Das erste Treffen mit der Freundin

„Unser Sohn studiert an einem anderen Ort und hat dort seine Freundin kennengelernt. Sie sind seit über einem Jahr zusammen. Nun möchte er sie uns vorstellen, worüber wir uns sehr freuen. Trotzdem machen wir uns Gedanken, wie wir dieses erste Treffen möglichst entspannt gestalten können.“

Dies ist wahrscheinlich eine neue Situation für Sie. Bisher haben Sie die meisten Freunde und Freundinnen Ihres Sohnes gekannt, weil sie im selben Ort lebten. Irgendwann hört dieser Zustand auf, und es treten Menschen in das Leben des erwachsenen Kindes, die wir als Eltern nicht mehr kennen. Und nun auch noch eine neue „Unbekannte“, die bisher nur vom Hörensagen eine Rolle in der Familie spielt. Als Eltern kann einem das schon mal die Schweißperlen auf die Stirn treiben: Wie wird sie sein? Werden wir uns mit ihr verstehen? Wird sie mit den Umgangsformen unserer Familie klarkommen? Da könnte schon allerhand schiefgehen – muss es aber nicht. Denn die junge Frau ist wahrscheinlich genauso aufgeregt und angespannt wie Sie auch. Sie wird sich freuen über ein lockeres und warmes Willkommen und über so viel Selbstverständlichkeit wie möglich.

DER ERSTE EINDRUCK
Ich denke gern an so ein erstes Kennenlernen in unserer Familie zurück. Die Freundin unseres Sohnes zeigte sich als unkomplizierte und freundliche junge Frau, die es uns leicht machte, ins Gespräch zu kommen. Am Anfang waren beide Seiten entsprechend aufgeregt, und auch unserem Sohn war der Stress der Situation anzumerken. Die Aufregung legte sich schnell, ein ausgedehntes Frühstück trug zur Lockerheit bei, und gemeinsame Gesprächsthemen waren schnell gefunden. Beiden Seiten scheint es wichtig zu sein, sich möglichst positiv zu zeigen, nach dem Motto: Der erste Eindruck zählt! Das kann, muss aber nicht so sein. Auch ein nicht so gelungener Auftakt, zu dem es vielleicht vor lauter Anspannung kommt, muss nicht der Anfang einer schlechten Beziehung sein. Mit etwas Humor und Gelassenheit kann sogar eine nicht so glücklich gelaufene erste Begegnung Anlass für ein entspanntes zukünftiges Miteinander sein. Mir hat der Gedanke geholfen, dass unser Sohn einen guten Geschmack hat und dass er ja schließlich mit der Freundin zurechtkommen muss. Als Eltern sind wir zwar irgendwie Teil des Ganzen, aber auch nur am Rande interessant. Gute Beziehungen brauchen Zeit zum Wachsen und zum Reifen, und so lohnt es sich, immer wieder neu dort zu investieren.

NEUE FARBE
Ich möchte Ihnen Mut machen, diese Begegnung als Chance zu sehen, sich selbst, die eigene Familie und eine ganz andere Familie mit anderen Werten, aber auch manchen Gemeinsamkeiten kennenzulernen. Durch die Partner unserer Kinder kommt oft eine neue Farbe in unsere Familie. Wir entdecken neue Seiten an uns und lassen uns auf kleine und große Herausforderungen im Miteinander ein. Offenheit und eine gute Portion Gottvertrauen helfen uns dabei, eine Chance in dem Neuen zu sehen, sich nicht zu verschließen und die Tür füreinander offenzuhalten.

 

Antje Rein leitet das Lebensnah Institut für Beratung, Bildung und Coaching, www.lebensnah-institut.de.

Shoppen

GLITZERSTICKER FÜR DIE PARTYHÖHLE

Katharina Hullen hofft, dass ihre Kinder einen guten Umgang mit Geld lernen – schließlich gehen die Eltern mit schlechtem Vorbild voran.

Katharina: Ich komme vom Einkauf nach Hause und grüble, wie ich es finde, dass unsere Tochter gerade dem Bettler vor Aldi ihr halbes Monatstaschengeld geschenkt hat. Dass die andere Tochter ihrerseits alles in Süßigkeiten umsetzt und die dritte trotz voller Brotdose zum Schulkiosk geht. Was ist der richtige Umgang mit dem eigenen Geld? Sie sollen doch vernünftige Entscheidungen treffen lernen! Dann fällt mein Blick auf meinen Einkauf und ich bin ertappt: Kaufrausch! Oh! Ein Spiel für den Großen, das spielt er im Kindergarten doch so gerne! Und da – Glitzersticker für die Mädchen. Auch gut für Kindergeburtstagsgeschenke! Zahlenrätsel für die Eltern! Lustige Plätzchenausstecher für Freunde! Ah! Strumpfhosen für die Kinder – davon kann man nie genug haben! Ich neige zu Fehlkäufen! Ich bin ja voller Erkenntnis und sage inzwischen immer öfter „Nein, wir brauchen das nicht!“, aber der Einkauf heute muss wohl als Rückschlag gewertet werden. Hauke kann das übrigens auch sehr gut: Unnützes Zeug kaufen! Ich bin eher die „Beeren-Sammlerin“ – viele Kleinigkeiten, die uns die Schränke zumüllen. Er ist vom Ursprung der Jäger. Er schießt nur die ganz großen Sachen! So recherchierte er wochenlang, was wir für ein Gerät kaufen könnten, um die Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Räumen zu messen, damit wir Schimmelbildung vorbeugen können. Er bestellte schließlich eine Wetterstation für 150 Euro. Dieses dolle Ding konnte alles – Temperatur, Luftdruck, Windstärke – alles außer Luftfeuchtigkeit! Im Keller liegt Zubehör für ein Schrank-/Regalsystem für über 300 EUR. Inzwischen kann man es nicht mehr umtauschen – einbauen auch nicht. Kein Platz! Überall sind schon Regale und Schränke. Dann brauchten wir dringend ein Beschriftungsgerät, so ein Maschinchen, welches sofort passende Etiketten ausdruckt, die man überall hinkleben kann. Die erste Rolle Etiketten steckt immer noch im Gerät. Nein – wir brauchten es nicht! Und vor kurzem kam Hauke mit glitzernden Augen vom Bauhaus-Einkauf zurück. Er hatte rotierende Disco-Lampen ergattert. Nicht nur eine – nein, gleich fünf, damit eine ganze Etage zur Partyhöhle umgebaut werden kann. Großartig! Manchmal frage ich mich, wie wir den Kindern den richtigen Umgang mit Geld beibringen sollen, wenn wir es selbst so oft nicht schaffen. Vielleicht ist das Geheimnis, die Kinder jetzt mit ihrem kleinen Taschengeld ihre „Fehlkäufe“ machen zu lassen, damit sie lernen, später bessere Entscheidungen zu treffen. Und vielleicht muss auch beim Thema „Geld ausgeben“ nicht alles immer dem Diktat der Notwendigkeit gehorchen. Für ein fröhliches Leben können ja auch mal Glitzersticker unter der Discolampe aufblitzen!

