

Im Grunde ist es durchaus positiv, wenn sich Menschen gefallen. Denn erst wenn man sich selbst liebt, ist man in der Lage, auch andere wertzuschätzen. Schminke kann helfen, das eigene Äußere zu unterstreichen, den einen oder anderen unschönen Pickel zu überdecken oder den Blick auf die strahlenden Augen und nicht auf die zu große Nase zu lenken. Auch die entsprechende Kleidung kann viel zum eigenen Selbstwertgefühl beitragen.

Für Ihre Tochter ist es wichtig, das richtige Maß zu finden. Dabei können Sie ihr helfen. Zunächst einmal sollten Sie „ihre Themen“ nicht verurteilen. Das Entdecken der eigenen Schönheit ist ein wichtiger Baustein in Richtung Erwachsenwerden. Falls Sie sich selbst auch schminken, zeigen Sie Ihrer Tochter, wie Sie sich schminken und weshalb Sie darauf verzichten, Ihre Augen mit Kajalstift so zu umranden wie eine Traueranzeige oder wie Sie Make-Up dezent verwenden.

Auch wenn es Ihre Tochter scheinbar nicht zu interessieren scheint: Es wird eine Wirkung haben. Eine andere Möglichkeit ist, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Tochter ein Wellness-Wochenende verbringen. Solche Angebote gibt es zum Beispiel bei den Deutschen Jugendherbergen. Neben Massagen spielen auch Frisur und Make-Up eine Rolle. So ein Wochenende macht Spaß und zeigt Ihrer Tochter, dass sie von ihrer Mutter verstanden wird. Außerdem lernen Sie andere Mutter-Tochter-Paare kennen, denen es ähnlich wie Ihnen geht.

ABWARTEN UND ZEIT GEBEN

Auch wenn Ihre Tochter noch nicht das richtige Maß gefunden hat, müssen Sie sich keine Sorgen machen, denn mit 17 Jahren ist die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen. Vielleicht zeigt sie auch nur deshalb so viel Interesse an diesen Äußerlichkeiten, weil Sie weiß, dass die eigene Mutter anders damit umgeht. Dann ist das für sie die Möglichkeit, sich abzugrenzen. Zeigen Sie Interesse, geben Sie ihr Zeit. Dann wird sich der richtige Umgang mit diesen Äußerlichkeiten sicherlich einpendeln. Dazu kommt, dass ihr Taschengeld nicht lange genug vorhält. Das wird dazu führen, dass sich ihr Konsum von Schminksachen und Kleidung auf das Normalmaß reduziert.

Ingrid Neufeld arbeitet als Erzieherin mit Flüchtlingskindern und deren Eltern. Sie ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern und lebt in Schlüsselfeld bei Bamberg.

 

 

Versuch etwas anderes!

Fünf Ideen, eingefahrene Erziehungssituationen zu verändern. Von Debora Güting

Mein Mann und ich haben früh Kinder bekommen und damit auch früh mit der Erziehung von Kindern begonnen. Mit Mitte zwanzig hatten wir bereits zwei kleine Kinder. Einige Freunde haben in dieser Zeit noch nicht an Kinder gedacht. So waren wir einige Jahre voraus in Thema Erziehung, als diese dann ihr erstes und zweites Kind bekamen. Immer mal kam und kommt es vor, dass sie uns fragen, was wir über Erziehung denn gelernt hätten und ob wir ein paar Tipps weitergeben können. Dieser eine Erziehungstipp, schlicht und flexibel, wirkungsvoll und jederzeit anwendbar, hat sich immer wieder bewährt und gefestigt: „Wenn es auf eine Art und Weise nicht funktioniert, dann versuch‘ etwas anderes.“

Jedes Kind ist einzigartig, und jedes Kind reagiert anders auf diverse Erziehungsmethoden. Gibt es also ein unerwünschtes Verhalten des Kindes, das wir als Eltern nicht in den Griff bekommen? Oder soll das Kind etwas lernen, und es klappt nicht? Dann ist es immer wieder notwendig, sich an die Situation anzupassen und kreativ zu werden. Habe ich als Mutter auf eine Situation immer gleich reagiert, zum Beispiel geschimpft, wenn das Kind Schuhe stehen lässt, ist es unwahrscheinlich, dass das Kind bei einer weiteren gleichen Situation sein Verhalten ändert. Daher ist es schlauer, wenn ich selbst mein Verhalten ändere. Damit provoziere ich eher eine andere, neue und hoffentlich bessere Reaktion auf Seiten des Kindes. Wenn wir als Eltern die dafür notwendige Energie investiert haben, und es tut sich was auf der Seite des Kindes, dann macht es Freude, schafft Freiräume und verbessert die Beziehung zum Kind.

