Gegen Drachen kämpfen

Warum ich eine Heldenmama bin. Von Hella Thorn

Gegen welche Drachen ich zu kämpfen haben würde, wusste ich nicht, als ich mich vor fünf Jahren in das Land der Mutterschaft aufmachte, um meine Prinzessin vor dem Bösen zu beschützen. Klar war nur, dass ich mit meiner minderen Grundausstattung unerschrocken gegen alles Böse kämpfen würde, damit aus meiner Tochter eines Tages eine mutige, (willens-)starke, gebildete, hilfsbereite und glückliche junge Frau wird. Allein das macht mich per Definition schon zu einer Heldenmutter. Und da sind die Ungeheuer, in die sich meine Kinder zuweilen verwandeln können, die Monster unter dem Bett, die „Kämpfe“, die man um Fernsehzeiten, falsch geschnittenes Brot, den adäquaten Umgang mit Schere, Kleber und Tacker oder Süßigkeiten im Supermarkt auszufighten hat, nicht mitgezählt.

Große und kleine Kämpfe

Trotzdem, der Begriff des Helden hat keinen guten Stand. Versuche ich, ihn mir selbst zuzusprechen, schreien mich direkt Drachen nieder: „So viel wie du schimpfst und meckerst?“ „Sorry, aber bei deinem dünnen Nervenkostüm und porösen Geduldsfaden eignest du dich nicht gerade zur Mutter des Jahres.“ „Du entsprichst ja noch nicht mal dem Instagram-Bild einer guten Mutter. Da wollen wir von einer Heldenmama gar nicht anfangen.“

Denke ich an die Väter, fallen mir scheinbare Gegenargumente ein wie die häufigere Abwesenheit, der mangelnde Anteil an der Care- und Haushaltspflicht und die Unkenntnis über die aktuelle Schuhgröße, die Namen der besten Freunde oder die Ratlosigkeit darüber, was es zum Abendessen geben soll. Klar, das sind alles keine rühmlichen Handlungen oder imponierendes Wissen, aber sie scheinen doch mit einem Heldenvater einhergehen zu müssen.
Doch diese (Glaubens-)Sätze sind nichts anderes als Drachen. Drachen, gegen die Mütter und Väter ihre Schwerter ziehen müssen, um sie niederzukämpfen. Denn jeden Tag beweisen Eltern, dass sie echte Superhelden sind. Jeden einzelnen Tag leisten sie im Großen und Kleinen Außergewöhnliches. Jeden Tag gehen sie über ihre Grenzen, Kraftreserven und eigenen Wünsche hinweg.

Die Drachen der Gegenwart

So stelle ich mich unerschrocken jeder Diskussion, jedem starken Gefühl und jedem Bedürfnis meiner Kinder. Ich laufe stundenlang durch unsere Stadt auf dem Weg zur unsichtbaren Freundin meiner Tochter, die dann leider nicht zu Hause ist. Ich lese meinem Sohn unermüdlich Bücher vor, deren Beschränkung auf Hauptwortsätze mich mürbe macht. Ich ermögliche meinen Kindern verschiedenste Erfahrungen – obwohl ich es doch so oft besser weiß. Ich kämpfe gegen Müdigkeit, graue Haare und Schokoflecken auf T-Shirts und für gerechte Teilhabe, Bildung und ein starkes Selbstwertgefühl der Kinder.

Sicherlich gibt es viele weitere Drachen, gegen die Eltern, vor allem Mütter, heutzutage zu kämpfen haben. Der Mental Load, die fehlende Anerkennung der Care-Arbeit oder die krass überhöhten Erwartungen, die an Mütter und Väter gestellt werden, sind gefährliche Drachen, die den Weg der Elternschaft flankieren und erschweren. Deshalb sind wir Heldeneltern – und als Eltern zukünftiger Helden haben wir den Titel sowieso verdient.

Hella Thorn ist Mutter zweier kleiner liebenswerter Ungeheuer (2 und 5 Jahre) und arbeitet als Redakteurin, Autorin und Lektorin.

Gegensätze in der Ehe – Kraft oder Sprengstoff?

„Warum siehst du das so ganz anders, als ich mir das vorstelle?“ „Warum bist du so weit weg?“ Dr. Michael Hübner erzählt von einem Paar, das sich neu finden musste.

Das gibt’s doch einfach nicht! Ohne sich mit mir abzusprechen, hat mein Mann einen Urlaub in Norwegen gebucht. Einfach alles: Häuschen am See, Überfahrt mit der Fähre und vieles mehr. Ich bin so enttäuscht! Bin ich denn eine Marionette, dass ich da überhaupt nicht mitreden kann? Er ruft auch einfach den Lehrer von unserem Sohn an wegen der Rechtschreibschwierigkeiten, oder er leitet den Neukauf eines Elektroautos ein. Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass ich da auch mitentscheiden möchte?“

Verstehe ich den Kummer von Marina (Person, Situation und Name verändert) recht? Ihr Ehemann Mark entscheidet über wichtige Dinge wie den Familienurlaub und den Autokauf einfach, ohne seine Frau einzubeziehen? Ich kenne seine Ziele, Zwecke und Motivationen nicht. Ist er denn so ein gemeiner, rücksichtsloser Mensch? Hat er so wenig Kooperationsbereitschaft und Gemeinsinn? Bei der Ehefrau macht sich Feindseligkeit ihm gegenüber breit.

Häufig entwickeln Paare an diesem Punkt automatisch Wut, Ärger und Aggressionen, ohne sich bewusst zu machen, was sie da tun. Manchmal „knallt es“, die Gegensätzlichkeit von beiden ist zum Sprengstoff geworden. Sie verstehen einander nicht mehr und wenden sich deshalb vom Partner ab, gehen in den Rückzug, schmollen und sind verletzt. Gedanken an Trennung schleichen sich ein.
Ich kann schon nachvollziehen, dass man hier sauer reagiert. Gleichzeit gebe ich dem bedeutenden Individualpsychologen Rudolf Dreikurs recht, wenn er meint: „Brauchen wir feindliche Gefühle, um Konflikte zu lösen? Die meisten Menschen sind geneigt, das zu glauben. Wie unrecht haben sie doch! Konstruktive Veränderungen bedürfen keiner Feindseligkeit, im Gegenteil …“ (Die Ehe – eine Herausforderung, S. 112) Sicherlich werden viele Paare diesem Gedanken etwas abgewinnen können. Wenn sie als Christen ihre Beziehung an Jesus ausrichten möchten, dann ist das ein guter Ansatzpunkt: Jesus ging es nie um Feindseligkeit, um Konflikte zu lösen.
Es ergibt für mich wenig Sinn, dass ich nur Marina höre. Ich kann das Denken ihres Partners Mark ja nur erahnen. Also vereinbaren wir einen Termin zu dritt und treffen uns etwa eine Woche später. Sie berichtet alles noch einmal. Dann kommt ihr erstaunter Mann zu Wort: „Liebling, zu Beginn unserer Ehe hat es dir doch so gefallen, wenn ich unseren Urlaub geplant habe. Kannst du dich noch an meine Überraschung damals mit Korsika erinnern? Was hast du mich damals gelobt, wenn ich die Dinge in die Hand genommen habe! Da habe ich mir gesagt, das mache ich ab jetzt weiter für dich und unsere Familie. Du hast doch genug mit den Kindern um die Ohren, und wer macht’s denn, wenn nicht ich …?“
Fast verschämt schaut sie zu Boden. Das ist eine ganz andere Perspektive. Für mich ist sie wichtig, um das gemeinsame Problem verstehen zu können.

Unsere gewollte und doch ungewollte Unterschiedlichkeit

Die Ursache für offene und versteckte Ehekonflikte liegt oft in der Unterschiedlichkeit der Partner: Es gibt schnell zupackende Menschen und eher langsame. Es gibt die „Peacemaker“ und kritisch „eckige“ Menschen. Die lauten „Vielredner“ mit einem eher zurückhaltenden stillen Partner. Die mehr gefühlsbetonten und die „trockenen“, nüchternen. Einer ist ein Nähemensch und der Partner der Distanztyp. Der eine sieht schon wieder die nächste drohende Pandemiewelle über sich zusammenschlagen, und der andere …?