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

GUMMILAPPEN VOM OMELETTE-MEISTER

Hauke Hullen kann sich mit den Einkäufen seiner Frau nicht immer anfreunden, auch wenn sie ihm zugutekommen sollen.

Hauke: Shoppen ist ein Erlebnis! Und zwar nicht nur für meine Frau, sondern insbesondere für mich, wenn ich abends sehe, welchen Krempel Kathi mit nach Hause gebracht hat. Ich verstehe das nicht – es gibt doch einen Einkaufszettel, auf dem Dinge draufstehen und Dinge nicht draufstehen, daher sollte doch klar sein, was man in den Wagen packt und was nicht! Doch leider interessieren sich maßgebliche Teile meiner Familie nicht so sehr für das schnelle Geldverdienen, eher für das schnelle Geldausgeben. Die bekannte Regel lautet ja, dass man nicht hungrig einkaufen gehen soll. Dummerweise würde es nichts bringen, wenn Kathi sich nur gut gesättigt auf den Weg in den Supermarkt machen würde. Denn Kathis Antrieb ist nicht der leere Magen, sondern das große Herz! Da ist Platz für so viele Menschen, die sie beglücken will. Gibt es auf der Aktionsfläche tatsächlich eine Kekspackung, wo links oben der Name einer unserer Töchter draufsteht? Tatsache! Das muss gekauft werden, auch wenn es sich um ein recht garstiges Marzipangebäck mit 54 Prozent Zuckeranteil handelt, welches weder ich noch die Kinderschar, vor allem aber nicht besagte Tochter essen mag. Sollen unsere Kinder nicht bestmöglich auf die Schule vorbereitet werden? Welch ein Zufall, dass es just jetzt Rätsel-, Rechen- und Schreiblernhefte auf dem Wühltisch gibt! Ich korrigiere: gab. Eine komplette Kommode im Flur ist nun bis an den Rand gefüllt mit Lernhilfen aller Art. Und obwohl sich unsere Vorschulkinder in den Sommerferien tapfer durch das schriftliche Dividieren gekämpft haben, kauft meine Frau schneller Lektüren nach, als die Kinder sie wegarbeiten können. Der Esstisch sah während der Vorbereitung aufs neue Schuljahr aus wie ein pakistanischer Sweat-Shop, wo kleine Kinderhände im Schummerlicht Akkordarbeit leisten. Und, natürlich, die Tupper-Party! Im Vorfeld verkündet die beste Ehefrau von allen, wie überflüssig sie solche Veranstaltungen fände und dass sie ganz gewitzt nur das Begrüßungsgeschenk abstauben wolle. Wenig später konnte sie allerdings weder der Salatschüssel, den Wurstdosen noch dem „Omelette-Meister“ (der heißt wirklich so) widerstehen, wo doch ihr Göttergatte sich gerne mal ein Omelette brät. Dieses Tupper-Teil für die Mikrowelle wurde übrigens genau einmal benutzt, weil es statt knusprig gebrutzelter Eierspeisen nur einen fettfreien Gummilappen hervorbringt. Und so geht das mit vielen Einkäufen. Das letzte Holzspielzeug war pädagogisch wertvoll (und damit gleichermaßen ohne jeglichen Spielanreiz), die urigen Brotfladen waren appetitlich anzusehen, bis sie sich in blauen Pelz kleideten, und mir bleibt es weiterhin ein Rätsel, warum Kathi Blumen kauft, wenn Gäste kommen, die ihrerseits Blumen mitbringen. Hier wie da ergibt der Satz „Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen!“ wirklich einen Sinn!

 

 

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

„Ist ein Studium besser?“

„Unsere Tochter (17) macht im nächsten Jahr das Abitur. Eigentlich würde sie gern eine Ausbildung machen, aber alle raten ihr zum Studium, weil das langfristig bessere Möglichkeiten bietet. Stimmt das?“

So pauschal kann man das nicht sagen. Zwar sind statistisch gesehen Akademiker weniger von Arbeitslosigkeit betroffen und verdienen tendenziell mehr, aber im Einzelfall kann das ganz anders aussehen. Statt Berufs- und Einkommensaussichten sollte Ihre Tochter lieber ihre Interessen und Fähigkeiten in den Blick nehmen.

VIELE MÖGLICHKEITEN
Wer sich gern theoretisch mit Themen beschäftigt, ist bei einem Studium gut aufgehoben. Wer Dinge lieber praktisch angeht, sollte eher nach einer Ausbildung schauen. Sinnvoll kann auch eine Kombination aus beidem sein: zum Beispiel erst eine Ausbildung zur Medienkauffrau, anschließend ein Studium der Betriebs- oder Medienwissenschaft. Oder Ihre Tochter informiert sich über die Möglichkeiten eines dualen Studiums: Hierbei wechseln sich Studierphasen an der Hochschule mit praktischen Phasen im Ausbildungsbetrieb ab. Wie bei einer betrieblichen Ausbildung wird der Studierende bezahlt. Allerdings sind duale Studiengänge oft sehr arbeitsintensiv. In der Schweiz steckt das duale Studium noch in der Pilotphase. Hier gibt es neben der betriebsinternen Ausbildung und dem Hochschulstudium in manchen Berufsfeldern auch die Möglichkeit einer schulischen Ausbildung an einer Höheren Fachschule. Bei einem Studium müsste sich Ihre Tochter selbst finanzieren, es sei denn, sie kann ein Stipendium oder BAföG (in der Schweiz Bildungs-Darlehen) in Anspruch nehmen. In der Ausbildung sind die Gehälter zwar nicht üppig, aber viele Jugendliche genießen es, von den Eltern mehr oder weniger unabhängig zu sein.

