„MEIN SOHN HAT SCHULDEN“

„Als ich kürzlich bei meinem Sohn zu Besuch war, zeigte er mir mehrere Schreiben von Inkasso-Unternehmen, die Geld von ihm forderten. Das Grundproblem ist, dass er mit seinem Einkommen nicht klarzukommen scheint. Wie sollen wir als Eltern uns verhalten?“

Zunächst einmal können Sie ihm signalisieren, dass Sie sich freuen, dass Ihr Sohn so viel Vertrauen hat, dass er sich Ihnen öffnet. Denn zuzugeben, dass man sich finanziell übernommen hat und mit den Konsequenzen nicht mehr klarkommt, ist beschämend und kostet wirklich Mut. Ein erster Impuls, die Schulden zu übernehmen, sollte gut bedacht werden. Oft ist zu beobachten, dass der junge Erwachsene sich danach erneut verschuldet.

WIE KOMMT ES ZU SCHULDEN?

Das selbstständige Leben mit festen Verpflichtungen wie Miete oder Strom ist für junge Erwachsene noch ungewohnt und birgt manche Tücken. Im Freundeskreis dazuzugehören, kostet Geld: Mobilität, Erreichbarkeit, Fitness- studio, gemeinsame Unternehmungen … Schnell geht da der Überblick verlo-ren. Auch unvorhergesehene Ereignisse wie eine Stromnachzahlung oder eine Autoreparatur sind nicht so leicht aufzufangen. Bargeldloses Bezahlen (ec-Karte, Lastschriften) erschwert es, den Überblick über die Ausgaben zu behalten. Für vieles werden Verträge abgeschlossen. Dabei Kündigungsfristen im Auge zu behalten, gelingt nicht immer. Eine typische Falle für Schulden bei jungen Erwachsenen sind Verträge, die für Freunde abgeschlossen werden. Der Freund verspricht, regelmäßig zu zahlen, doch schon nach kurzer Zeit funktioniert das nicht mehr.

WAS HILFT?

Im akuten Fall ist ein Gang zur Verbraucher- oder Schuldnerberatung anzuraten. Die fachliche Unterstützung, um die Rechtmäßigkeit der Forderungen zu überprüfen, einen Ratenzahlungsplan aufzustellen oder auch Vergleiche mit den Gläubigern zu schließen, ist sehr hilfreich. Vorbeugend ist es sinnvoll, ein Haushaltsbuch zu führen. Monatliche und jährliche Einnahmen und Ausgaben übersichtlich einzutragen, bedeutet auch, sich mit seinem Konsum auseinanderzusetzen. Weshalb gebe ich Geld wofür aus, welche Einstellungen stehen dahinter? Ein Haushaltsbuch braucht Disziplin, ist aber hilfreich, um das eigene Konsumverhalten besser kennenzulernen. Außerdem ist es hilfreich, regelmäßig Geld zurückzulegen, damit unvorhergesehene Ausgaben und größere Investitionen finanziert werden können.

Erwachsen werden bedeutet auch, Fristen und Termine einzuhalten, sich begehrte Dinge zu versagen, bis man sie sich leisten kann, den Überblick über die komplexe finanzielle Situation zu erwerben. Es ist ein Lernprozess, bei dem Fehler passieren dürfen.

Geld ausgeben zu können hat in unserer wohlstands- und konsumorientierten Gesellschaft Bedeutung für das Selbstwertgefühl und sichert die soziale Zugehörigkeit. In einem gemeinsamen Gespräch könnten diese Aspekte besprochen werden.

Michaela Schnabel ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.

 

→ Finanz-Helfer

Haushaltsbücher gibt es auch digital oder als App, z.B. den „Finanzchecker“der Sparkasse.

Hilfreiche Tipps und Tools gibt es auf diesen Websites:

www.verbraucherzentrale.de
www.geldundhaushalt.de
www.schulden.ch

Smartphone

DIE BOBO-APP

Katharina Hullen sucht nach Regeln zur Mediennutzung, auch für sich selbst.

Katharina: Jonathan – NEIN! Leg das zurück, das ist Mamas!“ – „Jonathan, Finger weg! Klapp das zu – der gehört Papa!“ – „Jonathan! Wo hast du das denn gefunden? Gib das her, das ist Amelies!“

Etliche Male pro Tag entwinde ich unserem Jüngsten irgendein Mobilgerät. Nicht selten bemerke ich erst, dass er wieder zugegriffen hat, wenn irgendwo die Musik „seiner“ App ertönt, die er mühelos durch Tippen, Wischen und Klicken findet und aktiviert. Niemand von uns musste ihm das zeigen – nein, plötzlich konnte er es einfach. Und seither ist kein Handy, Tablet oder Laptop vor seinen gierigen kleinen Händen sicher.

„Bobo?“ tönt es zu jeder Tageszeit aus unserem 2-jährigen Zwerg. Er liebt die Fil-me der Kinderbuchfigur und möchte am liebsten den ganzen Tag zusehen, wasBobo Siebenschläfer erlebt. Nicht dass wir ihm das erlauben würden – natürlich nicht –, wenngleich die Regeln für unser fünftes Kind ungleich lockerer sind als sie es für die ersten vier waren. Er darf eben nur manchmal und nicht täglich Bobo schauen.

Aber Bildschirme, Tasten und Lichter sind für ihn wahnsinnig interessant. Ich folge meinem Sohn, wie er sich mit seinem Hocker auf Beutezug begibt, um das iPad zu erhaschen. Dabei bemerke ich den Rest meiner Familie: Sie sitzen einträchtig versammelt im Wohnzimmer. Alle friedlich, still und voll konzentriert damit beschäftigt, das nächste Level bei irgendeinem Spiel zu erreichen,mit einer Freundin zu chatten oder online die Zeitung zu lesen.

Nichts geht mehr ohne! Uhrzeit, Mails, Termine, Fotos, WhatsApp, Fahrpläne, Wetter … Niemand von uns schafft es auch nur einen Tag ohne Handy. Ich spüre: Regeln müssen her – für alle. Wenn selbst die Kleinsten schon nerven, weil sie zu viel Medienzeit einfordern – wo führt das hin, wenn im nächsten Jahr die Zwillingeauch ein Handy bekommen? Noch mehr Geräte, noch mehr Verlockungen.

