Unter einem Dach – Endlich ausziehen

Elternfrage: „Unsere Tochter (22) hat ihre Ausbildung abgeschlossen und startet demnächst in ihren ersten Job. Sie möchte gern weiter bei uns wohnen. Wir denken aber, dass es ihr guttun würde, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Wie können wir ihr das vermitteln, ohne dass der Eindruck entsteht, dass wir sie loswerden wollen?“

Schön, dass Sie sich vor dem Gespräch mit Ihrer Tochter Gedanken machen möchten. Das ist wichtig, weil tatsächlich schnell das Gefühl bei Ihrem Kind entstehen kann, vor die Tür gesetzt zu werden. Um das zu verhindern, ist es hilfreich, sich darüber klar zu werden, mit welcher Haltung Sie in das Gespräch gehen wollen. Wenn Sie eine ergebnisoffene Haltung einnehmen, vermitteln Sie, dass Sie an den Bedürfnissen, Wünschen, Plänen, vielleicht auch Ängsten oder schon vorhandenen Überlegungen Ihrer Tochter interessiert sind. Dadurch fühlt sie sich gehört und vermutlich auch verstanden. Und vermutlich ist sie danach auch offen dafür, sich Ihre Überlegung und Einstellung zum Ausziehen anzuhören.

Zu teure Wohnungen?

Normalerweise haben die meisten jungen Menschen den Drang, endlich von zu Hause ausziehen zu können. Sie wollen gern in die Selbstständigkeit. Welche Beweggründe könnten bei Ihrer Tochter hinter dem Wunsch stehen, noch weiter bei Ihnen wohnen zu bleiben? Vielleicht genießt sie das „Hotel Mama“ und es ist einfach bequem? Oder will Ihre Tochter erst sichergehen, dass sie auch die Probezeit im neuen Job schafft, bevor sie sich an das nächste große Projekt „Umzug“ macht? Möchte sie erst Geld ansparen, damit sie problemlos eine Wohnungseinrichtung und eine Kaution finanzieren kann? Oder hat Ihre Tochter vielleicht Angst vor dem Alleinsein und befürchtet, sich einsam zu fühlen? Womöglich plagt sie auch die Sorge, mit der neuen Verantwortlichkeit überfordert zu sein. Unter Umständen sind die Mieten in der Umgebung zudem so hoch, dass sie es sich nicht zutraut, eine eigene Wohnung finanziell zu stemmen?

Flügge werden

Wenn Sie wissen, welche Gründe für Ihre Tochter gegen das Ausziehen sprechen, dann wissen Sie auch, was sich verändern lässt, um sie für den Auszug zu befähigen. Sie könnten zum Beispiel gemeinsam darüber nachdenken, wie Sie die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Ihrer Tochter fördern und zu Hause erlebbar machen. Haushaltsorganisation und Budgetplanung darf schon jetzt besprochen und eingeübt werden. Vielleicht gibt es auch von Ihrer Seite Bedürfnisse, die bisher unausgesprochen im Raum standen, warum Sie sich einen Auszug wünschen? Sehnen Sie sich vielleicht nach mehr Ungestörtheit, Unabhängigkeit und Zweisamkeit als Ehepaar? Dann überlegen Sie, wie Sie dies auch ohne Auszug der Tochter umsetzen können.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch diese Ideenanregungen mit Neugier in einen Austausch starten. Ein Austausch, in dem Sie Neues über Ihr Kind erfahren und in dem auch Sie mit Ihren Überlegungen Gehör finden. Solange Ihre Tochter noch bei Ihnen wohnt, wünsche ich Ihnen Freude daran, dass Ihr Verhältnis offensichtlich so gut ist, dass sie gern bei und mit Ihnen wohnt.

Michaela Schnabel wohnt in Witten. Ihre Kinder sind schon länger flügge und so eigenständig, dass es nicht immer leicht ist, gemeinsame Zeiten zu finden.

Auf eigenen Füßen – Großfamilie im Konflikt

Elternfrage: „Mich belastet im Umgang mit den Schwiegereltern unseres Sohnes (22) das Gefühl, immer zurückstecken zu müssen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, wo mein Sohn und seine Frau die Feiertage verbringen. Was kann mir dabei helfen?“

Diese Frage führt uns in eine Großfamilie, die noch nicht lange in dieser Konstellation besteht: Zwei junge Menschen haben geheiratet und damit treffen zwei Familienkulturen der Herkunftsfamilien aufeinander. Das betrifft aber nicht nur das Paar, sondern auch alle Angehörigen. Unsere Familienkultur prägt unseren Umgang mit Ritualen und Festen, aber auch mit den grundsätzlichen Themen wie Kommunikation und Erwartungen. Da gibt es ein Ehepaar, das gern an den Feiertagen ihren Sohn und seine Frau bei sich haben möchte. Und es gibt ein anderes Ehepaar, das gern zur gleichen Zeit ihre Tochter und deren Ehemann bei sich haben möchte. Um besser verstehen zu können, was in diesem Gesamtsystem „Großfamilie“ vor sich geht und wie sich dafür Lösungen finden lassen, kann man die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg nutzen.

