Starke Post für starke Mütter

Mütter und Väter brauchen Ermutigung – nicht Vergleiche und Verurteilungen. Eine Anregung von Lisa-Maria Mehrkens

In einer besonders anstrengenden und stressigen Zeit schenkte mein Mann mir einen Postkartenkalender für Mütter – 52 Karten voller Gebete, Zitate und Geschichten aus dem Alltag von Müttern. Viele davon sprachen mich sehr an und passten exakt auf mein Leben im Moment. Ich fühlte mich ermutigt und gestärkt, die Karten gaben mir Kraft in schweren Zeiten. Denn Muttersein ist wunderschön, aber eben häufig auch anstrengend, herausfordernd und kräftezehrend.

KEIN SPAZIERGANG

Umso trauriger finde ich es, wenn Mütter sich in sozialen Netzwerken und teilweise auch in der realen Welt gegenseitig vergleichen, abwerten, verurteilen und mit negativen Kommentaren das Selbstbewusstsein zerstören. Jede möchte besser sein als die andere. Jede denkt, nur ihre Erziehung ist die richtige. Wenn man in sozialen Medien unterwegs ist, bekommt man bei so manchen Mütter-Kanälen das Gefühl, Muttersein sei ein Spaziergang und nur man selbst würde alles falsch machen. Dabei teilen wir doch oft die gleichen Sorgen und Herausforderungen. Wäre es nicht besser, ehrlich miteinander umzugehen, über Probleme zu sprechen und sich gegenseitig zu ermutigen? Unter meinen Freundinnen sind einige Frauen, mit denen ich offen und ehrlich über die Schwierigkeiten als Mutter reden kann. Denn gelegentlich ist es notwendig, von anderen in ähnlichen Situationen zu hören, um wieder Kraft und Selbstvertrauen zu bekommen. Im hektischen Alltag kommt das oft zu kurz. Deswegen wollte ich gern einen kleinen Teil dazu beitragen, zumindest die Mütter in meinem Freundeskreis zu stärken. Ich fand es zu schade, die Postkarten, die mein Mann mir geschenkt hatte, mit ihren starken Botschaften für mich zu behalten.

MEHR ACHTSAMKEIT

Also nahm ich sie und schrieb jeder Mutter in meinem näheren Umfeld eine davon. Ich versuchte, sie möglichst passend zur Situation und Persönlichkeit der Mütter auszuwählen und schrieb, dass sie eine tolle Mutter sei, einen guten Job mache, ich ihr Gottes Segen und Kraft wünsche. Dabei hatte ich manchmal beim Schreiben das Gefühl, diese Worte auch mir selbst zuzusprechen. Die Reaktionen der Empfängerinnen waren durchweg positiv. Viele waren überrascht, leider bekommen nur die wenigsten in ihrem Alltag ab und an gesagt, dass sie eine tolle Mutter sind. Ich möchte daher zu mehr Achtsamkeit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander ermutigen und dazu einladen, sich gegenseitig immer mal wieder im Alltag zu stärken. So behält man das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Mutter. Das können Kleinigkeiten sein wie eine Postkarte, eine kurze Nachricht, eine Schokolade als Nervennahrung oder ein kurzer Besuch auf eine Tasse Kaffee, bei dem man über Sorgen und Nöte redet. Das gilt übrigens auch für Väter! Letztlich sind wir alle Eltern mit Stärken und Schwächen, mit guten und schwierigen Phasen unserer Kinder. Und wer hört nicht gerne den Satz: „Gut gemacht, Mama/Papa!“?

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

Alles hat seine Zeit …

Wie ein biblisches Prinzip im Alltag hilft. Von Miriam Koller

Da war sie wieder, die mir so wohlvertraute Stimme meines inneren Kritikers, die mich immer wieder aufs Neue niedermacht, mich klein hält und verunsichert: „Na toll, hast ein paar Wochen durchgehalten, super. Und heute Abend machst du wieder alles kaputt. War ja klar, dass das nichts wird.“ Mein Blick fiel beschämt auf die Chipstüte vor mir, und ich fühlte mich augenblicklich hundeelend.

SPRUNG VOM 10-METER-BRETT

Vor einigen Wochen hatte mich im Buch „Problemzone Frau“ von Veronika Smoor die Aussage gepackt, wir Frauen dürften in puncto Ernährung auf unseren Körper vertrauen lernen. Ich wagte den mutigen Schritt und begann, nur noch so viel zu essen, wie ich tatsächlich Hunger hatte und nur noch das, worauf ich gerade Appetit hatte. Es fühlte sich im ersten Moment an wie ein Sprung vom 10-Meter-Brett. Anlauf nehmen, Augen zukneifen und hoffen, dass es gut geht. Luftleerer Raum, Schwerelosigkeit, Zweifel, Angst – war das wirklich eine so gute Idee?

Aber dann stellte ich nach kurzer Zeit fest, dass ich tatsächlich phasenweise auf ganz unterschiedliche Lebensmittel Appetit hatte und dass es gar nicht nur die „ungesunden“ waren. An der Mehrheit der Abende vermisste ich meine Schokolade überhaupt nicht, von der ich immer dachte, ich sei abhängig. Und statt der Befürchtung, dass ich aufgehen könnte wie ein Hefeteig, geschah tatsächlich das Gegenteil: Ich nahm ab. Ich fühlte mich so gut und so wohl in meinem Körper.

Gestern dann das: plötzlich ein abendlicher Heißhunger auf Chips, Cola und Schokolade. Und ich gab mich ihm hin. Nicht ohne mich dafür zu verurteilen und schwarzzumalen … Heute lese ich in einem Artikel, wie viel Energie der Körper benötigt, um eine Krankheit zu bekämpfen, und da muss ich plötzlich über mich selbst schmunzeln. Dass mich seit zwei Tagen eine Erkältung quält, hatte ich überhaupt nicht in den Zusammenhang gebracht mit meiner gestrigen Fressattacke. Dabei war es völlig klar: Mein Körper hatte nach Lebensmitteln geschrien, die ihm möglichst schnell viel Energie liefern sollten. Natürlich nicht gerade die besten, aber statt auf ihn zu hören und zu vertrauen, dass er schon weiß, was er da tut, habe ich den inneren Kritiker laut seine Schimpftiraden über mir ausschütten lassen und – das ist das Schlimme – ihm auch noch geglaubt.

DEN INNEREN KRITIKER ZUM SCHWEIGEN BRINGEN

Während ich heute darüber nachdachte, wie wunderbar Gott unseren Körper eigentlich geschaffen hat, kam mir ein Bibelvers in den Sinn, an den ich in letzter Zeit öfter denken musste. Prediger 3,1: „Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist.“ Lässt sich diese Aussage nicht vielleicht auf viel mehr Bereiche unseres Lebens ausdehnen, als wir erahnen? Der Bibelabschnitt geht weiter mit: „Geboren werden hat seine Zeit wie auch das Sterben.“ Und in diesem Zusammenhang verstehen wir diesen Vers meist. Dass es um die Endlichkeit unseres Lebens geht. Aber dass noch eine ganze Reihe an weiteren Aufzählungen folgen, war mir bisher weniger präsent:

„Pflanzen hat seine Zeit wie auch das Ausreißen des Gepflanzten. Töten hat seine Zeit wie auch das Heilen. Niederreißen hat seine Zeit wie auch das Aufbauen. Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Steine zerstreuen hat seine Zeit wie auch das Sammeln von Steinen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit wie auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen. Zerreißen hat seine Zeit wie auch das Flicken. Schweigen hat seine Zeit wie auch das Reden. Lieben hat seine Zeit wie auch das Hassen. Krieg hat seine Zeit wie auch der Frieden.“

Was hier beschrieben wird, lässt den Schluss zu, dass sich diese Weisheit auf sehr viele Bereiche des Lebens anwenden lässt. Warum also nicht auch auf unsere Ernährung und auf unser Vertrauen in unseren Körper? Und wie viel leichter und schöner wäre doch das Leben für uns, wenn wir uns erlauben würden, dieses Prinzip tatsächlich auf uns anzuwenden? Wenn wir den inneren Kritiker zum Schweigen brächten in dem Wissen, dass Gott das ganz anders sieht? Dass unser Schöpfer uns wunderbar gemacht hat und uns den Bauplan „Alles hat seine Zeit“ in die DNA gelegt hat?

