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„Fühle mich fast schizophren“ – Erfolgreiche Erzieherin scheitert oft als Mutter. Dann greift sie endlich durch

Als Anika Schunke Mama wird, muss sie feststellen: Ihre Erziehungstipps kann sie bei sich selbst nicht umsetzen. Doch dann macht es Klick.

Mehr als die Hälfte meines Lebens bin ich Erzieherin, oder, um dem Ganzen den Qualitätsstempel zu verleihen, den es verdient: pädagogische Fachkraft im Elementarbereich. Zehn Jahre lang war ich in derselben Einrichtung tätig, welche zum Großteil dazu beigetragen hat, dass ich heute beruflich so gefestigt bin. Ich stand mit beiden Beinen im Leben, war etwa sieben Jahre lang stellvertretende Leitung, war von Kolleginnen und Eltern geschätzt und machte mich sogar nebenberuflich selbstständig. Ich habe pädagogische Prinzipien, Überzeugungen und Wertvorstellung, die sich in dieser Zeit fest verankert haben. Mir war immer bewusst, dass es etwas anderes sein würde, Mutter zu sein, spielen hier ganz andere Faktoren eine Rolle. Doch was da kommen sollte, wäre mir im Traum nicht eingefallen.

Die erste Zeit mit Baby ist für alle frisch gebackenen Eltern emotional. Daher war es für mich erst mal nicht dramatisch, dass ich nicht so entspannt und ausgeglichen war, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Da sich die Erziehung zu Beginn noch im Rahmen hielt, beruhigte ich mich mit Sätzen wie „Das wird schon noch“, „Ist halt am Anfang so“ etc. Doch mit den Monaten merkte ich, das ich Dinge tat und dachte, die ich als Erzieherin nie tun oder denken würde und von denen ich sogar schon vielfach abgeraten hatte. Und obwohl es mir bewusst war, war es mir nicht möglich, anders zu handeln oder zu denken. Ich fühlte mich schon fast schizophren.

Schock im Bällebad

Zu Beginn waren es Kleinigkeiten. Zum Beispiel saß ich mit meiner etwa fünf Monate alten Tochter in einem öffentlichen Bällebad. Mit jeder Minute, die ich drin saß, mit jedem Ball, den sie anfasste und ablutschte, schrie es lauter in mir. Eine Stimme in mir rief: „Gefahr! Gefahr! Es ist ein Bazillenbad, getarnt als Bällebad.“ Doch ich hielt tapfer durch und lies meine Tochter und ihr Immunsystem lernen und wachsen. Denn die Erzieherin in mir winkte entspannt ab nach dem Motto: „Das ist nicht so wild, im Gegenteil. Und du weißt es.“

Mittlerweile ist meine Tochter fast drei Jahre alt. Wir können uns wirklich nicht beschweren, sie ist ein tolles Kind. Wir haben selten Schwierigkeiten mit ihr und wenn wir es für anstrengend und stressig halten, ist es im Vergleich zu manch anderen Familien harmlos. Aber die Konflikte häufen sich. Sie probiert mehr aus, diskutiert, bekommt kleine Wut- und Trotzanfälle, was eben alles zum Großwerden dazu gehört. Und hierbei macht sich nun die Schizophrenie zwischen Erzieherin und Mutter deutlich bemerkbar.

Ich weiß genau, dass dieses Verhalten völlig normal ist, sogar sein muss, um eine gefestigte Persönlichkeit zu entwickeln. Ich weiß auch, dass es richtig ist, wenn wir konsequent sind. Und trotzdem sitze ich heulend da und frage mich, was hier los ist. Warum kann ich nicht mit meiner gewohnten Professionalität darauf reagieren? Warum stellt sich die emotionale Mutter in mir so sehr gegen die souveräne Erzieherin? Und das, obwohl sie weiß, dass es uns allen besser ginge, wenn sie mehr mitreden könnte.

Erzieherin und Mutter im Dauerstreit

Da gibt es beispielsweise die „Situation Schnuller“. Dieser ist Fluch und Segen. Als Säugling wollte meine Tochter den Schnuller nicht, was ich prinzipiell gut finde. Jedoch hätte sie sonst den ganzen Tag an der Brust gehangen, um sich zu beruhigen, und das wollte und konnte ich nicht zulassen. Also musste der Schnuller Abhilfe schaffen. Mittlerweile ist es so, dass sie ihn ziemlich oft im Mund hat. Und das stört mich. Denn sie ist jetzt fast drei Jahre alt und ich finde, der Schnuller ist nach wie vor zur Beruhigung gedacht, also zu Ausruh- und Schlafenszeiten.

Am meisten stört mich, wenn sie ihn draußen beim Spazierengehen oder beim Radfahren im Mund hat. Ich finde es schrecklich! Denn das Bild ist so kontrovers. Auch wenn die Erzieherin in mir täglich mehrere Elterngespräche mit der Mutter in mir führt, schaffe ich es einfach nicht, ihr den Schnuller nur für die oben genannten Zeiten zu erlauben. Es ist wie eine Blockade.

Streit ums Thema Essen

Genauso ist es mit der „Situation Essen“. Wir legen beide großen Wert darauf, dass sie um gute Tischmanieren weiß. In meinem Erzieheralltag habe ich vielen Kindern unter drei Jahren das selbstständige Essen mit Löffel und Gabel beigebracht. Meine Tochter benutzt immer noch oft die Finger, obwohl es mich stört und ich es anders möchte. Ich habe oft gepredigt, dass Konsequenz das A und O ist, und ich weiß es auch ganz genau. Doch auch hier scheint diese Funktion mit dem Mutterinstinkt nicht kompatibel zu sein. Nach fast einem Jahr Theater, Gemotze und Tränen am Tisch hat die Erzieherin in mir sich doch mal energisch der Mutter gegenüber gezeigt und eine Lösung gefunden.

Die sieht so aus: Wir haben uns dafür entschieden, ihr eine positive Konsequenz anzubieten, wenn sie ordentlich isst. Auf dem Tisch liegen vier Gummibärchen. Wenn wir schimpfen müssen, weil sie ihr Essen rumschmiert, mit der Gabel rumfuchtelt etc. nehmen wir, nach einer Vorwarnung, ein Gummibärchen weg. Das vierte Gummibärchen bekommt sie, wenn sie den Teller leer gegessen hat. Was ihr nicht schmeckt, muss sie allerdings nicht essen.