Gewaltfreie Kommunikation

Schritt 1: Was ist passiert? Versuchen Sie, so objektiv wie möglich zu beschreiben, was vorgefallen ist. Als ob Sie einen Film drehen würden, der vor dem inneren Auge abläuft. Wer hat was getan oder nicht getan und in welcher Reihenfolge?

Schritt 2: Welche Gefühle hat das Geschehen bei Ihnen ausgelöst? Es lohnt sich, darüber etwas länger nachzudenken.

Schritt 3: Welche Bedürfnisse stehen hinter den Gefühlen, die Sie entdeckt haben? Man könnte sich selbst auch fragen: Was will ich „eigentlich“? Was treibt mich denn so um, dass ich mich benachteiligt, ärgerlich, verletzt, hilflos oder ähnliches fühle? Wenn Sie bemerken, dass es emotional erstaunlich heftig in Ihnen zugeht, könnte es sein, dass sehr wichtige Dinge wie eine Sehnsucht, eine Überzeugung, ein Grundwert oder Ideal (zum Beispiel von Familie) berührt wurden.

Schritt 4: Formulieren Sie eine Bitte an sich selbst oder an eine andere Person, in der freundlich in Worte gefasst wird, was Sie sich wünschen.

Diese Abfolge von Fragen kann dazu dienen, dass Sie sich besser verstehen und sortieren.

Verständnis füreinander

Eine weitere Übung ist es, diesen 4-Schritte-Ablauf für jede beteiligte Person des Systems einmal zu durchdenken. Natürlich ist da etwas Spekulation dabei, aber sicherlich werden einige Fragen auch leicht zu beantworten sein. Was hat Ihr Ehepartner erlebt? Was hat denn das junge Paar dabei erlebt? Was haben die Eltern der Schwiegertochter erlebt? Gibt es überraschende Erkenntnisse bei dieser Betrachtung?

Der nächste Schritt wäre nun, diese Kommunikation nicht nur im Denken, sondern in der Realität zu führen. Ein „Sag mal, wie geht es dir eigentlich damit, wie wir die Feiertage als Familie verbringen?“ könnte Ihnen vielleicht leichter gegenüber Ihrem Sohn über die Lippen kommen, weil Sie sich vorher über Ihre Gefühle und Bedürfnisse klar geworden sind. Vielleicht kommen auch überraschende Erkenntnisse zutage, wer was gesagt oder nicht gesagt hat; wer welche Gefühle mit sich herumträgt und wer was gern hätte oder erwartet. Dabei können große Unterschiede oder Übereinstimmungen entdeckt werden. Im Idealfall kann sich ein größeres Verständnis für die anderen Beteiligten einstellen. Und vielleicht gelingt es anschließend, eine neue gemeinsame Großfamilienkultur zu leben.

Ursula Hauer leitet den Seelsorge- und Beratungsdienst Feuerbach und lebt mit ihrer Familie in Stuttgart.

Unter einem Dach – Cannabis: legal, aber nicht egal

Elternfrage: „Seit der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland mache ich mir Sorgen, dass mein Sohn (18) die Droge ausprobieren wird. Was für Folgen hat der Konsum für junge Erwachsene? Und habt ihr Anregungen, wie ich mit meinem Sohn darüber ins Gespräch kommen kann?“

Der Konsum von Cannabis kann für junge Erwachsene schwere psychische Folgen haben. In meiner Sprechstunde für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene berichten mir Ratsuchende mit regelmäßigem Konsum immer wieder, dass sie unter Konzentrationsschwäche leiden und eine Antriebslosigkeit entwickelt hätten. Manche erleben Angstzustände, Albträume, Erinnerungslücken und Verfolgungsideen. Es kann auch zu depressiven Stimmungslagen und in Einzelfällen sogar zu Psychosen kommen.

Cannabis stört die Gehirnentwicklung

Hinzu kommen physische Risiken, die das Rauchen von Cannabis mit sich bringt. Es kann die Lunge schädigen und das Risiko von Atemwegserkrankungen erhöhen. Das junge Gehirn bis 25 Jahre befindet sich in einer wichtigen Entwicklungsphase. Der im Cannabis enthaltene Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) kann die Reifeprozesse und Emotionsregulation im Gehirn verhindern.
Trotz der Teillegalisierung kann es bei Ihrem Sohn auch zu sozialen Problemen durch den Konsum kommen, etwa in der Schule oder im Beruf, da es hier Einschränkungen beziehungsweise Verbote gibt. Wichtig scheint es mir auch zu erwähnen, dass der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol unter anderem die Gefahr einer Alkoholvergiftung oder das Auftreten der Nebenwirkungen der Droge erhöhen kann, da sich die Effekte von Alkohol und Cannabis „überblenden“.