DICKE STAUBSCHICHTEN

Ein weiteres Beispiel: Bevor ich Mutter wurde, war mein Haushalt perfekt geplant. Ich führte einen genauen Ablaufplan, wann ich was zu tun hatte und hielt mich daran. Ich hatte das Gefühl, den Haushalt im Griff zu haben. Dann kam die Geburt und mit dem Einzug dieses neuen kleinen Menschleins wurde meine Welt komplett umgekrempelt. Ich hielt keinen meiner Pläne mehr ein. Machte frustriert einen neuen, nur um dann auch diesen nicht erfüllen zu können. Unsere Regale setzten dicke Staubschichten an. Durch die Fenster sahen wir unsere Umgebung zunehmend getrübter. Es gab Ecken in unserem Zuhause, die über Monate hinweg nicht mehr gesaugt wurden. Und wie sehr machte ich mir dafür Vorwürfe …

Es kamen aber auch wieder andere Zeiten. Ich hätte es damals nicht für möglich gehalten. Auch heute noch gibt es diese Phasen, in denen ich es einfach nicht schaffe, den Haushaltsplan einzuhalten. Wo mir schlichtweg die Kräfte fehlen und ich mich nicht dazu aufraffen kann, die Betten frisch zu beziehen. Und auch da habe ich inzwischen eines gelernt: Es bringt weder etwas, mich zu quälen, nur damit „der Plan eingehalten“ wird, noch den inneren Kritiker zu Wort kommen zu lassen und mich schlecht zu fühlen für „mein Versagen“. Nein, ich darf darauf vertrauen, dass es – vielleicht schon in ein paar Tagen – einen Vormittag geben wird, an dem ich plötzlich vor Kraft nur so strotze, es mir förmlich in den Fingern juckt, heute die Betten zu beziehen, und mir die Arbeit dann federleicht von der Hand geht. Alles hat seine Zeit! Gott spricht es uns zu in seinem Wort. Wir dürfen darauf vertrauen, dass es die Wahrheit ist und es als Schutzschild vor uns halten, wenn die spitzen Pfeile des inneren Kritikers mal wieder versuchen, uns zu durchbohren.

Miriam Koller lebt und arbeitet in Weinstadt in der Nähe von Stuttgart. Sie ist Buchhändlerin in einer christlichen Buchhandlung und Mutter einer Tochter im Kindergartenalter.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Sinnlose Angebote

Im Wald baden

Katharina Hullen sucht zusammen mit ihrem Mann nach einem passenden Paar-Event und entdeckt allerhand Skurriles.

Katharina: Katharina: Kürzlich bekamen wir einen Erlebnisgutschein geschenkt. Nun stehen der beste Ehemann von allen und ich vor der Qual der Wahl, aus tausenden Erlebnissen das – ja, was genau soll es sein? – aufregendste, romantischste, erholsamste, außergewöhnlichste Event für einen besonderen Tag zu zweit herauszusuchen. Keine leichte Aufgabe, aber auf jeden Fall eine sehr unterhaltsame, denn neben all den Stadtführungen, Kochkursen und Funsport-Aktivitäten findet man allerlei skurrile Dinge, bei denen man sich fragt, warum Menschen dafür Geld ausgeben! So kann man sich für nur 29,90 Euro für 3 Minuten bei -150 Grad Celsius in einer Kältekammer einschließen lassen – was für ein Spaß, vor allem für mich, die schon bei 24 Grad plus fröstelt! Aber vielleicht ist es ja auch ein Schnäppchen – immerhin ist eine Tasse grüner Tee inklusive. Wer das gleiche Geld aus einem anderen Fenster werfen möchte, verschenkt ein Kinderhoroskop zur Geburt. Dort werden der Sternenstand am Tag der Geburt und die Auswirkungen auf Charakterzüge und Schicksal ausgewertet, vorhergesagt und in einer mehrseitigen Mappe zur Verfügung gestellt. Aha! Nein, vielleicht doch etwas Gemeinschaftsförderndes für die Paarbeziehung? Zum Beispiel Holzrücken: Da zieht man alte Baumstämme mithilfe von Pferden aus unwegsamem Waldgelände heraus. Für nur 84,90 Euro dürft ihr den ganzen Tag in schönster Natur dem Waldbesitzer seine schwere Arbeit abnehmen. Großartig! Wer zwar gerne im Wald sein möchte, aber dabei lieber nicht schuften will, bucht einfach 2,5 Stunden Waldbaden. Dort kann man mithilfe von diversen Achtsamkeitsübungen für 49,90 Euro die Ruhe des Waldes genießen. In Gruppen von bis zu 14 Personen. Und zwar in einem Waldgebiet in der Großstadt Essen, irgendwo zwischen A40 und A52. Und hier noch Empfehlungen für Tierliebhaber: Wem der Spaziergang in schöner Kulisse mit dem eigenen Partner nicht reicht, nimmt sich einfach wahlweise Alpaka, Rentier oder Esel mit. Was für eine wunderbare Vorstellung, wie Hauke vier Stunden lang mit einem Alpaka an der Leine durch Duisburg trottet! Wem das zu sportlich ist, dem sei das Husky-Knuddeln ans Herz gelegt: Für knapp 30 Euro darf man 2 Stunden lang einen Hund streicheln.
Interesse? Dann hätten wir auch selber noch ein paar Ideen: Wie wäre es mit meditativem Wäschefalten im Hause Hullen, pro Stunde für nur 19,90 Euro? Oder ihr puzzelt mit unserem 8-jährigen Autisten 4 Stunden lang das gleiche Puzzle? Alternativ könnten wir auch das große „Abenteuer Prozentrechnung (7. Klasse)“ anbieten (das Abfragen der Englisch-Vokabeln ist optional zubuchbar) für nur 49,90 Euro. Gibt auch eine Tasse Tee dazu! Ach ja, dieser Gutschein zeigt wunderbar, wie kreativ der Mensch werden kann, um Dinge an den Mann und die Frau zu bringen. Uns hat er eine schöne und lustige Paarzeit beschert – und zwar bereits beim Aussuchen des Erlebnisses. zeAls wir ihn einlösen wollten, war er schon abgelaufen.

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Rehrücken-Shampoo für gefestigte Persönlichkeiten

Hauke Hullen kämpft mit Haushaltshelfern, die nicht helfen, und badet in Bolognese.

Hauke: Was für ein Jammer! Da ist der Mensch als Krone der Schöpfung mit göttlicher Kreativität gesegnet – und was macht er daraus? Er erfindet Dinge, die kein Mensch braucht. So blockiert seit Jahren ein Zwiebelschneider wertvollen Platz in der Küchenschublade. Dieses Ding, mit dem man in wenigen Sekunden eine Zwiebel würfeln kann, um sich danach eine Viertelstunde lang mit der Reinigung abzumühen. Sein dümmerer Bruder ist der Bananenschneider: eine Schere, die mit nur einem Schnitt direkt sechs Scheiben abtrennt. Was man davon hat? Ein weiteres schwer zu reinigendes Utensil, aber dafür auch eine respektable Zeitersparnis im niedrigen einstelligen Sekundenbereich. Und kennen Sie den Butterstempel? Einfach die Schablone leicht auf die Butter drücken, und schon zeigen feine Linien an, wie groß eine 20-Gramm-Portion ist. Wie haben die Leute bloß früher gewusst, wie viel Butter sie für ein Brötchen brauchen? Da wäre außerdem die Plastikdose für exakt eine Kiwi. Wann kommt die Dose für ein Paar Kirschen oder eine Erdbeere? Frühstücksboxen für Bananen gibt’s schon, gelb und gebogen. Was die Box nicht weiß: Die Norm-Bananen aus dem Supermarkt sind fast gar nicht mehr krumm, passen also gar nicht hinein. Wohl dem, der jetzt einen Bananenschneider hat!
Während hier unsere Intelligenz subtil beleidigt wird, geht es an anderer Stelle offensiver zu: Kaum sitze ich am Frühstückstisch, schreit mich mein Müsli an: „Feige Nuss!“ Der Honig nimmt mich nicht ernst und will mir seine Herkunft nicht verraten: Er komme „aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“. Warum schreibt man nicht direkt „Honig von irgendwo“? Oder: „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“? Immerhin, der Käse ist ehrlich und sagt mir, wer und woran ich bin: „mittelalt“. Auch das Bad ist voll mit unnützen und missverständlichen Produkten: Wonach werde ich riechen, wenn ich das Shampoo „Frohe Weihnachten!“ benutzt habe? Nach Bratapfel oder Rehrücken? Das Duschgel meiner kleinen Söhne heißt „Wilde Tiere“. Wollte ich diesen Geruch nicht eigentlich loswerden? Auch das Duschgel von „Puma“ macht mich misstrauisch. Darum greife ich lieber zum nicht ganz so exotischen Badezusatz „Thymian & Oregano“ – um den Rest des Tages ein Odeur zu verbreiten, als hätte ich in Bolognese-Sauce gebadet. Was aber gewiss erträglicher ist als die gewagte Kombination des Axe-Duschgels „sneakers & cookies“. Turnschuh & Keks, ernsthaft? Schon der Drogerie-Einkauf erfordert eine gefestigte Persönlichkeit, legen diese Produkte doch den Finger in jede Wunde: „Fettiges Haar! Spröde Haut! Trockene Haare!“ Angeblich sollen die Shampoos umso besser sein, je mehr Beleidigungen draufstehen. Ein Wunder, dass sich so etwas verkauft. Aber schon der Ökonom Jean-Baptiste Say wusste: Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage – offenbar auch, wenn das Produkt weitgehend sinnfrei ist. Apple warb einst mit „Wenn du kein iPhone hast, dann hast du kein iPhone“, eine Kinder-Spielkartenserie mit dem Slogan „Sammel sie alle!“ – kaufe etwas, damit du es hast. Der Besitz als reiner Selbstzweck – manchmal ist die Krone der Schöpfung ganz schön dämlich.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Geliebt und gebraucht werden

