Schnuller? Oder kein Schnuller?

„Mein Baby (2 Monate) will ständig an meiner Brust nuckeln – ohne zu trinken. Mir ist das zu viel, auch weil ich ‚nebenbei‘ meinen dreijährigen Sohn betreuen und mich um den Haushalt kümmern muss. Ich war immer gegen Schnuller, aber nun überlege ich, unserem Baby doch einen anzubieten, damit sein offenbar großes Saugbedürfnis gestillt wird. Das kann doch nicht schaden, oder?“

„Mein Baby (2 Monate) will ständig an meiner Brust nuckeln – ohne zu trinken. Mir ist das zu viel, auch weil ich ‚nebenbei‘ meinen dreijährigen Sohn betreuen und mich um den Haushalt kümmern muss. Ich war immer gegen Schnuller, aber nun überlege ich, unserem Baby doch einen anzubieten, damit sein offenbar großes Saugbedürfnis gestillt wird. Das kann doch nicht schaden, oder?“

Kontroverses Thema

Der Nuckel – eines der dauerhaft kontrovers diskutierten Themen. Die einen lehnen ihn vehement ab, die anderen schwören auf ihn als eine gute Hilfestellung, um ein Baby zufriedenzustellen. Da es für beide Sichtweisen vielfältige und gute Argumente gibt, kann dieser Text nur einige wenige Denkanstöße geben, die Eltern hoffentlich helfen, zu einer eigenen Entscheidung in dieser Fragestellung zu kommen.

Ersten sechs Lebenswochen sind kritisch

Zunächst die Frage: Ab welchem Alter des Babys sollte denn überhaupt erst ein Schnuller angeboten werden? Kritisch sind die ersten sechs Lebenswochen des Babys. In diesem Zeitraum besteht die Gefahr, dass die Kinder in eine Saugverwirrung kommen, wenn sie einen Nuckel (oder auch eine Flasche) bekommen. Die Brustwarzen der Mutter sollten heil sein und nicht mehr schmerzen und die Gewichtsentwicklung des Kindes muss gut sein. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, darf der Schnuller zum Einsatz kommen.

Jede Mutter entscheidet selbst

Tatsächlich brauchen viele Säuglinge eine Möglichkeit, ihr Saugbedürfnis zu stillen, die über das Saugen während der Nahrungsaufnahme hinausgeht. Dies darf gern an der Brust der Mutter geschehen, wenn die Mutter das bejaht. Grundsätzlich ist aber jede Mutter frei zu entscheiden, ob sie das möchte oder nicht. Wenn eine Mutter entscheidet, ihre Brust nicht als Nuckel nutzen lassen zu wollen, muss eine Alternative gefunden werden, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, dieses grundlegende Bedürfnis zu stillen. Und damit wären wir beim Beruhigungssauger. Informationen zu Formen, Material, Beeinträchtigungen im kieferorthopädischen oder logopädischen Bereich erhalten Sie zum Beispiel auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem Europäischen Institut für Stillen und Laktation.

Der Schnuller ist kein „Ruhigsteller“!

Zwei Dinge möchte ich Ihnen noch mitgeben, die Ihnen bei Ihrer Entscheidung helfen sollen: Zum einen möchte ich beim Einsatz des Nuckels davor warnen, das Kind bei jedem Muckser mit dem Schnuller zuzustöpseln. Die Versuchung ist groß, weil es so einfach ist. Bei einer solchen Vorgehensweise wird häufig leider nicht danach geschaut, welches Bedürfnis das Kind eigentlich gerade zum Ausdruck bringen möchte, sondern der Nuckel wird undifferenziert zum „Ruhigstellen“ benutzt. So sollte er bitte nicht eingesetzt werden.

Schnuller bringt Entspannung

Auf der anderen Seite kann der Einsatz eines Beruhigungssaugers viel Entspannung in eine Familie bringen, weil er dem Kind hilft, zur Ruhe zu kommen und in den Schlaf zu finden. Ebenso kann er helfen, Stressmomente zu überbrücken – und dies ist besonders in Familien ein Segen, in denen es mehrere Kinder gibt, die alle ihre Bedürfnisse haben und zu ihrem Recht kommen müssen. Nun liegt der Ball bei Ihnen – viel Spaß bei der Entscheidungsfindung!

Martina Parrish ist Hebamme und Stillberaterin und lebt in Berlin. 

Alles andere als egoistisch

Warum Selbstfürsorge gerade für Eltern wichtig ist. Und wie sie das richtige Maß finden. Von Julia Otterbein

Dem einen oder anderen schwirrt vielleicht folgender Gedanke durch den Kopf, wenn er das Wort Selbstfürsorge hört: Selbstfürsorge ist egoistisch; als Mutter oder Vater muss ich doch voll und ganz für die Kinder da sein.

Besonders Mütter denken, sie müssten sich immer und zuerst um die Belange aller anderen Familienmitglieder kümmern. Der eigene Anspruch, alles unter einen Hut zu bringen und eine perfekte Mutter zu sein, wirkt dabei häufig wie ein innerer Antreiber. Bei den Bemühungen, stets allen Anforderungen gerecht werden zu wollen, vergessen sie jedoch häufig sich selbst.

Auf der Liste immer ganz unten

Auch mir ging das phasenweise so. Meine Aufmerksamkeit galt lange Zeit voll und ganz meinen Kindern, dem Haushalt, meinen Ehrenämtern und ab irgendwann auch wieder meiner Arbeit als Pädagogin. Ich habe viel für andere gegeben, funktionierte dabei aber oft nur auf Sparflamme, und meine eigenen Bedürfnisse standen auf der Liste immer ganz unten. Bei dieser Herangehensweise entsteht aber schnell der Eindruck, dass Auszeiten eine Belohnung sind, die einem erst zusteht, wenn man es geschafft hat, alle anderen Aufgaben zu erledigen. Da das aber nie eintritt, gibt es folgerichtig keine Belohnung. Ein großer Zusammenbruch blieb mir damals zum Glück erspart und ich erkannte rechtzeitig, dass sich etwas ändern musste. Ich brauchte mehr Raum für mich und meine Bedürfnisse.

Zwischen Selbstfürsorge und Egoismus

Selbstfürsorge wird in unserer Gesellschaft häufig mit Egoismus verwechselt, und dieser verträgt sich so gar nicht mit unserem Bild von einer vermeintlich perfekten Mutter. Egoismus ist meist negativ belegt. Wir verbinden damit Begriffe wie Eigennutz oder Selbstsucht. Egoistische Menschen werden als rücksichtslose Personen wahrgenommen, die für ihren eigenen Vorteil bewusst Nachteile für andere in Kauf nehmen. Aber ist Selbstfürsorge tatsächlich egoistisch? Und leiden Kinder wirklich darunter, wenn Mama oder Papa sich mal Zeit für sich selbst nehmen?