Tipps für ein Gespräch

Die vielseitigen Folgen des Cannabiskonsums machen deutlich, wie wichtig es ist, offen und einfühlsam mit Ihrem Sohn über das Thema zu sprechen. Hier sind einige Schritte, die Sie dabei beachten können:

1. Wählen Sie den richtigen Zeitpunkt: Vermeiden Sie es, das Thema in stressigen oder emotional aufgeladenen Momenten anzusprechen. Im besten Fall sind Sie beide bei dem Gespräch entspannt und ungestört.
2. Fragen Sie nach seinen Ansichten: Lassen Sie Ihren Sohn zuerst sprechen. Fragen Sie ihn, was er über den Cannabis denkt und ob er Erfahrungen damit gemacht hat.
3. Seien Sie offen und nicht wertend: Sprechen Sie ohne Vorurteile. Zeigen Sie Verständnis und Interesse an den Gedanken Ihres Sohnes und seinen (eventuellen) Erfahrungen.
4. Teilen Sie Ihre Bedenken: Teilen Sie Ihre eigenen Ängste. Erklären Sie, warum Sie sich Sorgen machen. Sprechen Sie über die kurzfristigen und langfristigen Risiken von Cannabis.
5. Bieten Sie Unterstützung an: Zeigen Sie Ihrem Sohn, dass Sie für ihn da sind und bereit sind, ihm bei Problemen zu helfen, auch wenn er schon 18 Jahre alt ist. Ermutigen Sie ihn, sich an Sie zu wenden.
6. Entwickeln Sie gemeinsam Strategien: Überlegen Sie gemeinsam, wie Ihr Sohn mit dem Druck seiner Umgebung umgehen kann, in der Cannabis konsumiert wird oder nun durch die Teillegalisierung Interesse daran besteht. Besprechen Sie alternative Aktivitäten und Wege, um Stress abzubauen oder Spannung und/oder Kick ins Leben zu bringen.
7. Vermeiden Sie Vorwürfe: Versuchen Sie, keine Pauschalisierungen zu formulieren. Ihr Ziel ist es, eine offene Kommunikation zu fördern, nicht Ihren Sohn in den „Widerstand“ zu drängen.
8. Bleiben Sie geduldig: Es kann sein, dass Ihr Sohn nicht sofort bereit ist, über das Thema zu sprechen. Seien Sie geduldig und bieten Sie an, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.

Liane Duesenberg ist Klinische Sozialarbeiterin (MA) und leitet die Psychosoziale Beratungsstelle sowie die Kinder- und Jugendsuchthilfe beim Blauen Kreuz Coburg.

Auf eigenen Füßen – „Für die Kinder bürgen?“

Immobilienpreise sind hoch und oft fehlt jungen Familien das Eigenkapital für einen Hauskauf oder die Bank braucht mehr Sicherheiten. Eine Bürgschaft kann eine Lösung sein. Aber über die Risiken muss man offen reden.

Was ist eine Bürgschaft?

Eine Bürgschaft bedeutet, dass ein Dritter die Aufgabe übernimmt, die (Rest-)Schulden eines anderen zu tilgen, sollte dieser zahlungsunfähig werden. Dies kann passieren, wenn der Hauptschuldner dauerhaft arbeitslos oder krank wird, sich scheiden lässt, der Partner stirbt, im Beruf scheitert oder eine „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ hat, sich also überschuldet. Ein Hauskredit mit einem Bürgen wird meistens dann in Erwägung gezogen, wenn das Eigenkapital für einen Kredit bei der Bank nicht ausreicht. Der Bürgschaftsvertrag wird dann zwischen der Bank, dem Hauptschuldner und dem Bürgen geschlossen und regelt, in welchem finanziellen Umfang der Bürge einspringt. Es gibt verschiedene Formen der Bürgschaft, von der die sogenannte Ausfallbürgschaft die häufigste und sicherste ist, da der Bürge erst dann einspringen muss, wenn die Bank vorher alle Mittel beim Schuldner ausgeschöpft hat.

Was spricht dafür?

Mit einer Bürgschaft können Sie Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn helfen, ihren Traum zu verwirklichen. Mit Ihrer Hilfe können sie einen Kredit erhalten, den sie sonst vielleicht nicht bekommen hätte. Damit investieren Sie in ihre Zukunft. Die Vorteile einer Bürgschaft liegen für den Bürgen also eher im ideellen, zwischenmenschlichen Bereich.

Was spricht dagegen?

Mit einer Bürgschaft gehen Sie eine finanzielle Verpflichtung und ein Risiko ein, denn bei Zahlungsausfall haften Sie mit Ihrem gesamten Vermögen und haben im schlimmsten Fall am Ende selbst Schulden. Falls Sie die Zahlungen nicht leisten können, können bei Ihnen Pfändungen stattfinden. Sollte es dazu kommen, kann dies die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Tochter oder ihrem Sohn erheblich belasten. Zudem wird jede Bürgschaft bei der Wirtschaftsauskunftei Schufa eingetragen, wodurch sich Ihre eigene Kreditwürdigkeit verschlechtern kann. Das kann dazu führen, dass Sie ein für sich selbst benötigtes Darlehen nicht oder nur zu schlechteren Konditionen bekommen.

