Geliebt und genervt: Wie ich meinen Partner ändern kann

Alle wissen, dass man den Partner nicht ändern kann. Paarberater Marc Bareth verrät, wie es trotzdem klappt.

Wir kennen es alle: Unser Partner oder unsere Partnerin verhält sich nicht immer so, wie wir es uns vorstellen. Je länger wir in einer Partnerschaft sind, desto mehr springen uns Charaktereigenschaften ins Auge, die so richtig nerven. Da stellt sich schnell einmal die Frage: Wie kann ich mein Gegenüber ändern? Wer sich mit dem Thema beschäftigt, merkt schnell, dass die Aussagen vieler Fachleute und der Literatur darauf hinauslaufen, dass dies eben gar nicht möglich ist. Und auch unsere Erfahrung zeigt, dass das Unterfangen ziemlich aussichtslos ist. Wir können unsere Mitmenschen nur sehr bedingt verändern. Der berühmte amerikanische Paartherapeut Dan Wile sagt: „Wenn du einen Partner wählst, wählst du damit unweigerlich auch ein bestimmtes Set an unlösbaren Problemen.“ Deshalb der Tipp: Nimm dein Gegenüber an, wie sie oder er ist, und nicht wie sie oder er sein sollte. Ändern kannst du ihn oder sie sowieso nicht.

Ich kann mich ändern

Meinen Partner kann ich also nicht ändern. Doch es gibt einen Weg, sein oder ihr Verhalten nachhaltig zu verändern. Hier kommt die Paardynamik ins Spiel. Das Verhalten des Mannes ist jeweils die Reaktion auf das Verhalten der Frau und umgekehrt. Das weitaus erfolgversprechendste Mittel ist es also, sein eigenes Verhalten zu ändern. Genau: Du gibst deinem Gegenüber die Chance, sich zu ändern, indem du dich selbst anders verhältst.

Was langfristig nicht funktioniert, sind Druck, Vorwürfe, Nörgeln und Forderungen. Denn Druck erzeugt Gegendruck und führt nicht zu einer Verhaltensänderung.

Ein Beispiel: Sandra kommt aus einer Familie, in der man Konflikte direkt und auch mal laut angeht. Wenn sie Philipp mit dem konfrontiert, was ihrer Meinung nach schiefläuft und alles auf den Tisch legt, reagiert der sehr einsilbig. Sandra lässt dann aber nicht locker. Sie fühlt sich durch Philipps Passivität provoziert und wird immer lauter, bis Philipp sich irgendwann einfach verdrückt, was Sandra noch mehr verärgert.

Andere Wege suchen

In Philipps Familie wurde offener Streit um jeden Preis vermieden, weil niemand damit umgehen konnte und Konflikte häufig Beziehungsabbrüche bedeutet haben. Lernt Sandra, ihr Anliegen so anzusprechen, dass Philipp sich nicht in die Enge gedrängt fühlt, wird sie viel mehr erreichen, als wenn sie ihn anbrüllt, er solle doch auch mal was sagen. Wenn Philipp die Erfahrung macht, dass Meinungsverschiedenheiten mit Sandra nicht zum Beziehungsabbruch führen, wird er anders auf sie reagieren können. Sandra kann also Philipps Verhalten nur verändern, indem sie sich selbst anders verhält.

Marc Bareth und seine Frau Manuela stärken mit FAMILYLIFE Schweiz Ehen und Familien. Marc Bareth ist der Leiter dieser Arbeit. Er bloggt unter familylife.ch/five.

Mehr Besinnlichkeit: 4 Tipps für einen liebevollen Advent als Paar

Der Advent ist chronisch hektisch. Paarberaterin Ira Schneider kennt diese Situation und hilft dabei, innezuhalten und die Zeit bewusst zu genießen.

Irgendwie ist es doch jedes Jahr das Gleiche. Wir nehmen uns vor, ruhig, besinnlich und achtsam den Advent zu erleben, doch dann artete es wieder in Stress aus. Zeit, daran etwas zu verändern. Wir haben als Paar ein wenig die Adventszeit umstrukturiert und fahren bewusst ein paar Gänge runter. Wir wollen nicht mehr von Festlichkeit zu Festlichkeit hetzen, sondern im Hier und Jetzt sein und im Miteinander verweilen.

Um als Paar besondere Zeiten der Zweisamkeit im Advent zu erleben, haben wir vier Ideen zusammengestellt. Dabei gibt es aber vorab einen kleinen Exkurs: Das Konzept aus dem Standardwerk Die fünf Sprachen der Liebe kann uns im Advent ein kleiner Begleiter sein. Irgendwie scheint jeder sie zu kennen oder zumindest inhaltlich etwas damit anfangen zu können. Gary Chapman geht von fünf Liebessprachen aus: Unterstützen, Zärtlichkeiten austauchen, Geschenke machen, Komplimente machen und Zeit zu zweit. Immer wieder treffen wir Paare, die sagen, dass sie die fünf Liebessprachen schonmal gehört haben oder sie stellen Vermutungen auf, welche womöglich ihr Partner spricht. Im Grunde sind die Liebessprachen Strategien. Sie sind Wege und Handlungsoptionen, um das emotionale Bedürfnis nach Liebe beim anderen zu stillen. Gary Chapman spricht hier auch vom Liebestank. Mein Mann und ich lieben es, den Alltag zu feiern und uns kleine Challenges, sprich: kleine Strategien, zu überlegen. Hier findet ihr eine Auswahl unserer Lieblingsaktionen. Alle Liebessprachen sind dabei abgedeckt. Wie wäre es, vier davon als kleine Begleiter in der Adventszeit umzusetzen?

4 Adventsideen für Paare

Etwas Süßes

  1. Ob Zimtsterne, Dominosteine, Lebkuchen oder Marzipan:
    Bring deinem Partner seine oder ihre Lieblingsweihnachtsleckerei mit.

Etwas Warmes

  1. Ob Kopf, Fuß oder Rücken – das könnt ihr entscheiden – gießt euch ein paar Tropfen Öl in die Hände und wärmt euch gegenseitig auf. Der Dezember ist meist kalt genug. Was spricht gegen eine kuschelige Massage?

Etwas zum Dahinschmelzen

  1. In den Nikolausstiefeln müssen nicht nur die Mandarinen und Nüssen zerquetscht werden oder die Schokolade schmelzen. Manchmal kann auch durch Worte das Herz schmelzen. Schreibe eine Dankeskarte und beschreibe Facetten und Eigenschaften, die du an deinem Partner oder deiner Partnerin besonders schätzt oder bewunderst.

Etwas Stille

  1. Zwischen gedimmten Lichtern, bunten Farben und dem Geruch von Kerzen ist die Adventszeit gemütlich, aber auch durchaus reizüberflutend. Da ist es besonders wertvoll, Stille miteinander auszuhalten und zu genießen. Stellt euch einen Timer und ladet einander ein, euch eine Minute lang in die Augen zu schauen.

 

Ira Schneider ist Paarberaterin, Referentin & Autorin. Gemeinsam mit ihrem Mann David bietet sie Paarcoaching an.

 

Erstes Schuljahr: So helfen Sie Ihrem Kind beim Ankommen

Der Übergang von Kita zu Schule ist für Kinder und Eltern eine Herausforderung. Familientherapeutin Stefanie López gibt Tipps, wie Eltern ihre Kind in die Selbstständigkeit begleiten können.

Letztes Jahr kam meine große Tochter in die Schule. Das erste Halbjahr war spannend und herausfordernd für uns alle. Die anfängliche Begeisterung meiner Tochter in den ersten Wochen wich irgendwann der Ernüchterung, als sie feststellte, dass sie wirklich jeden Tag zur gleichen Zeit in die Schule gehen musste. Auch an die neuen Kinder musste sie sich gewöhnen. Vor allem aber daran, dass es nun viel weniger Zeit zum Spielen gab. Für mich als Mutter war es seltsam, die Lehrerin kaum zu Gesicht zu bekommen. Die ersten Wochen sahen wir sie immerhin mit Maske morgens kurz auf dem Schulhof. Als die Kinder dann allein in ihre Klasse gehen mussten, traf ich nachmittags nur noch die Hortbetreuung an, die meistens gerade mit hochrotem Kopf irgendeinen Streit schlichtete. Ganz anders als damals noch zu Kitazeiten. Hier war zwar auch immer viel los, aber ich konnte beim Bringen und Abholen mit den Erzieherinnen reden, nach dem Tag fragen und organisatorische Dinge besprechen. Dass ich mein Kind in die Hände von Menschen gab, die ich selten sah und fast nie sprechen konnte, verunsicherte mich lange.

Wie wir mit unserer Unsicherheit umgehen können und unsere Kinder auf dem Weg in die Selbstständigkeit am besten begleiten – das habe ich die Elternbegleiterin und Familientherapeutin Stefanie López gefragt. Sie hat mir im Gespräch fünf hilfreiche Tipps genannt.