Und hier ist längst nicht Schluss. Selbst in Glaubensdingen kann sich das zeigen: Ein eher innig gläubiger Mensch zieht einen in der Gottesbeziehung skeptischen oder sogar ungläubigen Menschen an. Beziehungen beruhen also auf Wechselwirkungen. Beide Partner spielen unbewusst einander fortwährend in die Hände. Aus der Eheberatung wissen wir: Selbst „Tyrannei in der Ehe kann ohne nachgiebige Unterwürfigkeit des anderen Teils nicht aufrechterhalten werden“ (Dreikurs, S. 114).
Ein Lehrsatz aus der Eheberatung mag dabei aufschlussreich sein: „Der Punkt der Anziehung wird in der Partnerschaft leicht zum Punkt des Konfliktes.“ Fazit: Es ist das Phänomen jedes Verliebtseins, dass wir zu Beginn unbewusst wählten, was wir von unserer eigenen Persönlichkeit nicht kannten. Ohne uns dessen bewusst zu sein, war die fremde Andersartigkeit das, was uns reizte. Das kann später zum Konflikt werden.
Der bereits erwähnte Rudolf Dreikurs bringt es so auf den Punkt: „Wir fühlen uns angezogen, wenn wir jemandem begegnen, der uns durch seine Persönlichkeit die Möglichkeit bietet, unsere persönliche Eigenart zu verwirklichen, […] der uns erlaubt, Pläne, die wir seit der Kindheit mit uns getragen haben, fortzusetzen oder wiederzubeleben.“ (S. 114) Dieses unbewusste Verhalten geht noch weiter. Wir können sogar mit Sicherheit sagen: Unser Verhalten beeinflusst den Partner positiv und sogar negativ, weil wir irgendetwas davon haben, was uns selbst meist völlig unklar ist. Fazit: Wir spielen einander unbewusst fortwährend in die Hände und schaffen die Voraussetzung für das, was wir beim anderen erleben.

Beziehung braucht Zeit zur Reflexion

Zurück zu Marina und ihrem Mann Mark: Sie stellen zunächst einmal fest, dass sie sich bisher wenig Zeit genommen haben, ihre Beziehung miteinander zu reflektieren. In vielerlei Richtung sind sie engagiert: Mark ist rastlos in gehobener Stellung als Geschäftsführer tätig. Marina hat durch eine Fortbildung alle Hände voll zu tun. Hinzu kommt aktuell der Hausbau, der durch den Familienzuwachs notwendig wurde, und vieles mehr. Paare, die sich zu wenig Zeit nehmen, um anhand ihrer gemeinsamen Erlebnisse ihre Beziehung zu reflektieren, kommen zweifellos leichter in Konflikte. Meist verlieren sie ihr anfangs gemeinsames Ziel, das Leben miteinander liebevoll zu teilen, aus den Augen. Manche denken, das Motto „Dass ich dich liebe, habe ich dir ja bei unserer Hochzeit schon gesagt!“ sei zielführend.

Verbreitet unter uns ist auch der Glaube, Ehe müsse in einem fast mechanischen Sinne „funktionieren“. Wenn es funktioniert, bedeutet das: „Dann passen wir zueinander.“ Wenn es nicht klappt, heißt das umgekehrt, dass die Rädchen nicht ineinandergreifen. Also passen A und B nicht zueinander. Das ist ein Trugschluss. Eheleute „machen sich passend“. Indem sie sich teils bewusst, teils unbewusst an den Partner und die neuen Gegebenheiten anpassen, verlieren sie nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Sie gewinnen und genießen eine immer mehr gelingende Beziehung. Dieses „Anpassen“ bedeutet nicht, dass sie in allem immer nachgeben, sich selbst aus dem Auge verlieren oder gar unterwerfen. Weil der Mensch keine „Maschine“ ist, die „passt“ oder „funktioniert“, ist auch die Ehe dynamisch und nicht als „Mechanismus“ zu verstehen. Der Mensch ist also ständig veränderbar und nicht festgelegt.
Darum sollten Eheleute immer wieder über ihr „Projekt Ehe“ reden, das sie einmal in eigener Verantwortung gegründet haben. Jede/r sollte zur Sprache bringen, wo sie oder er sich benachteiligt fühlt. Paare werden dann vor allem die Bereiche ansprechen, in denen sie ein gewisses Ungleichgewicht, eine Benachteiligung empfinden. Uns ist meist nicht klar, dass wir schon bald nach unserem ersten Kennenlernen nach diesem Gleichgewicht in unserer Beziehung suchen, eine gewisse Ausgewogenheit, eine ausbalancierte „Waage“. Wird sie nicht empfunden, entsteht Unzufriedenheit.
Es kann beispielsweise sein, dass einer von beiden, der sowieso dazu neigte, weniger zu reden, jetzt noch stiller wird, weil der andere meist eher das Wort ergreift. Oder jemand anderes entwickelt noch mehr Zurückhaltung und zieht sich eher zurück, weil der andere als Person der Öffentlichkeit überall bekannt ist. Wenn zwei Leute ähnlich ordentlich sind, werden sie sich nach meiner Erfahrung unbewusst anders ergänzen wollen. Bei einem Paar wurde die geradezu zwanghafte Ordnungsliebe so stark, dass sich einer nur noch „genervt“ sah.
Dieses ergänzende Gleichgewicht darf sein. Sobald allerdings einer von ihnen ein Verhalten als einseitig oder gar störend empfindet, sollte es angesprochen werden. Wo dies nicht geschieht, entwickeln sie sich je länger, desto mehr auseinander, ohne dass es ihnen klar ist.
Bei Marina und Mark lag der erste Korsika-Urlaub bereits fünfzehn Jahre zurück. Muss man sich da nicht ganz nüchtern betrachtet die Frage stellen: Sollten die beiden sich seitdem so wenig in ihrer Persönlichkeit entwickelt haben? Und plötzlich empfindet Mark schmerzhaft, dass er, wie er sagte, sich an einem Ort wiederfindet, wo er gar nicht alleine hinwollte. Er schaut sich um und die Partnerin scheint sehr weit weg vom eigenen Denken, Fühlen und Wollen. Das Gegenüber ist im wörtlichen Sinne „ver-rückt“. Dieses Empfinden hatte auch Marina aufgeschreckt. Deshalb hat sie die Eheberatung aufgesucht. Erst das Reflektieren macht klarer: „Der Partner tickt doch ganz anders als ich. Das muss ich immer wieder neu verstehen. Und ich bin es, die sich auf ihn einstellen, ihn abholen soll, mit ihm das Leben zusammen gestalten will. Das soll fester Entschluss sein.“

Die Frage nach dem Warum

Marina hatte angefangen, Fragen zu stellen. Es waren Fragen wie: „Warum machst du das?“ „Warum übergehst du mich?“ „Warum fühle ich mich nur noch als Anhängsel deiner bereits getroffenen Entschlüsse?“ „Ich fühle mich, als ob ich hinter dir herlaufe und du nur noch den Ton angibst.“

Hilflosigkeit kann wütend, aggressiv, arglistig und hart machen. Hoffnungsvoll und hilfreich kann es dagegen durchaus sein, dass Marina nach dem Warum fragt, wenn es tatsächlich darum geht, den anderen zu verstehen. Solche Fragen können Reibung erzeugen, doch einen Konflikt zur Sprache zu bringen, ist viel besser, als in einem unzufriedenen Nebeneinanderher weiterzumachen.
Marina und Mark sind ins Gespräch gekommen. Sie versuchen, ihre Motive zu klären und sich besser verstehen zu lernen. Ihnen wird langsam klar, warum sie da gelandet sind, wo sie sich jetzt befinden. Gleichzeitig wird ihnen bewusst, dass sie in diesem Zustand nicht verharren möchten und das auch nicht müssen. Es gibt Veränderungsmöglichkeiten und die wollen sie in Angriff nehmen. Dabei hilft ihnen ein weiterer Schritt zurück: Paare können einander besser verstehen, wenn beide ihre Rolle in ihrer Biografie verstehen. Wenn sie sich klarmachen, woher sie kommen und was sie aus ihrer Ursprungsfamilie bewusst und unbewusst einbringen.
Wie Marina und Mark in diesem Prozess weitergekommen sind und was ihre Herkunftsfamilien und Biografien für ihre Ehe bedeuten, darum soll es in der nächsten Ausgabe gehen.

