Schlechte Noten? 5 Tipps für besorgte Eltern

In den meisten Bundesländern wurden bereits die Halbjahreszeugnisse vergeben. Doch nicht immer sind die Ergebnisse ein Grund zur Freude. Dabei müssen schlechte Noten nicht automatisch ein Grund zum Verzweifeln sein.

Der Andrang von Familien, die Nachhilfe benötigen, sei kurz nach der Zeugnisvergabe gerade enorm, berichtet Fredrik Harkort, Gründer des Online-Lern-Angebots Cleverly. Besonders für Mathe und Deutsch gäbe es gerade viele Anfragen. Mittlerweile würden auch immer mehr Kinder aus der Grundschule die Online-Nachhilfe buchen – eine neue Entwicklung. „Das sind noch die Nachwirkungen von Corona, hier fehlen oft Grundlagen“, erklärt Fredrik Harkort. Kinder, die Nachhilfe bei ihnen buchen, haben oft große Schwierigkeiten in einem Fach: „Da geht es in der Regel nicht darum, mal schnell für eine Prüfung zu üben, sondern ein Kind ist in einem Fach auf eine fünf abgerutscht und vielleicht versetzungsgefährdet. Das sind schon keine Nebensächlichkeiten.“ Schlechte Noten würden nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie unter Druck setzen.

Keine Panik

Doch was können Eltern tun, wenn ihr Kind in einem Fach eine besonders schlechte Note erhält? Elternbegleiterin und Familientherapeutin Stefanie López rät Eltern, sich erst einmal zu entspannen. „Eltern kommen oft mit dieser Angst zu mir, dass ihr Kind abgehängt wird, wenn es jetzt eine schlechte Note auf dem Zeugnis hat. Dass es später keinen guten Beruf findet und unglücklich wird.“ Doch wenn Eltern aus dieser Angst heraus Druck auf ihr Kind ausüben, würde das oft zu Abwehr und Ermüdung beim Kind führen. Im schlimmsten Fall könne es sogar zu einer Schulverweigerung kommen. Je älter ein Kind werde, desto wichtiger wäre es, dem Kind Raum zu geben, um selber herauszufinden: Was für ein Schüler, was für eine Schülerin möchte ich sein? Kann ich mit meinen jetzigen Noten später das beruflich machen, was ich machen möchte? Zu viel Druck von den Eltern kann sich auch negativ auf die Beziehung zum Kind auswirken, erklärt Stefanie López. „Das Leben findet nicht erst statt, wenn das Kind sein Studium oder seine Ausbildung beendet hat und im perfekten Job ist – es passiert jetzt. Möchte ich, dass mein Kind später einen Einser-Abschluss hat, dafür aber unglücklich ist und nicht mehr mit mir redet?“

Gemeinsames Gespräch

Auch Fredrik Harkort empfiehlt, gelassen zu bleiben und das Gespräch mit dem Kind zu suchen. „Eltern können zum Beispiel fragen: ‚Was glaubst du, woran liegt es, dass es aktuell nicht so läuft?‘ Es ist wichtig, dass es Raum für eine unbelastete Situationsaufnahme gibt.“ Dann könnten Eltern gemeinsam mit dem Kind weiter über die nächsten Schritte nachdenken: „Sind wir uns einig, dass das so nicht weitergehen kann? Sind wir uns einig, dass du dich in diesem Fach verbessern möchtest? Dann lass uns doch mal zusammen schauen, wie wir das hinbekommen.“ Das gemeinsame Sprechen über die Situation, das Formulieren von Wünschen und Gefühlen – all das sei eine gute Grundlage für weitere Schritte. Es sei übrigens auch in Ordnung, wenn ein Kind nicht in allen Fächern gut ist, meint Fredrik Harkort: „Eine Vier in Mathe ist kein Weltuntergang.“

Nachhilfe

Haben Kind und Eltern beschlossen, dass die Note in einem Fach sich deutlich verbessern soll, gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Ein erster Schritt kann sein, nach passenden Nachhilfe-Angeboten zu suchen. Angebote gibt es viele: Private Nachhilfe von älteren Schülern der eigenen Schule, professionelle Nachhilfe-Institute, Vermittlungsplattformen für Nachhilfe-Lehrkräfte oder Online-Tutorials, die den gesamten Lernstoff abdecken. Egal welche Form Eltern wählen, wichtig ist, dass die Verträge nicht langfristig sind. Denn guter Nachhilfeunterricht macht sich möglichst schnell wieder überflüssig. Für Familien mit knappen Einkommen, die zum Beispiel Wohngeld oder Kinderzuschlag erhalten, gibt es staatliche Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundesministeriums für Familie. Hier können Familien Lernförderung beantragen. Dazu muss die Lehrerin oder der Lehrer den Förderbedarf bescheinigen, akut versetzungsgefährdet muss das Kind aber nicht sein.

Lernen lernen

Bei Cleverly gibt es neben klassischer Nachhilfe zusätzlich auch ein Mentoring-Angebot. In den 1:1 Sitzungen, die dazugebucht oder eigenständig genutzt werden können, sprechen die Kinder mit Pädagoginnen und Pädagogen über Themen wie Selbstvertrauen, Lern-Motivation oder Prüfungsangst. Denn Erfolg in der Schule ist nicht nur vom Lernstoff abhängig, der vielleicht verpasst wurde, sagt Fredrik Harkort. „Es geht auch um das Thema Lernen lernen. Wie kann mein Kind lernen, selbst zu lernen? Wie lernt es, seinen Arbeitsplatz zu organisieren?“ Auch Lernmotivation und Prüfungsangst sind Themen der Mentorings. Bei Cleverly wird eine dreiviertel Stunde freies Spiel vor den Hausaufgaben empfohlen, damit die Kinder nicht von der Schule gleich wieder an den Schreibtisch müssen. „Dann gibt es etwas, was wir Gedankenbox nennen. Die Eltern setzen sich mit den Kindern hin und fragen: Was beschäftigt dich gerade? Das Kind schreibt seine Gedanken auf einen Zettel und steckt es in eine Box. Nach der Hausaufgabensession schauen sich Eltern und Kind dann gemeinsam den Zettel an und sprechen darüber.“ So kommen Eltern und Kinder miteinander ins Gespräch und die Kinder lernen, sich zu fokussieren. Es wird im Mentoring auch über den Platz, an dem die Hausaufgaben gemacht werden, gesprochen. Ist er übersichtlich? Oder liegen dort viele Dinge rum, die ablenken?

Es gibt nicht die eine Methode

Stefanie López betont, dass es nicht die eine Methode gibt, die für alle Kinder funktioniert. Eltern können gemeinsam mit dem Kind ausprobieren, was gut klappt, in welcher Umgebung es gut lernen kann und welche Lernmethoden ihm helfen. Immer wieder sollten Eltern gemeinsam mit dem Kind auswerten, welche Art von Unterstützung es von ihnen braucht und ob ihre Hilfe wirklich hilfreich ist. „Ich habe mal eine Mutter beraten, die sich jeden Tag mit ihrem Kind laut wegen der Hausaufgaben stritt. Da sagte ich zu ihr: ‚Guck mal, das machst du jetzt seit zwei Jahren immer auf dieselbe Weise. Hast du den Eindruck, dass sich etwas verbessert hat?‘ Sie meinte: ‘Nein, irgendwie nicht‘.“ Eltern würden manchmal an bestimmten Dingen festhalten, die einfach nicht funktionieren. Statt immer weiterzumachen, würde es helfen zu fragen: „Wie kriegen wir das besser hin? Was brauchst du, damit es besser wird?“

Sarah Kröger ist Journalistin und Projektmanagerin, bloggt unter neugierigauf.de und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Berlin.

Mutter erkennt: „Die Kinder müssen ihren Weg finden, nicht ich.“

Wenn Kinder erwachsen werden, müssen sie ihre Entscheidungen selbst treffen. Das ist ein Lernprozess für die Kinder und ihre Eltern. Eine Mutter berichtet von ihrem Weg.

