Es ist nicht alles schlecht: So kommt ein Vater während Corona seinem Sohn näher

Die Coronakrise ist für alle ein Belastungstest. Aber es gibt auch schöne Momente. Beispielsweise, wenn Papa und Sohn Radfahren gehen und Hinkelsteine suchen.

Gerade haben wir gefrühstückt. Eigentlich gibt’s nur samstags Schokoaufstrich. Doch in der Krise gibt’s Nudossi auch mal am Dienstag. Jetzt brüten wir nebeneinander an zwei Schreibtischen. Er an Mathe, ich am Editorial. Joshua strahlt mich von der Seite an: „Papa, du bist ein toller Redakteur!“ Begeistert schiebt er nach: „Könnte ich nicht mal dein Nachfolger werden? Den gaaanzen Tag am PC sein …!“ Kaum im Homeoffice, wird direkt aus dem Homeschooling an meinem Stuhl gesägt!

„Das Corona-Virus spinnt!“, entfährt es meinem Sohn in diesen Tagen öfter. Ja, es geht drunter und drüber. Für manche wird es eng, viel, unübersichtlich, tränenreich, kompliziert, anstrengend. Es muss improvisiert, ausprobiert, gesucht, geredet, vertraut und gewagt werden. Das Virus ist Mist, aber es ist auch Dünger. Für Neues. Für Unentdecktes. Für Vergessenes. Für Solidarität. Für Gemeinschaft. Für Nächstenliebe. Für ungemachte Hausaufgaben. Für Achtsamkeit.

Shutdown Woche 1

In einer Gemeinschaftsaktion befreien wir eine etwas unwirtliche, von Efeu überwucherte Ecke im Garten und graben einen 100 Liter-Wasserbehälter ein. Beim Wandern finden wir in einer fast ausgetrockneten Pfütze Laich. Zahllose Kaulquappen belohnen uns die Lebensrettung und werden zu begeistert gefeierten Haustieren.

Shutdown Woche 2

Über Papas Asterix-Sammlung stößt der Sohn auf Hinkelsteine. Die Meißelversuche im Garten mit einem Nagel schlagen fehl. Papa googelt „Fossilien sammeln“. Er stößt auf Lindlar im Bergischen Land. Im Baumarkt werden für 9 Euro zwei Meißel erstanden. Drei Tage später sind wir als Familie auf dem 6,2 km langen Steinhauerpfad unterwegs. Wunderbare Natur! Bewegung! Frischluft! Allein! Da und dort stemmen wir die alten Grauwacken auf und finden wundervolle Fossilien.

Shutdown Woche 3

Karfreitag. Der Gottesdienst flimmert per Livestream in unser Wohnzimmer. Vor uns stehen Brot und Traubensaft. Der Pastor spricht die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Wir reichen uns gegenseitig in der Familie die Gaben weiter. Es ist für die Kids das erste Mal. Mit großer Ernsthaftigkeit sind sie dabei. Als Letzter bekommt der Neunjährige den Kelch. Er nimmt einen Schluck, strahlt in die Runde, setzt ab und bilanziert auf den Geschmack gekommen: „Ok, dann trinke ich den Rest!“

Woche 12

Zum Homeoffice und Homeschooling gesellte sich die Homeclinic. Meniskus-OP. Zwei Wochen nach dem Eingriff wage ich einen kleinen Belastungstest. Gemeinsam geht es mit dem 9-jährigen für 20 Kilometer über ehemaliges Zechengelände. Langsam und vorsichtig strample ich schmerzfrei eine Rampe nach oben. Oben steht schon der Sohnemann. Er strahlt mich an: „Papi, wenn du heute nicht mehr kannst, schiebe ich dich!“

In Corona-Zeiten wird nicht nur geweint, sondern auch gelacht, gespielt und „gezoomt“.

Fasziniert von Büchern

7 Ideen, wie man Kindern die Freude am Lesen vermitteln kann

1. VORLESEN

Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, fällt das Lesenlernen leichter. Außerdem kann man mit dem Vorlesen schon früh Rituale schaffen, die auch später, wenn das Kind selbst lesen kann, weitergeführt werden können. Und: Auch wenn Kinder schon selbst lesen können, lieben sie es trotzdem noch, wenn Mama oder Papa ihnen vorliest.

2. GEMEINSAM LESEN

Gerade für Leseanfänger sind spezielle Bücher toll, in denen das Kind den hervorgehobenen Text liest und Mama oder Papa den Rest, wie beispielsweise bei der Reihe „Lies mit mir!“ (SCM Verlag). Später kann man sich dann abwechseln: Eine Seite liest Mama oder Papa, eine Seite das Kind. Ein guter „Trick“ ist es auch, wenn der Vorleser an einer besonders spannenden Stelle aufhört – dann ist das Kind besonders motiviert, selbst weiterzulesen.

3. RITUALE SCHAFFEN

Kinder lieben Rituale. Der Klassiker ist sicher die Gute-Nacht-Geschichte. Aber wie wäre es mit 20 Minuten lesen nach dem Mittagessen? Schön ist es, wenn es zum Lesen einen besonderen Ort gibt – vielleicht einen Sitzsack oder Opas Ohrensessel. Wichtig ist es, dass Lesen nicht unter Druck geschieht, sondern mit einer schönen, gemütlichen Atmosphäre verbunden ist.

4. BÜCHER ENTDECKEN

Entscheidend für die Motivation zum Lesen ist das richtige Buch. Hier muss man vielleicht ein bisschen ausprobieren. Mag das Kind lieber kurze Geschichten? Oder doch längere Erzählungen oder vielleicht Sachbücher? Welche Themen begeistern das Kind: Tiere, Maschinen, Entdecker, Fußball … Zu (fast) allem findet man das passende Buch. Für Kinder mit Lern- und Leseschwierigkeiten gibt es Bücher in einfacher Sprache, zum Beispiel die Reihe „Die Tigerbande“ (Neufeld Verlag) oder „leichter lesen“ (Ravensburger).

5. BÜCHEREI ERFORSCHEN

In Büchereien können Kinder nach Belieben stöbern und in Bücher reinlesen. Vielleicht entdecken sie ein Thema oder eine bestimmte Art von Buch, die sie bisher nicht kannten? Viele Büchereien bieten auch Vorlesestunden oder andere Aktionen an, die die Lust am Lesen wecken.

6. MIT BÜCHERN SPIELEN

Bücher sind nicht nur zum Lesen da. Warum nicht mal eine eigene Bücherei im Kinderzimmer aufmachen? Oder ausprobieren, wer den höheren Bücherstapel baut? Vielleicht können Bücher auch in die Lego- oder Schleichtierwelt integriert werden …

7. COMICS UND ZEITSCHRIFTEN WERTSCHÄTZEN

Nicht nur Bücher sind wertvoller Lesestoff. Gerade Kinder, denen das Lesen schwer fällt, finden vielleicht leichter Zugang zu Comics oder Zeitschriften, wie zum Beispiel FamilyFIPS oder KLÄX. Da die Texte fast „nebenbei“ gelesen werden, ist die Hürde niedriger. So können Kinder gut ans Lesen herangeführt werden.

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Bochum.

Von der Bühne in die Quarantäne: „Mein Sohn versteht die Welt nicht mehr“

Statt eines Vortrags vor 7.000 Menschen warteten auf Patrick Knittelfelder 14 Tage Quarantäne. Mit seiner Frau konnte er sich nur durch die geschlossene Tür hindurch unterhalten.

Ein tolles Leben. Fast wie ein Vorzeigeleben. Nach außen kann es sich auf jeden Fall sehen lassen, siehe mein Profil bei Instagram: Hocherfolgreicher Volksschulschwänzer, schwerer Legastheniker, Firmengründer, Leiter der HOME Mission Base, Hotels, Immobilien & Restaurants, Autor. Vielleicht sollte man noch glücklicher Ehemann, beschenkter Vater und Vortragsredner dazu schreiben. Wobei man den Redner besser weglässt, denn damit ging das Drama los.

Einer baute eine Arche

Seit Wochen denke ich an eine Geschichte aus der Bibel. Da heißt es, die Leute aßen und tranken, gingen ihren Geschäften nach. Sie heirateten, zeugten Kinder. Auf heute übertragen: Sie pflegten ihre Insta- und Facebook-Profile, vertrauten auf eine wachsende Wirtschaft, freuten sich auf Champagner und die nächsten Festspiele. Nur einer baute – mitten in den Bergen – eine Arche. Und dann kam der Regen. Oder fast noch blöder: Es kam ein winzig kleines, nanometerkleines bescheuertes Virus. Und vieles was ich hatte, was meine Identität, meine Unternehmerpersönlichkeit ausmachte, ist nicht mehr, hängt am seidenen Faden oder ist von Staatshilfe abhängig.

130 Mitarbeiter in Kurzarbeit, 20 entlassen

Einer hat eine Arche gebaut. Doch das war nicht ich. Einer war vorbereitet und mich hat es von hinten erwischt. Noch vor knapp zwei Monaten zwei Hände voll florierende Firmen mit 150 Mitarbeitern. Jetzt 130 von ihnen in Kurzarbeit und 20 entlassen. Und seit sechs Wochen nur Ausgaben und so gut wie keinen Cent Umsatz.