Wie heißt es im Flugzeug bei den Sicherheitshinweisen doch immer so schön: „Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf und helfen Sie dann anderen Personen.“ Meiner Familie ist also nicht damit geholfen, wenn ich monate- oder sogar jahrelang auf allen Straßen meines Lebens Vollgas gebe, ohne zwischendurch an die Tankstelle zu fahren. Dann bleibe ich irgendwann wie ein Auto liegen, gehe „kaputt“ und komme nicht dort an, wo ich hinwollte.

Selbstfürsorge ist Wertschätzung

Für mich hat Selbstfürsorge sehr viel mit Selbstwert zu tun. Was bin ich mir selbst wert? Steht es mir zu, jeden Tag eine Mittagspause zu machen, so wie es zum Beispiel im Arbeitsrecht ganz klar verankert ist? Warum scheint das für die unbezahlte „Kümmer-Arbeit“ in den Familien nicht zu gelten? Oder warum haben wir den Eindruck, dass es an dieser Stelle egoistisch sei, sich zwischendurch eine Pause zuzugestehen?

Fangen wir doch an, uns als Eltern selbst dafür wertzuschätzen und investieren in uns selbst und unsere eigenen Kräfte, indem wir uns regelmäßig Pausen nehmen, statt jahrelang über die eigenen Grenzen zu gehen und Raubbau an unserer Gesundheit zu betreiben. Auch im biblischen Doppelgebot der Liebe sind Selbstliebe und Nächstenliebe untrennbar verbunden und bedingen sich beide gegenseitig: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Markus 12,31)
Stress und Überforderung sind in unserer Gesellschaft mittlerweile zu sehr treuen Dauerbegleitern geworden. Gerade in den letzten Monaten waren wir Eltern besonders gefordert. Ein neuer Alltag im Homeoffice, zum Teil mit Homeschooling, und das ganz ohne die gewohnte Unterstützung von Oma und Opa und unserem modernen „Dorf“, also der Kita, Tagesmutter und sonstigen Menschen, die uns bei der Betreuung unserer Kinder unterstützen. Daher ist es jetzt wichtiger denn je, unsere Antennen regelmäßig nach innen auszurichten. Denn dauerhafter Stress hat fatale Folgen – körperlich und geistig. Und er überträgt sich auch auf unsere Kinder!

Ab wann ist es Egoismus?

Selbstfürsorge kann dann von anderen als Egoismus wahrgenommen werden, wenn man sich seine Freiräume ohne jegliche Absprache nimmt. Oder wenn einer der Partner ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass er sich täglich mehrere Stunden Zeit für sich nehmen kann, während der andere von früh bis spät ohne den Hauch einer Pause durchackert.

Ich empfehle daher gerne drei Schritte für eine gesunde Selbstfürsorge:

1 Wahrnehmen
Im ersten Schritt geht es erst mal darum, dass du regelmäßig eine Bestandsaufnahme bei dir selbst machst: Was ist gerade in mir los? Wie fühle ich mich? Was brauche ich gerade? Was tue ich jetzt als nächstes?

2 Kommunizieren
Der nächste Schritt kann und sollte dann die Kommunikation mit deinen Liebsten (Partner und Kinder) sein, denn häufig können die gar nicht sehen, dass deine „Tankanzeige“ schon im roten Bereich liegt. Benenne klar, wo deine Grenzen sind, wann du Unterstützung oder eine Pause brauchst.

3 Umsetzen
Wie genau die Umsetzung für dich aussehen kann und welches Maß an Selbstfürsorge für dich das richtige ist, lässt sich hier natürlich nicht allgemein beantworten. Einige bewährte Ideen habe ich in der Infobox zusammengestellt. Nutze sie wie ein Buffet und nimm dir das für dich Passende als Inspiration heraus.

Und wenn du das Gefühl hast, dass du bei einem der drei Schritte nicht allein zurechtkommst, dann suche dir dafür (professionelle) Unterstützung, um deine für dich passende Strategie zu entwickeln. Du bist es wert! Deine Bedürfnisse sind wichtig und du darfst dich selbst wichtig nehmen!

Julia Otterbein lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Rhein- Main-Gebiet. Sie ist Sozialpädagogin und Selbstfürsorge-Coach für Mütter. www.familywithlove.de

Psychologe warnt vor Bullerbü-Komplex: „Eltern scheitern grandios an einem Idealbild“

Viele Familien sehnen sich nach einer heilen Welt wie der in Astrid Lindgrens Kinderbuch „Wir Kinder aus Bullerbü“. Psychologe und Buchautor Lars Mandelkow sieht darin eine Gefahr.

Was ist so schlimm an Bullerbü?
An Bullerbü ist erst mal gar nichts schlimm. Das ist ein wunderbares Kinderbuch. Ich habe es geliebt und meinen eigenen Kindern vorgelesen. Bedenklich ist allerdings, dass dieses Bullerbü-Bild bei vielen jungen Familien ein Idealbild geworden ist, dem manche hinterherstreben und dann grandios daran scheitern. Denn in unserer wirklichen Welt kann es nie so sein wie in Bullerbü. Ich kenne viele Familien, die versuchen, so einen pastellfarbenen Alltag hinzukriegen. Im rauen Alltag mit Schulterminen, Leistungsdruck etc. schaffen sie es aber nicht. Und meinen dann, sie hätten etwas falsch gemacht. Das ist schlimm an Bullerbü. Also nicht Bullerbü selbst, sondern die Art, wie es mehr oder weniger unbewusst instrumentalisiert wird.

Was sind denn Aspekte von Bullerbü, die Eltern gern in ihren Alltag integrieren würden?
Bullerbü ist die klassische heile Welt – diese drei Höfe, die in unberührter Natur in Schweden liegen. Es gibt keinen Arbeitsplatz, der weit entfernt ist. Alles ist zu Fuß zu erreichen. Die Kinder haben nichts weiter zu tun, als den ganzen Tag zu spielen. Und die Eltern bilden eine sanft lächelnde Kulisse. Alles ist ruhig und übersichtlich. Es gibt ein paar schöne Familienrituale, aber keine großen Konflikte. Es gibt nur wenig Beispiele von echten Problemen. Selbst der Tod und das Alter werden friedlich beschrieben. Es ist eine heile Welt. Auf ganz vielen Ebenen ist sie heil. Und das macht diese große Sehnsucht aus. Deshalb ist das so ein starkes Bild, weil sich viele Leute nach einer heilen Welt sehnen, sie aber nicht erleben.

Kinder brauchen entspannte Eltern

Sie fordern in Ihrem Buch „Der Bullerbü-Komplex“ Eltern auf, es „gut sein zu lassen“, und betonen, dass es reicht, „gut genug“ zu sein. Aber woher weiß ich, wann dieser Punkt erreicht ist?
Wenn man sich an dem Besten orientiert, ist es klar: Dann geht es immer aufwärts, immer das nächstbeste ist das Ziel. Sich an dem zu orientieren, das gut genug ist, ist eine Kunst. Sich mit etwas Durchschnittlichem nicht nur zu arrangieren, sondern es sogar besser zu finden als das ständige Streben nach dem Besseren – das ist eher ein Lebensraum als ein Zielpunkt. Wann kann ich beginnen, zufrieden zu sein? Wann habe ich das letzte Mal meine Kinder dafür gefeiert, dass sie eine Drei nach Hause gebracht haben? Wann habe ich mich selbst dafür gefeiert, dass mir eine Aufgabe „ganz gut“ gelungen ist? Und nicht „ganz großartig“? Es ist eine Haltungsübungssache, nicht immer nach oben zu gucken.

