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Ihr Sohn bricht das Studium ab und wird Koch – das lehrte Barbara-Christine diese Phase

Nicht jeder muss studieren. Barbara-Christine Schild hat das bei ihrem Sohn selbst erlebt. Und warnt davor, dass Eltern beim Berufswunsch mitbestimmen.

Mit der Entscheidung für einen zukünftigen Beruf stellen viele Jugendliche erstmals im Leben eigenverantwortlich die Weichen für ihre Zukunft. Das ist sowohl Chance als auch Risiko und für viele eine immense Herausforderung. Sie müssen sich mit sich selbst auseinandersetzen, ihre Talente und Interessen erkennen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des anvisierten Berufes abwägen. Darüber hinaus ist der Weg zum Ziel nicht immer gleich erkennbar. An dieser Stelle brauchen die Jugendlichen Unterstützung. Uns als Eltern kommt dabei eine besondere Rolle zu, auf die wir uns bewusst vorbereiten und in die wir nicht einfach hineinrutschen sollten.

Denn nicht nur in den Gesprächen, die wir mit unseren Kindern zu deren beruflicher Zukunft führen, auch ganz nebenbei im Alltag formulieren wir Vorstellungen, die wir für unsere Kinder haben. Damit machen wir Vorgaben, die oft für den Nachwuchs zur Orientierung oder gar Leitlinie werden – nicht zuletzt im Vertrauen darauf, dass die Eltern mit ihrer Lebenserfahrung schon wissen, was für die Kinder gut sein könnte.

Nicht ganz unvoreingenommen

Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit im Bundesinstitut für Berufsbildung könnte man vielleicht vermuten, dass ich die ideale Begleiterin in Sachen Berufswahl der eigenen Kinder sein könnte. Ich denke, dass das für mich persönlich nicht gilt – sonst wären die Dinge bei uns anders gelaufen. Auch in unserer Familie wurden die Gespräche über die berufliche Zukunft offenbar nicht ganz ergebnisoffen geführt: Tatsächlich hatte sich bei unserem Sohn die Vorstellung manifestiert, dass wir von ihm erwarten, nach dem Abitur ein Studium zu absolvieren. Dies hat uns doch sehr überrascht, denn eigentlich hatten wir gedacht, den Zukunftsvorstellungen unserer Kinder unvoreingenommen begegnet zu sein. Erst die persönliche Erfahrung hat meinen Blick dafür geschärft, wie man die Kinder begleiten sollte, wenn sie wichtige Entscheidungen für die berufliche Zukunft treffen müssen – und dass wir immer wieder unsere eigene Neutralität hinterfragen sollten.

Die befreiende Frage

Unser heute 27-jähriger Sohn hat das Gymnasium besucht, in der Oberstufe die Leistungskurse Sport und Mathe belegt und nach dem Motto „Ein kluges Pferd springt nicht höher, als es muss“ ein eher mittelprächtiges Abitur abgelegt. Anschließend hat er die Entscheidung zur eigenen Zukunft zunächst einmal vertagt und für sich eine „Findungsphase“ eingefordert. Die haben wir ihm unter der Auflage gewährt, dass er sich einen Job sucht und eine fixe Aufgabe im Haushalt übernimmt. Gesagt, getan: Den Job fand er schnell in einem Restaurant, zu Hause übernahm er das Kochen für die Familie.

Wir merkten schnell, wie begeistert er von diesen Aufgaben war. Dennoch hatte sich bei ihm der Gedanke, „dass man nach dem Abitur halt studiert“ und dass dies ja auch mit den elterlichen Vorstellungen einhergeht, offenbar schon sehr gefestigt. Deshalb begann er nach diesem Jahr mit einem Studium. Begeisterung dafür war jedoch keine zu spüren, er berichtete kaum über seinen Unialltag. Stattdessen drehten sich die Gespräche mit ihm immer wieder um das Kochen und wie welche traditionellen Gerichte zu modernisieren wären. Irgendwann haben wir dann die „befreiende“ Frage gestellt, was er denn nun wirklich möchte: studieren oder eine Ausbildung zum Koch machen?