Die Erzieherin erwacht

So langsam scheint die Erzieherin in mir den Ernst der Lage erfasst zu haben und mischt sich öfter ein. Ich habe das Gefühl, die Mutter in mir ist sehr erleichtert, war sie doch so oft hilflos und verzweifelt, weil sie das nötige Wissen nicht abrufen konnte. Vielleicht hat die Erzieherin in mir einfach ein bisschen Urlaub genommen oder auf Teilzeit gewechselt und das ganze Wissen mitgenommen. Nun beginnen die beiden endlich, als Team zusammenzuarbeiten. Ich merke das daran, dass ich Fachwissen wieder abrufen kann. Ich kann schwierige Situationen und ihren Ursprung besser deuten und angemessen reagieren.

Zum Beispiel in der „Situation Selbstständigkeit“. Mir ist es sehr wichtig, dass meine Tochter sich auch mal selbst beschäftigen kann. Bisher spielte das jedoch keine große Rolle, denn ich habe es als Mutter sehr genossen, viel Zeit mit meiner Tochter zu verbringen. Ich wollte sehen, was sie spielt. Somit war ich oft dabei, wenn sie in ihrem Zimmer gespielt hat. Dies hat aber zur Folge, dass sie es nicht gewohnt ist, sich alleine zu beschäftigen. Also stand wieder ein internes Elterngespräch an, in dem sich Erzieherin und Mutter schnell einig wurden, dass dies geübt werden muss. Die Erzieherin zaubert einige gute Ideen aus ihrem kompetenten, pädagogischen Hut und das Problem wird nun einfach angegangen. Im konkreten Fall heißt das beispielsweise: Während ich sauge, gebe ich ihr eine Aufgabe, welche sie in der Zeit erledigt. Das kann ein Puzzle sein oder etwas zum Nachbauen. So hat sie konkret ein Bild davon, was sie tun soll. Und falls das Saugen länger dauert als die Aufgabe, findet sie eher in ein selbstständiges Spiel.

Ich hoffe sehr, dass sich die nun beginnende, gute Zusammenarbeit nicht mit der Geburt des zweiten Kindes wieder auflöst. Zum Wohle aller.

Anika Schunke lebt in der Nähe von Karlsruhe und ist Erzieherin. Aktuell ist sie in Mutterschutz, arbeitete davor jedoch in einer Kita. Außerdem ist sie Autorin des Buchs „Kleine Räume, großer Spaß“. 

Viel entspannter beim zweiten Kind

Erst nach der Geburt ihres zweiten Sohns fiel Anna Koppri auf, dass sie beim großen Bruder zu fokussiert auf die prompte Stillung seiner Bedürfnisse gewesen war. Ihre Hebamme spielte hierbei eine wichtige Rolle.

Antonin, mein jahrelang ersehntes Wunschkind – endlich ist er da. Natürlich möchte ich alles richtig machen. Deshalb habe ich mich in der Schwangerschaft ausführlich mit dem Mutterwerden und bedürfnisorientierter Begleitung (das Wort Erziehung mochte ich noch nie) befasst. Ich beherzige den Rat meiner Hebamme: Messe täglich sechsmal seine Temperatur, notiere mir die Stillminuten an jeder Brust, Farbe und Konsistenz seiner Ausscheidungen. Beim Wickeln habe ich stets eine Hand auf dem Kind, damit es nicht vom Tisch purzelt.

Immer an der Seite des Kindes

Schon bald liegt er jeden Abend pünktlich um 19 Uhr in seinem Bettchen, um die „richtige Zeit zum Einschlafen“ zu verinnerlichen. Niemals würde ich ihn allein in einem Raum lassen, es sei denn er schläft gerade und das Babyfon ist eingeschaltet. Wenn mein Baby meckert, bin ich sofort zur Stelle, nehme es hoch, schuckle, biete Brust oder Schnuller an – schließlich möchte ich, dass er eine sichere Bindung zu mir bekommt. Einige meiner Rezeptoren sind stets mit meinem Baby verbunden, und so fällt es mir in den ersten Monaten sehr schwer, abzuschalten. Wandle ich durch die Wohnung, um etwas zu erledigen, wird das mit ziemlicher Sicherheit durch ein Bedürfnis des Kindes unterbrochen.

Glanzfolie und Glöckchen zur Beschäftigung

Sobald er etwas wacher ist, bemühe ich mich, meinen Sohn bestmöglich zu beschäftigen. Der Spielebogen steht eigentlich ununterbrochen über dem kleinen Geschöpf, das so neugierig alles aufsaugt, das man ihm bietet. Bald reichen ihm die drei Figuren, die da baumeln, nicht mehr aus. So hänge ich auf Anraten der Hebamme ständig neues Spielzeug über ihm auf: knisternde Glanzfolie, Glöckchen … Meinen Tagesablauf gestalte ich nach den Schlaf-, Wach- und Essenszeiten meines Babys. Gegen 17:30 Uhr weint er viel, um die Eindrücke des Tages zu verarbeiten, weshalb ich um diese Zeit stets mit ihm zu Hause bin. Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Ich dachte, ich könnte ihn überall hin mitnehmen.

Fast eine Helikoptermutter

Naja, ich bin in Elternzeit, und die ist schließlich dazu da, meine ganze Energie in das neue Leben zu stecken. Klar mache ich auch Dinge, die mir Spaß machen. Zum Beispiel verbringe ich fast den ganzen Sommer mit ihm am See. Meine Freunde würden wohl nicht auf die Idee kommen, ausgerechnet mich als Helikoptermutter zu beschreiben. Doch dieses Kind ist mein absoluter Fokus. Ich achte darauf, dass er in seinem ersten Jahr möglichst kein Körnchen Salz zu sich nimmt und auch kein Sonnenstrahl ihn direkt trifft. Sein Vater und ich, beide sehr freiheitsliebende Individualisten, bekommen eine ganze neue Verbindung durch den gemeinsamen Fokus auf unser Kind.