Sollte man trotzdem bürgen?

Mit einer Bürgschaft tragen Sie das volle Risiko bei einem Zahlungsausfall. Dieses Risiko können Sie verringern, indem Sie die Bürgschaft zum Beispiel zeitlich begrenzen („Zeitbürgschaft“) und mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn neben dem Bürgschaftsvertrag einen weiteren Vertrag abschließen, der regelt, dass sie Ihnen die Summe, die sie im Fall einer Nutzung der Bürgschaft an die Bank überweisen, zurückzahlt, was das Risiko, im Ernstfall auf den Kosten sitzen zu bleiben, verringert. Fragen Sie sich auch, wie Ihre Kinder und deren Partner generell mit Geld umgehen: Vernünftig und sinnvoll oder verschwenderisch und leichtfertig? Sind sie zuverlässig? Haben Sie den Eindruck, dass die Kreditsumme und die Laufzeit für sie tragbar sind? Diese Frage ist hinsichtlich der hohen Immobilienpreise sehr wichtig. Nicht selten übernehmen sich Paare finanziell, weil der Traum vom Eigenheim größer ist als ihre finanziellen Möglichkeiten.

Ruth Korte arbeitet als freie Redakteurin bei Family und FamilyNEXT und lebt mit ihrer Familie in Gießen.

Ist es eine Sekte?

„Meine Tochter und ihr Mann gehen in eine Gemeinde, in der ganz wilde Theorien verbreitet werden, wie etwa, dass Krankheit allein durch Unglauben entsteht. Die Leitung tritt auch sehr autoritär auf. Mein Mann und ich sehen das alles kritisch und haben Sorge, dass sie da in was Schlimmes hineingeraten sind. Was können wir tun?“

Manchmal ist es ja eine Geschmackssache, wenn einem etwas an anderen Gemeinden missfällt. Unsere religiös vielfältige Gesellschaft präsentiert uns eine breite Angebotspalette unterschiedlicher Möglichkeiten, Glauben zu leben. Neben den beiden großen Konfessionen und neben den Freikirchen treffen wir auf zahlreiche unabhängige Gemeindeneugründungen.

Wer sich in unserem Pluralismus eher unsicher fühlt, bevorzugt eine strenge Gemeinschaft mit klaren Vorgaben und dezidierter Leitung, die genau festlegt, wie man als Christ zu leben hat, meist kombiniert mit einer sehr strengen Ethik und Gemeindezucht. Wer dagegen geistliche Erlebnisse und Erfahrungen sucht, findet dies im pfingstlich-charismatischen Spektrum mit modernen Gottesdiensten und Lobpreiskultur.

SCHATTENSEITEN

Aber diese Vielfalt und ihre Wahlmöglichkeiten haben auch ihre Schattenseiten. Statt klarer Orientierung trifft man auf Härte und Gesetzlichkeit. Oder geistliche Erlebnisse werden manipuliert und inszeniert. Statt Freiheit zu erleben, gerät man unter Druck und in Abhängigkeit.

Möglicherweise ist das in dieser Gemeinde auch der Fall. Dann ist es ja nicht nur eine Geschmackssache. Dass dunkle Erfahrungen von Leid und Krankheiten sehr schnell und viel zu einfach auf mangelnden Glauben zurückgeführt werden, hat mit Jesu befreiender Botschaft nicht viel zu tun. Oder dass Leitungspersonen nicht mehr kritisiert werden dürfen, sich in apostolischer Vollmacht sehen, blendet unsere menschliche Begrenztheit aus und setzt Menschen an Gottes Stelle.

IN KONTAKT BLEIBEN

Was kann man tun, außer darauf hinzuweisen und vor solchen problematischen Lehren und Praktiken zu warnen? Schließlich bedeutet Religionsfreiheit auch die Freiheit, sich unglücklich zu machen. Wir sind zum Glück nicht ganz hilflos. Das Wichtigste ist: Lassen Sie den persönlichen Kontakt nicht abreißen! Aber kritisieren Sie die neue Gemeinde möglichst wenig, sondern ermuntern Sie die beiden, zu erzählen. Und dann stellen Sie Ihre eigenen Erfahrungen und Deutungen daneben – nicht dagegen! Und lassen Sie Gefühle zu! Oft wird in den wirklich problematischen Gemeinschaften nicht nur ein bestimmter Glaube, sondern auch ein normiertes Erleben gefordert. Gefühle zuzulassen und sich darüber auszutauschen, stärkt nicht nur Ihre Beziehung, sondern lässt auch die neue Gemeinde nochmal in einem anderen Licht erscheinen. Und vielleicht entsteht auch eine gesunde kritische Haltung. Beten Sie, wenn Sie mögen, auch miteinander. Und vertrauen Sie auf Gottes bewahrendes Handeln.

