Weihnachten mal anders: Mit Nachbarn feiern

Elternfrage: „Wir wollen dieses Jahr ein etwas anderes Weihnachtsfest feiern und statt unserer Verwandten am Heiligen Abend unserer Nachbarn einladen. Hat das schon mal jemand gemacht und kann uns dafür Tipps geben?“

Als Jesus auf die Welt kam, gab es aber für ihn nicht eine familiäre Welcome-Party im trauten Kreis mit Mama, Papa und vielleicht Oma und Opa. Sondern es kamen ziemlich bald Hirten und Weise von weither. Deshalb war und ist es auch uns als Familie immer wieder wichtig, Weihnachten nicht nur als Fest der Familie zu feiern, sondern unsere Freude über den Geburtstag von Jesus auch mit anderen zu teilen. So haben wir auch schon eine Hausweihnacht gefeiert.

Facettenreiche Angebote

Besonders gut umzusetzen ist diese Aktion natürlich, wenn man in einem Mehrfamilienhaus wohnt. Sie ist aber auch abwandelbar in ein weihnachtliches Straßenfest, wenn man in einem Einfamilienhaus wohnt. Für unsere Hausweihnacht haben wir einen Aushang im Eingangsbereich gemacht und dazu eingeladen. In einem Jahr war es eine Adventsaktion und im anderen Jahr haben wir es direkt an Weihnachten veranstaltet.

In beiden Fällen gibt es unterschiedliche Bausteine, die man einbauen kann, denn Jesus hat es sich auch nicht leicht gemacht. Seine Geburt war eine Sensation für Hirten und Könige. Selbst der Herrscher Herodes hat davon Wind bekommen und sich mächtig darüber aufgeregt. Deshalb ist es schön, wenn unsere Angebote auch möglichst viele ansprechen.

Wir haben erst mal eine Zeit gehabt, in der jeder etwas mit einem kleinen Tischchen vor seine Haustür gestellt hat, zum Beispiel die leckersten Plätzchen, Kinderpunsch oder eine kleine, kurze Bastelidee (Sterne falten oder schneiden, ein Weihnachtslicht herstellen, eine Weihnachtskugel beschriften, was Weihnachten für mich bedeutet …). Plötzlich war auf den Haustreppen viel los, es wurde munter geredet, gekaut und gebastelt. Es war ein reges und fröhliches, weihnachtliches Treiben!

Inbrunst und Freude

Nach circa einer Stunde versammelten sich alle auf der Treppe vor unserer Haustür. Mithilfe eines Bilderbuches habe ich die Weihnachtsgeschichte erzählt. Große, runde Kinderaugen hörten gebannt zu. An Weihnachten eignet sich natürlich die Weihnachtsgeschichte am besten, aber gerade für eine Hausgemeinschaft ist auch die Geschichte „Ein großer Tag für Vater Martin“ sehr eindrücklich. Danach haben wir zusammen Weihnachtslieder gesungen. Die Kinder, die ein Musikinstrument spielen konnten, haben es geholt und mitgespielt. Auch wenn die Töne vielleicht nicht immer gerade waren, an Inbrunst und Freude hat es nicht gefehlt.

Danach ist jeder fröhlich an den heimischen Tannenbaum gegangen und hat Geschenke ausgepackt. Aber wir wussten ganz sicher: An diesem Tag hatten alle unsere Nachbarn die Gelegenheit, an Jesu Geburtstagsparty teilzunehmen und von seiner Geburt zu hören. Keiner musste allein und traurig in seiner Wohnung sitzen. Wir können die Hausweihnacht deshalb sehr empfehlen. Sie zwingt niemandem etwas auf, aber die Weihnachtsbotschaft ist enthalten und wird weitergegeben. Außerdem verbindet das gemeinsame Feiern alle Nachbarn zu einer fröhlichen Gemeinschaft.

Stefanie Böhmann ist Pädagogin und individualpsychologische Beraterin. Sie lebt mit ihrer Familie in Hamburg.

Viel Drama um nichts

Manchmal ergeben sich aus Banalitäten skurrile und schräge Streitigkeiten. Paarberaterin Ira Schneider berichtet, wie sie mit ihrem Mann aneinandergerät und dabei feststellt, wie wunderbar Unterschiede sind.

Ich knalle die Autotür ordentlich hinter mir zu und höre mich pampig „Dann fahr doch alleine!“ sagen. Ich verweile noch auf dem Parkplatz. David war nun also losgefahren.

Die Wasserkaraffe

Inhaltlich hatte alles ganz harmlos mit einer von mir ausgeliehenen Wasserkaraffe begonnen. Nun ging es nur darum, wer unsere ausgeliehene Wasserkaraffe zum Auto bringt. Doch dahinter versteckten sich unsere Unterschiedlichkeiten: Meine manchmal zu ausschweifende Gelassenheit, wenn es darum geht, etwas zurückzugeben, und Davids Gewissenhaftigkeit. Ich hatte die Wasserkaraffe versehentlich vor einigen Wochen aus unserer Kirche mitgenommen. Für mich war völlig klar: In unserer Kirche stehen genug Karaffen rum und wahrscheinlich wird sie niemand vermissen, auch wenn sie erst in ein paar Wochen – oder Monaten – wieder auftaucht. Im Ergebnis prallten nicht nur Davids Gewissenhaftigkeit, sondern auch sein Bedürfnis nach Ordnung – und dass die Dinge nicht ewig bei uns rumstehen – und meine Gelassenheit aufeinander.

Ein kleiner Machtkampf

Nun gut. Gerade hatten wir noch diskutiert und versucht, auszuhandeln, wer nun diese große, schwere und wirklich unzumutbare Aufgabe übernimmt, die Wasserkaraffe ganz alleine die 50 langen Meter bis zum Auto zu tragen. Doch wie sind wir eigentlich bei der zuknallenden Autotür gelandet? Das Ganze hatte sich dann nämlich ordentlich hochgeschaukelt. Ich wollte die Karaffe inzwischen gar nicht erst mitnehmen und habe in den Dickkopfmodus gewechselt. David wiederum wollte sie nun umso dringender unbedingt an jenem Sonntag zurückgeben. Wir beide sahen die Aufgabe, sie zum Auto zu tragen, definitiv bei der anderen Person. Ich sah die Verantwortung bei ihm, schließlich wollte er sie ja wegbringen. Er sah sie bei mir, weil ich sie ausgeliehen hatte. Eins stand fest: Keiner war bereit, nachzugeben und sich zu opfern und sie in einem Akt tiefgreifender Selbstaufgabe bis hin zum Auto zu tragen. David erweckte den Anschein, nahm sie in die Hand, schmuggelte sie unterwegs aber vorsichtig und flink in meine Tasche. In meinem grenzenlosen Scharfsinn bemerkte ich dies, ließ die Tasche einfach stehen und ging weiter. Hinter diesem Hin und Her verbarg sich ein kleiner Machtkampf ums Gewinnen und ums Rechthaben. Eigentlich ja ein Konfliktklassiker. Einer, den wir doch längst begraben glaubten. Einer, der uns nicht mehr passieren würde. Unsere Ehe ist doch erwachsen und reif. Wir? Nein. Wir zanken doch nicht unnütz! Wir hängen uns auch nicht an überflüssigen Themen auf. Scheinbar doch!

Und plötzlich haben wir einen Lachanfall

Nun stehe ich da und warte. Ein nicht allzu kleines Fünkchen in mir hofft und wiegt sich in dem Glauben, dass es nur wenige Sekunden dauern wird, bis wir uns wiedersehen. Er fährt sicherlich nur eine Runde um den Block und kommt dann wieder. Er fährt ja nicht wirklich los, denke ich mir. Tatsächlich drehe ich mich zur Seite und er kommt angefahren. Ich steige ins Auto ein und muss schon währenddessen irgendwie schmunzeln, aber ich verkneife mir mein Grinsen noch einen Moment.

Ich will noch einen Blick in sein Gesicht erhaschen und stelle fest, dass er ebenfalls krampfhaft versucht, nicht draufloszulachen. Da sitzen wir beide also und haben einen Lachanfall.