„Können Kindergartenkinder schon Aufgaben zu Hause übernehmen? Wenn ja, welche können das sein?“

Wenn man mich fragen würde, was denn das absolut Wichtigste für das gute Leben eines kleinen Menschenkindes ist, dann würde ich wie aus der Pistole geschossen antworten: die Liebe. Die Liebe seiner Eltern, die Nähe und Geborgenheit, die diese Liebe spendet, die Fürsorge und Zuwendung. Das Menschlein wird versorgt und genährt durch die Liebe. Sie ist so lebensnotwendig wie Sauerstoff. Und doch – sie allein reicht nicht aus.

Kinder wollen nützlich sein

Dem Menschenherz ist es zu eigen, dass es nicht nur geliebt werden will, es will auch gebraucht werden. Dabei ist es gleich, wie alt dieses Herz ist, ob drei, dreizehn oder dreißig. Schon junge Kinder wollen wirklich gebraucht werden. Sie sollen wissen: „Gott sei Dank bist du da. Was würden wir nur ohne dich anfangen? Ohne dich wäre das alles gar nicht zu schaffen!“ In einer Familie sollte man sich also tunlichst davor hüten, die Welt in eine Kinder- und eine Erwachsenenwelt aufzuteilen, in der man sich allenfalls wechselseitig besucht. Es braucht nur eine gemeinsame Familienwelt, in der jeder unbedingt seinen Beitrag leisten sollte.

Die Möglichkeiten zur Mithilfe sind vielfältig und wandelbar. Schon kleine Kinder können helfen, Sockenpaare zu finden, Wäsche in die Maschine zu füllen oder den Tisch zu decken. Sie rühren mit Freude Kuchenteig, kehren begeistert die Straße und sind durchaus in der Lage, ihren Teller selbstständig in die Spülmaschine zu räumen oder ein Stück Butter in die Dose zu legen. Im Idealfall erledigt ihr gerade in den frühen Jahren diese Aufgaben gemeinsam. Dann muss man nicht nur ordentlich arbeiten, damit der Laden läuft, sondern hat auch noch eine nette Unterhaltung dabei. Man lernt voneinander und hilft sich gegenseitig.

Aufgaben klar formulieren

Überfordern sollte man junge Kinder aber nicht, die Aufgaben sollten überschaubar und klar formuliert sein. „Räum dein Zimmer auf!“ ist eine viel zu unkonkrete und komplexe Aufforderung. „Räum bitte die Bausteine zurück in die Box!“ ist dagegen klar begrenzt und einfach umsetzbar. Langsam, Stück für Stück wächst dadurch auch die Selbstständigkeit, Hand in Hand mit dem Selbstbewusstsein.

Natürlich ist diese Art der Mithilfe für Eltern keine echte Entlastung, noch nicht! Wenn man der Versuchung widersteht, alles mal eben fix selbst und allein zu erledigen, dann hat man in nicht allzu ferner Zukunft wirkliche Hilfe im Haus. Es wäre aussichtslos, von einem Zehnjährigen plötzlich kompetente Unterstützung zu erwarten, der bis dahin nicht erfahren durfte, wo sich die Mülltonnen befinden. Von klein auf als selbstverständliche Notwendigkeit erlernt, wird die Mithilfe in späteren Jahren kaum hinterfragt, auch wenn ihre Form dann immer wieder neu verhandelt werden muss.

Wenn Sie mich fragen würden, was das absolut Wichtigste für das gute Leben eines jeden Menschen ist, dann würde ich antworten: geliebt und gebraucht zu werden.

Sandra Geissler ist katholische Diplomtheologin und zurzeit Familienfrau. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Nierstein am Rhein und bloggt unter 7geisslein.com. 

Seismograph der Ehe

Kann eine Partnerschaft florieren, wenn im Bett nicht mehr viel geht? Oder umgekehrt: Kann Sex eine bröckelnde Ehe zusammenhalten? Und was können Paare tun, wenn der Wunsch nach Sex bei einem weniger ausgeprägt ist als beim anderen? Christof Klenk bat den Therapeuten Dr. Michael Hübner um Antworten.

Es kann eine Ehe beflügeln, wenn es im Bett gut läuft. Umgekehrt profitiert das eheliche Sexleben davon, wenn die Ehepartner gut miteinander unterwegs sind. Würdest du dem zustimmen?
Grundsätzlich ja. Beziehung und Sex gehören zusammen. Man kann sogar sagen, dass die Zufriedenheit in der sexuellen Beziehung seismographisch die Ehe widerspiegelt. Anders ausgedrückt: Wo Paare gut miteinander kommunizieren und diese Ebene für beide schön ist, werden beide in der Regel auch guten Sex haben. Ausnahmen sind allerdings beispielsweise körperlich-medizinische Störungen, die das Sexualleben beeinflussen können, oder auch Missbrauchserfahrungen.

Gegenseitig zur Masturbation ermutigen

Gleichzeitig scheint Sex durchaus auch in guten Ehen ein heikles Thema zu sein. Woran könnte das liegen?
Häufig ist es ein Problem, dass er öfter Sex möchte als sie oder umgekehrt. Man hat festgestellt, dass der Höhepunkt der Libido im männlichen Lebenszyklus bei etwa zwanzig Jahren liegt, der der Frau erst etwa bei vierzig Lebensjahren. Danach geht sie ganz langsam zurück. Als Theologe glaube ich, dass Gott den Sex zur Lust, zum Spaß für beide geschaffen hat. Ich rate, Sex eher zu gestalten als zu problematisieren.

Und wie könnte das Gestalten aussehen, wenn ein Teil häufiger will als der andere? Zurückweisen, weil man keine Lust hat, ist nicht schön. Vom anderen zurückgewiesen werden, ist auch nicht schön.
Das ist durchaus eine typische Situation bei vielen Paaren. Wie so oft, gilt auch hier: Die beiden sollten offen miteinander darüber reden. Manche lernen es in der Sexualberatung. Sie können ihre sexuelle Begegnung unterschiedlich gestalten, wenn sie sich gegenseitig liebevoll beschenken wollen. Kreative Möglichkeiten gibt es genug: Sie können sich gegenseitig zur Masturbation ermutigen – freilich ohne Porno, wie heute oft üblich –, oder sie befriedigen sich gegenseitig und führen sich so zum Orgasmus. Auch wenn zum Beispiel die Frau einmal gar nicht zum Orgasmus kommen möchte – es ist ihr vielleicht im Moment „zu aufwendig“ –, so kann sie sich doch körperlich ihrem Mann zum Glied-Scheide-Verkehr hingeben. Oder beide versprechen sich am nächsten Tag zu einem gemeinsamen Date, einem Fest, das vorbereitet ist.

