Achtsam durch den Alltag

Achtsamkeit ist ziemlich im Trend. Doch was genau ist damit gemeint? Und welche Chance beinhaltet sie für Familien? Von Melanie Schüer

Wer achtsam ist, konzentriert sich ganz auf das Hier und Jetzt. Er schweift gedanklich nicht ständig ab in das, was gestern war, oder beschäftigt sich mit Sorgen um das, was morgen kommt. Er legt seinen Fokus ganz auf den gegenwärtigen Moment. Dieser wird sehr aufmerksam und intensiv, mit allen Sinnen wahrgenommen: Was sehe ich? Wie riecht es gerade? Wie fühlt sich mein Körper an? Was höre ich? Wie fließt mein Atem?
Diese verschiedenen Fragen werden nicht schnell „abgearbeitet“. Jeder Aspekt wird ruhig und langsam erkundet. Abschweifende Gedanken werden bewusst wahrgenommen, ohne sie zu bewerten – und wieder losgelassen, um sich erneut im Hier und Jetzt zu verankern.
In unserem hektischen Alltag ist uns diese Haltung häufig fremd. Bei der Menge an Aufgaben und Themen fühlen wir uns meist zu Multitasking gezwungen: Während wir putzen, denken wir darüber nach, wie wir das Seminar morgen gestalten. Während wir duschen, spüren wir weniger den angenehmen Wasserstrahl, sondern grübeln über das Gespräch mit dem Chef nach … Doch dieses ständige Multitasking fördert innere Unruhe und Stress – deshalb bergen Achtsamkeits- Übungen eine große Chance. Sie lassen sich einfach in den Alltag integrieren: Beim Zähneputzen bewusst den Kopf ausschalten und sich nur auf die Bewegungen der Zahnbürste konzentrieren. Beim Spazierengehen spüren, wie die Füße bei jedem einzelnen Schritt den Boden berühren.

ACHTSAMKEIT HILFT BEI WEHEN

Auch für Eltern ist Achtsamkeit ein wertvoller Ansatz – schon in der Schwangerschaft. Die Hebamme Nancy Bardacke hat mit ihrer Methode „Mindful Birthing“ das Konzept der Achtsamkeit auf Schwangerschaft und Geburt übertragen. Dabei geht es um die Fähigkeit, loszulassen und sich auf das, was geschieht, einzulassen – und daraus das Beste zu machen.
So dauert eine Wehe in der Regel 60 bis 90 Sekunden – das sind etwa sieben bis zehn Atemzüge. Wenn eine Wehe beginnt, kann die Frau sich bewusst machen: „Ich atme jetzt zehnmal ganz tief ein und aus, dann ist diese Wehe schon wieder geschafft“ als Gegenentwurf zu Gedanken wie: „Ich ertrage das nicht mehr!“ Eine gute Unterstützung ist es, Formulierungen wie „Loslassen“ oder „Zehn Atemzüge, dann ist es geschafft!“ auf Karteikarten zu schreiben und zur Geburt mitzunehmen.
Achtsamkeit bedeutet auch, nicht zu werten, und das, was ist, anzunehmen. Wenn uns etwas weh tut, neigen wir dazu, uns zu verspannen und gegen den Schmerz anzukämpfen. Dabei geht es viel besser, wenn wir tief in den Schmerz hineinatmen und ihn annehmen – als etwas, das jetzt eben sein muss, das aber vorübergeht.

DAS FAMILIENLEBEN ACHTSAM GESTALTEN

Der Ansatz von Nancy Bardacke bezieht auch die Zeit nach der Geburt mit ein, zum Beispiel wenn das Baby weint. Eltern können sich bewusst werden, welche Gefühle das Schreien in ihnen auslöst: Traurigkeit? Wut? Hilflosigkeit? Es gilt, diese Gefühle zuzulassen, ohne sie zu bewerten – sie einfach anzunehmen, zu fühlen und dann loszulassen und sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Tief in den Bauch einatmen, als würde man ganz viel Frieden und Ruhe einatmen und lange wieder ausatmen, als würde man allen Stress und alle Anspannung hinausatmen. Bauchatmung reduziert die eigene Körperspannung. Das spürt auch das Baby und hilft ihm, sich sicherer zu fühlen.
Auch im Umgang mit älteren Kindern ist Achtsamkeit eine wertvolle Haltung. Sie beinhaltet, unsere Kinder so wertzuschätzen und anzunehmen, wie sie sind – und auch mit den eigenen Fehlern barmherzig umzugehen. Die Achtsamkeitslehrer Myla und Jon Kabat-Zinn erklären: „Wir sehen dies als einen Prozess, der nicht nur beinhaltet, dass wir unsere Kinder so annehmen, wie sie sind, sondern auch uns selbst –, dass wir nicht nur mitfühlend mit unseren Kindern umgehen, sondern auch mit uns selbst. Es ist sehr heilsam, wenn wir unsere Kinder und uns selbst nicht ständig beurteilen.“
Myla Kabat-Zinn versteht unter achtsamer Erziehung, „zu versuchen, die Dinge aus den Augen des Kindes zu sehen. Für mich ist damit ein Großteil dessen abgedeckt, was wirklich wichtig ist. Wenn Eltern anfangen, die konkrete Erfahrung ihres Kindes zu beachten, wenn sie versuchen, wirklich aus der Sicht des Kindes zu schauen, können sich die Dinge ändern.“ Das ist ein guter Rat – bewusst die Perspektive des Kindes einzunehmen, zu überlegen und zu erfragen: Wie erlebt er oder sie diese Situation?

AUFMERKSAM DURCH DEN TAG

Ganz konkret umfasst ein achtsamer Familienalltag auch das Einrichten von regelmäßigen Zeiten, in denen die Eltern sich ganz dem Kind zuwenden, ohne nebenher zu putzen, zu lesen oder aufs Handy zu schauen. Dazu gehört aufmerksames Zuhören und eine Form der Anerkennung, die eher ermutigt als lobt. Das bedeutet, dass man sein Kind nicht mit einem schnell dahergesagten Lob wie „Gut gemacht!“ abspeist, sondern dass man wirklich hinschaut und konkret sagt, warum man sich über etwas freut.
Eng verbunden mit Achtsamkeit ist eine dankbare Haltung: Die Überzeugung, dass nicht alles selbstverständlich ist, sondern dass der Alltag voller kleiner Wunder und Geschenke ist. Im Familienleben kann man Kindern wunderbar Achtsamkeit und Dankbarkeit vorleben, indem man selbst aufmerksam durch den Tag geht.
Auch die Beziehung zum Partner ist ein Bereich, der Achtsamkeit verdient: Wirklich hinhören, was meinen Partner beschäftigt und nicht gleich urteilen, sondern meinem Partner auch in Konflikten mit einem offenen Herzen begegnen. Den anderen nicht als selbstverständlich betrachten, neugierig aufeinander bleiben und regelmäßige Paarzeiten einplanen.