Nur ein wenig Drama

So einen intensiven Konflikt hatten wir lange nicht mehr, dachte ich mir. Aber irgendwas sagt mir, dass der Konflikt gar nicht so tragisch war. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass er künstlich aufgeblasen war; einfach ein wenig Drama. Schon mitten im Konflikt hatte ich den Eindruck, als würde ich uns, wie in einem Kino, von außen zuschauen. Ich fand uns amüsant, lächerlich und sogar etwas kindisch. Als wir einige Tage später nochmal darüber sprachen, berichtete David, dass er das ganz ähnlich wahrgenommen hatte – wie anders der Konflikt war –, verglichen mit einer ernsthaften Streitigkeit. Ich genieße dieses verbindende Gefühl, wenn wir in unserer Ehe eine gleiche Feststellung machen.

Viel geschafft, aber noch nicht fertig

Etwas in uns hatte sich verändert. Vielleicht hat uns der Konflikt sogar ein Stück weit Spaß gemacht. Uns zu zanken, uns zu necken, uns aneinander zu reiben und abzuarbeiten, den anderen als starkes Gegenüber zu erleben und herauszufordern, kann guttun. Konflikte sind immer auch eine Suche nach Verbindung. Wir leben die feste Überzeugung, dass eine Streitkultur gesund, wichtig und notwendig ist. Gutes Streiten ist eine Kompetenz. Es heißt ja nicht umsonst KonfliktFÄHIGKEIT. Eins war mir zumindest klar: Wir hatten dazugelernt. Wir verheddern uns weniger lang im Streit und verlieren die Außenperspektive nicht. Wir können mitten im Streit lachen, weil wir ein gemeinsames Grundverständnis gefunden haben und wissen, dass der Streit nicht die Oberhand behält, sondern dass wir ihn im Griff haben. Wir können uns selbst sogar ein bisschen zuschauen und uns über uns kompetente Zankexperten amüsieren.

Über sich selbst zu lachen und vor allem miteinander zu lachen, ist Gold wert. In dem Moment, in dem das Lachen ausbricht, haben wir nicht nur das beste Rettungsmanöver im Gepäck, sondern können einander feiern und schätzen! Denn wenn ich ehrlich bin, bin ich über Davids Gewissenhaftigkeit und Ordnung an den meisten Tagen überaus froh. Ohne unseren Putzplan, den er erstellt hat, würden wir im Chaos versinken. Ja, unser Anderssein beißt sich manchmal, aber darin liegt gleichzeitig eine riesige Chance. Wir können uns ergänzen, denn wir sind beide genau richtig und gut so, wie wir sind.

Auch wir als Paarberater sehen in Konflikten immer wieder eine Chance, uns langfristig besser zu verstehen. Wir lernen einander ebenfalls immer weiter kennen und auch, unsere Unterschiede zu zelebrieren.

Ira Schneider arbeitet als psychologische Beraterin in einer Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle. Gemeinsam mit ihrem Mann bietet sie Paarberatungen an.

Oasenzeiten und Träumertage

Wenn die Kinder klein sind, bleibt oft wenig Zeit für die Partnerschaft. Isabelle Bartels möchte Paare ermutigen, trotzdem in die Beziehung zu investieren. Sie hat fünf Bausteine für eine lebendige Partnerschaft im Kleinkind-Alltag zusammengestellt.

Echt jetzt, Isabelle?! Mir wächst hier alles über den Kopf, ich wäre froh, einfach mal wieder eine Nacht durchzuschlafen, und jetzt soll ich Träumertage machen?“ Ich stelle mir vor, wie du die Family in der Hand hältst und den Kopf schüttelst. Und ganz ehrlich: Ich kann dich gut verstehen!

Meinem Mann und mir ging es während unserer Familiengründungsphase immer wieder genauso. Und gleichzeitig haben wir uns gefragt, wie wir als Paar in Verbindung bleiben können – auch im Alltag mit Kleinkindern. Denn wir wollten unsere Beziehung nicht dem Zufall überlassen und es auch nicht glauben, dass es vorbei ist mit Zweisamkeit und Nähe, wenn die Kinder klein sind. Doch wie genau können wir Einfluss nehmen auf die Resilienz unserer Partnerschaft? Was hält sie lebendig, wenn wir Eltern werden und als Paar wenig Exklusivzeit haben? Aus meiner eigenen Lebenserfahrung und als Ergebnis meiner Beratungen sind es vor allem fünf Bausteine, die wir als Paar kultivieren dürfen, um unserer Beziehung weiterhin Raum zur Entfaltung geben zu können.

1. Annehmen, was ist

Letztens bei uns: Wir hatten uns seit Tagen auf einen Restaurantbesuch zu zweit gefreut – und eine Stunde vorher sagt uns das Kindermädchen ab. Puh! Die Vorfreude weicht der Enttäuschung und dem Frust. Statt gemütlich essen zu gehen nun das normale Ich-will-nicht-schlafen-gehen-Programm mit den Kindern. Ich merke: Ich habe keine Lust! Früher habe ich mir Gedanken wie „Ich habe gerade keine Lust auf meine Kinder!“ nicht erlaubt. Doch dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Annahme von allem, was ist, die Grundlage ist, um überhaupt wieder heraus aus dem Opfermodus in die Handlungsfähigkeit zu kommen.

Was bedeutet das konkret für die Situation? Solange ich glaube, ich müsse immer Lust auf meine Kinder haben, komme ich nicht weiter. Ich bin weiterhin genervt, habe ein schlechtes Gewissen und bin unzufrieden mit mir, weil ich es nicht schaffe, dankbarer zu sein. Hier hilft die Annahme aller Anteile in mir mit ihren widerstreitenden Gefühlen. Ich gestehe mir ein, dass ich manchmal am liebsten meinen Mann für mich allein hätte und so nicht meinem Bild eines perfekten Elternteils entspreche. Und plötzlich wird mir klar, dass ich nicht falsch bin, sondern dass meine Gefühle einfach menschlich und ein Ausdruck für meinen Wunsch nach mehr Zweisamkeit und Selbstbestimmung sind. Ich komme raus aus dem inneren Kampf und kann stattdessen nach Lösungen für die veränderte Situation suchen.

Als Paar könnt ihr euch gegenseitig helfen, den täglichen Kampf zu erkennen, und euch liebevoll aus den Gedankenschleifen herausholen. Dazu reichen oft ein einfaches „Stopp“ und eine Umarmung. Macht es euch immer wieder leicht und entscheidet euch bewusst dafür, nicht irgendeinem Ideal zu entsprechen. Und wenn es die Situation erfordert, wiederholt ihr das alle fünf Minuten.

2. Selbstfürsorge – Raum für mich und meine Interessen

Den Kindern geht es nur so gut, wie es den Eltern als Paar miteinander geht. Der Paarbeziehung wiederum geht es nur so gut, wie es jedem Einzelnen geht. Das sind zwei meiner Lieblingsgrundsätze für beziehungsstarkes Familienleben. Doch es ist oft ein riesiger Schritt, sich diesen Raum für sich selbst zu erlauben und ihn wirklich einzunehmen.

Deshalb ist der erste Schritt immer: die Selbsterlaubnis. Erlaube dir, Raum und Zeit mit dir selbst zu genießen und dich zu fragen: Was brauche ich? Wie kann ich mir selbst Gutes tun, um dann wieder die Mutter oder der Vater, die Partnerin oder der Partner zu sein, die oder der ich sein möchte?

Der zweite Schritt ist hier die klare Kommunikation: Rede mit deinem Partner darüber. Formuliere deinen Wunsch klar und spreche mit ihm darüber, dass du dir mehr Raum für dich nehmen willst.

Als wir angefangen haben, Räume für uns selbst in unseren Alltag einzubauen, kamen oft Bedenken von einem von uns wie: „Unsere tägliche To-do-Liste ist jetzt schon nicht zu schaffen, wie soll ich da noch Zeit für mich einbauen?“

Uns ist klar geworden: Ohne Selbstfürsorge geht es nicht. Mir hilft da immer das Bild aus dem wunderbaren Gedicht von Bernhard von Clairvaux: Die Schale der Liebe. Nur, wenn wir so gefüllt sind, dass wir überfließen wie eine Schale voller Wasser, können wir unsere Liebe und unsere Kraft weitergeben. Da sind wir wieder beim Thema Erlaubnis: Erlaube dir, deine Schale aufzufüllen. Hierzu reichen manchmal schon ein paar Minuten täglich.