Dr. (theol.) Michael Hübner ist verheiratet und hat fünf erwachsene Kinder. Er ist Gründer und Dozent der Stiftung Therapeutische Seelsorge und Leiter einer Beratungs- und Psychotherapiepraxis in Neuendettelsau. Sein neues Buch: „Der Kick für die Partnerschaft – Vitaminkur für das Ehegespräch“ (Concepcion SEIDEL)

Mein Mann ist in ständiger Sorge

„Wir haben nach der Geburt erfahren, dass unser Sohn einen Herzfehler hat. Er musste gleich operiert werden. Ich habe es mittlerweile ganz gut verarbeitet, aber mein Mann kommt nicht darüber hinweg. Er hat ständig Angst um unseren Sohn. Er hat das Trauma nicht aufgearbeitet und ist auch nicht der Typ, der über seine Gefühle redet. Wie kann ich ihm helfen?“

Wir hören in unserem Beratungsalltag sehr häufig, dass Mütter und Väter unterschiedlich mit „schlechten Nachrichten“ oder schwer krankem Familienzuwachs umgehen. Oft haben Mütter das Bedürfnis, darüber zu reden und Erfahrungen auszutauschen, während Väter im Internet aktiv sind oder sich in ihre Rolle als Ernährer zurückziehen. Auch sich aktiv Hilfe zu holen, scheint für Männer oft schwerer zu sein als für ihre Partnerinnen.

Männer leiden anders als Frauen

Manche leiden still, aber genauso intensiv – nur eben anders. Die Paarbeziehung gerät in den Hintergrund, die Eltern „funktionieren“ in der gemeinsamen Sorge um das herzkranke Kind. Für die Geschwister bleibt oft nicht mehr so viel Kraft und Zeit, wie diese es sich wünschen. Die sorgen sich ja auch und bräuchten viel Zuwendung und Erklärungen, warum jetzt alles so anders ist, seit das herzkranke Kind in die Familie kam. Ein Dilemma, für dessen Lösung die Familien Hilfe und Unterstützung brauchen.

Falls Sie es noch nicht getan haben, rate ich Ihnen, Hilfe über Eltern-Vereine in Anspruch zu nehmen. Bei Elterncoachings beispielsweise können Sie gemeinsatrm mit professionellen Coaches Ihre drängenden Fragen und Ängste besprechen und erhalten dort einen zuversichtlichen Blick in eine Zukunft mit dem oft chronisch herzkranken Kind. Und Sie lernen andere Eltern in ähnlichen Situationen kennen, mit denen Sie sich austauschen können. Corona-bedingt tauschen sich Väter, Mütter und Coaches derzeit in Online-Seminaren aus, was den Vorteil hat, dass beide Eltern gleichzeitig anwesend sein können.

Angebote speziell für Väter

Die Eltern-Vereine verhelfen Ihnen auch zu einer Familien- orientierten Reha (FOR). In Nachsorgekliniken können sich die belasteten Familien inklusive der Geschwister vier Wochen lang neu finden und Kraft tanken für den künftigen gemeinsamen Alltag. Dort gibt es auch Angebote speziell für Väter. Die Kosten trägt entweder die Renten- oder die Krankenversicherung.

Es gibt auch „Väter-Wochenenden“, die speziell die Bedürfnisse von Vätern ansprechen. In einem geschützten Raum können sie sich fallenlassen, sich jemandem anvertrauen und sich mit anderen Betroffenen austauschen. Hier können sie neue Methoden für den Umgang mit Rückschlägen erlernen und Kraft tanken.

Hermine Nock ist Geschäftsführerin beim Bundesverband Herzkranke Kinder e. V. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Webtipps:

www.bvhk.de
www.kohki.de
www.herzkind.de
www.kindernetzwerk.de
www.evhk.ch
www.herznetz.ch

Facebookgruppe: „Eltern und Familien herzkranker Kinder“

Ein Paar, zwei Perspektiven: Kochen

HÜTERIN DER TRADITION

Katharina Hullen weiß, wie bestimmte Gerichte gekocht werden müssen. Trotzdem darf sich ihre Tochter gerne ausprobieren, aber nicht unbedingt ihr Mann.

Katharina:

Unsere älteste Tochter (13) hat sich zu Weihnachten ein leeres Rezeptbuch gewünscht. „Ich möchte schon mal anfangen, all die leckeren Familienrezepte aufzuschreiben, damit ich sie später nachkochen kann!“ Ich weiß ja nicht, wie konkret ihre Auszugspläne schon sind, hoffte aber beim Lesen des Wunschzettels, dass das noch ein bisschen Zeit hat. Sei’s drum – sie bekam ein schönes Buch, hat sich sehr darüber gefreut und es auch schon mit einem knappen Dutzend Rezepten gefüllt.

Denn sie ist unsere Backfee, und wann immer sich Lust oder Frust in ihr breitmachen, wird der Vorratsschrank geplündert. Das ist wirklich wunderbar – mit 13 Jahren wäre mir das im Traum nicht eingefallen. Vermutlich hätte ich es auch gar nicht allein gedurft, da Kochen und Backen ja auch irgendwie gefährlich sind. Nicht nur das Hantieren mit heißen Töpfen, Geräten und Flüssigkeiten hielt meine Mutter davon ab, mir die Küche zu überlassen. „Wie du das Messer schon hältst!“ war ein mehrfach geäußerter Satz, bevor mir selbiges entrissen wurde, was mir die Lust am freudigen Kochlöffelschwingen kräftig vermieste. Aber auch die unterschwellige Gewissheit, das richtige Würzen und Portionieren ohnehin nicht hinzubekommen, nahm mir das Selbstvertrauen, einfach mal drauflos zu kochen oder zu backen.

Unsere Große ist das totale Gegenteil. Sie ist herrlich souverän im Umgang mit „Fehlern“ und sie wird bestimmt mal eine großartige Köchin. Beispiel: Einmal produzierte sie aus Versehen einen gigantischen Hefeteig, weil sie irrtümlich 12 Eier in den Teig geschlagen hatte. Eine falsch abgespeicherte Erinnerung an ihren letzten Pfannkuchenteig! Egal – sie borgte sich noch ein paar Kilo Mehl von Oma, und wenig später verteilte sie die Berge von köstlichen, warmen und duftenden Zimtschnecken kurzerhand in der Nachbarschaft mitsamt der netten 12-Eier-Pannengeschichte.

Hauke ist auch so ein Improvisationstalent. Wenn er Hunger hat, steht er in der Küche und zaubert aus dem, was er finden kann, irgendein leckeres Essen. Rezepte findet er eigentlich eher lästig, schließlich hat er doch selbst ganz gute Ideen, welche Zutaten er mit welchen Gewürzen zusammenstellt. Und natürlich ist es fast immer lecker. Außer …
Außer er hält sich nicht ans Familienrezept! Daran, wie es immer gekocht wird! Was Neues ausprobieren? Soll er ruhig machen! Aber die Gewürze oder die Art zu verändern, wie ein traditionelles Gericht gekocht wird? Da werde ich nervös – das ist nämlich dann falsch!

Ja, Prägung ist manchmal eine schwierige Sache! Ich freue mich, dass ich es trotzdem geschafft habe, meinen Kindern schon Freiheiten in der Küche zu lassen.
Aber Hauke? Wie der das Messer schon hält!

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

KULTURKAMPF AM HERD

Hauke Hullen improvisiert gerne und bewegt sich mit seinen Kochkünsten auf schwierigem Terrain.