Plötzlich ist der Berufswunsch klar

Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Den Plan, Koch zu werden, hatte unser Sohn schon vollends ausgeklügelt, das erforderliche Vorgehen bereits klar durchdacht. Er wusste, dass er die französische Küche von der Pike auf lernen wollte, und hatte sich bereits ein Restaurant mit bestem Ruf ausgesucht. Die zentrale Begründung war, dass dort der Koch nicht im Fernsehen, sondern in der Küche zugegen sein und ihn einweisen würde. Wir haben ihm zugestimmt, es zu versuchen. Von da an ging alles schnell. Die Bewerbung war nach drei Tagen auf den Weg gebracht, weitere drei Tage später kam die Einladung des Restaurants. Für eine Woche wollten sie ihm die Möglichkeit geben, die Anforderungen des Hauses kennenzulernen.

Er war so beseelt von seinem Tun dort, dass völlig klar war: Hier hat jemand seine Profession gefunden. Eine Woche nach dem Praktikum lag der unterschriebene Ausbildungsvertrag in unserem Briefkasten. Die Ausbildung war wirklich hart, menschlich wie fachlich. Aber nicht einen Tag hat unser Sohn diese Entscheidung in Zweifel gezogen. Inzwischen leitet er die Küche eines Düsseldorfer Restaurants und sagt: „Das Kochen ist für mich das Bedienen eines Grundbedürfnisses. Und ich darf das jeden Tag tun – wow!“ Jetzt sind wir froh, dass wir alle zusammen rechtzeitig die Kurve bekommen haben. Für uns als Eltern bleibt die Erkenntnis, mehr auf unsere Kinder zu vertrauen. Sie wissen schon ganz gut, wie sie sich auf den Weg in die eigene Zukunft machen müssen. Das Ziel sollten die Jugendlichen selbst wählen – auf dem Weg dorthin können und müssen wir sie unterstützen.

Eltern sollten nur begleiten, nicht leiten

Die unvoreingenommene Beratung ist für Eltern nicht ganz einfach, denn sie „wollen ja immer das Beste“ für ihre Kinder – und glauben gern, das auch beurteilen zu können, denn sie haben ihre Kinder auf ihrem bisherigen Weg stets „gelenkt“. Aber in diesem Fall verändert sich unsere Rolle vom Leitenden zum Begleitenden. Sich dessen bewusst zu sein, dass für uns eine neutrale Beratung der eigenen Kinder bei der Berufswahl nicht ganz einfach ist, kann ein erster Schritt hin zu einer ergebnisoffenen Begleitung sein. Die fehlende Objektivität gegenüber den Kindern ehrlich zu formulieren, kann sie motivieren, die elterlichen Vorstellungen tatsächlich mit Blick auf die Vereinbarkeit mit den eigenen Ideen zu hinterfragen. Es muss für Kinder deutlich werden, dass die kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Eltern legitim ist – was im Übrigen nicht nur bei der Berufswahl gilt.

Wenn die Berufsorientierung zum Thema wird, gilt die Devise: erst einmal zuhören und die Kinder reden lassen. Darüber hinaus sollten wir als Eltern uns bewusst machen, dass es heute nicht nur eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, sondern auch, dass sich Berufsbilder sehr stark gewandelt haben. So kann es sein, dass meine Vorstellungen von Berufen und deren Tätigkeiten sowie Anforderungen nicht mehr aktuell sind. Es hilft auch, sich als Eltern über den heutigen Stand in den jeweiligen Berufen erst einmal zu informieren.

Traumberuf: ja oder nein?

Ich sollte mein Kind nicht von seinem Berufswunsch abbringen, selbst wenn dieser nicht dem entspricht, was ich mir erhoffe: Wenngleich es Zeit kostet und vielleicht auch mit Enttäuschungen verbunden ist, sollten Kinder sich mit ihren Ideen versuchen dürfen. Allein schon, damit keine „offenen Fragen“ im Leben bleiben – getreu dem Motto: „Hätte ich doch …“. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Jugendliche, die zunächst einen ähnlichen Weg wie die Eltern einschlagen möchten. Sich ein Stück weit auf „vertrauten Pfaden“ zu bewegen, etwas zu tun, was man schon zu kennen glaubt, erscheint zunächst vielleicht als der Weg des geringsten Widerstands.

Dabei sollten wir Eltern aber schon erkennen, ob bei unseren Kindern ein echtes Interesse vorliegt. Falls ja, ist es aus meiner Sicht sinnvoll, dass sie die Ausbildung in einem fremden Betrieb der gleichen Branche machen und nicht im elterlichen Unternehmen. Oder man zeigt den Kindern ähnliche Optionen auf. So nennen viele Kfz-Mechatroniker/in als Berufswunsch, aber vielleicht wäre auch eine Ausbildung als Zweiradmechaniker/in oder Land- und Baumaschinenmechatroniker/in spannend. Das erweitert zudem die Perspektive.