Andreas Hahn ist verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern und Sekten- und Weltanschauungsbeauftragter der westfälischen Landeskirche. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

„Ich vermisse unseren Sohn“

„Unser Sohn ist ausgezogen. Nun drehen sich meine Gedanken den ganzen Tag darum, was er gerade macht, vor welchen Schwierigkeiten er stehen könnte und ob ich ihm helfen sollte. Ich weiß, dass ich loslassen muss, aber es fällt mir schwer. Wie kann ich es lernen?“

Unsere Kinder in die Selbstständigkeit zu entlassen, ist ein wichtiger und oft auch schmerzhafter Prozess. Er vollzieht sich in vielen kleinen Schritten, die schon früh beginnen: Das erste Mal allein im Kindergarten, das erste Mal allein zu Fuß zur Schule gehen, das erste Mal allein zum Zahnarzt – all das sind wichtige Meilensteine. Wenn eines der wichtigsten Erziehungsziele ist, dass aus den Kindern selbstständige, verantwortungsvolle Menschen werden, die ihren Platz in der Welt finden, ist jeder dieser Schritte ein Grund zur Freude. Es ist eine wichtige Aufgabe von uns Eltern, unsere Kinder darin zu fördern und diese Dinge nicht für sie zu erledigen.

Vermeiden Sie zu häufige Telefonate!

Wenn dann der große Schritt des Auszugs nach Ausbildung oder Abitur kommt, sind die jungen Erwachsenen hoffentlich gut darauf vorbereitet, auch die nächsten Schritte zu gehen: eine passende WG aussuchen, sich in einer neuen Stadt orientieren, dafür sorgen, dass man genug zu essen im Kühlschrank hat, Menschenkenntnis in den vielen neuen Begegnungen anwenden … Wer seine Kinder darauf in den ersten 20 Jahren vorbereitet hat, hat gute Grundlagen gelegt.

Für die meisten Kinder ist der Auszug ein großes Abenteuer und eine aufregende Zeit, die sie genießen und zelebrieren. Das sollten wir ihnen gönnen und uns über die Erfolge freuen. Widerstehen Sie auf jeden Fall der Versuchung, mehr als einmal in der Woche anzurufen oder unablässig Nachrichten zu schicken. Telefone funktionieren in beide Richtungen. Wenn es unlösbare Fragen gibt, wird Ihr Sohn sich schon melden.

Loslassen ist ein Trauerprozess

Und trotzdem bleibt die innere Unruhe und Trauer. Ja, es ist wirklich ein Trauerprozess, den wir als Eltern durchlaufen. Vom Nicht-wahr-haben-Wollen („Mein Sohn kommt ja noch ganz oft nach Hause, das Kinderzimmer lassen wir so, wie es ist“) über eine gewisse Wut („Anderes ist ihm jetzt viel wichtiger als ich, obwohl ich alles für ihn getan habe“) bis zum Einrichten in die neue Situation, die ja auch Angenehmes hat. Aber zunächst muss ich loslassen. Ich konnte meine Kinder viele Jahre umsorgen und mich für sie einsetzen, aber jetzt weiß ich nicht mehr, wo sie sich Tag für Tag genau aufhalten und wie es ihnen geht.

Die Beziehung zum Kind wird nicht mehr die gleiche sein wie vorher. Allein das anzunehmen, kostet Kraft und Zeit. Mir persönlich hat es geholfen, Sorgen und Ablösungsschmerzen bei Gott abzugeben. Ihm konnte ich sowohl die Sicherheit meiner Kinder als auch meinen eigenen Schmerz anvertrauen. Kontrolle, Klammern und ständiges Nachfragen sind dagegen keine Option. Wir werden als Eltern aber auch auf uns selbst geworfen, wenn die Kinder ausziehen: Eine neue Lebensphase beginnt, in der wir viel Freiheit haben. Wie will ich diese Lücke füllen? Was kommt jetzt für mich als Vater oder Mutter? Es dauert meistens eine ganze Weile, bis man darin etwas Positives entdecken kann.

Anke Kallauch ist Referentin für Kindergottesdienst im Bund Freier evangelischer Gemeinden und Mutter von drei erwachsenen Kindern. 

„Ist er neidisch?“

„Mein Sohn (17) und meine Tochter (15) sind total unterschiedlich: Während er der zurückhaltende Typ ist, kaum Hobbys hat und mittelmäßige Schulnoten, ist sie aufgeschlossen, sehr beliebt und in der Schule ein Ass. Er verhält sich ihr gegenüber oft beleidigend und ausgrenzend. Meine Tochter fühlt sich deshalb oft verletzt. Wir haben das Gefühl, dass er neidisch ist. Wie können wir den beiden helfen, miteinander klarzukommen?“

Geschwister sind neben den eigenen Eltern die ersten Menschen, mit denen wir es alltäglich zu tun haben. Vom ersten Tag an rivalisieren wir mit den Geschwistern um die Gunst der Eltern.