Hier einige Beispiele, die es leichter machen sollen, an festen Schemen zu rütteln und auf neue Ideen zu kommen:

1. DEM UNERWÜNSCHTEN VERHALTEN KEINE AUFMERKSAMKEIT SCHENKEN

Unser ältester Sohn, Nino, hat immer gut darauf angesprochen, wenn wir ihm Dinge erklärt haben. Wenn er etwas verstanden hat, dann hielt er sich meist an die damit verbundenen Erwartungen, auch schon als ganz kleiner Junge. Mit etwa vier Jahren fing er an, mit den Zähnen zu knirschen. Ich hatte gehört, dass das nicht gut für die Zähne sei, und zusätzlich war das Geräusch für mich unangenehm. In diesem Fall versagten die uns bekannten Methoden: Kein Erklären half. Kein Schimpfen half. Kein Bitten half. Schließlich beschlossen wir, dem Knirschen für eine Weile einfach keine Aufmerksamkeit zu schenken und zu sehen, was passiert. Das Erstaunliche geschah: Innerhalb von ein paar Tagen hat Nino von allein aufgehört, die Zähne aneinander zu reiben. Durch unser geändertes Verhalten änderte sich auch das Verhalten unseres Sohnes.

2. VORBILD SEIN

Unsere Tochter Lucy rannte als älteres Kindergartenkind immer quer über jede Straße, ohne zu schauen, ob ein Auto kam. Wir warnten sie, wir zeigten die Gefahr, wir erschraken in solchen Situationen und schimpften schließlich. Lucy ließ sich nicht dazu bringen, nach den Autos zu schauen. Was die Situation änderte, war, dass mir bei einem gemeinsamen Spaziergang klar wurde, dass die Art und Weise, wie ich die Straße überquerte, für Lucy genauso aussah, wie das, was sie tat. Dass wir als Erwachsene eine Verkehrssituation schnell überblicken können, war für sie nicht zu erkennen. Für sie sah es so aus, als gingen wir ohne zu gucken über die Straße. Also änderten mein Mann und ich mit Lucy gemeinsam unser Verhalten. Wir blieben aktiv und deutlich stehen, und ich zeigte ihr, wie ich nach rechts und nach links schaue, bevor ich über die Straße gehe. Unser Vorbild machte den Unterschied. Wir zeigten es ihr, und sie machte es dann richtig nach. So lernte sie das Verhalten, was wir uns von ihr wünschten.

3. SCHLECHTES VERHALTEN NACHMACHEN

Unser jüngster Sohn Jakob, der einige Jahre später als zweiter Nachzügler nachkam, hatte sich angewöhnt, Grimassen zu schneiden. Es waren nicht unbedingt provokative Gesichter, wie Zunge rausstrecken, aber es waren unangenehme Grimassen, die so mancher Fremde grundlos zu sehen bekam und die Jakob auch oft in unserer Familie zeigte – manchmal einfach so, manchmal auch als Reaktion auf eine Frage oder Anforderung. Ignorieren, schimpfen, erklären und wettern half nicht. Aus einem spontanen Impuls heraus zog ich ihm als Reaktion auf sein Gesichterziehen auch mal ein Gesicht. Ich rollte die Augen, verzerrte den Mund und versuchte, auch mal grimmig zu sein. Ich war etwas geschockt, als Jakob anfing zu weinen. Es war ihm offenbar sehr unangenehm, selbst eine Grimasse abzubekommen. Ich bin nicht sicher, ob ich danach noch etwas erklärte oder sagte, um seinen Frust pädagogisch zu lenken. Aber seither ist das Grimassenschneiden kein Thema mehr.