Und trotzdem lebe ich. Bin immer öfter wieder gut drauf und fest davon überzeugt, dass es ein höheres Wesen gibt, das es nicht nur gut, sondern sogar sehr gut mit mir und uns allen meint. Dass es einen Gott gibt, der einen Plan hat. Und in dem Plan darf auch so etwas Blödes wie Corona vorkommen. Und nein, es ist keine Strafe Gottes. Genauso wenig wie damals AIDS, genauso wenig wie der große Tsunami eine Strafe war. Auch kein Erdbeben und kein Hochwasser. Auch nicht Tschernobyl. Und doch bin ich mir sicher: Gott will mir, Patrick, und uns allen ganz klar etwas sagen. Aber was?

Leben am Limit

Vor acht Wochen war die Welt noch schön und gut. Das heißt in meinem Fall: Ich habe ein Leben am Limit geführt. Auf mich selbst und meine Familie bezogen. Viel zu lange schon. Auf der einen Seite die Firmen mit all den täglichen Herausforderungen, die zehn Hotel und Restaurants mit sich bringen. Dazu noch einige Immobilien. Nicht die kleinsten an Größe und Sorgen. Auf der anderen Seite die Leitung eines der spannendsten kirchlichen Aufbruchprojekte. Jüngerschaftsschule (ein Ort, an dem man christliches Leben in Freiheit und Schönheit von Grund auf lernt), Medienhaus, Gebetshaus, eine Suppenküche für Menschen am Rande der Gesellschaft, ein wunderschöner Buchladen mit Café mitten in der Altstadt von Salzburg, Studios und einiges mehr. Eine wunderbare Familie und sogar noch ein paar Freunde. Und immer das Gefühl, überall ein bisschen zu wenig zu geben.

Riesiger Kongress

Dann noch diese große Konferenz in Deutschland. Über 7000 Menschen in einer Halle. Die mit Abstand allergrößte Halle, in der ich jemals sprechen würde. Ich reiste mit 20 meiner Mitarbeiter an. Im Hinterkopf den fixen Plan, mir gleich danach ein, zwei Wellnesstage in einem tollen Spa zu nehmen. Ganz alleine. Sehr ersehnt. Quasi eine Belohnung für den Kongress. Für die letzte stressige Zeit. Für das Viel-zu-viel der letzten Tage. Ach was, gleich für die letzten Jahre …

Konferenz abgebrochen

Dann ist es so weit: Ich stehe in der riesigen Halle, meinen Vortrag scharf und spitz vorbereitet. Soundcheck hinter mir. Dopamin, Testosteron und was weiß ich noch alles mit höchster Ausschüttung. Doch dann wie aus dem Nichts: Alle Sprecher sofort in einen Raum wegen Corona-Gefahr. Notfallplan. Halle geleert, Kongress beendet, alles zu. Rückreise isoliert, von Polizei und Gesundheitsamt zu Hause erwartet. Der Absonderungsbescheid nach dem Seuchengesetz noch in der Nacht zugestellt, 14 Tage Quarantäne. Alles ist sehr aufregend, die Polizei vor der Haustür. Ja, so war das damals. Vor ein paar Wochen. Da konnte man sich das noch leisten. Der erste Verdachtsfall in Salzburg.

14 Quadratmeter für 14 Tage

Meine Frau Dagmar richtet das Gästezimmer her. Wir begrüßen uns nur aus der Ferne. Mein Sohn Moritz, vier Jahre alt, versteht die Welt nicht mehr. Der Papi ist da und doch nicht da. Ja, genau. Da und doch nicht da. Was bin ich eigentlich? Da oder eigentlich weit weg von mir? Die ersten Tage und Nächte sind nicht gut. Gar nicht gut. Sehr viel besser sollte es auch nicht werden. Da sitze ich auf 14 Quadratmetern für 14 Tage. Vier Schritte in die eine Richtung, fünf in die andere. Die Polizei winkt mehrmals täglich vor dem Fenster. Ich sitze brav in meinem Zimmer. Meine Familie kümmert sich um mich, so gut es geht. Adrenalin und Dopamin sind immer noch da. Auf der Bühne konnten sie nicht heraus. In meinem Zimmerchen auch nicht. Und langsam keimt der Verdacht: Da kommt ein dickes Ende.

Gute Ratschläge überall

So viele schreiben mir, Freunde, Partner, Unbekannte. Jeder Zweite freut sich für mich: So schön, jetzt hast du so viel Zeit für fromme Gebete und Ruhe und, und, und … Am liebsten würde ich den Nächsten, der mir so einen Tipp gibt, eigenhändig erschlagen! Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so leere, zähe Zeit in meinem Leben gehabt zu haben.

Meine Büroarbeit geht weiter, so wie das Leben draußen weitergeht. Damals zumindest noch. Damit ist sie endlich da, die Ablenkung, die vieles leichter macht. Videocalls, E-Mails, Briefings, fast jeden Tag Interviews. Ja, noch vor ein paar Wochen war ein Verdachtsfall eine spannende Geschichte für die Medien. Bald ist das Adrenalin verdunstet, die Interviews sind alltäglich, die Polizei ist zu nett und die Arbeit Routine.

Ruhe – und doch nicht ganz

Moment mal – war da nicht meine große Sehnsucht nach Erholung? Nach Wellness und Spa, nach Rastmachen, Buch und Zeitung lesen, Ausschlafen … Das habe ich doch nun alles! Eigentlich. Da spreche ich so gerne davon, dass man nicht das Opfer seiner Umstände ist. Dass man sich überall zurechtfinden kann. Wie wichtig ein strukturierter Tag ist. Wie man seine Zeit nutzen kann. Da wird mir klar, wie weit ich eigentlich von dem entfernt bin, was ich predige. Stattdessen gerate ich ins Wanken und in tiefe Traurigkeit.

Tiefe Gespräche

Jeden Abend sitze ich in meinem Zimmer. Meine Frau sitzt auf dem Gang. Wir sprechen. Ganz anders als sonst. Es sind Gespräche auf Distanz und doch so nah. Vielleicht so nah wie schon lange nicht mehr. Das sind meine Anker. Jeden Tag. Die Zeiten, wo die Traurigkeit weicht. 14 Tage sind lang, länger, als ich gedacht hätte. Die Gespräche tun gut. Langsam ist das Ende in Sicht, die letzten Tage ziehen sich.

Lektion gelernt

Das Zimmer wird irgendwie kleiner. Ich auch. Meine Erwartungen an die Zukunft werden kleiner. Vielleicht gesünder. Ich freue mich über Bäume, die zu grünen beginnen. Das war nie mein Thema, jetzt aber doch. Und all die Leute die mir schreiben: Warum tun sie das? Mögen sie mich? Ich meine, mögen sie mich wirklich? So schlecht sind die Tipps auch wieder nicht. Vielleicht brauche ich einfach nur Zeit für mich. Habe ich genau das verlernt in den letzten Jahren? Familie, Firmen, Dienste, alles war wichtiger als ich selber. Ich habe die Lektion gelernt. In letzter Sekunde. Gerade noch.

Fünf Tage Freiheit

Der erste Tag in Freiheit. Die auflagenstärkste Zeitung hat ein Team geschickt, um mich auf den ersten Metern zu begleiten. Redakteur, Fotograf und Kameramann sind da. Sorry, bitte noch 15 Minuten warten! Wir haben gerade unser »Morning Prayer«, Gott, meine Mitbewohner und ich.

Fünf Tage in Freiheit, dann plötzlich der Lockdown in Österreich. In Salzburg noch einmal schärfer. Und der Lockdown sieht wirklich nach Lockdown aus: Alles ist zu, alles geschlossen. Fast alles steht still. Hektische Krisengespräche überall. Was sollen wir tun? Was wird geschehen? Unsere offizielle Kirche beauftragt uns, „Kirche in die Wohnzimmer“ zu bringen. Hektisch bauen wir aus den Studios aus, was wir glauben zu brauchen, richten neue Studios ein. Vier Stunden später riegeln wir uns ab. Selbstgewählte Quarantäne, um Fernsehen in Krisenzeiten machen zu können. Zwei Tage später ist unsere Quarantäne nicht mehr freiwillig. Massive Ausgangsbeschränkungen im ganzen Land. Jeden Tag müssen wir der Polizei erklären, dass wir keine Versammlung sind, sondern mit 47 Menschen abgeriegelt unter einem Dach leben, um Kirche in die Wohnzimmer zu bringen. Die Menschen essen und trinken, sie heiraten, zeugen Kinder, machen Geschäfte und ein paar bauen eine Arche. Diesmal bin ich mit dabei.

Jeden Tag streamen

Gefühle, Stimmungen, Kämpfe und Ringen. Fragen, warum das Ganze geschieht und wann es endlich vorbei ist. Es ist wieder dasselbe Programm wie in meiner Quarantäne. Aber diesmal es geht deutlich besser. Statt 14 sind es nun 3000 Quadratmeter. Statt allein sind wir 47 und ich habe meine Lektionen gelernt. Jeden Tag reifen wir, jeden Tag streamen wir, jeden Sonntag machen wir Fernsehen und Radio, manchmal streiten wir, meist versöhnen wir uns wieder und kämpfen gemeinsam weiter.