Die Frage, ob das jüngere Geschwisterchen den älteren Bruder, die ältere Schwester vom Gunst-Thron bei den Eltern stößt, verführt ältere Geschwister oft genug dazu, die eigene Macht hinterrücks zu demonstrieren. Da wird geschlagen und gemobbt – häufig, wenn die Eltern gerade nicht hinschauen. Gleichzeitig wissen nachgeborene Kinder meist sehr genau, was sie tun müssen, um den Beschützerinstinkt bei den Eltern zu wecken. Deshalb flüchten sie sich gern in eine Opferrolle, in der sie zeigen, wie gemein der ältere Bruder, die ältere Schwester ist. Sie verstehen es auch, sich in Szene zu setzen als kleiner Prinz oder kleine Prinzessin.

INTERESSE ZEIGEN

Ihre Kinder sind jedoch alt genug, um zu wissen, wie sie miteinander umgehen sollten. Vielleicht ist der große Bruder gar nicht neidisch auf die Erfolge seiner kleinen Schwester, sondern darauf, wie diese Erfolge bei den Eltern, also Ihnen, ankommen. Natürlich sind Sie stolz auf Ihre Tochter, weil sie viele Freunde hat und ein schulisches Ass ist. Das würde alle Eltern glücklich machen. Aber da ist auch Ihr Sohn. Auch er hat Hobbys. Vielleicht nicht so weltbewegende. Möglicherweise sind es Interessen, mit denen Sie nichts anfangen können? Versuchen Sie es trotzdem. Interessieren Sie sich für das, was ihn bewegt. Nehmen Sie an der Welt Ihres Sohnes teil. Wenn er merkt, dass er genauso viel wert ist wie Ihre Tochter, ist es für ihn nicht mehr so wichtig, die Schwester herabzusetzen. Ja, vielleicht ist er im Augenblick tatsächlich neidisch. Wenn er allerdings keinen Grund mehr dafür hat, fällt es ihm leichter, diesen Neid zu überwinden.

STÄRKEN AUFZEIGEN

Sicherlich lieben Sie Ihre Kinder in gleicher Weise – zumindest sind Sie dieser Ansicht. Trotzdem reagieren Sie vielleicht unterschiedlich auf die sportlichen Erfolge und die Noten Ihrer Kinder. Wenn Ihre Tochter eine Eins nach Hause bringt – sind Sie da nicht enthusiastischer, als wenn Ihnen der Sohn eine Vier unter die Nase hält? Doch denken Sie daran, dass Ihr Sohn für die Vier trotzdem hart gearbeitet hat! Zeigen Sie Ihrem Sohn seine Stärken auf (auch Zurückhaltung ist eine Stärke), dann hat er keinen Grund mehr, Ihre Tochter auszugrenzen. Es ist harte Realität, dass die wenigsten von uns Überflieger sind. Wir sind nicht alle gleich. Aber wir sind alle gleichwertig. Das zu erkennen, darin liegt die eigentliche Größe – für jeden von uns.

Ingrid Neufeld hat als Erzieherin zuletzt mit Flüchtlingskindern und deren Eltern gearbeitet. Nun genießt sie ihren Ruhestand als Mutter von drei erwachsenen Töchtern und zwei Enkeln. Sie lebt bei Bamberg. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Im Bann der Dämonen?

„Schon lange geht unsere Tochter (18) nicht mehr mit uns zum Gottesdienst. Sie trägt dunkle Kleider und hört düstere Musik. Um ihren Hals baumelt ein umgedrehtes Kreuz und auf ihren Handrücken hat sie sich ein Pentagramm tätowieren lassen. Oft verschwindet sie über Nacht. Auch ihre Freunde sind düstere Gestalten. Ich habe Sorge, dass sie an Satanisten geraten ist. Wie kann ich ihr helfen?“

Mit dem Satanismus verbindet man gemeinhin bedrohliche und bedrückende Vorstellungen von schwarzen Messen mit ritueller Gewalt und vielleicht sogar mit rassistischen und rechtsradikalen Tendenzen. Doch ich möchte Sie beruhigen: Solche Extreme sind eher selten, ja unwahrscheinlich und lassen sich zudem recht gut erschließen.

