Weihnachtsgottesdienst im Wohnzimmer

In diesem Jahr fällt für viele Familien der Besuch des Gottesdienstes, der Christvesper oder Christmette an Heiligabend aus. Doch auch zu Hause lässt sich ein eigenes Familienritual schaffen, um den Festtagen eine besondere Bedeutung zu geben. Von Anke Kallauch

Wichtig: Kinder und Gäste sollten darauf vorbereitet werden, dass wir einen kleinen Gottesdienst feiern wollen. Wenn alle die Lieder, die gesungen werden, schon in den Adventswochen kennengelernt haben, kann man besser mit einstimmen.

Ort und Zeit finden

Wann der beste Zeitpunkt für den Gottesdienst ist, hängt von den anderen Aktivitäten ab. In unserer Familie gab es am frühen Nachmittag immer eine kleine Stärkung, damit man den Gottesdienst gut durchhält. Danach könnte man auch daheim den Gottesdienst starten.

Planen Sie die gemeinsame Zeit und verteilen Sie Aufgaben an alle, die dabei sind (Gebet, Lieder begleiten, Sterne ausschneiden). Suchen Sie einen schönen Platz: vor dem Weihnachtsbaum oder am Wohnzimmertisch. Räumen Sie unnötige Deko zur Seite, damit die Weihnachtsgeschichte im Mittelpunkt steht.

Gestartet wird mit dem Klang eines Glöckchens oder der Melodie eines bekannten Weihnachtsliedes auf dem Xylophon oder der Blockflöte. Jetzt wissen alle: Es geht los.

Die Lieder sind sorgfältig ausgesucht. Wenn jemand Gitarre oder Klavier spielen kann, ist das natürlich toll, aber man kann auch zu Liedern von CDs singen. Kinderlieder wie „Weihnachten ist Party für Jesus“ oder „Ein Kind ist heut geboren“ und ältere Lieder wie „Mit den Hirten will ich gehen“ oder „Wisst ihr noch wie es geschehen“ können dabei sein.

Am besten nimmt man eine Weihnachtskrippe mit robusten Figuren, die man in die Hand nehmen und bespielen kann. Der Stall ist zunächst noch leer, und weit weg davon besucht der Engel Maria. Dann wandern Maria und Josef nach Bethlehem und suchen ihre Unterkunft. Die Hirten auf dem Feld sind natürlich wichtig. Was haben sie erlebt? Die Engel am Himmel singen „Gloria“ – da singen natürlich alle mit. An einer anderen Stelle im Wohnzimmer sehen die Weisen einen hellen Stern und beginnen ihre Reise. Jeder spielt eine oder mehrere Figuren.

Mit verteilten Rollen

Kleinere Kinder können sich manchmal noch nicht an die Geschichte erinnern. Es ist ja schon ein ganzes Jahr her! Dann kann sie auch aus einer Kinderbibel vorgelesen werden.

Wenn größere Geschwister dabei sind und auch Oma und Opa gern aktiv mitmachen, kann die Geschichte auch mit verteilten Rollen gespielt werden. Am besten organisiert man dafür einige Tücher oder die Baby- puppe aus dem Kinderzimmer. Oft staunt man nicht schlecht, welche Gedanken, Handlungen und Worte den Personen dabei zugedacht werden.

Ein kleines Gespräch schließt sich an: Was ist das Wichtigste an der Geschichte? Worüber freust du dich besonders? Wofür willst du Gott „Danke“ sagen? Für jedes „Danke“ kann ein vorher ausgeschnittener Stern zur Krippe gelegt werden.

Mit einem Weihnachtsgebet und Liedern klingt der Gottesdienst daheim aus. „Du bist geboren, Jesus – darüber freuen wir uns riesig! Danke, dass du uns besucht hast. Danke, dass du auch heute bei uns bist. Wir feiern deinen Geburtstag und lassen dich hochleben! Amen.“

Anke Kallauch ist Referentin für Kindergottesdienste im Bund Freier evangelischer Gemeinden. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

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Schwer zu kontrollieren: die Wut

Wut ist ein Gefühl mit unbändiger Kraft – bei Kindern und Erwachsenen. Von Corinna Lang

August 2019. Mein Mann und ich feiern zusammen Geburtstag. Die Sonne scheint, aus der Grillhütte dringt ein leckerer Duft, und die Gäste sind fast vollzählig eingetroffen. Feierlaune? Nicht bei unserem damals 2-jährigen Sohn. Er hat einen Wutanfall. Er steht mitten auf dem Platz und brüllt ununterbrochen. Ich erinnere mich nicht mehr an den Auslöser – von der Zubereitung seiner Grillwurst bis hin zu einer falsch sitzenden Socke könnte es alles gewesen sein. Unser Sohn brüllt. Laut. Ohne Rücksicht auf Anwesende. Ohne Rücksicht auf Timing, den Zustand unserer Nerven oder die Verhältnismäßigkeit.

Ein zuverlässiges „Allheilmittel“ haben wir noch nicht gefunden, außer dass es wichtig ist, selbst die Ruhe zu bewahren. Ermahnen fördert selten ein Zurückgehen der Wut, setzt aber die nötigen Grenzen, was vor allem wichtig wird, wenn das Kind sich selbst oder andere in Gefahr bringt. Manchmal helfen offene, tröstende Arme oder Ablenkung. Zu viel Aufmerksamkeit macht das Ganze für das Kind oft nur noch interessanter, daher kann es helfen, den Wutausbruch zu ignorieren. Da seine Wut nicht abebbt, bringt meine Schwägerin mich auf die Idee, ihn mit dem Auto ein bisschen hin- und herzufahren. Ich folge ihrem Rat und komme kurz darauf mit einem schlafenden Kind zurück. Dieser Höhepunkt der Trotzphase mit einstündigen Brüllattacken dauerte glücklicherweise nur einige Wochen. Mittlerweile können wir darüber lachen.