Berufliche Grundlage weggebrochen

Vieles wird sich ändern. Lineares Denken vor, in und nach der Krise wird nicht ausreichen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir unmittelbar vor einer großen Veränderung stehen. Meine berufliche Grundlage ist binnen weniger Tage weggebrochen. Salzburg lebt hauptsächlich von Gästen aus dem asiatischen Raum, den USA, Deutschland und Italien. Unser Geschäftsmodell braucht eine Richtungsänderung. Meine finanzielle Zukunft braucht eine Richtungsänderung. Die halbe Welt braucht eine Richtungsänderung!

Wir können das!

Das ist für mich gleichzeitig Sorge und Hoffnung. Wer und vor allem wie sollen wir diese Neuausrichtung und Umgewichtung, diesen Paradigmenwechsel vollziehen? Von wo kommen neue Ideen, neue Projekte, neue Wertschöpfung? Die Antwort lautet: Von dir und von mir! Wir brauchen ein Klima, eine Umgebung, in der wir beginnen, etwas zu riskieren, unsere Zukunft in die Hand nehmen und die Komfortzone verlassen.

Patrick Knittelfelder leitet ein Unternehmen mit rund 150 Mitarbeitern in Salzburg und Graz in den Bereichen Hotellerie, Gastronomie und Immobilien und ist Geschäftsführer der »HOME Mission Base Salzburg«, wo er mit seiner Familie und 40 jungen Erwachsenen lebt.

Der Artikel erschien zuerst im Buch „Hoffnung – Zuversicht in Zeiten von Corona“ bei SCM Hänssler.

„Ohne den Glauben könnte die Ehe für uns nicht funktionieren“

„Frag den Pastor“ heißt der YouTube-Kanal, auf dem Gunnar Engel aus seinem Alltag als Dorfpastor einer kleinen Gemeinde an der Grenze zu Dänemark erzählt. Seine Frau postet auf Instagram („Segensbringer“) gestaltete Bibelverse und verkauft mittlerweile auch ihre Werke. Kennengelernt haben sich die beiden ganz standesgemäß über Facebook. Christof Klenk hat sich mit ihnen via Skype unterhalten.

Ihr habt vor einigen Monaten Nachwuchs bekommen. Wie hat sich denn euer Leben dadurch verändert?
Gunnar:
Man hat sich so viele Gedanken gemacht, so viele Gespräche mit Freunden geführt, aber wenn es dann soweit ist, dann ist alles ganz anders. Es ist wie ein riesiges Abenteuer und ein Riesengeschenk.
Anni: Es hat meine ganze Welt einmal grundlegend erschüttert. Es musste sich alles erst einmal neu sortieren. Man wird auf einmal ins kalte Wasser geschmissen und fängt an zu schwimmen.

Und musstet ihr euch als Paar neu finden?
Gunnar:
Da tauchen auf einmal eine Menge Fragen auf, die wir uns vorher nie gestellt haben. Wenn einer von uns abends weggehen will, ist jetzt mehr Absprache notwendig. Da müssen wir uns neu zusammenfinden.
Anni: Ich würde sagen, dass wir dadurch noch mehr zusammenwachsen. In der Wochenbettsituation war ich total auf Gunnar angewiesen. Mir ist sehr bewusst geworden, dass wir einander brauchen, um dieser Aufgabe gerecht werden zu können. Dazu kommt, dass man sich auch in der neuen Rolle als Papa und Mama sortieren muss. Diese Rollen kommen ja einfach mit dazu. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich eben nicht nur als Mama und Papa sieht, sondern dass man sich auch immer wieder als Paar wahrnimmt. Ich glaube, man muss sich die Zeit als Paar echt einfordern, sonst bleibt das schnell mal auf der Strecke.

Ihr habt euch über Facebook kennengelernt und dann neun Monate später schon geheiratet. Wie konntet ihr so schnell wissen, dass das passt?
Gunnar: Ich war auf Facebook nicht aktiv auf der Suche nach einer möglichen Ehefrau. Wir haben uns zufällig in einer christlichen Facebook-Gruppe kennengelernt. Die ersten vier Wochen haben wir uns nur geschrieben. Als ich Anni das erste Mal in echt gesehen habe, hatte ich das Gefühl, ich kenne sie schon. Wir hatten uns schon ganz viel unterhalten, vor allem über viele Glaubensdinge. Da hatte ich schon den Eindruck: Auf der Ebene würde es auf jeden Fall passen. Meine Beziehung zu Gott ist das Grundlegende in meinem Leben. Wenn ich einen Partner habe, der sagt: „Das ist bei mir genauso!“, dann ist schon mal eine gute Basis da. Der Rest findet sich dann irgendwie.
Anni: Bei mir war das ziemlich anders. In der Zeit, bevor wir uns kennengelernt haben, war ich ganz bewusst Single. Ich habe sehr viel gebetet und auch sehr viel darüber nachgedacht, was mir an meinem zukünftigen Partner wichtig ist. Da kam eine ganze Latte von Punkten zusammen. Freunde und Familie haben schon zu mir gesagt, dass diese Liste ziemlich unrealistisch sei. Und dann kam Gunnar und tatsächlich: Alle Dinge, die mir grundsätzlich wichtig waren, hat er total erfüllt. Ich war selber erstaunt. Dann kam aber auch im Gebet eine ganz übernatürliche Sicherheit und ein Frieden, den ich vorher nicht kannte. Da wusste ich: Das ist es jetzt.

Der Schritt vom virtuellen Kennenlernen ins wirkliche Leben fällt manchen gar nicht so leicht.
Gunnar:
Ich war zuerst am Treffpunkt, stand da vor der Tür des Cafés und habe auf sie gewartet. Ich war ganz schön nervös, aber als sie mir dann entgegenkam, hatte sie gleich so eine fröhliche, freundliche Ausstrahlung, dass ich dachte: Das wird gut.
Anni: Ich glaube, das kann sehr unterschiedlich laufen. Ich bin nicht mit der Erwartung hingegangen, dass da gleich die Funken sprühen. Wir hatten zwar viel über theologische Fragen diskutiert, aber ich habe mir gedacht, die Chance, dass auch die ganze Chemie stimmt, um sich zu verlieben, ist eher gering. Aber dann war es tatsächlich mit dem ersten Treffen um mich geschehen.

Was hat euch aneinander überrascht?
Anni:
Da gab es nicht die große Enthüllung. Es sind eher kleine Überraschungen im Alltag, dass man neue Facetten vom anderen kennenlernt.
Gunnar: Als wir Eltern geworden sind, war ich richtig geflasht, mit welcher Sicherheit und Stärke Anni das alles angegangen ist. Also von: Wir fahren ins Krankenhaus, es geht los. Bis: Wir nehmen den Kleinen jetzt mit nach Hause und das kriegen wir hin.

Ihr habt zusammen ein YouTube-Video zu Ehefragen gemacht. Ihr kommt als Paar offensichtlich sehr gut rüber. Die Kommentare darunter sind überwältigend positiv. Alle finden euch total sympathisch, obwohl eure Ansichten gar nicht so Mainstream sind. Ihr sagt zum Beispiel, dass ihr es nicht für schlau haltet, wenn Christen Nichtchristen heiraten.
Gunnar:
Also mich wundert das nicht nur bei dem Video, sondern auch bei den anderen, die ich gemacht habe. Es ist ja schon eine starke Position, die ich vertrete.
Anni: Ich habe auch mit viel mehr Gegenwind gerechnet. Das Internet kann grausam sein, aber ich denke, dass Authentizität ganz entscheidend ist. Wir zwingen ja niemandem etwas auf. Wir vertreten Standpunkte, von denen wir von tiefstem Herzen überzeugt sind. Wir erzählen von dem, was für unsere Ehe wichtig ist, um sie glücklich zu führen. Für uns ist der Glaube sehr zentral. Ohne den Glauben könnte die Ehe für uns nicht funktionieren.

Ihr sagt in dem Video auch, dass das Gebet ein großer Faktor ist, wenn ihr Streit habt. Inwiefern ist das so?
Gunnar:
Wenn ich mich über etwas aufrege, ist das oft der Standardspruch von Anni: „Komm, geh jetzt was essen und dann gehst du beten.“ Da muss es gar nicht mal um Streit zwischen uns beiden gehen. Sich mit dem zu unterhalten, der es in der Hand hat, ist tatsächlich der erste Schritt. Dabei kann ich über mich selbst reflektieren und darüber, was mein Anteil an dem Streit ist. Wenn wir beide Streit haben, dann liegt es in den allerseltensten Fällen nur an einer Seite, meistens sind wir beide beteiligt. Da ist es nicht verkehrt, jemand anderes hinzuzuholen.
Anni: Das Gebet verändert die Perspektive. Es zwingt uns, eine Haltung der Demut einzunehmen und den eigenen Balken zu identifizieren. Das Gebet verbindet unglaublich. Gott ist der, der uns beide verbindet. Das ist auch der Rahmen, wo Vergebung geschehen kann. Im Streit zu beten, kostet immer viel Überwindung und trotzdem ist es sehr heilbar.

Könnt ihr miteinander beten, wenn ihr miteinander im Clinch seid?
Anni:
Ja, man muss sich wirklich überwinden, aber wenn das dann geschehen ist …
Gunnar:
Oft beten wir erst alleine … Das Ding ist ja auch: Ich kann schwer auf jemanden böse sein, für den ich bete.