Als die Kinder klein waren und unseren täglichen Alltag bestimmten, habe ich immer wieder den Satz gehört: „Die Kinder werden so schnell groß.“ Im Stillen habe ich mich dann müde und erschöpft gefragt: „Wann wird das denn endlich sein?“ Ich fühlte mich Lichtjahre von diesem Zeitpunkt entfernt und spürte gleichzeitig eine gewisse Sehnsucht nach Freiheit. Und dann ging doch alles so schnell. Und ich komme gedanklich und emotional kaum hinterher. Ich weiß, es ist an der Zeit. Wenn ich unsere Kinder so betrachte, dann überragen sie mich längst mit ihrer Körpergröße. Sie sind zu jungen Menschen herangewachsen, von Kindern keine Spur mehr. Meine jüngste Tochter meinte kürzlich: „Mama, wir sind doch beide aus dem Alter raus!“ Ehrlich, deutlich und unmissverständlich.

Steine aus dem Weg räumen

Ein neues Lebenskapitel für uns Eltern und auch für die Kinder beginnt. Sie suchen ihren Lebensweg und ihre berufliche Zukunft. Viele Entscheidungen sind abzuwägen und zu treffen. Welche Ausbildung, welcher Studiengang ist richtig? An welchem Ort kann man eine selbstbestimmte Heimat finden? Das Bildungsangebot ist vielfältig und die Fragen berechtigt. In so manchen Gesprächen versuche ich, eine Antwort zu finden und weiterzuhelfen. Mehr geht nicht, entscheiden müssen die Kinder selbst. So mancher gut gemeinte Ratschlag trifft auf Unverständnis. Ich muss lernen, ruhig zu bleiben. Eigene Erfahrungswerte können wertvolle Lebensbegleiter der Kinder sein. Es fällt mir nicht leicht, ihre Gedanken und Ziele anzunehmen. Zu gern möchte ich auch jetzt mögliche Steine aus dem Weg räumen und mich schützend vor sie stellen. Doch ich kann sie nicht mehr vor allem bewahren.

„Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, sagte Søren Kierkegaard. Ich spüre: So manche Entscheidung meiner Lieben könnte in die falsche Richtung gehen. Das kann nicht gut gehen, denke ich. Die gesteckten Ziele und Vorstellungen der Kinder sind nur schwer realisierbar. Mein Herz sagt ziemlich laut „Nein“. Doch dann schreit mein Verstand ein lautes „Ja“. Ich muss es einfach aushalten! Die Kinder müssen ihren Weg finden, nicht ich.

Ohne Groll und Vorhaltungen

In diesen Situationen kommt mir immer meine Lieblingsgeschichte aus der Bibel vom „verlorenen Sohn“ in den Sinn (nachzulesen in Lukas 15). Der Vater lässt seinen Sohn ziehen. Er versorgt ihn finanziell und materiell mit allem, was er benötigt, er ist großzügig im Geben. Ein letztes Mal nimmt er ihn fest in die Arme. Welche Gedanken werden ihm durch den Kopf gegangen sein? Ob er da schon ahnte, dass dieser Weg der falsche ist? Dennoch macht er keine Vorhaltungen, er lässt seinen Sohn ziehen. Lange schaut er ihm nach und schickt seine Liebe und seinen Segen mit auf dessen Lebensreise. Nach vielen Wochen kehrt der Sohn heim, er ist nicht mehr der, der er bei der Abreise war. Abgemagert, am Ende und mit leeren Händen kehrt er zurück. Wie oft wird der Vater nach seinem Sohn bereits Ausschau gehalten haben, vielleicht sogar täglich? Und dann ist der Tag da und er sieht ihn von ferne. Ohne Groll und Vorhaltungen läuft er ihm mit offenen Armen entgegen, so schnell seine alten Beine ihn noch tragen. Der geschundene und gezeichnete Körper seines Sohnes hindert ihn nicht, er drückt ihn fest an sein Herz. Diese tiefe Vaterliebe überstrahlt alle Vorwürfe und Fehler. Der Sohn ist auf- und angenommen. Ein großes Festmahl mit feierlicher Kleidung bringt die Freude des Vaters über diesen verlorenen und wiedergefundenen Sohn zum Ausdruck.

Offene Arme und Türen

Von dieser bedingungslosen Annahme und Liebe will ich lernen, auch wenn alles „schiefgelaufen“ ist und die Befürchtungen des Vaters sich bewahrheitet haben. Und auch wenn unsere Kinder Wege einschlagen, die wir als Eltern nicht befürworten oder bei denen wir Zweifel haben, will ich sie fürsorglich verabschieden, sie ziehen lassen. Ich bete für sie, halte Ausschau nach ihnen und erkundige mich. Und egal, wie sich ihr Weg und ihre Entscheidung gestalten, möchte ich sie stets aufnehmen. Ohne ein „Ich habe es doch gewusst …“ stets die Türen offenhalten und meine Arme entgegenstrecken.

Dieses Bild aus der Geschichte vom verlorenen Sohn will ich mir immer wieder vor Augen halten. Auch wenn mein Herz anders denkt und fühlt, möchte ich ebenso wie der Vater den Weg frei machen. Und egal, wie sich die Kinder entscheiden und welche Erfahrungen sie auf ihrem Lebensweg machen: Die Türen und Arme sind immer geöffnet.

Birgit Ortmüller ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Buchenau. Sie ist als Dozentin an der Hochschule und in der Erwachsenenbildung tätig.

Plötzlich Mama und Papa! – So versinkt ihr nicht im Chaos

Mit der Geburt des ersten Kindes beginnt ein wundervoller und bereichernder neuer Lebensabschnitt. Aber nicht alles klappt auf Anhieb. Coach Julia Otterbein gibt hilfreiche Tipps.

„Egal, wie sehr du dich auf das Elternsein vorbereitet hast und es auch vielleicht noch täglich tust: Es kommt doch immer anders als erwartet. Denn es gibt keinen Plan, den du auf dieser Reise abarbeiten kannst. Keinen Fahrplan oder Ratgeber, an dem du dich zu 100 Prozent orientieren kannst. Jedes Kind, jede Mutter, jede Familie ist individuell.“ (Claudia P., dreifache Mama)

Ein gemeinsames Bild von Familie

Dass jeder Partner eigene Vorstellungen und Wünsche für das Familienleben mitbringt, ist selbstverständlich. Jeder von uns hat individuelle Erfahrungen in seiner Ursprungsfamilie gemacht – positive wie negative. Darüber lohnt es sich als Paar ins Gespräch zu kommen, um beiden Perspektiven Raum zu geben, Verständnis füreinander zu entwickeln und ein neues, gemeinsames Bild von Familie zu skizzieren. Mit welchen Farben diese Skizze im Lauf der Zeit gefüllt wird oder ob einzelne Linien noch einmal korrigiert werden wollen, wird sich später zeigen. Mögliche Themen dieses Findungsprozesses als Familie können sein: Planung und Aufteilung der Elternzeit, Aufteilung von Care-Arbeit und Lohnarbeit, aber auch Werte und Erziehungsziele.

Vom Paar zur Familie

Das Allerwichtigste in der ersten Zeit ist und bleibt es, eure Dreisamkeit zu genießen. In dieser Zeit passiert eure sichtbare Verwandlung vom Paar zur Familie – quasi ein neues Level in eurer Partnerschaft. Ihr dürft gemeinsam in eure neuen Rollen hineinwachsen und euer kleines Wunder bestaunen.

Wenn diese erste Zeit eurer Elternschaft schon hinter euch liegt, könnt ihr auch im Rückblick die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett gemeinsam reflektieren. Themen wie die Aufteilung von Care-Arbeit und Lohnarbeit bleiben für lange Zeit aktuell und dürfen im Erleben regelmäßig nachjustiert werden. Besonders dann, wenn weitere Veränderungen anstehen, wie die Geburt von weiteren Kindern oder berufliche Veränderungswünsche.