DIE QUAL DER WAHL
Aber wie findet man nun den passenden Ausbildungsberuf oder das geeignete Studienfach? Hier bietet sich die Studien- und Berufsberatung der Agentur für Arbeit als erste Anlaufstelle an, in der Schweiz ein Berufsinformationszentrum. Erfahrene Berufsberater können mit Ihrer Tochter zusammen herausfinden, wo ihre Stärken und Interessen liegen und welche Berufe oder Studienfächer diesen entsprechen. Universitäten bieten für bestimmte Studienfächer auch sogenannte Self-Assessment-Tests an, die zeigen können, ob man für diesen Studiengang geeignet ist. Auch Studien- und Berufswahlmessen können Ihrer Tochter bei ihrer Entscheidung helfen. Die sollte sie aber nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen treffen.

 

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT. Sie hat Literaturwissenschaft studiert, obwohl viele meinten, dass das brotlos sei …

Als Eltern versagt?

Eltern wollen gern alles richtig machen, um ihren Kindern keine Steine für ihr späteres Leben in den Weg zu legen. Doch ohne Fehler geht es nicht. Von Debora Güting

Ich habe als Vater versagt.“ Daniel* sitzt vor mir und weint. Ich bin erschüttert. Er ist ein Vater wie aus dem Bilderbuch. Wir kennen uns seit etwa 15 Jahren, in denen seine beiden Söhne geboren sind. Ich weiß, wie wichtig es ihm ist, ein guter Vater zu sein. Denn sein eigener Vater war abwesend bis abweisend. Daniel unternimmt viel mit seinen Jungen. Er ist ein Abenteurer, und seine beiden Kinder erleben viel mit ihm. Linus, der Ältere, war gerade in einer schweren Phase in der Schule, hörte nicht auf seine Eltern und sortierte sich als Teenager neu. Da passierte es: Linus wollte auf ein Wochenende mit Freunden. Kurz vorher gab es einen Konflikt, und Daniel nahm ihm als Konsequenz das Handy weg. So wie das Wochenende geplant war, würde Linus es nicht wirklich brauchen und sich hoffentlich mal mehr offline beschäftigen. Aber das Wochenende verlief anders. Linus geriet in eine traumatisierende Notlage, die über das ganze Wochenende anhielt. Er konnte sich nicht mit seinen Eltern in Verbindung setzen, weil ihm das Handy fehlte. „Ich habe ihn im Stich gelassen“, sagt Daniel gebrochen. „Als er mich brauchte, konnte ich ihn nicht schützen. Ich bin schuld an dem, was er erlebt hat.“ Als ich mit Daniel rede, ist der Vorfall schon ein Vierteljahr her. Sie waren zusammen in einer Beratungsstelle, Linus hatte psychologische Betreuung, und die Situation in der Schule ist noch schwerer als vorher. Zu Hause ist der Umgang mit Linus so unerträglich und voller ungelöster Konflikte, dass Daniel überlegt, ihn in einem Heim unterzubringen. Er und seine Frau Petra sind mit ihrer Erziehung am Ende. Daniel weint. So hat er sich das Vatersein nicht vorgestellt. Ich leide mit, als ich seine Geschichte höre. Ich habe Daniel noch nie weinen gesehen. Was würde ich in einer Situation machen, in der mein Kind, teilweise durch mein Zutun, in eine solche Notlage gerät? Wie würde ich mit so einer Schuld umgehen?

DAS LEBEN VERMASSELT?
Das Wort „Schuld“ erinnert mich schmerzlich an einen Artikel, den ich von einer Freundin empfohlen bekam. Darin ging es um „sechs wahre Ursachen von Süchten“ Erwachsener, die alle auf die Erziehung ihrer Eltern zurückzuführen seien. Ursache könne sowohl sein, dass der Erwachsene als Kind überbehütet wurde, als auch dass er allein gelassen und seine Bedürfnisse nicht befriedigt wurden. Nach dem Lesen dieses Artikels hatte ich Schuldgefühle und sah meine vier Kinder als verkorkste Erwachsene vor mir, die mir vorwerfen, ich habe ihr ganzes Leben vermasselt. Nach Aussage dieses Artikels hatte ich schon alles Mögliche falsch gemacht. Ich fühlte mich fast schuldig, dass ich meinen Kindern angetan hatte, meine Kinder zu sein. Mit etwas Abstand fragte ich mich: Wie vielen Eltern, die diese Auflistung lesen, hilft dieser Artikel, gute Eltern zu sein? Sind wir alle von Schuldgefühlen getrieben? Bemüht, nur nichts falsch zu machen? Sind wir Eltern wirklich an allem schuld, was unsere Kinder in ihrem Erwachsenenleben tun oder nicht tun? Ich bin gern Mutter von meinen vier Kindern. Ich freue mich, wenn meine Kinder etwas erobern, wenn sie aus ihren Fehlern lernen, wenn sie Freude aneinander haben, wenn sie einander trösten oder mit sich selbst ringen. Ich freue mich, wenn wir Zeit miteinander verbringen, lesen, spielen, die Sonne genießen. Ich finde, Elternsein sollte Freude machen – und nicht ständig von möglichen Mängeln oder falschen Entscheidungen beherrscht sein.