Unvorbereitet und heftig

Wie ist das denn bei uns Erwachsenen? Kennen wir das auch? Haben wir uns perfekt im Griff? Immer? Mit Sicherheit finden Wutausbrüche bei uns in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität statt. Aber vermutlich kann sich jeder an Momente erinnern, in denen er oder sie in unschöne Sprache verfallen ist, einen Gegenstand in seine Einzelteile zerlegt oder dem Wutauslöser schmollend den Rücken zugekehrt hat. Nahezu jeder war schon einmal das aktive und das passive Ende eines Wutanfalls.

Der Emotion „Wut“ begegne ich mit Respekt, weil sie anders auftritt als viele andere Gefühle. Sie trifft einen oft unvorbereitet und heftig und schleicht sich nicht heran wie zum Beispiel die Traurigkeit. Sie lässt sich nicht gut hinter der Fassade ausleben wie die Bitterkeit. Sie mobilisiert in kürzester Zeit ungeahnte Kräfte und lässt dem Wütenden nicht immer Zeit, diese vernünftig zu kanalisieren. Eltern, die ihre Nächte mit einem „Schreikind“ verbringen müssen, wird oft geraten, aus dem Zimmer zu gehen, wenn die Wut zu groß wird, damit sie ihr Kind nicht schütteln. Was für eine Emotion, die uns dazu bringen kann, unseren liebsten, schwächsten Mitmenschen physischen Schaden zuzufügen! Sie ist scheinbar nur schwer kontrollierbar.

Plötzlich da, plötzlich weg

Auf der anderen Seite erscheint mir die Wut kurzlebiger als andere Emotionen. Ich nehme noch einmal die Bitterkeit als Beispiel. Ein bitterer Mensch ist oft über einen langen Zeitraum in diesem Gemütszustand. Die Bitterkeit hat sich über eine lange Zeit gebildet und muss auch über eine solche wieder abgebaut werden. Die Wut kommt plötzlich und verschwindet meist auch plötzlich. Der Wütende ist vielleicht erstaunt oder bestürzt über seine eigene Gefühlswelt, kann aber recht schnell wieder in die Routine des Alltags zurückfinden. Er hat sich „abreagiert“. Nachdem zum Beispiel der Wutanfall unseres Sohnes am Tag unserer Geburtstagsfeier vorbei war, hat er den restlichen Nachmittag begeistert gespielt. Ein Freund witzelte noch: „Was für ein liebes, ausgeglichenes Kind, der ist bestimmt immer so!“ Leider kommt es gerade bei uns Erwachsenen nicht immer zu diesen unkomplizierten, nahezu konsequenzlosen Verläufen nach der Wut. Der Schaden ist unter Umständen riesig oder kann nur mit großer Mühe vermieden oder gekittet werden.

Die Wut in ihre Schranken weisen

Ich habe mich gefragt, ob man Wut überhaupt bekämpfen kann, wenn die Wutauslöser sich nicht ändern lassen. Im Moment des Wutausbruchs ist es oft zu spät, weil das Gefühl bereits die Kontrolle über unsere Aktionen übernommen hat. Oft kann man sie da höchstens noch auf etwas anderes, weniger Empfindliches lenken, zum Beispiel mit der Faust auf den Tisch hauen statt gegen eine Glasscheibe. Ich habe zumindest bei mir selbst festgestellt, dass die Möglichkeiten, diese Emotion einzuschränken, eher im Vorfeld liegen, und zwar indem ich sie gar nicht erst auftreten lasse. Ich werde zum Beispiel vermehrt wütend, wenn ich zu wenig geschlafen oder Hunger habe.

Was bedeutet das konkret, wenn ich einen möglichst wutfreien Tag erleben will? Es kann bedeuten, die spannende Serie abends doch schon eine Folge früher abzuschalten. Wenn mein Mann und ich unser Abendessen erst für die Zeit geplant haben, nachdem die Kinder ins Bett gegangen sind, kann es bedeuten, dass ich am späten Nachmittag an einen kleinen Snack für mich denken muss, damit ich bei einem möglicherweise bockigen oder extrem albernen, aufgedrehten Kind, das nicht sofort ins Bett will, nicht so schnell die Nerven verliere.

Wutauslösern auf die Spur kommen

Bei anderen Wutauslösern sind es natürlich andere Fragen, die man sich stellen kann: Habe ich Stress, weil die To-do-Liste auch nicht ganz so dringende Punkte enthält? Lebe ich über meine Verhältnisse und habe deshalb finanziellen Druck? Arbeite ich zu viel oder zu wenig? Sollte ich mir Hilfe holen, sei es von Freunden, der Familie oder professionell? Müsste ich mit meinem Partner über Verhaltensweisen reden, die ich nur schwer tolerierbar finde? Sollte ich eine Zeit in meinen Tag einplanen, in der ich kurz „runterfahre“, zum Beispiel durch Beten, einen Spaziergang oder ein gutes Buch? Sich Gedanken darüber zu machen, lohnt sich, wenn man merkt, dass die Zündschnur kürzer wird. Was sich auch immer lohnt: Gott sein Herz in aller Ehrlichkeit ausschütten und um Vergebung, Erkenntnis und Hilfe bitten. Er hält unsere Wut aus.

Corinna Lang ist Übersetzerin und wohnt mit ihrem Mann Tobias und ihren zwei Kindern Fiona (6) und Florian (3) in Siegen.

Mehr zum Thema „Gefühle“ gibt es in der November/Dezember-Ausgabe der Family und FamilyNEXT.