Offenbar sind wir als Eltern auch keine hinreichenden Vorbilder. Als ich meine große Tochter fragte: „Was macht Papa anders als Mama? Und was macht Mama anders als Papa?“, war ihre erste spontane Antwort: „Papa sitzt halt viel am Laptop und arbeitet zwar auch, aber der spielt ja auch viel und liest viel Zeitung. Mama macht irgendwie immer die wichtige Arbeit – Wäsche, Aufräumen und so …“ Aber um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: Meine Mädels haben mich auch schon oft gemaßregelt, dass das Handy am Tisch nichts zu suchen habe, wenn ich meinte, dass diese oder jene Nachricht aber wichtig sei und dringend sofort beantwortet werden müsse. Ich klebe am Handy, Haukes Laptop klebt an ihm.

Unsere Kinder spielen und toben gern, und noch müssen wir sie nicht lange bit ten, sich eine andere Beschäftigung zu suchen. Aber ich fürchte, das Thema Medi- ennutzung wird größer.

Und damit es uns nicht über den Kopf wächst, sollten wir an Regeln für alle feilen.Bis es soweit ist und Jonathan das Sideboard noch nicht erreicht, lege ich die Geräte erst mal höher.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

 

FAKE-NEWS IM MINUTENTAKT

Hauke Hullen ist umgeben von Süchtigen und hofft, dass die Menschheit das Handyzeitalter überlebt.

Hauke: Vielleicht haben wir die Büchse der Pandora geöffnet. Wir können noch kein abschließendes Urteil fällen, aber alle Anzeichen deuten darauf hin. Unsere Büchse ist halb so groß wie ein Blatt Din A4, hat einen berührungsempfindlichen Bildschirm und muss jeden Abend an die Steckdose, um tags darauf weiter unsere Familie zu knechten.

Ganz recht, es handelt sich um ein Tablet. Seit dem Geburtstag der besten Ehefrau von allen zieht es alle in seinen Bann – nur mich natürlich nicht! Ich halte nichts davon, Stunden meiner Lebenszeit damit zu verschwenden, Filme auf einem doch recht kleinen Bildschirm zu verfolgen, mit einer für Hobbits ausgelegten Touch- screen-Tastatur zu kämpfen oder sich von Spiele-Apps auf Kindergeburtstagsniveau betäuben zu lassen. Das Verhalten meiner Kinder und meiner Frau nimmt allmählich suchtartige Züge an, denke ich immer wieder, wenn ich vom Laptop aufschaue, wo ich die Weltpolitik im Minutentakt verfolge und sehr wichtige Dinge in Internetforen ausdiskutiere.

Die größten Verheißungen der smarten Alleskönner sind Lösungen für Probleme, die sie selbst erst schaffen. „Nie wieder Langeweile!“, flüstert der App- Store – und die Kinder nölen seitdem pausenlos: „Papa, mir ist sooo langweilig, kann ich auf deinem Handy spielen?“ Unbegrenzte Kommunikation ermöglicht die Flatrate – und ehemals ausgiebige Telefonate degenerieren zum kurzatmigen WhatsApp-Stakkato. Das Internet verspricht Information und Wissen für alle – und doch ist die Welt plötzlich erfüllt mit Fake-News und Verschwörungstheorien.

Der Untergang der menschlichen Kultur steht also kurz bevor, der Zusammenbruch unserer Zivilisation dürfte noch vor der Eröffnung des Berliner Flughafens stattfinden. Zu den Hintergründen der BER-Bredouille möchte ich nichts weiter sagen, nur so viel: Baubeginn war 2006. Vier Monate später erschien das erste iPhone. Noch Fragen?

Doch vielleicht sind unsere Befürchtungen ja auch unbegründet. Vor 300 Jahren wurde vor der „Lesesucht“ gewarnt, Romane verdürben Charakter und Geist, weshalb Goethes „Werther“ in Österreich und Sachsen sogar verboten wurde. Auch Theater, Tanz und später das Kino wurden verantwortlich gemacht für den moralischen Niedergang. Dann: Fernsehen, Privatfernsehen, Programme ohne Sendeschluss – o tempora, o mores! Und noch schlimmer: Computerspiele. Und noch viel, viel schlimmer: Internet! Die Kombination von beidem: infernalisch!

Irgendwie hat die Menschheit all das überlebt. Offenbar haben Erwachsene grundsätzlich Bedenken bei neuen Technologien, mit denen Jugendliche aber wie selbstverständlich aufwachsen, um 20 Jahre später ebenfalls voller Sorge auf die „Jugend von heute“ zu gucken. Die Büchse der Pandora bleibt vorerst also noch geschlossen. Hoffentlich …

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

„Er leidet unter seinem Übergewicht…“

„Unser Sohn war von klein auf ein guter Esser. Leider entwickelt sich das allmählich zum Problem. Er hat deutliches Übergewicht und leidet inzwischen sehr darunter. Was sollen wir tun?“

Ihr Sohn ist kein Einzelfall. In unserer Gesellschaft, in der wir jederzeit Zugriff auf leckere Lebensmittel haben, passiert es schnell, dass wir verlernen, auf unseren eigenen Körper zu hören. Laut einer aktuellen Studie des Robert-Koch-Instituts sind unter den 3- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen 15,4 Prozent von Übergewicht und 5,9 Prozent von Adipositas, also starkem Übergewicht, betroffen.

DAS KÖNNEN SIE TUN:

Wenn Ihr Sohn unter seinem eigenen Gewicht leidet, soll er zunächst begreifen, dass sein Körper nicht hässlicher oder weniger liebenswert ist als mit weniger Pfunden. Im nächsten Schritt geht es darum, dass Ihr Sohn ein normales Essverhalten einübt. Nicht weil er nach einer Gewichtsabnahme attraktiver sein wird, sondern weil er sich rundherum wohler und gesünder fühlen und entsprechend fitter sein wird. Zur Einübung eines normalen Essverhaltens gehört, dass er zu den Zeiten isst, wenn er Hunger hat. Es bedeutet nicht zwangsweise, dass er nur noch gesundes Essen zu sich nehmen muss, sondern dass er durchaus essen darf, worauf er Lust hat, allerdings nicht zu jeder Zeit. Essen aus Frust oder Langeweile sollte er vermeiden. Wenn Ihr Sohn keine Lust auf Frühstück hat, dann darf er das ruhig ausfallen lassen. Er soll lernen, auf seinen Körper zu hören.