ZEHN ERZIEHUNGSFEHLER
Vor ein paar Jahren war ich bei einem Vortrag zum Thema Erziehung. Ich erinnere mich, dass der Referent sagte, dass wir als Eltern auch Fehler machen dürfen – und dass selbst kleine Kinder Erziehungsfehler verzeihen würden. Sein Argument war, dass Kinder merken, wie wir es grundsätzlich mit ihnen meinen, selbst wenn wir mal anders handeln oder überreagieren. Wenn wir unsere Kinder im Allgemeinen mit ihren Bedürfnissen wertschätzen und annehmen, wird aus einem Mal, an dem wir sie übergehen, keine Problematik entstehen. Bis zu zehn Erziehungsfehler am Tag seien völlig normal. Erst ab über zwanzig Fehlern pro Tag verliere ein Kind die Orientierung in der Erziehung. Was für eine Befreiung! Ich darf als Mama auch noch Mensch sein! Meine Kinder sind robust und können mich als Otto-Normal-Mutter aushalten und einordnen – auch wenn ich nicht immer alles richtig mache. Ein wunderbarer Ratschlag kommt von Christof und Hedwig Matthias von der christlichen Beratungsorganisation Team.F. Sie wissen um die Problematik, dass wir als Eltern unseren Kindern nicht alles sein und alles geben können. Sie geben diese Sorge um ihre Kinder in Gottes Hand, indem sie beten und ihn bitten, die Lücken zu füllen. Das Gebet könnte so aussehen: „Herr, hilf uns, die guten Eltern zu sein, die du dir in uns vorgestellt hast. Fülle du die Lücken und gib unserem Kind die Dinge, die es braucht, die wir aber nicht geben können.“ Gott ist mit im Spiel. Er ist der Schöpfer von Eltern und Kindern. Er hat uns als Familie zusammengestellt. Gott findet offenbar, dass ich meinem Kind eine gute Mutter sein kann. Und das will ich, so gut ich kann, erfüllen. Gott weiß, dass ich menschlich bin, Fehler habe und meinem Kind nicht alles vermitteln kann. Aber Gott hat noch mehr Möglichkeiten. Ich will ihm zutrauen, mein Kind in der Hand zu halten und sich um mein Kind zu kümmern – besser und umfangreicher, als ich es kann.

LAST ABGEBEN
Aber was ist, wenn etwas kolossal schiefläuft wie bei Daniel und Linus? Hier gibt es natürlich keine universalen Antworten. In Daniels und Linus‘ Fall hat Daniel es grundsätzlich gut gemeint, aber im entscheidenden Moment tatsächlich das Unglück mit provoziert. Was passiert ist, ist aber nicht Daniels Schuld. Das Leben auf diesem Planeten läuft nicht reibungslos oder gar schmerzlos ab – für niemanden. Nicht für Daniel, nicht für Linus, nicht für mich oder für Sie. Dafür immer nach dem Schuldigen zu suchen, führt niemanden in die richtige Richtung: weder „Opfer“ noch „Täter“. Natürlich sollte sich Daniel bei Linus entschuldigen und seinen Anteil an dem Vorfall besprechen – aber die Schuld an dem, was andere Linus angetan haben, trägt er nicht. Er konnte nicht wissen, wie sich sein Handeln auswirken würde. Jesus hat die Schuld der Welt am Kreuz getragen. Er hat auch unsere Schuld getragen, egal, ob wir etwas absichtlich oder aus Versehen falsch gemacht haben. Er kann diese Last tragen. Wir können es nicht. Es macht uns kaputt. Wir dürfen diese Last an Jesus abgeben – immer wenn sie uns drückt oder erdrückt.

SEGEN GESCHENKT
Ich denke da gern an Josef aus der Bibel: Josef hat einen Weg gefunden, mit einem „Vorfall“ fertig zu werden. Seine Brüder hatten ihn aus Neid als Sklaven in ein fremdes Land verkauft. Sicherlich grollte Josef ihnen. Aber als er den Brüdern viele Jahre später begegnete, war er nicht ein verbittertes Opfer. Josef hatte unterwegs gelernt, seinen Lebensweg anzunehmen und Schritte von da aus zu gehen, wo er war – so deplatziert das auch schien und so gern er seine Schritte woanders gegangen wäre. Gott gab Josef eine Schlüsselposition, um später seine ganze Familie zu retten. Josef vergab seinen Brüdern. Er ließ das geschehene Unrecht in Gottes Hand – und Gott konnte Schritte mit Josef gehen. Er konnte Josefs Leben lenken und einen Segen schenken, der ohne das Leid in Josefs Leben nicht so enorm groß und faszinierend ausgefallen wäre. Trauen wir Gott zu, dass er das Leben unserer Kinder heute in seiner Hand hält, auch wenn sie – wie wir ja auch – Leid erleben und ertragen müssen. Gott hat die Kontrolle – nicht wir Eltern. Was für ein Befreiungsschlag!

 

Debora Güting ist Referentin und Teil des Pastoralteams der Kirche des Nazareners in Seligenstadt, verheiratet mit Johannes und hat vier Kinder.

Wunsch vs. Wirklichkeit

Es kann herausfordernd sein, einen Weg zwischen dem zu finden, was sich Eltern erträumen und dem, was Kinder wollen. Und nicht immer ist das Ringen um einen Kompromiss stressfrei.

Es ist MEIN Leben!“ – Wie oft habe ich meinen Eltern diesen Satz unter Tränen an den Kopf geworfen? Nach dem Abitur ging ich für ein halbes Jahr von zu Hause weg. Für meine Eltern war der Abschied schmerzhaft, vor allem weil sie es nicht kannten, dass ihre Kinder für eine längere Zeit an einem anderen Ort lebten. Als ich nach sechs Monaten zurückkam, waren sie überglücklich und hatten bereits Pläne im Kopf, wie mein Leben nun weitergehen sollte.

LOSLASSEN LERNEN
Entgegen aller Hoffnungen und Erwartungen entschied ich mich für ein Studium, das etwas weniger als drei Stunden von meiner Heimat entfernt war. Für meine Mutter war es wie ein Stich ins Herz. Ich erinnere mich daran, wie oft sie mich überzeugen wollte, dass es doch ebenso in unserer Umgebung gute Studiengänge gebe. Und auch für mich war der Schritt nicht einfach. Der Gedanke, meine Familie nur noch ab und zu am Wochenende sehen zu können, machte mich traurig. Trotzdem wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte und es an der Zeit war, loszulassen. Loslassen – etwas, mit dem sich meine Mutter auch heute noch, fast drei Jahre nach meiner Entscheidung für das Studium, schwer tut. Im ersten Jahr nach meinem Umzug hatten wir fast täglich Kontakt, haben mehrmals die Woche telefoniert. Mir tat das gut und es hat mir geholfen, weil ich in meiner neuen Stadt noch niemanden kannte und plötzlich auch mit ganz praktischen Fragen konfrontiert war. Mit der Zeit wurde der Kontakt seltener und manchmal wünsche ich mir heute, dass sie öfter fragen würde, wie es mir geht.