Eine schlimme Entdeckung

Nur nach und nach kamen Pias Eltern dahinter, dass es beim Spielen mit einem älteren Mädchen zu sexuellen Übergriffen gekommen war. Diese Übergriffe haben schwerwiegende Folgen …

Als unsere Tochter Pia (Name geändert) fünf Jahre alt war, machten wir eine schlimme Entdeckung. Die 12-jährige Tochter von Bekannten, die gern mit unserer Kleinen spielte, hatte unbeaufsichtigte Zeiten im Kinderzimmer unserer Tochter und bei sich zu Hause dafür genutzt, stark grenzüberschreitende sexuelle „Spiele“ mit ihr zu erproben. Um nicht erwischt zu werden, entwickelte sie Strategien, die restliche Familie abzulenken und unsere Tochter massiv unter Druck zu setzen, damit sie nichts verrät. Bei sich zu Hause sperrte sie sie auch in einem Zimmer ein. Das alles konnte Pia uns nur ganz langsam, Stück für Stück erzählen. Vermutlich wissen wir bis heute nicht alles. Wir können aus ihren Erzählungen schließen, dass diese „Spiele“ ungefähr in dem Zeitfenster zwischen ihrem vierten und fünften Lebensjahr stattgefunden haben müssen.

Als wir unsere Bekannten darauf ansprachen, warfen sie uns vor, Pia hätte sich das alles ausgedacht. Wir hatten ihnen behutsam und ohne Vorwürfe von den Vorfällen erzählt. Deshalb waren wir sehr enttäuscht über diese Reaktion. Zum Schutz unserer Tochter haben wir den Kontakt daraufhin abgebrochen.

Kaum Experten zu finden

Seitdem sind mehr als zwei Jahre vergangen. Es war sehr schwierig für uns, die passende professionelle Hilfe zu finden. Für Kinder in diesem Alter scheint es keine spezialisierte, stationäre Behandlungsmöglichkeit zu geben, bei der Kinder mit einer Bezugsperson aufgenommen werden können. Zudem können nicht alle ambulant tätigen Kinderpsychologen diesen Bereich abdecken. Oder sie haben sehr lange Wartezeiten. Da wir im ländlichen Raum wohnen, verstärkt sich das Problem noch. Zu Rate gezogene Fachleute aus verschiedenen Bereichen wie Ergotherapie, Heilpädagogik oder Psychotherapie haben auch noch mit gegensätzlichen Ansätzen versucht, Pia zu therapieren. Das hat uns Eltern verunsichert und dazu geführt, dass Pia Aggressionen gegenüber Therapeuten entwickelt hat.

Verletzende Bemerkungen

Schwierig ist es auch, in unserem Umfeld mit diesem Thema umzugehen. Wir würden uns manchmal am liebsten zu Hause verkriechen, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Pia sieht man nicht an, was sie durchgemacht hat, und zu ihrem Schutz möchten wir es auch nicht jedem erzählen. Teile ihrer Persönlichkeit sind im Alter von drei bis vier Jahren stehen geblieben, weil da ihre Welt noch in Ordnung war. Andere Teile sind deutlich weiter als ihr biologisches Alter, sodass sie allein dadurch schon ein sehr gespaltenes Verhalten zeigt. Sie leidet so stark unter sich selbst, dass sie schon im Alter von sechs Jahren traurig und hilflos sagte: „Mama, ich halte mich nicht mehr aus, aber ich kann doch nicht vor mir selbst weglaufen!“ Sie ist oft aggressiv, leidet unter Zwangshandlungen und kann kaum entspannte Beziehungen zu anderen Kindern aufbauen.

Sprüche wie „Euer Nesthäkchen hat euch aber ganz schön im Griff!“ tun uns sehr weh. Sogar Menschen, die informiert sind, machen verletzende Bemerkungen: „Irgendwann muss sich das doch auch mal verwachsen haben!“ „Macht ihr da nicht aus einer Mücke einen Elefanten?“

Keine Besuche von anderen Kindern

Zum Glück konnten wir Pias Einschulung um ein Jahr verschieben. Inzwischen meistert sie den Schulalltag ganz gut. Sie hat Freude am Lernen und ist von ihren Fähigkeiten her auch gut in der Lage, die Anforderungen zu bewältigen. Sie möchte so sein wie die anderen Kinder und strengt sich sehr an, niemanden merken zu lassen, dass mit ihr „etwas nicht stimmt“. Sie genießt die Schulzeit, da sie dort in einem durch Lehrer/innen und Betreuer/innen geschützten Raum mit anderen ohne Angst spielen kann. Das schafft sie zu Hause oder bei Freundinnen nicht. Wir bekommen schon lange keinen Besuch mehr von Kindern, und Pia geht nie zu anderen Kindern zum Spielen.

Unerträgliche Konflikte

Fast alle Einladungen zu Kindergeburtstagen mussten wir absagen. Pia möchte es so gern und gerät immer in unerträgliche Konflikte, wenn sie Einladungen bekommt. Für mich als Mutter ist das schlimm. Ich muss die Entscheidung für sie treffen, ob wir nun zusagen oder absagen. Egal, wie ich entscheide, wird es für Pia nicht gut sein. Ich weiß nicht, was ich den anderen Müttern sagen soll. Ich möchte Pia schützen. Wem sagt man was und wie viel? Wir wohnen sehr ländlich, ich mache mir da nichts vor: Es wird geredet … Manchmal möchte ich allen die Wahrheit vor den Kopf knallen und schreien: „Lasst uns doch einfach in Ruhe! Ihr wisst ja nicht, was ihr da redet!“

Ein großes Stück Kindheit genommen

Für uns als Eltern ist es unerträglich traurig, dass unserer Tochter ein sehr großes Stück ihrer Kindheit genommen wurde. Auch an unseren deutlich älteren Söhnen ist die Belastung nicht spurlos vorbeigegangen. Besonders ich als Mutter mache mir große Vorwürfe, die Taten nicht rechtzeitig erkannt und verhindert zu haben. Seit Januar 2020 habe ich selbst auch endlich einen Platz bei einer guten Psychotherapeutin bekommen. Ich bin froh, über meine Sorgen mit einer außenstehenden Person reden zu können und Hilfe zu bekommen, wie ich die Last tragen kann, ohne daran zu zerbrechen.