Anders anziehend

Nach zehn oder zwanzig Jahren Ehe kennt man die Vorlieben des anderen und ist vertraut miteinander. Das ist sicher ein Vorteil, aber eine gewisse Routine kann auch langweilig werden.
Geht man von zwei sexuellen Begegnungen pro Woche aus, dann hat ein Paar in zwanzig Jahren ungefähr zweitausend Mal Sex miteinander. Da kann schon mal eine gewisse Routine einkehren, die beide eher als langweilig empfinden.

Ist das das Schicksal von langjährigen Ehen oder kann man dem entgegenwirken?
Liebe und Lust zeigen sich nach Jahrzehnten anders als am Anfang. Das Empfinden für körperliche Attraktivität tritt vielleicht zurück. An ihrer Stelle werden andere Qualitäten des Partners, der Partnerin sexuell anziehend: Vertrautheit und Wärme, Genussfähigkeit, Sinnlichkeit, Zeit zum Spiel, Verwöhnaktionen … Für sie mag es nicht mehr nur seine Sportlichkeit oder der knackige Hintern sein. Sie mag beispielsweise empfinden: Wenn ich ihn mit Abstand reden höre, seine entschlossenen Entscheidungen und den liebevollen Umgang mit den Kindern und seine Zärtlichkeit sehe, dann will ich seine Nähe. Für ihn spielt nicht mehr die Form des Busens eine große Rolle, dafür macht es ihn vielleicht an, ihre geschmeidigen Bewegungen auf dem Fahrrad zu sehen, während er hinter ihr fährt, oder wie sie musiziert … Kreativität im sexuellen Spiel ist angesagt. Manchmal kommt in dieser Zeit der „Appetit auch erst beim Essen“: Ein schöner Sexabend kann wie ein kleines Fest gestaltet werden. Schöne Musik, ein Gläschen Wein, Bodylotion, Duftkerze und angenehmes Licht – das alles ist nicht wie „Fastfood“ und die Vorfreude und Erregung kann steigen.

Sex nicht totschweigen

Wenn das alles nicht mehr hilft, ziehen manche Paare einen Schlussstrich unter das Thema. Nach dem Motto: Bei uns läuft nicht mehr viel, aber es gibt Wichtigeres.
Überarbeitung, Burnout, aber auch ungeklärte Themen und Ablenkungen können die sexuelle Erregungskurve stören und beispielsweise die männliche Erektion beeinflussen. Selbstverständlich sind dies schambehaftete, heikle Themen. Warum? Nicht jeder kann über sexuelle Themen frei reden. Manchmal auch deshalb, weil gerade auch in guten Ehen einer den anderen oder auch sich selbst schonen möchte und das Gegebene hinnimmt. Dies alles kann sich aber früher oder später auf die Beziehungsqualität legen. Paare sollten das aber nicht ignorieren und das Thema Sex nicht unterschätzen. Die Schamschwelle zu überwinden und qualifizierte Hilfe zu suchen, ist jetzt angesagt. Es gibt sehr gute Seelsorger, christliche Berater, Therapeuten oder auch Ärzte und hilfreiche Medikamente, und die Prognose ist in dem Bereich gut.

Es gibt Paare, die keinen Sex miteinander haben, aber nach eigenen Angaben glücklich miteinander sind, vielleicht sogar glücklicher, weil das Feld der Sexualität immer mit Konflikten verbunden war.
Das kann ich mir kaum vorstellen. Wenn sie es aber beide ehrlich sagen: wieso nicht? Dann sollte niemand ein Problem daraus machen.

Ich hätte die Befürchtung, dass dann doch mal irgendjemand kommt, der das Bedürfnis nach Intimität bei einem von beiden weckt.
Da gebe ich dir Recht. Ich würde diesem Paar deshalb ans Herz legen, dass sie über dieses Thema offen und kontinuierlich im Gespräch bleiben. Auch darüber, ob sie ihre sexuellen Bedürfnisse auf andere Weise befriedigen. Manchmal besteht ein ausgesprochener oder unausgesprochener Kontrakt, mit dem sie sich gegenseitig die Freiheit dazu geben. Sich aber beispielsweise anhand von Pornos zu befriedigen, ist keine gute Lösung. Keinen Sex miteinander haben sollte nicht heißen: Wir reden nicht mehr drüber.

Körperlichkeit alleine reicht nicht

Mal von der anderen Seite: Eine Frau schrieb uns, dass ihre Ehe in einem schlechten Zustand war, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Auf körperlicher Ebene lief es aber trotzdem noch gut mit ihrem Mann. Das habe sie sogar ein Stück weit zusammengehalten. Ist das für dich nachvollziehbar?
Da möchte ich korrigieren: Sie hatte sich in einen anderen verliebt, weil ihre Ehe in einem schlechten Zustand war. Denn wer verliebt ist, verliebt sich nicht anderweitig. Und die Frage ist eigentlich: Warum liebte sie ihren Mann nicht mehr und was hatte sie dafür getan, ihn zu lieben? Dass nur die Körperlichkeit noch zusammenhält, das gibt es tatsächlich, ist aber keine Lösung. Ihr hat anscheinend der andere Mann etwas gegeben, was sie bei ihrem nicht bekommen konnte. Darüber hätte ich mit ihnen in meiner Praxis gerne geredet. Sie befinden sich in einer notvollen fürchterlichen Sackgasse, die sich in der Regel bald psychisch negativ auswirkt.

Kann Sex zusammenhalten, was eigentlich auseinanderdriftet?
Das mag bei manchen Paaren so sein. Die amerikanische Soziologin Judith Wallerstein beschreibt Ehetypen so: Neben der traditionell geführten und der partnerschaftlichen Ehe gibt es die Ehe als Zuflucht, aber eben auch die „leidenschaftliche Ehe“, um die es hier geht. In ihr spielt die sexuelle Lust von beiden Seiten eine sehr große Rolle. Das birgt natürlich auch Gefahren. Wenn einzig sexuelle Lust zwischen beiden der Kitt ist, der sie zusammenhält, kann dies beispielsweise dann zur Gefahr für die Beziehung werden, wenn mindestens einer von beiden – aus welchen Gründen und wie lange auch immer – Sex nicht möchte oder nicht haben kann.

Wöchentliches Ehemeeting

Erotische Anziehung scheint davon zu leben, dass der Partner/die Partnerin anders ist als ich. Ist zu viel Harmonie und Seelenverwandtschaft vielleicht gar nicht so förderlich?
Ja, das Fremde ist das Attraktive. Wenn wir das Fremde im Gewohnten immer wieder zu entdecken versuchen – unser Gegenüber verändert sich ja auch immer wieder –, bleibt die Beziehung spannender. Im Gewusel des Alltags fallen uns die Veränderungs- und Entwicklungsprozesse oft gar nicht so auf. Meine Frau und ich – wir machen Paaren Mut zu einem wöchentlichen „Ehemeeting“. Das ist ein wichtiger Punkt in unserem Buch. Bei so einem Meeting kann es dann auch darum gehen, über Sexualität zu reden. Wichtig ist, miteinander im Gespräch zu bleiben – und das besonders in bestimmten Lebensphasen, wenn die gemeinsame Zeit knapp bemessen ist, weil die familiäre Situation oder der Beruf sehr viel abverlangt.

Dr. (theol.) Michael Hübner ist Gründer und Dozent der Stiftung Therapeutische Seelsorge und leitet eine Therapiepraxis in Neuendettelsau. Mit seiner Frau Utina hat er das Buch „Der Kick für die Partnerschaft – Vitaminkur für das Ehegespräch“ geschrieben.

Keine Kraft mehr, sich selbst etwas Gutes zu tun

Elternsein ist anstrengend. Kaum eine Mutter oder ein Vater macht das mit links. Hochsensible Menschen sind allerdings besonders herausgefordert in dieser Lebensphase. Von Melanie Vita

Eltern werden bedeutet, sich einer neuen Lebensphase zu öffnen und gewohnte Strukturen hinter sich zu lassen. Das ist wohl für alle Eltern eine Herausforderung. Hochsensible Eltern sehen sich dabei vor besondere Schwierigkeiten gestellt. Strategien, die für ihre innere Balance wichtig sind, wie Rückzugsmöglichkeiten, Stille und Reizreduktion, sind weniger möglich. Die persönliche Zeit wird knapper, Eindrücke, Gefühle und Reize werden intensiver, und nicht selten fühlt man sich einfach erschöpft.