Wie habt ihr für euch entdeckt, dass ihr für YouTube und Co. geeignet seid?
Gunnar:
YouTube ist das, was ich eher mache. Anni ist im künstlerischen Bereich unterwegs. Das finde ich viel krasser. Ich habe schon immer viel fotografiert und konnte mich für Bild und Technik begeistern. Wir sind gerade im größten kommunikativen Umschwung seit 500 Jahren, seit Luther und dem Buchdruck. Als ich Pastor wurde, habe ich überlegt: Wie könnte ich das nutzen? Ich bin ja Dorfpastor kurz vor Dänemark. Wie kann ich Leute mit der besten Botschaft der Welt erreichen? Und da habe ich Möglichkeiten, die es vor 20 Jahren noch nicht so gegeben hat.
Anni:
Ich habe schon immer gemalt und war künstlerisch aktiv, aber dann hatte mir Gunnar zum Geburtstag eine Art-Journaling-Bibel geschenkt, also eine Bibel mit viel Platz zum Gestalten. Da kam ich auf die Idee, beides zu verbinden: das Wort Gottes und die Kunst, beziehungsweise die Kalligraphie. Als Gunnar meine Werke gesehen hat, meinte er: „Das ist schade, wenn die in der Schublade verstauben, lad deine Sachen doch einfach mal bei Instagram hoch.“ Ich habe das ausprobiert und gemerkt, auf wie viel positive Rückmeldung die Sachen stoßen. Ich merke, dass ich Menschen damit ermutige, selbst mit der Bibel künstlerisch aktiv zu werden. Daraus ist mit „Segensbringer“ ein eigener Shop entstanden. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass ich Bibelverse „lettere“.
Gunnar:
Wir ermutigen uns da gegenseitig. Als ich die Idee mit den Videos hatte, bin ich erst mal drei Monate schwanger damit gegangen. Mit meinen ersten Videos war ich nicht glücklich. Irgendwie hat das nicht gepasst. Bis Anni mir sagte: „Das nächste, das du drehst, das veröffentlichst du auch.“ Anni sieht mehr in mir als ich in mir selbst, und manchmal auch andersherum.
Anni:
Wir haben einfach mal losgelegt und gemerkt, dass Menschen das interessiert. Das gibt einem enormen Rückenwind. Ich glaube auch, dass Gott uns nutzen möchte.

Wen erreicht ihr mit euren Internetgeschichten? Geht das über die christliche Blase hinaus?
Anni:
Ich würde sagen, man erreicht echt viele Menschen, die enttäuscht von Gott sind, sich aber weiterhin auf die Suche machen. Beim „Segensbringer-Kanal“ erreiche ich sicherlich vor allem Christen.
Gunnar: Ich glaube, das hängt stark von den Inhalten ab. Wenn ich ein Video zum Markieren von Bibelversen mache, dann ist das schon eher eins für die christliche Blase. Aber ich mache auch Geschichten aus meinem Gemeindealltag. Da schreiben mir Leute dann: „Finde ich voll toll, was du da machst. So habe ich Kirche noch nie gesehen!“ Bei manchen entsteht da ein neues Interesse an der Kirche.

Kommen Leute sonntags bei dir in den Gottesdienst, die dich über deinen YouTube-Kanal kennen?
Gunnar:
Ja, das passiert. Es ist eigentlich in jedem Gottesdienst so, dass Menschen vorbeischauen, der eine oder andere bleibt dann hängen.

Wann wird es denn ein neues Video zu Ehefragen geben?
Gunnar:
Das wollen wir bald angehen, aber man merkt das auch bei diesem Gespräch, dass es da noch jemand gibt, der Aufmerksamkeit braucht. Wenn wir zwei vor der Kamera sitzen, müssen wir schauen, wie das geht. Sonst laden wir meine Mutter ein, dass sie ihn dann eine Runde mit dem Kinderwagen fährt und wir drehen Ehe Video Teil 2. Wir wollen das machen, weil das ein superwichtiges Thema ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kindern eine Sprache geben

Viele Eltern wünschten sich, ihr Baby oder Kleinkind besser verstehen zu können. Mit Zeichensprache kann das gelingen. Wie funktioniert es und warum ist es sinnvoll? Eunike Mass erzählt.

Du bist Mutter von drei Kindern und hast jedem von ihnen die Babyzeichensprache beigebracht. Wie kam es dazu?
Ich habe von einer Freundin, die es praktiziert hat, davon erfahren und fand es faszinierend. Sie hat mir daraufhin ein Buch ausgeliehen. Als ich darin blätterte und die Bilder sah, auf denen die Rückantworten der Kinder zu sehen waren, war ich schnell Feuer und Flamme dafür und wollte es unbedingt ausprobieren.

Wie hast du dir die Sprache angeeignet?
Die Zeichen sind sehr logisch, deshalb ist es sehr einfach zu lernen. Ich habe schon während der ersten Schwangerschaft geübt, aber man kann es sich auch aneignen, wenn das Kind schon da ist. Im Prinzip geht es darum, dass man in dem Moment, in dem man spricht, ein Zeichen macht. So lernt das Kind, Wörter mit Zeichen zu verbinden. Meine Kinder haben es sehr schnell gelernt.

Was waren die ersten Zeichen deiner Kinder?
Bei meinen Kindern waren am Anfang „Licht“ oder auch „Vogel“ ganz typische Zeichen. Im Alltag traten dann schnell die Zeichen für „mehr“ und „bitte“ auf, also zum Beispiel: „Kann ich bitte noch mehr haben?“ Und dann im Anschluss „satt“, was das gleiche Zeichen wie für „fertig“ ist. Man kann es generell benutzen, wenn man mit einer Sache fertig ist. „Weg“ kam auch bald – eine Sache ist verschwunden.

Konntet ihr durch die Zeichensprache auch schon Gespräche miteinander führen?
Natürlich konnten wir uns nicht fließend miteinander unterhalten, aber eben kindliche Konversation über alltägliche Dinge führen. Über die Vögel im Garten oder das Essen, über das, was die Kinder wahrgenommen haben. Wir als Eltern hatten so schon früh die Möglichkeit, darauf einzugehen und nachzuhaken. Es war einfach schön zu sehen, wie stolz und glücklich die Kinder darüber wirkten, dass sie von uns verstanden wurden.

Wo siehst du Schwachstellen dieses Konzeptes?
Es gibt Zeichen, die zwei Bedeutungen haben oder sehr ähnlich sind. Da Babys und Kleinkinder mit der Motorik noch nicht so weit sind, kann es zu Verwechslungen kommen oder man muss manchmal raten. Aber normalerweise geht die Bedeutung aus dem Kontext hervor.

Manche Eltern befürchten, dass ihr Kind durch das Erlernen der Zeichensprache später sprechen lernen könnte. Welche Erfahrungen hast du gemacht?
Unsere Kinder haben mit etwa zehn Monaten die ersten Zeichen gemacht, die dann bei jedem mit spätestens eineinhalb Jahren immer mehr durch Wörter verdrängt wurden. Sie werden zudem zweisprachig erzogen, weshalb wir eigentlich erwartet hätten, dass sie später sprechen lernen würden. Haben sie aber nicht. Ich kann diese Befürchtung also nicht bestätigen und kenne auch keine Familie, die Zeichensprache anwenden, auf die das zutrifft. Aus der Sprachentwicklung weiß man, dass man schon früh mit Kindern über Alltägliches sprechen soll. Genau das tun wir mit der Zeichensprache. Mit den Zeichen geben wir ihnen ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie viel von sich preisgeben können, noch bevor sie sprechen können. Es ist wie eine Brücke zur Sprache.

Interview: Ruth Korte

Opfer nach Vergewaltigung: „Ich fühlte mich schuldig und dreckig“

Die Musikerin Déborah Rosenkranz wird von ihrer Jugendliebe vergewaltigt. Es vergehen Jahre, bis sie erkennt: Sie ist nicht Schuld daran.

Eine Geschichte meines Lebens habe ich bisher noch nie mit jemandem geteilt. Eine einzige Freundin und mein jüngster Bruder wussten darüber Bescheid. Als erwachsene Frau schmerzt es, wenn man darüber nachdenkt, was einem als noch junge Frau angetan wurde. Es gab da Tony, meine erste ganz große Liebe. Er war der Typ „bad guy“ und saß deswegen auch schon im Gefängnis. Ich war recht konservativ geprägt. Dazu war ich noch völlig schüchtern und voller Komplexe, denn ich steckte noch in einer Essstörung fest. Jedes Wort aus seinem Munde legte ich also auf die Goldwaage.

Alkohol und Drogen

Er selbst war auf keinem guten Weg, trank sehr viel Alkohol und nahm Drogen, was ich in meiner Naivität nicht einmal bemerkt hatte. Er baggerte neben mir auch andere Frauen an, und ich dachte auch noch: „Das verstehe ich, sie sind ja schöner als ich. Solange er bei mir bleibt, ist das okay.“ Was für eine ungesunde Denkweise! Teilweise hörte ich tagelang nichts von ihm, bis er mit dem süßesten „Es tut mir leid!“ wieder vor mir stand. Ich hatte keine Ahnung, wie drogenabhängig er wirklich war …

Beziehung scheitert

Da ich voller Komplexe war, was meinen eigenen Körper anging, war es mir ein Leichtes, ihn körperlich auf Distanz zu mir zu halten. Natürlich hatte ich die Worte meiner Oma im Hinterkopf und ich hatte meine Werte fest vor Augen. Doch so oder so wollte ich mich nicht berühren lassen, da ich mich trotz Untergewicht fett und hässlich fühlte. Ihm aber wurde das irgendwann zu blöd und die Beziehung scheiterte tatsächlich an diesem Punkt. Lange habe ich ihm nachgetrauert. Wie oft saß ich auf einer Bank vor dem Restaurant seiner Eltern, einfach nur, um ihn kurz mal aus der Ferne zu sehen.