ALLES IM FLUSS

Achtsamkeit in der Familie kann auch helfen, schwere Zeiten besser zu bewältigen. Wer achtsam ist, fragt sich nicht ständig, wie das wohl weitergeht und wie lange man das noch aushalten kann. Stattdessen übt man, im Hier und Jetzt zu bleiben – mit dem Wissen, dass alles eine Phase ist, die vorbeigeht. Diese Herangehensweise ist auch in der Bibel zu finden:
„Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist:
Geboren werden hat seine Zeit wie auch das Sterben. Pflanzen hat seine Zeit wie auch das Ausreißen des Gepflanzten. Töten hat seine Zeit wie auch das Heilen. Niederreißen hat seine Zeit wie auch das Aufbauen. Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Steine zerstreuen hat seine Zeit wie auch das Sammeln von Steinen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit wie auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen. Zerreißen hat seine Zeit wie auch das Flicken. Schweigen hat seine Zeit wie auch das Reden. Lieben hat seine Zeit wie auch das Hassen. Krieg hat seine Zeit wie auch der Frieden.“ (Prediger 3,1-8)
Die Erkenntnis, dass alles seine Zeit hat, hilft, sich auf das, was gerade ist, einzulassen – ohne innerlich noch am Gestern zu hängen oder erwartungs- oder sorgenvoll in die Zukunft zu blicken. Heute ist der einzige Tag, den wir gestalten können. Gestern ist unwiderruflich vorbei – und wer weiß schon, was das Morgen bringt? Jesus selbst lebt uns diese Fokussierung auf die Gegenwart vor, wenn er sagt: „Sorgt euch nicht um morgen, denn jeder Tag bringt seine eigenen Belastungen. Die Sorgen von heute sind für heute genug.“ (Matthäus 6, 34).
John Kabat-Zinn formuliert es so: „Ich würde sagen, dass man sich vergegenwärtigen sollte, wie schnell diese ganze Sache vorbeigeht. Wenn man Vater oder Mutter wird, hat man das Gefühl, eine unendliche Geschichte vor sich zu haben, aber bevor man sich versieht, sind die Kinder aus dem Haus und stehen auf eigenen Beinen.“

Melanie SchüerMelanie Schüer ist Erziehungswissenschaftlerin und bietet Onlineberatung für Eltern von Babys und Kleinkindern sowie für Schwangere an: www.neuewege.me

Dauernuckeln

„Unser vier Monate alter Sohn schreit die ganze Nacht und lässt sich durch nichts beruhigen. Eigentlich findet er nur beim Stillen in den Schlaf. Das führt dazu, dass ich die Nacht über dauerstille und selbst kaum schlafe. Was können wir tun?“

Die kleinen Dauernuckler können eine Mutter ganz schön an ihre Grenzen bringen. Was können Sie tun, wenn Ihr Baby zu dieser Spezies gehört? Zunächst einmal gilt es natürlich abzuklären, ob ein körperliches Problem dahintersteckt. Hat das Kind vielleicht Hunger und muss sich deswegen nachts vermehrt Nahrung holen? Nimmt es ausreichend zu? Hat es Schmerzen und braucht das Saugen als lindernde Maßnahme? Diese und ähnliche Fragen können Sie mit Ihrer Hebamme oder Ihrem Kinderarzt besprechen und sollten das auch tun, wenn Sie selbst unsicher sind, wo das Problem des kleinen Schreihalses liegt.

SCHLECHTE GEWOHNHEIT

In den meisten Fällen handelt es sich allerdings um eine Gewohnheit, die sich im Laufe der Zeit eingespielt hat. Das Kind hat sich an die Beruhigung an der Brust gewöhnt und fordert dies vehement ein. Es gilt also eine Gewohnheit liebevoll abzutrainieren und durch andere zu ersetzen.
Zunächst einmal würde ich einem Baby mit einem starken Saugbedürfnis einen Schnuller anbieten. Bei vielen dauert es eine ganze Zeit, bis sie diese Beruhigungshilfe wirklich verstehen und akzeptieren, bleiben Sie also dran!
Der zweite wesentliche Ansatz zur Verbesserung der Situation besteht darin, die Kleinen nicht mehr an der Brust einschlafen zu lassen, sondern kurz bevor sie einschlafen, ins Bett zu legen, sodass sie diesen Wechsel bewusst wahrnehmen. Ein Kind, das an der Brust einschläft, spürt in Leichtschlafphasen, dass es nun woanders liegt, und wird wach, um zu kontrollieren, ob Mama oder Papa noch da sind. Meist fordern sie in dieser Situation dann den Ausgangszustand wieder ein – sie wollen also wieder an die Brust.

SATT WERDEN

Im Alter von vier Monaten ist es normal, dass ein Säugling nachts noch Nahrung braucht. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind wirklich eine vollständige Mahlzeit zu sich nimmt und nicht nur so lange an der Brust nuckelt, bis der erste Hunger gestillt ist. Dazu kann es nötig und hilfreich sein, sich hinzusetzen, auf die Uhr zu schauen (damit Sie bei der nächsten Beschwerde Ihres Nachwuchses wissen, wann er das letzte Mal etwas zu trinken bekommen hat) und wenn möglich beide Brüste anzubieten. Achten Sie auch tagsüber darauf, dass Ihr Kind sich wirklich satt trinkt. Ab einem Alter von drei bis vier Monaten lassen sich viele Kinder so leicht ablenken, dass sie am Tage nur wenig trinken und sich den Rest in der Nacht holen. Ziehen Sie sich mit einem solchen Kind zum Stillen in eine reizarme Umgebung zurück.
Manche Kinder wollen nach einigen Monaten auf dieser Welt allerdings auch schon etwas „Richtiges“ essen. Achten Sie auf Reifezeichen, die darauf hinweisen, dass der erste Brei fällig ist. Was diese kleinen Menschen brauchen, wenn sie weinen, ist auf jeden Fall die Nähe einer engen Bindungsperson! Ob Sie die Brust als Beruhigungshilfe einsetzen, oder ob die Brust einzig und alleine zur Nahrungsaufnahme dient, das ist eine der vielen Entscheidungen, die jede Mutter für sich treffen muss – besser: darf!

Martina Parrish ist Hebamme und Stillberaterin und arbeitet in der Hebammenpraxis Fokus Leben in Berlin.

Familienplanung

Eine Menge Wahlmöglichkeiten stehen Paaren zur Verfügung, wenn es um Familienplanung geht. Doch was wirkt wie? Die neue Family-Serie von Dr. med. Katrin Kämmerzell verhilft Paaren zu einer Entscheidungsgrundlage und geht auch auf ethische Fragen ein.

Es soll hier eigentlich nicht um Verhütung gehen. Familienplanungsmethoden ist der passendere Begriff, denn wir reden nicht von der Verhütung eines Unglücks, sondern vom Lenken eines Segens.
Dabei hat jede Methode ihre Vor- und Nachteile. Wenn man sich näher damit beschäftigt, merkt man schnell, dass es die perfekte gar nicht gibt. Eine ausführliche Beratung zu allen Varianten beim Frauenarzt wäre durchaus sinnvoll, denn es geht hier um eine ganz entscheidende Weichenstellung, welche die Zukunft, die Gesundheit und die Beziehung beeinflusst. Doch so viel Zeit im Sprechzimmer lässt unser Gesundheitssystem nicht zu. Eine einfache Lösung für alle gibt es allerdings auch nicht, denn dazu sind Paare und ihre Lebensumstände zu unterschiedlich. Diese Artikelserie soll und kann keine Beratung beim Frauenarzt ersetzen, sie liefert aber Grundlagen, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