Der dritte Schritt ist: Umsetzung! Schnappt euch den Kalender und tragt euch Alleinzeiten ein. Und plötzlich merkst du, dass der Alltag leichter wird, wenn du lernst, gut für dich selbst zu sorgen! Du erlebst dich viel gelassener mit den Kindern. Und die lange To-do-Liste kannst du ebenfalls besser annehmen, weil du spürst, dass du immer genug Kraft haben wirst, um alle Herausforderungen des Alltags zu bestehen.

3. Zeit für uns – kleine Oasen im Alltag schaffen

Es ist wichtig für die Paarbeziehung, dass auch sie Raum hat, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Die Frage ist also nicht, ob wir Zeit zu zweit haben, sondern wie. Deshalb habe ich mir im Folgenden Fragen überlegt, die helfen können, auch in der Kleinkindphase Paarzeiten zu etablieren:

  • Wie können wir ohne Druck und so, dass es sich für uns leicht und entspannt anfühlt, Zeiten für kleine Paar-Oasen im Alltag freihalten?
  • Was dient uns jetzt gerade mehr auf unserem Weg – viel Paarzeit? Oder lieber mehr Zeit allein?
  • Welche Aufgaben können wir auch anderen Menschen übergeben, sodass dadurch neue Freiräume für uns entstehen?

Und hier kommen noch drei Ideen für Mikro-Oasen! Schnell und einfach umgesetzt – Babysitter wird nicht benötigt!

  • Stellt den Wecker auf 5 Uhr morgens. Zieht eure Kleidung aus und kuschelt Haut an Haut. Spürt die Verbindung! Da muss gar kein Sex heraus entstehen – sondern es geht erst einmal darum, in Verbindung zu sein. In dieser Atmosphäre können auch die schönsten Gespräche entstehen. Probiert’s mal aus! PS: Der Jüngste wird auch in aller Frühe wach? Na, dann kuschelt er halt mit. Was für eine schöne Erinnerung ans Wochenbett, als ihr auch Haut an Haut mit ihm gekuschelt habt!
  • Ihr arbeitet im Home-Office? Macht ein Mittagessen für die Hand und verbringt die Mittagspause draußen! Nehmt euer Kind in die Trage und macht einen Spaziergang. Redet nicht über organisatorisches Kleinklein, sondern fragt bewusst und interessiert: „Wie geht es dir gerade?“
  • Nehmt euch einen späten Nachmittag Zeit für ein Familienpicknick: im Sommer im Garten oder im Park, im Winter am gemütlichsten Ort in der Wohnung. Dann setzt ihr euch allesamt auf den Boden und esst gemeinsam. In dieser entspannten Atmosphäre schwärmen die Kinder meistens nach dem Essen zum Spielen aus oder kuscheln sich einfach an, sodass ihr entspannt reden könnt.

4. Streiten & vergeben

Wie fühlen sich Konflikte für euch an? Wie seid ihr geprägt? Und wie freigiebig seid ihr beim Thema Vergebung? Die Antwort auf diese Fragen beeinflusst maßgeblich eure aktuelle Konfliktkultur. Kaum ein Paar streitet gern. Doch die gute Nachricht lautet: Konflikte gehören dazu! Und wir können lernen, sie zu lösen. Mein Mann und ich sind das beste Beispiel. Am Anfang unserer Beziehung dachten wir, wir würden niemals konstruktiv streiten lernen. Während ich alles ausdiskutieren musste, wollte er als Harmonietyp so schnell wie möglich raus aus dem Konfliktgespräch. Bevor eine Lösung für den akuten Konflikt in Sicht war, haben wir uns schon darüber gestritten, wie wir streiten.

Mittlerweile schaffen wir es zu 90 Prozent, unsere Konflikte zu lösen. Und wenn wir das können, könnt ihr das auch. Ich kann jetzt aus ganzem Herzen sagen: Konflikte sind wichtig und sind Chancen, um zu wachsen! Konflikte eskalieren häufig dann, wenn ein Anteil in uns durch die aktuelle Situation an eine schmerzhafte Erfahrung aus der Vergangenheit erinnert wird. Wenn wir bereit sind, unsere eigenen alten Verletzungen anzuschauen, werden Konflikte konstruktiv. Es ist ein toller Erfolg, wenn du in einem Konflikt selbst erkennst, dass du gerade in einen alten Schmerz gerutscht bist. Die Basis für einen solchen Moment sind die Bausteine 1 und 2: Annehmen, dass dieser Schmerz gerade da ist, und so gut wie möglich für dich sorgen.

Der nächste Schritt ist erst dran, wenn die hochgekochten Gemüter sich wieder beruhigt haben. Vergib deinem Partner oder deiner Partnerin freigiebig und vor allem auch dir selbst. Gerade wir Christen dürfen uns immer wieder daran erinnern: Uns ist sowieso schon vergeben. Wir sind geliebt. Also lasst uns täglich sagen und signalisieren: „Ich vergebe dir.“

5. Gemeinsam träumen

Dieser Baustein hat unglaublich viel Potenzial, den Alltag zu durchbrechen und über das Chaos hinweg Verbindung zu schaffen. Fragt euch regelmäßig: Was ist unsere gemeinsame Perspektive? Was ist noch alles möglich hinter dem Tellerrand des Alltags? Worauf leben wir gemeinsam hin? Es lohnt sich, die Paar-Oasenzeiten zum gemeinsamen Träumen zu nutzen und auch mal einen Träumertag einzulegen! Das heißt, dass ihr beide euch einen Tag Zeit nehmt und gemeinsam so viel wie möglich von euren „Wie schön wäre es, wenn wir …“-Ideen da hineinpackt. Die Energie, die ihr daraus mitnehmt, wird euch durch die nächste Durststrecke tragen und euch inspirieren, viel öfter zu fragen: Was tut uns in unserem Alltag gut? Wie wollen wir eigentlich leben? Und wovon können wir jetzt sofort noch mehr in unseren Alltag bringen?

Ja, es gibt immer wieder diese Phasen, in denen wir das Gefühl haben, dass alles über uns hereinbricht und wir nur noch reagieren können. Doch wir haben immer die Möglichkeit, als Individuen und als Paar gemeinsam zu entscheiden, wie wir darauf reagieren wollen. Ich wünsche euch viel Kreativität und gute Ideen, die genau zu euch und eurem Alltag passen.

Isabelle Bartels ist Pädagogin und familylab-Familienberaterin, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Ostwestfalen und bloggt unter www.isabellebartels.com.

Erdbeeren im Winter

Aus Liebe zur Schöpfung: Warum uns der Klimaschutz so schwerfällt, er aber trotzdem unerlässlich ist. Von Robert Pelzer

Nach dem Abendessen machte ich mich daran, die Pfannen und Töpfe abzuwaschen. Ich suchte das Spüli, fand es aber nicht. Stattdessen stand dort diese neue schicke Flasche, die aussah wie ein Seifenspender. Ich drückte oben drauf und bekam etwas Schaum in die Hand. Als ich meine Frau fragte, was das sei, erzählte sie mir erfreut, dass sie wasserlösliche Tabletten besorgt habe. Nun bräuchten wir keine Spüliflaschen mehr zu kaufen, was ja Verpackungsmüll einsparen würde. Das fand ich gut, und ich machte mich mit dem Schaumspender an den Abwasch. Ich merkte schnell, dass ich sehr oft auf dieses Fläschchen drücken musste, um genügend Spülmittel für die fettigen Pfannen zu bekommen und dass selbst mit viel Schaum die Spülkraft nur so mittelmäßig war. Als Letztes spülte ich das Backpapier ab. Wir haben wiederverwendbares Backpapier, denn das spart Müll. Ich bekam die klebrige Schicht jedoch einfach nicht ab. Letzten Endes trennten wir uns von den Spülitabletten und entsorgten den nachhaltigen Spender wieder. Weil wir die klebrige Schicht auch mit normalem Spülmittel nicht wegbekamen, entsorgten wir auch das wiederverwendbare Backpapier, das sich als doch gar nicht so wiederverwendbar erwiesen hatte.