Das zweite Kind ändert alles

Drei Jahre später ist Antonins kleiner Bruder Benjamin da. Dieses Ereignis erleben wir wesentlich unaufgeregter als die Ankunft des Ersten. Wir sind zwar genauso verliebt in das kleine Wesen, doch beschäftige ich mich wesentlich weniger damit, was ich nun alles richtig oder falsch machen könnte. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich um mein erstes Baby gekreist bin. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, ob ihm zu kalt, zu warm oder etwa langweilig sein könnte. Ständig hatte ich dieses unbestimmte Gefühl, ein Bedürfnis zu übersehen oder ihm nicht gerecht zu werden. Ständig waren alle Augen und Erwartungen auf ihn gerichtet.

„Lass ihn ruhig meckern“

Mit meiner neuen Hebamme, die ich als tiefenentspannt und sehr ganzheitlich erlebe, lerne ich einiges, was ich gern schon bei Antonin gewusst hätte. Wir stehen am Wickeltisch, auf dem das neugeborene Menschlein liegt. Als Benjamin anfängt zu meckern, stecke ich routiniert meinen kleinen Finger in seinen Mund, um ihn zu beruhigen. „Lass ihn ruhig ein bisschen meckern. Das darf er, er möchte sich auch mitteilen. Wenn er immer sofort etwas in den Mund bekommt, erhält er die Botschaft, dass das unerwünscht ist,“ erklärt Susanne. Okay, so habe ich das noch gar nicht gesehen.

Das Kind braucht Zeit alleine

Weil Benja so ein ausgeglichener Knirps ist, lasse ich ihn manchmal allein im Wohnzimmer liegen – sofern der große Bruder gerade keine Gefahr für ihn darstellt. Der probiert gern mal aus, ob er ihn schon tragen kann. Ich schaue so gut wie gar nicht auf die Uhr, sondern gestalte ganz normal meinen Tag mit dem Großen, der coronabedingt gerade monatelang zu Hause ist. Das Baby kommt einfach immer mit.

Oft liegt Benja mehr als eine Stunde zufrieden auf einer Decke im Garten oder Wohnzimmer und unterhält sich mit den Bäumen oder der Wand. Manchmal habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass sich so lange niemand mit ihm beschäftigt. Doch meine Hebamme bestärkt mich darin, einfach zu genießen, dass ihm das Liegen und Schauen schon ausreicht: „Es ist sogar wichtig für die Entwicklung der Kleinen, auch mal allein zu sein, ihre Umgebung wahrzunehmen und nicht ständig beschäftigt zu werden oder im Fokus zu sein.“ Den Spielebogen soll ich ihm frühestens mit sechs bis acht Wochen anbieten und dann auch immer nur mal für ein paar Minuten, um ihn nicht zu überfordern oder an zu viel Entertainment zu gewöhnen. Benja ist in diesen Spielzeug-Minuten tatsächlich immer völlig aus dem Häuschen und braucht danach eine Weile, um wieder runterzukommen. Sein liebstes Spielzeug sind schon seit Wochen seine kleinen Händchen und Füßchen.

Viel mehr Vertrauen – trotz weniger Aufmerksamkeit

Aus Gewohnheit biete ich ihm auch noch mit drei Monaten alle eineinhalb bis zwei Stunden die Brust an, wenn er meckert, so wie ich es aus seinen ersten Wochen kenne. Er trinkt meist ein paar Schluck, wendet sich dann ab und schreit oder verschluckt sich. Zuerst halte ich das für ganz normal. Aber als er ein paar Tage lang fast völlig das Trinken verweigert, frage ich meine Hebamme um Rat. Sie erklärt mir, dass Benja ein sicher gebundenes Kind ist und in diesem Alter höchstens alle drei bis vier Stunden Milch braucht. Nicht jedes Mal, wenn er an seinen Fingern lutsche, bedeute das, dass er Hunger habe. Ein echter Augenöffner für mich, und sobald ich ihren Rat beherzige, reguliert sich unsere Stillbeziehung wie von selbst. Erstaunlich, dass mein zweiter Sohn, der den Großteil des Tages mit sich allein auf einer Decke liegt, mehr Vertrauen zu haben scheint als mein erster, dem ich jedes Bedürfnis von den Augen abgelesen und sofort gestillt habe.

Corona schafft Routinen

Mit vier Monaten liegt Benjamin noch immer zufrieden auf seiner Decke. Natürlich nicht immerzu, er ist ein ganz normales Baby, das auch mal schreit. Doch der Corona-Lockdown bekommt ihm sehr gut. Immer dieselben Routinen und Umgebungen lassen ihn sich sicher und aufgehoben fühlen. Solange sein Bruder um ihn herum spielt und seine Eltern sich ihm zwischendurch immer mal zuwenden, ist seine kleine Welt im Lot.

Von meiner Hebamme lerne ich, dass es dem Kind auch Sicherheit vermittelt, wenn ich ihm jeweils nach etwa eineinhalb Stunden Wachphase wieder in den Schlaf helfe, sofern er nicht selbst dorthin findet. Jetzt mit vier Monaten könne es auch immer mal vorkommen, dass er dann schreit. Erstaunlich oft und immer wieder große Verwunderung bei unseren Freunden auslösend, schafft er es allerdings, ganz allein in den Schlaf zu finden. Seinen Nachtschlaf beginnt er, genau wie sein großer Bruder, gegen 21 Uhr, und dafür schläft er morgens auch bis acht oder neun (natürlich mit Stillunterbrechungen). Als Eltern können wir uns nicht über zu kurze Nächte beklagen. Manchmal frage ich mich, weshalb ich damals bei Antonin das Gefühl hatte, keine Zeit zu haben. Wenn ich jetzt nur Benjamin zu Hause hätte, hätte ich unglaublich viel Zeit für alles Mögliche.

Nachts schreien beide noch

Mein Dreijähriger wacht nachts immer mal auf und schreit dann fast wie ein Baby. Ich frage meine Hebamme, weshalb er das wohl tut. Sie vermutet, dass das damit zusammenhängt, dass wir immer sofort gesprungen sind und ihm etwas angeboten haben, wenn er sich als Baby gemeldet hat. Er habe dadurch noch nicht gelernt, sich selbst zu regulieren. Nachts greife er auf das Schreien zurück, um von uns reguliert zu werden. Auch Benja lassen wir natürlich nicht schreien, doch manchmal darf er sich ein bisschen beschweren und meckern, ohne dass wir ihm sofort etwas anbieten. Meist findet er einen seiner Finger und nuckelt daran, bis er sich wieder entspannen kann, oder ich rede ein bisschen mit ihm, was ihn auch schon beruhigt.