GEMEINSAME ENTSCHEIDUNG

Wie findet man die richtige Familienplanungsmethode? Die Frage sollte frau jedenfalls nicht mit sich selbst ausmachen, denn ein Paar ist gemeinsam fruchtbar und hat zusammen die Aufgabe, damit verantwortlich umzugehen. Eine geeignete Familienplanungsmethode sollte das Sicherheitsbedürfnis von beiden Partnern abdecken, keinem der beiden gesundheitlich oder psychisch schaden und eine erfüllende Sexualität ermöglichen. Wägt ein Paar hier nicht sorgfältig ab, können ernsthafte Probleme entstehen. Da erzählte zum Beispiel eine geschiedene Frau, dass ihr Ex-Mann gegen die Pille war. Sie konnten als Paar aber auch nicht über gute Alternativen sprechen. Ergebnis: Von zwei rasch aufeinander folgenden Schwangerschaften gleich nach der Hochzeit fühlte sich die Frau komplett überfordert und zutiefst verletzt. Eine andere Frau berichtete, wie sehr sie unter der Pille aufgrund sexueller Lustlosigkeit und ständigen Kopfschmerzen litt. Doch ihr Partner fand alle anderen Methoden inakzeptabel.
Ein Paar sollte sich intensiv über Wirkungsweisen, Sicherheit und Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden informieren und dann eine gemeinsame Entscheidung treffen – und diese auch von Zeit zu Zeit wieder hinterfragen. Dabei gilt es zu bedenken, dass keine Methode 100 Prozent Sicherheit bietet und Sex niemals von der Verantwortung für ein Kind entkoppelt werden kann. Fruchtbarkeit ist ein Geschenk und keine Selbstverständlichkeit. Sie sollte deshalb auch gepflegt werden, bis der Wunsch zur Familiengründung da ist.

WIE WIRKEN VERHÜTUNGSMITTEL?

Unzählige Faktoren müssen perfekt aufeinander abgestimmt funktionieren, um das Wunder einer Schwangerschaft zu sehen. Damit sich ein kleines neues Leben in die Gebärmutter einnisten kann, muss ein Eisprung vorhanden sein, befruchtungsfähige Spermien müssen den Eileiter zur richtigen Zeit erreichen und in die Eizelle eindringen (diese ist nur etwa acht Stunden befruchtungsfähig!), die befruchtete Eizelle darf nicht zu früh und nicht zu spät die Gebärmutter erreichen und muss dort auch ein gut vorbereitetes „Nest“ vorfinden. Jedes Verhütungsmittel greift an einer oder mehreren Stellen in diesen sehr komplexen Vorgang ein. Dabei kann entweder verhindert werden, dass es zur Befruchtung kommt, oder die befruchtete Eizelle wird an der Einnistung in die Gebärmutter gehindert. Je nach Definition vom Beginn der Schwangerschaft hat man es also entweder mit der Verhütung einer Schwangerschaft oder mit einer Frühabtreibung zu tun und damit auch mit einem ethischen Konflikt, den gerade Christen in ihre Überlegungen für die Wahl einer Verhütungsmethode mit einbeziehen möchten.

 

Angriffspunkt Gruppe von Verhütungsmitteln
Spermien gelangen nicht in den Eileiter Barrieremethoden (z.B. Kondom, Diaphragma)
Spermien gelangen nur zu einer Zeit in den Eileiter, zu der die Eizelle nicht befruchtungsfähig ist Zeitwahlmethoden (z.B. Natürliche Familienplanung)
Spermien werden abgetötet/geschädigt Chemische Methoden, Kupfersysteme, Hormonelle Verhütung
Hemmung des Eisprungs Hormonelle Verhütung
Veränderung des Sekrets am Gebärmutterhals (Quervernetzung der Schleimbausteine, die wie ein dichtes Netz die Spermien am Durchtritt hindert) Hormonelle Verhütung
Beeinflussung der Befruchtungsfähigkeit von Spermien (biochemische Veränderungen, die es Spermien erschweren, in die Eizelle einzudringen) Hormonelle Verhütung und Kupfersysteme
Hemmung der natürlichen Bewegung der Eileiter:  dadurch kann eine befruchtete Eizelle nicht oder nicht rechtzeitig in die Gebärmutter transportiert werden und stirbt ab Hormonelle Verhütung
Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut, sodass eine befruchtete Eizelle sich nicht einnisten kann Hormonelle Verhütung und Kupfersysteme

Aufgrund eines Übertragungsfehlers ist die Tabelle in der Printversion nur unvollständig wiedergegeben worden. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen!

Ab wann ist ein Mensch ein Mensch? Medizinisch gesehen lässt sich nach der Befruchtung keine Grenze mehr ziehen, da der Mensch sich kontinuierlich und nicht stufenweise entwickelt. Alle weiteren Definitionen sind philosophischer, aber nicht medizinischer Art. In der befruchteten Eizelle ist bereits alles vorhanden und festgelegt, bis zum Tode im Alter verändert sich nur noch die Zellanzahl und die Differenzierung der Zellen. Das deutsche Embryonenschutzgesetz für die künstliche Befruchtung schützt den Embryo deshalb ab der Befruchtung. Der Paragraph 218 StGB zum Schwangerschaftsabbruch hingegen wurde 1976 insofern geändert, dass Entfernungen der Schwangerschaft vor der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter nicht als Schwangerschaftsabbruch gelten. Das fiel in eine Zeit, in der Kupferspiralen neu auf den Markt drängten und sonst strafbar gewesen wären. Und diese Umdefinition vom Beginn einer Schwangerschaft hat bis heute zur Folge, dass in Beipackzetteln von Verhütungsmitteln Formulierungen wie „hat keinen Einfluss auf eine bestehende Schwangerschaft“ verwendet werden können. Für Anwenderinnen und ihre Ärzte wird es schwierig, die genaue Wirkungsweise zu ermitteln. Hinzu kommt, dass hormonelle und kupferhaltige Verhütungsmittel nicht eindeutig vor oder nach der Befruchtung ansetzen, da ihre Wirkung gleich auf mehreren Mechanismen beruht. Einen Überblick über die möglichen Wirkungsweisen verschiedener Familienplanungsmethoden bietet die Tabelle, weitere Details als Hilfe zur ethischen Beurteilung finden sich in den folgenden Beiträgen dieser Artikelserie zu jeder Methodengruppe.

BESTANDSAUFNAHME

Sprechen Sie einmal in Ruhe darüber, wie zufrieden Sie bisher mit Ihrer aktuell genutzten Familienplanungsmethode sind und beantworten Sie für sich die folgenden Fragen:

  • War es eine gut informierte Entscheidung, die wir gemeinsam und mit Gott getroffen haben?
  • Haben wir uns mit der Wirkungsweise auseinandergesetzt und Frieden darüber?
  • Geht es beiden gut damit oder gibt es unerwünschte Nebenwirkungen?
  • Können beide ohne Angst vor einer ungeplanten Schwangerschaft Sexualität erleben?

Eine Bestandsaufnahme als Paar lohnt sich! Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, haben Sie schon für sich die richtige Methode gefunden. Wenn nicht, wird die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Familienplanung für Sie von großem Wert sein

Katrin Kämmerzell

Dr. med. Katrin Kämmerzell lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern bei Stuttgart und arbeitet in einer gynäkologischen Praxis.

Mein unsichtbarer Freund

„Unser Sohn (4) hat seit kurzem einen unsichtbaren Spielgefährten. Wenn wir ihm seinen unsichtbaren Freund ausreden wollen, wird er wütend. Müssen wir uns Sorgen machen?“

Internationale Studien sagen, dass 37 Prozent der Kinder zwischen drei und sieben Jahren eine Weile mit einem imaginären Freund zusammenleben. Ihre Freunde entstehen in der Fantasie, sie sind mal bärenstark und schlau, mal keck und klein, aber immer unsichtbar. Andere Kinder beseelen zusätzlich ihre Stofftiere oder Gegenstände, mit denen sie reden und streiten, die sie ständig begleiten und schützen. Ein Ball im Wasser kann ein Delfin sein, ein Stock ein Pferd. Kommt ein Erwachsener hinzu, ist es sofort wieder der Stoffhase, Stock oder Ball. Das Kind wechselt blitzschnell zwischen seiner Fantasiewelt und der Realität. Insgesamt leben, laut Studien, 67 Prozent der Vorschulkinder in ihrer eigenen Vorstellungswelt.