1. In die Selbstständigkeit begleiten

Vielen Eltern fällt deswegen zu Schulbeginn das Loslassen schwer. Doch gleichzeitig ist die Schule für das Kind ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstständigkeit. „Eltern sollten beim Weg in die Selbstständigkeit helfen. Zu Beginn geht es weniger um den Lernstoff, sondern um ganz andere Sachen: Wie komme ich pünktlich? Wie lerne ich am besten? Was brauche ich? Was macht mir Spaß?“ erklärt Stefanie López. Wichtig sei dabei ein grundsätzliches Vertrauen in das Kind und das Wissen: „Mein Kind schafft das.“ Beim Selbstständig werden geht es auch darum, auszuprobieren, was dem Kind am besten hilft. Manche Kinder erledigen ihre Hausaufgaben gerne direkt nach der Schule, manche brauchen erst einmal eine Pause. Einige wecken sich schon bald morgens allein mit dem Wecker, andere brauchen beim Aufstehen noch mehr Unterstützung. „Ich erlebe allerdings oft, dass den Kindern viel abgenommen wird“, sagt Stefanie López. Doch wenn Eltern zu stark die Verantwortung für ihr Kind übernähmen, gäbe es keinen Grund mehr für das Kind, Dinge selbst zu tun. Das heißt für Eltern, dass sie auch mal aushalten müssen, wenn ihr Kind zu spät zum Unterricht kommt oder die Hausaufgaben nicht macht.

2. Gefühle sind okay

Bei der Umstellung von Kita auf Schule geht es schnell emotional her. Manche Kinder können mit dem Druck, plötzlich Leistung erbringen zu müssen, nicht umgehen. Andere kommen mit der Lehrerin nicht klar, einigen fällt es schwer, lange stillzusitzen. Stefanie López, rät dazu, die Gefühle des Kindes erst einmal anzunehmen: „Ob das jetzt Aufregung, Überforderung, Angst oder Vorfreude sind, alle Gefühle des Kindes sind okay. Oft wollen wir Eltern, dass es unserem Kind immer gut geht und sagen dann vielleicht Sachen wie ‚Du musst nicht aufgeregt sein‘ oder ‚Du brauchst gar keine Angst zu haben.‘ Aber das macht es eher noch schwieriger für das Kind, denn die Gefühle sind ja trotzdem da.“ Es sei viel hilfreicher, die Emotionen des Kindes zu akzeptieren, ihm zuzuhören und mitzufühlen.

3. Keinen Druck aufbauen

Oft kommen Eltern zu ihr in die Beratung, die einen riesigen Druck verspüren, dass ihr Kind nicht schon im ersten Schuljahr „den Anschluss“ verliert, erzählt Stefanie López. Sie haben Angst, dass es abgehängt wird, keinen ausreichenden Abschluss schafft und später dann keinen guten Beruf findet. Doch viel wichtiger als den Schulstoff zu schaffen oder pünktlich zu sein, sei, dass die Kinder von Anfang an ein gutes Gefühl mit Schule verbinden. „Kinder sollten keinen Stress und Druck vermittelt bekommen, besonders nicht im ersten Schuljahr. Stattdessen brauchen sie Zeit, all die von ihnen geforderten Dinge in Ruhe zu lernen. Das ist ja ein Übergang. Sie waren eben noch in der Kita und sind immer noch sechs Jahre alt“, sagt Stefanie López. Kinder kämen mit einer riesigen Lernlust auf die Welt. Diese sollten sie so lange wie möglich behalten und nicht durch Druck von außen verlieren. So würden sie nicht nur psychisch gesünder bleiben, sondern auch besser lernen können. Wichtig sei auch, sich seiner eigenen Haltung als Eltern bewusst zu werden: Wie wichtig ist mir der Erfolg meines Kindes in der Schule? Spreche ich oft von anderen Kindern und ihren Leistungen? „Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Viele Eltern möchten, dass ihre Kinder schon früh lernen, sich daran anzupassen. Dabei verlieren wir häufig die Bedürfnisse der Kinder und ihr individuelles Lebensglück aus den Augen“, meint Stefanie López. In Gesprächen mit dem Kind sollten Eltern deswegen immer wieder klar machen, dass ihr Wert und ihr Glück nicht mit schulischen Leistungen zusammenhängt.

4. Freunde finden

Zum Ankommen in der Schule gehört auch, Freundinnen und Freunde zu finden. Doch das ist nicht für jedes Kind einfach. Stefanie López eigener Tochter ging es zeitweise so: „Das war schwer für mich auszuhalten, ich wollte ihr das gerne ersparen.“ Doch sie musste üben, ihren eigenen Schmerz nicht auf ihr Kind zu übertragen, stattdessen aber für ihre Tochter da zu sein. Wir können nicht alle Probleme für unsere Kinder lösen, sagt sie. Aber die Erfahrung, dass es da einen Erwachsenen gibt, der dem Kind zuhört und es versteht, sei für das Kind sehr wichtig. Auch konkrete Tipps, wie das Kind sich selbst helfen kann, können Eltern geben. Ihrer Tochter riet Stefanie López damals, nicht nur zu warten, bis jemand auf sie zugeht, sondern sich zu überlegen, mit wem sie spielen möchte und die Person dann anzusprechen. „Am nächsten Tag kam sie superglücklich aus der Schule und hatte tatsächlich zwei Mädchen angesprochen, mit denen sie dann gespielt hatte.“

5. Bewegung ermöglichen

In der Kita konnten die Kinder noch den ganzen Tag über das Gelände rennen, im Matsch wühlen und Bälle kicken. In der Schule müssen sie nun vor allem stillsitzen. Diese Umstellung fällt so manchen Kindern schwer. Sie wissen nicht mehr, wohin mit ihrer ganzen körperlichen Energie, die sich dann oft im Unterricht entlädt – zum Missfallen der Lehrkraft. Das zeigt mal wieder, dass das Schulsystem vor allem aus Erwachsenen-Perspektive konzipiert wurde und zu wenig die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt, meint Stefanie López. Es sei „nicht kindgerecht, stundenlang am Tisch zu sitzen und Aufgaben zu lösen. Kinder brauchen viel Bewegung.“ Bewegung wirkt sich nicht nur positiv auf Körper und Psyche aus, sondern auch auf die schulischen Leistungen. Unterschiedliche Studien zeigen, dass Kinder, die sich häufiger bewegen, auch besser in der Schule abschneiden.

Doch was können Eltern tun, wenn ihr Kind viel Bewegung braucht, es diese im Schulalltag aber nicht bekommt? „Als erstes würde ich ein Gespräch mit der Lehrerin suchen, um zu schauen, ob sich für das Bewegungsbedürfnis ein Raum schaffen lässt“, rät Stefanie López. „Eine Freundin von mir ist Lehrerin. Bei ihr dürfen die Kinder im Unterricht auch mal für eine Flitzepause raus und können eine Runde um den Schulhof rennen.“ Ansonsten wäre es immer gut, sich als Eltern zusammen zu schließen, um sich mehr Gehör zu verschaffen.

Eine befreundete Mutter von mir berichtet, dass sie mit ihrem bewegungsfreudigen Erstklässler nach der Schule oft noch für ein oder zwei Stunden nach draußen geht – auf den Spielplatz oder spazieren gehen. Wann immer möglich, lässt sie ihn mit dem Fahrrad zur Schule und zurückfahren. So würde er den Stress nach der Schule einfach „wegstrampeln.“ Vielleicht funktionieren diese Tipps ja auch für aufgeregte Eltern von Erstklässlern, wer weiß.

 

Stefanie López ist Elternbegleiterin, Familientherapeutin in Ausbildung. Ihr Eltern-Podcast „Musterkind“ ist unter familienbande-berlin.de anzuhören.

Sarah Kröger ist Journalistin und Projektmanagerin, bloggt unter neugierigauf.de und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Berlin

„In Gesundheit und Krankheit“: Was Paaren in Krisenzeiten hilft

Wenn ein Partner schwer erkrankt, kann das eine Beziehung belasten. Lisa-Maria Mehrkens hat Paare befragt, was ihnen geholfen hat, die stürmischen Zeiten zu überstehen.


Wenn das Leben sinnlos scheint

Vor fünf Jahren geriet Christian Bangert schleichend in eine Depressionsspirale, war schnell erschöpft, überfordert, gereizt und zunehmend lebensmüde. Mittlerweile ist er auf dem langen Weg der Heilung. Ihm und seiner Frau Nelli helfe der gemeinsame Glaube an Jesus Christus, denn der Glaube gibt ihnen Halt und bietet Raum für Klagen, Fragen, Sorgen, Frust und Wut.

Auch ehrliche Kommunikation untereinander fördert ihr gegenseitiges Verständnis. „Wir verstecken uns nicht voreinander, sondern zeigen uns, wie wir sind. Das ist auch schmerzhaft, weil der Umgang mit Schwäche nicht immer einfach ist. Gleichzeitig wachsen unser Vertrauen und unsere Verbindung“, sagen beide. Auch im Austausch mit Freunden, Familie und professionellen Helfern raten sie dazu, sich nicht zu schämen, sondern offen und ehrlich zu sein.