DAS LIEBER NICHT:

Animieren Sie Ihren Sohn nicht dazu, eine Diät zu machen. Diäten haben oft nur einen kurzfristigen Erfolg. Schon nach kurzer Zeit stellt sich das alte Gewicht wieder ein und gleichzeitig das Gefühl des Versagens. Zudem gibt es Jugendliche, bei denen eine Diät der Einstieg ins andere Extrem ist, nämlich in die Magersucht. So wie bei der 16-jährigen Lisa, die sich seit Monaten weigert, gemeinsam mit ihrer Familie zu essen. Sie hätte schon gegessen, behauptet sie und verschwindet in ihrem Zimmer. Lisa hatte früher Übergewicht, doch jetzt hungert sie, macht Sport und nimmt Woche für Woche weiter ab. Ihre Eltern schieben ihr Verhalten auf die Pubertät und hoffen, dass sich alles wieder von selbst normalisiert. Doch Magersucht ist eine Krankheit, die sogar tödlich verlaufen kann. Egal, ob zu dick oder zu mager: Essstörungen müssen ernst genommen werden. Deshalb scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erster Ansprechpartner ist der Kinder- oder Hausarzt.

Ingrid Neufeld ist Erzieherin und Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Sie lebt in Schlüsselfeld in Oberfranken.

Familiengenuss

Warum Tischgemeinschaft zum Familienleben dazugehört – auch mit großen Kindern. Von Stefanie Diekmann

Mit einem ordentlichen „Rumms“ scheppert die Haustür ins Schloss. „Was gibt’s zu essen, Mama? Oder habt ihr schon gegessen?“ Ich muss lächeln. Wenn mein Sohn vom Fußball-Training kommt, fragt er immer als Erstes, was er essen könnte … An unserem Esstisch spielt sich Familie ab. Hier war schon Raum für ausgewachsene Lachanfälle wegen lustiger Versprecher und Grimassen der Kleinkinder. Es gab Fantasiereisen mit den Kindergarten-Helden und Einmal- Eins-Probestunden. Nach dem Schweigemanöver während der Pubertät sind wir nun im Debattier-Club angekommen. Nicht immer ist unsere Tischgemeinschaft eine Oase der liebevollen Worte. Sie ist Raum für echtes Leben. Unser echtes Familienleben.

SMALLTALK UND SCHWEIGE-ANFALL

Schleichend haben Veränderungen an unserem Esstisch Platz genommen. Nach der Grundschulzeit waren wir nicht mehr als komplette Familie dreimal am Tag bei den Mahlzeiten zusammen. Rieka hatte ab der 5. Klasse länger Schule und kam erst nachmittags zurück, mit einem wehmütigen Seufzen, unser Mittagessen verpasst zu haben. Dabei ging es nicht so sehr um schmackhafte Gerichte, sondern um das Verpassen von Infos, Smalltalk und kleinen Absprachen. Wir haben manchmal sogar Gespräche ausgebremst, um nicht ohne Rieka Urlaube zu planen oder Geschenke für Freunde zu überlegen. Rieka hat sich vom Esstisch und vom Familiengefühl entfernt gefühlt. Durch die langen Oberstufen-Schultage haben unsere Mahlzeiten einen weiteren unrhythmischen Schwung bekommen. Kaum ein Tag gleicht dem anderen. Wo vorher feste Begegnungszeiten waren, sitzen nun Jugendliche, die Schweigen und Mürrisch-Sein abonniert haben und ein Gespräch fast zum Entertainment-Auftrag der Eltern machen. Nicht selten fühle ich mich bei einem Schweige-Anfall einsam und möchte die Veränderung als ungebetenen Gast bitten, den Tisch zu verlassen. Dabei erlebe ich meine Kinder als weiser als mich: Sie können mit mir verbunden sein, ohne viel zu reden und „rumzulabern“. Ihnen reicht das Zusammensein und das gemeinsame Ankommen im Zuhause ohne viele Worte: schmecken, durchatmen, genießen.

GEBRAUCHSSPUREN

Gerade weil die gemeinsamen Mahlzeiten reduziert worden sind, versuchen wir als Eltern, unseren Kindern ein Gegenüber zu bleiben. Schon rein körperlich: Wir setzen uns mit an den Tisch, wenn jemand allein nachisst. Wir trinken einen Tee und sind bereit, falls eine Episode aus dem Erlebten nach draußen sprudelt und uns einen Einblick in das pochende Herz des Heranwachsenden gibt. Und diese wundervollen Momente gibt es. Nach einem erhitzten Gespräch über die versemmelte Latein-Arbeit blitzt auf einmal ein Halbsatz mit einem Herzensanliegen auf. Wir haben als Eltern dann die Möglichkeit nachzufragen. Durch das gemeinsame Essen oder Sitzen am Tisch bekommen wir mit, wie traurig der oder die Jugendliche aussieht, wenn er oder sie von einer Mitschülerin spricht. Der Familientisch bleibt Ort von Hinweisen und Fragen – auch wenn manchmal jemand von uns mit erhitztem Gemüt aufspringen und die Diskussion beenden möchte. Durch unsere lange eingeübten Familienregeln bleiben alle am Tisch, bis die Mahlzeit beendet ist. Wir können und wollen uns nicht entrinnen. Hier füttern wir das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn wir als Familie und mit Freunden am Tisch sitzen, ist Raum für das WIR. Auf unserem Tisch steht immer eine Kerze, oft frische Blumen, manchmal auch Zettel mit Infos oder kleinen Ermutigungen. Henriks Wunsch war es, auch nach einigen Jahren Familienleben den Tisch nicht neu zu lackieren. Er will die Spuren des gemeinsamen Weges am benutzten Tisch sehen und fühlen können.