Verständnis statt Ablehnung

Wenn Jugendliche, wie Ihre Tochter, sich mit dunkler Kleidung und satanischen Symbolen ausstatten und sich nachts treffen, handelt es sich womöglich um eine harmlose Adoleszenzerscheinung. Auf dem Weg zum Erwachsenwerden müssen junge Menschen Entwicklungsaufgaben bewältigen. Dazu gehört auch die Entwicklung eigener Wertmaßstäbe. Auf dem Weg zu einer eigenständigen Persönlichkeit distanzieren sich Jugendliche daher häufig von den als Kind übernommenen elterlichen Wertmaßstäben. So gesehen ist es normal, dass Ihre Tochter nicht mehr mit Ihnen in den Gottesdienst geht. Im Zuge dieser Abgrenzung können sich die prägenden Familienwerte durchaus ins Gegenteil verkehren. Das ist jedoch keine endgültige Abkehr, sondern ein Ausdruck der Suche nach selbstbestimmten Werten.

Sie merken, das beunruhigende Verhalten folgt einer gewissen Logik. Versuchen Sie, Verständnis dafür aufzubringen, anstatt Ablehnung zum Ausdruck zu bringen. Es lohnt sich, offen und neugierig nachzufragen und quasi nebenbei als aktiv Zuhörende zu erfahren, ob und was Ihre Tochter in diesen nächtlichen Treffen praktiziert, wie es ihr in den neuen Kreisen geht, ob sie nur mit gleichgesinnten Jugendlichen Zeit verbringt, die sich auch näher kennenlernen lassen. Beziehung kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten aufrichtig sind. Bringen Sie Ihre Sorge zum Ausdruck, dass die neuen Kontakte womöglich gefährlich sein könnten, und lassen Sie sich vom Gegenteil überzeugen. Bleiben Sie dabei ruhig, aufmerksam und beharrlich.

Extrem verschwiegen?

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Ihre Tochter sich einem praktizierenden Satanistenkreis angeschlossen hat. Sie erkennen das an der Offenheit Ihrer Tochter: Teilt sie Probleme weiterhin mit Ihnen oder ist sie extrem verschwiegen, ängstlich, verunsichert oder provozierend? Möglicherweise gibt es auch äußere Hinweise auf rituelle Praktiken: Gibt es zum Beispiel auffällige schwarze Kostüme, ein besonderes Interesse an schwarzen Kleintieren oder Gegenstände, die möglicherweise in schwarzen Messen benutzt wurden? Gibt es unerklärliche Schnittwunden, blaue Flecken oder verschnittenes Haar? Sollten sich Ihre Befürchtungen nicht zerstreuen lassen, finden Sie zum Beispiel bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen persönliche Beratungsangebote:
www.ezw-berlin.de

Marco Wolff ist Lehrer und pädagogischer Ausbilder, engagiert sich im Help!-Team der Zeitschrift Teensmag und lebt in Northeim bei Göttingen. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

Geld von den Kindern erbitten?

„Jahrelang habe ich als alleinerziehende Mutter finanziell zu kämpfen gehabt. In der Corona-Krise sind für mich wichtige Einnahmequellen weggebrochen, meinen Kindern geht es finanziell gut. Ist es legitim, sich von ihnen unterstützen zu lassen?“

Auf den ersten Blick steckt in diesem Gedanken eine gewisse Logik. Nachdem Sie viel investiert haben, liegt es nahe, dass nun die Kinder Ihrerseits die unterstützende Rolle einnehmen können. Gerade wenn es Ihren Kindern finanziell gut geht, ist es durchaus denkbar, dass sie Ihnen nun unter die Arme greifen und Sie entlasten. Auf den zweiten Blick lauert hinter diesem Gedanken aber auch eine Gefahr.

Unsere Kinder schulden uns nichts

Die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist, wie stabil und offen Ihr Verhältnis ist und welche Erwartungshaltung Sie mitbringen. Wenn Sie mit Ihren Kindern grundsätzlich in einem guten Kontakt sind und Ihre Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden, spricht nichts dagegen, Ihre Kinder um eine finanzielle Unterstützung zu bitten. Wenn aber der Anspruch im Raum steht: „Nachdem ich mich jahrelang aufgeopfert habe, bist nun endlich du dran“, wird es kompliziert. Denn dieser Umkehrschluss unterliegt einem gewissen Denkfehler – nämlich, dass unsere Kinder uns etwas für unsere Arbeit als Eltern zurückgeben müssen.

Grundlegend tragen Eltern die Verantwortung, für ihre Kinder zu sorgen, bis diese selbst auf eigenen Füßen stehen. Das ist ein Job, der für alleinerziehende Eltern doppelt anspruchsvoll ist, den sie aber trotzdem erfüllen müssen. Eltern sind dafür verantwortlich, dass ihre Kinder alles bekommen, was sie zum Leben brauchen, sowohl finanziell als auch emotional. Für all dieses Engagement schulden uns unsere Kinder nichts. Sie müssen es nicht wiedergutmachen, dass wir sie ins Leben begleitet haben. Das ist ein wichtiger Aspekt, damit Kinder frei handeln und entscheiden können und nicht mit einer Erwartung belastet werden.