FANTASIEVOLL UND INTELLIGENT

Ihr Kind „spinnt“ also nicht, es ist vielmehr eine ganz normale Entwicklung, es zeugt sogar von Intelligenz in diesem Alter zwischen Vorstellung und realer Welt umdenken zu können. Ihr Kind erfindet einen Fantasiefreund, der nicht immer ein Mensch sein muss. Diese Figuren entstehen entweder ganz in der blühenden Einbildungskraft oder werden durch Geschichten angeregt.
Der eingebildete Freund begleitet Ihr Kind nun Tag und Nacht, er muss sich nicht an Regeln halten, tut Dinge, die man niemals mit Mama oder Papa machen kann (zum Beispiel mit einem Einhorn durch den Wald reiten), er schützt das Kind oder ermutigt es. Gerade Einzelkinder suchen sich häufig einen Freund, der immer bei ihnen ist.

NEHMEN SIE IHR KIND ERNST

Wir Erwachsene leben ständig in einer realen Welt, es fällt uns häufig schwer, uns auf die „verrückten“ Ideen unserer Kleinen einzulassen. Gehen Sie auf den unsichtbaren Freund ein und lassen Sie ihn erzählen. So können Sie erfahren, was Ihr Kind bewegt, wovor es Angst hat, was es sich nicht zutraut oder wie es gerne wäre. Eher schüchterne Kinder werden sich einen starken Freund aussuchen. Großstadtkinder mit wenig Platz zum Toben suchen manchmal in ihrer Vorstellungskraft ein freieres Leben. Dieses unsichtbare Wesen begleitet Ihr Kind durch dick und dünn und hilft ihm die Welt, außerhalb des Elternhauses, mit all den Gefahren, Verboten und Geboten zu bewältigen. Manche Kinder entwickeln sogar ihre eigene Fantasiestadt, mit einer eigenen Sprache oder eigenem Geld. In der Kindertherapie werden schüchternen, ängstlichen oder auch auffallend aggressiven Kindern diese Fantasiewesen manchmal auch als Helfer und Beschützer zur Seite gestellt.
Mit Eintritt in die Schule wird ihr Kind immer mehr reale Freunde finden. Meist brauchen Kinder dann keine unsichtbaren Freunde mehr. Die kognitive Weiterentwicklung führt bei Grundschulkindern zu kritischem Denken, sie lernen ihre Gefühle besser auszudrücken und sind motorisch geschickter. Diese erweiterten Fähigkeiten helfen Ihrem Kind, die reale Welt immer besser zu meistern.

Doris Heueck-Mauß ist Entwicklungspsychologin und Psychotherapeutin und lebt in München

Auftanken im Vaterhaus

Christof Matthias feiert mit seinen Freunden Gottesdienst.

Es ist über 15 Jahre her. Mit ein paar Freunden saßen wir in unserem Wohnzimmer. An dem Abend beschäftigte uns die Frage, in welcher Art und Weise wir Gott am besten begegnen können. Die Brainstorming-Runde brachte die unterschiedlichsten Gedanken hervor: Gemeinschaft, Singen, nachdenkliche Impulse, Zeit zu hören, überschaubarer Rahmen und Kaffee natürlich. Wir wagten einen ersten Versuch, trafen uns in einer kleinen evangelischen Kirche.

Es war freier, vertraulicher und überschaubarer als ein sonntäglicher Gottesdienst. Unter den Initiatoren waren erstklassiger Musiker, erfahrene Seelsorger, Theologen und alle mit einem weiten Herz.

Aus dieser damaligen Idee ist eine feste Gewohnheit geworden. Wir treffen uns bis heute immer am letzten Dienstag im Monat und nennen das Ganze „Vaterhaus“. Der Ort hat gewechselt, Menschen kamen und gingen, einige blieben über all die Jahre treu. Wir beginnen immer mit „Hallo und wie geht’s?“ bei Kaffee, Tee, Gebäck, Chips und Flips. Ganz entspannt, zwanglos. Mal schauen, wer heute dabei ist und was er mitbringt. Nach und nach trudeln die Leute ein, wie auch immer sie es schaffen. Eine Maxime gilt: Wir machen uns keinen Stress. Das passt für uns nicht zu dem Gedanken des Auftankens und der freien Begegnung.

Irgendwann geht das Musikteam an den Start. Klavier, Gitarre, Saxofon und schöne Stimmen helfen uns, innerlich runterzufahren und unser Herz für Gott zu öffnen. Wir singen nicht nur drei bis fünf Lieder, wir lassen es laufen und kommen zur Ruhe.

Einer von uns hat im Vorfeld Gedanken, die ihn gerade bewegen, vertieft und für alle vorbereitet. Es geht uns immer und ausschließlich um das Thema Beziehung und Begegnung; was hilft und trennt, was belastet und befreit. Wir laden zum Austausch und zur persönlichen Reflektion ein. Zum Abschluss singen wir wieder oder wenden uns den Snacks zu. Auf jeden Fall bleiben wir aber im Gespräch, bis die Müdigkeit und die Vernunft uns nach Hause und ins Bett zwingt.

Ich erlebe diese Abende als „Rundumauftankerlebnis“. Das herzliche „Schön, dass du da bist!“, verbunden mit dem Geruch und Geschmack des Kaffees und meinen Lieblingschips, zeigt mir, dass ich willkommen bin. Das Gefühl, angenommen zu sein, brauche ich wohl mein Leben lang. Meine Seele scheint da ein dauerhaftes Bedürfnis zu haben. Die lieben vertrauten Menschen, die zuhören und denen ich Aufmerksamkeit schenken darf, zeigen mir, dass ich nicht allein bin. Wir stehen zusammen und sind füreinander da. Der aus meiner Sicht hervorragende Lobpreis durchdringt durch seine einfühlsame und abholende Art meine Fassade und wärmt mein Herz. Für mich eröffnet sich dabei immer wieder eine jenseitige Lebenswelt, die meine Seele berührt. Selbst nach einer halben Stunde will ich noch mehr davon. Es tut so gut. Die Gesprächs-Impulse geben mir die Gelegenheit, meine Erkenntnis zu weiten. Gerade im Austausch mit anderen kann ich meine Sichtweise hinterfragen und lerne dazu.

Ach, war das wieder ein schöner Abend. Mehr davon!

Christof Matthias

Christof Matthias ist freiberuflicher Supervisor und im Leitungsteam von Team.F, Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

 

 

 

 

Das Wirrwarr durchstehen

Wie das Linksabbiegen Stefanie Diekmann zum Nachdenken bringt.