Die christliche Paartherapeutin Diana Muschiol weiß, wie wichtig in Krisen Ehrlichkeit und echtes Interesse sind sowie die Bereitschaft, sich einzufühlen und den anderen zu verstehen. Denn die Erkrankung sei niemals nur das Problem eines Partners, sondern habe immer Auswirkungen auf beide, die zusammen die Krise bewältigen müssen. Sorgen, Ängste und negative Gefühle ehrlich auszusprechen, sei ein wichtiger Schritt dazu.

Um Christians Krankheit zu akzeptieren, musste Nelli Träume loslassen und den Schmerz annehmen, den das mit sich bringt. Christian musste lernen, nicht nur Nellis, sondern auch seinen eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden. „Ich darf zu meinen Grenzen stehen. Früher dachte ich, dass ich für Nellis Glück verantwortlich bin. Diese Verantwortung trage ich heute nicht mehr, und das führt mich in die Freiheit“, erzählt er. Die Verantwortung für die eigene Gesundung liegt in erster Linie beim Erkrankten. Doch damit auch der nicht-erkrankte Partner gesund bleibt, müssen beide ihre Grenzen erkennen und kommunizieren. „Die Gefahr besteht, dass man über die eigenen Grenzen geht und für sich, die Familie und den Partner keine Unterstützung mehr sein kann. Zu viel zu helfen kann beim anderen das Gefühl von Unzulänglichkeit auslösen, das die Erkrankung wiederum verstärken kann“, erläutert Therapeutin Muschiol.

Nelli und Christian achten heute mehr auf ihre persönlichen Bedürfnisse und geben sich gegenseitig Raum, diesen nachzugehen. Nelli ist auch allein mit Freunden unterwegs, wenn Christian keine Kraft dazu hat. „Damit habe ich auch mein Ideal-Bild losgelassen, dass ein Paar möglichst immer zusammen unterwegs ist. Es braucht zwei Menschen, die gut für sich sorgen, um durch eine Krise zu kommen“, beschreibt sie. Auch als Paar setzten sie ihre Prioritäten neu, sagen öfter Nein. Die schwere Zeit rüttelte ihre Vorstellungen vom Leben, ihr Gottesbild und ihr Selbstbild durch und festigte sie gleichzeitig als Paar. „Wenn das Leben hart auf hart kommt, muss man umso fester zusammenhalten. Das gemeinsame Erleben von Krankheit und Schwäche tut weh – gleichzeitig fördert es tiefe innige Liebe“, sagen sie.

Wenn die innere Heimat fehlt

Die Beziehung von Laura* und Jonte* wurde durch äußere Faktoren auf die Probe gestellt: Umzug, zweites Kind, Schlafmangel, ein Gefühl von Einsamkeit, die Frage, ob sie als Familie am richtigen Platz seien, das Jonglieren zwischen Mutterrolle und freischaffender Tätigkeit … Das alles war zu viel und erschöpfte Laura. Fast ein Jahr lang ging es ihr immer schlechter. Keiner wusste wirklich, was mit ihr los war. Sie stellte sich viele grundsätzliche Fragen zum Leben und Glauben.

Irgendwann fuhr sie in ein Kloster, wo eine Ordensschwester ihr sagte: „Du hast deine innere Heimat verloren.“ „Erst dachte ich mir: ‚Was für ein Quatsch!‘ Aber im Nachhinein wurde mir klar: Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen“, erzählt Laura. Ihr Mann habe damals wenig Zugang zu inneren, emotionalen Vorgängen gehabt. Doch genau diese pragmatische Stärke tat Laura gut. „Er hat nicht viel kommentiert oder seelsorgerliche Ratschläge gegeben, sondern mich einfach ausgehalten und in den Arm genommen. Er hat mir den Rücken freigehalten, mich in unserem Alltag im Haushalt und mit den Kindern unterstützt, damit ich mich und meine Themen ordnen konnte“, erinnert sie sich.

Doch auch in ihren inneren Kämpfen fühlte sich Laura sehr nah mit ihrem Mann verbunden. Bei gemeinsamen Abendspaziergängen konnte sie ihre Gedanken und Emotionen teilen, selbst wenn ihr Mann nicht alles davon verstand. Diese Spaziergänge haben sie bis heute beibehalten. Das hilft, ein Grundlevel an Kommunikation aufrechtzuerhalten, um bei schwierigen Themen schneller in die Tiefe zu kommen.

Letztlich öffnete die Krise Laura und Jonte den Blick für Grenzen und neue Seiten aneinander. „Ich bin eigentlich schnell und stark, energievoll und weiß, was ich will. In diesem Jahr habe ich mich sehr schwach und verletzlich gefühlt und gemerkt, dass ich auf meinen Mann angewiesen bin. Das war ein neuer Aspekt, den ich über mich und unsere Beziehung gelernt habe.

Bei meinem Mann wiederum wuchs das Verständnis für innere Vorgänge und dass es mehr gibt als nur den praktischen Alltag“, sagt Laura. Die wichtigste Entscheidung, die sie als Paar durch die Krise trug: „Egal, was passiert im Leben, wir bleiben innerlich beieinander!“

Wie wichtig eine solche innere Entscheidung ist, weiß Diana Muschiol: „Studien zeigen, dass uns eine zufriedene und glückliche Beziehung gesund hält und uns auch befähigt, mit Herausforderungen und Schmerz besser umzugehen. Daher ist ein wichtiger Faktor für Paare in Krisenzeiten, an ihrer Beziehung festzuhalten und sie weiter auszubauen.“ Schwierigkeiten in der Partnerschaft seien ein Risikofaktor für psychische Erkrankungen. Deswegen sei es hilfreich, in die Beziehung zu investieren.

Wenn jeder Abschied der letzte sein kann

Nur ein Jahr nach seiner Hochzeit kam Simon mit einer lebensbedrohlichen Hirnblutung als Notfall ins Krankenhaus. Nach zehn Tagen in teils kritischem Zustand wurde er am Gehirn operiert. Obwohl sie Abschiede aus ihrer Fernbeziehungszeit kannten, wurde das Abschiednehmen von seiner Frau Melanie keineswegs zur Routine, da die Blutung jederzeit wieder hätte beginnen können. „Mich bewegte die Frage: Wie verabschiede ich den Menschen, den ich am meisten liebe, wenn ich ihn vielleicht das letzte Mal sehe?“, beschreibt Simon.

Besonders emotional war für beide der Abend vor der Operation, da der Ausgang ungewiss war. „Ich sagte zu Melanie: ‚Ich weiß, dass du das nicht hören willst. Aber wenn mit mir etwas passieren sollte, dann wünsche ich mir, dass du an Jesus festhältst. Du hast von mir die Freiheit, eines Tages auch mit einem anderen Mann glücklich zu werden – ohne schlechtes Gewissen.‘ Für Melanie war diese Aussage schwer zu verdauen, doch mir war und ist wichtig, dass sie ihr Glücklichsein nicht allein von mir und unserer Ehe abhängig macht“, sagt Simon.

Simon als eher rationaler Mensch versuchte, negativen Gefühlen wie Angst, Wut oder Trauer zwar einen Raum zu geben, sich aber nicht davon übermannen und beherrschen zu lassen. Gemeinsam zu lachen und zu weinen, habe trotzdem geholfen.

Kraft, Ruhe und Zuversicht habe ihnen auch der Glaube an Gott gegeben. „Er lässt uns bestimmte Krisen erleben, um für andere Menschen zum Segensbringer und Ermutiger zu werden. Bin ich bereit dazu und glaube ich daran, dass Gott aus mir und meinen Erfahrungen etwas Kostbares machen kann? Krisen sind für mich definitiv nichts Schlimmes oder Sinnloses. Im Gegenteil: Sie bergen eine große Chance in sich, wenn ich mich als Gestalter und nicht als Opfer sehe. Deshalb: Vergeude niemals eine Krise!“, erklärt Simon. Letztlich stärkte die Krise ihre Ehe, und vieles Bestehende erwies sich als tragfähiges Fundament, für das beide dankbar sind. „Wir haben dieselbe Situation erlebt, aber jeder von uns in einer anderen Rolle und mit eigener Wahrnehmung. Der Austausch darüber und die Erinnerungen daran sind ein besonderer Schatz, den wir nicht vermissen wollen. Denn Erlebnisse verbinden und Narben erzählen Geschichten“, meint Simon.

Die drei vorgestellten Paare haben erlebt, dass Krisen sie noch näher zusammengebracht haben. Denn trotz aller Schwierigkeiten kann das gemeinsame Bewältigen einer Krise viele Ressourcen eines Paares fördern wie gegenseitigen Respekt, Wertschätzung, Verbundenheit, Vertrauen und Intimität. „Hoffnung ist ein weiterer wichtiger Aspekt von Resilienz. Und durch das Erleben, schon einmal eine Krise gemeistert zu haben, entwickeln sich Hoffnung und Zuversicht für zukünftige schwierige Zeiten. Was wiederum genutzt werden kann, um für andere Menschen Impulsgeber und Vorbild zu sein“, weiß Therapeutin Muschiol.