So zum Beispiel bei der fiktiven Ann, Mutter von drei Kindern. Sie hat sich entschieden, ganz für die Kinder da zu sein und gab ihre Berufstätigkeit auf. Sie liebt ihre Familie über alles. Dennoch hat sie Momente, in denen sie sich vor Erschöpfung am liebsten unter der Decke verkriechen würde und das Gefühl hat, nur noch für die täglichen Aufgaben zu funktionieren. Wäsche machen, kochen, Kinder chauffieren, bei den Hausaufgaben helfen, alle Kinder ins Bett bringen – die Liste ist lang. Dabei sagt doch jeder, dass alles gut laufe bei ihr. Ihre Kinder entwickeln sich prächtig, ihr Mann unterstützt sie, und sie kann ihre zur Verfügung stehende Zeit voll für die Familie nutzen. Viele beneiden sie darum. Darf sie da erschöpft sein?

Ungenügend in Job und Familie

Tom hat einen Job in gehobener Position mit viel Verantwortung und ist Vater von Zwillingen, absolute Wunschkinder. Seit die Kleinen auf der Welt sind, hat er das Gefühl, niemandem mehr gerecht werden zu können. Im Büro bleibt vieles liegen. Und wenn er abends nach Hause kommt, erwarten ihn zwei Rabauken, die ihn voll vereinnahmen. Während er zu Hause das Gefühl hat, zu wenig Zeit und Liebe zu investieren, bleibt im Job einiges auf der Strecke. Dabei ist Tom jemand, der sich gern zu 100 Prozent engagiert, sich in Themen, Dinge und auch Beziehungen voll und ganz vertieft. Aber das Bedürfnis nach Ruhe wird immer stärker. Wie machen das andere Väter?

So wie Ann und Tom geht es vielen Müttern und Vätern. Besonders hochsensible Eltern werden sich hier wiederfinden. Sie starten optimistisch in die neue Lebensphase, investieren all ihre Liebe und ihre Fähigkeit der vollen Hingabe an etwas. Mit der Zeit merken sie aber, dass ihre Kräfte schwinden. Wenn Eltern bei der Lösungssuche auf das Thema Hochsensibilität stoßen, fällt ihnen nicht selten ein Stein vom Herzen. „Jetzt verstehe ich endlich, warum es mir so geht“, ist einer der meistgehörten Sätze in meiner Beratung.

Was ist Hochsensibilität?

Hochsensible Menschen nehmen Sinneseindrücke viel intensiver wahr als andere. Nichts prallt einfach an ihnen ab. Was sie beobachten, spüren und wahrnehmen, wollen sie verarbeiten, durchdenken, verstehen: Warum ist mein Kind resigniert von der Kita gekommen? Wieso kann mein Jüngster nicht mehr durchschlafen? Welche Beweggründe hat meine Große, nicht mehr in die Teensgruppe zu wollen? Warum ist meine Frau so angespannt?

Eine hohe Sensibilität lässt sich anhand folgender Merkmale (nach E. Aron) erkennen:

Verarbeitungstiefe
Tom sitzt am Schreibtisch und überlegt, wie er seine Kinder während des Homeschoolings unterstützen, wie die Arbeitsaufteilung zwischen seiner Frau und ihm lösen, wie er zeitgleich das knifflige Problem in seiner Firma beheben kann. Dabei analysiert er die jeweiligen Situationen von allen Seiten und durchdenkt jedes Detail.

Was sich bei Tom zeigt, ist die Fähigkeit, viele Informationen und Einzelheiten aufzunehmen, zu durchdenken und daraus nachhaltige Schlüsse zu ziehen. Logisches und auch weitblickendes Denken liegen ihm.

Überreizung
Es ist spätabends. Ann sitzt am Küchentisch und ist ausgepowert. Von früh bis spät organisiert, macht und tut sie. Sie kümmert sich um den Haushalt, die Kinder, den Ehemann und ihr kirchliches Ehrenamt. Abends, wenn es still wird im Haus und die Kinder endlich schlafen, wäre die Zeit, sich selbst etwas Gutes zu tun. Aber dafür fehlt Ann meist die Kraft.

Durch die herausstechenden Merkmale wie die Verarbeitungstiefe, die starken Gefühle und die ausgeprägte sensorische Wahrnehmung kommt es schneller als bei anderen zu einem Overload.

Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt

Emotionale Intensität
Ann kämpft mit den Tränen. Ihre Tochter ist in der Kita gestürzt, weint und hat Schmerzen. Das Mitgefühl übermannt Ann regelrecht und sie gibt sich Mühe, stark zu sein, um trösten zu können. Kurze Zeit später kommt ihre Große mit einer guten Klassenarbeitsnote nach Hause – die Freude ist übergroß. Tage wie diese kosten Ann viel Kraft, weil sie emotional stark gefordert ist, egal in welcher Richtung.

Hochsensible erleben Emotionen sehr intensiv. Sie haben ein außergewöhnliches Gespür dafür, wie es anderen geht, und fühlen stark mit.

Sensorische Feinfühligkeit
Tom hat schon immer ein feines Gehör. Eine Stärke, die seinem musischen Talent entgegenkommt. Er hat eine Vorliebe für leise Töne und Harmonien. Steigt der Lärmpegel zum Beispiel durch das Schreien der Kinder, fühlt er sich gestresst.

Hochsensible nehmen Sinneswahrnehmungen jeglicher Art wie durch einen Verstärker wahr und fühlen sich von Reizen schneller gestört als andere. Die Konzentration auf Wesentliches ist dann erschwert.

Hochsensibilität – Segen und Fluch

Hochsensible Eltern bringen für das Begleiten von Kindern eine Menge Fähigkeiten mit. Dazu gehören insbesondere ein gutes Einfühlungsvermögen sowie ein ausgeprägtes Gespür für Bedürfnisse, woraus gute Entscheidungen zum Wohl des Kindes getroffen werden können. Die Entfaltung des Potenzials hängt dabei stark von der inneren Balance, dem Wahren eigener Bedürfnisse und dem Grad der Selbstfürsorge ab.

Hochsensible Eltern verlieren den Zugang zu ihren Stärken, wenn sie durch Stress und Hektik aus dem Gleichgewicht kommen. Dabei können Übergänge wie die Geburt eines Geschwisterkindes, der Eintritt des Nachwuchses in die Kita oder die Einschulung des Kindes genauso kräftezehrend sein wie die tägliche Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen und ohne Unterlass Ansprechpartner für alle Familienmitglieder zu sein. Eigene Bedürfnisse geraten ohne bewusste Abgrenzung schnell in den Hintergrund. Das Haushalten mit den eigenen Kräften ist elementar, um einem Ausbrennen vorzubeugen und zu gewährleisten, dass all die Talente einer oder eines Hochsensiblen zum Zug kommen.

Das sind die Alarmzeichen

Um in Balance zu leben, ist es wichtig, eigene Bedürfnisse und persönliche Grenzen ernst zu nehmen. Hochsensible Eltern dürfen sich selbst die Erlaubnis geben, nicht nur auf das Wohlergehen der Familienmitglieder zu achten, sondern auch auf sich selbst. Wer gibt, darf auch empfangen. Es ist das Prinzip einer Waage. Sind die Schalen einseitig gefüllt, kommt das Gleichgewicht abhanden und die innere Ruhe geht verloren.

Doch wie erkenne ich, dass ich nicht mehr im Gleichgewicht bin? Gibt es Anzeichen? Die zuverlässigsten Warnsignale sendet unser Körper. Haben Sie ein super Gedächtnis und von einem Moment auf den anderen sind Sie vergesslich? Zeigen sich Kopf-, Magen- oder Rückenschmerzen? Schlafen Sie schlecht oder sind Sie wider Erwarten unkonzentriert? Sind Sie gereizt oder niedergeschlagen, obwohl Sie eigentlich eine Frohnatur sind? Das kann ein Hinweis darauf sein, dass es dringend Zeit ist für Selbstfürsorge.

Überlebensstrategien für hochsensible Eltern

1. Sich selbst Wertschätzung entgegenbringen
Ein wichtiger Schritt ist die Selbstfreundlichkeit. Fragen Sie sich: Wie rede ich mit mir? Wie sehen meine inneren Gespräche aus? Es macht einen entscheidenden Unterschied, ob Ihre Reaktion auf ein verbranntes Mittagessen diese ist: „Wie blöd bin ich, sowas kann auch nur mir passieren“ – oder ob Sie das dahintersteckende Signal erkennen und freundlich mit sich sind: „Dass mir das Essen verbrannt ist, ist ein Zeichen, dass ich mich dringend mal hinsetzen und mir eine wohltuende Tasse Tee gönnen sollte.“ Jede Form von Selbstkritik raubt Kräfte.