Ich war frustriert. Wir wollen doch unseren Beitrag leisten, Ressourcen sparen, weniger Energie und weniger Plastik konsumieren. Das ist uns allen wichtig, vor allem meiner 12-jährigen Tochter. Seit Neuestem liebt sie Unverpacktläden und gibt dort immer ihr Taschengeld aus. Wir essen kaum noch Fleisch, etwa einmal pro Woche als Familie. (Okay, ich esse auf der Arbeit manchmal heimlich einen Burger zum Mittag, meine Kinder nehmen in der Schulkantine hin und wieder das Fleischgericht, weil vegetarisch an dem Tag mit Blumenkohl ist, und vielleicht machen wir noch eine kleine Ausnahme und gehen am Wochenende Döner essen.) Alles in allem geben wir uns Mühe, finde ich. Aber ich bin frustriert, weil sich der Aufwand manchmal nicht zu lohnen scheint und zumindest durch diese Spüli- und Backpapiergeschichte mehr Müll entstanden ist, als wenn wir einfach normal weitergemacht hätten.

Es ist kompliziert

Aber warum bin ich eigentlich frustriert? Nur weil ein paar gut gemeinte, aber undurchdachte Produktlösungen nicht zielführend waren? Eigentlich ist es doch toll, dass die Industrie versucht, mit kreativen Lösungen dem Thema Nachhaltigkeit zu begegnen. Und es ist auch klar, dass dabei nicht jeder Ansatz erfolgreich sein kann. Nein, ich merke, dass die Gründe für meine Frustration andere sind.

Zuallererst ist es kompliziert und vielschichtig. Auf der Arbeit hatte letzten Januar jemand Erdbeeren mitgebracht. Ich saß in der Pause am großen Gemeinschaftstisch, nahm mir eine Erdbeere und bot meinem Kollegen auch eine an. Dieser schaute mich entgeistert an, schüttelte den Kopf und sagte: Erdbeeren im Januar? Ich verstand sofort, was er meinte. Irgendwie hatte er recht. Erdbeeren im Winter zu essen, muss ja nicht sein. Und doch wird es kompliziert: Plötzlich ist es falsch, Obst zu essen. Ständig muss man dazulernen und erfährt zum Beispiel, dass Avocados Unmengen an Wasser in Regionen verbrauchen, wo dies Mangelware ist und den Kleinbauern fehlt.

Ein anderer Freund fragte neulich, ob er denn bald nur noch Moos essen dürfe, ohne sich schlecht zu fühlen, und drückte damit das Grundgefühl aus, das viele gerade haben: So vieles, was man bisher sorglos konsumieren konnte, scheint neuerdings dem Planeten zu schaden. Zugegeben, das Dazulernen ist manchmal anstrengend. Ich kann mich doch im Alltag nicht ständig mit allen Zusammenhängen befassen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich nachhaltig bin, oder? Ja und nein. Vielleicht müssen es nicht alle Themen auf einmal sein, sondern Stück für Stück. Aber wir leben nun mal in und vor allem profitieren wir von einer global vernetzten Welt, in der unser Handeln Konsequenzen irgendwo anders hat. Dass wir diese Konsequenzen bedenken, hat etwas mit der Verantwortung zu tun, die erwachsene Menschen für ihr Tun übernehmen müssen.

Ohnmachtsgefühl

Doch es kann sich schnell das Gefühl einstellen, dass das ganze eigene Leben eine Belastung für den Planeten sei. Auf einer Fridays-for-Future-Demo, auf der ich mit meiner Tochter war, fielen mir Mädchen auf, die T-Shirts trugen mit Slogans wie „Parasit Menschheit“. Es stimmt ja, dass wir als Menschen der maßgebliche Grund für die Zerstörung des Planeten sind, aber andererseits sind wir ja auch Teil dieses Planeten. Die Natur und wir – das lässt sich nicht trennen. Und meines Erachtens liegt darin auch schon die Lösung des Problems. Wenn wir anfangen würden zu verstehen, dass wir nicht außerhalb der Natur existieren, sondern Teil von ihr sind und sie brauchen, dann beenden wir hoffentlich schleunigst ihre Zerstörung.

Aber dann stellt sich mir manchmal die Frage, ob alle unsere Anstrengungen überhaupt etwas bringen, und ich bekomme dieses lähmende Ohnmachtsgefühl. In Anbetracht der Situation und der Fülle an Themen und Zusammenhängen kann man schon das Gefühl bekommen, die Lage sei aussichtslos. Menschen vermeiden Plastik und lernen dann, dass Glas aus Gründen der Energiebilanz auch nicht unproblematisch ist. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass eine „Das bringt doch eh nichts“-Haltung nur eine Ausrede ist, passiv zu bleiben. Ich habe schon mit Menschen diskutiert, die gegenüber allen Hilfsorganisationen eine zynische Haltung hatten, nur um zu rechtfertigen, dass sie nie spenden.

Warten auf die Apokalypse

Neben Zynikern, Turbo-Kapitalisten und Klimaleugnern, die den menschengemachten Klimawandel für eine Lüge halten, gibt es noch eine andere Gruppe, die leider manchmal dadurch auffällt, dass sie dem Thema Klimaschutz nicht allzu viel Bedeutung schenkt. In manchen frommen Kreisen tut man sich immer noch schwer damit, die Klimakrise angemessen zu adressieren. Unsere Jesus-Freaks-Pullis zum Beispiel hatten damals die Aufschrift: „Alles geht in Arsch, Jesus bleibt!“ Das spiegelte unsere Sicht auf die Entwicklung der Welt wider, die eher negativ und fatalistisch geprägt war. Wir warteten ständig gespannt auf eine unabwendbare Apokalypse.

Doch wer so denkt, wird selten dazu beitragen, eine nachhaltige Verbesserung in der Welt zu erreichen, sei es im Sozialen, sei es bezogen auf die Umwelt. Und leider tragen Menschen, die so denken, oft selbst dazu bei, dass nichts besser werden kann, und erfüllen damit ihre eigene Prophezeiung selbst. Der Weltklimarat geht davon aus, dass in den nächsten 70 Jahren viele Teile der Welt unbewohnbar werden, wenn unser Verhalten ungebremst so weitergeht. Ich finde es deshalb paradox, dass einige Gemeinden, die seit Jahrzehnten das baldige Weltende proklamieren, im Hinblick auf diese von uns Menschen verursachte, reale Bedrohungslage so still sind.

Stattdessen kommt es nicht selten vor, dass Energie und Zusammenhalt für Streitthemen verpulvert werden, wie zum Beispiel die Frage, ob Frauen ebenso wie Männer in Lehr- oder Leitungspositionen agieren dürfen. Gemeinden, die sich in Anbetracht der weltweiten Lage mitsamt Hungersnöten, sozialen Ungerechtigkeiten und einer Klimakrise, die die gesamte Menschheit bedroht, mit Themen beschäftigen, die für die meisten Menschen schon vor Jahrzehnten nicht mehr relevant waren, schaffen sich zunehmend selbst ab.

Nicht zu spät

„Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht, dann wollen wir gern die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen, vorher aber nicht.“ Dieser Satz von Dietrich Bonhoeffer spricht mir aus der Seele. Denn er drückt die Hoffnung dafür aus, dass es noch nicht zu spät ist. Er drückt aus, dass es sich lohnt, weil es besser werden kann. Und er bringt auch unsere eigene Verantwortung zum Ausdruck. Die Verantwortung für diesen Garten, für diese Erde, die uns von Gott gegeben wurde, wird uns nicht abgenommen werden. Deshalb lohnt es sich bei aller Komplexität, dieses dringende Thema trotz unseres vollen Alltags nicht aus den Augen zu verlieren. Unser Handeln hat einen Einfluss!