Eigentlich ist Autofahren für mich zur Routine geworden. An einer Stelle auf meinem Weg durch Mainz bin ich aber jeden Tag neu angespannt. Hier ist ein richtiges Wirrwarr. Die Straßenbahn läuft parallel zur Straße und die Busspur kreuzt, gleich darf ich links abbiegen. Links – wie denn? An jedem Tag sagt mein Instinkt mir: „Nein, hier geht es nirgendwo über die Straßenbahntrasse. Keine Chance. Nun kommt auch noch ein Bus. Gleich knallt’s!“

In meinem Leben kenne ich diese Momente auch. Ich weiß um Gottes Begleitung, umbete meinen Alltag, und doch erscheint mir das Wirrwarr an Gefühlen, Gedanken, Forderungen und Wünschen ohne klare Zielführung. Manchmal sogar täglich neu. Als hätte ich noch nie eine brenzlige Situation umschifft oder einen Schiffbruch überlebt. Es ist ein mal fröhlich, mal verzweifelt gelebtes Chaos. Der Tag, an dem das Kind innerhalb von Sekunden krank wird und der ganze Tag neu geplant werden muss. Oder eine herausgebrochene Uralt-Zahnfüllung, die mehrere Arztbesuche erfordert. Ein Besuch bei Freunden, der sich als unerfreuliches Diskussionsforum entpuppt und noch Tage in meiner Seele hängt.

Lerne ich nichts aus den durchstandenen Situationen? Eine Frau sagte mal: „Ich habe mir diese schwere Nacht mit drei Magen- und Darm-Kindern bewusst eingeprägt, um mir später immer wieder sagen zu können: Das hast du überlebt – sogar gemeistert. Das wird jetzt nicht schlimmer sein.“

In meinem Wirrwarr verliere ich oft den Blick auf gute Erfahrungen und auf meine Stärken. Ich verliere auch den Bezug und die Verbindung zu Gott. Ich habe schon so oft erlebt, dass mir Liedtexte guttun, Gott sogar eingreift oder eine Idee schenkt. Wieso erinnere ich mich oft nicht daran, wie viel Kraft darin steckt?

Diese Kreuzung – jeden Morgen – ist meine Erinnerungshilfe. Jedes Mal, wenn ich denke: „Nein – hier geht es nicht weiter! Niemals kann ich hier links abbiegen!“, blinkt das Auto vor mir und zeigt mir die unscheinbare Stelle, wo die Trasse der Straßenbahn abgesenkt ist und ein abgenutzter Linksabbiegerpfeil ahnen lässt, wie die Spur zu nutzen ist.

Und wenn ich den Gegenverkehr lange genug in den Blick genommen habe und die Straße überquere, grinse ich über mich: „Klar! Hier kann man nicht abbiegen!“ Und ich murmle ein Leises „Danke, Jesus!“ Denn die Kreuzung ist wirklich ein echtes Wirrwarr!

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.

 

 

 

 

 

GIBT ES EIN SEXLEBEN NACH DER GEBURT?

Wenn sich der Nachwuchs einstellt, dreht sich erst mal alles ums Kind. Doch die frischgebackenen Eltern sollten die Romantik nicht aus den Augen verlieren, rät Sexualtherapeutin Veronika Schmidt.

Nur wenigen Paaren ist wirklich bewusst, wie stark ein Kind ihre Beziehung und ihr Sexleben durcheinanderbringen kann. Doch eigentlich ist es gar
nicht so schwer, die entsprechenden Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um ein Auseinanderdriften der frischgebackenen Eltern zu verhindern. Am leichtesten finden Paare in den Wochen nach der Geburt im Bett wieder zueinander, wenn sexuelle Begegnungen im positiven Sinne selbstverständlich sind und ein beständiger Teil der Beziehung bleiben.

Aber nicht erst die Zeit nach der Geburt kann für ein Paar zur Zerreißprobe werden. Auch schon davor sind Hürden für ein entspanntes Sexleben zu überwinden. Wenn der Kinderwunsch lange Zeit unerfüllt bleibt, ist Sex möglicherweise über Monate oder sogar Jahre nach Zyklusplan angesagt und zu einer Pflicht geworden. Manche Paare kapitulieren dann angesichts einer Art Überdosis. Eine ungeplante oder zu schnelle Schwangerschaft zu Beginn der sexuellen Beziehung versetzt das Paar in Stress und beeinträchtigt häufig auch die Entwicklung eines befriedigenden Sexlebens.

Auch Paare ohne solch eine Leidensgeschichte „vergessen“ manchmal einfach den Sex in der Schwangerschaft. Andere Paare werden übervorsichtig und ängstlich und gehen nicht mehr miteinander ins Bett, um das Baby nicht zu „stören“. Dazu scheitern manche Paare daran, dass sie die Frau nur in Extremen sehen können – als „Hure oder Heilige“. Diese verdrehte Perspektive kann auch nach der Geburt weiter wirken. Also müssen Frauen sich ihrer mütterlichen und ihrer erotischen Seite widmen, Männer in sich das Bild von ihrer Frau als Mutter und Liebhaberin vereinen können. Dass dies nicht allen Paaren gelingt, ist sicherlich ein Grund dafür, dass die Zahl der Seitensprünge in der heiklen Zeit von Schwangerschaft und Geburt so hoch ist.

KEINE ANGST VOR SEX IN DER SCHWANGERSCHAFT

Wenn es keine medizinischen Vorbehalte zum Beispiel wegen einer Risikoschwangerschaft oder Frühwehen gibt, braucht der schwangere Körper keine Sexabstinenz. Die gesundheitlichen Vorteile des regelmäßigen Sexlebens tun Körper, Seele, Geist und der Paarbeziehung gut. Es gibt Frauen, die ihre Sexualität während einer Schwangerschaft mehr genießen, weil sie jetzt nicht ungeplant schwanger werden können. Im ersten Drittel der Schwangerschaft ist die Lust oft nicht sehr groß, sie steigt im zweiten Drittel bei vielen Frauen aber wieder an. Weil die Geschlechtsorgane durch die Schwangerschaft besser durchblutet sind, erreichen Frauen sogar leichter einen Orgasmus. Gegen Ende der einzelnen Schwangerschaftsdrittel setzen die körperlichen Veränderungen der Lust auf Sex Grenzen. In dieser Phase könnten Paare mit schonenden Sexstellungen experimentieren oder auch andere erotische Möglichkeiten ausloten. Leider suchen viele Paare, die kaum Sex während der Schwangerschaft miteinander haben, auch sonst oft keinen Körperkontakt. Dabei tun sich Paare, die einander regelmäßig auf zärtliche Weise berühren, deutlich leichter, nach längerer Sexabstinenz wieder zueinander zu finden.

Es schadet der Beziehung, wenn man aufhört, sich erotisch zu begegnen. Egal, in welcher Beziehungsphase – Paare sollten sich beständig auch als erotisches Liebespaar sehen und dafür Sex „rationalisieren“. Das heißt, Sex als ganz natürlichen und normalen Bestandteil der Beziehung betrachten und ihn nicht einfach einstellen. So, wie sie weiterhin essen und trinken, schlafen und Sport treiben … Am wichtigsten ist dabei die Erkenntnis: Lust auf Sex fängt nicht bei der Lust an, sondern beim sexuellen Spiel, bei dem die Lust sich einstellen wird. Dass wir im Bett tun, was uns Spaß macht, ist eine wichtige Voraussetzung. Und das kann man erlernen (mehr dazu in meinem Buch „Alltagslust“).