Inzwischen ist Benja ein halbes Jahr alt, Antonin geht wieder in die Kita und dem Kleinen ist es manchmal ein bisschen zu ruhig mit Mama allein. Dann bemühe ich mich um etwas Entertainment, versuche das aber in Grenzen zu halten und habe recht viel Zeit für anderes. Selten gibt es Situationen, die mich beunruhigen, was am gesunden, ausgeglichenen Wesen von Benja, aber sicher auch an meiner inneren Entspanntheit liegt. Davon hätte ich mir bei meinem Großen ein wenig mehr gewünscht.

Anna Koppri liebt es, Mama zu sein und sich nebenher Gedanken über Gott und die Welt zu machen, zum Beispiel auf ihrem Blog: liebenlernenblog.wordpress.com

Helikoptermutter? Erst bei ihrem zweiten Kind kann Anna entspannen

Anna Koppri liest ihrem ersten Sohn jeden Wunsch von den Lippen ab. Erst beim zweiten Kind merkt sie: Das kann ein Fehler sein.

Antonin, mein jahrelang ersehntes Wunschkind – endlich ist er da. Natürlich möchte ich alles richtig machen. Deshalb habe ich mich in der Schwangerschaft ausführlich mit dem Mutterwerden und bedürfnisorientierter Begleitung (das Wort Erziehung mochte ich noch nie) befasst. Ich beherzige den Rat meiner Hebamme: Messe täglich sechsmal seine Temperatur, notiere mir die Stillminuten an jeder Brust, Farbe und Konsistenz seiner Ausscheidungen. Beim Wickeln habe ich stets eine Hand auf dem Kind, damit es nicht vom Tisch purzelt.

Immer an der Seite des Kindes

Schon bald liegt er jeden Abend pünktlich um 19 Uhr in seinem Bettchen, um die „richtige Zeit zum Einschlafen“ zu verinnerlichen. Niemals würde ich ihn allein in einem Raum lassen, es sei denn er schläft gerade und das Babyfon ist eingeschaltet. Wenn mein Baby meckert, bin ich sofort zur Stelle, nehme es hoch, schuckle, biete Brust oder Schnuller an – schließlich möchte ich, dass er eine sichere Bindung zu mir bekommt. Einige meiner Rezeptoren sind stets mit meinem Baby verbunden, und so fällt es mir in den ersten Monaten sehr schwer, abzuschalten. Wandle ich durch die Wohnung, um etwas zu erledigen, wird das mit ziemlicher Sicherheit durch ein Bedürfnis des Kindes unterbrochen.

Glanzfolie und Glöckchen zur Beschäftigung

Sobald er etwas wacher ist, bemühe ich mich, meinen Sohn bestmöglich zu beschäftigen. Der Spielebogen steht eigentlich ununterbrochen über dem kleinen Geschöpf, das so neugierig alles aufsaugt, das man ihm bietet. Bald reichen ihm die drei Figuren, die da baumeln, nicht mehr aus. So hänge ich auf Anraten der Hebamme ständig neues Spielzeug über ihm auf: knisternde Glanzfolie, Glöckchen … Meinen Tagesablauf gestalte ich nach den Schlaf-, Wach- und Essenszeiten meines Babys. Gegen 17:30 Uhr weint er viel, um die Eindrücke des Tages zu verarbeiten, weshalb ich um diese Zeit stets mit ihm zu Hause bin. Das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt. Ich dachte, ich könnte ihn überall hin mitnehmen.

Fast eine Helikoptermutter

Naja, ich bin in Elternzeit, und die ist schließlich dazu da, meine ganze Energie in das neue Leben zu stecken. Klar mache ich auch Dinge, die mir Spaß machen. Zum Beispiel verbringe ich fast den ganzen Sommer mit ihm am See. Meine Freunde würden wohl nicht auf die Idee kommen, ausgerechnet mich als Helikoptermutter zu beschreiben. Doch dieses Kind ist mein absoluter Fokus. Ich achte darauf, dass er in seinem ersten Jahr möglichst kein Körnchen Salz zu sich nimmt und auch kein Sonnenstrahl ihn direkt trifft. Sein Vater und ich, beide sehr freiheitsliebende Individualisten, bekommen eine ganze neue Verbindung durch den gemeinsamen Fokus auf unser Kind.

Das zweite Kind ändert alles

Drei Jahre später ist Antonins kleiner Bruder Benjamin da. Dieses Ereignis erleben wir wesentlich unaufgeregter als die Ankunft des Ersten. Wir sind zwar genauso verliebt in das kleine Wesen, doch beschäftige ich mich wesentlich weniger damit, was ich nun alles richtig oder falsch machen könnte. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich um mein erstes Baby gekreist bin. Ständig habe ich mir Gedanken gemacht, ob ihm zu kalt, zu warm oder etwa langweilig sein könnte. Ständig hatte ich dieses unbestimmte Gefühl, ein Bedürfnis zu übersehen oder ihm nicht gerecht zu werden. Ständig waren alle Augen und Erwartungen auf ihn gerichtet.

„Lass ihn ruhig meckern“

Mit meiner neuen Hebamme, die ich als tiefenentspannt und sehr ganzheitlich erlebe, lerne ich einiges, was ich gern schon bei Antonin gewusst hätte. Wir stehen am Wickeltisch, auf dem das neugeborene Menschlein liegt. Als Benjamin anfängt zu meckern, stecke ich routiniert meinen kleinen Finger in seinen Mund, um ihn zu beruhigen. „Lass ihn ruhig ein bisschen meckern. Das darf er, er möchte sich auch mitteilen. Wenn er immer sofort etwas in den Mund bekommt, erhält er die Botschaft, dass das unerwünscht ist,“ erklärt Susanne. Okay, so habe ich das noch gar nicht gesehen.

Das Kind braucht Zeit alleine

Weil Benja so ein ausgeglichener Knirps ist, lasse ich ihn manchmal allein im Wohnzimmer liegen – sofern der große Bruder gerade keine Gefahr für ihn darstellt. Der probiert gern mal aus, ob er ihn schon tragen kann. Ich schaue so gut wie gar nicht auf die Uhr, sondern gestalte ganz normal meinen Tag mit dem Großen, der coronabedingt gerade monatelang zu Hause ist. Das Baby kommt einfach immer mit.