2. Auf seine Bedürfnisse achten
Achten Sie auf Ihre Bedürfnisse. Sie müssen nicht die Supermama oder der Superpapa sein, die/der alles bewerkstelligt, ohne müde zu werden und Hilfe anzunehmen. Ihre Kinder lernen von authentisch gelebten Grenzen mehr als von Perfektion. Fragen Sie sich: Was brauche ich, damit es mir gut geht? Welche Art der sinnvollen Unterstützung kann ich annehmen?

Austausch tut gut

3. Kontakt zu Gleichgesinnten suchen
Sie denken, Sie sitzen allein im Boot? Weit gefehlt. Man geht davon aus, dass ca. 15-20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel sind. Damit muss es auch in Ihrem Umfeld hochsensible Eltern geben. Auch andere sind überwältigt von den unterschiedlichsten Herausforderungen. Beugen Sie der Isolation vor und suchen Sie Gleichgesinnte. Der Austausch wird Ihnen guttun.

4. Äußere Belastungsfaktoren verringern
Delegieren Sie Aufgaben, wo immer es möglich ist. Setzen Sie Grenzen, lernen Sie, Nein zu sagen. Auch andere können die Kuchenspende fürs Schulfest übernehmen. Viel wichtiger ist, dass Sie Ihr Gleichgewicht behalten, um gut für sich und Ihre Familienmitglieder sorgen zu können und einer Entkräftung vorzubeugen.

Ein Kaffee zur Entspannung

5. „Tankstellen“ suchen
Wie tanken Sie auf? Welche Momente geben Ihnen Kraft? Als Eltern haben Sie selten die Möglichkeit, sich lange Auszeiten zu ermöglichen. Umso wichtiger sind die kleinen Auszeiten und Entspannungsmomente. Notieren Sie sich einmal, was Ihnen guttut. Ist es das kurze Innehalten am Fenster, um Sonne zu tanken? Ein Kaffee oder Tee zwischen den Pflichten? Musik beim Kochen? Oder regelmäßig frische Blumen auf dem Esstisch?

Zu guter Letzt
Es gibt immer wieder Ausnahmesituationen, in denen diese Impulse nicht greifen. Vielleicht, weil Ihre volle Präsenz und Unterstützung in einer familiären Situation dringend gefordert ist. Um körperlich und seelisch gesund durch solche Situationen zu kommen, ist es wesentlich, immer wieder für kurze Momente der Entspannung zu sorgen.

Melanie Vita ist Diplomsozialpädagogin (FH), Lerntherapeutin (IFLW) und Buchautorin. Sie berät hochsensible Kinder, Jugendliche, Eltern und Erwachsene in ihrer Privatpraxis „Hochsensibel leben“. hochsensibel-leben.de

Buchtipps

Brigitte Küster: Hochsensibilität. Den eigenen Weg finden (SCM Hänssler)
Brigitte Schorr: Hochsensible Mütter (SCM Hänssler)
Anja Bätscher: Fein, aber oho! Hochsensibilität besser verstehen und als Gabe begreifen

„Warum sagt einem das vorher keiner?“

Wie viel Realität können Schwangere vertragen? Sollte man idealistische Vorstellungen entlarven? Simone Oswald erklärt, warum Gespräche mit schwangeren Freundinnen eine Herausforderung für sie sind. Und welche Lösung sie gefunden hat.

Lange bevor ich schwanger war, wusste ich genau, wie mein Leben als Mama und mein zukünftiges Kind sein würden. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen, wie etwa „das mit dem Stillen“ oder „das mit dem Schlafen“ bei uns mal ablaufen würde – ich hätte es schon Jahre vorher beschreiben können. Dann wurde ich tatsächlich Mutter und – Überraschung! – konnte mich bald vom Großteil meiner Ideen verabschieden.

In meinem Umfeld findet derzeit ein kleiner Babyboom statt. Ich führe daher recht häufig ein kleines Pläuschchen mit Frauen, die ihr erstes Kind erwarten und eine ganz genaue Vorstellung von allem haben. „Mein Kind wird, darf, soll und möchte später niemals …“ – Und ich? Ich habe das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben und mich in meiner früheren Version sprechen zu hören. Immer wieder stelle ich mir daher die Frage: Wie gehe ich richtig mit Bald-Mamas und ihren Vorstellungen von Mutterschaft und Kindererziehung um?

AUGENRINGE ÜBERSCHMINKEN

Völlig normal ist, dass man sich vor dem ersten Kind kaum in diese Situation hineinversetzen kann. Ich hatte früher immer etwas Sorge, mich bei Baby- oder Kleinkind-Beschäftigungen schnell zu langweilen. Heute schaue ich mit ehrlichem Interesse einem kleinen Marienkäfer beim Krabbeln zu und langweile mich dabei keine Sekunde, weil mein Kind vor Begeisterung kaum zu halten ist. Großen Respekt hatte ich auch vor dem allgegenwärtigen Schlafmangel. Und auch wenn sich meine Augenringe heute kaum überschminken lassen, so hätte ich mir niemals vorstellen können, wie mein Herz hüpfen würde, wenn mich mein Sohn um kurz vor fünf Uhr morgens fragt, ob ich auch etwas „Schönes däumt“ habe.

Andererseits hatte ich mir in der Schwangerschaft eine ganze Reihe an Fotomotiven abgespeichert, die ich mit meinem Neugeborenen nachstellen wollte. Dass ich in den ersten Wochen nach der Geburt mehr weinen als lachen würde und es daher kaum ein Foto aus dieser Zeit geben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste damals noch nicht, dass ich viele Monate lang eine Höchst-Dusch-Dauer von zwei Minuten haben sollte und dass ich beim Verlassen der Dusche schon wieder durchgeschwitzt wäre, weil mein Baby wie am Spieß brüllen und mein Herz in Flammen stehen würde.

Wenn eine Schwangere mir von Ängsten und Sorgen berichtet, dann fällt es mir leicht, darauf zu reagieren. Ich zögere keine Sekunde, ihr vorzuschwärmen, wie viel leichter, umwerfender, großartiger und genialer das Leben als Mama ist, als sie es sich vorher ausmalen kann. Unsicher bin ich mir allerdings, ob ich im umgekehrten Fall auch sagen sollte, dass es manchmal sorgenvoller und zehrender wird, als sie es sich jetzt vorstellt …

AUFKLÄREN?

Milchstau, Schlafentzug, Streit, Überforderung … Für viele Mamas sind das keine Fremdwörter. Ich finde: Viele herausfordernden Situationen sind gerade dadurch herausfordernd, weil man nicht mit ihnen gerechnet hat und sich daher auch nicht auf sie einstellen konnte. Sollte ich meinen Freundinnen gegenüber also mehr von den schwierigen Seiten sprechen, damit sie davon nicht überrascht werden? Wären sie dann besser vorbereitet?

Einerseits bin ich für Offenheit bei vermeintlichen Tabuthemen – denn genau das scheinen manche Probleme in der Elternschaft zu sein. In den sozialen Netzwerken etwa braucht es sogar einen extra Hashtag #fürmehrRealität. Denn genau diese geht zwischen all den aufgeräumten Kinderzimmern mit zur Einrichtung passend gekleideten Kindern etwas unter. Einige Neu-Mamas werden von Problemen überrumpelt, auf die man sich durchaus hätte einstellen können – wenn nur andere Mamas offen reden würden. „Warum sagt einem das vorher keiner, wenn es doch offensichtlich allen so geht?“, mag sich manche Frau da fragen. Und auch ich habe mir gewünscht, dass ich manche Dinge vorher gesagt bekommen hätte.

Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, dass damals, als ich schwanger und beseelt von perfekten Zukunftsvisionen war, erfahrene Eltern ständig mit der Realitätskeule meine rosarot-hellblaue Blase zerplatzt hätten – ich wäre ihnen vermutlich nicht nur dankbar gewesen. Wenn man so voller Vorfreude ist, dann möchte man nicht permanent hören, wie unrealistisch der eigene Blick auf diese kommende Zeit ist. Man möchte träumen und seine überwältigende Vorfreude genießen. Sollte dann die Babyoder Kleinkindzeit doch anders verlaufen als erhofft – erst dann ist der richtige Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen. Ich vertraue darauf, dass meine Freundinnen mich um meine Erfahrungswerte bitten, wenn sie diese auch tatsächlich brauchen können. Bis dahin versuche ich, nicht mit ungefragten „Rat-Schlägen“ um mich zu schmeißen.