Aufgaben teilen

Am besten wächst man von Anfang an gemeinsam an den neuen Aufgaben als junge Familie, aber eine gewisse Schieflage an Zuständigkeiten ist auch nicht ungewöhnlich. Die alten patriarchalen Strukturen unserer Gesellschaft sind immer noch sehr mächtig. Als Mutter darfst du loslassen, und als Vater darfst du dir etwas zutrauen. Versuche nicht, die perfekte Mutter zu sein, die immer allen Erwartungen entspricht. Du bist die beste Mutter für deine Kinder, weil du ihre Mutter bist und nicht, weil du einem Ideal hinterherhechtest, das zutiefst unmenschlich und nicht zeitgemäß ist.

Väter machen Dinge oft anders als Mütter und das ist okay! Anders heißt nicht schlechter. Kinder lernen durch diese unterschiedlichen Vorbilder, dass es verschiedene Wege zum Ziel und keine festgefahrenen Strukturen zwischen Männern und Frauen gibt. Einzig das Stillen bleibt natürlich die Kernkompetenz von Müttern.

Das Rad nicht neu erfinden

Weil Frauen das eher intuitiv tun, richtet sich dieser Appell speziell an die Väter: Sucht euch Mentoren oder Vorbilder, mit denen ihr euch austauschen könnt! Ihr müsst das Rad nicht neu erfinden, sondern könnt euch Ideen und Impulse bei anderen Vätern holen. Das gilt selbstverständlich auch für beide gemeinsam: Im Kontakt mit anderen Paaren, die bereits ältere Kinder haben, findet man häufig ein offenes Ohr und Verständnis für die aktuellen Herausforderungen, in denen man gerade steckt. Und man profitiert von ihren Erfahrungen und der weitsichtigeren Perspektive. Ich persönlich bin verschiedenen Menschen in unserem Umfeld sehr dankbar für ihre ermutigenden Worte und ihre mit uns geteilten Weisheiten, die uns immer wieder einen wertvollen Perspektivwechsel ermöglichen.

Rituale schaffen Verbindung

Wenn der Alltag kommt, gilt es, den Kontakt zueinander nicht zu verlieren. Vorhandene Rituale als Paar könnt ihr weiterpflegen oder weiterentwickeln. Der Eheabend im Kino wird dann eben ins Wohnzimmer verlegt, solange das Kind noch zu klein ist, um von einem Babysitter betreut zu werden. Bleibt im Gespräch über das, was sich ändert, und das, was gleich bleiben soll. Manche Veränderungen sind nach außen deutlich sichtbar, andere spielen sich eher in unserem Inneren ab und bleiben damit für den Partner oder die Partnerin verborgen. Hier ist eine offene Kommunikation unabdingbar, um ein Auseinanderdriften zu verhindern. Schafft euch Rituale für diesen Austausch – dann ist die Hürde nicht so groß, wenn es „schwierige“ Themen gibt, die besprochen werden wollen. Dann ist es wichtig, Verständnis zu entwickeln, zuzuhören und aufeinander einzugehen.

Ihr braucht Freiraum und ein Dorf

Ermöglicht euch gegenseitig, am besten täglich, Freiräume ohne Verantwortung für Kind oder Haushalt, damit die Fremdbestimmung nicht zum Dauerzustand wird. Aber Vorsicht: Was dem einen guttut, muss noch lange nicht die passende Strategie für die andere sein. Tauscht euch aus über eure individuellen Bedürfnisse und findet gemeinsam Möglichkeiten, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden können.

Dabei dürft ihr auch euer sprichwörtliches Dorf nutzen und euch unterstützen lassen. So ein modernes „Dorf“ kann heute ganz anders aussehen als früher. Statt der Großfamilie im gleichen Haus oder in der direkten Nachbarschaft bilden heute evtl. die Tagesmutter, die Kita, andere Eltern, Babysitter, Leihomas oder Menschen aus der Gemeinde oder dem Sportverein euer persönliches Dorf. Haltet bewusst Ausschau nach Kontakten, die euch durch geteiltes Wissen, gemeinsam verbrachte Zeit und gegenseitige Unterstützung bereichern. Davon profitiert ihr als Eltern, aber auch eure Kinder.

Julia Otterbein ist Diplom-Sozialpädagogin und Selbstfürsorge-Coach und lebt mit ihrer Familie in Süderbrarup/ Schleswig-Holstein. familywithlove.de

Ohne Body Shaming und Beziehungsängste: Wie Jugendliche einen gesunden Umgang mit digitalen Medien lernen

Digitale Medien können die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen schädigen. Der Psychologe und Psychotherapeut Johannes Hepp gibt Anregungen, wie Eltern zu einem gesunden Umgang helfen können.

Sorgt die Digitalisierung für mehr psychische Erkrankungen?
Wirkliche Studien und Erhebungen gibt es dazu nicht, soweit ich weiß. Das sind auch immer fließende Übergänge. Ab wann reden Sie von einer psychischen Erkrankung? Das ist nicht so leicht zu bestimmen. Aber ich habe den Eindruck, dass die psychischen Belastungen mannigfacher und stärker geworden sind.

Und was sind dabei die größten Belastungen?
Bei Kindern und Jugendlichen stark verbreitet ist eine Abhängigkeit vom Smartphone und von Social Media. Hier gibt es Körperbild-Verzerrungen und Body Shaming. Und wir haben weniger reale Begegnungen. Die zwischenmenschliche Kommunikation und Dinge, die früher selbstverständlich waren im Umgang miteinander, führen immer häufiger zu Problemen bis hin zu Beziehungsängsten, weil vieles nur noch virtuell erlebt wird und im realen Alltag nicht trägt.

Aber war es in der harten Pandemiezeit nicht auch gut für die seelische Gesundheit gerade von Kindern und Jugendlichen, dass sie digitale Möglichkeiten hatten, um Kontakt mit Freunden zu halten?
Das war extrem wichtig. In den Lockdowns wären die psychischen Belastungen ohne die Möglichkeit, wenigstens digital miteinander zu kommunizieren, viel größer gewesen. Aber meine Patienten haben im Lockdown auch erkannt, wie irrsinnig es war, sich nicht mehr wirklich zu begegnen, als man es noch konnte. Nur stelle ich jetzt wieder einen schnellen Rückgang zur Norm, also zu dem Zustand vor der Pandemie fest. Und ich sehe ein weiteres Fortschreiten der Virtualisierung.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine gute Strategie, mit digitalen Geräten umzugehen?
Das ist je nach Altersgruppe unterschiedlich zu betrachten. Bei Kindern und Jugendlichen geht es um die Begrenzung der Zeit, die sie sich in virtuellen Welten bewegen im Verhältnis zu dem, was sie real erleben und selbst erkunden. Der virtuelle Anteil ist ja auch gut. Kinder lernen viel online und haben da neue Möglichkeiten, aber es sollte nur ein kleiner Teil der Wachzeit sein. Sonst beeinträchtigt das die gesunde Entwicklung unserer Kinder. Aber das muss man schon sehr differenziert betrachten. Ich sehe das eine nicht nur als gut und das andere nicht nur als schlecht.