MÄNNER MIT „GEBURTSTRAUMA“

Mit der Geburt beginnt dann ein neuer Lebensabschnitt für die Eltern. Heutzutage sind die Väter im Kreißsaal meistens dabei. Für viele ist das auch eine unglaublich schöne Erfahrung, aber nicht für alle. Immer wieder begegnen mir Männer in der Praxis, für die die Geburt ihres Kindes ein traumatisches Erlebnis war. Sie kriegen die Bilder nicht mehr aus dem Kopf vom Blut, den Verletzungen, dem Anblick der leidenden Frau, der Hektik im Gebärsaal. Manche tun sich dann schwer mit der Vorstellung, in diese Vagina wieder eindringen zu wollen und kämpfen mit dem Impuls „nie mehr Sex zu wollen“. Paare sollten darüber unbedingt im Vorfeld der Geburt sprechen. Ob er dabei sein will, welche Bedenken und persönlichen Grenzen er hat, wie er damit umgehen kann. Zum Beispiel: am Kopfende der Frau bleiben, sich keinen Spiegel in die Hand drücken lassen, den direkten Blick auf den Geburtsvorgang vermeiden. Werden Männer im Nachhinein ihre Eindrücke nicht mehr los, sollten sie sich unbedingt Hilfe holen. Besser auch schon davor. Es gibt einige Kliniken oder Anlaufstellen, die sich den Fragen der Männer zum Vaterwerden annehmen.

DEPRESSIONEN UND KÖRPERHASS

Offiziell leidet etwa eine von sechs Frauen an postnataler Depression. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Eine verständnisvolle Umgebung kann helfen, dass die Verstimmung nach ein paar Wochen von selbst wieder verschwindet. Doch wenn Unglücklichsein über die Mutterschaft und zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber anhalten, ist professionelle Hilfe angezeigt. Manchmal braucht es dazu den nachdrücklichen Anstoß von der nächsten Umgebung. Depressionen haben negative Auswirkungen auf die Partnerschaft, aber noch häufiger lösen schon bestehende Schwierigkeiten und unzufriedene Beziehungen die Depressionen aus – bei beiden Partnern. Auch das Körperbild trägt seinen Teil zur Unzufriedenheit bei. Der Bauch ist schlaff, die Brust überbeansprucht und das Übergewicht hartnäckig. Dass Männer ihre Frauen nach der Schwangerschaft nicht mehr attraktiv finden, oder dass Frauen unter ihrem Körper leiden, spielt bei der Sexver- drossenheit vieler Paare eine Rolle.

Die Hauptursache für die Unzufriedenheit sind oft unrealistische Vorstellungen, geprägt von Bildern Prominenter. Diese beenden ihre Schwangerschaft häufig per Kaiserschnitt, bevor der Körper die extremsten Veränderungen durchmacht. Und sie bringen sich mit teurem Personal Training innerhalb kürzester Zeit wieder in Bestform. Doch der Körper braucht mindestens neun Monate, um sich hormonell ans Nichtschwangersein wieder anzupassen. Damit ist der Körper rein äußerlich aber noch nicht zwingend im Ursprungszustand. Versöhnung mit dem „neuen“ Körper ist also angesagt. Ein befriedigendes Sexleben kann das Vertrauen in den eigenen Körper durchaus wachsen lassen.

WIE BEIM ERSTEN MAL

Wie der Körper verändert sich auch die Sexualität mit jeder Geburt. Der Sex muss neu ausprobiert werden. Einige Paare schlafen so schnell wie möglich wieder miteinander, bei anderen dauert es Monate, aus denen dann manchmal Jahre werden, wo Sex nur noch ab und zu stattfindet. Diesen Paaren rate ich sehr, das sexuelle Gleichgewicht wieder herzustellen. Denn der Kinderalltag ist zwar stressig und herausfordernd er kann aber der Beziehung auch neue Tiefe geben. Viele Frauen erleben zudem Sexualität nach der ersten Geburt viel ganzheitlicher und empfinden mehr dabei.

Manchmal kommt die Lust erst nach einiger Zeit zurück. Man sollte sich hier nicht unter Druck setzen. Aber man sollte trotzdem das Ziel „Lust“ auf dem Radar haben. Die Angst, gleich wieder schwanger zu werden, kann die Lust beeinträchtigen. Also lohnt es, über Verhütung zu sprechen. Stillen ist kein zuverlässiges Verhütungsmittel. Weil sich der Zyklus noch nicht wieder eingependelt hat, sind Verhütungsmethoden, die sich danach richten, ungeeignet. Kondome schützen nicht nur vor einer neuen Schwangerschaft, sondern auch vor Keimen, die eine Infektion verursachen könnten.

Der Körper braucht etwa sechs bis acht Wochen, um sich von der großen Umstellung von Schwangerschaft und Geburt zu erholen. Die Ablösung der Plazenta hat im Körper eine große Wundfläche hinterlassen. Ist di se abgeheilt und der Wochenfluss versiegt, kann man wieder miteinander schlafen. Die Lust der Frau auf Sex ist aber oft weniger ausgeprägt, weil sie durch das Stillen und die damit ausgeschütteten Hormone bereits Befriedigung erlebt. Geburtsverletzungen oder Schei- dentrockenheit wegen des Stillens können beim Geschlechtsverkehr zudem Schmerzen verursachen. Ein hochwertiges Vaginalgel kann Abhilfe schaffen. Der erste Sex nach der Geburt ist wie das erste Mal – nur leider ohne die Aufregung der Verliebtheit. Für die Zeit nach der Geburt kann es helfen, sich über Küssen und Petting der Sexualität wieder anzunähern, aber auch, sich emotional auszutauschen.

EIN KIND KANN PAARE UNGLÜCKLICH MACHEN

Nach der Geburt wird in der Partnerschaft vieles anders. Das Baby steht im Mittelpunkt, die Mutter muss sich erholen, der Alltag neu erfunden werden. Zum ersten Mal Eltern werden ist oftmals nicht nur reine Freude, sondern auch ein Schock. Untersuchungen zeigen: Viele Paare fühlen sich mit Baby unglücklicher als ohne. Gleichzeitig haben sie den Eindruck, sie müssten jetzt eigentlich rundum glücklich sein und setzen sich damit zusätzlich unter Druck. Doch nicht nur das Seelenleben, auch der Alltag muss neu geordnet werden.

Kinderbetreuung, Job, Hausarbeit, Hobbys, Gemeindeengagement, Paarzeit – das alles muss neu eingespurt werden. Ein Baby beansprucht etwa ein Viertel der verfügbaren Zeit. Vor der Geburt haben viele Paare den Haushalt einigermaßen fair aufgeteilt, die Mehrheit möchte dies beibehalten. Doch sobald Paare Eltern werden, wird die innerfamiliäre Aufgabenverteilung oft traditionell – auch entgegen der eigenen Ideale. Dieses Ungleichgewicht frustriert vor allem Frauen, denn sie müssen die persönlichen Bedürfnisse deutlich stärker einschränken.

Die Aufgabenteilung, die Beziehung, das Liebes- und Sexleben neu aushandeln klingt nicht sehr poetisch, ist aber eine Notwendigkeit. Wenn es nicht gelingen will, ist Beratung angezeigt. Denn es lauert die Gefahr der Unachtsamkeit. Die Kommunikation des Paares verändert sich nämlich. Oft wird der Umgangston mit dem Baby rauer, sogar gehässig. Paare sind kürzer angebunden und die Gesprächsthemen verändern sich. Die Verbundenheit bleibt nur bestehen, wenn man auch über Gefühle spricht, darüber, wie man sich fühlt bei dem, was passiert.

Es ist für die Paarzufriedenheit zudem entscheidend, regelmäßig ohne Kind etwas zu unternehmen, je früher, desto besser. Fehlende Zweisamkeit schadet. Am besten trägt man schöne Termine schon vor der Geburt in die Agenda ein. Denn man ist nicht nur Eltern, sondern auch Liebes- paar, und will es hoffentlich bleiben.