K.-O.-Tropfen im Drink

Jahre später trafen wir uns dann wieder. Ich war gerade dabei, meine Essstörung in den Griff zu bekommen, hatte wieder zugenommen und war völlig überrascht, dass er mich dennoch zurückwollte. Was ich wieder einmal durch meine Naivität nicht rechtzeitig bemerkt hatte, war, dass er sich nur das holen wollte, was er damals nicht bekommen hatte. An einem schönen Abend lud er mich großzügig zum Essen ein, war super charmant und füllte mich bewusst ab. Ich trank damals äußerst selten mal einen Schluck Alkohol, doch an diesem Abend goss er immer wieder nach. Wahrscheinlich um sicher zu gehen, das sein Plan aufgehen würde. Erst im Nachhinein verstand ich, dass er mir K.-O. Tropfen in mein Getränk gemischt hatte, denn ich war sehr schnell völlig weg.

Blut auf dem Bettlaken

Da man damals noch nicht so über das Thema K.-O.-Tropfen Bescheid wusste, geschweige denn sprach, hatte auch ich keine Ahnung davon. So war ich völlig ausgeknockt. An diesem Abend holte er sich unter Drogeneinfluss das, was er zuvor nicht bekommen hatte. Ich weiß nur, dass ich irgendwann in seiner kleinen Wohnung auf einer einfachen Matratze, die auf dem Boden lag, wieder zu mir kam und er mit einer blutenden Nase ins Bad rannte. Damals wusste ich noch nicht einmal, dass man das vom Koksen bekommt. Und ich sah Blut auf dem Bettlaken … Die Beziehung war beendet. Er hatte bekommen, was er wollte. Ich hatte mit dem Feuer gespielt und mich schwer verbrannt. Das, was ich so sorgsam bewahrt hatte, war mir genommen worden. Und ich schämte mich so fürchterlich, dass ich nicht mehr nach Hause wollte.

Fühle mich zerbrochen und unwürdig

Ich ließ mich von meiner damaligen Freundin abholen und blieb erst einmal bei ihr. Die nächsten Tage und Nächte weinte ich nur. Ich war so unfassbar leer, hatte solche Schmerzen und war am Ende. Natürlich hatte ich auch Angst, schwanger zu sein! Kurz darauf war Ostern. Ich musste mich an Karfreitag in der Kirche blicken lassen, sonst hätten meine Eltern Fragen gestellt. Und ich wollte auch so sehr hin! Ich wollte in die Nähe Gottes, doch ich traute mich kaum noch. Ich fühlte mich so zerbrochen, so unwürdig. Ich kam mir vor wie der größte Heuchler und Sünder auf Erden … ich hatte alles zerstört!

Leben an die Wand gefahren

Ich saß in einer der letzten Reihen, als der Pastor von Jesus erzählte, der für unsere Schuld ans Kreuz gegangen ist. Doch es tat einfach nur noch mehr weh zu hören, wie viel Schmerz Jesus für mich auf sich genommen hatte. Umsonst. Denn ich hatte alles vermasselt! „Déborah, für dich gilt das nicht mehr! Du hast diesen Zugang für immer verloren! Siehst du nicht, wie dreckig du bist? Wie ekelhaft? Da kannst du noch so lange unter der Dusche stehen. Jeder kann es dir ansehen! Du hast dein Leben an die Wand gefahren!“

Lügen im Kopf

Wer Missbrauch erlebt hat, versteht sehr schnell, wovon ich rede. Irgendwas passiert in unseren Köpfen, dass wir sofort denken: „Ich bin selbst schuld daran! Wahrscheinlich habe ich es provoziert“ bis hin zu: „Sooooo schlimm war es gar nicht!“. Deswegen habe ich auch nie darüber gesprochen, weil ich jahrelang dachte: „Es war doch meine Schuld!“ Nein, war es eben nicht! Punkt. So etwas darf nicht passieren, niemandem von uns! Dein Körper, deine Seele, DU bist so wertvoll! Und wenn du so etwas erlebt hast, dann wird es höchste Zeit, die Lügen in deinem Kopf zu zerstören, die dir sagen: „Du hast es nicht anders verdient!“

Die Wahrheit lautet: „Du bist unschuldig!“

Es tut mir so, so leid, wenn du Missbrauch erleben musstest, denn es ist etwas, dass dich dein Leben lang aus der Bahn werfen kann! Doch das muss es nicht! Du kannst und wirst wieder frei lächeln und vertrauen können, wenn du auch diese Situation mit der Wahrheit durchleuchtest! Und die Wahrheit lautet: „Du bist unschuldig! Du darfst wieder gesund werden!“ Selbst wenn du solch eine Situation provoziert haben solltest, selbst wenn du Fehler gemacht hast: Kein Mensch auf Erden hat ein Anrecht auf deinen Körper ohne deine Erlaubnis! Und das, was dir genommen worden ist, das möchte dir der, der dich erschaffen hat, wieder zurückgeben! Du bist nicht das, was dir passiert ist. Weil du was wert bist.

Déborah Rosenkranz ist Sängerin, Songwriterin, Autorin und Rednerin. Der Artikel stammt aus ihrem Buch „Sei es dir wert“.

Bücher machen klug: Mit diesen 7 Tipps wird ihr Kind zur Leseratte

Lesen ist für Kinder unglaublich wichtig. Aber oft sind für sie Smartphone und Co. interessanter. Diese 7 Tipps helfen verzweifelten Eltern.

1. Vorlesen

Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, fällt das Lesenlernen leichter. Außerdem kann man mit dem Vorlesen schon früh Rituale schaffen, die auch später, wenn das Kind selbst lesen kann, weitergeführt werden können. Und: Auch wenn Kinder schon selbst lesen können, lieben sie es trotzdem noch, wenn Mama oder Papa ihnen vorliest.

2. Gemeinsam lesen

Gerade für Leseanfänger sind spezielle Bücher toll, in denen das Kind den hervorgehobenen Text liest und Mama oder Papa den Rest, wie beispielsweise bei der Reihe „Lies mit mir!“ (SCM Verlag). Später kann man sich dann abwechseln: Eine Seite liest Mama oder Papa, eine Seite das Kind. Ein guter „Trick“ ist es auch, wenn der Vorleser an einer besonders spannenden Stelle aufhört – dann ist das Kind besonders motiviert, selbst weiterzulesen.

3. Rituale schaffen

Kinder lieben Rituale. Der Klassiker ist sicher die Gute-Nacht-Geschichte. Aber wie wäre es mit 20 Minuten lesen nach dem Mittagessen? Schön ist es, wenn es zum Lesen einen besonderen Ort gibt – vielleicht einen Sitzsack oder Opas Ohrensessel. Wichtig ist es, dass Lesen nicht unter Druck geschieht, sondern mit einer schönen, gemütlichen Atmosphäre verbunden ist.

4. Bücher entdecken

Entscheidend für die Motivation zum Lesen ist das richtige Buch. Hier muss man vielleicht ein bisschen ausprobieren. Mag das Kind lieber kurze Geschichten? Oder doch längere Erzählungen oder vielleicht Sachbücher? Welche Themen begeistern das Kind: Tiere, Maschinen, Entdecker, Fußball … Zu (fast) allem findet man das passende Buch. Für Kinder mit Lern- und Leseschwierigkeiten gibt es Bücher in einfacher Sprache, zum Beispiel die Reihe „Die Tigerbande“ (Neufeld Verlag) oder „leichter lesen“ (Ravensburger).

5. Bücherei erforschen

In Büchereien können Kinder nach Belieben stöbern und in Bücher reinlesen. Vielleicht entdecken sie ein Thema oder eine bestimmte Art von Buch, die sie bisher nicht kannten? Viele Büchereien bieten auch Vorlesestunden oder andere Aktionen an, die die Lust am Lesen wecken.

6. Mit Büchern spielen

Bücher sind nicht nur zum Lesen da. Warum nicht mal eine eigene Bücherei im Kinderzimmer aufmachen? Oder ausprobieren, wer den höheren Bücherstapel baut? Vielleicht können Bücher auch in die Lego- oder Schleichtierwelt integriert werden …

7. Comics und Zeitschriften wertschätzen

Nicht nur Bücher sind wertvoller Lesestoff. Gerade Kinder, denen das Lesen schwer fällt, finden vielleicht leichter Zugang zu Comics oder Zeitschriften. Da die Texte fast „nebenbei“ gelesen werden, ist die Hürde niedriger. So können Kinder gut ans Lesen herangeführt werden.

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Bochum.

„Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“

Wie erleben junge Erwachsene die Abnabelung von den Eltern? Was wünschen sie sich von ihnen? Borika Lea Luft (22) hat sich umgehört.

„Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich sage!“ Wie oft haben wir als Kinder diesen Satz gehört – nicht unbedingt in dieser Formulierung, aber doch in allen möglichen Variationen. Manchmal haben wir uns wirklich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich auszuziehen und zu machen, was wir wollen. Nicht von Mama und Papa abhängig zu sein, selbst bestimmen zu dürfen und einfach frei zu sein. Und auf einmal beginnt diese Zeit des Loslassens, Abnabelns, Ausziehens, Unabhängigwerdens, ob aufgrund des Studiums, der Arbeit, eines Auslandsjahres oder einer Beziehung. Gründe wie auch Zeitpunkte sind unterschiedlich, aber irgendwann kommen alle Eltern und ihre Kinder an den Punkt, an dem sie einander auf irgendeine Weise loslassen müssen. Manche fürchten sich davor, andere sehnen es herbei.

AN DEN GEDANKEN GEWÖHNEN

Auch meine Eltern und ich stecken in diesem Prozess. Ein erstes Loslassen gab es, als ich mit 19 für ein halbes Jahr auf eine Bibelschule ging. Das erste Mal richtig weg von Mama und Papa, weitgehend auf mich allein gestellt. Die sechs Monate haben mich sehr geprägt – in meinem Glaubensleben und meiner Beziehung zu Jesus und auch in Hinblick auf die Nähe zu meinen Eltern. Der Weg dahin war für mich sehr schwer, da ich schon immer sehr an meinen Eltern hing und es für mich kaum etwas Schlimmeres gab, als von ihnen getrennt zu sein. Doch diese Zeit ist für uns zum Segen geworden.

Nach der Bibelschule zog ich aufgrund meiner beruflichen Situation wieder daheim ein. Jetzt, mit 22, wohne ich immer noch beziehungsweise schon wieder im Elternhaus und komme nicht umhin, mich tagtäglich mit dem Thema „Loslassen“ und allen zugehörigen Fragen zu beschäftigen. Vor allem meinem Vater ist es schon immer sehr wichtig gewesen, dass meine zwei jüngeren Brüder und ich uns an den Gedanken gewöhnen, irgendwann auf uns allein gestellt zu sein, eigene Entscheidungen treffen und für uns selbst Verantwortung zu übernehmen. Unsere Eltern betonten aber stets, dass sie immer für uns da seien, wenn wir Hilfe oder Unterstützung bräuchten. Und das waren und sind sie auch.

ZWEI TERMINKALENDER

Im Gespräch mit Freunden und Freundinnen zwischen 18 und 23 Jahren habe ich festgestellt, dass Loslassen ein sehr individueller und subjektiver Prozess ist. Jede und jeder versteht ein bisschen etwas anderes darunter. Manchen fällt es leichter, andere tun sich schwer damit, sich zu lösen. Deshalb fand ich es spannend zu erfahren, was andere junge Erwachsene denken und habe sechs Freunde und Freundinnen befragt. Vier von ihnen sind Studierende oder gehen noch zur Schule, zwei stehen an der Schwelle zum Eintritt in das Arbeitsleben. Drei sind schon ausgezogen, die anderen leben noch im Elternhaus. Als Gründe für den Auszug von daheim wurden die Entfernung zur Uni oder Schule, die Heirat oder ein angespanntes Verhältnis zu einem Elternteil genannt. Ob schon ausgezogen oder noch zu Hause lebend – fast alle bewerteten das aktuelle Verhältnis zu den Eltern als gut bis sehr gut. Bei allen Befragten fiel auf, dass sie die Beziehung zu den Eltern in der Pubertät als angespannt und weniger gut beschrieben und der Wunsch nach Freiheit von den Eltern in dieser Zeit groß war.

Auf die Frage, was „Loslassen“ in Bezug auf Eltern und Elternhaus für sie bedeute, wurden folgende Antworten gegeben: „Ausziehen und allein leben“, meint Eduard (18). Bennet (19) nennt die Stichworte „Verantwortung annehmen“ und „selbstständig werden“. „Nicht mehr abhängig sein, eigene Entscheidungen treffen, versuchen, alles selbstständig zu erledigen, wie kochen oder waschen“, lautet die Antwort von Jon (20). Für Melli (20) stehen „Selbstständigkeit, zwei Terminkalender haben, nach eigenen Lösungen suchen“ im Vordergrund. Und Sara (21) antwortet: „Loslassen bedeutet für mich, meine gewohnte Routine mit meinen Eltern loszulassen und eine neue, eigene Routine zu finden. Loslassen bedeutet für mich nicht, seine Eltern nur noch selten zu sehen und sich ganz von ihnen abzuschotten.“

Diese Aussage finde ich sehr bezeichnend. Loslassen heißt nicht, seine Eltern in die Wüste zu schicken, sondern sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufzubauen, welches die Eltern zwar enthält, aber nicht durch sie vorgegeben wird.

Rebekka (23) ergänzt diesen Gedanken. Loslassen bedeute für sie, sich selbst zuzutrauen, im Leben klarzukommen. Sie müsse nicht ständig wissen, was ihre Eltern machen und diese nicht, was Rebekka mache. Gleichzeitig finde sie, dass Loslassen auch die Freiheit beinhalte, sich diese Dinge gegenseitig freiwillig zu erzählen. Es bedeute, sich gegenseitig Freiheit zu geben.

Fast allen der Befragten ist oder wäre es wichtig, mit ihren Eltern in Kontakt zu bleiben, ob über Handy, Mail oder durch regelmäßige Besuche.

VERTRAUENSBEWEIS

Letztens kam mir ein Bild für das Loslassen in den Kopf: Ein Vater steht mit seinem Kind an einem Fußgängerüberweg und nimmt es an die Hand. Das Kind möchte sich losreißen und über die Straße zum Park rennen. Es realisiert nicht, dass Autos angerast kommen, die es umfahren könnten. Der Vater erkennt die Gefahr, hält das Kind fester und erklärt ihm: „Es ist gefährlich, einfach so über die Straße zu rennen. Ich möchte, dass du an meiner Hand bleibst, bis wir auf der anderen Straßenseite sind. Ich werde dich sicher nach drüben bringen.“ Das leuchtet dem Kind ein und es geht an der Hand des Vaters über die Straße. Je näher sie der anderen Straßenseite kommen, desto unruhiger wird das Kind. Es möchte allein laufen. Der Vater würde es lieber weiterhin an der Hand halten. Aber er sieht ein, dass das Kind nur noch stärker an seinem Arm ziehen und sich vielleicht einfach losreißen wird, wenn er es nicht loslässt. Also gibt er das Kind frei und es kann allein laufen. Der Vater setzt sich auf eine Bank und beobachtet es aus einer Distanz. Das Kind kann sich frei bewegen, aber es sieht, dass er doch noch irgendwie da ist. Sollte also etwas passieren, hätte es die Möglichkeit, zum Vater laufen.

Dieses Bild bedeutet für mich, dass wir die Führung unserer Eltern bis zu einem gewissen Punkt brauchen. Sie haben mehr Erfahrung, oft mehr Überblick und wissen wirklich manches besser – auch wenn wir das als Teenager oft bezweifeln. Je näher wir dem Erwachsenesein kommen, desto mehr Freiheit wünschen wir uns. Wir zerren an der Hand, wollen allein laufen. Jetzt liegt es an unseren Eltern: Lassen sie uns freiwillig los und unterstützen uns bei unserem Erkundungsdrang? Oder halten sie uns weiter fest und riskieren damit, dass wir uns weiterhin an ihnen festklammern oder dass wir uns losreißen und wegrennen? Loslassen hat viel mit Vertrauen zu tun. Es ist es ein echter Vertrauensbeweis, wenn die Eltern ihre Kinder fliegen lassen. Wenn sie ihnen zutrauen, sich selbstständig im Leben zurechtzufinden und klarzukommen.

KEINE ROMANE ERWARTEN

Zum Schluss habe ich meine Freunde und Freundinnen gefragt, wie sich Eltern nach dem Auszug der Kinder verhalten sollten. Sara hat sich von ihren Eltern gewünscht, „mich zu unterstützen und die Trauer nicht so sehr zu zeigen und verständnisvoll zu sein.“ Jon ist es wichtig, dass seine Eltern ihn „auf Anfrage hin unterstützen, sonst mich meinen Aufgaben selbst überlassen.“ „Lauft mir nicht nach, sonst komme ich nicht wieder“, würde Eduard seinen Eltern raten. Und Melli meint, ihre Eltern sollten nicht enttäuscht sein, wenn sie ohne sie auskommt. „Erwartet keine Romane von meinem Leben“, formuliert Bennet, während Rebekka betont: „Bedrängt mich nicht, aber bietet Unterstützung an!“ Liebe Eltern, wir möchten einerseits unabhängig sein, aber andererseits mit dem Wissen in die Welt gehen, dass ihr für uns da seid, wenn wir euch von uns aus um Hilfe oder Unterstützung bitten. Lasst uns frei, aber seid erreichbar. Bevormundet uns nicht, aber gebt uns Rat, wenn wir ihn erbeten. Und vor allem, betet für uns um Segen, Bewahrung und Weisheit. Das ist nämlich das größte Geschenk, das ihr uns mit auf den Weg ins Erwachsenenleben geben könnt.

Borika Lea Luft (22) lebt in Pforzheim, studiert Soziale Arbeit und absolviert zurzeit ihr Praxissemester bei pro familia. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in ihrer Gemeinde.