GEMEINSAMER START

Wir stehen morgens mit den Kindern auf, auch wenn sie 15 und 17 Jahre alt sind, um im Schweigen und Wachwerden eine Heimat zu bieten, bevor sie schlaftrunken zur Schule wanken. Und auch unsere 20-jährige Tochter genießt es, wenn jemand da ist, bevor sie in ihren Tag startet. Wir verlassen dabei bewusst unser Bett. Einfach als Geste, als Zeichen, dass an unserem Esstisch das Willkommen bleibt. Wir stellen Müsli hin und versuchen jeden Morgen neu, im richtigen Moment ermutigende Worte oder eine Umarmung anzubieten. In die Schule zu starten, kann für Teens eine Hürde sein. Diese wollen wir durch einen gemeinsamen Start einfacher machen. Der gesprochene S egen, oft mit H andauflegung oder U marmung, ist und bleibt seit Beginn der Kindheit unser „Go!“ in den Tag. Manchmal sitzen wir als Eltern mit einem Pausen- Kaffee am Nachmittag zusammen und erzählen uns vom Tag. Und auf einmal füllt sich der Tisch mit unseren Kindern. Eine Geste für uns und unser Herz: Sie werden ein Gegenüber für uns. Die großen Kinder kommentieren unsere Sicht auf den Tag und schenken uns ganz neue Ideen oder ein beherztes Augenrollen für seltsame Erwachsenen- Allüren.

GENUSS-MOMENTE

Wir besprechen immer wieder, was uns zusammen schmeckt. Gerichte haben sich verändert und mittlerweile sind aus Würstchen und Salat Frühlingsrollen oder Avocadocreme geworden. Auch Abneigungen und Vorlieben der Jugendlichen haben sich gefestigt. So essen wir Milchreis nur, wenn Timna nicht da ist und Lasagne an besonderen Tagen. Jahrelang haben wir jeden Freitag Brezeln gegessen (mit der regionalen Spezialität Spundekäs). Nun suchen wir nach neuen Ritualen, denn freitags trifft sich die Jugendgruppe in der Kirchengemeinde. Am Samstag frühstücken wir zu teenager-freundlichen Zeiten ab 12.00 Uhr. Sonntags verzichten wir mittlerweile auf großartige Essen und kochen lieber schnell Nudeln mit Pesto oder abends eine Tütensuppe, die wir alle in Jogginghose schlürfen und dabei die neue Woche durchsprechen. Nicht selten sind weitere Teens an unserem Tisch und bekommen außer Nudeln noch einen Schwung Familienleben mit. Das Essen ist an manchen Tagen ein bewusster Genuss-Moment. Nach wilden Tagen laden wir uns zum gemeinsamen Schmecken ein: Wir kochen zusammen, reden uns warm, um die Nähe aufzusaugen, die bei Tisch entsteht. Wir schnippeln, kommentieren und finden Kompromisse im Würzen oder Anrichten. Am Tisch ist dann die Bereitschaft zum Teilen spürbar. Ich gebe dem anderen einen Einblick in meine witzigsten Missverständnisse, in bohrende Fragen und Glaubenserlebnisse. Dabei ist meine Familie mir in allem ebenbürtig und in allem ehrlich nah – jeder in seiner von Gott gegebenen Charaktereigenschaft: schnell und emotional, zackig und klar, liebevoll zugewandt, fragend verstehend.

RAUER TON

Und bevor hier ein vermeintlich glitzerndes Bild von Familiengenuss entsteht: Der schillernde Glücksmoment endet schneller, als ich gucken kann. Ein Spruch über den Fußball- Schiri-Entscheid des letzten Spiels, und alle Harmonie und Nähe ist hin. Die eben noch gesichtete Seifenblase meines Familienideals ist an der Realität zerplatzt. Mir dämmert: Es bleibt Genuss, und es bleibt Arbeit. Heute gebe ich keine Hinweise zum richtigen Umgang mit dem Besteck, sondern zum Umgang mit verachtender Sprache – und das geht bei Fußballthemen an unserem Esstisch fix. Immer wieder erwische ich mich dabei, dass ich unter dem manchmal rauen Ton der Jugendlichen leide und mir höfliche Gespräche herbeisehne. Ein bisschen mehr Harmonieglitzer halt. Mit etwas Abstand weiß ich: Unsere Kinder und ihre Freunde üben, ihre Meinung zu sagen. Sie trainieren sich im Argumentieren, Entschuldigen und Provozieren. Ein Familientisch ist daher für mich der Genuss, sich selbstbewusst, mutig, forsch und immer wieder herrlich unsachlich nah zu kommen. Guten Appetit!

Stefanie Diekmann ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ingelheim am Rhein.

Zusammen zum Abiball?

„Wir Eltern sind getrennt und haben jeweils neue Partner. Ist es passend, wenn wir beim Abiball unserer Tochter alle zusammen an einem Tisch sitzen?“

Ob es sinnvoll ist, den Abiball gemeinsam an einem Tisch mit der ganzen Familie zu erleben, hängt in erster Linie davon ab, ob ein entspannter und konfliktarmer Umgang untereinander möglich ist. Und das hängt wiederum von Ihrer persönlichen Vorgeschichte ab. In der Regel gehen Kinder und Jugendliche, die die Trennung ihrer Eltern erlebt haben, durch eine schwere Krise. Nun ein Familienleben mit Stiefeltern gestalten müssen, stellt für alle eine weitere Herausforderung dar. Fremde Menschen mit einer unbekannten Geschichte gehören plötzlich zur Familie. Rollen müssen neu definiert werden. Und sind Geschwister da, muss jeder seinen neuen Platz in der Familie finden. Die Frage ist, wie Sie als Familie diese Herausforderung schon gemeistert haben und wie die Beziehungen untereinander aussehen.

