Die lieben Großeltern
Ein Gastbeitrag von Anke Bürckner
„Ihr könnt ihr doch nicht ewig Bioessen geben. Sie muss doch auch mal was anderes kriegen.“ „So ein bisschen Vanillesoße kann sie doch schon bekommen, ist doch nicht viel anders als ihre Milch.“ „Wir können ihr ja mal eine rohe Kartoffel geben, zum Draufrumnagen.“ „Das Innere der Krokette kann sie doch schon essen.“ „Wir können ihren Nuckel doch mal in Honig tunken.“
Sie – das ist unsere acht Monate alte Tochter. Die Ratschläge stammen alle von ihren Großeltern und wurden uns mit unzähligen anderen gutgemeinten Tipps in den letzten vier Monaten gegeben. Am Anfang machten mein Mann und ich uns noch die Mühe, genau zu erklären, warum Vanillesoße eben doch anders ist als Muttermilch und sie mit vier Monaten noch nicht bereit ist, etwas anderes zu trinken als ihre Milch. Doch nachdem ich nun gefühlte hundertmal die Vorzüge von Bionahrungsmitteln und selbst gekochten Breien heruntergeleiert habe, habe ich darauf keine Lust mehr. Leider ist mir noch keine Alternative dazu eingefallen, die das Verhältnis zu den Großeltern nicht nachhaltig verschlechtern würde.
Ich habe eigentlich immer gedacht, dass sich Großeltern wahnsinnig freuen müssten, wenn sie wissen, dass ihr Enkelkind altersentsprechend und gesund von seinen informierten Eltern ernährt wird. Oft war ich fassungslos und aufgewühlt nach den Zusammentreffen mit den Großeltern. Mein Mann brachte dann zumindest für seine Eltern eine schlüssige Erklärung hervor: das schlechte Gewissen. Vor dreißig Jahren galten völlig andere Empfehlungen als heute, und dass diese sich nun als falsch entpuppen, tut den Großeltern weh. Häufig waren die Umstände, unter denen die Kinder damals aufwuchsen, völlig andere. Es war weniger Geld und vielleicht auch weniger Zeit da, denn Kinder bekam man damals früher, man war noch nicht so lange berufstätig und die Hausarbeit war mühsamer, sodass nicht so viel Zeit blieb, um Fachliteratur zu wälzen, Biofleisch und Biogemüse zu delikaten Breien zu kochen oder stundenlang ausgelassen zu spielen. Die Großeltern fühlen sich durch diese Tatsache vielleicht etwas schuldig, besonders wenn sie bei jedem Besuch vorgelebt bekommen, dass wir nun das Geld, das Wissen und die Zeit haben, um für unsere Tochter das Beste zu ermöglichen.
Bei meinen Eltern vermute ich einen etwas anderen Grund. Wir leben 250 km von ihnen entfernt. Wir verbringen die Feiertage und Schulferien bei ihnen, damit sie trotz der Entfernung eine gute Beziehung zu ihrem Enkelkind aufbauen können. Bei ihnen ist wohl der Wunsch, unsere Tochter zu verwöhnen, der Auslöser für den ständigen Vorschlag, ihren Nuckel in selbst geschleuderten Honig zu tunken. Ich weiß nicht, wie oft ich schon versucht habe, über die Risiken von Honig für Kinder unter einem Jahr aufzuklären. Vergeblich. Sie wollen ihrem Enkelkind im Gedächtnis bleiben und die Zeit mit ihnen soll von unserer Tochter als besonders schön wahrgenommen werden, damit sie immer wieder gern ihre Großeltern besucht.
Meine Oma wohnte 40 km von mir entfernt, aber da war es auch so. Die Besuche bei ihr waren immer besonders schön, weil es anders war als zu Hause. Es gab anderes Essen, andere Fernsehsender (meine Eltern hatten nur drei Programme) und andere Aktivitäten. Ich erinnere mich noch, wie meine kleine Schwester vom Besuch unserer Oma mit pinken Strähnen in den Haaren zurückkehrte und meine Eltern das damals unmöglich fanden, weil sie nicht um Erlaubnis gefragt wurden. Ich fand das damals ziemlich cool von meiner Oma, würde heute aber auch sauer sein, wenn meine Eltern oder Schwiegereltern so etwas ohne Absprache machen würden.
Mit der Geburt unserer Tochter haben sich die Generationen verschoben und damit auch die Wünsche und Erwartungen. Für die nun zu Großeltern gewordenen bedeutet das: Sie wollen weiterhin ihre Erfahrungen weitergeben und mitbestimmen, werden aber nun von den Neu-Eltern in ihre Schranken gewiesen und müssen erkennen, dass sie – aus heutiger Perspektive betrachtet – vielleicht sogar Fehler in der Erziehung gemacht haben. Das tut weh und sollte von der Elterngeneration aufgefangen werden, auch wenn das bedeutet, dass man zum hundertundersten Mal noch ruhig erklärt, warum der Brei aus Biozutaten bestehen sollte und warum Honig gefährlich sein kann.
Das Problem ist nur, dass man sich als Neu-Eltern nicht respektiert fühlt, wenn immer wieder der gleiche, in den eigenen Augen völlig unsinnige Vorschlag gemacht wird. Und dieses Gefühl verletzt dann wiederum die jungen Eltern.
Der Idealzustand wäre natürlich, wenn die Eltern und die Großeltern sich in ihrer jeweiligen neuen Rolle wertgeschätzt fühlen. Dies lässt sich vielleicht mit Teilhabe erreichen. Die Eltern sollten den Großeltern Aufgaben übertragen und sie dafür loben, wenn sie diese Aufgaben toll bewerkstelligen. Dann fällt es den Omas und Opas auch leichter, Grenzen zu akzeptieren, wenn sie einen Bereich haben, auf dem sie „Experten“ sind. Wir haben sie unsere Tochter mit dem von uns gekochten Brei füttern lassen. Dann ließen die Nachfragen bezüglich der Zubereitung etwas nach. Natürlich gibt es auch weiterhin Reibungspunkte, aber diese gibt es schließlich überall, wo unterschiedliche Generationen und Ansichten aufeinander treffen und ohne die das Leben um einiges langweiliger wäre.
Anke Bürckner
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
Wie regelt ihr solche Meinungsverschiedenheiten mit den Großeltern?