Die Schuldfrage klären

Eigentlich sind wir nach fast zweieinhalb Jahren erst am Anfang der Aufarbeitung, dafür aber am Ende mit den Nerven. Im Moment leben wir von Tag zu Tag. Wir machen uns gerade auf den Weg, die Täterin mit ihrer Tat zu konfrontieren. Pia ist mittlerweile sehr wütend auf das Mädchen. Aus therapeutischer Sicht ist das gut. Sie will, dass die andere auch „bestraft“ wird und eine Therapie machen muss. Pias Therapeutin befürwortet das sehr. Für Opfer sei es zur Verarbeitung sehr wichtig, dass die Schuldfrage eindeutig geklärt sei, da sie sich meistens eine Mitschuld geben.

Hätte ich damals gewusst, wie groß der angerichtete Schaden ist, hätten wir die Taten dem Jugendamt gemeldet. Zwischendurch hatte uns die Kraft verlassen, noch eine Baustelle aufzumachen. Nun wollen wir es angehen.

Tochter soll ein Segen sein

Wenn ich abends nicht schlafen kann, weil mein Körper und mein Geist nicht zur Ruhe kommen, spüre ich oft ganz real, dass Gott mich selbst umarmt und mich mit tiefer Freude und innerem Frieden erfüllt. Meine Beziehung zu Gott ist noch enger geworden und das ist das Positive, das ich in all dem Leid trotzdem zu schätzen weiß. Pias Taufspruch ist: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!“ Das macht mir so viel Mut. Gott bereitet sie darauf vor, ein Segen zu sein! Eine wunderbare Verheißung!

Pia ist nicht nur der Missbrauch! Das ist für mich wichtig zu sehen. Sie ist Gottes geliebtes Kind, unsere Tochter, eine Schwester … Sie ist fröhlich, frech, liebt Pferde und unseren Hund, sie ist lebhaft, neugierig, durchschaut sehr schnell, ob jemand „echt“ ist, mag Deutsch, aber bloß kein Mathe. Sie ist eigentlich ein normales Mädchen, das leider etwas sehr Schlimmes erlebt hat. Mit Gottes Hilfe werden wir es schaffen, dass sie zu dem Menschen werden kann, den er sich gedacht hat.

Auf Andeutungen achten!

Ich bin mir sicher, dass es sehr viele Kinder gibt, die Ähnliches erlebt haben. Das Schicksal unserer Tochter ist kein Einzelschicksal, auch wenn es mir bei der Suche nach Hilfe oft so vorkam. Vielleicht wird es oft nicht entdeckt oder nicht ausreichend ernst genommen. Da es sich meistens um keine unbekannten Täter handelt, wird auch oft aus Angst und Scham geschwiegen.

Mein Appell an alle Eltern und Menschen, die mit Kindern zu tun haben, ist: Bitte achtet auf kleinste Andeutungen, die Kinder machen! Nehmt Verhaltensveränderungen, vermeintlich alberne Ticks, Aggressionen, Rückzug, Entwicklungsrückschritte ernst und versucht, erst die Ursache herauszufinden, bevor das unerwünschte Verhalten erzieherisch unterbunden wird. Duldet kein Unrecht, das an Kindern begangen wird! Und zerstört keine Kinderseele, um einen Täter zu schützen!

Die Autorin möchte zum Schutz ihrer Tochter und der minderjährigen Täterin anonym bleiben. 

 

Sexuelle Übergriffe – was tun?

Woran kann ich merken, dass mein Kind Opfer sexualisierter Gewalt wurde? Was soll ich in diesem Fall tun? Antworten von Beraterin Silvera Schmider.

Anzeichen von sexualisierter Gewalt an Kindern sind vielfältig und oft nicht eindeutig. Häufig sind es kleine Verhaltensänderungen: neue Ängste, die vorher nicht da waren. Plötzliche Schamgefühle, depressive Verstimmungen, unklare Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Alpträume, Einnässen. Wutausbrüche, das Meiden bestimmter Orte oder Personen. Sobald Eltern oder Bezugspersonen solche Verhaltensänderungen ohne erkennbaren Grund wahrnehmen, sollten sie das Gespräch mit dem Kind suchen.

Das Kind erzählen lassen

Schaffen Sie eine angenehme, vertraute und offene Atmosphäre. Sie könnten die beobachteten Verhaltensänderungen ansprechen und Ihrem Kind mitteilen, dass es über alles mit Ihnen sprechen kann. Manche Kinder erzählen dann sofort. Andere brauchen erst mal Zeit, bis sie zum Sprechen bereit sind. Wenn das Kind bereit ist, lassen Sie es frei erzählen. Ermutigen Sie es, über seine Ängste zu sprechen. Vermeiden Sie vorschnelle Kommentare und legen Sie dem Kind nicht Ihre Vermutungen oder Ängste in den Mund.

Und lassen Sie Ihr Kind nur so viel erzählen, wie es möchte. Bohrende Fragen führen eher zu einer Verunsicherung. Manche Kinder erzählen nur häppchenweise von den belastenden Erfahrungen. Fragen Sie nach den Gefühlen des Kindes. Manchmal hilft es, sich vom Kind über Emojis zeigen zu lassen, wie es sich zum Beispiel auf der Freizeit gefühlt hat. Oder welches Gefühl da war, wenn Person X dabei war. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es Ihnen alles anvertrauen kann.