Einfach in Berufe reinschnuppern

Eltern sollten die vielfältigen Informationsmöglichkeiten nutzen, zum Beispiel digitale Angebote (siehe unten) oder Elternabende zur Berufsorientierung in der Schule. Vorteil des heutigen Schulsystems sind die vielfältigen Angebote zur Berufsorientierung: zum Beispiel Potenzialanalysen, Berufsfelderkundungen oder Praktika. Als Eltern können wir unsere Kinder motivieren, sich auszuprobieren und in Berufe hineinzuschnuppern, die sie nicht auf dem Schirm hatten. Sie sind ja auch einen Schritt weiter, wenn sie wissen, was auf keinen Fall in Frage kommt. Vielleicht werden sie aber auch positiv überrascht. Es hilft, praktische Erfahrungen zu sammeln.

Generell sollten wir als Eltern unsere Kinder stärken, sich etwas zuzutrauen und Rückschläge nicht als totales Versagen zu interpretieren. Die wichtigste Botschaft an die Jugendlichen ist: Welchen Beruf auch immer ihr auswählt, entscheidend ist, dass ihr es so gut macht, wie ihr könnt!

Barbara-Christine Schild ist Diplom-Geografin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Hilfreiche Online-Portale

berufenavi.de: Das neue Berufsorientierungsportal für Jugendliche des Bundesministeriums für Forschung (BMBF) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) will Jugendliche bei der Suche nach ihrem Wunschberuf unterstützen. Neben einer Selbsteinschätzung bietet es Orientierungshilfen, Talenttests, Praktikumsbörsen und Beratungsangebote sowie Links zu weiteren Online-Angeboten.

berufsberatung.ch: Das offizielle schweizerische Informationsportal bietet eine Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und beantwortet Fragen rund um Lehrstellen, Berufe, Aus- und Weiterbildungen.

jugendportal.at/themen/arbeit-beruf/ berufsorientierung: Hier gibt es zahlreiche Links zu Websites und Beratungsangeboten in Österreich.

Welchen Beruf soll mein Kind nach der Schule wählen? Diese Tipps können helfen

Die Jobwahl ist eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben. Aber was tun nach dem Schulabschluss? Berufsberaterin Heike Scherneck weiß Rat.

„Meine Tochter (16) zerbricht sich seit Monaten den Kopf darüber, was sie nach der Schule machen soll. Dass ihr Abschluss nun immer näher rückt, entspannt die Lage nicht gerade. Wie kann sie diese Entscheidung treffen und wie können wir ihr dabei helfen?“

Die Berufswahl zählt zu den wichtigsten Entscheidungen im Leben, und ich rate, möglichst frühzeitig damit zu beginnen, denn die Frage, welcher Beruf zu einem passt, ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Was sind die beliebtesten Berufe?

Zunächst gilt es herauszufinden, was man kann und will. Was sind die persönlichen Stärken und Schwächen Ihrer Tochter, ihre Hobbys und Lieblingsfächer, welcher Beruf interessiert sie? Hier kann die Hilfe durch Familie und Freunde förderlich sein. Anschließend folgt ein Abgleich dieser Eigenschaften mit Berufsbildern. Zu den beliebtesten Ausbildungsberufen der letzten zehn Jahre gehören Kaufmann/-frau im Einzelhandel, Verkäufer/-in, Bürokaufmann/-frau, Handelsfachwirt/-in, Industriekaufmann/-frau, Bankkaufmann/-frau oder Medizinische/-r Fachangestellte/-r. Natürlich kann auch ein Studium in Erwägung gezogen werden.

Arbeitsagentur übernimmt Reisekosten

Ob Ausbildung oder Studium – es empfiehlt sich immer, die Unterstützung von Experten zu suchen. An den Schulen sprechen die Berufsberater das Thema in den Vorabgangsklassen an. Bei einem Praktikum können Berufsfelder kennengelernt und ausprobiert werden. Es gibt auch verschiedene Informationsquellen online, wie beispielsweise den „Berufe-Entdecker“ auf planet-beruf.de oder in der Schweiz berufsberatung.ch. Ich empfehle zudem ein individuelles Gespräch mit einem Berufsberater der Arbeitsagentur. Hier werden jahrelange Erfahrungen und Kenntnisse über den regionalen Arbeitsmarkt weitergegeben und auch Bewerbungs- und Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen übernommen.