BEDÜRFNISSE WAHRNEHMEN

Damit das Familienleben gelingen kann, müssen sowohl die leiblichen Eltern als auch die Stiefeltern die Befürchtungen und Ängste ihrer Kinder ernst nehmen. Merken Jugendliche, dass sich ihnen auch die Stiefeltern mit echten Interesse zuwenden und ihre Bedürfnisse wahrnehmen, ist eine gute Grundlage dafür geschaff en, dass sich der Jugendliche öffnet. Dabei sollten sich Eltern bewusst sein, dass Jugendliche Zeit brauchen, sich an die neue Familiensituation zu gewöhnen. Hier dürfen Stiefkinder nicht überfordert werden. Das Zusammenleben mit neuen Partnern erfordert auch, dass sich Eltern und Stiefeltern mit ihren eigenen Gefühlen auseinandersetzen: „Wie sieht die Beziehung zu meiner neuen Tochter, meinem neuen Sohn aus? Wie sind meine Gefühle gegenüber meinem Ex-Mann und seiner neuen Partnerin?“ Ein reflektierter Umgang mit sich selbst ist eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes, neues Familienleben. Denn letztlich tragen die Erwachsenen die Verantwortung dafür, gute Beziehungen untereinander aufzubauen.

OFFENE KONFLIKTE?

Sind die Beziehungen (noch) belastet, stellt sich die Frage, ob die beteiligten Erwachsenen ihre eigenen Befindlichkeiten so zurückstellen können, dass ein gemeinsamer Abend trotzdem von einem guten Miteinander geprägt sein kann. Wenn ja, spricht nichts dagegen, den Abend gemeinsam zu erleben. Sind dagegen noch offene Konflikte und Verletzungen im Raum, die jederzeit aufbrechen können, ist die Gefahr groß, dass die Situation eskaliert und der Abiball ihrer Tochter zu einem Fiasko gerät. Dann ist es sicherlich ratsam, an getrennten Tischen zu feiern. Bei all den Überlegungen sollten Sie aber zuallererst Ihre Tochter danach fragen, was ihr Wunsch für den Tag ist. Beim Abiball Ihrer Tochter geht es um ihren Schulabschluss. Sie ist der Mittelpunkt des Tages und sollte als erwachsene junge Frau unbedingt entscheiden können, wie sie ihr Abitur feiern möchte. Auf keinen Fall sollte die Entscheidung über ihren Kopf hinweg getroffen werden. Nur im Gespräch mit Ihrer Tochter – und möglichst auch mit den anderen Beteiligten – kann eine gute Lösung gefunden werden.

 

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und ist Mitarbeiterin bei Team.F und Redakteurin bei SevenEleven. www.sonja-brocksieper.de

Wir müssen reden

„Wie kann ich mit meinem Teenager über Sex sprechen? Sollte ich das überhaupt tun, und was muss ich beachten?“

Sollte ich mit meinem Teenager über Sex sprechen?“ – Natürlich! „Wie gehe ich dabei vor?“ – Natürlich! Eigentlich liegt in diesem Wort schon eine klare Antwort auf diese wichtige Frage: Wer, wenn nicht wir Eltern, können mit unseren Kindern und Jugendlichen angemessen über dieses Thema reden? Unsere Kinder sind in den meisten Fällen seit dem Kindergarten bestens über die körperlichen Aspekte von Sexualität aufgeklärt. Das Meiste erfahren sie „auf der Straße“, im Kreis von Freunden und Bekannten oder im Internet. Was können wir als Eltern dann noch tun? Und warum sollten wir auch noch mit ihnen reden? Wir können unseren Kindern und Jugendlichen früh vermitteln, dass dies ein natürliches Thema ist, das wir immer gern offen mit ihnen besprechen. Eine offene Gesprächs- Atmosphäre seit Kindheitstagen ist die beste Grundlage für spätere Gespräche mit unseren Kindern. Wichtig ist, dass wir sachlich darüber reden und nicht beschämt oder ironisch oder Sexualität vielleicht sogar nur in „zweideutigen Andeutungen“ besprechen. Genauso wichtig ist es, dass wir die natürliche Schamgrenze unserer Teens beachten. Vielleicht wollen sie nicht mit uns über das Thema reden. Und meistens wollen sie auch nichts von unserem Sexualleben wissen, denn das ist Teenagern oft peinlich.

WICHTIGE THEMEN
Die körperliche Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen, Hormone und ihre Auswirkungen, Selbstbefriedigung, Verhütung, Geschlechtsverkehr, Pornografie, Missbrauch, sexuelle Orientierungen – all das sind Themen, auf die unsere Jugendlichen Antworten suchen und brauchen. Anders als zu Kindheitstagen, wo wir diese Themen unsererseits ansprechen konnten, müssen wir bei unseren Jugendlichen die Gelegenheiten wahrnehmen, die diese uns eröffnen. Alltagssituationen lassen sich dafür nutzen: Hochzeiten, Geburten, Frauenarzttermine, Kondomwerbung im TV, AIDS-Kampagnen in den Medien. Besonders die zaghaften Fragen, Bemerkungen, Meinungen, die sie im Gespräch mit uns einstreuen, sind wertvolle Situationen, um einzuhaken. Dann sollten wir den Fernseher ausmachen, den Schlaf unterbrechen oder das Telefongespräch beenden. In diesem Alter sind es oft keine langen Gespräche, sondern kurze Momente, die uns die Möglichkeit geben, Informationen und Werte zu vermitteln.

WICHTIGE WERTE
Etwas, was bei aller organisierten Aufklärung und vielen Kampagnen in den Medien recht kurz kommt, ist die Weitergabe von Werten. Diese können wir als Eltern beim Reden über Sexualität betonen. Für uns Christen ist Sexualität ein Geschenk Gottes an jeden Menschen. Gott beurteilt die Sexualität als „sehr gut!“ (1. Mose 1, 27+31). Sexualität ist nie als Last und Frust, sondern als Freude zum sich gegenseitig Beschenken gegeben worden. Sie ist so wertvoll, dass wir sie nicht verschleudern wollen, sondern bewahren und schützen. Es ist aber auch wichtig, dass wir die Entscheidungen unserer Jugendlichen ernst nehmen. So wie sie in anderen Lebensbereichen eigene Entscheidungen treffen, können sie auch hier andere Werte haben als wir, ihre Eltern. Unsere Kinder sollten immer gewiss sein, dass wir sie bedingungslos lieben – unabhängig von ihren Werten und ihrer Lebensgestaltung. So wie Gott auch uns bedingungslos liebt.