Machen Sie Ihrem Kind auch deutlich, dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt. Über schlechte Geheimnisse sollte man mit seinen Eltern oder Vertrauenspersonen reden. Wenn es dann anfängt zu erzählen, lassen Sie es einfach reden. Hören Sie aufmerksam zu. Und ganz wichtig: Glauben Sie Ihrem Kind! Über sexualisierte Gewalt zu reden, ist für die Kinder sehr schwer.

Verletzungen dokumentieren

Sollte Ihr Kind äußerliche Verletzungen im Genitalbereich wie blaue Flecken oder Blutungen vorweisen, die es nicht plausibel erklären kann, nehmen Sie bitte sofort ärztlichen Rat in Anspruch. Sprechen Sie mit dem ärztlichen Fachpersonal die Wichtigkeit der Dokumentation an. Leider zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass darauf zu wenig Wert gelegt wird. In einer Kinderschutzambulanz, von denen es leider noch viel zu wenige gibt, kann eine gesicherte Dokumentation stattfinden. Dazu gehören Fotos mit Maßangaben ebenso wie genaue Beschreibungen der Verletzungen. Begleiten Sie Ihr Kind bei diesen Untersuchungen, erklären Sie die Maßnahmen und geben Sie den Gefühlen des Kindes Raum. Zeigen Sie Verständnis, Trost und Einfühlungsvermögen. Denn solche Untersuchungen sind für die Kinder äußerst belastend. Aber um einen Täter auch wirklich zur Rechenschaft zu ziehen, ist eine gesicherte Dokumentation von großer Wichtigkeit. Erklären Sie das Ihrem Kind.

Außerdem ist es hilfreich, mit einer Opferschutzorganisation (siehe „Hilfreiche Adressen“) vor Ort Kontakt aufzunehmen. Diese Stellen können beraten und Betroffene an entsprechend geschultes ärztliches Fachpersonal oder andere Stellen verweisen. Außerdem kann man die Adressen von engagierten Anwälten erfragen.

Den Täter anzeigen

Vor dem Gang zur Polizei schrecken viele Eltern zurück. Man möchte es lieber geheim halten, das Kind schützen. Doch wenn ein Täter einmal sexuell übergriffig geworden ist, wird er in der Regel weitermachen. Und meist gibt es bereits andere betroffene Kinder. Deshalb rate ich zur Anzeige. Vertrauen Sie dabei Ihrem Gefühl! Fragen Sie nach geschulten Polizisten oder Polizistinnen und einem kindgerechten Befragungsraum. Bitte verlangen Sie, dass die Vernehmung per Video aufgezeichnet wird. So kann man dem Kind erneute Vernehmungen ersparen.

Besonnen bleiben

Bei allem aber bleiben Sie ruhig und handeln Sie besonnen. Das Wichtigste ist: Ihr Kind hat die Situation überstanden und die Übergriffe werden gestoppt! Die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt löst die widersprüchlichsten Gefühle in einem aus. Ängste, Ohnmacht, Schuld, Versagen. All diese Gefühle helfen aber Ihrem Kind nicht weiter. Für die Eltern und Vertrauenspersonen heißt es jetzt: da sein, aushalten und lieben. Bleiben Sie in engem emotionalen Kontakt mit Ihrem Kind und sprechen Sie mit ihm jeden Schritt ab. Es ist ganz wichtig, dass Ihr Kind die Kontrolle behalten darf. Auch eine Vernehmung kann unterbrochen werden. Man muss nichts zwangsweise durchziehen. Wenn bei der Untersuchung nur ein Arzt da ist, Ihre Tochter aber von einer Ärztin untersucht werden möchte, dann bleiben Sie stark und setzen sich für Ihre Tochter ein. Ein erneuter Tabubruch im Intimbereich muss so gut wie möglich vermieden werden.

Viel Verständnis benötigt

Auch nach dem Offenlegen der Übergriffe können manche Reaktionen im Alltag der Kinder sehr heftig sein und scheinbar aus dem Nichts kommen. Das ist für Außenstehende, aber auch für Eltern und Vertrauenspersonen erst einmal schwer nachzuvollziehen. Aber schon ein Geruch, eine Farbe, eine Melodie oder ein Geschmack kann das Kind „triggern“ und die Erinnerung an den Übergriff wieder wachrufen. Ihr Kind braucht nun enorm viel Verständnis.

Gemeinsam mit Fachpersonen in Beratungsstellen oder psychotherapeutischen Praxen können Sie überlegen, wie Sie Ihr Kind weiterhin schützen und die Erlebnisse verarbeiten können. Für Ihren eigenen Schmerz suchen Sie sich ebenfalls einen Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin. Ihr Kind ist nicht die geeignete Person dafür.

Sexualisierte Gewalt verursacht tiefe Verletzungen. Doch auch diese können heilen. Haben Sie Mut, werden Sie aktiv und holen Sie sich Unterstützung, um diese Übergriffe zu stoppen!