 

Veronika Schmidt arbeitet als Paar- und Familienberaterin und Sexualtherapeutin in eigener Praxis in Schaffhausen am Rhein. Im vergangenen Jahr ist ihr Buch „Alltagslust – ganz entspannt zu gutem Sex“ erschienen. Sie bloggt unter www.liebesbegehren.ch

 

Schlafen im Familienbett

„Unser Sohn will nicht in einem eigenen Bett schlafen. Stattdessen schläft er von Beginn an in unserem Ehebett. Nun überlegen wir, ob das Familienbett eine Option für uns ist?“

Dass kleine Kinder am liebsten bei ihren Eltern schlafen, macht evolutionsbiologisch deshalb Sinn, weil es dort sicher ist. Während wir schlafen, sind wir verletzlicher und ausgelieferter als tagsüber. Die Bedrohung durch wilde Tiere und andere Gefahren ist tief verwurzelt, wenn auch heutzutage unberechtigt. Wenn Ihr Kind also an Ihrer Seite schlafen möchte, braucht es die Sicherheit, Nähe und Geborgenheit, die Sie als Eltern aus-strahlen. Ein Familienbett bezeichnet das, was Sie sowieso schon praktizieren: Ihr Kind schläft mit in Ihrem Bett. Da sich immer mehr Eltern für diese Form der Schlafumgebung entscheiden, kursieren im Netz zahlreiche Bauanleitungen, wie Sie die Liegefläche verbreitern und gemütlich gestalten können, damit alle Familienmitglieder die nötige Erholung bekommen.

ERHOLSAMER SCHLAF

Viele Mütter schlafen besser und fühlen sich ausgeruhter, wenn ihr Kind nachts nah bei ihnen schläft. Zum einen vereinfacht das Schlafen im Familienbett das Stillen und Beruhigen, weil es das nächtliche Aufstehen überflüssig macht. Die Brust geben, Händchen halten, zurück in den Schlaf kuscheln – das geht alles liegend und im Halb- schlaf. Zum anderen überprüfen Mütter unbewusst, ob es ihrem Kind noch gut geht. Hören und spüren sie den Atem des Kindes, schlafen sie entspannter. Darüber hinaus wird im Familienbett das Hormon Oxytocin aktiviert, das die emotionale Bindung aller Familienmitglieder positiv beeinflusst. Und der größte Vorteil: Die manchmal unregelmäßige Atmung von Säuglingen kann durch den elterlichen Atem stimuliert werden.

NACHTEILE?

Sollten Sie sich für ein Familienbett entscheiden, werden Sie vermutlich zu hören bekommen, dass Sie Ihr Kind nie wieder aus Ihrem Bett heraus bekommen. Diese Sorge bewahrheitet sich in der Regel nicht. Ihr Kind wird dann in seinem eigenen Bett schlafen wollen, wenn es sich nachts auch ohne Sie wohlfühlt. Auch das Gerücht, dass ein Familienbett gefährlich sei, hält sich hartnäckig. Folgendes sollten Sie zur Sicherheit beachten:

    • Lassen Sie Ihr Kind in einem Schlafsack schlafen und nicht unter Ihrer Bettdecke.
    • Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind nicht an der Seite hinausfallen kann. Von verschiedenen Anbietern gibt es Gitter, Netze oder Ähnliches, um dies zu verhindern.
    • Achten Sie auf eine eher harte Matratze, um ein Einsinken des Kindes zu vermeiden. Ein Wasserbett eignet sich nicht als Familienbett.
    • Verzichten Sie auf Alkohol und andere Drogen, um auszuschließen, dass das Kind überrollt wird.

Ein populärer und häufig diskutierter Nachteil des Familienbetts ist der Sex. Im Familienbett selber geht es sicher nur ganz leise und zurückhaltend und kann auf Dauer keine befriedigende Lösung sein. Zum Glück sind Zärtlichkeiten aber nicht an ein Bett gebunden, hier ist Kreativität gefragt, auch andere Räume zu nutzen.

Julia Niewöhner ist Romanautorin, Mutter und Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Bielefeld.

Smartphone

DIE BOBO-APP

Katharina Hullen sucht nach Regeln zur Mediennutzung, auch für sich selbst.

Katharina: Jonathan – NEIN! Leg das zurück, das ist Mamas!“ – „Jonathan, Finger weg! Klapp das zu – der gehört Papa!“ – „Jonathan! Wo hast du das denn gefunden? Gib das her, das ist Amelies!“

Etliche Male pro Tag entwinde ich unserem Jüngsten irgendein Mobilgerät. Nicht selten bemerke ich erst, dass er wieder zugegriffen hat, wenn irgendwo die Musik „seiner“ App ertönt, die er mühelos durch Tippen, Wischen und Klicken findet und aktiviert. Niemand von uns musste ihm das zeigen – nein, plötzlich konnte er es einfach. Und seither ist kein Handy, Tablet oder Laptop vor seinen gierigen kleinen Händen sicher.

„Bobo?“ tönt es zu jeder Tageszeit aus unserem 2-jährigen Zwerg. Er liebt die Fil-me der Kinderbuchfigur und möchte am liebsten den ganzen Tag zusehen, wasBobo Siebenschläfer erlebt. Nicht dass wir ihm das erlauben würden – natürlich nicht –, wenngleich die Regeln für unser fünftes Kind ungleich lockerer sind als sie es für die ersten vier waren. Er darf eben nur manchmal und nicht täglich Bobo schauen.

Aber Bildschirme, Tasten und Lichter sind für ihn wahnsinnig interessant. Ich folge meinem Sohn, wie er sich mit seinem Hocker auf Beutezug begibt, um das iPad zu erhaschen. Dabei bemerke ich den Rest meiner Familie: Sie sitzen einträchtig versammelt im Wohnzimmer. Alle friedlich, still und voll konzentriert damit beschäftigt, das nächste Level bei irgendeinem Spiel zu erreichen,mit einer Freundin zu chatten oder online die Zeitung zu lesen.

Nichts geht mehr ohne! Uhrzeit, Mails, Termine, Fotos, WhatsApp, Fahrpläne, Wetter … Niemand von uns schafft es auch nur einen Tag ohne Handy. Ich spüre: Regeln müssen her – für alle. Wenn selbst die Kleinsten schon nerven, weil sie zu viel Medienzeit einfordern – wo führt das hin, wenn im nächsten Jahr die Zwillingeauch ein Handy bekommen? Noch mehr Geräte, noch mehr Verlockungen.

Offenbar sind wir als Eltern auch keine hinreichenden Vorbilder. Als ich meine große Tochter fragte: „Was macht Papa anders als Mama? Und was macht Mama anders als Papa?“, war ihre erste spontane Antwort: „Papa sitzt halt viel am Laptop und arbeitet zwar auch, aber der spielt ja auch viel und liest viel Zeitung. Mama macht irgendwie immer die wichtige Arbeit – Wäsche, Aufräumen und so …“ Aber um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Meine Mädels haben mich auch schon oft gemaßregelt, dass das Handy am Tisch nichts zu suchen habe, wenn ich meinte, dass diese oder jene Nachricht aber wichtig sei und dringend sofort beantwortet werden müsse. Ich klebe am Handy, Haukes Laptop klebt an ihm.