Ich ziehe nicht den Schluss daraus, dass es schlau ist, mit dem Kind immer zu machen, was es selbst mit anderen gemacht hat. Aber ich ziehe es als Möglichkeit in Betracht. Im Nachhinein war es so besser, als weitere Wochen nur darum zu kämpfen und nicht weiterzukommen. Immer mal muss man sich klarmachen, dass es weder für die Kinder noch für die Eltern angenehm ist, in einem ungelösten Erziehungs-Kampf zu stecken. Für beide Partien ist es gut, wenn wir Eltern nach einer weiteren und schließlich funktionierenden Lösung suchen, die nicht ständig auf Kosten einer guten Beziehung geht.

4. EIGENVERANTWORTLICHKEIT STÄRKEN

Als unsere beiden Großen Grundschüler waren, hatten wir nach dem Gottesdienst immer wieder den gleichen Reibungspunkt: Jeden Sonntag hingen sie meinem Mann und mir am Ärmel und fragten, ob sie Geld für eine Cola bekommen. Ohne System haben wir manchmal Ja gesagt, manchmal Nein, manchmal mussten sie es selbst bezahlen. Immer wieder wurden dabei Unterhaltungen unterbrochen, und immer wieder mussten wir die gleiche Entscheidung neu treffen. Uns als Eltern hat das angestrengt. Aber das war dann auch das Gute: Dass wir in einer Situation feststeckten und immer wieder genervt waren, musste uns auch erst mal auffallen. Wir mussten uns bewusst machen, wie aufreibend diese ständig wiederkehrende, unangenehme Situation war! Denn erst mit diesem Bewusstsein fingen wir als Eltern an nachzudenken, welche Hebel aus einer aufreibenden Situation herausführen könnten. Wir lösten es damals so, dass wir bei der anstehenden Taschengelderhöhung einen kleinen weiteren Betrag daraufgelegt haben. Damit hatten beide Kinder etwas Geld extra für den Bereich „Trinken nach dem Gottesdienst“ zur Verfügung, und es war die Entscheidung unserer Kinder, ob sie das Geld dafür ausgeben wollten oder nicht. Der Reibungspunkt war für alle überwunden. Klarheit und Eigenverantwortlichkeit haben für uns alle die Lage verbessert.

5. AUCH MAL AUFGEBEN

Ich habe mal in einem Artikel gelesen, dass die Kinder selbst machen sollen, was sie selbst machen können. Das klang gut, und ich wollte es anwenden. Jakob hatte schon gelernt, Schuhe mit Klettverschluss anziehen. Ich fand es daher eine gute Idee, das auch im Alltag von ihm zu verlangen. Aber Jakob nahm es gar nicht an. Es war jedes Mal ein Diskutieren und Schimpfen – schlichtweg nervenzehrend. Auch ein Belohnungssystem zog nicht. Nach einigen Wochen fand ich den Kampf einfach unrentabel. Ich verschwendete meine Energie für null Ergebnis. Diesen Frust wollte ich mir nicht länger aufladen. Ich beschloss, diesen guten Erziehungsrat in diesem Fall nicht weiter umzusetzen und meine Kraft lieber für andere Situationen einzusetzen. Also zog ich unserem Jakob die Schuhe wieder an. Jetzt hatte ich emotional wieder mehr Raum, andere Dinge anzugehen, die vielleicht mehr Erfolg versprachen. Wenige Wochen später war Saisonwechsel. Mit einem Paar neuer Schuhe, die Jakob begeisterten, lief das Schuheanziehen auf einmal von ganz allein. Die Zeit hatte Jakob dann doch noch dazu gebracht, seine Schuhe selbst anzuziehen.

LOS GEHT’S!

Es gibt natürlich Themen, da sind wir als Eltern jahrelang gefordert, dran zu bleiben, und es wird immer ein Auf und Ab geben. Es wird nicht den einen Trick geben, mit dem wir unseren Kindern zum Beispiel Höflichkeit beibringen. Aber gerade, wenn bestimmte Situationen immer wieder auftauchen und uns Kraft und vielleicht sogar eine gute Beziehung zum Kind kosten, lohnt es sich, einen extra Gedanken zu investieren.

Wir sollten möglichst nicht so weit kommen, über unsere Kinder die Augen zu rollen und zu ihnen zu sagen „Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst …!“ Damit vermitteln wir unseren Kindern, wie hoffnungslos die ganze Erziehung ist. Das tut uns und dem Kind weh. Die Kinder lassen sich davon auch wenig beeindrucken und haben kaum Mitleid mit uns Eltern, auch wenn wir in einer Sackgasse stecken. Zudem kommen die Kinder nach einem solchen Satz auch in den seltensten Fällen auf die Idee, ihr unerwünschtes Verhalten zu ändern, um uns Eltern zu entlasten. Also: Wir sind die Eltern, und wir sind am Zug!