Silvera Schmider ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie ist Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin, leitet Gewaltpräventionskurse für Vor- und Grundschulkinder („Voll STARK“) und hat eine Beratungspraxis: seelsorgepraxis-schmider.de

Hilfreiche Adressen:

Deutscher Kinderschutzbund: dksb.de
Polizei Deutschland: polizei-beratung.de/opferinformationen/sexueller-missbrauch-von-kindern
Opferhilfe Deutschland: weisser-ring.de
Wildwasser e.V.: wildwasser.de
Zartbitter e.V.: zartbitter.de
Ankerland e.V. (Trauma-Therapie): ankerland.de
Erziehungsberatungsstellen Deutschland: bke.de
Opferhilfe Schweiz: opferhilfe-schweiz.ch
Kriminalprävention Schweiz: skppsc.ch
Beratungsstelle Schweiz: castagna-zh.ch
Beratungsstellen Österreich: gewaltinfo.at
Nein lass das! e.V. (Verein für Prävention sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen): neinlassdas.com

Heizung runter, Feuchtigkeit hoch

Der Winter, so scheint es vielen Eltern, ist eine einzige Aneinanderreihung von Infekten. „Das ist ganz normal“, sagt der Gießener Kinderarzt Dr. Frank Wagner und gibt Eltern Tipps, was sie bei einer Erkältung machen und wie sie weiteren Infekten vorbeugen können.

Was ist eigentlich eine Erkältung?

Eine Erkältung ist eine virale Erkrankung, die bei Kindern mit Schnupfen, Husten, Hals- oder Ohrenschmerzen einhergeht. Sie fühlen sich unwohl, sind vielleicht knatschig und haben erhöhte Temperatur, also bis 38,5 Grad. Wenn sie kleiner und zum ersten Mal erkältet sind, kann sie auch höher sein. Wir Pädiater gehen davon aus, dass ein Kind bis zu zehn Infekte im ersten Kita-Winter durchlebt. Bis zum Schulalter sind es also 30 bis 40 Infekte. Das klingt viel, ist aber normal und deutet nicht zwangsläufig auf eine Immunschwäche hin.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn das Allgemeinbefinden des Kindes sich verschlechtert, das Fieber nicht sinkt oder sogar steigt, der Husten stärker wird, Kurzatmigkeit und Pfeifen beim Atmen einsetzen, Flüssigkeit aus dem Ohr läuft und Symptome auftreten, die sich die Eltern nicht erklären und trotz aller Maßnahmen nicht eindämmen können.

Wie differenzieren Sie in Zeiten von Corona?

Es ist schwierig und es wird uns noch lange beschäftigen, wie wir entscheiden sollen, ob ein Risiko für eine Covid-19-Erkrankung vorliegt, zumal die Überprüfung durch den Mund-Nase-Abstrich schmerzhaft ist. Der Riech- und Geschmacksverlust tritt bei infizierten Kindern nicht auf, dafür aber in 30 bis 40 Prozent der Fälle trockener Hus-ten, Fieber und manchmal eine Magen-Darm-Symptomatik. Allerdings ist das bei manchen anderen Viruserkrankungen genauso.

Gehen wir davon aus, mein Kind hat „nur“ eine Erkältung. Was kann ich tun, um es gesund zu pflegen?

Achten Sie darauf, dass Ihr Kind ausreichend Flüssigkeit zu sich nimmt. Gönnen Sie ihm viel Ruhe und vermeiden Sie Stress! Lassen Sie Ihr Kind zu Hause – lieber einen Tag länger als zu kurz. Aber bleiben Sie mit ihm nicht nur im Haus, sondern gehen Sie, wenn es kein Fieber (mehr) hat, an der frischen Luft spazieren. Natürlich sollte es nicht rennen und auch nicht auf dem Spielplatz toben.

Wann sollte man Fiebermedikamente verabreichen?

Wenn das Kind bei 38,8 Grad ganz normal spielt, ist es zunächst nicht notwendig, ihm ein Fiebermedikament zu geben. Wenn es aber schlapp wirkt, Schmerzen oder diese Temperatur abends vor dem Schlafengehen hat, sollten Sie ihm unbedingt etwas geben, weil das Fieber in der Nacht steigt und die erhöhte Temperatur zu einem Flüssigkeitsverlust führt. Dadurch können wiederum die Schleimhäute austrocknen und sogar geschädigt werden, wodurch das Kind ansteckbarer für weitere Infektionen ist.

Wie kann ich mein Kind vor einer Erkältung schützen?

Befeuchten Sie die Nase des Kindes regelmäßig mit reiner Kochsalz- oder Meersalzlösung und achten Sie auf das Raumklima. Die Devise lautet: Heizung runter und Luftfeuchtigkeit hoch! Im Schlafzimmer sollte es nicht wärmer als 16 bis 18 Grad und in den Wohnräumen 21 Grad sein – auch dann, wenn das Kind krank ist. Geben Sie Ihrem Kind vitaminreiches und ballaststoffreiches Essen wie Obst und Gemüse, Vollkornbrot und Müsli, viel Flüssigkeit in Form von Wasser und ungesüßtem Tee.

Interview: Ruth Korte

TV-Autor: Als seine Organe zu versagen drohen, spendet seine Frau ihm eine Niere

Die Nierenwerte von Stefan Loß sehen zusehends schlechter aus. Dann beschließt seine Frau, ihm das Organ zu spenden – lebend.

Der Journalist Stefan Loß hat ein Faible für besondere Lebensgeschichten. Als TV-Autor hat er zahlreiche Menschen porträtiert, die davon berichten, wie ihnen der Glaube bei der Bewältigung ihrer Lebenskrisen geholfen hat. 2008 traf es ihn selbst. Die Diagnose „Zystennieren“ bedeutete, dass seine Nieren früher oder später versagen würden. Acht Monate lang war er schließlich an der Dialyse. Heute kann er wieder ohne künstliche Blutwäsche leben, weil ihm seine Frau Sabine eine ihrer Nieren gespendet hat. Hier erzählt er seine Geschichte.