Was ist das Allerwichtigste in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern?
Wenn ich meine Kinder angucke und sie in meinem Blick Entspannung sehen, dann ist ganz viel erreicht. Wenn Kinder Eltern erleben, die entspannt sind mit sich selbst, mit der Familie, mit den Erwartungen, dann ist das etwas Zentrales. Wenn nicht dauernd die Unzufriedenheit im Vordergrund steht: „Hast du schon …? Bist du sicher, dass du nicht noch …?“ Wenn Unzufriedenheit und Unvollkommenheit immer im Fokus sind, kann das ein Gift sein in der Beziehung. Entspannte Eltern – das ist das, was Kinder am meisten brauchen.

Ist die Liebe sichtbar?

Es passiert aber wohl allen Eltern, dass sie mal die Beherrschung verlieren und ihr Kind anschreien.
Natürlich passiert es, dass Eltern ihre Kinder anschreien. Da muss man sich fragen, ob es das Grundmuster der Beziehung ist oder die Ausnahme. In den meisten Fällen ist es die Ausnahme, und Kinder können das durchaus wechseln. Es ist sogar gesund, wenn Kinder erleben, dass Mama oder Papa mal einen schlechten Tag haben. Wenn man sich fragt: Erleben meine Kinder eigentlich grundsätzlich, dass sie geliebt sind? Nicht 100 Prozent jeden Tag, aber regelmäßig, immer wieder an den meisten Tagen. Wenn man sie fragen würde: Lieben Papa und Mama dich? Und sie würden sagen: Ja. – Dann ist das gut genug. Es kommt auf den Grundton an. Ausnahmen sind normal. Wenn man sich diese Ausnahmen nicht gestattet als Eltern, kommt man schnell in die Überforderung. Ich habe den Eindruck, dass manche Eltern glauben, dass das nicht gestattet ist, weil sofort die psychische Krankheit der Kinder folgt oder ein Entwicklungsschaden.

Eltern haben in der Tat Angst, ihre Kinder könnten psychische Schäden davontragen, wenn sie etwas falsch machen oder dem Kind zu wenig Zuwendung geben. Sie schreiben in Ihrem Buch: „Es ist nicht der Mangel an Zuwendung, der Kinder krank macht. Es ist der absolute Mangel.“ Aber wie kommt es dann, dass Jugendliche psychisch krank werden, die aus Familien kommen, in denen es eine gute Beziehung und Zuwendung gibt?
Ich finde diese Frage ganz wunderbar – nur falsch gestellt. Wenn Sie die Frage so stellen, klingt es so, als wäre die Ursache für psychische Schwierigkeiten von Kindern als Allererstes in der Familie zu suchen. Die Frage, so wie Sie sie stellen, stellen sich viele Eltern auch und denken sofort: „Ich bin schuld. Ich habe irgendwas nicht gut genug gemacht.“ Meistens gibt es aber eine gute Beziehung zwischen Kindern und Eltern. Also kann es nicht daran liegen. Psychische Schwierigkeiten treten mit normalen Schwankungen überall auf, ganz unabhängig von der Familie. Vor allem aber glaube ich, dass viel mehr Ursachen für psychisches Ungleichgewicht aus der Umgebung der Kinder kommen: aus den Medien, aus der Schule, aus anderen Erwartungen, die um die Familie herum zu suchen sind. Und die Eltern, die eigentlich eine gute Beziehung zu den Kindern haben, könnten viel Gutes tun, wenn sie diese gute Beziehung selbstbewusst leben und in den Vordergrund stellen: „Wir haben es gut zusammen, bei mir kannst du einen sicheren Hafen finden.“

Gnade ist das Zentrum

Im dritten Teil Ihres Buches stellen Sie den Begriff der Gnade in den Mittelpunkt. Warum?
Zum einen ist der Begriff Gnade das Zentrum meines christlichen Glaubens. Es ist eine Aufgabe, mit mir selbst gnädig zu sein. Die Aufgabe, miteinander gnädig zu sein. Je mehr Gnade, desto besser. Und nicht: Je mehr Bullerbü, desto besser. Wir brauchen keine heile Welt, sondern in der Welt, in der wir leben, brauchen wir die Gnade als tragenden Grund. Und der ist uns geschenkt. Der andere Grund, warum mir das wichtig war in meinem Buch: Ich dachte, es ist zu wenig, nur das Problem zu beschreiben und zu versuchen, eine Lösung zu skizzieren. Denn es braucht ja auch einen Grund, auf dem das Ganze steht. Man braucht einen Ausgangspunkt für diese ganzen Gedanken.

Wie kann Gnade in der Familie praktisch gelebt werden?
Gerade in Momenten, wo der Druck steigt oder sich das Leben schwierig anfühlt, kann man sich angucken, was Gnade bedeutet: Wenn die Kinder mir als Gnadengabe geschenkt sind, was bedeutet das für meine Beziehung zu ihnen? Wie wäre ich als Vater, wenn ich ein gnädiger Vater wäre? Wie wäre ich als Ehemann, wenn ich Gnade wichtig finden würde? Oft hat das mit Geduld, mit Vergebung und mit Humor zu tun. Wenn ich merke, ich schaffe es nicht, alle Erwartungen zu erfüllen, dann kann ich mich in schlechtem Gewissen versenken oder ich kann die Gnade greifen und sagen: Ich bin, wie ich bin. Gnade bedeutet, dass ich so sein darf. Das ist ein Ausgangspunkt dafür, den nächsten Tag anders zu gestalten, ein bisschen freundlicher mit mir selbst und anderen zu sein.

Das Interview führte Bettina Wendland, Redakteurin bei Family und FamilyNEXT.

Eine starke Identität als Paar kann vieles überbrücken

Professor Dominik Schöbi von der Universität Fribourg erforscht multikulturelle Partnerschaften. Im Interview erzählt er, was in interkulturellen Ehen besonders wichtig ist.

Herr Professor Schöbi, was macht multikulturelle Partnerschaften so besonders?
Die ‚typische‘ multikulturelle Partnerschaft gibt es nicht. Beziehungen unterscheiden sich stark darin, wie sie funktionieren und welche Hintergründe beide Partner mitbringen. Gemeinsam haben sie allerdings, dass es eine größere Vielfalt an Ideen gibt, an Möglichkeiten, sich im Alltag zurechtzufinden, und an Regeln, die man befolgen könnte.