Tipps von Paartherapeutin Diana Muschiol:

Mit physischen und psychischen Erkrankungen umgehen

  • gegenseitiges Verständnis anstelle von Vorwürfen
  • als nicht Erkrankte/r nicht die Rolle des Arztes oder der Therapeutin übernehmen, keine Diagnosen und Ratschläge geben
  • die erkrankte Person fragen, wie man wirklich helfen kann
  • als gesunde/r Partner oder Partnerin auf das eigene Wohlbefinden achten
  • sich gemeinsam über die Erkrankung informieren
  • sich praktische Hilfe von anderen holen (Angehörige, Freunde, professionelle Helfer), Aufgaben delegieren
  • die Erkrankung als zu bewältigende Herausforderung statt als unüberwindbare Krise sehen
  • Bereiche als Paar finden, die sich nicht um die Erkrankung drehen (Aktivitäten, Gesprächsthemen)
  • Sorgen und Ängste offen ansprechen
  • als Erkrankte/r, wenn möglich, aktiv etwas für die Gesundung tun

 

*Namen geändert

Lisa-Maria Mehrkens ist freie Journalistin. 

 

Hauskauf: Sollten Eltern für die Kinder bürgen?

Immobilienpreise sind hoch und oft fehlt jungen Familien das Eigenkapital für einen Hauskauf oder die Bank braucht mehr Sicherheiten. Eine Bürgschaft kann eine Lösung sein. Aber über die Risiken muss man offen reden.

Was ist eine Bürgschaft?

Eine Bürgschaft bedeutet, dass ein Dritter die Aufgabe übernimmt, die (Rest-)Schulden eines anderen zu tilgen, sollte dieser zahlungsunfähig werden. Dies kann passieren, wenn der Hauptschuldner dauerhaft arbeitslos oder krank wird, sich scheiden lässt, der Partner stirbt, im Beruf scheitert oder eine „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ hat, sich also überschuldet. Ein Hauskredit mit einem Bürgen wird meistens dann in Erwägung gezogen, wenn das Eigenkapital für einen Kredit bei der Bank nicht ausreicht. Der Bürgschaftsvertrag wird dann zwischen der Bank, dem Hauptschuldner und dem Bürgen geschlossen und regelt, in welchem finanziellen Umfang der Bürge einspringt. Es gibt verschiedene Formen der Bürgschaft, von der die sogenannte Ausfallbürgschaft die häufigste und sicherste ist, da der Bürge erst dann einspringen muss, wenn die Bank vorher alle Mittel beim Schuldner ausgeschöpft hat.

Was spricht dafür?

Mit einer Bürgschaft können Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn helfen, ihren Traum zu verwirklichen. Mit Ihrer Hilfe können sie einen Kredit erhalten, den sie sonst vielleicht nicht bekommen hätte. Damit investieren Sie in ihre Zukunft. Die Vorteile einer Bürgschaft liegen für den Bürgen also eher im ideellen, zwischenmenschlichen Bereich.

Was spricht dagegen?

Mit einer Bürgschaft gehen Sie eine finanzielle Verpflichtung und ein Risiko ein, denn bei Zahlungsausfall haften Sie mit Ihrem gesamten Vermögen und haben im schlimmsten Fall am Ende selbst Schulden. Falls Sie die Zahlungen nicht leisten können, können bei Ihnen Pfändungen stattfinden. Sollte es dazu kommen, kann dies die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Tochter oder ihrem Sohn erheblich belasten. Zudem wird jede Bürgschaft bei der Wirtschaftsauskunftei Schufa eingetragen, wodurch sich Ihre eigene Kreditwürdigkeit verschlechtern kann. Das kann dazu führen, dass Sie ein für sich selbst benötigtes Darlehen nicht oder nur zu schlechteren Konditionen bekommen.

Sollte man trotzdem bürgen?

Mit einer Bürgschaft tragen Sie das volle Risiko bei einem Zahlungsausfall. Dieses Risiko können Sie verringern, indem Sie die Bürgschaft zum Beispiel zeitlich begrenzen („Zeitbürgschaft“) und mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn neben dem Bürgschaftsvertrag einen weiteren Vertrag abschließen, der regelt, dass sie Ihnen die Summe, die sie im Fall einer Nutzung der Bürgschaft an die Bank überweisen, zurückzahlt, was das Risiko, im Ernstfall auf den Kosten sitzen zu bleiben, verringert. Fragen Sie sich auch, wie Ihre Kinder und deren Partner generell mit Geld umgehen: Vernünftig und sinnvoll oder verschwenderisch und leichtfertig? Sind sie zuverlässig? Haben Sie den Eindruck, dass die Kreditsumme und die Laufzeit für sie tragbar sind? Diese Frage ist hinsichtlich der hohen Immobilienpreise sehr wichtig. Nicht selten übernehmen sich Paare finanziell, weil der Traum vom Eigenheim größer ist als ihre finanziellen Möglichkeiten.

Ruth Korte arbeitet als freie Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Gießen.

Schwierige (Schwieger-)Eltern: Manchmal ist Abgrenzung nötig!

Die Beziehung zu den (Schwieger-)Eltern ist oft kompliziert, weil unbewusst Macht ausgeübt wird. Paartherapeut Jörg Berger erklärt, wie solche Konflikte entstehen und wie die schwierige Beziehung gelingen kann.

Als ich ein kleiner Junge war, habe ich mir ein Abendgebet ausgedacht, vermutlich nach dem Vorbild von Gebeten, die ich im Kindergottesdienst gehört habe: „Danke für meine guten Eltern und meine Schwester.“ Erst spät ist mir bewusst geworden, dass ich mir auch deshalb gute Eltern bewahrt habe, weil ich mich sehr an sie angepasst habe. Ich war ein braver Junge. Ich habe meine Gefühle für mich behalten und sie stellenweise ganz betäubt. Meine Bedürfnisse habe ich nur dort gezeigt, wo sich meine Eltern nicht von mir gereizt gefühlt haben. Jeden Schritt über diese unsichtbare Grenze hinaus habe ich mit Schlägen, bedrohlichem Schimpfen und Beschämung bezahlt. Gleichzeitig haben meine Eltern Liebe gezeigt, wo sie es konnten. Sie haben ihr Bestes gegeben. Sie haben mir sogar mehr gegeben, als sie selbst als Kinder von ihren Eltern empfangen haben.

Wer Ähnliches erlebt hat, kennt die Last, die Kinder schwieriger Eltern tragen: Wir fühlen uns unendlich schuldig, wenn wir aussprechen, dass wir schlecht behandelt worden sind. Wir zweifeln lieber an uns selbst. Wir suchen verzweifelt nach dem Trick, der uns in die Kinder verwandelt, mit denen die Eltern ganz zufrieden sind und denen sie ihre besten Seiten zeigen können. Es fällt uns heute noch schwer, uns gegen eine schlechte Behandlung zu wehren. Stattdessen gleichen wir lieber aus und verhindern angestrengt ein Scheitern. Bei mir ist es gut ausgegangen. Meine Braver-Junge-Masche hat mir wohlwollende Erzieherinnen und Lehrer, gute Noten, aufgeschlossene Mitmenschen und schließlich eine liebe Frau eingebracht. Mein frühes Interesse für Psychologie – warum wohl? – hat mich in einen Beruf geführt, der mir viel Freude macht. Mit meinen Eltern habe ich einen versöhnlichen Weg gefunden, auch wenn das Kraft gekostet hat und heute vieles nicht möglich ist, was schön wäre. In meiner Praxis begleite ich Menschen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind. Eine umfassend schöne Beziehung zu den Eltern ist für viele Menschen nicht möglich. Doch Konflikte befrieden kann man fast immer.

Was Eltern heute noch Macht gibt

Es gibt Eltern, die zu viel Macht ausüben. Um sie soll es im ersten Teil dieser Serie gehen. Dabei spreche ich von „Eltern“ so, als ob beide Grenzen überschreiten, abwerten oder bestrafen würden. Manchmal ist das auch der Fall. Aber häufiger übt nur ein Elternteil Macht aus und das andere ignoriert dies, verharmlost oder unterstützt es sogar. Denn würde das andere Elternteil korrigierend dazwischengehen, gäbe es das Problem für die Kinder so nicht. (Stattdessen gäbe es wohl ein gefährliches Problem in der Ehe der Eltern.) Wenn Sie das mitdenken, kann ich vereinfachend von „Eltern“ sprechen.