Ekkehard Kosiol hat als Pastor und Heilpraktiker (Psychotherapie) eine Beratungspraxis für Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Siegen. Seine sechs Kinder sind alle erwachsen, meist verheiratet, und sieben Enkelkinder sind bereits da.

Die Stürme des Vaterseins

Wenn seine Kinder angegriffen werden, wird bei Stefan Gerber der Angriffsmodus aktiviert.

Wir Eltern sind ja manchmal ganz schön irrational, wenn es um unsere Kinder geht. Ich denke zum Beispiel an eine Kinderärztin, die es gewohnt ist, im Notfall rasch und rational zu agieren. Und das tut sie auch. Normalerweise. Wenn aber ihre eigenen Töchter betroffen sind, ist diese intelligente Frau plötzlich wie verwandelt: zutiefst unsicher und beängstigend hilflos. Wenn es um die eigenen Kinder geht, sinkt die Fähigkeit zur Selbstreflexion in den Keller, und es wird mit fragwürdigen Mitteln für jeden erdenklichen Vorteil des eigenen Nachwuchses gekämpft. Natürlich kenne ich als Vater solche Situationen auch. Da wird mein Sohn zu Recht oder zu Unrecht angegriffen, und schon wird der „Turbo Booster“ aktiviert. Es fühlt sich an, als würde ich innerhalb von Sekunden zum wilden Tier mutieren. Einmal saß ich in unserem Garten, während mein Sohn Fußball spielte. Dem Nachbarn war das zu laut. Er hielt es für angebracht, meinen Sohn anzubrüllen. Da saß ich dann natürlich auch nicht mehr ruhig in meinem Garten und wies den Nachbarn „in aller Liebe“ darauf hin, dass die Kinder doch am Mittwochnachmittag spielen dürften. Wahrscheinlich ist eine solche Reaktion genauso „von der Natur“ gedacht, damit wir unsere Kinder bei einem Angriff mit aller Kraft verteidigen. Nur leben wir inzwischen nicht mehr im Freien – ich musste meine Kinder bis jetzt noch nie vor einem Raubtier beschützen. Da frage ich mich, wie ich mit diesen wilden Gedanken und Gefühlen konstruktiv umgehen kann. Ich habe die Lösung noch nicht (abschließend) gefunden und ich vermute, dass der „Turbo Booster“ Teil meines Vaterseins bleibt – mindestens, bis unsere Kinder volljährig sind. Was ich aber schon herausgefunden habe: Wenn ich zu lange keine Auszeit habe, werde ich viel schneller reizbar und stehe in Gefahr zur Überreaktion. Timeouts sind für mich einerseits unbeschwerte Momente mit Freunden, besondere Familienerlebnisse oder auch Auszeiten zu zweit. Dies alles hilft mir, trotz Kräfte raubender Aufgaben, die innere Balance nicht zu verlieren. Doch neben diesen punktuellen Timeouts brauche ich meine wöchentliche Tankstelle. Im Idealfall ist jede Woche ein halber Tag dafür reserviert. Normalerweise kann ich mittwochs 2-3 Stunden dafür einplanen. Mein persönliches Timeout besteht aus Stille genießen, Zeit fürs Lesen, Beten und Tagebuchschreiben – wenn möglich an einem inspirierenden Ort. Diese Tankstelle ist oft umkämpft – denn als Macher liebe ich es, Aktivitäten am Laufen zu halten. Doch wenn ich mir diese Zeit gönne, hilft sie mir, Stress abzubauen und die Alltagsprobleme mit etwas Distanz aus einer anderen Perspektive zu sehen. Dieses Timeout hält mich – in der Regel – auch in stürmischen Zeiten über Wasser.

 

Stefan Gerber, Geschäftsführer Willow Creek Schweiz, ist Leiter der Netzwerk-Kirche „gms“ und freiberuflich als Autor („Glück finden – hier und jetzt“), Referent und Coach tätig. Er ist verheiratet mit Brigitte Gerber-Urfer und Vater von Joy Nina und Janosch Noah.

Aufatmen im Terminstress

Wie gut es tun kann, andere wertzuschätzen, hat Ingrid Jope erlebt.

Urlaubsreif. Mit diesem Wort ließ sich bestens beschreiben, wie es mir ging. Ein volles (Schul-) Jahr lag hinter mir. Der Schulwechsel unserer großen Tochter steckte darin und das letzte, intensive Kindergartenjahr unseres inzwischen auch großen Sohnes. Aufgrund meines beruflichen Wiedereinstiegs und einer damit verbunden Weiterbildung hatte ich ein Jahr lang eine 75-Prozent- Stelle und musste nebenbei noch eine Abschlussarbeit und einiges an Fortbildungsterminen stemmen. Die letzte Woche vor den großen Ferien hatte es mit sämtlichen Abschiedsfeiern und beruflichen Herausforderungen besonders in sich. Da musste der Termin fürs Abschlussgespräch im Kindergarten in die erste Urlaubswoche verschoben werden. Müde stand ich an diesem Tag morgens auf und hätte am allerliebsten darauf verzichtet, heute überhaupt einen Termin zu haben. Ich schleppte mich mehr zum Kindergarten, als dass ich radelte. Dann saß ich zwei freundlichen Erzieherinnen gegenüber. Sie hatten sich sorgfältig vorbereitet und stellten mir die Bildungsdokumentation meines Kindes vor. Nach wenigen Minuten war das Gefühl „Ich hätte keinen Termin gebraucht“ verdrängt vom Eindruck: „Toll, dass diese aufmerksamen und engagierten Erzieherinnen unseren Wirbelwind von Sohn durch seine Kindergartenzeit begleitet haben.“ Ich erfuhr Einzelheiten aus dem Kindergartenalltag, ich schnupperte die Sichtweise der Erzieherinnen auf mein Kind, kam so manches Mal ins Schmunzeln, weil ich typische Verhaltensweisen, Stärken und Schwächen vom Alltag zu Hause wiedererkannte. Und ich habe ganz viel Zugewandtheit gespürt, Wertschätzung und Respekt vor dem ureigenen Wachstumsprozess, den jedes Kind nach seiner „inneren Uhr“ und in seiner Einzigartigkeit durchläuft. In mir wuchs ein Glücksgefühl, es schmeckte nach Dankbarkeit, nach beschenkt sein und nach tief durchatmen. Ich fasste eine Erkenntnis, die uns schon lange begleitete, in Worte: Das war genau der richtige Kindergarten für unser Temperamentsbündel. Ich könnte mir keinen besseren für unser Kind und unsere Familiensituation vorstellen. Ich zählte einige Beispiele auf, die ich am Kindergartenalltag und dem ihn prägenden Erziehungsstil schätzte. Die vier Augen der Erzieherinnen strahlten. Meine Erschöpfung war wie weggeblasen. Achtsamkeit und Respekt zu erleben und Wertschätzung zu geben – das tat durch und durch gut. Auch wenn der Alltag voll ist und ich eigentlich viel zu erschöpft bin, will ich das nicht aus dem Blick verlieren: Danke sagen, Gutes wertschätzen, Menschen zeigen, dass ich wahrnehme, wie sehr sie sich einsetzen. All das tut auch mir und meiner Seele gut.