Oft liegt Benja mehr als eine Stunde zufrieden auf einer Decke im Garten oder Wohnzimmer und unterhält sich mit den Bäumen oder der Wand. Manchmal habe ich fast ein schlechtes Gewissen, dass sich so lange niemand mit ihm beschäftigt. Doch meine Hebamme bestärkt mich darin, einfach zu genießen, dass ihm das Liegen und Schauen schon ausreicht: „Es ist sogar wichtig für die Entwicklung der Kleinen, auch mal allein zu sein, ihre Umgebung wahrzunehmen und nicht ständig beschäftigt zu werden oder im Fokus zu sein.“ Den Spielebogen soll ich ihm frühestens mit sechs bis acht Wochen anbieten und dann auch immer nur mal für ein paar Minuten, um ihn nicht zu überfordern oder an zu viel Entertainment zu gewöhnen. Benja ist in diesen Spielzeug-Minuten tatsächlich immer völlig aus dem Häuschen und braucht danach eine Weile, um wieder runterzukommen. Sein liebstes Spielzeug sind schon seit Wochen seine kleinen Händchen und Füßchen.

Viel mehr Vertrauen – trotz weniger Aufmerksamkeit

Aus Gewohnheit biete ich ihm auch noch mit drei Monaten alle eineinhalb bis zwei Stunden die Brust an, wenn er meckert, so wie ich es aus seinen ersten Wochen kenne. Er trinkt meist ein paar Schluck, wendet sich dann ab und schreit oder verschluckt sich. Zuerst halte ich das für ganz normal. Aber als er ein paar Tage lang fast völlig das Trinken verweigert, frage ich meine Hebamme um Rat. Sie erklärt mir, dass Benja ein sicher gebundenes Kind ist und in diesem Alter höchstens alle drei bis vier Stunden Milch braucht. Nicht jedes Mal, wenn er an seinen Fingern lutsche, bedeute das, dass er Hunger habe. Ein echter Augenöffner für mich, und sobald ich ihren Rat beherzige, reguliert sich unsere Stillbeziehung wie von selbst. Erstaunlich, dass mein zweiter Sohn, der den Großteil des Tages mit sich allein auf einer Decke liegt, mehr Vertrauen zu haben scheint als mein erster, dem ich jedes Bedürfnis von den Augen abgelesen und sofort gestillt habe.

Corona schafft Routinen

Mit vier Monaten liegt Benjamin noch immer zufrieden auf seiner Decke. Natürlich nicht immerzu, er ist ein ganz normales Baby, das auch mal schreit. Doch der Corona-Lockdown bekommt ihm sehr gut. Immer dieselben Routinen und Umgebungen lassen ihn sich sicher und aufgehoben fühlen. Solange sein Bruder um ihn herum spielt und seine Eltern sich ihm zwischendurch immer mal zuwenden, ist seine kleine Welt im Lot.

Von meiner Hebamme lerne ich, dass es dem Kind auch Sicherheit vermittelt, wenn ich ihm jeweils nach etwa eineinhalb Stunden Wachphase wieder in den Schlaf helfe, sofern er nicht selbst dorthin findet. Jetzt mit vier Monaten könne es auch immer mal vorkommen, dass er dann schreit. Erstaunlich oft und immer wieder große Verwunderung bei unseren Freunden auslösend, schafft er es allerdings, ganz allein in den Schlaf zu finden. Seinen Nachtschlaf beginnt er, genau wie sein großer Bruder, gegen 21 Uhr, und dafür schläft er morgens auch bis acht oder neun (natürlich mit Stillunterbrechungen). Als Eltern können wir uns nicht über zu kurze Nächte beklagen. Manchmal frage ich mich, weshalb ich damals bei Antonin das Gefühl hatte, keine Zeit zu haben. Wenn ich jetzt nur Benjamin zu Hause hätte, hätte ich unglaublich viel Zeit für alles Mögliche.

Nachts schreien beide noch

Mein Dreijähriger wacht nachts immer mal auf und schreit dann fast wie ein Baby. Ich frage meine Hebamme, weshalb er das wohl tut. Sie vermutet, dass das damit zusammenhängt, dass wir immer sofort gesprungen sind und ihm etwas angeboten haben, wenn er sich als Baby gemeldet hat. Er habe dadurch noch nicht gelernt, sich selbst zu regulieren. Nachts greife er auf das Schreien zurück, um von uns reguliert zu werden. Auch Benja lassen wir natürlich nicht schreien, doch manchmal darf er sich ein bisschen beschweren und meckern, ohne dass wir ihm sofort etwas anbieten. Meist findet er einen seiner Finger und nuckelt daran, bis er sich wieder entspannen kann, oder ich rede ein bisschen mit ihm, was ihn auch schon beruhigt.

Inzwischen ist Benja ein halbes Jahr alt, Antonin geht wieder in die Kita und dem Kleinen ist es manchmal ein bisschen zu ruhig mit Mama allein. Dann bemühe ich mich um etwas Entertainment, versuche das aber in Grenzen zu halten und habe recht viel Zeit für anderes. Selten gibt es Situationen, die mich beunruhigen, was am gesunden, ausgeglichenen Wesen von Benja, aber sicher auch an meiner inneren Entspanntheit liegt. Davon hätte ich mir bei meinem Großen ein wenig mehr gewünscht.

Anna Koppri liebt es, Mama zu sein und sich nebenher Gedanken über Gott und die Welt zu machen, zum Beispiel auf ihrem Blog: liebenlernenblog.wordpress.com

Pflegemutter Christine berichtet: So anstrengend und schön ist es, Eltern auf Zeit zu sein

Christine Gehrig und ihr Mann nehmen regelmäßig Kinder vom Jugendamt für kurze Zeit bei sich auf. Eine Herausforderung, die sich lohnt.

Wenn ich mich morgens an einen Traum erinnern kann, dann sind das in der Regel Bruchstücke eines abstrusen Gebräus. An einem Novembermorgen jedoch erwachte ich mit einem warmen inneren Gefühl, so als würde eine Herdplatte nachglühen. In meinem Traum hatte ich ein kleines, süßes Mädchen in Pflege, das meine vier großen Kinder fröhlich von Schoß zu Schoß wandern ließen. Begeistert sah ich zu.