Eltern, die Grenzen überschreiten. Manche Eltern können auch ihren erwachsenen Kindern keine Freiheit lassen. Sie haben unverrückbare Vorstellungen: wie Besuche ablaufen, wie man die Welt sieht und wie man lebt. Mit Leidenschaft regieren sie in das Leben ihrer Kinder und Schwiegerkinder hinein. Wenn sich Kinder wehren, werden sie in zähe Diskussionen verwickelt. Deborah (alle Namen wurden geändert und Umstände verfremdet) zum Beispiel könnte die Hilfe ihrer Eltern so gut gebrauchen, seit das dritte Kind da ist. Aber statt Aufgaben so zu erledigen, wie Deborah es braucht, bestehen die Eltern darauf, die Dinge nach ihren eigenen Vorlieben zu erledigen. Statt einer entspannten Zeit auf dem Spielplatz bestehen die Eltern auf Wanderungen, von denen die beiden Großen kaputt und quengelig zurückkommen. Deborah ist nach einem Besuch am Ende. Hat sich das wirklich gelohnt? Es sind zwar viele Aufgaben erledigt, aber Deborahs Nerven liegen blank.

Eltern, die abwerten. Julian hat sich ein dickes Fell wachsen lassen. Sein Vater schätzt Julians Beruf nicht besonders. Er findet wohl seinen Verdienst zu gering und weist ihn immer wieder auf Karrieremöglichkeiten hin. Und dass sein Vater Annika so offen ablehnt, das trifft Julian zutiefst. Der Vater reagiert bei Tisch einfach nicht, wenn seine Schwiegertochter etwas sagt. Nur wenn er ihre Meinung ganz daneben findet, holt er zu einer langen Belehrung aus. Abwertende Eltern stellen sich auf einen Sockel der Überlegenheit. Von dort aus beurteilen sie das Leben der Kinder. Was hinter ihren Maßstäben zurückbleibt, kommentieren sie mit niederschmetternden Worten. Dabei meinen sie es gut. Sie wollen doch nur, dass ihre Kinder und Schwiegerkinder ein gutes Leben haben.

Eltern, die bestrafen. Muss Strafe sein? Das ist schon bei der Kindererziehung fraglich. Doch manchen Eltern liegt es so im Blut, dass sie auch noch ihre erwachsenen Kinder strafen. Sie ziehen sich zurück, wenn sie sich nicht gut behandelt fühlen, und werfen bei ihren Kindern die Frage auf, was sie verbrochen haben. Strafende Eltern binden ihre Zuneigung, ihre Großzügigkeit und Hilfe an das Wohlverhalten der Kinder und entziehen diese, wenn sie einen Grund dafür sehen. Erwachsene Kinder fühlen sich dann durch Liebesentzug und den Entzug von Unterstützung bestraft. Auch stinkige Reaktionen, die demonstrative Bevorzugung von Geschwistern und gezielt verletzende Bemerkungen eignen sich zur Bestrafung. Kein Wunder, dass Kinder ihre Eltern dann wie rohe Eier behandeln und noch heute in der Furcht leben, etwas falsch zu machen.

Eltern und Schwiegereltern liebevoll entmachten

Eltern erwachsener Kinder haben nur die Macht, die ihnen ihre Kinder heute noch geben. Erwachsene Kinder sollten Liebe nicht mit Liebsein verwechseln. Es gibt auch eine starke Liebe, die sich vor Schwächen der Eltern schützen kann. Sie führt erwachsene Kinder auf einen Weg, der sich zunächst verboten, dann aber sehr befreiend anfühlt.

Freiheit vom schlechten Gewissen. Niemals würden sich erwachsene Kinder von anderen bieten lassen, was sie manchmal bei Eltern und Schwiegereltern ertragen. Das liegt an ihrem Gewissen. Eltern zu ehren ist uns tief eingeprägt, auch ohne kirchliche Prägung. Außerdem ist es für schwierige Eltern charakteristisch, dass sie die Schuld bei den Kindern sehen. Deborahs Eltern halten ihre Tochter für undankbar und kompliziert. Und so fühlt sich Deborah auch nach den Besuchen: undankbar und kompliziert. Erwachsene Kinder dürfen sich von solchen Schuldgefühlen frei machen. Sie sind ihren Eltern Wertschätzung schuldig: für die Würde, die im Elternsein liegt, und für das, was sie den Kindern geschenkt haben. Doch erwachsene Kinder schulden Eltern und Schwiegereltern nicht, dass sie unfaires Verhalten ertragen.

Die Angst vor dem „Scheitern“ verlieren. Der Umgang mit den Schwächen anderer wird leichter, wo man sich an folgende Selbstverständlichkeit hält: Wo mich einer fair und liebevoll behandelt, darf er mir nahekommen. Wer das nicht kann oder will, muss damit leben, dass ich einen Sicherheitsabstand wahre. Mit einem gesunden Abstand kann man viele menschliche Schwächen ertragen. Doch in der Beziehung zu Eltern oder Schwiegereltern bedeutet ein Abstand auch ein Scheitern. Denn es ist schön, sich Eltern zu öffnen, ihren Rat zu suchen, längere Besuche zu machen oder sogar Urlaubstage mit ihnen zu verbringen. Es ist verbindend, wenn sich Eltern und Schwiegereltern tatkräftig und finanziell in das Leben ihrer Kinder einbringen, besonders in fordernden Lebensphasen. Wo erwachsene Kinder das nicht mehr zulassen, ist das ein Scheitern. Es schmerzt und macht traurig, selbst wenn klar ist, dass der Preis für die Nähe viel zu hoch ist. Wenn erwachsene Kinder den Mut zum Scheitern aufbringen, gewinnen sie eine Freiheit, die Chancen mit sich bringt.

Die Tür zu einer guten Zukunft offen halten. Erwachsene Kinder, die in ihrem Gewissen frei geworden sind, können Eltern und Schwiegereltern vor die Wahl stellen. Falls diese an unfairem Verhalten und einer ungesunden Beziehung festhalten wollen, geht manches nicht. Doch die Tür zu einer guten Beziehung steht immer offen. Julian hat das etwa so gemacht: „Papa, ich habe ja schon angesprochen, dass du oft nicht reagierst, wenn Annika beim Essen etwas sagt, außer du willst ihr irgendetwas erklären. Du hast vielleicht deine Gründe dafür. Aber Annika fühlt sich damit nicht wohl. Und ich kann das verstehen. Mir tut es auch weh, wenn ich das Gefühl habe, sie wird von dir ignoriert und nicht geschätzt. Ich finde, es ist kein großes Ding, wenn du ab und zu auf sie eingehst. Du könntest nachfragen oder etwas aufgreifen, was sie sagt. Das gehört doch auch zur Gastfreundschaft. Vielleicht siehst du das anders. Dann werde ich aber manchmal allein kommen und auch nicht mehr so oft.“

Erwachsene Kinder wie Julian erobern sich so eine angemessene Macht zurück. In aller Regel geht das gut aus. Plötzlich bewegt sich etwas in der Beziehung. Oft wird es dann sogar für beide Seiten schöner. Manchmal halten Eltern aber an unfairen Ansichten und Verhaltensweisen fest, als ginge es um ihr Überleben. Dann geht manches eben nicht. Vorerst.

Jörg Berger arbeitet als Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg (epaartherapie.de). Mehr zum Thema in den nächsten Ausgaben und in seinem Buch „Stachlige Eltern und Schwiegereltern. Wie Sie Frieden schließen und versöhnt leben“ (Francke).

Welcher Kindergarten passt zu uns? Expertin rät: Frühzeitig informieren!

Ab dem dritten Lebensjahr gehen die meisten Kinder in den Kindergarten. Worauf Eltern bei der Auswahl der Einrichtung achten sollten.

Elternfrage: „Mein Kind wird nächstes Jahr drei Jahre alt und war bisher bei einer Tagesmutter. Nächstes Jahr soll es in die Kita wechseln. Wie finde ich heraus, welche Kita zu uns passt? Und bis wann muss ich es anmelden?“

 

„Generell sollte die Suche nach einem Kitaplatz so früh wie möglich beginnen“, rät Nadine Jung vom Landkreis Gießen mit Blick auf die Wartelisten, die in manchen Städten und Regionen sehr lang sein können. Einen Überblick über die jeweilige Platzsituation kann euch die Gemeinde- und Stadtverwaltung im Wohnort geben, die gleichzeitig auch Träger vieler Kitas ist.

Dort oder auf der Homepage der Kitas könnt ihr erste Informationen zu pädagogischen Ansätzen, Räumlichkeiten, Gruppengrößen und Konzeptionen finden. So könnt ihr euch einen ersten Eindruck verschaffen und entscheiden, was euch persönlich zusagt. Dies ist individuell verschieden und variiert von der örtlichen Distanz über den Betreuungsschlüssel, also wie viele Erzieherinnen im Kindergarten wie viele Kinder betreuen, bis hin zum Betreuungskonzept, das in der Einrichtung angewandt wird.

Offen, teiloffen und geschlossen – Welches Konzept passt zu uns?

Die Konzepte in den Kindergärten variieren zwischen offen, teiloffen und geschlossen. In einer geschlossenen Gruppenarbeit wird ein Kind einer Gruppe mit festen Erzieherinnen zugeteilt. In dieser halten sich die Kinder während des gesamten Kindergartentages auf.