45 Prozent Nierenfunktion

Im Sommer 2013, also fünf Jahre nach der ersten Diagnose, hatte ich nur noch fünfundvierzig Prozent Nierenfunktion. Ende 2014/Anfang 2015 spitzte sich das Ganze zu. Ich merkte deutlich, wie meine Kräfte nachließen. Ob ich wollte oder nicht, ich musste anfangen, mich ernsthaft mit der Krankheit auseinanderzusetzen. An der Dialyse führte kein Weg vorbei. Und Dialyse bedeutete, dass ich für den Rest des Lebens von Maschinen abhängig sein würde, die mein Blut dreimal in der Woche reinigen. Ich war gerade mal Anfang fünfzig und fühlte mich nicht wirklich alt. So hart damit konfrontiert zu werden, dass meinem Leben in sehr naher Zukunft enge Grenzen gesetzt sein würden, machte mir zu schaffen.

Lebendspende?

Via Internet hatte ich einen Kontakt zu einem Mann bekommen, der ebenfalls Zystennieren hatte. Seine Frau hatte ihm eine Niere gespendet. Davon hatte ich noch nie gehört. Ich wusste, dass es so etwas wie eine Lebendspende gab. Aber nach meinem Kenntnisstand war das nur zwischen blutsverwandten Familienmitgliedern möglich. Meine Eltern waren zu alt und ich hatte keine Geschwister, deshalb hatte ich nie weiter über dieses Thema nachgedacht.

„Kann das Gejammer nicht mehr hören“

Plötzlich stand die Frage im Raum: Könnte meine Frau mir eine ihrer Nieren spenden? Zum Glück konnten Sabine und ich relativ entspannt miteinander über das Thema Lebendspende reden. Uns war klar, dass eine solche Spende nur dann möglich wäre, wenn wir beide ohne Wenn und Aber ein Ja dazu hätten. Eine Lebendspende unter Vorbehalt oder mit dem Gedanken: „Dann bin ich lebenslang abhängig vom anderen“ oder „Dann ist er mir aber was schuldig“ hatte für uns keinen Sinn. Natürlich war das für Sabine keine einfache Entscheidung.

Sabine ist es immer wieder wunderbar gelungen, der Thematik das Dramatische zu nehmen. Denn es kam immer mal wieder vor, dass Freunde und Bekannte unseren Plan einer Lebendspende arg romantisierten. Ich kann mich an eine Situation erinnern, wo Sabine geantwortet hat: „Ich spende ihm eine Niere, weil ich das Gejammer nicht mehr hören kann.“

Monate der Untersuchung

Nachdem von den Transplantationsmedizinern das Okay kam, entschieden wir uns gemeinsam, den Weg der Lebendspende zu gehen. Für uns beide bedeutete das in den Wochen und Monaten davor auch, dass wir uns als Vorbereitung von den verschiedensten Fachärzten gründlich untersuchen lassen mussten. Für den Ablauf einer Lebendspende gibt es ein festes Verfahren, in das Ärzte, Psychologen und Juristen mit eingebunden sind. Das hat wesentlich länger gedauert, als wir dachten.

Warten, hoffen, beten

Der 24. Februar 2017 wurde als Transplantationstermin festgelegt. Für mich begann jetzt der medizinische Endspurt. Die Immunadsorption war erfolgreich abgeschlossen, es waren dauerhaft keine Antikörper mehr in meinem Blut nachweisbar. Zwei Tage vor dem geplanten OP-Termin bekam ich die Nachricht, dass die Transplantation aus organisatorischen Gründen verlegt werden musste. Für Sabine und mich hieß das: weiter warten, hoffen und beten.

Der vertraute Bibelvers begleitete mich in diesen Tagen: „Alle eure Sorge werfet auf ihn, denn er sorgt für euch.“ Das passte sehr gut in meine aktuelle Situation, denn Grund, mir Sorgen zu machen, hatte ich genug. Obwohl jetzt alle Zeichen auf Grün standen im Hinblick auf die Transplantation, war da nach den Erfahrungen der letzten Monate immer noch die Angst, ob das alles wirklich so klappen würde.

Ein letztes Foto

Mit Sabine habe ich manche Nachmittage bei langen Spaziergängen am Neckar verbracht, oft bei strahlendem Sonnenschein. An der Neckarwiese haben wir ein gemeinsames Foto gemacht mit dem Schloss im Hintergrund. Eine Erinnerung an diese besondere Zeit vor der Transplantation. Dann musste ich wieder an die Dialyse. Wenn diesmal alles wie geplant klappen würde, wäre das das vorletzte Mal. Montag sollte es dann für uns beide in die Chirurgie gehen, und für Dienstag, den 28. Februar, war die OP vorgesehen.

Warten auf die OP

Wie geplant wurde ich am Montagmorgen zur Vorbereitung der Transplantation in die chirurgische Klinik verlegt. Am Dienstagmorgen begann nach einer unruhigen Nacht das Warten. Geplant war der Eingriff bei Sabine eigentlich schon für sieben Uhr und ich sollte gleich anschließend an der Reihe sein. Kommunizieren konnten wir nur via WhatsApp, weil Sabine mich auf der Station nicht besuchen durfte. Am Morgen haben wir uns noch kurz gegenseitig Mut gemacht. Dann kamen keine Antworten mehr. Erst später erfuhr ich, dass sie gegen Mittag in den OP gebracht wurde zur Entnahme der Niere. Der Eingriff verlief wie geplant, es gab – Gott sei Dank! – keine Komplikationen.