Was sind typische Schwierigkeiten für Partner aus unterschiedlichen Kulturen?
Multikulturelle Partner haben keine grundsätzlich anderen Konflikte. Es gibt aber einige neuralgische Punkte, die sich herauskristallisieren und Schwierigkeiten machen können: Regeln und Normen sind sehr unterschiedlich. Sie führen dazu, dass beide Partner verschiedene Erwartungen und Routinen mitbringen, die einen großen Einfluss auf den Alltag haben. Unsere Gewohnheiten sind oft nicht gut reflektiert, was häufiger zu Missverständnissen und Erwartungen führt, die enttäuscht werden. Die Partner stehen vor einer größeren Herausforderung, wenn sie eigene Wege finden müssen. Beide müssen überlegen: ‚Wie wollen wir das handhaben? Wie schauen wir das an? Für was entscheiden wir uns? Welche Kompromisse wählen wir?‘ Sie müssen Lösungen für Alltagsprobleme finden, bei denen eine klassische Partnerschaft die Routine ablaufen lässt.

Die Kommunikation ist sicherlich bei allen Ehen ein Thema, besonders aber in multikulturellen Partnerschaften.
Sprache spielt eine große Rolle. Paare müssen für sich herausfinden, ob jeder in der eigenen Sprache sprechen kann oder ob eine Drittsprache zur gemeinsamen Sprache wird. Wenn es mehrere Sprachen gibt, ist auch wichtig, ob ich verstehe, wenn mein Partner mit Freunden und Verwandten spricht. Hier können leicht Distanzen entstehen, die in anderen Partnerschaften nicht da sind. Dazu kommt: Viele Paare kommen aufgrund von Migrationsbewegungen zusammen. Migranten haben im Durchschnitt einen niedrigeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status und Bildungsstandard. So kann ein Ungleichgewicht im Paar entstehen, wenn ein Partner weniger gut gestellt ist. Wenn beide es sind, dann muss das Paar mehr Alltagsstress mit weniger Möglichkeiten und Ressourcen bewältigen.

Was raten Sie multikulturellen Paaren, um Konflikte zu verhindern oder zu lösen?
Entscheidend ist, wie die Partner interagieren, kommunizieren und Probleme lösen. Beide Seiten brauchen eine hohe Bereitschaft, mit Stress-Situationen umzugehen, sich selbst zurückzunehmen und die Perspektive vom Partner einzunehmen. Es ist sehr hilfreich, wenn beide sich immer wieder bewusst machen, dass es unterschiedliche Perspektiven und Ansichten gibt. In Situationen, wo die eigenen Erwartungen nicht eintreffen, sollte man sich automatisch fragen: Wie sieht das mein Partner? Was ist die Perspektive aus einem anderen kulturellen Blickwinkel?

Das heißt, man muss sich vom Schwarz-Weiß-Denken lösen?
Statt in Alternativen zu denken – es geht nur so oder so –, sollte man im Austausch feststellen: Hier haben wir eine Herausforderung und müssen jetzt eine machbare Lösung finden, die für uns beide stimmt und alle grundlegenden Bedürfnisse berücksichtigt. Vielleicht finden wir keine perfekte Lösung und müssen Menschen enttäuschen, aber hoffentlich finden wir eine, mit der wir gut leben können. Konkret bedeutet das, Regeln, Normen und Routinen zu finden, die für beide Partner passen – und Wege zu finden, wie man mit Misserfolgen umgehen kann. Paare müssen bewusst gemeinsam viele Erfahrungen machen, gemeinsame Projekte angehen und Ziele setzen, die sie realisieren wollen. Damit baut sich ein Paar eine gemeinsame Geschichte und einen Erfahrungsschatz auf, der zusammenschweißt. Eine starke Paar-Identität kann vieles überbrücken. Sie gibt Rückhalt, wenn man schwierige Situationen navigieren muss, wenn sich die Erwartungen der Familie von denen des Partners stark unterscheiden.

Was ist spannend und bereichernd in multikulturellen Beziehungen?
Sie sind eine Möglichkeit zu wachsen. Man erlebt viel Eindrückliches für die eigene Persönlichkeitsentwicklung und macht wertvolle Erfahrungen. In interkulturellen Partnerschaften ist die Überlappung kleiner und das Andersartige größer. Indem sich die Partner kennenlernen und die andere Kultur in ihr eigenes Leben integrieren, gewinnen sie im Denken und Handeln. Man wird flexibler, kann Dinge besser aus unterschiedlichen Perspektiven sehen und vieles relativiert sich, weil man einen anderen Ansatz dazu erwirbt. Das ist eine Bereicherung für die Partnerschaft und eine persönliche Horizonterweiterung.

Können Menschen aus ihrem Glauben, ihrer Spiritualität für eine multikulturelle Partnerschaft Stärke beziehen?
Die persönliche Spiritualität und der gemeinschaftliche Aspekt sind eine Ressource, die Paaren Halt geben und ihnen erlauben kann, Herausforderungen und Krisen besser zu meistern. Wir vermuten, dass der religiöse Rückhalt dabei hilft, das Ego in den Hintergrund zu stellen, den Fokus vom Konflikt wegzunehmen und stattdessen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Dies klappt, wenn beide Partner die Spiritualität und religiöse Gemeinschaft teilen – oder wenn Toleranz gegenüber der Spiritualität des anderen gelebt wird. Wenn allerdings die Spiritualität inflexibel macht und die Offenheit einschränkt, dann kann sie Probleme schaffen, die man sonst nicht hätte.

Warum beschäftigen Sie sich mit multikulturellen Partnerschaften?
Das Phänomen der multikulturellen Partnerschaft ist enorm wichtig und stellt eine große Chance für die Weiterentwicklung der Kulturen dar. Oft gehen wir davon aus, dass Kulturen feste Systeme sind. Das stimmt aber nicht, denn Kulturen verändern sich fortlaufend. Multikulturelle Paare sind genau die Schnittstellen, wo sich Kulturen bewegen. Sie haben eine Brückenfunktion und bereichern die Kulturen, aus denen sie kommen und die sie vereinen.

Das Interview führte Ulrike Légé.

Lernen, wo die Milch herkommt

Ruth Korte möchte mit ihrer Familie nachhaltig leben. Dabei gibt es Erfolgserlebnisse, aber auch Rückschläge.

Eins vorweg: Wir sind weit davon entfernt, eine „Öko- Familie“ zu sein – weit entfernt von denen, die es schaffen, einen einzigen gelben Sack pro Monat zu verbrauchen, komplett aufs Rad und die Öffis umgestellt zu haben, sich nur Gebrauchtes oder Selbstgebautes ins Haus zu holen oder selbstversorgerlich ihr eigenes Obst und Gemüse anzubauen. Letzteres wäre schon deshalb nicht möglich, weil wir keinen Garten haben. Auch wollen wir auf einen gewissen Komfort in unserem Leben nicht verzichten: auf unser Auto zum Beispiel, die Flugreise in die Urlaubssonne oder hin und wieder ein neues Möbel- oder Kleidungsstück.