Unsere Kinder spielen und toben gern, und noch müssen wir sie nicht lange bit ten, sich eine andere Beschäftigung zu suchen. Aber ich fürchte, das Thema Medi- ennutzung wird größer.

Und damit es uns nicht über den Kopf wächst, sollten wir an Regeln für alle feilen.Bis es soweit ist und Jonathan das Sideboard noch nicht erreicht, lege ich die Geräte erst mal höher.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

 

FAKE-NEWS IM MINUTENTAKT

Hauke Hullen ist umgeben von Süchtigen und hofft, dass die Menschheit das Handyzeitalter überlebt.

Hauke: Vielleicht haben wir die Büchse der Pandora geöffnet. Wir können noch kein abschließendes Urteil fällen, aber alle Anzeichen deuten darauf hin. Unsere Büchse ist halb so groß wie ein Blatt Din A4, hat einen berührungsempfindlichen Bildschirm und muss jeden Abend an die Steckdose, um tags darauf weiter unsere Familie zu knechten.

Ganz recht, es handelt sich um ein Tablet. Seit dem Geburtstag der besten Ehefrau von allen zieht es alle in seinen Bann – nur mich natürlich nicht! Ich halte nichts davon, Stunden meiner Lebenszeit damit zu verschwenden, Filme auf einem doch recht kleinen Bildschirm zu verfolgen, mit einer für Hobbits ausgelegten Touch- screen-Tastatur zu kämpfen oder sich von Spiele-Apps auf Kindergeburtstagsniveau betäuben zu lassen. Das Verhalten meiner Kinder und meiner Frau nimmt allmählich suchtartige Züge an, denke ich immer wieder, wenn ich vom Laptop aufschaue, wo ich die Weltpolitik im Minutentakt verfolge und sehr wichtige Dinge in Internetforen ausdiskutiere.

Die größten Verheißungen der smarten Alleskönner sind Lösungen für Probleme, die sie selbst erst schaffen. „Nie wieder Langeweile!“, flüstert der App- Store – und die Kinder nölen seitdem pausenlos: „Papa, mir ist sooo langweilig, kann ich auf deinem Handy spielen?“ Unbegrenzte Kommunikation ermöglicht die Flatrate – und ehemals ausgiebige Telefonate degenerieren zum kurzatmigen WhatsApp-Stakkato. Das Internet verspricht Information und Wissen für alle – und doch ist die Welt plötzlich erfüllt mit Fake-News und Verschwörungstheorien.

Der Untergang der menschlichen Kultur steht also kurz bevor, der Zusammenbruch unserer Zivilisation dürfte noch vor der Eröffnung des Berliner Flughafens stattfinden. Zu den Hintergründen der BER-Bredouille möchte ich nichts weiter sagen, nur so viel: Baubeginn war 2006. Vier Monate später erschien das erste iPhone. Noch Fragen?

Doch vielleicht sind unsere Befürchtungen ja auch unbegründet. Vor 300 Jahren wurde vor der „Lesesucht“ gewarnt, Romane verdürben Charakter und Geist, weshalb Goethes „Werther“ in Österreich und Sachsen sogar verboten wurde. Auch Theater, Tanz und später das Kino wurden verantwortlich gemacht für den moralischen Niedergang. Dann: Fernsehen, Privatfernsehen, Programme ohne Sendeschluss – o tempora, o mores! Und noch schlimmer: Computerspiele. Und noch viel, viel schlimmer: Internet! Die Kombination von beidem: infernalisch!

Irgendwie hat die Menschheit all das überlebt. Offenbar haben Erwachsene grundsätzlich Bedenken bei neuen Technologien, mit denen Jugendliche aber wie selbstverständlich aufwachsen, um 20 Jahre später ebenfalls voller Sorge auf die „Jugend von heute“ zu gucken. Die Büchse der Pandora bleibt vorerst also noch geschlossen. Hoffentlich …

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Freiheit gewinnen

Ein Plädoyer fürs Loslassen. Von Priska Lachmann

Loslassen – ein Wort, das mit Schmerz verbunden ist. Sorgen und Ängste treiben mich als Mutter um, wenn mein Kind mir früh im Kindergarten vom Fenster aus winkt. Sie haben mich eingenommen, als unsere große Tochter zweimal in drei Jahren die Schule gewechselt hat. Kontrolle zu behalten und alle unschönen Erfahrungen von unseren Kindern fernzuhalten – das wäre mein Traum. Vor einem Jahr sind wir umgezogen. Wir haben gebaut und sind in unsere spießige Doppelhaushälfte mit Garten gezogen. Und ich saß in unserem neuen Haus und konnte die alte Wohnung in der Innenstadt nicht loslassen. Erinnerungen durchströmten mich, während ich in unsere braune Matschwüste – Garten genannt – starrte. Doch in diesen Empfindungen zu bleiben, bringt uns nicht weiter. Loslassen bedeutet auch Freiheit gewinnen. Freiheit von Ängsten und Sorgen. Freiheit von Lebenssituationen, die ich nicht mehr ändern kann.

ANDERS SCHÖN

Eine Freundin von mir hat vor einiger Zeit eine schlimme Diagnose bekommen: Multiple Sklerose. Da stand sie nun mit Säugling im Krankenhaus, gerade vom Sommerurlaub nach Hause gekommen, und sah ihr Leben vor einem Scherbenhaufen. Verzweiflung gehört in so einer Situation dazu, aber danach gilt es: Hoffnung schöpfen, die Ärmel hochkrempeln und anfangen zu kämpfen. Das alte Leben loslassen. Das perfekte alte Leben ohne Krankheit loslassen. Es kommt nicht wieder, aber es kann anders schön sein, und die Krankheit muss nicht das Leben bestimmen. Wenn sie nicht losgelassen hätte, hätte sie nicht anfangen können zu kämpfen. Loslassen kann man oft nur mit Gottes Hilfe. Allein sind wir häufig zu kraftlos, um alte Situationen aus unserem Leben loszulassen. Sei es eine zerbrochene Beziehung, Träume, die man in die Tonne werfen muss. Kinder, die ausziehen oder einfach nur in die Schule kommen oder ihren ersten festen Freund haben.

NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Und wenn man loslässt, findet man Freiheit. Die Bande der Angst, die unsere Kehle zuschnüren, verschwinden. Sorgen weichen. „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ So steht es in der Bibel. Ängste loslassen führt zu Freiheit. Furcht vor etwas Unbestimmtem, vor etwas, das eventuell in der Zukunft passieren könnte, lähmt und engt ein. Loslassen bedeutet, Kraft, Liebe und Besonnenheit ins eigene Leben einziehen zu lassen. Das eigene Herz wird frei. Die Kinder werden frei und können sich entwickeln, Stärke bilden und Selbstbewusstsein entwickeln. Neue Freunde kommen, die das Leben bereichern, neue Herausforderungen verändern den Charakter positiv. Loslassen schaffe ich im Gebet und im Vertrauen auf Gott. Ich kann nicht wissen, was die Zukunft bringen wird. Ich weiß nicht, ob mein Kind heute nicht vielleicht Probleme in der Schule haben wird. Ich weiß nicht, was das Leben für uns bereithält. Es ist nicht perfekt. Es ist aber in der Hand eines himmlischen Vaters und ich entscheide, wie ich mit den Dingen umgehe, die das Leben mit sich bringt. Ich entscheide loszulassen.

Priska Lachmann studiert Theologie und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Leipzig. Sie bloggt unter mamalismus. de.


Einen weiteren Artikel aus dem Dossier „Loslassen“ finden Sie hier.