Worauf es bei der Bewerbung ankommt

Findet Ihre Tochter eine Stellenanzeige, die ihr gefällt, sollte sie darauf achten, ob der Arbeitgeber eine klassische Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf, Passbild und Zeugnissen oder eine E-Mail-Bewerbung wünscht. Danach orientiert sich der Aufbau des Anschreibens. Die Berufsberatung bietet auch dazu Unterstützung an. Ich rate den jugendlichen Bewerberinnen und Bewerbern, sich vor einem Vorstellungsgespräch über den Ausbildungsbetrieb kundig zu machen. Meist hilft ein Blick auf die Homepage der Firma, aber auch ein Klick auf berufenet.arbeitsagentur.de ist gut, um Auskünfte über die Ausbildung zu erhalten. Auf Umgangsformen, Motivation und Kleidung sollte auch geachtet werden. Angemessene Kleidung heißt nicht immer Schlips und Kragen.

Gute Chancen trotz Corona

Durch die Corona-Krise kam es auf dem Ausbildungsmarkt zu Verschiebungen. Arbeitgeber waren bei der Einstellung von Jugendlichen zum Teil zurückhaltend. Aber aufgrund der demografischen Entwicklung und dem unveränderten Fachkräftebedarf sind die Chancen nach wie vor sehr gut. Besonders chancenträchtig sind weniger bekannte Ausbildungsberufe. Sollte Ihre Tochter trotz guter Vorbereitung keinen Ausbildungsplatz bekommen, gibt es verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder Einstiegsqualifizierungen, beides eine Art Jahrespraktikum, sind Beispiele dafür.

Heike Scherneck ist Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Gießen.

„Er macht jetzt seinen Doktor!“

Früher waren es die ersten Schritte. Die ersten Wörter. Die mehr oder weniger kunstvollen Bilder der Kinder. Nun ist es das Abi. Der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung. Das Diplom, der Bachelor, der Master, der Doktor, der Meisterbrief …

Viele Eltern sind stolz auf ihre großen Kinder. Das dürfen sie auch. Das sollen sie sogar. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass es gar nicht so sehr um die Kinder geht. Schwingt nicht oft der Gedanke mit: „Sehr her, ich bin eine gute Mutter, weil mein Sohn jetzt den Doktor macht.“?

Wir Eltern schmücken uns gern mit den Erfolgen unserer Kinder. Ist ja auch okay. Besser jedenfalls, als nur auf das Negative zu sehen: „Ja, er hat sein Studium in Mindestzeit absolviert, aber er hat immer noch keine feste Freundin.“ „Ja, sie hat eine feste Stelle, aber ich hatte gedacht, sie würde studieren …“ Hier sollten Eltern mal ganz schnell ein bisschen stolzer werden.

Aber wenn wir Erfolge in Schule, Ausbildung, Beruf oder Studium so stark hervorheben, kann das problematisch sein. Zum einen, wenn es bei den eigenen Kindern vielleicht doch mal nicht so gut läuft. Wenn der Einser-Abiturient plötzlich das Studium abbricht. Oder die erfolgreiche Uni-Absolventin keinen passenden Job findet. Schließlich muss unser Sohn, unsere Tochter auch in solchen Situationen sicher sein können, dass ihnen unsere Liebe und Wertschätzung gilt. Dass sie nicht abhängig ist von guten Noten und üppigen Gehaltsabrechnungen.

Und andererseits: Für Eltern, deren Kinder keine „Überflieger“ sind, ist es oft schwierig, wenn in ihrem Umfeld immer wieder von den Erfolgen der Kinder die Rede ist. Worüber soll ich reden, wenn mein Sohn keine Lehrstelle findet? Wenn die Tochter einen Beruf gewählt hat, der wenig Anerkennung erntet? Deshalb ist es wichtig, sensibel mit dem Stolz auf die eigenen Kinder umzugehen. Das wissen wir ja eigentlich schon seit Krabbelgruppenzeiten. Aber wir wissen auch: Jedes Alter der Kinder bringt neue Herausforderungen mit sich. Und gerade die Phase der beruflichen Orientierung und Ausbildung ist eine Steilvorlage für Eltern, in die Stolz-Falle zu tappen. Wie heißt es so schön: „Augen auf bei der Berufswahl!“ Ich würde sagen: „Eltern: Augen auf beim Reden über die Berufswahl!“

Bettina Wendland ist Redakteurin bei Family und FamilyNEXT.