Schritte vor und zurück

Trotzdem liegt uns der Umweltschutz am Herzen und wir versuchen, uns dafür einzusetzen, indem wir kleine Schritte in diese Richtung gehen – denn dieses Prinzip sollte inzwischen bei jedem angekommen sein: Jeder Schritt zählt.

Manchen Schritt musste ich wieder zurückgehen. Etwa als ich mir vornahm, gänzlich auf neue Kleidungsstücke zu verzichten oder sie nur noch zu erkreiseln, um dann nach ein paar (wenigen) Wochen festzustellen, dass ich neue Kleider wirklich sehr, sehr gern mag. Immerhin kaufe ich die jetzt nicht mehr online, sondern in der Stadt (Ausnahme: Corona). Oder als ich meine Haarpflegeprodukte durch festes Shampoo ersetzen wollte und relativ bald merkte, dass keine Seife meinem Haar so viel Glanz und Volumen verleihen kann, wie mein altbewährtes Shampoo aus der Plastikflasche. Immerhin benutze ich seitdem Körperseife statt Duschgel, denn da gibt es tatsächlich gute Alternativen. Auch der Versuch, unsere Einkäufe komplett in den Biomarkt, den Unverpackt-Laden und auf den Wochenmarkt zu verlagern, scheiterte, als ich feststellte, dass so am Ende des Geldes doch noch ziemlich viel Monat übrigblieb.

Wenig Fleisch und selbstgemachte Putzmittel

Es geht nicht alles – und alles geht. Auch die ganz kleinen Dinge. Bei uns bedeutet das, dass wir unsere Espressobohnen fair und direkt gehandelt in der Kaffeerösterei um die Ecke kaufen, auf unnötige Verpackungen verzichten, vorwiegend bio und saisonal kaufen, langlebige Edelstahlstatt Plastikhalme benutzen oder die Bauern und Bäcker im Umland unterstützen, indem wir ihre Produkte kaufen. Wir wollen noch viel mehr machen: weniger Fleisch essen (denn auch das schützt die Umwelt), gutes Fleisch essen, Putzmittel selbst herstellen und doch öfter aufs Auto verzichten.

Lernen, wo die Milch herkommt

Irgendwo las ich mal den schlauen Satz: „Was man kennt und liebt, das schützt man.“ Also bemühe ich mich, auch meinem Kind eine Liebe zur Umwelt zu vermitteln, indem ich mit meiner Tochter dies und das in bescheidenen Kübeln im Hof anbaue. Ich gehe mit ihr jede Woche auf den Markt, damit sie ein Gespür für Saisonales bekommt und Regionales unterstützen lernt. Ich hole mit ihr Milch direkt beim Bauern, damit sie weiß, wo sie herkommt und warum ein Liter Milch mehr als einen Euro wert ist (und ja, auch, um ein bisschen Kuh-Kino zu erleben). Ich mache mit ihr Ausflüge in die Natur, sammle wilde Kräuter und Beeren und stelle daraus Pesto oder Marmeladen her. Wir lernen zusammen Pflanzen- und Tierarten kennen – und dabei merke ich, dass mein Naturwissen (noch) sehr beschränkt ist. Ich bin gespannt, wohin uns unsere nächsten Schritte führen.

Ruth Korte lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Gießen. Sie arbeitet als freie Redakteurin für Family und FamilyNEXT.

Wir können etwas bewirken!

Die Herausforderungen unserer Welt – wie Klimawandel oder Ungerechtigkeit – können uns lähmen. Tamara von Abendroth lenkt den Blick auf das, was Menschen erreichen und verändern können. Und dabei sind auch kleine Schritte von großer Bedeutung.

Richten wir unser Augenmerk auf den Klimawandel, das Artensterben, die andauernden Kriege und das Leid vieler geflüchteter Menschen, könnte man fast vergessen, wie viele positive Wendungen die Menschheit schon erleben durfte. Ohne Frage, es gibt noch viel zu tun. Aber es wurde auch schon vieles erreicht.

Mit Blick auf die Menschheitsgeschichte waren die Menschen weltweit noch nie so gesund, noch nie war die medizinische Versorgung besser als in der heutigen Zeit. Noch nie gab es so wenige Menschen, die an Hunger gestorben sind. Und noch nie waren der Anteil an Menschen, die in absoluter Armut leben, und die Kindersterblichkeitsrate so niedrig. Noch nie war der Anteil an Analphabeten so gering. Noch nie waren Menschen weltweit so gebildet. Die Verwendung der Substanzen, welche die Ozonschicht angreifen, wurde erfolgreich reduziert. Das Ozonloch schließt sich wieder. Flüsse wie der Rhein, der Main und die Elbe konnten von schweren chemischen Verunreinigungen gesäubert werden. Drei Viertel aller Atomsprengköpfe wurden vernichtet. Die Liste der positiven Wendungen ist lang und könnte mit weiteren Fakten fortgeführt werden. Der verstorbene schwedische Wissenschaftler Hans Rosling hatte es sich zur Aufgabe gemacht, diese Daten und Fakten zusammen mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter in dem Buch „Factfulness“ zu veranschaulichen.

Viele kleine Schritte

Wenn man sich dieser positiven Errungenschaften bewusst wird, steht es ganz gut um die Aufträge, die Gott uns anvertraut hat: die Schöpfung zu ordnen, sie zu bewahren und weiterzuentwickeln. Mit anderen Worten: sich für eine zukunftsfähige und gerechte Welt einzusetzen. Eine Welt, in der alle Menschen ihr Leben in Würde leben können.

Eine Welt, in der die ökologischen Grenzen respektiert werden und die Umwelt für zukünftige Generationen bewahrt wird. Eine Welt des friedlichen Zusammenlebens, der demokratischen Teilhabe und ohne Diskriminierung. Eine Welt, in der die Wirtschaft den Menschen dient, mit fairen Arbeitsbedingungen und gerechter Entlohnung. Die entsprechenden Aufgaben für solch eine Welt kosten Kraft, Einsatz und Mut. Im Lauf der Menschheitsgeschichte haben sich schon viele Menschen diesen Aufgaben gewidmet. Und widmen sich ihnen bis heute. Es sind die vielen kleinen Schritte, die etwas bewirken. Unsere Schritte. Ein Blick in das Buch von Hans Rosling macht deutlich, dass unsere Anstrengungen, die Schöpfung zu bewahren, absolut lohnenswert sind. Denn wir können etwas bewirken.

Es lässt sich festhalten, dass der Fortschritt, den die Menschheit in den letzten Jahrzehnten erreicht hat, enorm ist. Es wird deutlich, dass der Mensch das nötige Handwerkszeug von Gott geschenkt bekommen hat, um die Schöpfung zu bewahren. Wir können die Fortschritte und positiven Wendungen erhalten. Sie weiter ausbauen und weiterentwickeln.

Wir können aber die Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden, auch wieder verkommen lassen. Sie sind nicht selbstverständlich.