Hauke: Die Küche ist der Nahe Osten unserer Wohnung. Gleich mehrere Teile der hier wohnhaften Bevölkerung haben den Anspruch, in dieser Region das Sagen zu haben. Selbst die erst vor Kurzem eingewanderte jüngere Generation macht sich hier breit und nimmt dabei leider keine Rücksicht auf die Traditionen der Alteingesessenen.

Wobei – selbst bei den Alteingesessenen prallen uralte kulturelle Unterschiede aufeinander, die immer wieder zu heftigen Konflikten führen. Obschon die Küche als Mittelpunkt des Hauses mythisch aufgeladen und damit quasi heiliger Boden ist, toben gerade hier die erbittertsten Schlachten. Kommt das Salz ins Nudelwasser, bevor es kocht – oder erst danach? Müssen Zwiebeln, die später im Eintopf verschwinden, angebraten oder gedünstet werden? Ist der Zitronensaft im Salatdressing obligatorisch oder kann man ihn auch weglassen, weil das Grünzeug sonst ungenießbar wird und der Zahnschmelz wegplatzt?
Man könnte meinen, in einer Ehe seien diese Fragen von untergeordneter Bedeutung und man findet im Zweifel sicher schnell eine Lösung. Weit gefehlt!

Liebe geht durch den Magen, und wenn dieser Liebesbeweis absichtlich und heimtückisch falsch zubereitet wird, dann kann man auch gleich die Scheidungspapiere neben den Teller legen. So deute ich zumindest die Reaktion meiner Frau, wenn ich irgendwo den Muskat vergessen habe. Denn Katharina bemüht sich nach Kräften, die uralten Schriften und Legenden, die in ihrer Familie seit Jahrtausenden von Mutter zu Tochter weitergegeben werden, aufs Gramm genau zu befolgen. Ihre Kochkunst ist eine Buchreligion – und wehe, der Göttergatte erdreistet sich einer kleinen Improvisation! Laut geäußerte Überlegungen, ob der Kuchen nicht auch mit 510 Gramm Mehl gelingt, sind Ketzerei und rufen heiligen Zorn hervor. Da in dieser Umgebung Messer, Spieße und siedendes Öl nicht weit sind, habe ich inzwischen gelernt, die verworrenen Rituale stillschweigend mitzutragen.

Trotzdem bleibt die gemeinsame Zubereitung eines Partybuffets eine Herausforderung. Doch je knisternder die Stimmung in der Küche war, umso mehr freuen wir uns dann, wenn endlich die Gäste kommen. Die feiern dann mit uns einen runden Geburtstag, und die beste Ehefrau und ich feiern, dass wir das Kochduell beide überlebt haben.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Doula mit Herz

Marit Boguslawski ist zertifizierte Doula. Das heißt, sie begleitet Frauen bei der Geburt. Eine Hebamme ist sie allerdings nicht. Ein Interview.

Was genau ist eine Doula?

Eine Doula ist eine Geburtsbegleiterin. Sie hat Erfahrung und schon eigene Kinder geboren. Sie ist nur bei der Geburt mit dabei und für das Wohl der Mutter da.

Also eine Art Hebamme?

Eine Hebamme hat eine längere und intensivere Ausbildung hinter sich und auch mehr Aufgaben und Verantwortung. Sie muss bei der Geburt zum Beispiel auch das Baby genau im Blick behalten sowie nicht zuletzt wegen des Personalmangels die anderen Entbindenden im Kreißsaal. So kann es immer wieder zu Unterbrechungen und Störungen kommen, die die Mütter verunsichern oder verängstigen. Diese Lücken kann die Doula füllen. Sie ist ausschließlich für die Mutter da und begleitet sie vom Anfang bis zum Ende der Geburt.

Man hat also im besten Fall eine Hebamme und eine Doula?

Genau. So wäre es perfekt.

Es geht nicht ums Betüddeln

Es gibt aber Frauen, die unter der Geburt nicht gern betüddelt werden …

Es geht nicht ums Betüddeln, sondern darum, dass jemand für die Frau da ist, ihr etwas zu trinken gibt, mit ihr atmet, sie massiert und ermutigt, darauf achtet, dass die Tür geschlossen bleibt und nicht ständig jemand reinkommt – vor allem, wenn der Vater nicht mit dabei sein kann.

Werden Sie von den Vätern nicht als Konkurrenz gesehen?

Wenn mich Eltern engagieren, treffen wir uns erst einmal zu einem Kennenlerngespräch, um zu sehen, ob die Chemie stimmt. Dann sprechen wir Erwartungen ab und wer bei der Geburt welche Aufgabe übernimmt. Ich dränge mich nicht dazwischen. Ich bin einfach nur da. Die Männer waren bisher immer erleichtert, mich dabeizuhaben, weil sie so mal verschnaufen oder auch mal rausgehen konnten, ohne ihre Frauen allein zu lassen. Übrigens auch die Hebammen, die ja häufig mehrere Frauen gleichzeitig betreuen.

Viele Frauen sind nach einer Geburt traumatisiert

Warum sind Sie Doula geworden?

Mich haben Erzählungen von Geburten betroffen gemacht, die wegen fehlender Anwesenheit Ermutigender, mangelnder Empathie und auch falscher Krankenhauspolitik schiefgelaufen sind. Viele Frauen sind nach einer Geburt so traumatisiert und desillusioniert, dass sie sich im schlimmsten Fall keine weiteren Geburten vorstellen können. Ich finde es schade, dass das Wunder Gottes so ein Akt geworden ist und glaube, dass eine Geburt perfekt von Gott vorbereitet ist und es besser klappen kann. So habe ich es auch erlebt. Ich bin eigentlich Erzieherin und wollte nicht zurück in den Kindergarten, nachdem ich drei Kinder bekommen habe und zehn Jahre zu Hause war. Also habe ich eine Weiterbildung zur Doula gemacht. So mache ich zwar nicht in der Masse, aber bei der einzelnen Frau einen Unterschied.

Haben Sie das auch so erleben können?

Ja. Viele Mütter haben mir zurückgemeldet, dass sie sich nicht erträumt hätten, dass eine Geburt auch so verlaufen kann, entspannt, fast unspektakulär – so, wie es sein sollte. Sie kommen mit unterschiedlichen Erwartungen zur Geburt. Ich kann ihnen dienen und zur Seite stehen, egal was kommt, indem ich zeige: „Ich bin da. Du bist nicht allein.“ Ich bin bisher immer sehr erfüllt und beglückt aus dem Kreißsaal gegangen, weil ich das Gefühl hatte, die richtige Person für diese Frau gewesen zu sein.

Interview: Ruth Korte

Eine Doula finden:

doulas-in-deutschland.de
doula.ch
doula.at
Die Kosten variieren zum Teil stark. Es gibt auch Angebote auf ehrenamtlicher Basis und eine finanzielle Unterstützung einkommensschwacher und alleinerziehender Frauen.

„Gott macht keinen Unterschied zwischen Mann und Frau“

In christlichen Gemeinden gibt es oft feste Rollenzuschreibungen für Männer und Frauen. Veronika Schmidt, Sexologin und systemische Beraterin, plädiert dafür, dass Männer und Frauen auch in diesem Umfeld endlich gleichgestellt sind – weil Gott es sich so gedacht hat.

Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist dir ein Herzensanliegen. Was ist dir daran besonders wichtig?

Meine Idealvorstellung ist, dass nicht mehr das Geschlecht eine Rolle spielt – ob ich Frau oder Mann bin –, sondern dass man seinen Gaben entsprechend das tun kann, was man gern tun möchte. Und dass einem von außen keine Vorurteile und Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wenn diese Freiheit nicht da ist, liegt viel Potenzial brach. Dann verzichten wir als Gesellschaft, Kirche oder Familie auf zu viel, wenn nicht jeder das tun kann, was in seinen Möglichkeiten liegt.

Wie sieht es mit der Gleichberechtigung im christlichen Umfeld aus?