Sechs Schritte zum Traumberuf

„Unser 16-jähriger Sohn ist völlig planlos, was er beruflich machen soll. Wie kann er den passenden Beruf finden?“

Mit 16 wusste ich auch nicht, was ich werden sollte – also lernte ich Elektroinstallateur. Im Nachhinein war es der falsche Beruf für mich, auch wenn die Lehrzeit meinen Horizont enorm erweiterte. Nach meiner Zivildienstzeit in einer Behinderteneinrichtung studierte ich Theologie und wurde Pastor. Danach kam eine Zeit als Jugendreferent und heute bin ich Leiter eines Orientierungsjahres. Schon damals war es mit der Berufsfindung nicht einfach, heute ist es in unserer vernetzten Welt noch schwieriger geworden. Die Berufswahl ist eine der größten Herausforderungen im Leben von Jugendlichen. Sie haben eine Million Möglichkeiten, was sie machen könnten. Von daher ist es für die allermeisten schwer, sich für eine berufliche Richtung zu entscheiden. Wie kann man ihnen trotzdem helfen, ihren beruflichen Weg zu gehen? Hier ein paar praktische Tipps für Jugendliche:

1. Finde deine Gaben und Fähigkeiten heraus. Hilfreich ist der Schüler-Test auf www.berufsprofiling.de. Er dauert ca. 1,5 Stunden und ist das Beste, was es aktuell dazu gibt.

2. Finde Berufe, die zu diesen Begabungen passen. Das Testergebnis liefert wertvolle Hinweise.

3. Wähle fünf bis 15 Berufe aus der Liste aus und informiere dich intensiv darüber. Infos zu Berufen findest du u.a. hier: www.berufe.tv, www.planet-beruf.de, www.berufsberatung.ch

4. Mache von den drei Haupt-Berufen, die du für dich entdeckt hast, eine Liste: Was spricht für diesen Beruf, was dagegen? Lege für jeden Beruf ein Din A4-Blatt an.

5. Suche dir einen Berater, mit dem du über deine Überlegungen sprichst. Du kannst zum Beispiel mit dem (Jugend-)Pastor darüber reden. Auch im Berufsinformationszentrum bzw. in der Arbeitsagentur gibt es gute Berater. Schweizer wenden sich an die kantonale Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.

6. Bete während dieses Prozesses immer wieder. Gott hat etwas vor mit deinem Leben – und er wird dich durch all deine Überlegungen leiten. Schreib alle Fragen, Zweifel und Unsicherheiten zum Beispiel in einem Gebetstagebuch auf.

EIN JAHR ORIENTIERUNG
Meine Frau und ich leiten „Lebenstraum“ – ein Jahr der Orientierung für junge Erwachsene in Uffenheim/Mittelfranken. Auch das ist eine Möglichkeit für unentschlossene junge Erwachsene. Es gibt drei Schwerpunkte: Berufsfindung und Persönlichkeitsentwicklung, Biblische Inhalte und christliche Werte, Soziales Engagement. Dabei ist uns wichtig, dass die jungen Erwachsenen Verantwortung übernehmen. Sowohl für die Berufswahl, als auch für die Gemeinschaft und ihren persönlichen Glauben. Außerdem kann jeder Teilnehmer in selbst konzipierten sozialen Projekten seine Gaben austesten.

Stephan Münch und seine Frau Hanna leiten das Orientierungsjahr „Lebenstraum“ in Uffenheim: www.dein-lebenstraum.com .

Was soll aus dem Jungen nur werden?

Eltern von Teenagern sind oft verzweifelt, wenn ihr Kind null Interesse an der Berufswahl hat. Eine erfahrene Mutter rät aus eigener Erfahrung zur Gelassenheit.

Elternabend an der Schule mit dem Thema „Pubertät und null Bock“. Nach einem Vortrag mit Diskussion verfing die Atmosphäre sich in einer Ratlosigkeits- und Resignationssackgasse. Als vermutlich dienstälteste Mutter, die nicht nur bocklose Teens, sondern auch erwachsene, leistungsbereite Kinder hatte, musste ich mich jetzt einfach zu Wort melden. „Es gibt Licht am Ende des Tunnels“, schloss ich meinen kurzen Erfahrungsbericht. Allgemeine Erleichterung, hoffnungsvolles Aufseufzen.