Debora Güting ist Referentin und Teil des Patoralteams der Kirche des Nazareners in Seligenstadt, verheiratet mit Johannes und hat vier Kinder.

UND BEI EUCH?

Habt ihr ähnliche Erfahrungen im Erziehungsalltag gemacht? Was hat euch geholfen, wenn ein Verhalten keine Wirkung gezeigt hat? Und welche Tipps von Debora Güting findet ihr hilfreich? Schreibt uns an redaktion@family.de, Stichwort „Versuch etwas anderes“.

Papa, leg das Smartphone weg!

Der richtige Umgang mit digitalen Medien sorgt immer wieder für Streit in Familien. Dabei finden Kinder Regeln für die Nutzung von Handy und Computer durchaus in Ordnung – wenn Eltern mit gutem Vorbild vorangehen. Das zeigt eine FACT-Umfrage unter 1.014 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 14 Jahren im Auftrag des Online-Lernspezialisten scoyo in Kooperation mit ZEIT LEO.

Mädchen und Jungen beobachten genau, wie oft und wann ihre Mütter und Väter aufs Handy schauen oder schnell mal online gehen. 68 Prozent der befragten Kinder stört es zumindest manchmal, wenn ihre Eltern telefonieren, surfen oder am Computer arbeiten, während sie dabei sind. Sie selbst akzeptieren Regeln im täglichen Umgang mit Medien eher, wenn diese auch für Erwachsene gelten: 75 Prozent der Kinder, deren Eltern sich an Regeln halten, finden Vorschriften für sich selbst „gut“ oder „okay“. Gelten sogar die gleichen Absprachen für alle, sagen dies 89 Prozent der jungen Mediennutzer. Halten sich die Eltern hingegen an keine Vorgaben, schrumpft die Akzeptanz bei den Kindern: 37 Prozent empfinden es in diesem Fall als „blöd“, wenn ihr Medienkonsum reguliert wird.

Sich der Vorbildrolle bewusst sein

Den Medienpädagogen und Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Norbert Neuß überrascht das Ergebnis nicht: „Regeln im Umgang mit Medien machen nur dann Sinn, wenn auch Eltern sich daran halten. Gibt es zum Beispiel eine Verabredung, dass Smartphones während der Mahlzeiten tabu sind, muss das selbstverständlich auch für die Erwachsenen gelten.“ Bei Diskussionen zur Mediennutzung spielt daher auch die Medienzeit der Eltern eine Rolle. Laut Umfrage nervt es 64 Prozent der befragten Kinder, wenn sie mit ihren Eltern über Medienzeit verhandeln müssen, obwohl die Erwachsenen viel mehr Zeit mit Computer und Handy verbringen als sie selbst.

Medien als Lernmittel anerkennen

Genauso verärgert es die Kids, wenn Eltern nicht verstehen, dass sie mit Computer, Tablet und Handy auch lernen. Mit zunehmendem Alter steigt der Frust über das Unverständnis der Eltern von 20 Prozent bei den Siebenjährigen auf 40 Prozent bei den 14-Jährigen. Dabei nutzen Kinder laut der Kids-Verbraucheranalyse 2015 das Internet am häufigsten, sowohl um Musik zu hören und E-Mails zu schreiben oder zu empfangen, als auch um Informationen für die Schule zu sammeln. „In der Faszination von Kindern für digitale Medien steckt eben auch eine große Chance: Das Lernen fällt vielen auf diese Weise leichter und sie sind obendrein mit Spaß und Motivation bei der Sache“, so Daniel Bialecki, Geschäftsführer von scoyo. Norbert Neuß weist zudem auf weitere Lerneffekte hin: „Heranwachsende nutzen das Handy vor allem für die Kommunikation miteinander, für die Selbstdarstellung oder die Dokumentation ihrer Erlebnisse. Auch das sind wichtige ,Lernbereiche‘ innerhalb der eigenen Identitätsfindung, die Eltern manchmal übersehen.“

Weitere Infos zur Studie: http://www-de.scoyo.com/eltern/kinder-und-medien/studie-regeln-fuer-kinder-mediennutzung