Haben Sie konkrete Tipps für Eltern?
Es braucht die intensive inhaltliche Auseinandersetzung der Eltern mit den Themen. Nicht alles ist schlecht und belastend. Instagram zum Beispiel ist für Töchter eine gefährliche Geschichte. Dass sie nicht ein Body Shaming, sondern ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, virtuell zu kommunizieren, die nicht so bildhaft, nicht so körperorientiert sind. Die Eltern kommen heutzutage nicht mehr durch, indem sie sagen, du darfst nur zwei Stunden ins Internet. Auch zwei Stunden können zu viel sein, wenn ich auf den falschen Seiten bin. Deswegen braucht es eine Begleitung unserer Kinder und Jugendlichen durch Eltern, die die Unterschiede verstehen und auch die Mechanismen dahinter. Das war auch das Anliegen meines Buches, das Hintergrundwissen zu vermitteln, um differenzieren zu können: Was ist gut, was ist schlecht? Die Offenheit der Kinder und Jugendlichen ist viel größer, wenn sie das Gefühl haben, die Eltern können auch inhaltlich mitdiskutieren. Kinder müssen zum Beispiel wissen, welche Videospiele sie sich runterladen dürfen und welche nicht. Da kommen Sie mit reiner Altersbeschränkung nicht weiter. Ich musste mich auch inhaltlich damit beschäftigen. Ich habe bei meinen Jungs – 9 und 10 Jahre alt – festgestellt: Wenn das ein Spiel ist, wo es kein wirkliches Ende gibt, also nicht eine Runde, die man fährt und dann ist sie vorbei, sondern wenn das eine Level-Struktur hat, dann fällt es ihnen schier unmöglich schwer, aufzuhören. Am Ende hilft es nur, wenn unsere Kinder und Jugendlichen kompetent werden. Wenn Eltern selbst die ganze Zeit am Handy hängen, dann verhallt sowieso alles, was sie sagen. Zuerst müssen die Eltern das Thema für sich klären, dann können sie es verkörpern. Und es funktioniert längerfristig nur, wenn irgendwann die Jugendlichen das verinnerlicht und verstanden haben und anwenden können. Als Eltern können Sie denen ja nicht die ganze Zeit über die Schultern schauen und sehen, was sie mit ihrem Smartphone machen.

In Ihrem Buch verweisen Sie auch auf das Perfektionismus-Problem und den Wettstreit auf Social Media unter Eltern. Wie können sie gut damit umgehen, ohne sich von allem komplett auszuschalten?
Eltern müssen ihren eigenen Stil finden. Darin sehe ich das Hauptproblem an diesen Erziehungsforen und dem Austausch online. Da wird sehr viel behauptet, und man kann es nicht überprüfen. Wenn Sie das alles glauben, dann können Sie sich natürlich sehr verrückt machen. Wir müssen weniger vergleichen und vor allem weniger online vergleichen – Jugendliche beispielsweise in puncto Figur und Eltern in puncto Erziehungsperfektionismus.

Am Ende müssen wir alles glaubhaft verkörpern können und auch im eigenen Leben realisieren und vorleben lernen. Und die Außenwirkung weniger wichtig nehmen. Es geht nicht darum, wie toll andere meine Erziehung und meine Kinder finden, sondern darum, wie es allen geht.

Haben Sie jenseits des digitalen Themas Anregungen, was Eltern tun können, damit ihre Kinder und Jugendlichen seelisch gesund aufwachsen?
Jedes Kind braucht etwas anderes, deswegen kann ich diese Frage nicht allgemein beantworten. Der eine braucht einfühlende Förderung, dem anderen müssen stärker Grenzen gesetzt werden und so weiter. Darum sollte es den Eltern gehen. Also nicht: Was macht man und was sagt man in Chats und Foren, sondern: Was braucht mein Kind?

Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Bettina Wendland

Johannes Hepp ist Psychologe und Psychotherapeut mit eigener Praxis in München. Er ist Autor des Buches: Die Psyche des Homo Digitalis (Kösel)

Paartherapeut klärt auf: (Schwieger-)Eltern können nicht alles verlangen!

Manche Eltern und Schwiegereltern sind kein Rückhalt für ihre Kinder. Im Gegenteil, sie enttäuschen ihre erwachsenen Kinder und rauben ihnen Kraft. Müssen Kinder das hinnehmen? Paartherapeut Jörg Berger erklärt, wie sich erwachsene Kinder verhalten sollten und wann es ratsam ist, sich zurückzuziehen.

Es gibt Eltern, die ihre erwachsenen Kinder zu viel Kraft kosten, die viel von ihren Kindern fordern und nicht auf sie eingehen. Im Folgenden sind Namen verändert und die Lebensgeschichten verfremdet wiedergegeben.

Wenn Eltern zu viel Kraft rauben

Wo Eltern ihre Verantwortung nicht übernehmen, fällt sie den Kindern zu. Kinder sind dann auf sich allein gestellt. Oft übernehmen sie sogar Verantwortung für die Eltern, etwa als Sonnenschein oder Partnerersatz. Das setzt sich meist fort, wenn die Kinder erwachsen sind. Manche Eltern sind von Angst bestimmt. Schon immer haben sie ihre Kinder mit dem alleingelassen, was für sie als Eltern zu anstrengend oder zu bedrohlich war. Das tun sie auch heute noch. Sie verschließen einfach Auge, Ohr und Herz, wenn sie sich überfordert fühlen.

Judith zum Beispiel muss ihre Eltern so nehmen, wie sie sind. Ihre zwei Ältesten sind unkompliziert und robust. Sie kommen mit den Großeltern zurecht. Doch Moritz, der Dritte, ist einfach feinfühlig. Er weint, wenn Opa seine derben Späße macht oder ihm „aus Spaß“ Angst einjagt. Einige Gemüsesorten, die Moritz nicht gern isst, landen trotzdem bei den Großeltern immer wieder auf dem Teller. „Hab dich nicht so“, ist die Botschaft, mit der sich Judiths Eltern das Leben einfach machen.

Gefühl der Verpflichtung

Mit ihren Vorschlägen, wie die Eltern besser auf Moritz eingehen können, stößt Judith auf taube Ohren. Es rührt auch in ihrer eigenen Geschichte, denn Judith war wohl früher so sensibel wie Moritz und hätte Eltern gebraucht, die auf sie eingehen, auch wenn es das Leben etwas komplizierter macht. Judith ist fix und fertig nach Besuchen bei den Eltern. Ihr gehen viele Situationen nach. Sie grübelt, wie es beim nächsten Mal besser werden könnte und kommt doch zu keiner Lösung. Ihre Eltern würden sich gar nicht beschweren, wenn sie weniger zu Besuch kommen würde. Sie nehmen alles hin, solange es sie nicht aus ihrer Komfortzone zwingt. Vermutlich würde auch Judiths Kindern nicht viel fehlen. Aber darf sie die Beziehung einfach auslaufen lassen? Zu den eigenen Eltern? Und aus den Großeltern Fremde machen, zu denen ihre Kinder kaum einen Bezug haben? Gibt es nicht so etwas wie eine Verpflichtung, den Kontakt zu Eltern und Großeltern zu pflegen?

Ein Gefühl der Verpflichtung kann auch noch eine andere Quelle haben. Dann zieht die Not eines Elternteils in die Verantwortung.

Verantwortung für die Eltern

Jonas bekniet seine Mutter: „Mensch, geh’ doch mal zum Arzt.“ Doch seine Mutter entgegnet: „Dein Vater sagt, das sind nur Wehwehchen.“ „Mama, du kannst doch selbst …“, setzt Jonas an, aber er spricht den Satz nicht zu Ende, weil es keinen Sinn hat. Nächste Woche schaut Jonas ohnehin vorbei, dann kann er für die Mutter einen Termin beim Arzt machen. Schon bei dem Gedanken an den Besuch legt sich Jonas eine Last auf die Schultern. Seine Mutter wird klagen: wie sich der Vater schon wieder verhalten hat, dass niemand Zeit für sie hat und dass sie in ihrem Chaos nichts findet. Jonas wird seine übliche Rolle spielen. Er wird zuhören. Er wird ablenken und aufmuntern. Er wird vermutlich wieder vergeblich anregen, dass seine Mutter selbst etwas für ihr Wohlbefinden tut. Danach wird er ausgelaugt zurückfahren.

„Ich könnte das nicht“, sagt Jonas’ Frau, als sie sieht, wie sich Jonas mit Bier, Chips und einer Serie betäubt. Das macht er sonst schon länger nicht mehr, höchstens eben, wenn er bei der Mutter war. „Deine Mutter ist doch erwachsen und gesund. Soll sie doch leben, wie sie es für richtig hält.“ „Stimmt schon“, sagt Jonas und schüttelt vorsichtig die letzten Chips aus der Tüte. „Aber sie ist doch meine Mutter.“ Judith und Jonas haben sich in ihr Schicksal gefügt. Doch Kinder schwieriger Eltern können sich aus der Verantwortungsfalle befreien.