Weil man über das eigene Konsumverhalten die meiste Kontrolle hat, haben wir als Familie wie anfangs beschrieben beim Einkaufen begonnen. Den Fleischverzehr zu reduzieren, ist zum Beispiel nicht nur gesund und erspart Tierleid, auch der CO2-Abdruck pflanzlicher Proteine ist um ein Zigfaches niedriger. Denn der Regenwald wird in diesen Momenten weiter abgeholzt, nur um Soja für Tierfutter anzubauen, das weltweit ca. 77 Prozent des gesamten Agrarlandes beschlagnahmt. Wichtig ist, dass wir beginnen, das zu tun, was in unserem Einflussbereich liegt. Dabei kann es helfen, wenn wir uns ein relevantes Thema herausnehmen und damit fokussiert beginnen. Lieber mit wenig starten und immer mehr dazulernen, als gar nicht zu beginnen, weil es zu kompliziert und aussichtslos erscheint oder weil es unbequem ist. Vielleicht können wir das nicht immer hundertprozentig. Aber es stimmt, was die Mädels und Jungs bei den Klimademos rufen: Es gibt keinen Plan(eten) B – und die Lage ist mehr als nur ernst.

Robert Pelzer arbeitet als Forschungsingenieur in einem Berliner Start-up und macht gerade eine Coaching-Ausbildung. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt er in Pankow.

Ein Paar, zwei Perspektiven: Fotobuch

Nicht das wahre Leben

Katharina Hullen will Erinnerungen festhalten und prägen – schöne Erinnerungen.

Katharina: „Schaut doch bitte kurz noch mal alle zu mir!“ Ich versuche, einen schönen Abschlussmoment festzuhalten, nachdem ich meine Familie mehr oder weniger unauffällig den ganzen Tag umtanzt habe, um einige der schönen Szenen unseres heutigen Ausflugs digital zu verewigen. Nicht allen ist dabei zum Lächeln zumute, aber wir wissen ja, wofür wir uns hier ins Zeug legen – das alljährliche Familien-Fotobuch muss gefüllt werden!

Alle lieben diese Bücher – die Großeltern wünschen sich zu Weihnachten nichts anderes. Und es ist auch ein großartiges Geschenk: eine Galerie der Menschen, die wir lieben, eine wunderbare Dokumentation des Familienlebens, der Entwicklungen und Meilensteine eines jeden Mitglieds unserer kleinen Einheit. Ausflüge, Geburtstage, Einschulungen, Abschiede, Aufführungen. Wir können beim Betrachten in Erinnerungen schwelgen und mithilfe der schönen Baby- und Kleinkindbilder und der zugehörigen Erzählungen sogar Erlebnisse und Empfindungen prägen, die bei den Kindern ansonsten gar nicht im aktiven Bewusstsein wären.

Diese Bücher sind naturgemäß angefüllt mit den schönen Momenten, mit lächelnden, fröhlichen, ausgelassenen, stolzen, konzentrierten und glücklichen Menschen.

Ich hatte noch nie den Drang, ein Foto zu machen, wenn ich gerade am Mittagstisch ein Donnerwetter loslasse oder wenn sich zwei Streithähne buchstäblich in den Haaren liegen. Auch das Aufwischen von Erbrochenem oder das Durchsetzen einer Auszeit für ein bockiges Kind hat es bei uns noch nicht als Fotomotiv gegeben.

Ist es daher nicht eigentlich ein unehrliches und geradezu ärgerliches Produkt einer zu ehrgeizigen Mutter, die jeden Moment nur nach seiner Fotobuch-Tauglichkeit beurteilt und eben nicht das wahre Familienleben dokumentiert? Warum nicht einfach den Moment genießen und fotolos verstreichen lassen?

Einfacher wäre das, denn es steckt sehr viel Zeit und Arbeit in diesen Büchern. Und dass unser Familienleben auch viel Streit, Frust und Versagen beinhaltet, ist selbstverständlich genauso wahr wie die vielen schönen Augenblicke.

Dennoch gefällt mir der Gedanke, dass diese Bücher vor allem das Positive festhalten: Es war richtig schön! Wir haben sehr viel Gutes und Lustiges zusammen erlebt. So haben wir uns entwickelt, das konnte der oder die damals schon richtig gut und schau, was daraus geworden ist. Solche Fotoalben können helle Landmarken im Leben setzen, wenn man irgendwann mal das Gute vergisst oder niemand mehr da ist, der einen erinnert.

Ich verbuche für mich die Kritik am Fotografieren in der gleichen Kategorie, wie es meine Familie wohl nervt, wenn ich nach gewaschenen Händen und wetterangemessener Kleidung frage. Mütter nerven dann eben. Tja.

 

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

Das Lächeln gefriert

Hauke Hullen möchte den Moment genießen – ohne Fotobuchgedanken.

Hauke: Familienfeier im Garten: Die ganze Verwandtschaft ist da, unsere Kinder baden in Geselligkeit und herzlicher Aufmerksamkeit, als unser 6-Jähriger stolz seiner Cousine Jule den aktuellen Wackelzahn präsentiert. „Komm, den hol ich dir raus“, verspricht die 24-Jährige. Man muss dazu wissen: Jule ist nebenberuflich Zahnfee. Wann immer sie uns besucht, verlieren unsere Kinder einen Milchzahn. Es bahnte sich also ein spektakuläres Ereignis an, da unterbricht die beste Ehefrau von allen: „Moment, die Kamera!“

Es folgt eine hektische Suche nach dem richtigen Handy, dem richtigen Winkel und dem richtigen Bildmodus: Porträt, Panorama oder doch lieber ein Video? Vielleicht in Slow Motion? Am Ende gibt es alles auf einmal, weil inzwischen die gesamte Sippe ihre Handys im Anschlag hat, um dutzendfach zu dokumentieren, wie die zupackende Cousine eine weitere Lücke in der Kauleiste unserer Kinder hinterlässt. So geht das ständig. Bei jeder sich nicht bietenden Gelegenheit ist Katharina dem Zwang erlegen, alles fotografisch festhalten zu müssen – für das legendäre Fotobuch, was stets für die Großeltern und für uns unterm Weihnachtsbaum liegt.

Am schlimmsten ist es, wenn sie ein neues Handy mit neuen Kamerafunktionen hat. Dann gleicht jeder Sonntagsspaziergang einer Hetzjagd, bei der Mann und Mäuse vor der wildgewordenen Knipserin flüchten. In diesen Zeiten entstehen besonders viele menschenleere Landschaftsaufnahmen, bei denen man mit etwas Glück dann doch ein paar Familienmitglieder entdeckt, die sich entnervt hinter den Bäumen verstecken.

Denn die Fotos rauben zwar nicht uns die Seele, aber dem Moment. Wenn Kathi das pralle Leben festhalten will, tut sie exakt das: Das Leben und alle Personen erstarren, das Gelächter hört auf, das Lächeln gefriert zur Grimasse – und all die Leichtigkeit ist weg.

Warum kann man nicht einfach den Augenblick genießen, ohne ständig an die fotogene Verwertbarkeit denken zu müssen? Und warum müssen immer wieder künstlich Aktionen gestartet werden, nur damit schöne Fotobuch-Motive entstehen? Das Fotobuch entwickelt sich zu unserem analogen Instagram-Channel, zu einer Puderzucker-Version unseres Lebens!

Besonders sinnfrei dabei: die Selfie-Seuche. Ganze Urlaubsalben, die nur aus den immer gleichen zwei Visagen bestehen. Immerhin bestraft die Kamera diese Selbstbezogenheit mit übergroßen Nasen, weshalb man diese Bilder nachher auch keinem mehr zeigen mag. Informativ sind die Fotos eh nicht: Man weiß zwar, man war da, sieht aber nicht, wo.

Klar, die Kinder schauen sich gern die Bilder von früher an. Sie glauben dann sogar, sich an diese Kindheit erinnern zu können – dabei weiß die Wissenschaft längst, dass man mit Fotos Erinnerungen in den Köpfen säen kann. Könnte sich Kathi auf diese Weise nicht viel Arbeit ersparen, indem sie einfach ein paar hübsche Motive aus dem Internet kopiert? Hier, unser Hawaii-Urlaub, und da, da warst du Fallschirmspringen! Dann könnten wir endlich in Ruhe unser Leben leben.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

11 bis 15 – Mehr als nur traurig

Elternfrage: „Meine Tochter (12) wirkt seit mehreren Wochen total niedergeschlagen und zieht sich immer öfter in ihr Zimmer zurück. Ist sie depressiv?“

Wenn Kinder oder Teenager ständig niedergeschlagen wirken, dann besorgt das die meisten Eltern – zu Recht! Denn Kinder sind grundsätzlich eher fröhlich und entdeckungsfreudig, auch wenn es natürlich Unterschiede im Naturell gibt, so wie bei Erwachsenen auch.