Beim teiloffenen Konzept sind die Kinder nur am Tagesbeginn und -ende in ihrer Stammgruppe. Nach einem gemeinsamen Start werden die anderen Gruppen für die Kinder geöffnet. Ganz auf Gruppen verzichtet wird in Kindergärten mit offenem Konzept. Die Räume, die den Kindern zur Verfügung stehen, sind themenorientiert. Es gibt zum Beispiel einen Kreativraum, einen Bewegungsraum oder einen Rückzugs- und Ruheraum. Die Kinder können frei wählen, mit wem sie wann welchen Aktivitäten nachgehen möchten.

Menschenbilder sind verschieden

In Deutschland wird ein Drittel aller Kindergärten von den Städten und Kreisen getragen. Der größte Teil der Einrichtungen wird von freien Trägern wie Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder Elterninitiativen geleitet. In der Schweiz sind rund 90 Prozent aller Kitas als Verein, GmbH, Stiftung oder Betriebskita privat organisiert und werden zu durchschnittlich zwei Dritteln durch Elternbeiträge finanziert. Dadurch sind die Betreuungskosten deutlich höher als in Deutschland.

In Deutschland wie in der Schweiz prägt der jeweilige Träger das der Einrichtung zugrunde liegende Menschenbild und kann humanistischer, christlicher, anthroposophischer oder anderer Natur sein. Das christliche Menschenbild wird vor allem in Kindergärten gelebt, die in kirchlicher Trägerschaft sind. Es gibt evangelische und katholische, aber auch freie Bekenntniskindergärten. Christlichen Kindergärten gemein ist, dass die Kinder entsprechend dem christlichen Weltbild erzogen werden. Nächstenliebe und die Gebote Gottes sowie seine Liebe zu den Menschen stehen im Fokus. Wie diese Werte konkret im Kita-Alltag gelebt werden, könnt ihr im Gespräch mit der Leitung oder direkt mit den Erzieherinnen klären.

Ruth Korte

Witwe durch Suizid: Wie sich eine Frau zurück ins Leben kämpft

Durch den Suizid ihres Mannes geht Nics Leben über Nacht in die Brüche. Doch in Trauer und Chaos findet sie Wege, ihr Leben neu zu gestalten.

Die innere Welt

Vor sechs Jahren ist mein Mann gestorben. An Suizid. Das war definitiv etwas, das ich mir nicht ausgesucht hatte. Gewählt hatte ich zuvor ein Leben auf dem Land mit meinem Mann und meiner Tochter, Hund und Katze, und einem gemeinsamen Beruf. Dieses Leben war mit der Entscheidung meines Mannes, nicht mehr leben zu wollen, genauso plötzlich gestorben wie er. Ich hatte dabei kein Mitspracherecht.

Ein plötzlicher Todesfall – besonders ein Suizid – beendet aber nicht nur ein Leben, wie es vorher war. Es löst auch eine Menge Neues aus: Wellen voll Emotionen und Gedanken spülen über uns hinweg, und wir wissen kaum noch, wo oben und unten ist. Oft funktionieren wir dann nur noch, weil wir sonst untergehen würden. Erst später, wenn wir uns etwas an den Wellengang gewöhnt haben, können wir uns diesen neuen Gedanken und Gefühlen stellen, die mit der Trauer angerauscht kommen.

Mit der Zeit nimmt die Wucht der Wellen ab, und sie werden seltener und flacher. Wir können die Gedanken und Gefühle besser wahrnehmen und sortieren. Ab und an schwimmen wir mit ihnen oder trauen uns sogar, mit ihnen zu spielen und auf ihnen zu surfen. Denn dazu sind sie eigentlich da. Sie helfen uns, einen neuen Platz zu finden, nachdem etwas unser vorheriges Leben zerstört hat.

Die äußere Welt

Ob wir wollen oder nicht – die Welt um uns herum nimmt uns anders wahr. Ich war nun Witwe. Das waren für mich bis dahin alte Frauen in schwarzer Kleidung gewesen, aber doch nicht ich, mit Mitte dreißig!

Als ich versuchte, eventuell eine neue Wohnung für mich und meine Tochter zu finden, stellte ich zudem fest, dass ich nicht nur Witwe, sondern auch alleinerziehend war. Und damit kamen Annahmen wie: überarbeitet, überfordert, nicht zahlungsfähig. Zumindest wenn es nach den Maklern ging, die mich nicht mehr zurückriefen, sobald sie erfuhren, dass ich keinen Mann mehr an meiner Seite hatte. Sozialer Abstieg innerhalb von Sekunden in den Köpfen fremder Leute.

„Kein Mann mehr“ hieß bei anderen aber auch: Sie ist Single. Nach fast zwanzig Jahren in einer Beziehung wurde ich wieder angeflirtet. Schon drei Tage nach dem Tod meines Mannes. Was ich zunächst gar nicht begriff, weil ich daran zuletzt dachte: wieder Platz zu machen in meinem Herzen für einen anderen Menschen.

Denn für mich hatte sich an meiner Definition wenig geändert. Ich war mit meiner Tochter immer noch eine Familie. Ich hatte nur meinen Mann verloren. Ich hatte nicht um neue Beschreibungen gebeten, wie Witwe, alleinerziehend, Single. Ich war immer noch ich. Zwar mit inneren Trauerwellen in Richtung Veränderung, aber doch nicht so, wie andere mich sahen! Auch das: etwas, das ich mir nicht ausgesucht hatte. Und woran ich nichts oder nur wenig ändern konnte.

Die Umwelt

Akzeptanz und Annahme von dem, was man nicht ändern kann, gehört zu den ersten und gleichzeitig schwersten Aufgaben, wenn man um ein Leben trauert, das nicht mehr da ist. Umso schwieriger ist es aber auch zu entscheiden, was man akzeptieren muss und was nicht.

Mit dem Tod meines Mannes war lange nicht klar, ob ich auch noch unser Haus verliere. Es hat drei Jahre gedauert, bis deutlich wurde: Wir können bleiben und es sanieren – die zweite Hälfte der Sanierung fiel in den ersten Lockdown der Pandemie; auch etwas, was wir uns nicht ausgesucht hatten. Ein Zuhause zu haben – und damit ein soziales Umfeld, das einem Sicherheit und Geborgenheit gibt –, ist in Umbruchphasen immens wichtig. Wenn das auch noch wegbricht, wackelt das Leben auf allen Ebenen. Ich fühle deshalb sehr mit Menschen nach einer Flutkatastrophe oder auf der Flucht. Denn unser Haus war das Einzige, was ich aus meinem alten Leben retten konnte.

Meinen Beruf musste ich aufgeben. Mein Mann und ich hatten eine Beratungsstelle, die ich allein nicht weiterführen konnte. Mich davon zu verabschieden, tat weh, machte aber auch Platz für Neues. Für etwas, das schon lange in mir geschlummert, aber bis dahin keinen Raum hatte: Ich habe Bildhauerei studiert. Und einen Verein gegründet, der anderen Hinterbliebenen nach einem Suizid eine Stütze sein soll: Blattwenden e. V.

Die Glaubenswelt

Ich bin Christin und finde in Gott meinen Halt. Umso überraschter war ich, als ich letztens gefragt wurde, ob meine andauernde Müdigkeit vielleicht daran liegt, dass ich mich von Gott entfernt hätte. Über solche Mutmaßungen kann ich nur gähnen. Denn Veränderungen, die wir uns nicht ausgesucht haben, machen einfach müde. Sie verlangen Kräfte und Fähigkeiten von uns, von denen wir vorher gar nicht wussten, dass wir sie hatten. Sie zwingen uns aber auch dazu, nicht nur einmal, sondern für eine lange Zeit über unsere Grenzen zu gehen.

Viele haben genau das in den letzten Jahren erlebt, in der Pandemie, den Flutgebieten und jetzt durch den Krieg in der Ukraine. Besonders Menschen im Sozial- und Gesundheitswesen wurden und werden mit Veränderungen konfrontiert, die sie sich nicht ausgesucht haben. Irgendwie müssen wir da durch. Dass wir danach müde sind, liegt sicherlich nicht an unserer Gottlosigkeit. Es liegt daran, dass wir den Sonntag, den Ruhetag, den Gott uns empfohlen hat, für mehrere Jahre nicht leben konnten.

Ich bin deshalb umso dankbarer, dass ich in all dem Chaos namens Leben eine stabile Konstante an meiner Seite weiß: Meine himmlische Begleitung, die mich aushält mit meinen Trauerwellen, die mich schützt vor Verurteilungen und Geringschätzung von außen, die mir Weisheit schenkt bei meinen Entscheidungen, und die mir Mut macht, nach vorn zu gehen.