Es gibt hier ein breites Spektrum. Es gibt Gemeinden, in denen ist die Mitarbeit den Gaben gemäß und unabhängig vom Geschlecht problemlos möglich, in anderen aber nicht. Wir sind nicht da, wo ich denke, dass Gott sich das so gedacht hat. Schwierig finde ich dieses „Ja, aber“, das selbst in den fortschrittlichsten Gemeinden immer noch in der Luft schwebt. Das hat etwas damit zu tun, wie lange wir dieses Thema schon mit uns herumtragen. Es gibt keinen Verband, keine Kirche, die sich hinstellt und öffentlich sagt: „Wir haben uns geirrt, es gibt kein ‚Aber‘ mehr. Frauen und Männer sind gleichberechtigt.“ Das würde einen Unterschied machen, weil wir damit gezwungen wären, unser Denken, unsere Haltung zu ändern und dementsprechend auch die Strukturen. Ich glaube nicht, dass sich in der Kirche etwas grundlegend ändert, wenn diese klaren Statements nicht kommen. Klar, Frauen werden Schritt für Schritt ein bisschen mehr geduldet. Das ist kein Statement, keine offizielle Entscheidung in vielen Gemeinden. Deshalb bleibt immer dieses „Aber“ in der Luft hängen.

Du hast gerade gesagt, es entspricht nicht dem, wie Gott sich das gedacht hat. Was meinst du denn, wie Gott es sich gedacht hat?

Ich habe zur Recherche für mein Buch „Endlich gleich“ und auch nachträglich sehr viel zu diesem Thema gelesen. Ich meine, theologisch verstanden zu haben, dass Gott keinen Unterschied macht zwischen Mann und Frau. Er gibt ihnen den Auftrag, die Welt zu verwalten und zu bebauen. Dieser Auftrag geht an beide. Paulus muss oft hinhalten für die Unterdrückung der Frau. Aber wenn wir genau auf sein Verhalten und seinen Umgang mit Frauen schauen, sehen wir, dass er das weitergeführt hat, was Jesus gelebt hat: den Frauen auf Augenhöhe zu begegnen und mit ihnen unterwegs zu sein. Als die Kirche institutionalisiert wurde, wurden die Frauen wieder untergeordnet. Das ist eine gesellschaftliche, machtpolitische Richtung, die nicht mit dem, was Jesus und Paulus gelehrt und gelebt haben, zu vereinbaren ist.

In christlichen Kreisen wird oft das Konzept formuliert: „Frauen und Männer sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Es gibt bestimmte Gaben und Aufgaben, die für Männer und solche, die für Frauen gedacht sind.“ Was sagst du dazu?

Das ist eine Ausrede, mit der Frauen vertröstet und ruhiggestellt werden. Natürlich sind wir gleichwertig, das ist gar nicht die Diskussion. Und wir sind nicht gleichartig, das ist auch nicht die Diskussion. Die Diskussion ist: Sind wir gleichberechtigt? Haben wir die gleichen Möglichkeiten? Kann die Frau an denselben Dingen teilhaben wie der Mann, und stehen ihr alle Türen offen? Gibt es keine Grenzen nur aufgrund des Geschlechts? Das ist die wichtigste Diskussion. Es gibt das Konzept der Komplementarität, dass Mann und Frau sich ergänzen. Und es gibt das Konzept der Egalität. Das heißt nicht, wir sind gleich gestrickt oder wir sind biologisch gleich, sondern es beruht auf der Annahme, dass Gott keinen Unterschied macht und deshalb die Gemeinde auch keinen Unterschied machen sollte, damit das volle Potenzial der Kirche zum Tragen kommt.

Diese klassischen Rollenzuschreibungen funktionieren ja auch bei vielen Paaren gar nicht …

Genau. Meine Erfahrung aus der Beratung ist, dass etwa die Hälfte der Paare nach dem klassischen Rollenmodell ticken: Er ist der Dominante, der Aktive, der Ideengeber, und sie passt sich eher an, folgt ihm, macht gern mit. Diese Paare haben mit ihrem Rollenbild für sich selbst und auch von außen keine Schwierigkeiten, weil das so akzeptiert ist. Es gibt meiner Erfahrung nach aber genauso viele Paare, die umgekehrt funktionieren: Die Frau ist die Dominante, die Aktive, die Ideengeberin, und er ist jemand, der gern folgt, sich gern anpasst, gern mitmacht und sich inspirieren lässt. Diese Paare zweifeln oft selbst an sich, weil sie etwas anderes als „richtig“ vermittelt bekommen. Und die Umgebung zweifelt auch an ihnen, weil sie nicht dem klassischen Rollenmuster entsprechen. Ich höre in der Beratung oft, wenn es zum Beispiel um Verantwortung geht, dass Frauen ihren Männern Vorwürfe machen: „Du bist doch das Haupt. Du müsstest doch jetzt vorangehen, auch geistlich, auch in der Kindererziehung. Du müsstest doch den Karren ziehen.“ Und da sind wir bei einem Bild, das nicht stimmt, denn den Karren müssen sie gemeinsam ziehen – sonst ist es eine mühsame Angelegenheit.

Es gibt aber auch diese Bibelstellen, dass Frauen in der Gemeinde schweigen sollen oder sich dem Mann unterordnen sollen. Wie verstehst du sie?

Es sind nicht mal eine Handvoll an Bibelstellen, aufgrund derer die Frauen jahrhundertelang zurückgestellt wurden. Das ist, würde ich sagen, eine Frage des Bibelverständnisses und der Auslegung. Es gibt inzwischen zahlreiche Auslegungen, die belegen, dass damit nicht das gemeint ist, was wir daraus gemacht haben, sondern dass da die einzelne Frau gemeint ist oder die vorlaute Frau, die im Überschwang über das Ziel hinausschießt. Damit ist auch die konkrete Situation damals gemeint und nicht eine generelle Aussage, weil eben diese generellen Aussagen dem, was Paulus sonst sagt und dem, was Jesus und Paulus gelebt haben, widersprechen.

Ich beobachte, dass junge Frauen und Männer in christlichen Gemeinden in Bezug auf Rollenbilder teilweise wieder konservativer werden als ihre Elterngeneration. Woher kommt das?

Diese Frauen haben die Emanzipation, weil Generationen vor ihnen dafür gekämpft haben. Aber Emanzipation ist anstrengend. Denn als emanzipiertes Paar muss man immer wieder Dinge verhandeln. Es gibt diese traditionelle Rückbewegung auch in der Gesellschaft, die sogenannten „Tradwives“. Das hängt damit zusammen, dass die Männer keine Emanzipationsbewegung ihrerseits in die Wege geleitet haben. Dann kehrt man irgendwann zurück zum Ist-Zustand. Es gibt Aussagen, dass Männer unter der Emanzipation der Frauen leiden oder dass Männer heute keine Männer mehr, sondern verweiblicht seien. Die Ursache wird aber an der falschen Stelle gesucht. Das Problem ist nicht, dass die Frauen sich emanzipieren, sondern dass Männer parallel dazu keine eigene Entwicklung, keine eigene Emanzipation in ein neues Männerbild gemacht haben. Die Bilder sitzen so tief in uns, dass es wirklich sein kann, dass ich in der Tradition mehr Halt finde und damit glücklicher bin, als in einer gewissen Unzufriedenheit zu sein. Aber nur der unzufriedene Mensch entwickelt sich. Ein gleichgestelltes Paar muss bereit sein, sich miteinander immer wieder zu entwickeln. Es geht nicht darum, dass Männer wie Frauen werden. Das ist definitiv der falsche Weg.

Wie kommen wir dann zu einem gleich-berechtigten Miteinander?

Wenn Frauen die gerechte Verteilung der Aufgaben und der Verantwortung nicht einfordern, wird nichts geschehen. Gleichstellung oder Gleichberechtigung muss im Kleinen gelebt werden. Und das ist erst mal für die Frau und den Mann anstrengend. Sie müssen sich überlegen, wie sie leben wollen. Wir Frauen sind herausgefordert, Gleichberechtigung überhaupt zu wollen und dann auch einzufordern.

Und die Männer können sich zurücklehnen und sagen: „Ich lass mal die Frauen kämpfen“?