Alte Muster hinter sich lassen

Erwachsene Kinder fühlen sich gegenüber den Eltern so hilflos, wie sie es als Kinder waren. Doch heute verfügen sie über mehr positiven Einfluss, als sie erwarten. Sie sind überrascht, wie leicht sich Eltern manchmal führen lassen und wie gut es gelingt, Grenzen zu setzen. Judith zum Beispiel hat die Zeiten mit ihren Eltern am Telefon vorbereitet: „Papa, du weißt, dass es Moritz nicht gut damit geht, wenn du ihn aus Spaß erschreckst. Das wirst du dieses Mal nicht tun, oder?“ – „Mama, was wirst du denn am Wochenende kochen? (…) Nein, tut mir leid. Bohnen mag Moritz einfach nicht. Das kann nächstes Jahr schon anders sein. Gibt es noch etwas anderes, das du zu den Würstchen kochen kannst?“ Verständnisvoll haben Judiths Eltern auf diese Führung nicht reagiert. Sie haben sich gerechtfertigt und ihr „Hab dich nicht so“ wiederholt. Aber Judith braucht nicht unbedingt Verständnis. Sie hat den Widerstand der Eltern überwunden, indem sie freundlich auf ein paar Dinge bestanden hat.

Jonas hat seiner Mutter eine Grenze gesetzt: „Mama, ich möchte keine negativen Dinge über meinen Vater hören. Das ist doch eher ein Thema für eine Freundin.“ Dass die Mutter keine Freundin hat, mit der sie so offen reden könnte, heißt ja nicht, dass Jonas diese Rolle übernehmen muss. Wann immer Jonas’ Mutter mit Klagen über den Vater beginnt, wiederholt Jonas freundlich seinen Satz. Er wechselt das Thema oder geht in einen anderen Raum, um etwas zu erledigen. Interessanterweise sind die Gespräche mit seiner Mutter dadurch besser geworden. Es haben sich neue Themen ergeben und Jonas hat manches von seiner Mutter erfahren, was er so noch nie gehört hat. Wo sich erwachsene Kinder ihrer Sache sicher sind, kommen sie erstaunlich weit, wenn sie in der Beziehung eine positive Führung übernehmen.

Erwartungen zurücknehmen

Ein weiterer Schritt hat mit der inneren Ablösung von den Eltern zu tun. Ablösung bedeutet, ihnen gegenüber heute als gleichberechtigte Erwachsene zu empfinden und zu handeln. Dabei stirbt mancher kindliche Wunsch. Für Judith zum Beispiel ist es unendlich enttäuschend, wie wenig ihre Eltern auf sie eingehen. In diese Enttäuschung hat sie bis heute nicht eingewilligt. Sie ahnt, wie viel Trauer und Schmerz das auslösen wird. Doch es führt erwachsene Kinder in einen heilsamen Trauerprozess, wenn sie kindliche Hoffnungen begraben: „Ja, es ist nicht schön, aber meine Eltern sind, wie sie sind. Mehr kann ich an dieser Stelle nicht von ihnen erwarten. Ich nehme das an. Ich kämpfe auch nicht mehr dagegen an. Ich überlege stattdessen realistisch, was das für unsere Beziehung heißt.“

Traurige Stimmungen und Gedanken, schmerzliche Erinnerungen an früher und vielleicht auch Träume, die mit den Eltern zu tun haben, sind Zeichen, dass eine tiefere Ablösung stattfindet. Die Beziehung zu den Eltern ordnet sich in dieser Zeit neu. Judith hat ihren Eltern zum Beispiel mehr Verantwortung für die Beziehung zu den Enkeln gegeben: Sie hat ihnen erklärt, was den Enkeln Freude macht, womit sie sich wohlfühlen und womit nicht. Jetzt ist Judith gespannt. Wenn ihre Eltern das nicht aufgreifen, kommen ihre Enkel vermutlich nicht mehr gern zu ihnen. Judith wird sie dann nicht überreden, von ein paar Familienfesten vielleicht abgesehen. Etwas scheitern lassen zu dürfen, ist ein Kennzeichen einer gelungenen Ablösung. Doch neben den Gefühlsfragen tut sich auch die Gewissensfrage auf.

Auf dem Weg zu einem freien Gewissen

Manche Psychologinnen und Psychologen sehen im vierten der zehn Gebote – du sollst deine Eltern ehren – eine fragwürdige kulturelle Prägung. Zu oft haben sie erlebt, wie es Kinder aus schwierigem Elternhaus in die Pflicht nimmt und wehrlos macht. Missbräuchliche Eltern beanspruchen das vierte Gebot als Komplizen, um auch noch erwachsene Kinder gefügig zu machen. Kirchlich geprägte Eltern berufen sich dabei sogar auf die Bibel, andere müssen nur sagen: „Ich als deine Mutter …“ oder „Willst du etwa deinem Vater …“ – und geben ihren Worten unumstößliche Autorität. Eine ganze Kulturgeschichte von Verpflichtung schwingt in solchen Worten mit. So wird Druck aufgebaut, von dem sich Kinder ohne schlechtes Gewissen ablösen können.

Kinder, die sich von schwierigen Eltern ablösen, entscheiden sich nicht gegen die Eltern. Sie entscheiden sich für etwas. Sie empfangen das Geschenk des Lebens und stellen sich mit liebevollem Einsatz den Aufgaben, die ihnen Familie, Beruf und ihr Umfeld stellen. Wo Eltern und Schwiegereltern das unterstützen, kann man Leben teilen. Wo nicht, ist ein heilsamer Abstand nicht nur erlaubt, sondern notwendig. Auch dann finden sich Gelegenheiten, den Eltern Wertschätzung und Liebe zu schenken. Doch auch schwierige Eltern haben nicht das Recht, ihren Kindern das Geschenk des Lebens zu verderben oder ihnen die Kraft zu rauben, die sie für ihr eigenes Leben brauchen.

Jörg Berger arbeitet als Psychotherapeut und Paartherapeut in eigener Praxis in Heidelberg (epaartherapie.de). Mehr zum Thema gibt es in seinem Buch „Stachlige Eltern und Schwiegereltern. Wie Sie Frieden schließen und versöhnt leben“ (Francke).

„Ich schaff es nicht allein!“ – Hilfe für Mütter im Wochenbett

Die Geburt steht bevor und damit kommen oft Sorgen: Wie schaff ich das? Wie versorge ich die anderen Kinder? Wer kann mir helfen, wenn mein Partner keine Elternzeit nehmen kann? Die Mütterpflege kann helfen.

Erst einmal ist es gut, sich schon frühzeitig um die Zeit nach der Geburt Gedanken zu machen. Das Wochenbett ist solch eine besondere, aufregende, herausfordernde und emotionale Zeit für Sie als Mutter mit dem neugeborenen Baby, aber natürlich auch für den Rest der Familie. Da ist es zu Recht ratsam, sich nach Hilfe umzusehen.

Große Entlastung

Gerade, wenn der Partner keinen Urlaub oder Elternzeit nach der Geburt nehmen kann, ist es in Deutschland möglich, sich über die Krankenkasse eine Haushaltshilfe aufgrund einer Entbindung genehmigen zu lassen. Eine Mütterpflegerin wird (noch) im Rahmen der Haushaltshilfe über die Krankenkasse abgerechnet, auch wenn sie weit mehr anbietet. Da der Vorgang meist recht bürokratisch ist, empfehle ich, sich frühzeitig nach einer Mütterpflegerin in der Nähe umzusehen und mit ihr gemeinsam die Anträge vor der Geburt vorzubereiten. Viele Mütterpflegerinnen bieten das gern an.

Eine andere Möglichkeit ist, sich eine Mütterpflegerin privat „zu leisten“. Denn auch wenn der Partner in der ersten Zeit zu Hause ist, kann dies eine große Entlastung sein und entscheidend zu einer Wohlfühl-Atmosphäre beitragen. Auf muetterpflege-deutschland.de erhalten Sie einen guten Überblick, welche Mütterpflegerin in Ihrer Nähe tätig ist. Viele Mütterpflegerinnen haben auch eine eigene Homepage und sind somit gut zu finden. Sie können auch Ihre Hebamme fragen, denn oft gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Hebamme und Mütterpflegerin.