Natürlich hadere ich mit Gott. Natürlich finde ich vieles unverständlich und doof. Natürlich bin ich ungeduldig und genervt und wütend und tieftraurig – aber Gott hält das aus! Gott versteht mich. Und das gibt mir Trost und Erdung, um daraus zu wachsen. Es lässt aber auch eine Menge unnötigen Kram hinter mir. Viele Glaubensdiskussionen werden unwichtig. Sie stehlen mir nur meine wertvolle Zeit, die ich hier auf der Welt noch habe, mit meiner Tochter und meinem neuen Mann. Das finden manche befremdlich. Ich finde es befreiend.

Weiter in die neue Welt

Leider haben wir keine Garantie, dass nach einem Abschied alles wieder gut wird. Manchmal kommen neue Abschiede hinzu. Zwei Jahre nach dem Suizid meines Mannes ist mein Vater gestorben, letztes Jahr unsere Katze und vor drei Wochen unser Kater – wieder plötzlich, von einem Auto angefahren. Das hat bei meiner Tochter neue Trauerprozesse ausgelöst. Denn nicht nur ich habe das alles erlebt, sondern auch mein heute neunjähriges Kind. Jetzt ist sie dran. Jetzt kann sie endlich Worte für ihre Veränderungsprozesse finden. Und ich kann und will für sie da sein.

Um das zu können, kann ich aber nicht mehr jeden Tag ums Thema Trauer kreisen. Bisher war ich auf Spendenbasis bei meinem Verein angestellt. Durch die Pandemie und die Wirtschaftslage haben bereits und werden noch viele unserer Förderer ihre Spenden einstellen. Gleichzeitig geht mein Bildhauerei-Studium zu Ende. Ich muss also umdenken. Schon wieder.

Auch wenn ich Veränderungsprozesse gut begleiten kann, heißt das ja nicht, dass ich das auch tun muss. Und genau da befinde ich mich jetzt: Bei der Bürde und dem Luxus, (relativ) frei zu entscheiden, was als Nächstes kommt. Ob ich tatsächlich so bescheuert bin und ausgerechnet in einer Wirtschaftskrise einen Beruf ergreife, in dem ich einfach nur schöne Dinge herstelle, wofür andere kein Geld mehr haben, weil es für sie ums pure Überleben geht?

Aber: Es zeigt auch, dass bei allen erzwungenen Veränderungen von außen immer Möglichkeiten bleiben, sich für etwas zu entscheiden. Auch wenn es nur verborgen oder klein ist. Irgendwo gibt es immer eine Chance für einen Neubeginn. Jesu Auferstehung ist das beste Beispiel dafür. Und mit diesem Beispiel lebe ich weiter, immer.

Nic Schaatsbergen ist gelernte Journalistin und Diplom-Bildhauerin: art.greenwoman.de. Sie engagiert sich für Suizid-Hinterbliebene bei Blattwenden e. V.: blattwenden.eu

 

Falls ihr selbst in einer verzweifelten Situation seid, sprecht mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch die Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

5 Tipps: So überlebt die Beziehung in der Kleinkindphase

Die Kleinkindphase ist eine Herausforderung für die Beziehung der Eltern. Familienberaterin Isabelle Bartels erklärt, wie die Partnerschaft trotzdem aufblühen kann.

„Mir wächst hier alles über den Kopf und ich wäre froh, einfach mal wieder eine Nacht durchzuschlafen. Wo bleibt da noch Zeit für die Beziehung?“ Das höre ich oft von jungen Eltern. Und ganz ehrlich: Ich kann das gut verstehen! Denn diese Zeit ist extrem herausfordernd.

Meinem Mann und mir ging es während unserer Familiengründungsphase immer wieder genauso. Und gleichzeitig haben wir uns gefragt, wie wir als Paar in Verbindung bleiben können – auch im Alltag mit Kleinkindern. Denn wir wollten unsere Beziehung nicht dem Zufall überlassen und es auch nicht glauben, dass es vorbei ist mit Zweisamkeit und Nähe, wenn die Kinder klein sind. Doch wie genau können wir Einfluss nehmen auf die Resilienz unserer Partnerschaft? Was hält sie lebendig, wenn wir Eltern werden und als Paar wenig Exklusivzeit haben? Aus meiner eigenen Lebenserfahrung und als Ergebnis meiner Beratungen sind es vor allem fünf Bausteine, die wir als Paar kultivieren dürfen, um unserer Beziehung weiterhin Raum zur Entfaltung geben zu können.

1. Annehmen, was ist

Letztens bei uns: Wir hatten uns seit Tagen auf einen Restaurantbesuch zu zweit gefreut – und eine Stunde vorher sagt uns das Kindermädchen ab. Puh! Die Vorfreude weicht der Enttäuschung und dem Frust. Statt gemütlich essen zu gehen nun das normale Ich-will-nicht-schlafen-gehen-Programm mit den Kindern. Ich merke: Ich habe keine Lust! Früher habe ich mir Gedanken wie „Ich habe gerade keine Lust auf meine Kinder!“ nicht erlaubt. Doch dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Annahme von allem, was ist, die Grundlage ist, um überhaupt wieder heraus aus dem Opfermodus in die Handlungsfähigkeit zu kommen.

Was bedeutet das konkret für die Situation? Solange ich glaube, ich müsse immer Lust auf meine Kinder haben, komme ich nicht weiter. Ich bin weiterhin genervt, habe ein schlechtes Gewissen und bin unzufrieden mit mir, weil ich es nicht schaffe, dankbarer zu sein. Hier hilft die Annahme aller Anteile in mir mit ihren widerstreitenden Gefühlen. Ich gestehe mir ein, dass ich manchmal am liebsten meinen Mann für mich allein hätte und so nicht meinem Bild eines perfekten Elternteils entspreche. Und plötzlich wird mir klar, dass ich nicht falsch bin, sondern dass meine Gefühle einfach menschlich und ein Ausdruck für meinen Wunsch nach mehr Zweisamkeit und Selbstbestimmung sind. Ich komme raus aus dem inneren Kampf und kann stattdessen nach Lösungen für die veränderte Situation suchen.

Als Paar könnt ihr euch gegenseitig helfen, den täglichen Kampf zu erkennen, und euch liebevoll aus den Gedankenschleifen herausholen. Dazu reichen oft ein einfaches „Stopp“ und eine Umarmung. Macht es euch immer wieder leicht und entscheidet euch bewusst dafür, nicht irgendeinem Ideal zu entsprechen. Und wenn es die Situation erfordert, wiederholt ihr das alle fünf Minuten.

2. Selbstfürsorge – Raum für mich und meine Interessen

Den Kindern geht es nur so gut, wie es den Eltern als Paar miteinander geht. Der Beziehung als Paar wiederum geht es nur so gut, wie es jedem Einzelnen geht. Das sind zwei meiner Lieblingsgrundsätze für beziehungsstarkes Familienleben. Doch es ist oft ein riesiger Schritt, sich diesen Raum für sich selbst zu erlauben und ihn wirklich einzunehmen.

Deshalb ist der erste Schritt immer: die Selbsterlaubnis. Erlaube dir, Raum und Zeit mit dir selbst zu genießen und dich zu fragen: Was brauche ich? Wie kann ich mir selbst Gutes tun, um dann wieder die Mutter oder der Vater, die Partnerin oder der Partner zu sein, die oder der ich sein möchte?

Der zweite Schritt ist hier die klare Kommunikation: Rede mit deinem Partner darüber. Formuliere deinen Wunsch klar und spreche mit ihm darüber, dass du dir mehr Raum für dich nehmen willst.
Als wir angefangen haben, Räume für uns selbst in unseren Alltag einzubauen, kamen oft Bedenken von einem von uns wie: „Unsere tägliche To-do-Liste ist jetzt schon nicht zu schaffen, wie soll ich da noch Zeit für mich einbauen?“

Uns ist klar geworden: Ohne Selbstfürsorge geht es nicht. Mir hilft da immer das Bild aus dem wunderbaren Gedicht von Bernhard von Clairvaux: Die Schale der Liebe. Nur, wenn wir so gefüllt sind, dass wir überfließen wie eine Schale voller Wasser, können wir unsere Liebe und unsere Kraft weitergeben. Da sind wir wieder beim Thema Erlaubnis: Erlaube dir, deine Schale aufzufüllen. Hierzu reichen manchmal schon ein paar Minuten täglich.

Der dritte Schritt ist: Umsetzung! Schnappt euch den Kalender und tragt euch Alleinzeiten ein. Und plötzlich merkst du, dass der Alltag leichter wird, wenn du lernst, gut für dich selbst zu sorgen! Du erlebst dich viel gelassener mit den Kindern. Und die lange To-do-Liste kannst du ebenfalls besser annehmen, weil du spürst, dass du immer genug Kraft haben wirst, um alle Herausforderungen des Alltags zu bestehen.