 

Borika Lea Luft hat für diesen Artikel einen Fragebogen entwickelt, um junge Erwachsene zum Thema Abnabelung und Loslassen zu befragen. Die Befragten haben ihn als sehr hilfreich empfunden. Deshalb haben wir ihn zum Herunterladen online gestellt.

„Wenn ich jetzt sterbe, höre ich nie wieder Bäume rauschen“: Till erzählt von seiner Angst vor dem Tod

Till Pfaff fürchtet sich unglaublich davor zu sterben. Jahrelang helfen nur Antidepressiva in höchster Dosis. Hier erzählt er seine Geschichte.

Ich bin Till, 40 Jahre alt. Ich habe Angst vor dem Tod.

Opa schläft

Es ist der 22. September 1985. Ich bin sechs Jahre alt und gerade eingeschult worden, ein kleiner blonder Frechdachs, aufgeweckt und sensibel. Wir wohnen seit Kurzem neben Oma und Opa im alten Schweinestall ihres stillgelegten Bauernhofes. Mein lieber Opa, der mich immer mit in den Wald nimmt, auf die Pirsch mit seinen Jagdhunden, der mir die heimische Pflanzenwelt erklärt und mich bei seinen Freunden stolz präsentiert, mich liebevoll auf den Schoß nimmt, ist im Krankenhaus, weil er operiert werden muss. Nichts Schlimmes, soweit ich weiß. Ich soll mit den anderen Enkelkindern ins Zimmer meiner Schwester kommen. Meine Mutter und meine Tante wollen uns etwas erzählen. Wir sitzen auf dem Bett und hören gespannt zu: „Opa ist eingeschlafen. Er war zu schwach und hat die Operation nicht überstanden. Er ist tot.“

Es ist 2019, Weihnachten. Fünf Monate Online-Therapie liegen hinter mir. Meine Therapeutin hilft mir, mich meiner Angst vor dem Tod zu stellen. 34 Jahre voller Fragen: Wie ist der Tod? Wie fühlt es sich an, wenn ich keinen Körper mehr habe, den ich steuern kann? Geht es Opa und den anderen inzwischen verstorbenen Menschen, die ich lieb habe, gut? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Kommt die Seele durch den Sarg, wenn ich begraben werde?

Die Brust zugeschnürt

Niemand in meiner Familie oder meinem Freundeskreis kann sich vorstellen, dass ich unter Ängsten leide. Ich bin ein geselliger Typ, der gern feiert und Quatsch macht. Humor ist meine Superkraft! Das Gefühl der Machtlosigkeit überkommt mich jedoch, wenn ich allein bin.

Ich stehe als Erster auf dem Fußballplatz, bin etwa 18 Jahre alt und wärme mich auf. Plötzlich die Frage: Was, wenn ich jetzt sterbe? Ich stoße einen leisen Schrei aus, um der plötzlichen Beengung in meinem Brustkorb ein Ende zu machen. Meine Mitspieler kommen auf den Platz. Niemand merkt etwas.

Es ist 2007. Wir haben seit August eine Tochter. Meine Frau macht mich darauf aufmerksam, dass ich im Schlaf immer mehr seufzen und „jiffeln“ würde. Sie ist der erste Mensch, mit dem ich – immerhin 22 Jahre nach Opas Tod – über meine Angst spreche. Ich suche mir einen Therapeuten, der allerdings keinen Zugang zu mir findet und mich mit Beerdigungsritualen gleich in der zweiten Sitzung überfordert. Die Angst bleibt, die Therapie liegt für die nächsten Jahre brach, da mein Vertrauen in eine solche Maßnahme erloschen ist. Immerhin: Ich bekomme nun ein Antidepressivum, das die Symptome bekämpft und in der höchsten Dosierung zu helfen scheint.

Der Angst auf der Spur

Herbst 2019: Ich halte es inzwischen mit Humboldt, der gesagt hat: „Was dir Angst macht, das erforsche.“ Anna, meine Frau, und ich sind auf dem Heimweg von einem Besuch bei Freunden. Ich fasse den Mut, ihr endlich genauer zu erzählen, was mich bedrückt und ängstigt. Das hätte ich längst tun sollen. Wir sprechen darüber, wie wir uns den Tod vorstellen, wie wir bestattet werden wollen. Ein kleiner Knoten im Geflecht meiner Angst löst sich.

Ich bin Anfang 20, fahre allein mit dem Auto durch die Gegend, an einem Wald vorbei, in dem ich hin und wieder jogge. Aus dem Nichts kommt das beklemmende Gefühl, dass ich den Wald, wenn ich jetzt sterbe, nie wieder sehen, die Bäume bei Wind rauschen hören oder die Tannennadeln riechen könnte. Hilflosigkeit! Ich fahre an den Rand, schreie, flehe zu Gott. Mit Menschen teile ich meine Angst nicht. Ich will kein „Psycho“ sein!

Spätsommer 2008, das Telefon klingelt, der Pastor. Ich hätte doch eine besondere Verbindung zur Kirche, sagt er. Ob ich nicht Lust hätte, im Kirchenvorstand mitzuarbeiten, fragt er. Er hat ja einen ganz guten Draht „nach oben“, denke ich. Warum nicht, frage ich mich und sage zu. Der Einsatz in der Kirchengemeinde, die Gemeinschaft mit Menschen, die im Glauben verbunden sind, die vielen neuen Menschen in meinem Umfeld und vor allem die intensive Auseinandersetzung mit den Geschichten der Bibel geben mir Kraft. Die Angst ist noch da, aber auch eine neue Möglichkeit, mich ihr zu stellen. Ich kann im Laufe der Jahre die Dosierung meines Medikaments um die Hälfte reduzieren. Gott sei Dank!

Gespräch mit Oma

Mit meiner Mutter sitze ich im November 2019 an ihrem Wohnzimmertisch. Ich habe Fragen. Wie stelle ich die nur, ohne ihr das Gefühl zu geben, ihr Vorwürfe zu machen? Sie weiß, dass es um Opas Tod geht. Ich muss das aufräumen, Fragen loswerden. Meine Wahrnehmung der Situation 1985 scheint zu stimmen. Ich lerne, dass Oma nicht wollte, dass sich jemand – auch nicht die Kinder – vom toten Opa verabschiedet. Was, wenn sich das Bild des toten Opas an die Stelle der positiven lebendigen Erinnerungen gestellt hätte? Davor hatte sie Angst. Niemand hat das in Frage gestellt. Im Trauergottesdienst hatten Kinder damals nichts zu suchen. Tod – ein Tabuthema! Mein Angstthema!

Während meiner Therapie stoße ich auf kleine Texte, die mir Mut machen. In einem heißt es, dass man sich in einer fremden Stadt verloren fühlt. Aber wenn ich in dieser Stadt nur einen Menschen kenne, der mich an die Hand nimmt und mir die Stadt zeigt, dann bin ich nicht mehr verloren. So ist es auch mit dem Tod. Jesus wartet auf mich und nimmt mich an die Hand. Mir gefällt dieser Vergleich.

Sprechen hilft zu leben

Als Kind habe ich nicht viele Fragen gestellt. Ab und zu mal gefragt, wo Opa jetzt ist. „Mein lieber Opa!“, hab ich immer gesagt, gefehlt hat er mir schon, vielleicht mehr als den anderen Kindern. Auffällig ist, dass ich ansonsten eher unauffällig war. Ich habe das mit mir ausgemacht, allein. Nah am Wasser gebaut war ich während meiner gesamten Kindheit. Manchmal war ich besonders albern, habe „schwierige Situationen“ mit Humor überspielt. Das Tabu, über Angst und Tod zu sprechen, war für mich – aus heutiger Sicht – immer präsent. Endlich kann ich darüber sprechen. Ich bin erleichtert.

Charlotta ist inzwischen 12 Jahre alt. Sie verbringt auf eigenen Wunsch ein halbes Jahr in Frankreich, lernt dort nicht nur eine andere Sprache kennen. Sie ist so mutig! Ich bin stolz, dass meine Tochter so stark ist. Und wenn sie mal auf ein Problem stößt – 1.500 km von zu Hause entfernt –, dann betet sie.

Oma stirbt

Ich merke, wie ich ein Stück loslassen kann. Wenn ich jetzt von einem Bus überfahren werde, dann hinterlasse ich eine selbstbewusste Tochter, die ihren Weg durchs Leben finden wird. Das haben Anna und ich gut gemacht. Ich beschließe mit meiner Therapeutin, die Dosis meines Antidepressivums zu halbieren.

10. September 2011: Oma ist tot, friedlich eingeschlafen in ihrem Geburtshaus. Sie liegt in ihrem Pflegebett, starr, mit einem Lächeln im Gesicht. In den Gottesdienst möchte Charlotta nicht mitkommen. Sie hat Uroma ja schon „Tschüs“ gesagt, als Pastor Hansen sie zu Hause ausgesegnet hat. Das war schön. Und wenn doch noch einmal die Trauer zurückkommt, lässt sie es einfach raus, stellen wir später fest. Ich bin etwas neidisch.

Kein Antidepressivum mehr

Was mir wohl geholfen hätte damals? Ein persönlicher Abschied? Der Hinweis, dass ich mich an Gott wenden darf? Die Aufmerksamkeit meiner Familie? Die Begleitung meiner Trauer durch Fachkräfte?