FREIHEIT ERWÜNSCHT
Im Abstand von vier bis fünf Wochen fahre ich am Wochenende in die Heimat. Für meine Mama ist es nach wie vor nicht einfach, mich sonntagabends wieder gehen zu lassen. Besonders in der vorlesungsfreien Zeit ist die Erwartung meiner Eltern, dass ich für die gesamte Zeit nach Hause komme. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie noch immer nicht akzeptieren können, dass ich nun in einer anderen Stadt lebe und nicht nur studiere. Immer wieder haben meine Mutter und ich Meinungsverschiedenheiten bezüglich meiner Zukunft. Sie erzählt mir von ihren Wünschen für mein Leben. Ich spüre, dass sie unzufrieden mit meiner Studienwahl ist, dass sie sich etwas anderes für mich wünscht. Das setzt mich unter Druck und macht mich traurig. Was ich jedoch in den letzten drei Jahren lernen musste, ist, dass ich meinen eigenen Weg gehen muss, weil es mein Leben ist! Was ich mir wünschen würde? Mehr Freiheit. Freiheit von Erwartungen; Freiheit, meine Zukunft selbst kreieren zu dürfen. Es ist okay, dass meine Eltern nicht bei jeder meiner Entscheidungen Beifall klatschen. Ich wünsche mir lediglich, dass sie hinter mir stehen – unabhängig davon, ob mein Weg ihrem Ideal entspricht. Zweifelsohne kann ich sagen, dass ich meinen Eltern sehr dankbar bin für ihre Liebe und Unterstützung. Ich danke meiner Mutter für all ihr Nachfragen, ihr Mitgefühl und ihre finanzielle Unterstützung. Und ich danke ihr, dass sie mich jedes Mal, nachdem ich zu Hause war, mit so vielen Lebensmitteln versorgt, dass ich die nächsten vier Wochen überleben kann. Letztendlich weiß ich, dass ich geliebt bin und das ist doch das, was zählt.

 

Die Autorin möchte anonym bleiben.

Der einsame Wolf hat ausgedient

Männer kommen schon alleine klar? Christof Matthias hat festgestellt, dass er nur in Beziehungen wachsen kann.

Die ersten Anmeldungen für unseren Männertag kommen immer von Frauen. Sie wollen ihren Männern etwas Gutes tun und ihnen Begegnungen und Beziehungen ermöglichen. Der Leidensdruck scheint bei ihnen höher zu sein als bei ihren Männern selbst. Eine Anruferin fragte, ob sie ihren Mann denn schicken dürfe, denn er hätte ja gar keine Freunde. Viele Männer, die ich kenne, mich selbst eingeschlossen, kommen ganz gut alleine klar und empfinden das auch nicht als Mangel. Manche wünschen sich auch Freunde, wissen aber nicht, wie sie es anstellen können. Aber warum sollte Mann etwas ändern, wenn er doch scheinbar gar nicht leidet? Aus meiner Sicht gibt es dafür drei Gründe: Der Horizont erweitert sich, Freundschaften bieten Chancen zu persönlichem Wachstum und machen das Leben schöner. Wo immer ich den Weg des einsamen Wolfes verlassen und die Gemeinschaft zu anderen Männern gesucht habe, konnte ich mich mit anderen Sichtweisen auseinandersetzen und dazulernen. Jedermann erlebt und beschreibt die Welt aus anderen Augen und hat persönliche Erfahrungen gemacht. Die Geschichten, die dahinter liegen, sind immer spannend und bereichernd. Ich habe den Kontakt und den Austausch mit anderen Männern noch nie bereut. Ganz egal, ob es dabei um das Gespräch mit einem Nachbarn auf der Straße ging oder den Austausch am Lagerfeuer nach einer Motorradtour in der Wüste Arizonas. Wenn wir bei unseren Eheseminaren die Paare in Männer- und Frauenrunden aufteilen, reden die Männer meist länger als die Frauen. Ich habe den Eindruck, dass alle froh sind, ihrer inneren Einsamkeit zumindest für diese Zeit entflohen zu sein. Mir fällt es nicht zu, mein Herz sofort für andere zu öffnen. Aber wenn es gelingt, empfinde ich Entlastung, Freude und inneren Frieden. Hier scheint das innere Bedürfnis nach Anteilnahme und Verständnis befriedigt zu werden. Das ist für mich ein Stück Lebensqualität. Dazu kommt, dass uns die Bibel dazu auffordert, charakterlich zu reifen und geistlich zu wachsen (Epheser 4,13+14). Wäre es nicht bedauerlich, wenn dich ein alter Freund nach vielen Jahren mit den Worten begrüßt: „Du bist ganz der Alte geblieben“? Wo erfährt der einsame Wolf eine Reflexion seiner Schwächen? Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, ist jede meiner Veränderungen in einem Beziehungskontext begründet. Wir sind aufgefordert, einander zu ermutigen, zu korrigieren und zu ermahnen. Korrigieren lasse ich mich aber eher von Menschen, denen ich vertrauen kann. Ich musste und muss mich deshalb immer fragen: Wo sind denn meine Vertrauten? Vertraute wachsen nicht an Bäumen, Vertrauen muss vorsichtig und langsam entwickelt werden, braucht Zeit und Pflege. Ich habe für mich entschieden, dass ich nicht einsam alt werden möchte und nicht als Wolf Angst und Schrecken verbreiten will. Deshalb nehme ich den Kalender in die Hand, schaue frühzeitig nach freien Zeiten, schreibe Einladungsmails oder telefoniere. Wenn ich die Pflege von Beziehungen nicht bewusst einplane, ist am Ende oft keine Zeit mehr übrig. Ich weiß gewiss: Gott hat mich nicht als Einzelgänger geschaffen, aber um mit jemandem zusammen ein Stück zu gehen, muss ich auf ihn zugehen.

 

Christof Matthias ist in der Leitung von Team.F und freiberuflicher Supervisor, Vater von drei leiblichen Söhnen, einem mehrfach behinderten Pflegesohn, zwei Schwiegertöchtern und Opa von zwei Enkeltöchtern.