In der Schweiz findet man Ansprechpersonen unter wochenbettbetreuung.ch oder wochenbettfee.ch. Die Kosten für eine Haushaltshilfe im Wochenbett werden zum Teil von Zusatzversicherungen übernommen.

Zeit mit dem Neugeborenen

Eine Mütterpflegerin übernimmt alle haushaltsnahen Tätigkeiten, betreut die Geschwisterkinder und sorgt somit für die Familie, sodass die Mutter in den ersten Tagen und Wochen freigestellt ist, um sich körperlich und seelisch zu regenerieren und viel Zeit mit dem Neugeborenen zum Bindungsaufbau nutzen kann. Ein häufiger Wunsch ist auch das Zubereiten von gesunden, frischen und wochenbettgeeigneten Mahlzeiten. Neben dem körperlichen Wohl ist aber auch die seelische Gesundheit der Mutter sehr wichtig.

Pause im Wochenbett

Möchte die Mutter ein wenig Schlaf nachholen oder mal in Ruhe duschen? Dann kümmert sich die Mütterpflegerin um das Baby. Möchte die Mutter Unterstützung bei der Babypflege oder dem Stillen? Dann kann die Pflegerin mit Rat und Tat zur Seite stehen. Waren die letzten Tage und Nächte sehr anstrengend? Dann freut sich die Mutter vielleicht über einen guten Tee, ein offenes Ohr und eine entspannende Nackenmassage nach dem letzten Stillmarathon.

Wichtig zu erwähnen ist noch, dass die Mütterpflegerin keine Hebamme ersetzt! Die medizinische Versorgung obliegt der Hebamme. Gern arbeiten sie aber zusammen, sodass eine optimale Versorgung der Familie gewährleistet wird.

Damaris Mierich lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Radebeul bei Dresden. Mit einigen Kolleginnen ist sie unter muetterpflege-sachsen.de zu finden.

Keine Shopping-Queen: So kaufen Sie billig und nachhaltig neue Kleidung

Neue Kleidung zu kaufen ist oft teuer und wenig nachhaltig. Anna Koppri berichtet, wie sie sich und ihre Familie günstig, nachhaltig und modisch einkleidet.

In den letzten Jahren habe ich mich vermehrt mit meiner Verantwortung für unseren Planeten und meine Mitgeschöpfe beschäftigt. Ich finde, dass uns die Themen „Schöpfung bewahren“ und „unseren Nächsten lieben“ jeden betreffen. Für mich ist aber auch der christliche Glaube eine wichtige Motivation dabei. Jesus sprach vom „Reich Gottes“, das auf der Erde bereits angebrochen ist. Daran möchte ich gerne mitbauen. Mit jeder kleinsten Konsumentscheidung, die ich treffe, entscheide ich auch über das Wohlergehen der Natur und meiner Mitgeschöpfe. Ich trage mit meinem Lebensstil dazu bei, ob die endlichen Ressourcen dieser Erde weiter schonungslos geschröpft, Menschen ausgebeutet und Lebensräume für Tiere zerstört werden. Ich war ganz schön geschockt, als ich erfahren habe, dass etwa 40 Menschen in Entwicklungsländern ausgebeutet werden, um meinen westlichen Lebensstil zu ermöglichen. Das ist fast so, als würde ich 40 Sklaven für mich schuften lassen (slaveryfootprint.org). Später habe ich noch gehört, dass nicht nur Näherinnen in Asien meine günstige Kleidung nähen, sondern für die Herstellung eines einzigen T-Shirts ca. 15 Badewannenladungen voll Wasser verbraucht werden. Wow, das ist heftig. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Millionen Menschen auf der Welt keinen Zugang zu ausreichend Trinkwasser haben.

Keine Shopping-Queen

Ich bin ehrlich: Ich war noch nie die begeisterte Klamotten-Käuferin. Ich kenne Frauen, die nach einem stressigen Arbeitstag shoppen gehen, um sich zu entspannen. Oder Frauen, die sich freiwillig am Wochenende zum Bummeln verabreden. So war ich noch nie. Kleidung kaufen war für mich immer schon vor allem Stress, wegen viel zu vieler Reize: helles Licht, viele Menschen und viel zu viel Auswahl.

Deshalb fiel es mir nicht sonderlich schwer, als ich vor etwa acht Jahren den Entschluss gefasst habe: „Ich werde nicht mehr dazu beitragen, dass Näherinnen sich 14 Stunden täglich die Finger blutig nähen und trotzdem nicht genug zu essen für ihre Kinder mit nach Hause bringen können. Ich werde auch nicht verantworten, dass zig Tonnen kostbaren Wassers verbraucht werden, weil ich jeden Monat ein neues T-Shirt haben möchte. Ich steige aus diesem System aus und betrete fortan keine Bekleidungsgeschäfte mehr.“

Was war das für eine Befreiung, als ich angefangen habe, mir den Blick in die Schaufenster großer Textilketten zu sparen, weil ich sie sowieso nie wieder betreten würde. Ich habe das die ersten Jahre auch sehr konsequent durchgehalten, bis auf ungefähr einmal im Jahr, um Unterwäsche zu kaufen.

Secondhand als Alternative

Ansonsten habe ich in den Zu-verschenken-Boxen gewühlt, die hier in Berlin überall am Straßenrand stehen, und nicht selten neue Lieblingsstücke mit nach Hause genommen. Da bin ich als Großstädterin natürlich verwöhnt. Ab und zu gehe ich auch in ein Secondhand-Geschäft, oder ich stöbere auf diversen Plattformen im Internet (Vinted, eBay Kleinanzeigen etc.). Meine Mutter hat mir eine Nähmaschine geschenkt, und ich habe festgestellt, dass Nähen nun wirklich kein Hexenwerk ist. Mit ein paar einfachen Nähten lässt sich problemlos ein neues Shirt zaubern oder ein altes aufhübschen. Außerdem habe ich mich auf Baby-Pumphosen spezialisiert und jedem neuen Erdenbürger in meinem Umfeld eine genäht.

Tauschen statt kaufen

Inzwischen habe ich selbst zwei dieser neuen Erdenbürger bei mir wohnen, für deren Einkleidung ich zuständig bin. Ich nähe immer noch, wenn es die Zeit zulässt. Allerdings achte ich dabei nicht konsequent darauf, woher der Stoff kommt (Notiz an mich: Das sollte ich tun!). Oft tut es tatsächlich auch eine alte Strickjacke oder ein Pulli, denen ich zu einem neuen Leben als Kinderhose oder Mütze verhelfe. Hier auf dem Markt gibt es ein Tauschmobil. Das ist toll. Man kann dort hinbringen, was man nicht mehr möchte, und findet immer wieder genau die Sachen für die Kinder, die man gerade braucht. In der Kita habe ich eine Tauschbox ins Leben gerufen, deren Reste ich entweder zum Tauschmobil oder in den Altkleidercontainer bringe.

Ich bin beim Einkaufen inzwischen nicht mehr ganz so dogmatisch, sondern genehmige es mir manchmal sogar, einen der „verbotenen“ Läden zu betreten, um mir auch mal ein neues Kleidungsstück zu gönnen. Am liebsten natürlich Fairtrade, doch immer klappt das nicht.

Und dann gibt es ja auch noch diverse Freundinnen, die regelmäßig ihre Kleiderschränke aussortieren und mir mitbringen, was mir gefallen könnte. Oder jemand organisiert eine Kleidertauschparty. Ich genieße es selbst total, wenn ich mit den heiß geliebten Klamöttchen, aus denen meine Kinder herausgewachsen sind, einer Freundin oder Cousine eine Freude machen und ihr Kindlein dann darin bewundern kann. Es ist also nicht nur wesentlich ressourcenschonender, wenig neue Kleidung zu kaufen, sondern macht auch glücklich, entlastet das Konto und fördert Gemeinschaft.