„Warum träume ausgerechnet ich das? Während der Erziehungsjahre habe ich meine Belastungsgrenzen deutlich gespürt. Ich bin so froh, dass ich wieder Freiräume habe. Wäre ja ein Witz, wenn heute der Pflegekinderdienst anriefe“, ging es mir durch den Kopf, bevor ich zur Tagesordnung überging. Immerhin war die letzte Anfrage des Jugendamtes an uns Pflegeeltern wegen eines Kleinkindes neun Monate her.

Am Nachmittag rief tatsächlich die Frau vom Pflegekinderdienst an: „Ein Notfall. Noch heute müsste ein knapp Zweijähriger für einige Wochen in einer Pflegefamilie untergebracht werden.“ Während einer kurzen Bedenkzeit tigerte ich im Haus auf und ab. Im Traum war es ein Mädchen gewesen. Egal, Kleinkind ist Kleinkind. Beim Rückruf hörte ich mich sagen: „Ja, ich nehme ihn.“

„Ich muss vollkommen durchgeknallt sein“

Auf dem Dachboden wühlte ich das Kinderreisebett hervor und schlug dafür eine Schneise in mein kleines Zimmer. „Ich muss vollkommen durchgeknallt sein, aber wir bekommen nachher einen kleinen Jungen zur Pflege“, begrüßte ich meine jüngste Tochter, als sie aus der Schule kam. „Echt jetzt? Wie cool!“

„Wir bekommen Familienzuwachs“, begrüßte ich meinen Mann, als er hereinschneite. „Ich konnte dich telefonisch nicht erreichen.“ – „Doch nicht etwa noch eine Katze?“ Ich schilderte kurz den Tathergang und freute mich, dass Andreas die Entscheidung akzeptierte.

Schmal und blass kam Florian bei uns an. Ungeahnte Muttergene wallten in unseren beiden Töchtern auf. Die eine sauste zu einer befreundeten Mutter in der Nachbarschaft und borgte Kleidung. Die andere suchte ihre früheren Stofftiere heraus und wurde Florians größter Fan.

Florian bekommt rosige Pausbäckchen

Nachdem ich den Kleinen gebadet hatte, schlief er auf meinem Schoß rasch ein. Er rührte sich auch nicht, als ich ihn ins Bettchen legte. Um halb acht Uhr morgens erst erwachte er. Beim Frühstück griff er zunächst zögerlich zu, dann hörte er nicht mehr auf zu essen. Mein Mann und unsere Söhne trugen ihn immer wieder fürsorglich herum und machten Späßchen mit ihm. Unser Wohnzimmer wandelte sich rasch zur Spiel- und Wickelzone.

So sehr ich einerseits liebgewordene Tätigkeiten und Gewohnheiten einfrieren musste, so froh und stolz war ich andererseits über meine neue Aufgabe. Florian erwies sich nach anfänglichem Heimweh als ausgesprochen robust und lebenszugewandt. Den ganzen November über schien die Sonne, sodass er seinen Mittagschlaf stets im Kinderwagen an der frischen Luft hielt.

In den zehn Wochen seines Aufenthalts bei uns hat er sich sehr verändert, das fiel mir bei den Vorher-Nachher-Bildern auf. „Haben Sie ein neues Pflegekind oder ist es noch dasselbe wie neulich?“, fragte eine Bekannte, weil Florian rosige Pausbäckchen bekommen hatte. Ich bin dankbar, dass ich meine Kräfte für diese Zeit bündeln konnte, doch unmittelbar nach Florians Rückführung zu seiner Herkunftsfamilie erwischte mich die Grippe und wochenlanger Husten. Oft fragten wir uns, was Florian wohl jetzt macht und wie es ihm geht.

War das ein Fehler?

Anfang August wurden wir erneut angefragt, ob wir Florian vorübergehend aufnähmen. Diesmal würde eine Dauerpflegestelle für ihn gesucht. Mir war klar, dass dies unter Umständen viele Monate dauern konnte. Den langen Aufzucht-Atem hatte ich definitiv nicht mehr. Dennoch wollte ich Florian keinen neuen Bezugspersonenwechsel zumuten. So sagte ich Ja und schwankte zwischen Bangen und Zuversicht. Als ich mich in meiner Angst im Gebet bei Gott ausweinte, fragte ich: „War es ein Fehler, dass ich Ja gesagt habe?“ Mir schien, als legte Gott seinen Arm um mich und fragte: „Wie kann es ein Fehler sein, sich um eines meiner Kinder zu kümmern?“

Als Florian leer und erschöpft zu uns gebracht wurde, schlief er wieder ausgiebig. Danach lachte er und tauchte so vertraut ins Familienleben ein, als sei er kaum fortgewesen. Es war eine turbulente Full-House-Ferienzeit. Nach manchem Marathon-Tag meinte ich, abends jeden Knochen zu spüren.

Es heißt Abschied nehmen

16 Tage später: Uns rief eine alte Freundin an, die wir etwa zehn Jahre nicht mehr gesehen hatten. Sie habe an uns denken müssen und würde uns mit ihrem Mann gern besuchen kommen. Überrascht und erfreut sagten wir zu. Die Geschichte mit Florian bewegte die beiden sehr. Sie konnten sich gut vorstellen, seine Dauerpflegeeltern zu werden. Vier Tage später brachten sie ihren elfjährigen Sohn mit, der sehr aufgeschlossen für Florian war.

Das Jugendamt gab sofort grünes Licht. In den nächsten Wochen besuchten wir uns gegenseitig so oft wie möglich. Probehalber übernachtete Florian schon einmal in seiner neuen Umgebung, das meisterte er bewundernswert. Bewundernswert war es auch, wie unsere Freunde ihr Haus komplett umkrempelten, um ein großes freundliches Zimmer für Florian herauszuschlagen.

So schön wie das klingt, so wehmütig fühlte ich mich beim Abschied dann doch. Florian weinte. Aber nur kurz. Mit seiner Aufgeschlossenheit wendete er sich seiner neuen Umgebung rasch zu. Froh stellten wir bei späteren Besuchen fest, dass Florian sich freute, uns zu sehen, aber dass er uns auch leichten Herzens wieder ziehen ließ. Es macht uns ruhig zu wissen, dass es ihm richtig gut geht.

Mit einem Traum hatte das Ganze angefangen. Manchmal sind Träume nicht nur Schäume.

Christine Gehrig ist Familienfrau, Lebe-leichter-Coach und Nordic-Walking-Lehrerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Bamberg.