Chancen und Elend

Wir leben in einer globalisierten Welt, sind weltweit miteinander vernetzt. Familie und Freunde können sich gegenseitig besuchen, obwohl sie auf zwei verschiedenen Kontinenten wohnen. Ich darf die landschaftliche Fülle Indonesiens kennenlernen und dort vor Ort die Sprache lernen, weil es eine Kooperation zwischen den Universitäten in Deutschland und in Indonesien gibt. Ich darf die Schönheit und Vielfalt der Menschen in Paraguay kennenlernen, weil junge Menschen aus Deutschland und Paraguay ein Freiwilligenjahr in dem jeweils anderen Land absolvieren dürfen.

Wie so oft im Leben hat auch die Globalisierung zwei Seiten: Eine schöne Seite voller Chancen und neuen Perspektiven. Und eine Kehrseite voller Elend und Ungerechtigkeit. Fest steht, dass die Dinge, die ich im Hier und Jetzt kaufe, anziehe und esse, Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt weltweit haben. Diese Auswirkungen können die Schöpfung bewahren oder zerstören. Chancen und Elend liegen nah beieinander.

Die Chancen der Globalisierung werden deutlich, wenn ich an meine Freundschaften denke, die ich in Paraguay gewonnen habe. Oder wenn ich an die medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse denke, die weltweit eingesetzt werden können. Ich gewinne neue Perspektiven, wenn ich die atemberaubend schöne Pflanzenvielfalt in Indonesien sehe, Schildkröten und Delfine in freier Natur. Und wenn ich die Worte der dort lebenden Menschen höre, die mit wenig Besitz ein zufriedenes und erfülltes Leben führen.

Das Elend wird deutlich, wenn ich an die Tagelöhner in Indonesien denke. Ihnen wurde die Existenzgrundlage als Kleinbauern genommen, weil ausländische Investoren Anbauflächen gekauft haben, um auf diesem Land Pflanzen für den Export anzubauen. Die Ungerechtigkeit wird deutlich, wenn ich an die Menschen denke, die unter lebensgefährlichen Bedingungen Rohstoffe für unsere Handys aus den Kobaltminen im Kongo fördern. Oder die in Bangladesch für einen Bruchteil des Existenzminimums in Zwölf-Stunden-Schichten Kleidung für uns nähen.

Gleichgewicht herstellen

Es gibt ein Ungleichgewicht in dieser Welt. Das Ungleichgewicht zwischen dem Globalen Norden (den sogenannten Industriestaaten) und dem Globalen Süden (den sogenannten Entwicklungsländern) wird an ganz alltäglichen Dingen deutlich. Zum Beispiel an den Bananen im Supermarkt. Zu jeder Jahreszeit bekommen wir die süßlich gelbe Frucht. Die Banane ist so alltäglich, dass man fast vergessen könnte, dass sie eine rund 10.000 Kilometer lange Reise hinter sich hat, bevor sie in unserem Supermarktregal landet. Am Anfang der Reise stehen Menschen, die unter unwürdigen Bedingungen ihr Geld verdienen müssen, um zu überleben. Sie arbeiten zumeist als Tagelöhner und verdienen zwischen acht und zwanzig Dollar pro Tag. Sie sind durch synthetische Düngemittel und Pestizide ohne Schutzkleidung einem großen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Bis heute berichten Nichtregierungsorganisationen über Arbeitsrechtsverletzungen auf den Bananenplantagen – etwa wegen Pestizidvergiftungen und der Unterdrückung von Gewerkschaften.

Das Ungleichgewicht, welches in der Welt existiert, lässt sich nicht allein durch Konsumverhalten steuern. Das Konsumverhalten eines jeden Menschen ist aber ein wichtiger Hebel gegen das Ungleichgewicht, denn der Bedarf steuert das Angebot. Wir leisten einen großen Beitrag, wenn wir überwiegend lokale und saisonale Produkte wählen. Und wenn wir fair gehandelte Produkte bevorzugen. Wenn wir die Wegwerfmentalität von Mode nicht unterstützen und auf bewussten Konsum achten.

Für ein weltweites Gleichgewicht braucht es die Kombination aus bewusstem Konsumverhalten und politisch nachhaltigen Entscheidungen auf struktureller Ebene. Beispielsweise müssen politische Entscheidungen dafür sorgen, dass Wirtschaftskonzerne, die im Ausland produzieren, in ihren Arbeitsbedingungen Menschen- und Arbeitsrechte wahren. Viele Menschen sind durch vielfältige Ideen auf dem Weg, die Schöpfung zu bewahren. Diverse Organisationen setzen sich für Themen ein, die Menschenrechte stärken und die Umwelt schützen. Diese Organisationen kann man unterstützen, meist bieten sie Newsletter und Arbeitsgruppen an.

Fürchtet euch nicht!

Eine Ursache für das Ungleichgewicht in dieser Welt ist wohl die Angst, zu wenig zu bekommen, zu wenig bedeutsam zu sein. So entstehen Rücksichtslosigkeit, Unterdrückung, Machtgier und Ausbeutung. Gott hat uns ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben, um dem etwas entgegenzusetzen: „Fürchtet euch nicht. Ich bin allezeit bei euch.“ Wir brauchen keine Angst zu haben! Eine der für mich stärksten Zusagen Gottes. Mit dieser Zusage im Gepäck dürfen wir mit einer begründeten Hoffnung den stillen Wundern auf die Sprünge helfen.

Tamara von Abendroth arbeitet in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Berlin.

 

Medienpädagogin: Auch Dreijährige dürfen schon fernsehen – wenn diese Regeln eingehalten werden

Sollten Kinder so lange wie möglich von Fernsehen und Streams ferngehalten werden? Medienpädagogin Nadine Kloos sagt: nicht zwangsläufig.

Darf ich mein Kindergartenkind auch mal Fernsehen gucken lassen?
Na klar! Kinder lieben Geschichten. Sie sind wichtig für ihre Entwicklung: Sie vermitteln Orientierung, Wissen und machen Spaß! Gute Geschichten gibt es nicht nur in Büchern, sondern auch in Serien und Filmen. Solange Kinder kein Interesse daran zeigen: umso besser! Freies Spielen und Interaktion mit anderen haben Vorrang, denn sie sind die Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Zeigen Kinder Interesse, dann häufig, weil es in der Familie präsent ist. Wenn Dauer und Regelmäßigkeit der Bewegtbildnutzung die anderen Tätigkeiten nicht überwiegen, können Kinder ab drei Jahren Bewegtbilder nutzen. Diese müssen natürlich alters- und kindgerecht sein!