Wenn Ihre Tochter Ihnen ungewöhnlich traurig erscheint, sollten Sie genauer hinschauen. Denn auch Kinder und Teenager können eine Depression entwickeln. Folgende Checkliste hilft Ihnen bei der Einschätzung des Problems:

  • Wie lange ist das schon so? Wenn die Stimmung zwei Wochen oder länger schlechter ist als sonst, dann wird es ernst.
  • Gibt es bestimmte Stressfaktoren, die kurz vor dem Stimmungstief aufgetreten sind, und lassen sich diese eventuell mildern? Werden sie sehr bald von selbst enden (zum Beispiel in der Prüfungsphase), sodass eine Besserung realistisch ist? Wenn das der Fall ist und Sie keine akute Gefährdung sehen, kann es sich lohnen, ein bis zwei Wochen abzuwarten.
  • Zeigt Ihr Kind körperliche Auffälligkeiten wie weniger oder mehr Appetit, Schlafprobleme, Müdigkeit, Schmerzen,…? Auch das können Anzeichen einer Depression sein.
  • Hat Ihr Kind das Interesse an Aktivitäten oder Themen verloren, für die es sich sonst begeistert hat?
  • Zieht sich Ihr Kind zunehmend zurück und vermeidet Kontakte?
  • Spricht es vom Wunsch zu sterben?
  • Ist Ihr Kind neben der Betrübtheit auch gereizt oder genervt?
  • Spricht Ihr Kind sehr schlecht über sich selbst, zeigt es Probleme im Selbstbewusstsein?
  • Benennt es vielleicht sogar den Wunsch, lieber tot zu sein? Wenn das der Fall ist, sollten Sie sofort handeln und sich an die nächste Kinder- und Jugendpsychiatrie wenden (notfalls auch erfragen unter der Telefonnummer 112).

Wenn ein oder mehrere Kriterien erfüllt sind, dann sollten Sie besonnen, aber entschlossen reagieren. Erklären Sie Ihrem Kind, dass Sie sich Sorgen machen, weil Sie spüren, dass es ihm nicht gut geht. Und dass Sie wollen, dass es ihm besser geht und Sie sich deswegen um Hilfe kümmern.

Holen Sie sich professionelle Hilfe zum Beispiel bei einer Praxis für Kinderund Jugendlichenpsychotherapie. Dort gibt es meist lange Wartelisten, man kann die Wartezeit aber gut mit Terminen in einer Erziehungsberatungsstelle (Adressen finden Sie unter dajeb.de) überbrücken. Dort gibt es Angebote, sowohl für das Kind allein als auch für die Eltern oder die ganze Familie, je nachdem, was sich als passend herausstellt.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin (neuewege.me).

Kindlich glauben …

… dass Gott sich kümmert

Carina Nill will sich ihren Sohn zum Vorbild nehmen. Der vertraut darauf, dass sein Vater ihm mit Rat und Tat zur Seite steht.

Mein Rücken ist kaputt. Glaube ich. Was ich da als Erstes mache? Ich schiebe es auf die lange Bank. Wenn es die Zeit zulässt, packe ich etwas Wärme drauf oder mache meine Übungen.

Die Beziehung zu meinem Onkel hat einen Knacks bekommen, seit es Oma nicht mehr gibt. Ich überlege und unterdrücke, ärgere mich und trauere in mich hinein und hole schließlich mutig – eine zweite lange Bank heraus, um auch das aufzuschieben.

Eine Entscheidung steht an. Ich hasse Entscheidungen. Leider sind hier lange Bänke oft nicht erlaubt. Ich hole mir Rat bei Freunden in der gleichen Situation und bleibe mit rauchendem Kopf unsicher und unzufrieden mit mir selbst zurück.

Ganz anders meine Kinder. Ein aufgeschürftes Knie, ein kaputter Bagger, ein Streit im Kindergarten … Was sie da als Erstes machen? Es wird sofort gehandelt. Schließlich geht es beinahe um Leben und Tod. Meistens wird nicht erst überlegt, wie man selbst etwas dazu beitragen könnte. Es wird sich beschwert und geärgert, und zwar nicht still in sich hinein. Nein, lautstark und triefend nass vor Elefantentränen werfen sie sich in unsere Arme. Der Schmerz ist groß und die Sehnsucht nach elterlichem Trost noch größer.

Unser kleinster Sohnemann, der mit seinen zwei Jahren noch kaum recht sprechen konnte und sich stets andere Wege suchte, um sich auszudrücken, benutzte nun schließlich für genau diese Situationen das richtige Wort. Egal, ob es der Sprung in der Müslischale oder die eingerissene Buchseite war, der platte Reifen am Laufrad oder die fehlende Batterie in der Taschenlampe – er wusste, sein starker Papa bietet Rat und Tat. Nichts anderes als logisch, dass aus unserem erwachsenen Wort „Reparieren“ ein vertrauensvolles „Paparieren“ wurde. Oh, wie groß sind doch die Ideen der Kleinsten!

Liebevolle Arme

Und ich? Anstatt mich mit meinen Rückenschmerzen zuerst an unseren Vater im Himmel, bekannterweise ein berühmter Arzt, zu wenden und um Rat zu fragen, jammere ich still herum und frage lieber Dr. Google.

Anstatt mich zuerst in die liebevollen Arme meines himmlischen Vaters zu werfen, wenn es in der irdischen Familie Auseinandersetzungen, Verletzungen oder bedrückendes Schweigen gibt, packe ich all mein therapeutisches und pädagogisches Wissen zusammen, um mir die Situation erklärbar und lösbar einzureden. Dabei sitzen der Schmerz und die Ungewissheit viel tiefer im Herzen.

Anstatt zuerst mit meinem guten Freund Jesus meine Situation bezüglich dieser Entscheidung zu besprechen und von ihm zu hören, was er über mich und mein Leben denkt, lasse ich mich verunsichern, vergleiche zu viel und vertraue zu wenig. Ich weiß nicht, wann genau es verloren geht, das kindliche Zum-Papa-Rennen. Sich von den Eltern trösten zu lassen und ihren Rat zu suchen. An das „Paparieren“ zu glauben.

Ich habe angefangen, dieses Wort zu lieben. Obwohl ich neulich die Räder vom Spielzeug-Rennflitzer „mamariert“ habe und von unserem Jüngsten dafür erstaunte bis verwirrte Blicke erntete. Natürlich kann auch Mama Dinge in Ordnung bringen – aber ich liebe diese Metapher nicht, weil ich uns Frauen kleinreden will, sondern weil ich den himmlischen Vater großmachen will.

Von unseren Kindern lernen

Der beste „Paparateur“ ever – der, der die Situation überblickt, der meine Wunden heilt, sich meiner Entscheidungsschwäche annimmt. Vielleicht bringt er nicht immer alles so in Ordnung, wie wir es gern hätten, aber er kümmert sich, tröstet mich, liebt mich.

Wie gern würde ich von unseren Kindern lernen und nachahmen, zuerst und mit allem zu unserem königlichen Vater zu rennen. Und mich daran erfreuen, dass er mit unseren reparaturbedürftigen Anliegen geduldiger ist, als wir es auf der Erde je sein könnten. Bestimmt geben alle Papas gern ihr Bestes für ihre Kinder – daher erstaunt es mich manchmal umso mehr, dass die Liebe des königlichen Vaters noch viel größer, intensiver, stärker und bedingungsloser sein muss. Welch Privileg, sein Kind sein zu dürfen, egal, wie erwachsen wir doch sind.

Carina J. Nill ist Kunst- und Lerntherapeutin und Autorin von „Count your Blessings: Mein kreatives Segen-Sammelbuch“. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Deizisau bei Esslingen.

3 bis 5 – Ab in den Kindergarten – aber in welchen?