Herzenswärme

Was eine Badfliese mir über Gott zeigen kann. Von Stefanie Diekmann

Wie eine Marionette des täglichen Lebens lasse ich mich führen und steuere nach dem Aufstehen durch das Bad, durch die Küche zum Frühstück, dann ins Arbeitszimmer, um das Handy aus der Ladestation zu nehmen. Mechanisch lasse ich mich ins Auto fallen und checke, ob ich Schlüssel, Portemonnaie und Kalender habe. Während ich noch ganz herzenstaub vor mich hinfahre, werde ich von einem Radfahrer am Kreisverkehr geschnitten. Vollbremsung. Ein Gefühl wie eine Dusche aus Eiswürfeln. Der Radfahrer guckt zwar erschrocken, nickt aber freundlich. Ich atme tief voller Erleichterung, dass nichts geschehen ist. Nichts geschehen? Wie erstarrt ist mein Herz? Ich bin so gedankenlos, dass eben fast etwas Schlimmes passiert wäre. Ich schüttele meine unsichtbaren Marionettenfäden ab, um wacher und bewusster weiterzufahren. Ich habe an diesem Morgen überhaupt nicht gespürt, wie warm meine Füße durch die Heizung auf den Badfliesen sind, wie wohltuend das Wasser und der Duft meines Apfelshampoos. Ich habe überhaupt nichts dabei gedacht, als ich im Kühlschrank nach meinem Lieblings-Joghurt griff und meinen Hund begrüßte. Es ist, als wolle meine To-do-Liste mir das Spüren vermiesen. Als wäre mein Kopf auf lautlos gestellt. Im Büro muss ich noch an etwas anderes denken, eine kleine Situation vor ein paar Tagen: Ein kleiner Junge (1) sitzt mir im Kindersitz im Van seiner Eltern gegenüber. Er sucht meinen Blick, macht Laute, wenn ich wegsehe und ist begeistert, wenn meine Augen seine endlich finden. Er blinzelt und juchzt. Ein kleines Spiel und doch: Es erwärmt mein Herz. Was für ein kleiner Schatz! Später stelle ich mir vor, wie sehr Gott meinen Blick sucht, mir Gelegenheiten schenkt, ihn zu treffen und mich durch und durch zu erwärmen. Und ich? Ich bin damit beschäftigt, mich zu beklagen, zu seufzen, meine Tätigkeiten zu resümieren und mein Wollen voranzutreiben. Dabei wird mein Herz ganz taub. Ich möchte mehr den Blick Gottes suchen und dann wahrnehmen, wie sehr mir diese kleine Geste am Tag Kraft gibt! Ich brauche keine großen Ereignisse und besonderen Events. Ich darf spüren, was schon ist. Darf ersinnen, was mir nah kommt mit Gottes Herzenswärme. Ich darf mich ärgern, mich freuen und mir etwas dringend wünschen. In meinen Tee pusten und spüren, wie heiß er ist. Den Backofen-Kürbis würzen und kosten. Was für ein voller und auch wundervoller Tag. Meine Aufgaben werden nicht weniger durch mehr Blickkontakt mit Gott. Aber mit Herzenswärme bleibe ich lebendiger. Vielleicht bleibe ich morgen einfach mal auf den wärmenden Badfliesen stehen und lächle in mich hinein. Stelle mir vor, wie Gott meinen suchenden Blick trifft und sich über mich freut. Wie er einen Laut der Begeisterung macht, weil ich ihn entdeckt habe. Weil Gottes Herz voller Wärme für mich schlägt …

 

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.

Rechtschreibung

UMZINGELT VON LEHRERN

Katharina Hullen muss sich in ihrer Familie mit Sprachfetischisten herumschlagen.

Katharina: Kennen Sie das? Fünf Jahre im Büro, auf dem Bau oder im Verkauf und schon denkt, fühlt und glaubt man wie alle anderen der Branche. Man wird scheinbar völlig betriebsblind für die „normalen“ Verhaltensweisen der restlichen Welt. Der Bankangestellte kann nicht verstehen, was so kompliziert am Ausfüllen von Formularen sein soll. Und die Sprechstundenhilfe kann sich nicht vorstellen, dass der neue Patient den Weg zum Laborraum nicht kennt, obwohl sie ihn heute doch schon zwanzigmal erklärt hat. Jeder Experte scheint im täglichen Kampf mit der völligen Unwissenheit seines Umfeldes zu sein, und das nervt offenkundig. Aber vielleicht ist es auch andersherum. In unserer Familie ist es so, dass wir umgeben – ich würde sogar sagen: umzingelt! – sind von Lehrern. Ich komme auf zehn Personen im unmittelbaren Freundes- und Familienkreis, die es von Berufs wegen immer besser wissen. Die zwei unausweichlich nächsten Lehrer sind Hauke und seine Mutter! Beide haben einen stark ausgeprägten Sprach-Fetisch, worunter jeder hier manchmal zu leiden hat. Nichts Schriftliches in diesem Haus entgeht ihren zwanghaften Rechtschreibkorrekturen. Vielleicht kommen die Kinder deshalb gern zu mir oder dem Opa, um ihre kindlichen Aufsätze inhaltlich würdigen zu lassen, bevor Papa und Oma mit dem Text ins Gericht gehen. Selbst Untertitel im Fernsehen, die jeder normale Mensch kurz überfliegt und ignoriert, lassen Hauke und Rosi stereo zusammenzucken, wenn sich dort ein Rechtschreibfehler eingeschlichen hat: Das geht doch nicht! Im Fernsehen! Wie peinlich! Das lesen doch Hunderttausende! Sie sehen überall buchstäblich rot! Irgendwo fehlt immer ein Komma oder eine Endung! Unsere geknechteten Grundschulkinder wissen bereits alle Zeitformen fachsprachlich auszudrücken und selbstverständlich darüber hinaus auch, was eine Alliteration und ein Palindrom ist. Ich wundere mich, dass sie immer noch so gerne Geschichten schreiben, obwohl ihnen die Rechtschreibung schon so oft um die Ohren geflogen ist. Bei unseren Mädchen ist es eindeutig – sie haben das Deutschlehrer-Gen! Wortwitze, Kalauer und sprachliche Spitzfindigkeiten, wo auch immer die Hullens beisammen sind. Am Tisch, im Auto, im Bett (!) – überall lauert eine sprachliche Pointe. Ich danke Gott, dass er mir so viel Humor geschenkt hat, denn sonst wäre das nicht lebenslang zu ertragen. Und wie gut, dass wir Menschen so anpassungsfähig sind. Ich konnte in den letzten 20 Jahren meine Aussprache durch die liebevolle Korrektur meines großartigen Privatlehrers auf hochsprachliches Niveau emporwuchten. Die Kommas in diesem Text hat übrigens meine Schwiegermutter gesetzt, und ab und an rutscht mir auch noch ein „Helf mir bitte mal …“ heraus. Aber dat sind de Gene – da machste nix!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