15 bis 20 Minuten

Welche Inhalte sind denn für Kleine geeignet?
Ab drei Jahren können die Kinder einfachen Bewegtbildgeschichten folgen. Bei den Medienanfängern ist es besonders wichtig, dass es nur dosiert und in Begleitung von Bezugspersonen stattfindet. Die Geschichten müssen kurz und einfach aufgebaut sein, wenige Figuren haben, nicht mit Rückblenden und dergleichen arbeiten. Themen, die Kinder aus ihrem Alltag kennen, machen ihnen besonders Spaß. Fernsehanfänger sollten nicht länger als etwa 15 Minuten am Stück schauen, ältere Kindergartenkinder pro Tag maximal 30 Minuten, egal auf welchem Gerät. Am meisten profitieren Kinder, wenn sie sich aktiv mit dem Gesehenen auseinandersetzen können, über das Gesehene sprechen, Bilder dazu malen, Geschichten nachspielen oder basteln. Auf jeden Fall sollte das Anschauen von Filmen oder Sendungen in den Familienalltag eingebettet sein und ihn nicht dominieren!

Eigene Videos fördern Medienkompetenz

Während des Corona-Lockdowns durften viele Kinder öfter und mehr schauen. Wie können Familien wieder zu einem „normalen“ Fernsehkonsum finden?
Ich denke, die Mediennutzung wird sich mit weiteren Lockerungen von allein einpendeln und normalisieren: Wenn Kindergarten, Vereinssport und das Treffen mit anderen wieder erlaubt ist, wird auch die Lust auf menschliche Nähe, Kontakt, Austausch zunehmen und Antrieb sein. Wichtig ist gerade jetzt, regelmäßig medienfreie Zeiten einzulegen und für ausreichend Pausen und Frischluft zu sorgen. Machen Sie aus Medienzeiten gemeinsame Medienerlebnisse: Es macht Spaß, sich auf die Medienwelten von Kindern einzulassen! Man erfährt, was sie denken, erleben und was sie bewegt. Und weil immer nur von Konsum geredet wird: Medien können mehr als nur Abspielgerät sein! Kinder können zum Beispiel auch eigene Videos drehen. Das fördert die Medienkompetenz und regt gleichzeitig die Fantasie an.

Bücher haben einen Vorteil

Welche guten Alternativen gibt es für die Kleinen?
Alters- und kindangemessene Bücher und Hörangebote sind immer gut. Sie haben den Vorteil, dass jüngere Kinder sie zum Teil auch selbst steuern können: die CD anhalten, weil eine Stelle nochmal gehört werden will, das Buch zurückblättern, weil etwas übersehen wurde. Vor und zurück, so lange, bis etwas verstanden oder verarbeitet wurde. Das Tempo liegt sozusagen in der Hand der Kinder.

Nadine Kloos ist Medienpädagogin beim Elternratgeber „Flimmo“, der Angebote im TV, auf YouTube und bei Streamingdiensten einordnet und bewertet.
Interview: Ruth Korte

Kinder auf Pflegekinder vorbereiten

„Mein Mann und ich haben drei Kinder (9, 12 und 14) und mit der Familienplanung abgeschlossen. Nun wollen wir ein oder mehrere Kinder in Pflege nehmen. Wie bereiten wir unsere Kinder darauf vor?“

Kinder fordern uns heraus. Das gilt nicht nur für leibliche, sondern auch für Pflegekinder. Der Unterschied ist, dass Pflegekinder mit einer Vorgeschichte in die neue Familie kommen. Sie haben die Erfahrung eines Verlustes durchgemacht und meist viel Schweres und Traumatisches erlebt.

Das hinterlässt starke Spuren. Ein Teil der Pflegekinder ist zusätzlich durch Schädigungen in der Schwangerschaft (Alkohol, Drogen, Ablehnung) geprägt. Liebe allein reicht hier nicht. Es braucht sehr viel Geduld und Durchhaltevermögen, ein Pflegekind zu betreuen – von der gesamten Familie. Deshalb ist es ganz richtig und wichtig, Ihre leiblichen Kinder altersentsprechend auf die Andersartigkeit des Familienzuwachses vorzubereiten und so Verständnis zu wecken.

Bedenken ernst nehmen

Sprechen Sie vorab über Traumata und deren Auswirkungen bei Kindern. Bereiten Sie die Kinder auch darauf vor, dass sich das neue Kind aufgrund seiner Vorerfahrungen wahrscheinlich anders verhalten wird, als sie es von einem Geschwisterkind erwarten: Es hat manchmal andere Interessen, ist eventuell destruktiv, beziehungsgestört und kann nicht ausdauernd spielen. Das Pflegekind hat vielleicht einen völlig anderen Umgang mit Besitz, zerstört Dinge anderer, benutzt Sachen anders, nimmt sie ungefragt weg oder hat einen anderen Umgang mit Lügen und Wahrheit. Es hat zum Eigenschutz ein Verhalten entwickelt, das nicht den Normen der Pflegefamilie entspricht. Wichtig ist es auch, Ihre Kinder darauf vorzubereiten, dass neben dem erst einmal fremden Kind andere Personen in die Familie treten und mitreden, das Jugendamt, Sozialpädagogen, Psychologen und die Herkunftsfamilie.

Nehmen Sie Bedenken Ihrer Kinder sehr ernst und gehen Sie den Weg nur, wenn alle Ihre Kinder ihn mitgehen wollen. Pflegekinder fordern viel Kraft und Energie, und es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass sich leibliche Kinder nicht zurückgesetzt fühlen. Sollten Sie sich als Familie für die Aufnahme eines Kindes entscheiden, achten Sie darauf, weiterhin ganz bewusst Zeiten und besondere Zuwendungen für Ihre leiblichen Kinder einzuplanen.

Familie zusammenschweissen

Beobachten Sie Ihre Kinder in der Anbahnungsphase genau und sprechen Sie auch dann offen über Befürchtungen. Brechen Sie das Aufnahmeverfahren ab, wenn Ihre Kinder starke Bedenken haben, auch wenn es schwerfällt, ein Kind abzulehnen. Thematisieren Sie auch die Möglichkeit, dass Pflegeverhältnisse abgebrochen werden können, weil ein Kind wieder zurück in die Herkunftsfamilie kann, die Pflegefamilie mit den Schwierigkeiten des Kindes nicht fertig wird oder Ähnliches.

Neben allen Bedenken gibt es aber auch viele gute Erfahrungen, die eine Familie durch das neue Mitglied machen kann und die eine Familie anders zusammenschweißen kann.

Margrit Dietze ist Erzieherin, Autorin für pädagogische Bücher und Kinderlieder sowie Pflegemutter.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

 

Will mein Kind sich umbringen?

„Meine Tochter (6) droht mir manchmal an, sich umzubringen, wenn ich etwas von ihr verlange, sie es aber nicht tun will. Wie ernst muss ich solche Androhungen nehmen, und was kann ich dagegen tun?“

Wenn ein Kind damit droht, sich umzubringen, ist das für Eltern sicherlich erschreckend und verunsichernd. Auch wenn Selbstmorde bei Kindern unter zehn Jahren so gut wie nie vorkommen, sollte man diese Aussage nicht ignorieren, sondern sich genauer anschauen, was dahintersteckt.