Nein. Wir müssen zusammen mit unseren Männern kämpfen. Wir müssen uns den Männern zumuten und sie aus ihrer Komfortzone herausholen. Für meinen Mann zum Beispiel war es kein Problem, anzuerkennen, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind. Trotzdem wäre er auf ganz viele Dinge nicht gekommen, wenn ich sie ihm nicht erklärt hätte, wenn ich ihn nicht ein Stück weit gezwungen hätte, sich damit auseinanderzusetzen. Denn Männer haben eigentlich keinen Veränderungsbedarf. Wenn es bleibt, wie es ist, dann haben sie ihre Vorteile davon. Sie kommen oft gar nicht auf die Idee, etwas zu ändern. Die Me-too-Bewegung hat Männer gezwungen, hinzuschauen, was sie oft unhinterfragt tun: zum Beispiel diese Herablassung Frauen gegenüber, die einem auch in der christlichen Lebenswelt begegnet. Sich lustig zu machen über die Emotionalität der Frau bis hin zu Bemerkungen, wie Frauen aussehen. Diese Bewegung zwingt Männer, über ihre Rollenvorstellungen und über ihr Mann-Sein nachzudenken. Und übertragen auf die Situation in den Kirchen: Wenn wir die Männer nicht zwingen, werden sie es nicht überdenken. Aber wir werden immer Männer finden, die problemlos dazu bereit sind, sich solidarisch zu diesem Anliegen zu stellen. Natürlich gibt es auch die, die dies nicht tun oder nicht wollen und die dagegen kämpfen.

Hast du denn die Hoffnung, dass sich in den nächsten zehn Jahren die Situation grundlegend ändert?

Ich bin da ein bisschen zwiegespalten. Für einzelne Menschen hat sich schon viel geändert und wird sich auch weiter etwas ändern. Die Kirche konnte und kann sich den gesellschaftlichen Entwicklungen letztlich nicht entziehen. Wir stehen in den Gemeinden nicht mehr da, wo wir vor 30 Jahren standen. Ich sehe aber auch, dass jede Frauengeneration, jede Paargeneration sich das wieder erkämpfen muss. Ja, wir stehen auf den Schultern der Generationen vor uns und haben ihnen vieles zu verdanken, aber wir werden es nicht halten können, wenn wir uns nicht selbst dafür einsetzen. Frauen haben oft die Tendenz, sich zurückzunehmen, wenn es anstrengend und schwierig und unangenehm wird. Und ich glaube, dass wir deshalb ein bisschen vorkämpfen müssen. Wir sollten den nachfolgenden Frauengenerationen Beispiele geben, damit sie sich an Frauen orientieren können, die für die Gleichberechtigung einstehen und diese auch leben.

Das Interview führte Bettina Wendland. In der nächsten Family schreibt Veronika Schmidt darüber, wie wichtig Gleichberechtigung für ein erfülltes Sexleben ist.

Zum Weiterlesen:

Veronika Schmidt: Endlich gleich! Warum Gott schon immer mit Männern und Frauen rechnet (SCM Hänssler)
Katharine C. Bushnell: Wach auf, Eva! (Verlag für Kultur und Wissenschaft 2020, zuerst veröffentlicht 1921)
Annegret Braun: Warum Eva keine Gleichstellungsbeauftragte brauchte. Gottes Idee für Frauen und Männer (SCM R.Brockhaus)

„Sie reißt sich die Haare aus“

„Unsere Tochter (3) rupft sich, schon seit sie ein Jahr alt ist, die Haare. Wir haben gehofft, dass es mit der Zeit verschwindet, und ihr immer wieder die Haare geschnitten, aber es hilft nichts. Wir sind verzweifelt. Was können wir tun?“

Ihre Verzweiflung und Sorgen um Ihre Tochter sind sehr verständlich – gut, dass Sie sich hierbei nun Rat und Unterstützung holen! Das Verhalten zeigt sich bereits eine Weile und deutet auf ein gefestigtes Muster hin, das sich trotz Ihrer Bemühungen nicht auflöst.

Was ist Trichotillomanie?

Möglicherweise handelt es sich um Trichotillomanie, das zwanghafte Ausreißen von Haaren. Es kann sich bei Erwachsenen und auch bereits im Kindesalter entwickeln und chronifizieren. Betroffene können dem Impuls des Haarereißens nicht widerstehen. Häufig besteht ein Zusammenhang mit Anspannung und innerer Unruhe. Dem Haarereißen folgt ein Gefühl von Spannungsabbau. Es wird als lustvoll und entspannend erlebt und führt zu kurzfristiger Beruhigung, bis es bei erneuter Anspannung zu einem wiederholten Impuls kommt.

Stress kann eine Ursache sein

Bei Babys und Kleinkindern ist das Motiv für ihr Verhalten schwerer zu ergründen, da wir sie nicht fragen können. Was vielleicht anfangs als beruhigende Geste (wie Daumenlutschen) begann, kann sich zu einer festen Strategie entwickelt haben, die allein nur schwer zu durchbrechen ist. Vielleicht hilft sie unbewusst im Umgang mit besonderen Herausforderungen (Stress, Veränderungen, Konflikte). Sie kann für den Moment zwar ihren individuellen Zweck erfüllen, jedoch langfristig zu einem erheblichen Leidensdruck führen.

Wir Erwachsenen werden dadurch für diese Herausforderungen sensibilisiert, und es bietet sich die Chance, darauf zu reagieren. Wertvoll kann dann die Überlegung sein: Was könnte mein Kind mir sagen wollen? Spürt es etwas und bringt es zum Ausdruck, was ich noch nicht bemerkt habe? Diese Fragen sind manchmal unangenehm bis schmerzhaft, sollten uns aber nicht vergessen lassen: Konflikte oder Probleme finden immer ihre Wege. Es hilft, bewusst mit ihnen umzugehen und ihre Wege mitzugestalten.

Die gesamte Familie im Blick behalten

In Ihrem Fall bedarf es einer sorgfältigen medizinischen und psychologischen Abklärung durch Spezialisten für das jeweilige Kindesalter. Wenden Sie sich offen an Ihren Kinderarzt hinsichtlich kindertherapeutischer Unterstützung. Tauschen Sie sich mit anderen Eltern bezüglich Ihrer Sorgen aus. Diese haben eventuell ähnliche Erfahrungen und können Empfehlungen aussprechen.

Beobachten Sie wertschätzend, was die Situation mit Ihnen selbst macht und was Sie daraus lernen können. Richten Sie den Fokus auch auf das Familiensystem und die aktuelle Lebenssituation: Gibt es Zusammenhänge mit anderen Familienmitgliedern? Gab es in der Familienhistorie schon eine ähnliche Thematik? Wie hoch ist das Stresslevel in der Familie? Sind ausreichende Entspannungszeiten für alle Mitglieder vorhanden? Und wichtig, neben der Unterstützung von außen: Vertrauen Sie bei all den Herausforderungen in Ihre Kompetenz als Eltern für Ihre Tochter, auf Ihr Gespür für die Zeichen und Bedürfnisse Ihres Kindes!

Mara Pelt ist Psychologin M.Sc., Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin i.A., Systemische Beraterin und Familientherapeutin und lebt mit ihrer Familie in Hamburg. 

Tränen vor der Schule

„Meine Tochter (6) weint fast jeden Morgen, wenn ich sie zur Schule bringe. Sie möchte mich am Schultor gar nicht loslassen. Wenn sie nachher erst mal in der Klasse ist, ist wohl alles okay, meint die Lehrerin. Wie kann ich ihr die Trennungssituation erleichtern?“

Nach der Einschulung gehen wir oft davon aus, dass Kinder die neue Lebensphase ohne weitere Eingewöhnung meistern. Wie man am Beispiel Ihrer Tochter sieht, ist das aber keineswegs selbstverständlich, und das ist aus Kindersicht auch zu verstehen.