„Das hat mir die Augen geöffnet“

Vier Ratschläge, die ihr erfahrene Eltern gegeben haben, begleiten Corinna Lang bis heute.

1. „DAS IST NUR EINE PHASE.“

Eltern kennen diesen Ausspruch unter Garantie. Egal, ob das Kind zahnt, trotzt oder den Schlaf verweigert, schnell wird die Phrase mit der Phase gezückt, meistens von anderen. Aber wie abgedroschen es uns auch vorkommen mag – der Satz kann in manchen Situationen trotzdem Trost spenden und das nötige Durchhaltevermögen fördern. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Aussprechende ihn auch so meint und nicht als Synonym für „Stell dich nicht so an!“ verwendet. Und der Zuhörer muss dem Inhalt dieses Satzes auch eine Chance geben. Irgendwann ist es vorbei, die wenige Wochen alte Tochter wird nicht jeden Abend durchbrüllen, weil sie so den Tag verarbeiten muss. Und der zweijährige Sohn wird auch nicht sein Leben lang das Anziehen der Jacke verweigern oder für ihn völlig unmögliche Aufgaben, „selberleine“ erledigen wollen, wie er es formuliert. Es geht vorbei. Mit manchen Phasen kommen wir besser zurecht als mit anderen. Manche überfordern uns scheinbar maßlos und scheinen kein Ende zu nehmen. Deshalb müssen wir uns das Phasenende manchmal zusagen lassen. Das Gute ist: In jeder Phase ist auch eine Menge Spaß dabei. Und ab und zu gibt es sogar Entspannungsphasen.

2. „DU MUSST NICHT SOFORT ALLES WISSEN.“

Meine beste Freundin hatte schon Kinder, ich noch nicht. Ich beobachtete sie dabei, wie sie ihre Kinder badete. Und plötzlich tauchten all diese Fragen in meinem Kopf auf. „Woher weiß sie eigentlich immer, was die Kinder brauchen? Was essen die? Wieviel? Wie oft? Wie wickelt man? Was braucht man eigentlich alles, wenn man Kinder hat?“ Ich fühlte mich überwältigt. Eine von diesen Fragen formulierte ich laut. Und bekam eine sehr beruhigende Antwort, die besonders für familienplanende Paare eine echte Entlastung sein kann: Man muss gar nicht alles auf einmal wissen. Wenn man das Kind auf die Welt gebracht hat, kümmert man sich zuerst nur um das, was das Kind in diesem Lebensabschnitt braucht. Das wird einem auch erklärt, wenn man es noch nicht weiß. Bei den ersten Wickelversuchen muss ich mir noch keine Gedanken darum machen, was eigentlich in einen Schulranzen gehört. Mein Wissen wächst mit meinen Kindern und bisher habe ich alle Informationen immer rechtzeitig bekommen. Hebammen, Kinderärzte, Familie und Freunde haben uns immer weitergeholfen, wenn wir Fragen hatten. Von daher – keine Panik, wir wachsen mit.

3. „DU SETZT DICH JETZT HIN UND ISST!“

Klingt nicht nach einem typischen Ratschlag für Eltern. Mein Vater hat diesen Ausspruch getätigt, als unsere Tochter ein paar Monate alt war. Ich war einige Tage bei meinen Eltern zu Besuch, weil mein Mann dienstlich unterwegs war. Ich stand in der Küche und sah aus wie ein Gespenst – blass und gar nicht so richtig anwesend. Was war passiert? Ich hatte mich von unserer Tochter ordentlich durch die Gegend scheuchen lassen. Sie hat gebrüllt – ich bin gerannt. Mit Stillhütchen, Flasche, Tragehilfe, Schnuller – was auch immer mir gerade als Problemlöser erschien. Nur löste sich das Problem nie langfristig. Es kehrte keine Ruhe ein, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Meine Eltern bemerkten natürlich, dass ich die Situation nicht so richtig unter Kontrolle hatte. Als mein Vater dann diesen Satz zu mir sagte: „Du setzt dich jetzt hin und isst!“, erinnerte er mich damit daran, dass ich mich nicht selbst vergessen darf. Keinem Kind ist mit einer Gespenst-Mutter geholfen. Ich setzte mich hin und aß. Sammelte Kraft. Ließ mir versichern, dass das Kind jetzt so oder so geschrien hätte. Danach ging es mir besser, und ich konnte die Situation besser bewältigen. Von daher kann ich diesen Rat weiterempfehlen: Wenn ihr alles, was euch nötig erscheint, probiert habt, setzt euch erst einmal hin und esst.

4. „WENN DU KINDER HAST, BRAUCHST DU JESUS JEDEN TAG.“

Kurz nach der Geburt unserer Tochter besuchte uns eine Freundin mit ihrem Mann. Als wir uns über die Herausforderungen unterhielten, die das Elternsein mit sich bringt, sagte sie sehr liebevoll zu mir: „Wenn du Kinder hast, brauchst du Jesus jeden Tag.“ An diesen Satz denke ich heute, fünf Jahre später, noch oft. Wie recht sie doch hatte! Allein schon die Geburt kann das Erlebnis eines Kontrollverlustes sein. Danach kommen die bereits erwähnten Entwicklungsphasen der Kinder, die alle etwas Schönes mit sich bringen, aber oft auch viel von uns fordern. Wir versuchen, Kinder, Arbeit, Freunde, Gemeinde und Freizeit irgendwie zu einem sinnvollen Konstrukt zu vereinen. Es gelingt uns aber nicht immer. Entscheidungen für und gegen Aktivitäten müssen gefällt werden. Wir müssen manchmal durchhalten, weitermachen, uns anstrengen, auch wenn die Kräfte schwinden. Denn wir sind jetzt immer Eltern, vierundzwanzig Stunden am Tag. Alleinerziehende tragen sogar die doppelte Last. Es gibt viele Wege, Jesus in diese Situationen der Herausforderungen und Entscheidungen hineinzuholen. Ich habe zum Beispiel in der Säuglingszeit unserer Kinder oft Lobpreislieder gehört. Dadurch konnte ich von mir und meinen Sorgen weg- und zu Jesus hinsehen. Hilfreich kann auch ein Gebet sein, bei dem man den ganzen Frust rauslässt und Gott um Kraft bittet. Oder gute Freunde, die einen daran erinnern, dass man nicht allein ist. Mir hilft oft schon die Gewissheit, dass Gott unsere Familie in seiner Hand hat, egal, was passiert. Wie Jesus schon sagte: „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben.“ (Matthäus 11, 28).