2020 steht vor der Tür. Seit 12 Tagen nehme ich kein Antidepressivum mehr. Verlorene Emotionen kämpfen sich – manchmal unkontrollierbar – in mein Leben zurück. Sind das Tränen? Die habe ich lange nicht auf meinen Wangen gespürt. Ich habe Menschen um mich, die mich lieben und verstehen, mir zuhören.

Ich bin Till, 40 Jahre alt. Ich bin mutig.

Die Rollen nicht zementieren

Kinder werden stark dadurch geprägt, ob sie erstes, zweites oder drittes Kind sind. Wie Eltern verhindern können, dass sich diese Prägungen zu stark auswirken, erklärt Susanne Büscher.

In der Family 3/19 habe ich einen Artikel zum Thema Geschwisterkonstellation in der Partnerschaft geschrieben. Es ging darum, wie stark unser Verhalten davon geprägt ist, ob wir die Erstgeborenen sind, mittlere Kinder oder das „Nesthäkchen“. Dabei wurde herausgestellt, welche Stärken und Herausforderungen jede Position mit sich bringt und wie sich das auf eine Partnerschaft auswirkt. Angeregt durch einen Leserbrief greife ich in diesem Artikel das Thema noch einmal auf, diesmal jedoch von einem eher pädagogischen Blickwinkel. Dabei soll es um die Frage gehen, wie man in der Erziehung Einfluss nehmen kann, damit sich die typischen Eigenschaften und Muster der jeweiligen Geschwisterposition nicht zu stark einfahren. Schauen wir uns dazu die einzelnen Positionen noch einmal genauer an:

ERSTGEBORENE: SCHWÄCHE ZEIGEN

Älteste Kinder sind häufig perfektionistisch, es fällt ihnen schwer, Dinge aus der Hand zu geben. Ihnen sind Regeln und Vorschriften meist sehr wichtig. Sie müssen lernen, dass selbst der beste vorher zurechtgelegte Plan scheitern kann. Manches lässt sich nicht erzwingen. Seien Sie daher geduldig und nehmen Sie sich Zeit, die Fragen ihres Kindes von Anfang bis Ende genau durchzugehen. Sprechen Sie verschiedene Lösungswege für ein Problem durch. Überlegen Sie gemeinsam mit ihrem Kind, wie ein Plan B, C oder D aussehen könnte.

Für Erstgeborene ist es typisch, Dinge, die sie sich vorgenommen haben, unbedingt erreichen zu wollen. Erstgeborene fassen ihr Leben häufig als einen Kampf auf, in dem es ums Gewinnen geht. Zeigen Sie ihrem Kind daher, wann immer es Ihnen möglich ist, dass es nicht vollkommen sein muss, um Ihre Anerkennung und Liebe zu bekommen. Eltern können hier ein gutes Vorbild sein und sich menschlich zeigen, indem sie eigene Fehler und Schwächen zugeben und Ihrem Kind so vorleben, dass Fehler zum Leben dazugehören, dass auch ihnen nicht alles direkt gelingt und dass das kein Weltuntergang ist. Denken Sie daran, Sie sind das Vorbild für Ihr Kind. Es hat keinen Bruder oder keine Schwester, an dem es sich orientieren kann. Es schaut zu Ihnen auf.

Wenn Sie darauf achten, können Sie wirkungsvoll dazu beitragen, dass sich Ihr ältestes Kind etwas besser von Erwartungen und Ansprüchen anderer abgrenzen kann. Nehmen Sie sich Zeit, um als Eltern mit Ihrem ältesten Kind auch mal etwas allein zu machen. Erstgeborene brauchen das ungeteilte Zusammensein mit ihren Eltern. Achten Sie darauf, Ihrem älter werdenden Erstgeborenen nicht immer mehr Verantwortlichkeiten aufzuladen. Nehmen Sie ihm eher welche ab und übertragen sie den Jüngeren.

SANDWICHKINDER: BEWUSST WAHRNEHMEN

Mittlere Kinder fühlen sich häufig unter Druck. Sie können sich eingezwängt fühlen in ihrer Rolle. Es gibt nicht nur die Eltern, die Autorität ausstrahlen und Lebenserfahrung haben, sondern auch ein älteres Geschwisterkind. Und dann gibt es da noch das süße kleine Nesthäkchen. Das mittlere Kind ist also zu jung für Privilegien und zu alt für Streiche und Späße. Dieser Druck führt dazu, dass sich mittlere Kinder oft überflüssig und unpassend fühlen.

Bemühen Sie sich daher verstärkt darum, ihm ein Gefühl von Besonderheit zu vermitteln. Sorgen Sie dafür, dass es in Ihrem Fotoalbum auch Bilder von Ihrem mittleren Kind gibt. Machen Sie auch mal Aufnahmen, auf denen Ihr Kind ohne seine Geschwister zu sehen ist. Räumen Sie ihm ab und zu kleine Privilegien ein. Nehmen Sie zum Beispiel bei einer Erledigung einmal nur Ihr mittleres Kind mit und nutzen Sie die Zeit, um ins Gespräch zu kommen. Hören Sie genau zu, wenn Ihr Kind Ihnen etwas erzählt und erklärt. Es hat häufig den Wunsch, Konflikte zu verdrängen und zu vermeiden, weil es kein Aufsehen erregen will. Fragen Sie Ihr mittleres Kind nach seiner Meinung. Binden Sie es in Entscheidungen mit ein. Bieten Sie ihrem Kind viele Gelegenheiten, seine Gefühle und Empfindungen mitzuteilen. Machen Sie ihrem Kind Mut, auch kontroverse und heikle Themen und Gedanken auszusprechen.

Belassen Sie es nicht mit einem „Wie geht es dir?“ zwischen Tür und Angel. Nehmen Sie sich Zeit. Fragen Sie nach und bleiben Sie dran. Verabreden Sie sich mit Ihrem mittleren Kind. Führen Sie Gespräche unter vier Augen. Für mittlere Kinder sind Freundschaften ganz besonders wichtig. Da es sein kann, dass es sich zu Hause überflüssig vorkommt, nehmen Freunde einen großen Stellenwert ein. Fördern und unterstützen Sie diese Freundschaften, laden Sie seine Freunde zu sich nach Hause ein. Auch das ist eine gute Möglichkeit, Ihrem mittleren Kind zu zeigen, dass es in Ihrer Familie willkommen ist und dazugehört.

NESTHÄKCHEN: SELBSTSTÄNDIGKEIT FÖRDERN

Jüngste Kinder erleben oft Eltern, die nachgiebiger sind als bei ihren älteren Geschwistern. Sie drücken eher mal ein Auge zu als bei den Großen. Eltern haben den Wunsch, bei ihrem Nesthäkchen den Lebensweg ganz besonders zu ebnen, schließlich ist es ja „das Kleine“. Das führt schnell dazu, dass Eltern ihrem jüngsten Kind Dinge abnehmen und Aufgaben für ihr Kind übernehmen, die es schon selber könnte. Die Annahme, ihrem Kind damit zu helfen, ist jedoch ein Trugschluss. So kann schnell der Eindruck entstehen: „Die Welt dreht sich nur um mich.“

Besonders letztgeborene Kinder müssen lernen, eigenständig und selbstständig zu werden und sich nicht nur auf Eltern oder ältere Geschwister zu verlassen. Machen Sie es Ihrem Kind daher nicht zu leicht. Übertragen Sie ihm Verantwortung für das, was es bereits selbst schaffen kann. Sorgen Sie dafür, dass es kleine Pflichten im Haushalt übernimmt und nicht andere für sich arbeiten lässt, weil es ja noch so klein und „hilflos“ ist. Achten Sie darauf, dass auch Ihr jüngstes Kind sich an Familienregeln hält.

Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass ihr Kind nicht zwischen den „Großen“ untergeht. Jüngste Kinder können manchmal den Eindruck haben: „Ich bin gar nicht wichtig“. Alles, was Ihr jüngstes Kind tut, haben die anderen schon vorher geschafft. Entwicklungsschritte werden eher am Rande zur Kenntnis genommen und nicht mehr so stark gefeiert. Stellen Sie die Leistungen Ihres jüngsten Kindes daher immer mal wieder heraus. Hängen Sie die „Kunstwerke“ Ihres Kindes sichtbar für alle auf, sodass es gleichberechtigt mit den großen Geschwistern vertreten ist.

JEDES KIND IM BLICK HABEN

Grundsätzlich ist es also wichtig, aufmerksam zu sein, jedes einzelne Kind gut im Blick zu haben und immer wieder das eigene Erziehungsverhalten zu reflektieren. Das Wissen um die Geschwisterkonstellation kann hierbei eine gute Hilfe sein. Jedoch ist dies nur ein Puzzleteil vom Gesamtbild eines Menschen. Genauso spielt natürlich das Erziehungsverhalten der Eltern, die Art und Weise, wie jede Familie ihren Familienalltag lebt und die ganz individuelle Persönlichkeit jedes Kindes eine Rolle. Jedes Kind ist anders und einzigartig. Jedes Kind ist ein Geschenk, das Gott uns anvertraut hat. Wie gut, dass wir in allem Bemühen darum, unsere Kinder gut ins Leben zu begleiten, darauf vertrauen können, dass Gott seine Hand über uns hält.

Susanne Büscher arbeitet in ihrer Praxis für Lebensberatung, Paarberatung und Coaching im oberbergischen Waldbröl (www.susanne-buescher.com).