Noch finden meine Kids es total cool, mit mir in den Kisten am Wegesrand oder beim Tauschmobil zu wühlen und sich etwas auszusuchen. Ich hoffe natürlich, das hält noch eine Weile an. Doch ich mache mir keine Illusionen, dass nicht auch sie in den nächsten Jahren angesagte neue Sneakers und Shirts mit den richtigen Markennamen haben wollen. Ich werde ihnen dann erklären, weshalb ich ihnen die gern, allerdings zum Großteil secondhand besorge. Und auch, wie sie ihren Freunden klarmachen können, weshalb das wesentlich cooler ist, als neu zu kaufen.

Anna Koppri arbeitet für die Berliner Stadtmission, wo monatlich mehrere Tonnen Altkleider sinnvoll umverteilt oder upgecycelt werden.

Kindergeburtstag im Winter? Da sind coole Ideen gefragt!

Kindergeburtstag im Winter kann eine echte Herausforderung sein. Doch die richtige Party muss weder ausfallen, noch teuer sein. Eine kleine Ideenkiste.

Kindergeburtstage sind für die meisten Eltern eine Herausforderung. Man weiß ja nie so genau, wie die Gruppe funktioniert, ob alle Spaß haben und ob auch keiner zu kurz kommt. Der Gedanke, dass die Kinder bei nasskaltem Wetter im Zimmer hocken müssen, kann dabei zusätzlich stressen. Aber: nur Mut! Auch im Januar lassen sich tolle Feste feiern, ohne dass man gleich den Indoor-Spielplatz oder ein teures Event buchen muss.

Strandparty

Warum nicht einfach den Winter ignorieren und die Kleinen zur Strandparty einladen? Die Gäste kommen in Sommerkleidung mit Sonnenhut und Sonnenbrille. Beim Picknick auf einem großen Strandhandtuch und mit sommerlichen „Cocktails“ erzählen alle von ihrem letzten Sommerurlaub. Gespielt wird zum Beispiel ein Angelspiel, bei einer Hausrallye werden Sandförmchen gesucht, mit Salzteig werden Muscheln und Fische geknetet oder es wird mit Flüssigkleber und Sand ein Bild kreiert. Für den Bewegungsdrang gibt es eine kleine Disko mit Sommerhits.

Geschichten-Zeit

Die Party unter ein Buch-Motto zu stellen, gibt dem Tag einen guten Rahmen und birgt viele Möglichkeiten. Zum Beispiel könnten sich die Mädchen alle als „Conni“ verkleiden, und das Buch „Conni backt Pizza“ wird vorgelesen. Anschließend dürfen die Kleinen wie Conni Pizza backen: Jedes Kind kreiert seine eigene Lieblingspizza. Nach dem Essen gibt es einen Conni-(Stopp)-Tanz und klassische Spiele wie Topfschlagen, bei denen jedes Kind das Pixi-Buch mit der Geschichte erspielen kann.

Wenn es die Gruppenkonstellation erlaubt, sind Geschichten-Partys auch toll, wenn die Kinder erst zum Abendessen kommen. Zuerst wird ein kleines Buffet aufgestellt, dann bauen sich alle ein gemütliches Lager aus Decken, Kissen und Kuscheltieren. Eingekuschelt hören die Kleinen Geschichten aus ihrem Lieblingsbuch, das sie mitgebracht haben, einen Podcast oder ihre Lieblingshörspiele. Zwischendurch können sie sich am (Knabbereien-)Buffet bedienen. Erst am späten Abend endet die Kuschel-Party. Für Vierjährige ist allein das lange Aufbleiben ein Abenteuer!

Laternen-Fest

Warum läuft man eigentlich nur im November Laterne? Auch im Januar, wenn es genauso früh dunkel ist, macht das Spaß! Im Internet findet man zahlreiche Anleitungen für kleine Laternen, Lampions, Stablichter … Die Kinder haben nach dem Kuchenessen Zeit, eine schöne Laterne zu basteln. Anschließend geht’s nach draußen. Bei einem kleinen Spaziergang können die Kinder spielen: Wer sieht zuerst …? (einen Schornstein, einen Vogel, einen Briefkasten, einen VW, einen Tannenzapfen…) Oder: Wer hört zuerst …? (Hupen, Vogelgezwitscher, Musik, Motorengeräusche…) Nach der Spazierrunde gibt es ein warmes Getränk zum Aufwärmen, es ist Zeit für weitere Spiele im Zimmer und für das Abendessen.

Der Erfolg eines Geburtstages hängt nicht vom Wetter ab. Und auch nicht davon, dass die Party möglichst kostspielig ist. Viele Kinder genießen es einfach, entspannt mit ihren Freunden zusammen zu sein. Da darf es auch unverplante Zeiten für freies Spiel geben oder um die mitgebrachten Geschenke zu testen. Die einfachen, klassischen Geburtstagsspiele sind für viele Kinder neu und machen immer Spaß. Mit Bastelideen geht die Zeit schnell vorbei, und wenn es zwischendurch mal einen (Stopp-)Tanz oder ein Bewegungsspiel gibt, ist auch der Bewegungsdrang gestillt.

Katrin Leppert ist Redakteurin der Kindermagazine Family FIPS und KLÄX und Mutter von vier Kindern.

Freude teilen: So wird Weihnachten mit Nachbarn ein Erfolg

Für die meisten Menschen ist Weihnachten ein Familienfest. Doch es gibt auch Menschen, die nicht im Kreis der Familie feiern können. Wie wäre es mit einem Fest für Nachbarn und Freunde? Einige Anregungen gibt die Pädagogin Stefanie Böhmann.

An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu, wie sie in der Bibel berichtet wird. Nach der Überlieferung  gab es aber für Jesus keine familiäre Welcome-Party im trauten Kreis mit Mama, Papa und vielleicht Oma und Opa. Sondern es kamen ziemlich bald Hirten und Weise von weither. Deshalb war und ist es auch uns als Familie immer wieder wichtig, Weihnachten nicht nur als Fest der Familie zu feiern, sondern unsere Freude über den Geburtstag von Jesus auch mit anderen zu teilen. So haben wir auch schon eine Hausweihnacht gefeiert.

Facettenreiche Angebote

Besonders gut umzusetzen ist diese Aktion natürlich, wenn man in einem Mehrfamilienhaus wohnt. Sie ist aber auch abwandelbar in ein weihnachtliches Straßenfest, wenn man in einem Einfamilienhaus wohnt. Für unsere Hausweihnacht haben wir einen Aushang im Eingangsbereich gemacht und dazu eingeladen. In einem Jahr war es eine Adventsaktion und im anderen Jahr haben wir es direkt an Weihnachten veranstaltet.

In beiden Fällen gibt es unterschiedliche Bausteine, die man einbauen kann, denn Jesus hat es sich auch nicht leicht gemacht. Seine Geburt war eine Sensation für Hirten und Könige. Selbst der Herrscher Herodes hat davon Wind bekommen und sich mächtig darüber aufgeregt. Deshalb ist es schön, wenn unsere Angebote auch möglichst viele ansprechen.

Wir haben erst mal eine Zeit gehabt, in der jeder etwas mit einem kleinen Tischchen vor seine Haustür gestellt hat, zum Beispiel die leckersten Plätzchen, Kinderpunsch oder eine kleine, kurze Bastelidee (Sterne falten oder schneiden, ein Weihnachtslicht herstellen, eine Weihnachtskugel beschriften, was Weihnachten für mich bedeutet …). Plötzlich war auf den Haustreppen viel los, es wurde munter geredet, gekaut und gebastelt. Es war ein reges und fröhliches, weihnachtliches Treiben!

Inbrunst und Freude

Nach circa einer Stunde versammelten sich alle auf der Treppe vor unserer Haustür. Mithilfe eines Bilderbuches habe ich die Weihnachtsgeschichte erzählt. Große, runde Kinderaugen hörten gebannt zu. An Weihnachten eignet sich natürlich die Weihnachtsgeschichte am besten, aber gerade für eine Hausgemeinschaft ist auch die Geschichte „Ein großer Tag für Vater Martin“ sehr eindrücklich. Danach haben wir zusammen Weihnachtslieder gesungen. Die Kinder, die ein Musikinstrument spielen konnten, haben es geholt und mitgespielt. Auch wenn die Töne vielleicht nicht immer gerade waren, an Inbrunst und Freude hat es nicht gefehlt.