NICKEN UND LÄCHELN?

So belasse ich es dabei, von meinen Problemen im Mama-Alltag zu erzählen. Ich vermeide es aber, anderen zu suggerieren, dass meine Sorgen auch zwangsläufig auf sie zukommen werden. So einzigartig jedes Kind ist, so individuell ist auch unser Mama-Leben und unser Weg. Sicherlich ist es kein schlechter Gedanke, eine werdende Mutter vorbereiten zu wollen – doch geht das kaum, ohne ihr auch ein bisschen die eigene Geschichte überzustülpen. Ich versuche, die richtige Balance zu finden und meinen Freundinnen weder ihre Vorfreude zu beschneiden, noch ihnen ein unrealistisch perfektes Leben vorzugaukeln.

Tatsächlich muss ich (zumindest innerlich) meistens auch eher schmunzeln, wenn ich mir anhöre, was meine Freundinnen für die Zeit nach ihrer Schwangerschaft alles geplant haben. Die wichtigste Voraussetzung für ihre Pläne ist dummerweise meist ein Baby, das weder schlechte Laune noch Hunger, Müdigkeit, Schmerzen oder einen eigenen Willen kennt und mit recht wenig Zutun der Eltern zufrieden ist.

Wenn sie davon reden, dass sie den Beikostplan schon auswendig gelernt haben und das Kind die ersten Jahre zuckerfrei leben wird, dann grinse ich leicht skeptisch. Wenn sie mir erklären, wie albern sie den berühmten Ratschlag „Schlaf, wenn das Baby schläft“ finden – denn ein paar Wochen oder Monate etwas weniger schlafen, das wird ja wohl nicht so schlimm sein? –, dann muss ich mich schon anstrengen, ein vielsagendes Lachen zu unterdrücken. Und wenn sie erklären, dass ihr Kind später niemals in einem Supermarkt wegen einer verweigerten Süßigkeit losbrüllen wird, dann lächle ich beschämt und bin froh, dass sie uns letzte Woche nicht zu unserem Einkauf begleitet haben.

KLEINKIND MIT SCHOKOMUND

Sicherlich: Einiges davon funktioniert tatsächlich wunderbar, keine Frage. Diese Perfektion, in der manche Freundin ihre eigene Mutterschaft vor sich sieht, ist aber vermutlich nur auf sozialen Medien hinter bearbeiteten und gestellten Fotos zu finden. Oder wie viele Familien kennen Sie, bei denen alles perfekt läuft? Auf allen Ebenen? Ich persönlich: keine einzige.

Und genau dieses Wissen, das ich schon erfahren durfte und das sicherlich auch meine Freundinnen früher oder später erkennen werden, ist der eigentliche Grund, zu lachen und zu lächeln. Weil es eben nicht perfekt ist, das Leben mit Kindern. Und genau deswegen ist es ja so wunderbar! Sobald man sich von der perfekten Bilderbuch-Familie innerlich verabschiedet hat, lebt es sich gleich

viel angenehmer. Man versinkt im heimeligen Chaos mit Kleinkind (mit Schokomund!), trägt manchmal Milchflecken auf Shirts, Augenringe und ungekämmtes Haar und verspricht sich selbst, erst wieder mit Kindern zu backen, wenn sie alt genug sind, um hinterher auch beim Aufräumen zu helfen.

AUF DAS GUTE HOFFEN

So bleibt mir also nur eine Reaktion: Ich schweige. Und ich denke mir meinen Teil. Manchmal lache ich dabei innerlich, manchmal träume ich ihn mit, den Traum vom perfekten Leben mit Kind. Denn obwohl ich nun eigentlich „die Realität“ kenne, stelle auch ich mir zukünftige Situationen mit älterem Kind schön und ideal vor. Ich denke heute noch nicht daran, dass mein Zweijähriger als Teenager in der Pubertät verrückte Dinge tun könnte. Ich denke nicht darüber nach, dass er als Erwachsener Geldprobleme haben könnte. Ich mache mir keine Sorgen, dass er als Rentner unglücklich mit seinem Eigenheim sein könnte …

Ich blicke positiv in die Zukunft, obwohl ich ahne, dass sie realistisch gesehen auch Herausforderungen bereithalten wird. Ich will ganz bewusst positiv sein, ich hoffe mit voller Absicht auf das Gute. Und ich weiß, dass die Zukunft so viel mehr an Schönem bereithält, als ich mir jemals ausmalen könnte. Und genau diesen Genuss des Träumens wünsche ich auch meinen schwangeren Freundinnen. Es werden Probleme kommen, aber sie werden zu meistern sein! Und sollten wir irgendwann ein Gespräch darüber führen, dass gerade alles anstrengend ist und sie sich manches anders vorgestellt hatten – dann werde ich für sie da sein, mit offenem Ohr und liebendem Herzen zuhören und sie wieder dazu bringen, von einem umwerfenden „Bald“ zu träumen.

Simone Oswald arbeitet als Lehrerin und freie Texterin. Mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt sie im Landkreis Deggendorf.

Wie macht ihr das …

… wenn Freundinnen oder Freunde scheinbar unrealistische Vorstellungen vom Elternsein haben? Und hättet ihr vor dem ersten Kind gern mehr gewusst? Schreibt uns: info@family.de

„Das Kind nicht allein mit den digitalen Medien lassen“

Kleinkinder ganz vor digitalen Medien zu bewahren, funktioniert nicht, meint Victoria Hellberg von der Landesanstalt für Medien NRW. Sie erklärt, wie für Kleinkinder und deren Eltern der Einstieg in die digitale Welt gelingt.

Addiert man die Zahlen der miniKIM-Studie 2020, beträgt die geschätzte tägliche Nutzungsdauer verschiedener Medien ohne Bücher durch Kleinkinder 112 Minuten. Wie viel Medienkonsum würden Sie empfehlen?
Bei den Zwei- bis Dreijährigen empfehlen wir maximal zehn Minuten am Tag. Für Kinder in diesem Alter ist das alles neu und aufregend, und das Gesehene muss erst mal verarbeitet werden. Bei den Vier- bis Sechsjährigen sollten es maximal 30 Minuten am Tag sein, aber nicht täglich. Das sind nur Richtwerte, die individuell an jedes Kind angepasst werden können.

Wie gelingt der Einstieg in die digitale Welt?
Am besten Schritt für Schritt und gemeinsam mit den Eltern. Kleinkinder ganz davor zu bewahren, funktioniert nicht. Kinder wachsen von Beginn an in einer medialen Umwelt auf. Deshalb sollten Eltern altersgerechte Medien aussuchen und Interesse für die Reaktion des Kindes zeigen. Auf keinen Fall sollten sie ihr Kind allein mit den Medien lassen.

Auch im Netz: Kinder ahmen Vorbilder nach

Wie gewährleisten Eltern, dass ihre Kinder altersgerechte Inhalte konsumieren?
Es gibt viele Angebote, um sich vorab über Inhalte zu informieren. Beim Fernsehen ist das die Programmberatung „Flimmo“. Wenn es um kindgerechte Internetseiten geht, dann ist „Seitenstark“ zu empfehlen und über Apps können sich Eltern beim „Internet ABC“ informieren.

Wie lernen die Kinder Medienkompetenz?
Kleinkinder lernen, indem sie ihre Vorbilder nachahmen. Wenn die Eltern sich gemeinsam mit den Kindern den digitalen Medien annähern, tragen sie viel dazu bei, dass ihre Kinder medienkompetent werden und lernen, Medien selbstbestimmt zu nutzen. Außerdem ist es wichtig, dass Eltern begründen, warum die Kinder zum Beispiel eine Serie nicht schauen dürfen.

Nicht mit dem Handy am Esstisch sitzen

Wie können Eltern gute Vorbilder sein?
Eltern sollten ihren eigenen Medienkonsum kritisch hinterfragen. Wenn ich möchte, dass beim Abendessen der Esstisch für mein Kind eine handyfreie Zone ist, dann muss er das auch für mich sein. Eltern sollten auch reflektieren, was sie ihrem Kind vermitteln, wenn es malt und sie danebensitzen und die ganze Zeit mit dem Smartphone beschäftigt sind. Es sollte ein guter Mittelweg gefunden werden.