DER DEPPENAPOSTROPH UND DER UNTERGANG DES ABENDLANDES

Hauke Hullen leidet unter einer Berufskrankheit.

Hauke: Als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, lebt man auf der Sonnenseite des Lebens: Vormittags hat man recht, ab 12 Uhr frei, das fürstliche Gehalt verprasst man in zwölf Wochen Ferien, und einmal im Jahr gibt’s sogar eine Woche Extra-Urlaub, den man mit der 8d in der Jugendherberge Kleinstrupp-Wüsthausen verbringt! Doch es gibt als Lehrer, zumal als Deutschlehrer, leider auch einen Aspekt, der diesen paradiesischen Zustand immer wieder stört: Man entdeckt ständig Rechtschreibfehler! Nicht nur in Schülertexten, nein, auch in freier Wildbahn! Für Menschen, die mit einer, nun ja, hohen Toleranz gegenüber sprachlichen Normverstößen gesegnet sind, mag meine Pein unverständlich sein. Doch für mich ist ein falsch gesetztes Komma wie ein Pickel, der ein hübsches Antlitz verunstaltet und der die Aufmerksamkeit gerade deshalb auf sich lenkt, weil man krampfhaft versucht, ihn nicht wahrzunehmen. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Schüleraufsätze, sondern um Texte, die Erwachsene verunstalten. Zum Beispiel der Aushang beim Arzt, demnach die Praxis „mittwoch’s von 9-12 Uhr“ geöffnet hat. Oder suchen Sie mittels Internet-Bildersuche nach dem „Deppenapostroph“! Die Ergebnisse dürften Sie ausgiebig erheitern oder zutiefst frustrieren. Und wenn Sie nichts Außergewöhnliches sehen, dann leben Sie bitte einfach zufrieden weiter. Sie sind ja nicht alleine – selbst eine Partei, deren Name hier nicht genannt werden soll, forderte im Wahlkampf eine „Schule für’s Leben“, in der offenbar liberal mit Rechtschreibung umgegangen werden sollte. Ein Hort zwiespältiger Freuden ist auch die Kommasetzung. Viele halten sie für unwichtig, dabei ist sie lebensrettend: „Komm wir essen Opa!“. Setzen Sie bitte Kommas nach Belieben. Aber auch bei „Max sein bester Freund und Moritz griffen nach den beiden Fallschirmen“ oder beim Befehl „Tötet ihn nicht freilassen!“ ist der Beistrich von größter Bedeutung. Ein geradezu tragikkomisches Beispiel lieferte auch eine große Baumarktkette. Sie plakatierte: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Ich bin geneigt, hinzuzufügen: „Kriegen wir auch nicht wieder rein.“ Und auf die zahlreichen unfreiwilligen Mehrdeutigkeiten durch unklaren Satzbau à la „Freund von Prinz William getötet“ (Süddeutsche Zeitung) kann ich aus Platzgründen an dieser Stelle leider gar nicht erst eingehen. Doch was bedeutet das für unser Familienleben? Ich will es etwas anders machen als meine Mutter damals. Als ich ihr nach dem Abi stolz meinen ersten Artikel in der Lokalzeitung zeigte, war ihr erster Kommentar: „Hier fehlt aber ein Komma.“ Sie hatte natürlich recht, hätte an dieser Stelle aber diskret am Pickel vorbei auf meinen ersten Bericht gucken sollen. Ich möchte die beste Ehefrau von allen und unsere Kinder nicht mit meiner Besserwisserei frustrieren. Ich will aber auch nicht für den Untergang des Abendlandes verantwortlich sein, dessen sicherstes Merkmal bekanntermaßen die Verlotterung der Sprache ist. Meiner Frau ist dieses Dilemma egal. Sie würde sagen: „Es ist schwer für Deutschlehrer eine Lösung zu finden.“

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Zum Auszug drängen?

„Unsere Tochter (21) ist nach ihrer Ausbildung von ihrer Firma übernommen worden. Sie möchte erst mal weiter bei uns wohnen bleiben. Wir glauben aber, dass es ihr gut tun würde, eine eigene Wohnung zu haben. Sollen wir sie drängen auszuziehen?“

Noch vor einer Generation war es gar nicht so selten, dass junge Frauen im Alter von 21 Jahren bereits eine eigene Familie hatten. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich diese Vorstellung vollkommen verändert. Junge Menschen finden später ihre Partner und sie brauchen länger Zeit, sich von ihrer Herkunftsfamilie abzunabeln. Die Gründe dafür sind vielfältig: Längere Ausbildungszeiten sind ein Grund dafür. Aber auch das harmonischere Miteinander in vielen Familien lässt junge Menschen lange zaudern, bis sie endlich den Schritt auf die eigenen Füße wagen.

ELTERNHAUS BEDEUTET SICHERHEIT
Das gilt für junge Männer genauso wie für die Frauen. Junge Menschen wollen heutzutage ihre eigene Kindheit möglichst lange hinauszögern und genießen. Das ist durchaus verständlich. Aber davon abgesehen, dass Ihre Tochter es sicherlich genießt, noch immer „beeltert“ zu werden, hat sie möglicherweise auch Angst davor, es allein nicht zu schaffen. Da ist die Miete, die sie künftig von ihrem Gehalt zahlen muss, dann die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt. Bisher konnte sie wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sie zu Hause versorgt wurde und vielleicht noch gar nichts von ihrem bisherigen Verdienst abgeben musste. Sie müssen Ihre Tochter nicht drängen auszuziehen. Manche junge Menschen brauchen einfach ein wenig mehr Zeit, bis sie innerlich bereit sind, sich vom Elternhaus räumlich zu trennen. Diese Zeit sollten Eltern ihren Kindern gönnen.

VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN
Ihre Tochter sollte allerdings – spätestens jetzt – die Verantwortung für ihren Lebensunterhalt übernehmen. Nach Beendigung ihrer Ausbildung bezieht sie ein volles Gehalt. Deshalb ist es folgerichtig, wenn sie nun auch ihren Beitrag zu den Lebenshaltungskosten beisteuert. Wie hoch dieser Beitrag sein soll, bemessen Sie individuell nach ihrem Verdienst und den Kosten, die Sie bisher für sie übernommen haben. Wenn sie Angst davor hat, nicht mit ihrem Geld auszukommen, sobald sie auf eigenen Füßen steht, dann rechnen Sie mit ihr aus, welche Kosten für sie entstehen werden, wenn sie auszieht. Machen Sie gemeinsam mit ihr einen Plan und zeigen sie ihr, wie sie mit ihrem Geld auskommen kann. Helfen Sie ihr eine günstige Wohnung zu finden, die nicht nur bezahlbar ist, sondern in der sie sich auch wohl fühlt. Sollte sich Ihre Tochter trotzdem emotional noch nicht von Ihnen lösen können, so kann es ihr helfen, wenn Sie viel mit ihr telefonieren. Bestimmt hilft es ihr, wenn die Eltern in der Nähe wohnen und sie im Notfall schnell vorbeikommen könnte. Richten Sie mit ihr gemeinsam die neue Wohnung ein. Das macht Spaß und gibt Ihrer Tochter ein wenig Nestwärme zurück. Begleiten Sie Ihre Tochter auf diesem wichtigen Weg in die Selbständigkeit. Es ist wie damals, als Ihre Tochter laufen lernte: Eltern müssen loslassen und Kinder müssen die eigenen Fähigkeiten entdecken und mobilisieren.

Ingrid Neufeld ist Erzieherin und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Töchtern. Sie lebt in Mittelfranken.

Shisha verbieten?

„Unser Sohn (17) trifft sich gern mit Freunden zum Shisha-Rauchen. Wir sind dagegen, dass er raucht. Aber können und sollen wir es ihm verbieten?“

Einem 17-Jährigen die Shisha verbieten – ein schwieriges Unterfangen. Denn einem jungen Mann kurz vor seiner Volljährigkeit, der mit einem Bein noch in der Pubertät steckt, sagen zu wollen, was „gut“ für ihn ist, ist ähnlich wie der Kampf gegen Windmühlen. Vor allem weil Shishas, E-Shishas und E-Zigaretten immer beliebter werden und als gesundheitlich unbedenkliche Alternative zum Rauchen gelten. Unter Fachkreisen ist aber inzwischen bekannt, dass das Rauchen einer Wasserpfeife oder Shisha genauso schädlich ist wie das Rauchen einer Zigarette und ähnlich hohes Suchtpotenzial birgt. Ab Mai 2018 wird das Shisharauchen in Österreich deshalb in allen Bars komplett verboten sein. In Deutschland gibt es diesbezüglich ebenfalls Überlegungen. Für E-Shishas gilt, dass das Rauchen in der Öffentlichkeit für Minderjährige verboten ist.

VIEL MEHR NIKOTIN
Shisha-Tabak wird in diversen Geschmacksrichtungen verkauft und ist aufgrund der großen Auswahl auch recht exotischer Aromen sehr beliebt. Immer wieder neue Aromen lassen immer wieder „Neues“ entdecken, gemeinsam im Austausch oder allein. Zusammengehörigkeitsgefühle wachsen. Aber: Die Aromen sind gesundheitlich bedenklich. Der Tabak in einer Shisha verbrennt nicht, sondern er schwelt bei niedrigen Temperaturen. Das Wasser in der Pfeife kühlt nur den Qualm, filtert aber nicht Giftstoffe wie Acrolein, Arsen und Formaldehyd sowie Schwermetalle wie Chrom, Nickel, Kobalt und Blei. Auf dem Tabakpäckchen steht „Enthält 0 g Teer“. Teer an sich ist zwar nicht im Tabak enthalten, entsteht aber bei der Verschwefelung. Dann gelangt es in die Lunge und verklebt die lebenswichtigen Lungenbläschen. Eine Wasserpfeife wird mit 5-10 g Tabak gefüllt, eine Zigarette enthält nur etwa 0,7-0,8 g Tabak. An einer Zigarette wird etwa achtmal gezogen, an einer Wasserpfeife zwischen 100- und 200-mal. Durch das lange Rauchen der Shisha, als Zeremonie „gefeiert“, nehmen die Raucher sogar viel mehr Nikotin auf.

OFFENES GESPRÄCH
Das sind die Fakten. Aber was tun mit dem Sohn? Aufklärung und ein offenes Gespräch über die Sorge, die man als Eltern hat, ist die eine Sache. Zwar sind manche Jugendliche heute im medialen Zeitalter durch das Internet und vermeintliche „neutrale“ Foren gut informiert, verlassen sich aber anderseits auch immer wieder auf Hören-Sagen im Freundeskreis. Es kann sinnvoll sein, mit dem Jugendlichen eine Suchtberatungsstelle aufzusuchen. Das verdeutlicht, wie wichtig Sie als Eltern Ihren Sohn nehmen. Wenn Sie das Shisha-Rauchen zu Hause verbieten, wird der Konsum eingeschränkt. Das reduziert die Gesundheitsgefährdung und setzt Grenzen und klare Signale. Bemühen Sie sich darum, diese Verhandlungen mit dem Jugendlichen in einem wertschätzenden Miteinander zu führen – das ist schon die halbe Miete. Die andere Hälfte ist die Eigenverantwortung, in die der Jugendliche hineinwächst und bei der er das Vertrauen seiner Eltern braucht.

Liane Duesenberg arbeitet als Suchtberaterin im Blaukreuz-Zentrum Coburg, www.blaues-kreuz.de.