Merkmale einer kindlichen Depression

Um diese Aussage zunächst besser einordnen zu können, sollte man mit seinem Kind darüber sprechen. Was versteht es darunter, sich umbringen zu wollen? Hat es eine Vorstellung davon oder hat es diesen Satz irgendwo gehört und merkt, dass es damit Aufgaben vermeiden kann, die es nicht ausführen möchte? Nehmen Sie sich Zeit, in Ruhe mit Ihrem Kind darüber zu sprechen. Zudem ist es wichtig zu beobachten, in welchen Situationen Kinder davon sprechen, sich das Leben nehmen zu wollen. Sagen sie dies nur in Situationen, in denen sie eine Aufgabe vermeiden möchten, oder sagen sie dies auch in anderen Situationen?

Wenn man das Gefühl hat, das Kind ist insgesamt trauriger, dann sollte dem weiter nachgegangen werden. Eine kindliche Depression äußert sich häufig in anderen Symptomen als im Erwachsenenalter und wird daher nicht immer direkt erkannt. So geben Kinder mit einer depressiven Verstimmung oftmals eher körperliche Beschwerden an. Zudem zeigen sie weniger Begeisterungsfähigkeit, manchmal wirken sie in sich gekehrt. Manchmal wirken sie jedoch auch unruhiger oder zeigen vermehrt aggressives Verhalten. Sollte Ihr Kind Symptome einer kindlichen Depression zeigen und in verschiedenen Situationen davon sprechen, sich umbringen zu wollen, dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Ruf nach Aufmerksamkeit

Des Weiteren sollte man überlegen, ob es sich bei dieser Androhung um einen Ruf nach Aufmerksamkeit handeln könnte. Vielleicht gibt es Geschwister oder andere Aufgaben, die viel Aufmerksamkeit einfordern und die sechsjährige Tochter hat zurzeit das Gefühl, etwas zu kurz zu kommen? Nehmen Sie sich bewusst Zeit für das einzelne Kind und überlegen Sie, was Ihrer Tochter guttut. Welche Sprache der Liebe spricht dieses Kind? Eine Idee könnte eine spezielle Mama-Tochter-Zeit oder Papa-Tochter-Zeit sein. Dies können jeden Tag fünf Minuten sein oder auch regelmäßig längere Aktionen. Ihr Kind wird sich über diese positiven Zeiten der vollen Aufmerksamkeit freuen und die Einzelzuwendung genießen. In solchen Zeiten können Kinder gezielt Liebe und Aufmerksamkeit auftanken, die sie dann weniger über negatives Verhalten einfordern brauchen.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind den Satz nur gezielt dazu einsetzt, um Aufgaben zu vermeiden, dann sollten Sie darauf achten, dass Ihr Kind damit nicht durchkommt. Es sollte trotzdem seine Aufgabe erledigen. Gehen Sie in der Konfliktsituation am besten nicht darauf ein und bleiben Sie konsequent. Dann wird Ihr Kind lernen, dass es keinen Sinn hat, Sie unter Druck zu setzen, und dieses Verhalten nicht mehr zeigen.

Anna Post ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.

Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Frankfurt.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Unsere Kinder wollen Süsses

„Wir erlauben unseren Kindern (3 und 5) Süßes nur an Geburtstagen und anderen besonderen Anlässen. Für sie schien es lange okay, aber jetzt ist es ständig Thema – auch durch das ständige Ansprechen von anderen wie ihren Großeltern. Was können wir tun, damit unsere Kids nicht mehr so viel Wind darum machen?“

Dass Kinder Süßes lieben, ist völlig normal. Entwicklungsgeschichtlich sind wir Menschen auf süß gepolt! Die Muttermilch schmeckt bereits, durch den enthaltenen Milchzucker, leicht süß, und sogar das Fruchtwasser im Mutterleib hat einen süßlichen Geschmack und wird gern von den Babys getrunken.

Zuckerfreie Ernährung schützt vor Krankheit

Leider haben Süßigkeiten und die darin enthaltenen Zucker „Suchtpotenzial“. Wir gewöhnen uns sehr schnell an den Süßgeschmack und brauchen immer mehr davon, um es als angenehm zu empfinden. Zucker ist in unendlich vielen Lebensmitteln enthalten. Schaut man auf die Zutatenliste verschiedener Süßwaren und süßer Getränke, dann verbergen sich oft eine große Anzahl verschiedener Zucker darin, mit so wohlklingenden Namen wie Saccharose, Maltose oder Dextrose. Alle gehören der Gruppe der sogenannten „niedermolekularen Kohlenhydrate“ an, die dem Körper sehr schnell als Energiequelle zur Verfügung stehen, die aber leider nichts anderes als „leere Kalorien“ enthalten.

Bei Süßigkeiten kommt neben Zucker auch häufig ein hoher Fettanteil dazu, wie in Chips oder Erdnussflips. Kalorienbomben pur! Wer viel Zucker isst, ist häufiger von Zahnkaries, Übergewicht und daraus entstehenden Zivilisationskrankheiten wie Diabetes betroffen. Manche Kindergartenkinder leiden heute schon unter dem früher als „Alterszucker“ bezeichneten „Typ-II-Diabetes“. Deshalb ist es sinnvoll und gut, Kinder möglichst lange zuckerfrei oder zuckerarm zu ernähren.

Generelle Verbote meiden!

Der Umgang mit Süßigkeiten und Snacks will gelernt sein. Dazu ein paar Tipps:

  • Erklären Sie Ihren Kindern, warum sie Süßes in Maßen essen sollten.
  • Vermeiden Sie generelle Verbote im Umgang mit Süßigkeiten.
  • Legen Sie gemeinsam eine „süße Wochenration“ fest.
  • Süßigkeiten eignen sich sehr gut als Abschluss einer Mahlzeit (anschließend die Zähne putzen!).
  • Planen Sie bewusst Nachtische oder auch mal eine süße Zwischenmahlzeit am Nachmittag ein, wie ein Stück Kuchen oder Kekse.
  • Feste Naschzeiten erhöhen den Genuss, denn Vorfreude ist die schönste Freude.
  • Regelmäßige Mahlzeiten beugen Heißhunger auf Süßes vor.
  • Achten Sie auf bewusstes Genießen, wie nur im Sitzen zu naschen. Das trägt auch zur besseren Kontrolle bei.
  • Seien Sie Vorbild.
  • Bieten Sie süße Getränke wie Säfte und Limonaden nur zu besonderen Anlässen an.
  • Bevorraten Sie Süßes nur in kleinen Mengen.
  • Sagen Sie Verwandten und Freunden, dass Sie keine Süßigkeiten als Geschenke oder Mitbringsel für Ihre Kinder möchten.
  • Bieten Sie attraktive Alternativen an: Studentenfutter, Reiswaffeln, selbstgemachtes Popcorn, Salzstangen, Obstspieße, Rohkoststicks …
  • Eine Portion extra wie etwa eine Handvoll Gummibärchen (30 g) und eine Handvoll Chips (25 g) ist Genuss und etwas Besonderes!

 

Elke Decher ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und unterrichtet Ernährung, Hauswirtschaft und Gesundheits- und Naturwissenschaften an einem Berufskolleg.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com