Ingrid Jope ist Theologin und Sozialpädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wetter/Ruhr.

Das erste Treffen mit der Freundin

„Unser Sohn studiert an einem anderen Ort und hat dort seine Freundin kennengelernt. Sie sind seit über einem Jahr zusammen. Nun möchte er sie uns vorstellen, worüber wir uns sehr freuen. Trotzdem machen wir uns Gedanken, wie wir dieses erste Treffen möglichst entspannt gestalten können.“

Dies ist wahrscheinlich eine neue Situation für Sie. Bisher haben Sie die meisten Freunde und Freundinnen Ihres Sohnes gekannt, weil sie im selben Ort lebten. Irgendwann hört dieser Zustand auf, und es treten Menschen in das Leben des erwachsenen Kindes, die wir als Eltern nicht mehr kennen. Und nun auch noch eine neue „Unbekannte“, die bisher nur vom Hörensagen eine Rolle in der Familie spielt. Als Eltern kann einem das schon mal die Schweißperlen auf die Stirn treiben: Wie wird sie sein? Werden wir uns mit ihr verstehen? Wird sie mit den Umgangsformen unserer Familie klarkommen? Da könnte schon allerhand schiefgehen – muss es aber nicht. Denn die junge Frau ist wahrscheinlich genauso aufgeregt und angespannt wie Sie auch. Sie wird sich freuen über ein lockeres und warmes Willkommen und über so viel Selbstverständlichkeit wie möglich.

DER ERSTE EINDRUCK
Ich denke gern an so ein erstes Kennenlernen in unserer Familie zurück. Die Freundin unseres Sohnes zeigte sich als unkomplizierte und freundliche junge Frau, die es uns leicht machte, ins Gespräch zu kommen. Am Anfang waren beide Seiten entsprechend aufgeregt, und auch unserem Sohn war der Stress der Situation anzumerken. Die Aufregung legte sich schnell, ein ausgedehntes Frühstück trug zur Lockerheit bei, und gemeinsame Gesprächsthemen waren schnell gefunden. Beiden Seiten scheint es wichtig zu sein, sich möglichst positiv zu zeigen, nach dem Motto: Der erste Eindruck zählt! Das kann, muss aber nicht so sein. Auch ein nicht so gelungener Auftakt, zu dem es vielleicht vor lauter Anspannung kommt, muss nicht der Anfang einer schlechten Beziehung sein. Mit etwas Humor und Gelassenheit kann sogar eine nicht so glücklich gelaufene erste Begegnung Anlass für ein entspanntes zukünftiges Miteinander sein. Mir hat der Gedanke geholfen, dass unser Sohn einen guten Geschmack hat und dass er ja schließlich mit der Freundin zurechtkommen muss. Als Eltern sind wir zwar irgendwie Teil des Ganzen, aber auch nur am Rande interessant. Gute Beziehungen brauchen Zeit zum Wachsen und zum Reifen, und so lohnt es sich, immer wieder neu dort zu investieren.

NEUE FARBE
Ich möchte Ihnen Mut machen, diese Begegnung als Chance zu sehen, sich selbst, die eigene Familie und eine ganz andere Familie mit anderen Werten, aber auch manchen Gemeinsamkeiten kennenzulernen. Durch die Partner unserer Kinder kommt oft eine neue Farbe in unsere Familie. Wir entdecken neue Seiten an uns und lassen uns auf kleine und große Herausforderungen im Miteinander ein. Offenheit und eine gute Portion Gottvertrauen helfen uns dabei, eine Chance in dem Neuen zu sehen, sich nicht zu verschließen und die Tür füreinander offenzuhalten.

 

Antje Rein leitet das Lebensnah Institut für Beratung, Bildung und Coaching, www.lebensnah-institut.de.

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GLITZERSTICKER FÜR DIE PARTYHÖHLE

Katharina Hullen hofft, dass ihre Kinder einen guten Umgang mit Geld lernen – schließlich gehen die Eltern mit schlechtem Vorbild voran.