Wieder einmal hatte ich mir selbst Mut zugeredet. Was sollte ich tun mit Jonas, der bereits zum zweiten Mal ein Schuljahr wiederholte und rein gar nichts hielt von Berufsberatung und Ausbildungsmesse? Hatte ich in der Erziehung eine wichtige Weichenstellung übersehen? Genoss Jonas zu viele Freiheiten?

Seinen großen Bewegungsdrang als Kind hatte ich gern unterstützt. Toben, klettern, Rad fahren, all das machte ihn glücklich. An einem etwas kühleren Tag schwamm ein Sixpack Cola in der Mitte des Flusses. Jonas warf sein Fahrrad hin, sprang ohne Zögern ins Wasser, schnappte sich das Ziel seiner Wünsche und radelte triefend nach Hause. Am nächsten Tag war er zwar krank, aber für die Cola hatte sein Einsatz sich gelohnt.

Im Kindergartenalter war sein innigster Wunsch eine Pistole. Jonas flehte immer wieder. Meinem Mutterherzen dämmerte allmählich, dass Jonas nun mal ein Junge war und dass kindliche Aggressionen nicht durch eine Spielzeugpistole entstehen. Ich liebte Jonas und kaufte ihm sein Sehnsuchtsobjekt. Sein Glück ließ sich mit Worten kaum beschreiben. Im Lauf der Zeit erweiterte sich das Arsenal um Pfeil und Bogen, Armbrust und Ähnliches. Und nein, der Umgang mit der „Waffe“ zog keine Charakterverderbnis nach sich, vielmehr war Jonas aufmerksam Schwächeren gegenüber und teilte freiwillig seine Süßigkeiten. Überhaupt war er sehr kontaktfreudig. Zugleich verstand er es, sich abzugrenzen. Doch quasi über Nacht wurde Jonas von Pubertätshormonen überschwemmt. Jetzt zog er alle Register. Seine Freunde wählte er nach dem Kriterium „Elternschreck“ aus. Schule wurde für ihn zu einer Gleichung mit drei Unbekannten. Mehrmals täglich drehte er mich durch den mentalen Fleischwolf.

Wenn Bekannte von seinem netten, höflichen Auftreten schwärmten, fragte ich mich, wen sie eigentlich meinten. Für berufliche Dinge interessierte Jonas sich nicht die Bohne. Auch nicht für Ferienjobs. Schulkameraden und Altersgenossen machten Ausbildungsverträge und Schulabschlüsse. Jonas dümpelte vor sich hin. Etwas Soziales wollte er nicht machen, mit Kreativität hatte er nichts am Hut, für Handwerk interessierte er sich auch nicht. Immerhin beschaffte er sich einen Job. Mittwochs trug er in unserem Wohnviertel hinfort die Wochenblätter aus.

Mein Mann und ich fuhren das größte Geschütz auf, das wir kannten:  Wir beteten für Jonas. Vor allem beteten wir um gute Freunde für ihn. Was weiter geschah, ließ uns staunen: Nachdem Jonas einen wirklich coolen Freund kennengelernt hatte, war plötzlich Fitnessstudio statt Chillen angesagt und Früchte statt Chips. Dennoch behielt er weiterhin sein taubes Ohr für gelegentliche Ausbildungsvorschläge unsererseits. Seine Wochenblätter aber verteilte er regelmäßig in die Briefkästen. So kam er mit dem einen oder anderen Nachbarn ins Gespräch. Einer, den wir nicht kannten, sagte: „Du hast noch keine richtige Idee, was du beruflich machen willst? Könntest du dir eine Arbeit bei der Polizei vorstellen? Hier hast du die Telefonnummer von einem Freund von mir, der ist dort Einstellungsberater. Melde dich bei ihm und sag schöne Grüße von mir.“

Um es kurz zu machen: Jonas hat alle Prüfungen prima bestanden und arbeitet heute als Polizist. Dies tut er mit einer positiven Einstellung und ist mit sich und seinem Leben im Reinen. Rückblickend denke ich: „Ein Wunder, dass er nicht schon in Uniform auf die Welt gekommen ist, dieser Beruf passt genial zu seiner Persönlichkeit.“

Ich finde, Gott hat all das sehr gut eingefädelt und bin stolz auf Jonas, dass er mit für unsere Sicherheit sorgt. Und wieder einmal habe ich ein Gebetsanliegen: Dass er beschützt bleibt …

Die Qual der Wahl

Wie Eltern bei der Berufsfindung helfen können

Jahr für Jahr stehen Jugendliche vor der Frage, welchen Beruf sie ergreifen sollen. Eine schwierige Frage, denn nur ein Beruf, der den eigenen Fähigkeiten und Interessen entspricht, macht langfristig glücklich. Wesentlich bei der Berufswahl ist also, sich seiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein. Falls nicht schon die Schule das Thema angestoßen hat, kann ein Gespräch mit den Eltern helfen.