In der Schule gelten andere Regeln

Der Schulstart ist eine große Veränderung. Unsere Kinder gehen aus einer behüteten und übersichtlichen Kitawelt einen großen Schritt weiter. In der Schule gelten auf einmal andere Regeln. Die bisher vertrauten Personen sind nicht mehr da, dafür aber neue Erwachsene, an die sie sich erst gewöhnen müssen. Die Kinder kennen sich manchmal untereinander noch nicht, und es werden plötzlich eine Menge neuer Anforderungen gestellt. Während wir Eltern die Kindergartenzeit zudem sehr eng begleitet haben, müssen wir mit der Einschulung noch einen Schritt weiter zurücktreten. Das ist ungewohnt für alle – und so erklärt sich meistens auch der kindliche Trennungsschmerz.

Zunächst ist es wichtig zu unterscheiden, ob es Ihrem Kind tatsächlich nur in dieser morgendlichen Situation schwerfällt, sich zu lösen, oder ob es in der Schule ein grundsätzliches Problem gibt. Hierzu ist es wichtig, gut zuzuhören und auf Ihre Tochter zu schauen und aufmerksam für Dinge zu sein, die es ihr vielleicht schwer machen.

Freunde helfen beim Loslösen

Wenn es tatsächlich um den Abschied geht, können folgende Dinge helfen: Wenn Ihre Tochter schon Freunde gefunden hat, kann es das morgendliche Loslösen erleichtern, wenn sie ein anderes Kind auf dem Schulweg treffen könnte und die beiden dann zusammen in Richtung Klasse verschwinden.

Im Kindergarten hilft den Kindern oft das vertraute Kuscheltier, wenn sie sich anfangs eingewöhnen. In der Schule laufen sie natürlich nicht mehr mit dem Teddy im Arm rum – aber ein kleines Kuscheltier oder ein anderer vertrauter Gegenstand im Schulranzen können Trost und Sicherheit spenden.

Fällt es Ihnen auch schwer?

Daneben ist es gut, wenn Sie sich hinterfragen: Wie geht es Ihnen mit dem Schulstart? Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Kind dort gut aufgehoben ist? Gehen Sie optimistisch in diese neue Lebensphase Ihres Kindes? Oder sind auch Sie etwas unsicher? Falls dem so ist, ist es gut, mit anderen Erwachsenen darüber zu reden und sich mit eigenen Sorgen und Ängsten auseinanderzusetzen. Sollte sich herausstellen, dass Ihnen das Loslassen am Morgen tatsächlich auch schwerfällt, sollten Sie überlegen, ob Ihre Tochter von einer anderen Bindungsperson zur Schule gebracht werden kann.

Letztlich bleibt es jedoch eine Übergangssituation, die man manchmal einfach nur zusammen mit dem Kind aushalten kann. Oft möchten wir den Schmerz wegnehmen oder zumindest erleichtern. Doch oft ist nicht das Vermeiden, sondern das Aushalten und Begleiten von Schmerz unsere Aufgabe als Eltern.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de) und lebt mit ihrer Familie in Kaufungen.

Steuern, Geschenke und woran man noch so denken muss …

Die Familienarbeit gerecht und gleichmäßig aufzuteilen, ist für viele Eltern gar nicht so einfach. Denn manche Aufgaben sind auf den ersten Blick nicht sichtbar.

Die Mittlere geht morgen Nachmittag auf einen Kindergeburtstag, die Kleine zum Reiten und ich darf nicht vergessen, den Impftermin für den Großen auszumachen. Ich sitze am Wohnzimmertisch und kritzele Stichpunkte in meinen Kalender. Geschenk für Frida kaufen steht auf der To-do-Liste, und in der Spalte von heute Nachmittag ist „Schwimmschule anrufen“ zu lesen, gleich über „Tomatensuppe mit Käsenachos“, denn die soll es zum Abendessen geben. Während ich überlege, wann ich Fridas Geschenk kaufe, kommt die Kleine ins Wohnzimmer und drückt mir einen zerknüllten Zettel in die Hand, den sie in ihrem Kindergartenrucksack gefunden hat. Wechselsachen sind alle, lese ich. Ich atme tief ein und gehe ins Kinderzimmer, um eine Garnitur Unterwäsche, eine wetterfeste Hose, einen Pullover und Socken rauszusuchen und in eine Tüte zu packen. Die Tüte knote ich an den Kindergartenrucksack, denn sonst bleibt sie morgen garantiert zu Hause liegen.

„Wo war ich?“, denke ich, als ich zurück zu meinem Kalender komme. Ach ja, das Geburtstagsgeschenk für Frida. Vielleicht kann ich morgen auf dem Rückweg vom Kindergarten schnell zum Spielzeugladen fahren. Dann kann ich auch gleich die bestellte Salbe für die Kleine aus der Apotheke holen, denn die liegt da auch schon drei Tage. Während ich „Apotheke“ in meinen Kalender kritzele, kommt mein Mann die Treppe runter. „Deine Gewinnaufstellung vom Vorjahr brauche ich noch“, sagt er, „ich mache jetzt die Steuererklärung fertig.“ Ich nicke und bin froh, dass ich mich wenigstens darum nicht zu kümmern brauche.

Oft versteckt: der Mental Load

Viele Aufgaben, die wir im Familienleben zu erledigen haben, sind klar strukturiert. Jeder hat seine bestimmten Arbeitszeiten, in denen er für das finanzielle Auskommen sorgt, und seine Aufgaben im Haushalt. Manche von uns teilen es sich vielleicht auch klassisch auf, und einer geht arbeiten und der andere leistet Familienarbeit. Auch dann wissen wir ungefähr, wer welchen Handgriff erledigt. Wir haben irgendwann entschieden, wer die Wäsche macht, wer für Einkäufe und Essen sorgt, in wessen Zuständigkeitsbereich schmutzige Badezimmer fallen und wer dran ist, den Müll rauszutragen.

Doch neben diesen sichtbaren Erledigungen besteht unser Familienleben aus vielen unsichtbaren Aufgaben. Die Psychologin und Autorin Patricia Cammarata nennt diese Denkarbeit „Mental Load“. Auch heute wird sie noch hauptsächlich von Müttern übernommen. Als Mental Load bezeichnet man alles, was wir im Kopf behalten müssen. Man könnte auch sagen, die Organisation der Familie. Oft sind es wir Mütter, die genau wissen, wann wer in der Familie welchen Termin hat, die Einladungen im Blick behalten und Geschenke besorgen, die Gesprächstermine in der Schule ausmachen oder Spielverabredungen. Wir sind verantwortlich, wenn die Matschhose zu klein ist oder die Wechselsachen fehlen. Wir haben im Blick, welche Konstellationen wir bei geplanten Kinderfeiern unbedingt vermeiden müssen (Notiz an mich selbst: nie wieder Elli zusammen mit Chrissi einladen), an welchen Tagen wir vorsichtshalber schon einmal einen Waffelteig in der Hinterhand haben müssen, um Schulfrust aufzufangen, und wann eins der Kinder erst zur zweiten Stunde Unterricht hat.

Macht unsichtbare Erledigungen sichtbar!

Es ist wichtig, dass jemand für all diese Dinge ein Auge und ein Ohr hat und sie managt – und es ist oft unglaublich anstrengend. Immer wieder spreche ich in meiner Praxis mit Müttern, die total erschöpft sind, obwohl sie doch scheinbar nichts tun. Dass dieses „Nichts“ den Managementaufgaben in kleinen Betrieben gleichkommt, übersehen sie. Und nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Partner. Denn auch in Familien, die versuchen, sich alles sehr modern und gleichberechtigt aufzuteilen, kommt es zu diesem Ungleichgewicht an unsichtbaren Aufgaben – an den Dingen, die erst auffallen, wenn sie keiner mehr macht.

Ein erster Schritt, hier wieder ins Gleichgewicht zu kommen, ist, diese unsichtbaren Erledigungen sichtbar zu machen. Wenn Paare herausfinden wollen, ob sie sich wirklich gut aufteilen, ist es wichtig, nicht nur die praktischen Aufgaben aufzuschreiben und zu schauen, wie viele Stunden wer mit Erwerbsarbeit oder Haushalt verbringt oder wie viel Freizeit jedem bleibt. Auch die Denk- und Organisationsleistung muss mit aufs Papier.