Wann ist ein Kind bereit, den Fernseher oder ein Smartphone zu nutzen?
Der Fernseher und kurze Kindergeschichten auf YouTube sind ein guter Einstieg für Kinder in das Thema Bildschirmmedien. Kurze Episoden können sie gut verarbeiten, wenn die Eltern sich anschließend aktiv mit ihnen darüber austauschen. Ein Smartphone mit Internetzugang ist erst ab zwölf Jahren zu empfehlen. Gerade bei Kleinkindern kann man das Smartphone aber bereits nutzen, um zusammen Fotos anzuschauen oder mit den Großeltern zu facetimen.

Interview: Pascal Alius

Hilfreiche Websites:

internet-abc.de, flimmo.de, fragzebra.de, klicksafe.de, schau-hin.info, familieundmedien-nrw.de

Ab ins Beet – auch schwanger?

„Ich möchte im Garten mit meinem Kind etwas Gemüse und Obst anpflanzen. Nun bin ich aber schwanger und frage mich, ob ich das wegen möglicher Krankheitserreger überhaupt sollte und ob ich dabei irgendetwas bedenken muss?“

Es ist wunderbar, im Frühjahr zu sehen, wie alles wieder zum Leben erwacht! Kinder lassen sich gern anstecken, lieben es, dem Wachsen zuzuschauen und lernen dadurch, wie man gärtnert, wo unser Obst und Gemüse herkommt und schätzen es wert. Gartenarbeit in der Schwangerschaft ist gut möglich, wenn auf ein paar Dinge geachtet wird. Zwei Erkrankungen schauen wir uns deswegen genauer an: Toxoplasmose und Listeriose. Hierbei ist es aber nur von Bedeutung, wenn die werdende Mutter diese Infektion das erste Mal in ihrem Leben bekommt. Rund die Hälfte aller werdenden Mütter hatte bereits vor der Schwangerschaft eine Toxoplasmose, und jeder dritte Erwachsene hat bereits eine Listeriose durchgemacht. Bezüglich der Toxoplasmose wird zu Beginn der Schwangerschaft der Antikörperstatus im Blut untersucht, bei Listeriose allerdings nicht. Auf jeden Fall ist es wichtig, eine Erstinfektion dieser beiden Erkrankungen in der Schwangerschaft zu verhindern.

MÖGLICHE GEFAHREN

Viele Tiere, speziell Katzen, sind von Toxoplasmose-Parasiten befallen. Ihre Ausscheidungen enthalten sehr widerstandsfähige Larven, die auf Pflanzen lange überleben. Über kontaminierte Lebensmittel, besonders Gemüse und Obst, kommen sie in den Körper. Abhängig vom Schwangerschaftsalter und dem Immunsystem der Mutter kann es in seltenen Fällen zu einer Infektion des Kindes kommen, was beim Kind später zu Sehstörungen und Entwicklungsverzögerungen führen kann.

Listerien sind Bakterien. Viele Haustiere, Vögel und Nagetiere tragen sie in sich und scheiden sie aus. Durch Schmutz- und Schmierinfektion, aber auch befallene Nahrungsmittel wie Salat und andere Roh-Produkte gelangen sie in den Körper. Je nach Schwangerschaftsalter können sie zu Fehl- oder Frühgeburten führen oder nach der Geburt zu schweren Infektionen. Listeriose- und Toxoplasmose-Infektionen können symptomlos verlaufen oder wie leichte grippale Infekte. Bei vielen Infektionen bleiben die Kinder trotzdem quietschfidel!

SCHÜTZENDE MASSNAHMEN

Benutzen Sie bei der Gartenarbeit Handschuhe! Besonders, wenn Sie rissige oder verletzte Haut an den Händen haben. Waschen Sie sich nach der Gartenarbeit oder beim Hantieren mit Obst, Gemüse oder rohen Lebensmitteln die Hände stets gründlich mit Seife! Was aus der Natur kommt, vor dem Verzehr gut waschen! Vor den Mahlzeiten immer noch einmal die Hände waschen.
Und noch ein paar kleine Tipps für die Gartenarbeit in der Schwangerschaft: Behalten Sie die Körperhaltung beim Gärtnern im Blick! Gehen Sie eher auf einem Kissen auf die Knie! Den Bauch nicht zu sehr einengen oder strecken! Bitten Sie andere, schwere Säcke oder Steine zu tragen!

Und nun, auf in den Garten!

Antje Voß ist verheiratet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und arbeitet als Hebamme in Gießen. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Die Kirschen in Nachbars Garten …

Oder: Warum Vergleichen keine gute Idee ist. Von Tabea Gruhn

So, da hätten wir ihn mal wieder: den Tag, an dem die Kirschen in Nachbars Garten saftiger, roter und üppiger sind! Ich habe zwar gar keinen Kirschbaum (hätte aber gern einen), trotzdem bin ich mir sicher, dass es hinterm Gartenzaun besser läuft als in unserem (Alp-) Traumschloss: Die Küche dort ist sauberer, die Kinder sind friedlicher, das Wohnzimmer ist traumhaft eingerichtet, in der Besteckschublade passt alles zusammen, hinter der akkurat gestutzten Hecke sind die Mama-Bäuche flacher, die Kleiderschränke spucken morgens das perfekte Outfit aus, die Kinder streiten harmonischer, die Männer sind philosophischer. Dazu sind sie auch noch handwerklich begabter (was mit Blick auf meinen Mann zwar gar nicht geht – aber trotzdem!).

DIE WURZEL ALLEN ÜBELS

Die Feste hinter der gepflegten Mauer sind bunter, fröhlicher, wundervoll organisiert, die Kinder der anderen schaffen es, im Gottesdienst die Predigt über allerliebst und ruhig auf ihren Plätzen zu sitzen. Die freundlichen Nachbar-Eltern engagieren sich im Elternbeirat, schaffen es neben der Berufstätigkeit, die kunstvollsten Muffins zu kreieren und finden die Zeit, dem Kindergartenpersonal auch noch einen kleinen, selbstgemachten Gruß aus der heimischen Traumküche mitzubringen. Ach ja, und das Worship-Team im Gottesdienst wäre um einiges ärmer ohne ihren Einsatz!

Hört sich toll an! Ja, eben. Und ich? Kann nicht mithalten. Aber ich suhle mich in meinen Vergleichen, die nur ein Ergebnis haben können: Es geht mir schlecht, ich fühle mich jämmerlich und die Welt ist gegen mich! Vergleichen ist die Wurzel allen Übels. Ja, weiß ich, nützt aber nichts. Ich bin drin in der Spirale, meine Gedanken haben sich selbstständig gemacht und präsentieren mir immer wieder neue Ansichten der ach-so-perfekten Welt um mich herum.

DAS GEDANKENKARUSSELL STOPPEN

In meinen Gedanken gefangen schaue ich auf mein Handy. Und was präsentiert mir der Status: die wunderschöne Geburtstagstorte einer Bekannten für ihre Tochter. Na also, ich sag’s ja! Und trotzdem: Ich finde den Kuchen so schön, dass ich der anderen Mama das schreibe und sie für ihre tolle Arbeit lobe. Ihre Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Sie war dem Nervenzusammenbruch nahe, weil sie die Zuckerverzierung schon am Abend davor draufgemacht hatte und am Morgen war sie total zerlaufen. Das kenne ich … Und die Bilder, die sie mir von der verunglückten Torte schickt, lassen mich mitfühlen – aber auch aufatmen. Ich schreibe ihr aufmunternd, dass mir das auch schon passiert ist und das Kunstwerk heute neu verziert noch viel schöner aussieht – was tatsächlich so ist. Und dann? Nichts. Ruhe. Gedankenkarussell gestoppt!

Eine Gelassenheit macht sich breit. Und auch Erleichterung, jemand anderem sagen zu können, dass nicht immer alles läuft, wie wir uns das vorstellen. Und das beruhigende Gefühl (für uns beide), dass der Blick ins scheinbare Schloss der anderen uns ein ganz normales Zuhause mit Höhen und Tiefen präsentiert.

Tabea Gruhn lebt mit Mann und fünf Kindern zwischen 4 und 13 Jahren in Augsburg.