Doch Vorsicht: Hier ist Neutralität gefragt. Eltern neigen dazu, sich um die Zukunft ihrer Kinder zu sorgen und empfehlen daher oft vermeintlich sichere, gut bezahlte Jobs. Mitunter spielen auch unerfüllte Träume eine Rolle oder unbewusste Eigeninteressen. Dem Jugendlichen müssen aber persönliche Wünsche erlaubt sein – und scheinen sie noch so illusorisch. Besser, als das Kind in eine ungewünschte Richtung zu drängen, ist es, aus seinen Äußerungen eine realistische Perspektive zu entwickeln.

Stärken entdecken

Neben der Eigencharakterisierung des Jugendlichen, die in der Regel aus Lieblingsfächern und Hobbys resultiert, kann es helfen, sich mit der Beurteilung anderer auseinanderzusetzen: Sporttrainer, Lehrer, Freunde oder Vereinsmitglieder. Am wichtigsten aber ist es, nach aussagekräftigen Situationen zu forschen: Wann geht das Kind wirklich auf in einer Sache? Wann kam es zu außergewöhnlichem Engagement? Vielleicht bei der Organisation eines Festes, der Aufführung eines Theaterstücks, beim Reparieren defekter Geräte, einem Marathonlauf? Je konkreter die Beispiele, desto besser.

Außerdem sollten Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden, die bei der Berufsfindung allzu oft im Hintergrund bleiben. Hält sich das Kind zum Beispiel lieber drinnen oder draußen auf, zieht es Ruhe oder Bewegung vor, arbeitet es  lieber allein oder mit anderen, kann es sich gut unterordnen, ist es freiheitsliebend oder folgsam, braucht es Herausforderungen? Ein quirliger Jugendlicher, der die meiste Zeit draußen in Bewegung ist, wird eventuell später Schwierigkeiten haben, zu festen Zeiten einem Angestelltenjob nachzugehen. Egal, wie gut seine Noten im kaufmännischen Rechnen sind.

Praxis statt Theorie

Ein Einblick in den Berufsalltag ist unersetzlich. Eltern sollten nicht nur detailliert alle Facetten ihres eigenen Jobs darlegen – Arbeitszeiten, Kleidung, Tagesablauf –, sondern auch ihre Kontakte spielen lassen. Freunde, Verwandte und Bekannte können aus ihrem Arbeitsleben berichten oder bei der Vermittlung eines Praktikums helfen. Auch der Apotheker oder Buchhändler, bei dem man Stammkunde ist, kann vielleicht interessante Einblicke gewähren. Wichtig ist, dem Jugendlichen ein umfassendes Bild zu verschaffen von Arbeitsinhalten und -bedingungen.

Dasselbe gilt für die Frage: Studium oder Lehre? Ein Geographiestudium unterscheidet sich sehr vom Erdkundeunterricht in der Schule und mancher Sprachenfreund wäre mit einer Dolmetscherausbildung besser bedient als mit einem Romanistikstudium. Sinnvoll ist, sich vorab genau über Inhalte und Ablauf eines Studiums zu informieren und auch einmal Vorlesungen live mitzuerleben und mit Studenten vor Ort zu sprechen. Was auch immer Sohn oder Tochter am Ende beschließen: Die Eltern sollten stets im Hinterkopf behalten, dass es das Kind ist, das letztlich mit seiner Entscheidung leben muss. Eltern können – und sollten – nichts weiter tun, als alle notwendigen Informationen zu beschaffen, die das Kind braucht, um eine wohl überlegte Entscheidung zu treffen.

Silke Mayer arbeitet im Bereich Weiterbildung und Training, daneben ist sie als freiberufliche Autorin tätig. Sie lebt mit ihrer Familie in Duisburg.

Illustration: Thees Carstens