Elternfrage: „Mein Kind wird nächstes Jahr drei Jahre alt und war bisher bei einer Tagesmutter. Nächstes Jahr soll es in die Kita wechseln. Wie finde ich heraus, welche Kita zu uns passt? Und bis wann muss ich es anmelden?“

Generell sollte die Suche nach einem Kitaplatz so früh wie möglich beginnen“, rät Nadine Jung vom Landkreis Gießen mit Blick auf die Wartelisten, die in manchen Städten und Regionen sehr lang sein können. Einen Überblick über die jeweilige Platzsituation kann euch die Gemeinde- und Stadtverwaltung im Wohnort geben, die gleichzeitig auch Träger vieler Kitas ist.

Dort oder auf der Homepage der Kitas könnt ihr erste Informationen zu pädagogischen Ansätzen, Räumlichkeiten, Gruppengrößen und Konzeptionen finden. So könnt ihr euch einen ersten Eindruck verschaffen und entscheiden, was euch persönlich zusagt. Dies ist individuell verschieden und variiert von der örtlichen Distanz über den Betreuungsschlüssel, also wie viele Erzieherinnen im Kindergarten wie viele Kinder betreuen, bis hin zum Betreuungskonzept, das in der Einrichtung angewandt wird.

Offen, teiloffen und geschlossen?

Die Konzepte in den Kindergärten variieren zwischen offen, teiloffen und geschlossen. In einer geschlossenen Gruppenarbeit wird ein Kind einer Gruppe mit festen Erzieherinnen zugeteilt. In dieser halten sich die Kinder während des gesamten Kindergartentages auf.

Beim teiloffenen Konzept sind die Kinder nur am Tagesbeginn und -ende in ihrer Stammgruppe. Nach einem gemeinsamen Start werden die anderen Gruppen für die Kinder geöffnet. Ganz auf Gruppen verzichtet wird in Kindergärten mit offenem Konzept. Die Räume, die den Kindern zur Verfügung stehen, sind themenorientiert. Es gibt zum Beispiel einen Kreativraum, einen Bewegungsraum oder einen Rückzugs- und Ruheraum. Die Kinder können frei wählen, mit wem sie wann welchen Aktivitäten nachgehen möchten.

Menschenbilder sind verschieden

In Deutschland wird ein Drittel aller Kindergärten von den Städten und Kreisen getragen. Der größte Teil der Einrichtungen wird von freien Trägern wie Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Vereinen oder Elterninitiativen geleitet. In der Schweiz sind rund 90 Prozent aller Kitas als Verein, GmbH, Stiftung oder Betriebskita privat organisiert und werden zu durchschnittlich zwei Dritteln durch Elternbeiträge finanziert. Dadurch sind die Betreuungskosten deutlich höher als in Deutschland.

In Deutschland wie in der Schweiz prägt der jeweilige Träger das der Einrichtung zugrunde liegende Menschenbild und kann humanistischer, christlicher, anthroposophischer oder anderer Natur sein. Das christliche Menschenbild wird vor allem in Kindergärten gelebt, die in kirchlicher Trägerschaft sind. Es gibt evangelische und katholische, aber auch freie Bekenntniskindergärten. Christlichen Kindergärten gemein ist, dass die Kinder entsprechend dem christlichen Weltbild erzogen werden. Nächstenliebe und die Gebote Gottes sowie seine Liebe zu den Menschen stehen im Fokus. Wie diese Werte konkret im Kita-Alltag gelebt werden, könnt ihr im Gespräch mit der Leitung oder direkt mit den Erzieherinnen klären.

Ruth Korte, Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Startbereit für Neues

Durch einen Besuch bei Amazon hat Marcus Beier wichtige Einsichten gewonnen – und dabei geht es nicht um Bücher oder Business …

Als ich vor gut vier Jahren in den USA war, hatte ich das Glück, über Vitamin B eine kleine Führung im Amazon-Hauptgebäude in Seattle zu bekommen. Das Hochhaus, das ich mir ansehen durfte, war das sogenannte „Day-One-Building“ („Tag-Eins-Gebäude“). Es spiegelt die Mentalität von Amazon wider. Die Mitarbeiterin dort erklärte mir das so: Wenn man in einer neuen Firma eine Arbeitsstelle anfängt, ist alles neu, aufregend, man sieht alles mit einem neuen, frischen Blick. Oft erkennt man dadurch schneller Potenziale für Verbesserungen, nimmt Fehler besser wahr und entdeckt neue Chancen und Lösungen. Nichts ist wie bisher. Das eröffnet einen Blick in ungeahnte Möglichkeiten – in das Reich der Veränderung, der Potenziale und der großen Ideen.

„Alte Hasen“ sehen manchmal eher die Begrenzungen und das, was nicht geht, aber als „Neuling“ bemerkt man nicht die Hindernisse, sondern das, was geht. Das ist ein Blick in die Schatzkammer der Möglichkeiten. Für eine Firma, die sich Innovation zum Markenzeichen auserkoren hat, ist ein solches Denkmuster überaus produktiv, wenn nicht sogar unabdingbar. Aber nicht nur dort kann ein solches Denken sehr hilfreich sein. Es kann auch im „normalen“ Leben helfen, Dinge neu zu betrachten, die Uhren auf null zu stellen, um die Welt zu verstehen und auch dem Unausweichlichen besser zu begegnen: der Veränderung.

Kinder als Vorbild

Ich persönlich tue mich oft genug schwer mit Veränderung. Vieles ist doch gar nicht schlecht. Warum muss man etwas ändern, was gut funktioniert? Aber die Welt war noch nie vollkommen, und sie wird es wohl auch nicht. Daher ist Veränderung etwas, was uns immer in dem Wunsch nach Verbesserung begleiten wird. In jedem Tag liegt Potenzial dafür.

Wie das geht, lernen wir – faszinierenderweise – an kleinen Kindern. Wenn sie noch nicht zur Schule gehen und noch kein richtiges Gefühl für Zeiten und Tage haben, noch nicht planen, was morgen kommt und auch nicht zuordnen können, was gestern, vorgestern, später oder morgen genau ist, leben sie absolut im Moment. Vor Kurzem hatte ich diese Unterhaltung mit unserem Zweijährigen: Joas: „Papa, ich will das heute machen!“ Ich: „Ja, wir machen das später am Nachmittag.“ Joas: „Nein, heute!“

Das fand ich sehr lustig, und mir wurde bewusst, wie sehr er im Moment lebt. Er weiß nicht, was ich meine, wenn ich sage: „Morgen fahren wir zu …“ Er plant nicht, er schaut nicht auf die morgige Erfahrung und denkt nicht groß an gestern. Für ihn zählt: „Komm, wir gehen jetzt zum Bäcker!“ Und dann ist er glücklich.

Als mir das auffiel, wurde mir auch klar, dass Kinder wie er ständig die Welt neu entdecken. Natürlich kennen sie ihr Umfeld und sie brauchen Stabilität. Aber innerhalb dieses Rahmens entdecken sie die Welt jeden Tag neu. Jeder Tag ist besonders, jeder Tag hat Potenzial, an jedem Tag „geht was“. Man hört kaum: „Ach ne, das hab ich gestern probiert. War blöd!“ Es zählt der Moment. Und wenn es gestern nicht ging, kann es doch heute klappen. Warum auch nicht?

Nur ein Tag

Bei aller Stabilität scheint die Tatsache, jeden Tag etwas Neues zu erleben, das natürliche Lebensgefühl für Kinder zu sein. Das finde ich inspirierend! Und in gewisser Weise scheint auch hier zuzutreffen, was Jesus über den kindlichen Glauben sagt: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …“ Und seien wir mal ehrlich: Manchmal tut uns ein frischer, unverbrauchter, kindlicher Blick auf die Welt einfach gut, oder? Der Chef war gestern stinkig – na und? Heute ist ein neuer Tag! Darin findet sich eben auch die Mentalität des ersten Tages wieder. Die Welt ist voller Möglichkeiten – machen wir etwas draus! An dieser Mentalität und dem kindlichen Vorbild sehe ich noch weitere Möglichkeiten zum Andocken. Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961) schreibt in dem Buch „Whom the Bell Tolls“ (1940): „Heute ist nur ein Tag unter all den Tagen, die es jemals geben wird. Aber was in all den Tagen, die noch kommen werden, passieren wird, kann davon abhängen, was du heute tust.“ Mich inspiriert dieser Satz – insbesondere in Verbindung mit der „Tag-Eins-Mentalität“ – zu einem bewussten und verantwortungsvollen Leben. Und zu einem Leben, das Wünsche, Chancen und Möglichkeiten auf vernünftige Weise mit der Wirklichkeit in Beziehung setzt und sowohl kurzfristige Wünsche als auch langfristige Entwicklungen ausgewogen zusammendenkt. Das ist natürlich ein Ideal – und eines, von dem ich selbst ein gutes Stück entfernt bin. Dennoch ist es mir ein Ansporn, insbesondere vor dem Hintergrund der Veränderungen, die das Leben unweigerlich mit sich bringt.