3. Zeit für Beziehung – kleine Oasen im Alltag schaffen

Es ist wichtig für die Beziehung als Paar, dass auch sie Raum hat, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Die Frage ist also nicht, ob wir Zeit zu zweit haben, sondern wie. Deshalb habe ich mir im Folgenden Fragen überlegt, die helfen können, auch in der Kleinkindphase Paarzeiten zu etablieren:

  • Wie können wir ohne Druck und so, dass es sich für uns leicht und entspannt anfühlt, Zeiten für kleine Paar-Oasen im Alltag freihalten?
  • Was dient uns jetzt gerade mehr auf unserem Weg – viel Paarzeit? Oder lieber mehr Zeit allein?
  • Welche Aufgaben können wir auch anderen Menschen übergeben, sodass dadurch neue Freiräume für uns entstehen?

Und hier kommen noch drei Ideen für Mikro-Oasen! Schnell und einfach umgesetzt – Babysitter wird nicht benötigt!

  • Stellt den Wecker auf 5 Uhr morgens. Zieht eure Kleidung aus und kuschelt Haut an Haut. Spürt die Verbindung! Da muss gar kein Sex heraus entstehen – sondern es geht erst einmal darum, in Verbindung zu sein. In dieser Atmosphäre können auch die schönsten Gespräche entstehen. Probiert’s mal aus! PS: Der Jüngste wird auch in aller Frühe wach? Na, dann kuschelt er halt mit. Was für eine schöne Erinnerung ans Wochenbett, als ihr auch Haut an Haut mit ihm gekuschelt habt!
  • Ihr arbeitet im Home-Office? Macht ein Mittagessen für die Hand und verbringt die Mittagspause draußen! Nehmt euer Kind in die Trage und macht einen Spaziergang. Redet nicht über organisatorisches Kleinklein, sondern fragt bewusst und interessiert: „Wie geht es dir gerade?“
  • Nehmt euch einen späten Nachmittag Zeit für ein Familienpicknick: im Sommer im Garten oder im Park, im Winter am gemütlichsten Ort in der Wohnung. Dann setzt ihr euch allesamt auf den Boden und esst gemeinsam. In dieser entspannten Atmosphäre schwärmen die Kinder meistens nach dem Essen zum Spielen aus oder kuscheln sich einfach an, sodass ihr entspannt reden könnt.

4. Streiten & vergeben

Wie fühlen sich Konflikte für euch an? Wie seid ihr geprägt? Und wie freigiebig seid ihr beim Thema Vergebung? Die Antwort auf diese Fragen beeinflusst maßgeblich eure aktuelle Konfliktkultur. Kaum ein Paar streitet gern. Doch die gute Nachricht lautet: Konflikte gehören dazu! Und wir können lernen, sie zu lösen. Mein Mann und ich sind das beste Beispiel. Am Anfang unserer Beziehung dachten wir, wir würden niemals konstruktiv streiten lernen. Während ich alles ausdiskutieren musste, wollte er als Harmonietyp so schnell wie möglich raus aus dem Konfliktgespräch. Bevor eine Lösung für den akuten Konflikt in Sicht war, haben wir uns schon darüber gestritten, wie wir streiten.

Mittlerweile schaffen wir es zu 90 Prozent, unsere Konflikte zu lösen. Und wenn wir das können, könnt ihr das auch. Ich kann jetzt aus ganzem Herzen sagen: Konflikte sind wichtig und sind Chancen, um zu wachsen! Konflikte eskalieren häufig dann, wenn ein Anteil in uns durch die aktuelle Situation an eine schmerzhafte Erfahrung aus der Vergangenheit erinnert wird. Wenn wir bereit sind, unsere eigenen alten Verletzungen anzuschauen, werden Konflikte konstruktiv. Es ist ein toller Erfolg, wenn du in einem Konflikt selbst erkennst, dass du gerade in einen alten Schmerz gerutscht bist. Die Basis für einen solchen Moment sind die Bausteine 1 und 2: Annehmen, dass dieser Schmerz gerade da ist, und so gut wie möglich für dich sorgen.

Der nächste Schritt ist erst dran, wenn die hochgekochten Gemüter sich wieder beruhigt haben. Vergib deinem Partner oder deiner Partnerin freigiebig und vor allem auch dir selbst. Für mich als Christin hilft die Gewissheit, dass Gott mir vergibt. Immer wieder. Er liebt mich und nimmt mich an. Also lasst uns täglich sagen und signalisieren: „Ich vergebe dir.“

5. Gemeinsam träumen

Dieser Baustein hat unglaublich viel Potenzial, den Alltag zu durchbrechen und über das Chaos hinweg Verbindung zu schaffen. Fragt euch regelmäßig: Was ist unsere gemeinsame Perspektive? Was ist noch alles möglich hinter dem Tellerrand des Alltags? Worauf leben wir gemeinsam hin? Es lohnt sich, die Paar-Oasenzeiten zum gemeinsamen Träumen zu nutzen und auch mal einen Träumertag einzulegen! Das heißt, dass ihr beide euch einen Tag Zeit nehmt und gemeinsam so viel wie möglich von euren „Wie schön wäre es, wenn wir …“-Ideen da hineinpackt. Die Energie, die ihr daraus mitnehmt, wird euch durch die nächste Durststrecke tragen und euch inspirieren, viel öfter zu fragen: Was tut uns in unserem Alltag gut? Wie wollen wir eigentlich leben? Und wovon können wir jetzt sofort noch mehr in unseren Alltag bringen?

Ja, es gibt immer wieder diese Phasen, in denen wir das Gefühl haben, dass alles über uns hereinbricht und wir nur noch reagieren können. Doch wir haben immer die Möglichkeit, als Individuen und als Paar gemeinsam zu entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen. Ich wünsche euch viel Kreativität und gute Ideen, die genau zu euch und eurem Alltag passen.

Isabelle Bartels ist Pädagogin und familylab-Familienberaterin, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ostwestfalen und bloggt unter isabellebartels.com.

Hilfe, mein Baby schläft nicht! Expertin erklärt, wann Hilfe nötig ist

„Schläft dein Baby schon durch?“ Allein diese Frage kann schon für Unmut sorgen. Denn junge Eltern fragen sich: Was ist normal? Mache ich etwas falsch? Schlafcoach Aniko Siegel erklärt im Interview, worauf Eltern achten sollten und wann Hilfe angebracht ist.

Elternfrage: „Mein Baby ist inzwischen fast ein Jahr alt und schläft weder allein ein noch die Nacht durch. Ich dachte, das sei nur in den ersten Lebensmonaten so. Ist das normal?“

 

Es gibt kein normal oder unnormal. Das Schlafverhalten ist so unterschiedlich wie die Kinder selbst. Dass Kinder, die sonst lange geschlafen haben, plötzlich kürzer schlafen, nachts öfter wach werden, vielleicht auch mehr kuscheln möchten oder abends mehr Zeit zum Einschlafen brauchen, kann total normal sein. Grund dafür können Entwicklungsschübe sein, die sich häufig auf das Schlafverhalten auswirken. Wenn das Kind aber schon seit Langem sehr schlecht schläft und man nicht wirklich weiß, aus welchem Grund das so ist, kann man sich natürlich mal anschauen, ob man gegebenenfalls etwas ändern kann.

Können Eltern auf das Schlafverhalten ihrer Kinder einwirken?
Ja, schon im Säuglingsalter können Eltern anfangen, eine Abendroutine einzuführen, die dem Baby hilft, sich zu entspannen. Auch ein strukturierter Tagesablauf, dass also Essen, Spielen und Schlafen in etwa zu gleichen Zeiten ablaufen, dient dem Kind zur Orientierung und gibt ihm Sicherheit. Es muss aber nicht immer exakt die gleiche Uhrzeit sein, sondern die Tageszeiten sollten ungefähr gleich sein. Bei all dem ist es aber auch wichtig, sich ein gewisses Maß an Flexibilität und Spontaneität zu erhalten, vor allem dann, wenn es mal nicht nach Plan läuft.

Was raten Sie Eltern, die wegen des Schlafmangels am Limit sind?
Wenn Eltern und Kinder am Limit sind, die Mutter also gar nicht mehr in den Schlaf findet und das Kind nachts jede halbe Stunde oder Stunde an die Brust will und auch tagsüber überhaupt nicht zur Ruhe kommt und nörgelig ist, wenn Familien an dem Punkt sind, dass sie nicht mehr weiterwissen und auch nicht mehr weiter können, dann rate ich, sich Hilfe zu suchen. Zum Beispiel bei einem Schlafcoach.

Was wird bei einem Schlafcoaching vermittelt?
Erst mal alles Wissenswerte rund ums Thema Schlaf. Die Eltern legen dann fest, was sie erreichen wollen, also zum Beispiel: Wir wünschen uns, dass unser Baby in seinem eigenen Bett schläft. Oder: Wir wünschen uns, dass das Baby abends gut und vielleicht sogar allein einschläft, damit wir mal wieder einen ruhigen Abend haben können. Der Coach unterstützt die Eltern dabei, dieses Ziel zu erreichen – immer ganz langsam und liebevoll auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt. Ein Schlafcoaching wird im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren empfohlen.

Aniko Siegel ist Schlafcoach und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der Nähe von Hamburg. nachtruhe-babycoaching.de