Weg von alten Glaubenssätzen

Wenn klar ist, wie viel Arbeit im Hintergrund ein Elternteil auf diese Weise leistet, steht die Grundlage, Dinge neu zu verteilen. Patricia Cammarata rät neben der fairen Verteilung zum Abrüsten. Nicht alles, von dem wir im Familienleben bisher geglaubt haben, es sei unerlässlich, ist es auch wirklich. Gerade wenn Mütter unter Stress und Überlastung leiden, ist es gut, Ansprüche zurückzufahren und Glaubenssätze zu hinterfragen.

Weg von alten Glaubenssätzen heißt es auch, wenn es darum geht, sich Familienarbeit neu aufzuteilen. Hier sollte es vor allen Dingen darum gehen, die Stärken des jeweiligen Elternteils in den Mittelpunkt zu stellen. Oft werden auch heute noch Aufgaben in Partnerschaften anhand von Geschlechterklischees verteilt, ohne dass jemand genau schaut, ob das in der jeweiligen Situation sinnvoll ist oder nicht. Gerade Mütter haben noch immer das Gefühl, dass sie schief angeschaut werden, wenn nicht sie zum Plätzchenbacken in die Schule gehen, sondern ihre Männer.

Teilen ist nicht immer die Lösung

Andersrum gibt es den Trend, Aufgaben um jeden Preis zu teilen und alles, was in der Familie anfällt, gerecht zu halbieren: Beide bringen 50 Prozent der nötigen Erwerbsarbeitszeit ein, beide erledigen genau 50 Prozent der Hausarbeit, jeder übernimmt die Hälfte der anstehenden Bringdienste. Jeder trägt seinen Teil zum Papierkram bei, der so an einem Familienleben dranhängt, und ist gleich oft in der Werkstatt, beim Kinderarzt oder beim Elternabend. Jeder kontrolliert zu gleichen Teilen die Hausaufgaben und ist mal dran, die Einladungen für den Kindergeburtstag zu basteln. Das kann funktionieren, wenn Paare sich sehr ähnlich sind, an denselben Dingen Spaß haben und ähnliche Gaben besitzen. Meistens sind wir jedoch individueller.

Ich persönlich kann Papierkram überhaupt nicht ausstehen, verzettele mich, schiebe Dinge auf, vergesse die Hälfte. Mein Mann hingegen tut sich damit leichter. Er hat den Überblick über Finanzen, Versicherungen und wann die Krankenkasse wieder irgendeinen Wisch von mir braucht – wenn es viel ist, arbeite ich ihm da gern zu, mehr aber auch nicht. Dafür schaut er mit Ehrfurcht zu, wie ich die Termine der Kinder manage, sie immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort habe und dafür sorge, dass sie auch pünktlich wieder abgeholt werden. Letzteres übernimmt er dann gern, wenn ich ihm die Adresse per WhatsApp schicke, damit er sie ins Navi eingeben kann.

Bei meiner Freundin ist das anders. Wenn sie ihrem Mann die Finanzen überlassen würde, wären sie bankrott, scherzt sie manchmal. Dafür hat er kein Problem damit, am Nachmittag gleich fünf Gastkinder stundenlang zu bespaßen – meine Freundin hingegen bekommt beim bloßen Gedanken an so viel Lärm Kopfweh.

Wertschätzung ist wichtig

Es ist gut, wenn wir im Blick behalten, dass nicht jeder alles gleich gut kann, und das auch bei der Familienorganisation berücksichtigen. Eins ist jedoch wichtig, wenn Paare sich Aufgaben nach Gaben und Interessen aufteilen und nicht jeder auch mal in den Schuhen des anderen läuft: gegenseitige Wertschätzung. Erwerbsarbeit steht nicht über Familienarbeit. Nur weil einer mehr oder sogar allein das Geld verdient, hat er nicht automatisch mehr Rechte am Familieneinkommen. Die Tagesplanung der Kinder im Blick zu behalten, ist genauso anstrengend, wie sich mit Finanzämtern, Krankenkassen und Versicherungen herumzuschlagen. Letztlich tragen wir nämlich alle unseren Teil dazu bei, dass unser Familiengefüge funktioniert und dass unser Zuhause ein warmes und geborgenes Nest ist.

 

Wie läuft das mit der Aufgabenteilung bei euch – eher traditionell oder ganz modern?

In der aktuellen Ausgabe der Family könnt ihr den Test machen!

 

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern- und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de.

„Hilfe, meine Tochter ist zu dick“

„Meine Tochter wird immer dicker, und ich habe das Gefühl, dass sie darunter leidet. Sie zieht sich weite Kleider an und will nicht mehr ins Schwimmbad gehen. Ich liebe sie natürlich so, wie sie ist. Aber ich war als Jugendliche selbst etwas untersetzt und weiß, wie demütigend das in dem Alter ist. Ich würde ihr diese Erfahrung gern ersparen und ihr helfen, weiß aber nicht, wie ich anfangen soll.“

Ich darf Sie zunächst beruhigen: Kinder wachsen häufig „in Schüben“, abwechselnd in die Länge und in die Breite. Wartet man auf das nächste „Längenwachstum“, kann es sein, dass das Gewicht in Bezug auf die Größe des Kindes wieder in einer angemessenen Relation steht.

Bleibt ihr Übergewicht aber über längere Zeit bestehen (ob Ihr Kind wirklich übergewichtig ist, können Sie zum Beispiel anhand der für Mädchen in ihrem Alter geeigneten BMI-Kurve der WHO ablesen), ist es wichtig, dagegenzusteuern – aus gesundheitlichen, aber auch, wie Sie selbst erfahren haben, aus psychischen Gründen. Bieten Sie nicht ungefragt Ihre Hilfe an. Suchen Sie zunächst das liebevolle Gespräch mit Ihrer Tochter und schildern Sie ihr darin Ihre Beobachtungen und Vermutungen. Fragen Sie sie, ob sie möchte, dass Sie ihr helfen, und nutzen Sie eventuell die Unterstützung einer Fachkraft.

Ein Ernährungsprotokoll zeigt, wo es hakt

Möchte Ihre Tochter von Ihnen unterstützt werden, dann führen Sie zusammen mit ihr mindestens drei Tage lang ein Ernährungsprotokoll. Wichtig dabei: Alles sollte genauso wie immer gemacht werden, damit man möglichst gut den „Ist-Zustand“ der Ernährung Ihrer Tochter herausfinden kann. Anschließend werden alle notierten Lebensmittel ausgewertet; entweder per Lebensmitteltabelle oder per Smartphone-App.

Danach werden Sie wahrscheinlich schon sehr gut sehen, wann, wo und durch welche Lebensmittel oder Getränke sie die meisten Kalorien aufnimmt: Das sind die ersten Ansatzpunkte für Veränderungen! Isst sie zum Beispiel gern beim Fernsehen Chips und trinkt häufig süße Getränke, sind kalorienarme oder -freie Alternativen angesagt. So könnte sie etwa Rohkost knabbern oder Tee (kalt oder warm) trinken, sich Mineralwasser mit Limettensaft zubereiten oder sich zusammen mit Ihnen andere Leckereien einfallen lassen.

Gemeinsam ist es leichter

Wenn die gesamte Familie ebenfalls auf kalorienarme Zwischenmahlzeiten umstellt, keine süßen Getränke verzehrt und öfter mal spazieren geht oder mit dem Rad fährt, fällt es auch Ihrer Tochter leichter, die Umstellungen durchzuhalten. Kann sie über mehrere Monate ihr Gewicht mindestens stabil halten und wächst dann noch einmal, so wird das Größen-Gewichts-Verhältnis sicher bald wieder besser passen.

Ist sie allerdings schon ausgewachsen, sollte sie sich mit Ihrer Unterstützung ganz allmählich daran machen, ihre überschüssigen Pfunde wieder loszuwerden. Falls sie allein keinen Erfolg erzielt, kann es auch hilfreich sein, unter Gleichgesinnten abzunehmen und dort neue Ernährungsgewohnheiten einzuüben.

Elke Decher ist Diplom-Ökotrophologin und unterrichtet Ernährung, Hauswirtschaft und Gesundheits- und Naturwissenschaften an einem Berufskolleg.