Katharina: Ich komme vom Einkauf nach Hause und grüble, wie ich es finde, dass unsere Tochter gerade dem Bettler vor Aldi ihr halbes Monatstaschengeld geschenkt hat. Dass die andere Tochter ihrerseits alles in Süßigkeiten umsetzt und die dritte trotz voller Brotdose zum Schulkiosk geht. Was ist der richtige Umgang mit dem eigenen Geld? Sie sollen doch vernünftige Entscheidungen treffen lernen! Dann fällt mein Blick auf meinen Einkauf und ich bin ertappt: Kaufrausch! Oh! Ein Spiel für den Großen, das spielt er im Kindergarten doch so gerne! Und da – Glitzersticker für die Mädchen. Auch gut für Kindergeburtstagsgeschenke! Zahlenrätsel für die Eltern! Lustige Plätzchenausstecher für Freunde! Ah! Strumpfhosen für die Kinder – davon kann man nie genug haben! Ich neige zu Fehlkäufen! Ich bin ja voller Erkenntnis und sage inzwischen immer öfter „Nein, wir brauchen das nicht!“, aber der Einkauf heute muss wohl als Rückschlag gewertet werden. Hauke kann das übrigens auch sehr gut: Unnützes Zeug kaufen! Ich bin eher die „Beeren-Sammlerin“ – viele Kleinigkeiten, die uns die Schränke zumüllen. Er ist vom Ursprung der Jäger. Er schießt nur die ganz großen Sachen! So recherchierte er wochenlang, was wir für ein Gerät kaufen könnten, um die Luftfeuchtigkeit in den einzelnen Räumen zu messen, damit wir Schimmelbildung vorbeugen können. Er bestellte schließlich eine Wetterstation für 150 Euro. Dieses dolle Ding konnte alles – Temperatur, Luftdruck, Windstärke – alles außer Luftfeuchtigkeit! Im Keller liegt Zubehör für ein Schrank-/Regalsystem für über 300 EUR. Inzwischen kann man es nicht mehr umtauschen – einbauen auch nicht. Kein Platz! Überall sind schon Regale und Schränke. Dann brauchten wir dringend ein Beschriftungsgerät, so ein Maschinchen, welches sofort passende Etiketten ausdruckt, die man überall hinkleben kann. Die erste Rolle Etiketten steckt immer noch im Gerät. Nein – wir brauchten es nicht! Und vor kurzem kam Hauke mit glitzernden Augen vom Bauhaus-Einkauf zurück. Er hatte rotierende Disco-Lampen ergattert. Nicht nur eine – nein, gleich fünf, damit eine ganze Etage zur Partyhöhle umgebaut werden kann. Großartig! Manchmal frage ich mich, wie wir den Kindern den richtigen Umgang mit Geld beibringen sollen, wenn wir es selbst so oft nicht schaffen. Vielleicht ist das Geheimnis, die Kinder jetzt mit ihrem kleinen Taschengeld ihre „Fehlkäufe“ machen zu lassen, damit sie lernen, später bessere Entscheidungen zu treffen. Und vielleicht muss auch beim Thema „Geld ausgeben“ nicht alles immer dem Diktat der Notwendigkeit gehorchen. Für ein fröhliches Leben können ja auch mal Glitzersticker unter der Discolampe aufblitzen!

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

GUMMILAPPEN VOM OMELETTE-MEISTER

Hauke Hullen kann sich mit den Einkäufen seiner Frau nicht immer anfreunden, auch wenn sie ihm zugutekommen sollen.

Hauke: Shoppen ist ein Erlebnis! Und zwar nicht nur für meine Frau, sondern insbesondere für mich, wenn ich abends sehe, welchen Krempel Kathi mit nach Hause gebracht hat. Ich verstehe das nicht – es gibt doch einen Einkaufszettel, auf dem Dinge draufstehen und Dinge nicht draufstehen, daher sollte doch klar sein, was man in den Wagen packt und was nicht! Doch leider interessieren sich maßgebliche Teile meiner Familie nicht so sehr für das schnelle Geldverdienen, eher für das schnelle Geldausgeben. Die bekannte Regel lautet ja, dass man nicht hungrig einkaufen gehen soll. Dummerweise würde es nichts bringen, wenn Kathi sich nur gut gesättigt auf den Weg in den Supermarkt machen würde. Denn Kathis Antrieb ist nicht der leere Magen, sondern das große Herz! Da ist Platz für so viele Menschen, die sie beglücken will. Gibt es auf der Aktionsfläche tatsächlich eine Kekspackung, wo links oben der Name einer unserer Töchter draufsteht? Tatsache! Das muss gekauft werden, auch wenn es sich um ein recht garstiges Marzipangebäck mit 54 Prozent Zuckeranteil handelt, welches weder ich noch die Kinderschar, vor allem aber nicht besagte Tochter essen mag. Sollen unsere Kinder nicht bestmöglich auf die Schule vorbereitet werden? Welch ein Zufall, dass es just jetzt Rätsel-, Rechen- und Schreiblernhefte auf dem Wühltisch gibt! Ich korrigiere: gab. Eine komplette Kommode im Flur ist nun bis an den Rand gefüllt mit Lernhilfen aller Art. Und obwohl sich unsere Vorschulkinder in den Sommerferien tapfer durch das schriftliche Dividieren gekämpft haben, kauft meine Frau schneller Lektüren nach, als die Kinder sie wegarbeiten können. Der Esstisch sah während der Vorbereitung aufs neue Schuljahr aus wie ein pakistanischer Sweat-Shop, wo kleine Kinderhände im Schummerlicht Akkordarbeit leisten. Und, natürlich, die Tupper-Party! Im Vorfeld verkündet die beste Ehefrau von allen, wie überflüssig sie solche Veranstaltungen fände und dass sie ganz gewitzt nur das Begrüßungsgeschenk abstauben wolle. Wenig später konnte sie allerdings weder der Salatschüssel, den Wurstdosen noch dem „Omelette-Meister“ (der heißt wirklich so) widerstehen, wo doch ihr Göttergatte sich gerne mal ein Omelette brät. Dieses Tupper-Teil für die Mikrowelle wurde übrigens genau einmal benutzt, weil es statt knusprig gebrutzelter Eierspeisen nur einen fettfreien Gummilappen hervorbringt. Und so geht das mit vielen Einkäufen. Das letzte Holzspielzeug war pädagogisch wertvoll (und damit gleichermaßen ohne jeglichen Spielanreiz), die urigen Brotfladen waren appetitlich anzusehen, bis sie sich in blauen Pelz kleideten, und mir bleibt es weiterhin ein Rätsel, warum Kathi Blumen kauft, wenn Gäste kommen, die ihrerseits Blumen mitbringen. Hier wie da ergibt der Satz „Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen!“ wirklich einen Sinn!

 

 

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.