Freiwilligkeit ist wichtig

Auch wenn die Eltern-Kind-Beziehung ein Leben lang eine besondere bleibt, sollte es keine ungesunden Abhängigkeiten geben, sondern ein freundschaftliches Miteinander. Genauso wie wir unter Freunden auch nicht argumentieren würden, dass sie uns jetzt helfen müssen, weil wir irgendwann mal etwas für sie gemacht haben, sollten wir das bei unseren Kindern auch nicht tun. Wichtig ist, dass die Unterstützung auf Freiwilligkeit ausgelegt und nicht auf eine Wiedergutmachung gegründet ist.

Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, möchte ich Ihnen Mut machen, sich Ihren Kindern anzuvertrauen. Erzählen Sie von Ihren Nöten, erklären Sie Ihre Situation und suchen Sie gemeinsam nach einer Lösung. Klären Sie, ob es sich dabei um einen Kredit handeln könnte oder ob für Sie nur eine Schenkung möglich ist. Vielleicht gibt es ja Ihrerseits eine Idee, wie Sie die finanzielle Unterstützung auf eine andere Art ausgleichen können. Ich bin sicher, dass Sie von Ihren Kindern nicht hängen gelassen werden, wenn Sie ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen haben und ein solches Gespräch in aller Freiheit und auf Augenhöhe führen können.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid und leitet gemeinsam mit ihrem Mann die TEAM.F Regionalarbeit im Rheinland. sonja-brocksieper.de

„Sie ist fremdgegangen“

„Unsere Tochter war ihrem Mann untreu. Nun lebt sie getrennt von ihm und ihren Kindern. Wir wissen nicht, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen. Einerseits wollen wir unserer Tochter helfen, andererseits sehen wir das Leid, das sie unserem Schwiegersohn und unseren Enkeln zugefügt hat. Was sollen wir bloß tun?“

 

„Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende“ – dieses klassische Ende der Kindheitsmärchen ist in unserer Seele verankert, und wie wünschen wir uns dies auch für die Ehe unserer Kinder!

Es ist eine starke Erschütterung, wenn eine Ehe zerbricht. Dies betrifft nicht nur die beiden Ehepartner und deren Kinder, sondern auch die Familien und Freunde des Paares. Es wird dann empfunden, als ob eine „Welt zusammenbricht“ und das ist es ja auch: Die Ehe- und Familienwelt fällt auseinander. Gerade die Eltern des Paares stehen verzweifelt und oft ratlos vor dem Ehe-Scherbenhaufen. Die Eltern lieben das eigene Kind, haben aber auch den Partner und die Enkel lieb gewonnen und sitzen nun buchstäblich zwischen den Stühlen.

Eltern sind nicht verantwortlich!

Zuerst ist es wichtig, dass die Eltern sich selbst auch eine Traurigkeit über diese starke Ehekrise zugestehen, aber sich gleichzeitig klar darüber werden, dass diese Krise in der Verantwortung der Ehepartner liegt. Auch wenn die Eltern vielleicht im Vorfeld keine Krise wahrgenommen haben, hätte die Mutter oder der Vater wenig Einfluss darauf nehmen können. Die Ehekrise ist in erster Linie ein Geschehen zwischen den Ehepartnern.

Es ist wichtig, dass die Eltern sich nun nicht zu einem Ehetherapeuten entwickeln, sondern – und das ist sehr viel – weiter für die Familie da sind. Dies bedeutet, dass Sie nur etwas zu dem Konflikt sagen, wenn Sie von der Tochter oder dem Schwiegersohn dazu befragt werden. Machen Sie stattdessen das Angebot: Wir sind an der Seite eurer Familie, doch ihr müsst uns sagen, wo ihr Unterstützung braucht.

Oma und Opa können den Enkeln Sicherheit geben

Diese Klarheit  ist wichtig, denn der Fokus der Eltern sollte besonders auf den Enkelkindern liegen, um Freiraum und Sicherheit für die Enkel zu gestalten. Dazu gehört, dass die Eltern nicht schlecht über die oder den eine/n Ehepartner/in vor den Enkeln sprechen. Dagegen können kleine gemeinsame Unternehmungen, Besuche und Übernachtungen mit und bei Oma und Opa Stabilität in dem wankenden Ehe- und damit auch Familienalltag für die Enkel bringen.

Die Liebe der Eltern zu ihrer Tochter, dem Schwiegersohn und den Enkeln bleibt. Doch sollte gerade diese Liebe nicht dazu verführen, über die Krise zu urteilen, sondern versuchen, die Beziehungs- und die Konfliktebene zu trennen. Im besten Fall versöhnen sich die beiden Ehepartner, und dann soll ja die Beziehung zu allen Beteiligten unbelastet und frei sein. Auch in so einer starken Ehekrise liegt immer die Chance, dass die Familie gestärkt daraus hervorgehen kann.

Ute Sinn ist verheiratet mit Martin, hat drei erwachsene Kinder und lebt und arbeitet als Seelsorgerin und Künstlerin in Wetter/Ruhr.