Grundlagen für das Morgen schaffen

Wie gesagt bin ich selbst nicht gerade ein Fan von Veränderungen. Ich kann sie nicht verhindern, aber es kann entscheidend sein, wie ich mich dazu verhalte. Will ich mich der Veränderung widersetzen? Unmöglich. Das geht vielleicht eine Weile gut, aber dann bleibt mir letztlich nur, mich den Veränderungen irgendwie anzupassen und mich bestmöglich damit zu arrangieren und mich durchzulavieren. Wie wäre es stattdessen mit einer Prise „Tag-Eins-Mentalität“? Und dazu das Bewusstsein, dass ich heute die Grundlagen für das Morgen schaffen kann.

Das Leben ist voller Überraschungen und immer wieder tun sich unverhofft Gelegenheiten, Chancen und auch teils schwere Herausforderungen auf. Nun fragt sich, wie wir damit umgehen. Natürlich kann man durch das Leben gehen wie Indiana Jones – ständig auf der Suche nach Schätzen, ständig auf der Jagd nach der „Goldenen Ananas“, immer dem eigenen Vorteil folgen, immer auf der Lauer, doch noch das beste Schnäppchen abzugreifen. Persönlich bin ich davon auch kein Fan. Das wäre mir auch viel zu anstrengend, weil eine dauerhafte Lauerstellung nicht unbedingt entspannend ist und nicht dazu führt, den Moment genießen zu können.

Man muss jedoch nicht auf Dauerjagd sein und kann trotzdem mit einem wachen Blick durch das Leben gehen. Jeder Tag kann das Leben verändern. Aber erkenne ich das Veränderungspotenzial überhaupt? Nehme ich eine Chance wahr, wenn sie auf einem Silbertablett vor meiner Nase liegt? Ich muss wissen, was ich langfristig möchte, was meine Ziele sind – persönlich, beruflich, für uns als Familie, als Gemeinde etc. Und dann brauche ich Offenheit, neue Wege zu gehen – auch auf die Gefahr hin, dass es nicht so klappt. Manchmal ist das Nichtstun schlimmer, als etwas zu tun. Daher glaube ich, dass es wichtig ist, langfristige Wünsche im Blick zu behalten und gleichzeitig jetzt schon zu bedenken, wo Veränderungspotenziale liegen, die vielleicht erst später wirklich greifen.

Das Leben in die Hand nehmen

Für mich persönlich ergibt sich daraus eine entscheidende Wahl: Lasse ich die Dinge geschehen, renne aber letztlich eher den Veränderungen hinterher, die „einfach passieren“? Oder gestalte ich bewusst mein Leben und habe selbst (so gut es eben geht) die Veränderungsprozesse in der Hand? Selbstverständlich geht das nicht immer. Unfälle, Katastrophen, gesellschaftliche Prozesse können jederzeit passieren und brechen über uns herein. Dann müssen wir reagieren und sind nicht immer vorbereitet. Aber in vielen anderen Dingen haben wir selbst in der Hand, wie wir das gestalten wollen. Und ich glaube, dass wir da mehr Gestaltungsspielräume haben, als uns manchmal bewusst ist.

Unsere Kinder werden größer. Wir können diesen Prozess als Eltern begleiten und diese Zeit für uns und die Kinder gestalten. Auch für uns als Paar können wir rechtzeitig Veränderungsprozesse einleiten, mit denen wir uns zum Beispiel darauf vorbereiten können, dass es eine Zeit nach dem Auszug der Kinder gibt. Wie oft hört man von Paaren, dass sie sich „auseinandergelebt“ haben, was ich immer sehr traurig finde. Mir ist das immer eine Erinnerung, gegenzusteuern und die Ehe entsprechend zu gestalten. Darin liegt eine große Chance, aber auch eine Herausforderung. Möchte man sich eingestehen, dass Dinge vielleicht nicht so gut laufen, um dann etwas zu verändern? Aber genau das sollten wir tun. Wir können immer wieder schauen, ob alles gut läuft oder ob man nachjustieren sollte – sei es im privaten Bereich oder im Job oder in der Gemeinde. Ich darf wissen, dass Gott in allen Veränderungen bei mir ist, sodass ich keine Angst davor haben muss. Ihn kann ich um Rat fragen und ihm meine Sorgen anvertrauen.

Auch, wenn ich kein Freund von Veränderung bin, motiviert mich der Gedanke, selbst zu gestalten und hin und wieder einen Blick auf das Leben zu werfen, als wäre es mein erster Tag.

 

MARCUS BEIER hatte vor Kurzem seinen ersten Tag als Redakteur bei Family und FamilyNEXT. Mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Wiesloch.

0 bis 2 – Schlaf, Kindlein, schlaf!

Elternfrage: „Mein Baby ist inzwischen fast ein Jahr alt und schläft weder allein ein noch die Nacht durch. Ich dachte, das sei nur in den ersten Lebensmonaten so. Ist das normal?“

INTERVIEW

Es gibt kein normal oder unnormal. Das Schlafverhalten ist so unterschiedlich wie die Kinder selbst. Dass Kinder, die sonst lange geschlafen haben, plötzlich kürzer schlafen, nachts öfter wach werden, vielleicht auch mehr kuscheln möchten oder abends mehr Zeit zum Einschlafen brauchen, kann total normal sein. Grund dafür können Entwicklungsschübe sein, die sich häufig auf das Schlafverhalten auswirken. Wenn das Kind aber schon seit Langem sehr schlecht schläft und man nicht wirklich weiß, aus welchem Grund das so ist, kann man sich natürlich mal anschauen, ob man gegebenenfalls etwas ändern kann.

Können Eltern auf das Schlafverhalten ihrer Kinder einwirken?

Ja, schon im Säuglingsalter können Eltern anfangen, eine Abendroutine einzuführen, die dem Baby hilft, sich zu entspannen. Auch ein strukturierter Tagesablauf, dass also Essen, Spielen und Schlafen in etwa zu gleichen Zeiten ablaufen, dient dem Kind zur Orientierung und gibt ihm Sicherheit. Es muss aber nicht immer exakt die gleiche Uhrzeit sein, sondern die Tageszeiten sollten ungefähr gleich sein. Bei all dem ist es aber auch wichtig, sich ein gewisses Maß an Flexibilität und Spontaneität zu erhalten, vor allem dann, wenn es mal nicht nach Plan läuft.

Was raten Sie Eltern, die wegen des Schlafmangels am Limit sind?

Wenn Eltern und Kinder am Limit sind, die Mutter also gar nicht mehr in den Schlaf findet und das Kind nachts jede halbe Stunde oder Stunde an die Brust will und auch tagsüber überhaupt nicht zur Ruhe kommt und nörgelig ist, wenn Familien an dem Punkt sind, dass sie nicht mehr weiterwissen und auch nicht mehr weiter können, dann rate ich, sich Hilfe zu suchen. Zum Beispiel bei einem Schlafcoach.

Was wird bei einem Schlafcoaching vermittelt?
Erst mal alles Wissenswerte rund ums Thema Schlaf. Die Eltern legen dann fest, was sie erreichen wollen, also zum Beispiel: Wir wünschen uns, dass unser Baby in seinem eigenen Bett schläft. Oder: Wir wünschen uns, dass das Baby abends gut und vielleicht sogar allein einschläft, damit wir mal wieder einen ruhigen Abend haben können. Der Coach unterstützt die Eltern dabei, dieses Ziel zu erreichen – immer ganz langsam und liebevoll auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt. Ein Schlafcoaching wird im Alter zwischen sechs Monaten und drei Jahren empfohlen.

Aniko Siegel ist Schlafcoach und lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der Nähe von Hamburg. www.nachtruhe-babycoaching.de