Corinna Lang ist Übersetzerin und wohnt mit ihrem Mann Tobias, ihren zwei Kindern Fiona (6) und Florian (2) und Hund Bessy in Siegen.

Schwimmen lernen

„Ich überlege, ob ich meine Tochter (3) zu einem Schwimmkurs anmelden soll. Meine Freundin meint, es sei wichtig, früh damit anzufangen. Aber ist es nicht noch zu früh?“

Grundsätzlich sind die koordinativen Fähigkeiten fürs Schwimmenlernen etwa ab dem vierten oder fünften Lebensjahr vorhanden. Als Anzeichen nimmt man den Zeitpunkt, wenn das Kind ohne Stützräder mit dem Fahrrad fahren kann. Daher ist Ihre Tochter mit drei Jahren – wie Sie richtig vermuten – wahrscheinlich zu jung, um die Techniken perfekt zu lernen. Ihre Freundin hat allerdings recht: Auch jüngere Kinder sollten ans Wasser gewöhnt werden.

ÜBERLEBENSNOTWENDIG
In speziellen Wassergewöhnungskursen stehen nicht die Schwimmtechniken, sondern der Spaß und das Gefühl für das Element Wasser im Vordergrund. Diese Kurse gibt es bereits für sehr junge Kinder. Mit lustigen Spielen und Hilfsmitteln wie Reifen, Brettern und Schwimmnudeln werden die Kinder fürs Wasser begeistert und verlieren die Furcht davor. Im Anschluss daran kann ein Schwimmkurs besucht werden. Natürlich können Eltern ihren Kindern das Schwimmen auch selbst beibringen, vielen Kindern macht es in der Gruppe allerdings mehr Spaß. Wichtig ist: Schwimmen lernen ist überlebensnotwendig! Bereits eine geringe Wassertiefe kann zur tödlichen Gefahr werden. Das Tückische dabei: Kinder ertrinken leise, das heißt, sie gehen einfach unter, ohne wild um sich zu schlagen. Grund dafür ist die Verteilung ihres Körpergewichtes. Kinder können ihren im Verhältnis zu ihrer Körpergröße schweren Kopf nicht selbst aus dem Wasser ziehen. Daher ist es empfehlenswert, Kinder bereits im Vorschulalter zu einem Schwimmkurs anzumelden. Angebote gibt es beinahe in jedem Schwimmbad.

DER RICHTIGE KURS
Worauf sollten Sie bei der Auswahl der Schwimmkurse achten? Bei Kindern im Alter Ihrer Tochter sollte es erlaubt sein, dass Eltern anwesend sind. Schwimmen lernen hat viel mit Vertrauen zu tun, daher sollte sich Ihre Tochter sicher und geborgen fühlen. Auch die Chemie zwischen Kind und Schwimmlehrer muss passen. Freiwilligkeit und Spaß dürfen im Vordergrund stehen, keinesfalls Drill und Zwang! Jedes Kind braucht unterschiedlich lange, um sich mit dem Wasser vertraut zu machen. Eltern sollten von der Kompetenz und der Unterrichtsmethode des Schwimmlehrers überzeugt sein. Kinder merken es sofort, wenn Mama oder Papa unsicher sind. Haben Sie sich nach der Schnupperstunde für einen Kurs entschieden, halten Sie sich bitte im Hintergrund. Nicht vergessen: Beaufsichtigen Sie auch nach erfolgreich absolviertem Schwimmunterricht Ihre Tochter, wenn Wasser in der Nähe ist. Kinder können bis ins Schulalter die Gefahren rund ums Wasser nicht selbst einschätzen! Außerdem ist Schwimmen ein richtiger Familiensport. Gehen Sie mit Ihrer Tochter auch neben dem Schwimmkurs gemeinsam ins Bad: Schwimmbäder gibt es fast überall, die Ausrüstung ist günstig, und das Schwimmen ist gelenkschonend und relativ verletzungsarm.

Viel Spaß im kühlen Nass!

Roswitha Wurm arbeitet als Lerntrainerin und freie Redakteurin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien.

Das brauchen Kleinkinder unbedingt!

In der Family-Redaktion bekommen wir täglich Presseinfos über Produkte, die Eltern unbedingt für ihre Kinder kaufen sollten. Gern wird dabei mit Begriffen wie „Bildung“ oder „Förderung“ geworben. Aber immer öfter muss ich den Kopf schütteln. Vor allem in Bezug auf das, was Babys oder Kleinkinder angeblich brauchen.

Erst gestern bekam ich eine Info über neue Puzzles, die schon für Zweijährige geeignet sind: Sie bestehen aus zwei (!) Teilen. Häh? Was macht das bitteschön für einen Sinn?

Ähnlich geht es mir mit den diversen Baby-Apps, die mir immer wieder angepriesen werden. Da fühle ich mich dann oft ganz altmodisch, wenn ich den netten Pressevertretern sage, dass wir die lieber nicht vorstellen.

Dabei ist es doch ganz einfach, was Kleinkinder unbedingt brauchen – neben der Liebe und Zuwendung ihrer Eltern natürlich: einen Topf und einen Kochlöffel, diverse Plastikdosen, was zum Rasseln und zum Knistern, einen Ball, ein paar Bauklötze und einige schöne Pappbilderbücher. Die kann Kind nämlich nicht nur anschauen, sondern auch genüsslich darauf herumkauen. Mit Mamas Handy geht das nicht so gut …

Ja, ich weiß: Man möchte Babys und Kleinkindern gern was schenken. Und auch die Omas fragen ja ständig. Aber statt in relativ sinnlose Produkte könnte man das Geld lieber in ein Konto fürs Kind investieren. Und später drauf zugreifen, wenn nicht ganz billige Anschaffungen anstehen: ein Fahrrad, ein Schreibtisch, ein Tornister, eine Playstation … Oder man bezahlt dem Kind davon ein tolles Feriencamp. Oder die Reitstunden. Oder den Musikunterricht. Oder ein Haustier.

Und bis dahin lasst eure Kinder mit dem spielen, was der Haushalt hergibt. Die internationale Karriere werdet ihr eurem Kind damit sicher nicht verbauen!

Bettina Wendland

Family-Redakteurin