Danach ist jeder fröhlich an den heimischen Tannenbaum gegangen und hat Geschenke ausgepackt. Aber wir wussten ganz sicher: An diesem Tag hatten alle unsere Nachbarn die Gelegenheit, an Jesu Geburtstagsparty teilzunehmen und von seiner Geburt zu hören. Keiner musste allein und traurig in seiner Wohnung sitzen. Wir können die Hausweihnacht deshalb sehr empfehlen. Sie zwingt niemandem etwas auf, aber die Weihnachtsbotschaft ist enthalten und wird weitergegeben. Außerdem verbindet das gemeinsame Feiern alle Nachbarn zu einer fröhlichen Gemeinschaft.

Stefanie Böhmann ist Pädagogin und individualpsychologische Beraterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Viel Drama um nichts: Wenn Gegensätze sich (nicht nur) anziehen

Wenn Partner sehr unterschiedlich ticken, kann das zu schrägen Streitigkeiten führen. Paarberaterin Ira Schneider sieht darin aber auch Chancen für die Beziehung.

Ich knalle die Autotür ordentlich hinter mir zu und höre mich pampig „Dann fahr doch alleine!“ sagen. Ich verweile noch auf dem Parkplatz. David war nun also losgefahren.

Die Wasserkaraffe

Inhaltlich hatte alles ganz harmlos mit einer von mir ausgeliehenen Wasserkaraffe begonnen. Nun ging es nur darum, wer unsere ausgeliehene Wasserkaraffe zum Auto bringt. Doch dahinter versteckten sich unsere Unterschiedlichkeiten: Meine manchmal zu ausschweifende Gelassenheit, wenn es darum geht, etwas zurückzugeben, und Davids Gewissenhaftigkeit. Ich hatte die Wasserkaraffe versehentlich vor einigen Wochen aus unserer Kirche mitgenommen. Für mich war völlig klar: In unserer Kirche stehen genug Karaffen rum und wahrscheinlich wird sie niemand vermissen, auch wenn sie erst in ein paar Wochen – oder Monaten – wieder auftaucht. Im Ergebnis prallten nicht nur Davids Gewissenhaftigkeit, sondern auch sein Bedürfnis nach Ordnung – und dass die Dinge nicht ewig bei uns rumstehen – und meine Gelassenheit aufeinander.

Ein kleiner Machtkampf

Nun gut. Gerade hatten wir noch diskutiert und versucht, auszuhandeln, wer nun diese große, schwere und wirklich unzumutbare Aufgabe übernimmt, die Wasserkaraffe ganz alleine die 50 langen Meter bis zum Auto zu tragen. Doch wie sind wir eigentlich bei der zuknallenden Autotür gelandet? Das Ganze hatte sich dann nämlich ordentlich hochgeschaukelt. Ich wollte die Karaffe inzwischen gar nicht erst mitnehmen und habe in den Dickkopfmodus gewechselt. David wiederum wollte sie nun umso dringender unbedingt an jenem Sonntag zurückgeben. Wir beide sahen die Aufgabe, sie zum Auto zu tragen, definitiv bei der anderen Person. Ich sah die Verantwortung bei ihm, schließlich wollte er sie ja wegbringen. Er sah sie bei mir, weil ich sie ausgeliehen hatte. Eins stand fest: Keiner war bereit, nachzugeben und sich zu opfern und sie in einem Akt tiefgreifender Selbstaufgabe bis hin zum Auto zu tragen. David erweckte den Anschein, nahm sie in die Hand, schmuggelte sie unterwegs aber vorsichtig und flink in meine Tasche. In meinem grenzenlosen Scharfsinn bemerkte ich dies, ließ die Tasche einfach stehen und ging weiter. Hinter diesem Hin und Her verbarg sich ein kleiner Machtkampf ums Gewinnen und ums Rechthaben. Eigentlich ja ein Konfliktklassiker. Einer, den wir doch längst begraben glaubten. Einer, der uns nicht mehr passieren würde. Unsere Ehe ist doch erwachsen und reif. Wir? Nein. Wir zanken doch nicht unnütz! Wir hängen uns auch nicht an überflüssigen Themen auf. Scheinbar doch!

Und plötzlich haben wir einen Lachanfall

Nun stehe ich da und warte. Ein nicht allzu kleines Fünkchen in mir hofft und wiegt sich in dem Glauben, dass es nur wenige Sekunden dauern wird, bis wir uns wiedersehen. Er fährt sicherlich nur eine Runde um den Block und kommt dann wieder. Er fährt ja nicht wirklich los, denke ich mir. Tatsächlich drehe ich mich zur Seite und er kommt angefahren. Ich steige ins Auto ein und muss schon währenddessen irgendwie schmunzeln, aber ich verkneife mir mein Grinsen noch einen Moment.

Ich will noch einen Blick in sein Gesicht erhaschen und stelle fest, dass er ebenfalls krampfhaft versucht, nicht draufloszulachen. Da sitzen wir beide also und haben einen Lachanfall.

Nur ein wenig Drama

So einen intensiven Konflikt hatten wir lange nicht mehr, dachte ich mir. Aber irgendwas sagt mir, dass der Konflikt gar nicht so tragisch war. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass er künstlich aufgeblasen war; einfach ein wenig Drama. Schon mitten im Konflikt hatte ich den Eindruck, als würde ich uns, wie in einem Kino, von außen zuschauen. Ich fand uns amüsant, lächerlich und sogar etwas kindisch. Als wir einige Tage später nochmal darüber sprachen, berichtete David, dass er das ganz ähnlich wahrgenommen hatte – wie anders der Konflikt war –, verglichen mit einer ernsthaften Streitigkeit. Ich genieße dieses verbindende Gefühl, wenn wir in unserer Ehe eine gleiche Feststellung machen.

Viel geschafft, aber noch nicht fertig

Etwas in uns hatte sich verändert. Vielleicht hat uns der Konflikt sogar ein Stück weit Spaß gemacht. Uns zu zanken, uns zu necken, uns aneinander zu reiben und abzuarbeiten, den anderen als starkes Gegenüber zu erleben und herauszufordern, kann guttun. Konflikte sind immer auch eine Suche nach Verbindung. Wir leben die feste Überzeugung, dass eine Streitkultur gesund, wichtig und notwendig ist. Gutes Streiten ist eine Kompetenz. Es heißt ja nicht umsonst KonfliktFÄHIGKEIT. Eins war mir zumindest klar: Wir hatten dazugelernt. Wir verheddern uns weniger lang im Streit und verlieren die Außenperspektive nicht. Wir können mitten im Streit lachen, weil wir ein gemeinsames Grundverständnis gefunden haben und wissen, dass der Streit nicht die Oberhand behält, sondern dass wir ihn im Griff haben. Wir können uns selbst sogar ein bisschen zuschauen und uns über uns kompetente Zankexperten amüsieren.

Über sich selbst zu lachen und vor allem miteinander zu lachen, ist Gold wert. In dem Moment, in dem das Lachen ausbricht, haben wir nicht nur das beste Rettungsmanöver im Gepäck, sondern können einander feiern und schätzen! Denn wenn ich ehrlich bin, bin ich über Davids Gewissenhaftigkeit und Ordnung an den meisten Tagen überaus froh. Ohne unseren Putzplan, den er erstellt hat, würden wir im Chaos versinken. Ja, unser Anderssein beißt sich manchmal, aber darin liegt gleichzeitig eine riesige Chance. Wir können uns ergänzen, denn wir sind beide genau richtig und gut so, wie wir sind.

Auch wir als Paarberater sehen in Konflikten immer wieder eine Chance, uns langfristig besser zu verstehen. Wir lernen einander ebenfalls immer weiter kennen und auch, unsere Unterschiede zu zelebrieren.

Ira Schneider arbeitet als psychologische Beraterin in einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle. Gemeinsam mit ihrem Mann bietet sie Paarberatungen an.