Mutmachende Worte

Ich wartete weiter. Es wurde Nachmittag. Mein Bettnachbar, von dem ich nur durch einen Vorhang getrennt war, bekam Besuch von seiner Frau. Ihm ging es nach der zweiten Lebertransplantation gar nicht gut. Er kam einfach nicht mehr auf die Beine, und es schien, als hätte er die Hoffnung verloren. Seine Frau las ihm einen Brief laut vor, den Freunde geschickt hatten. Zu meiner Überraschung kam Psalm 121 darin vor. Atemlos hörte ich zu: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn …“
In dem Moment konnte ich diese Worte für mich nehmen. Ich lag in meinem Bett und war tief berührt. Diesen Text gerade jetzt zu hören, „zufällig“ zitiert aus einem Brief von Freunden eines unbekannten Patienten. Gott hatte mir so seinen Segen mitgegeben. Ich spürte förmlich seine Hand auf meiner Schulter. Und dann hörte ich eine Stimme: „Herr Loß, jetzt sind Sie an der Reihe.“ Es war der Pfleger, der mich in den OP bringen sollte. Was für ein Timing, was für ein Gott!

Es wird ernst

Im Vorbeirollen bedankte ich mich freundlich bei der Frau meines Bettnachbarn für den Psalm. Ich wurde in den OP geschoben, den Blick nach oben. Im linken Augenwinkel sah ich dort einen kleinen fest verschlossenen grauen Plastikbehälter. Sabines Niere wartete schon eisgekühlt auf mich. Es folgten das routiniert freundliche Gespräch mit dem Anästhesisten und der Filmriss beim Zählen irgendwo zwischen 6 und 9. Es war tatsächlich ernst geworden.

Erster Tagebucheintrag

Am nächsten Morgen war ich schon wieder so fit, dass ich etwas in unseren Blog schreiben konnte. Das las sich dann so:

1. März, 7.52 Uhr: „7 Liter! … sind schon durchgelaufen. Die Niere ist schon auf dem OP-Tisch angesprungen. Ich werde mit NaCl (Kochsalzlösung) abgefüllt, damit ich nicht trockenfalle. Titer-Werte sind super. Besser hätte es nicht laufen können.
Stand heute schon wieder kurz auf eigenen Füßen, bin aber noch extrem schlapp. Halleluja! OP gelungen, Niere läuft. Sabine ist auch froh und glücklich, aber auch extrem erschöpft.
Hoffe sehr, dass wir uns bald sehen können. Wir sind extrem glücklich und dankbar!!!
Stefan“

Neubeginn an Aschermittwoch

Nach mehr als acht Monaten Wartezeit hatte es endlich geklappt. Der 1. März 2017 – in diesem Jahr war es der Aschermittwoch – wird für Sabine und mich immer ein besonderer Tag bleiben. Von wegen: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ – wie die Narren singen! Aschermittwoch 2017 ist für mich der Tag, an dem etwas Neues, Großes, Wunderbares angefangen hat. Das Leben mit meiner neuen Niere.

Endlich ein Wiedersehen

Sabine hatte den Eingriff gut überstanden. Aber sie war noch sehr müde und brauchte noch ein paar Tage, um wieder auf die Beine zu kommen. Am Tag Zwei nach der OP konnte sie mich schon kurz besuchen kommen. Dick vermummt, mit grünem Kittel und Mundschutz, durften Besucher nur einzeln zu mir. Zu hoch war die Gefahr, dass ich mir irgendetwas einfing. Es war einfach wunderschön, sie wiederzusehen. Sie war noch ziemlich geschafft von der OP, und ihr Körper musste sich erst noch daran gewöhnen, dass nun eine Niere fehlte. Auf einen Schlag hatte sie immerhin fast die Hälfte ihrer Nierenfunktion verloren.

Ein Grund zum Feiern

Rund drei Wochen nach der OP reiste Sabine allein zur „Anschluss-Heilbehandlung“ nach Durbach bei Offenburg. Bis zur Visite am Vormittag hatte ich noch die vorsichtige Hoffnung, dass ich am nächsten Tag nachkommen könnte. Aber meine Leukozyten waren leider immer noch zu niedrig. Dafür wurden mir jetzt die letzten Schläuche gezogen. Nach fast drei Wochen konnte ich mich endlich wieder schlauchfrei bewegen. Auch das war ein Grund zum Feiern.

Die Taxifahrt ein Genuss

Eine Woche später bekam auch ich grünes Licht! Mit einem lauten „Halleluja“ reagierte ich auf diese gute Nachricht. Nach sechs Wochen durfte ich endlich die Klinik verlassen! Der gemeinsamen Reha mit meiner Frau stand endlich nichts mehr im Wege. Ich konnte es kaum erwarten, saß schon beim Frühstück auf gepackten Koffern. Visite, Arztbrief und dann ab ins nächste Taxi. Ich war so froh, in einem Auto durch die Gegend kutschiert zu werden. Nach so vielen Wochen in der Klinik war die Taxifahrt ein purer Genuss – jedenfalls für mich. Vor allem, weil ich bald Sabine wiedersehen sollte.

Geschafft!

Unterwegs hielt ich sie via WhatsApp auf dem Laufenden, und als wir auf den Parkplatz der Klinik einbogen, kam sie mir schon entgegen. Frisch wie das blühende Leben wartete sie vor dem Eingang auf mich. Ich konnte trotz meiner frischen Narbe kaum schnell genug aus dem Auto steigen. Wir fielen uns in die Arme und drückten uns so fest es bei unseren Operationsnarben ging. Erschöpft und froh lagen wir uns in den Armen. Endlich! Wir hatten es geschafft.

Die Zeit der Unsicherheit, des Wartens und Hoffens war vorbei. Jetzt konnte für uns beide ein neues Leben beginnen. Diese Begegnung auf dem Parkplatz vor der Rehaklinik in Durbach ist einer der glücklichsten Momente meines Lebens. Ich kann kaum ausdrücken, wie froh, dankbar und glücklich ich in diesem Moment war. Wir hatten es endlich überstanden!
Nach drei Wochen Reha, die ich wirklich genossen habe, bin ich dann, eine Woche später als Sabine, nach Hause entlassen worden.

Doppelt Ostern

Im Nachhinein wurde mir klar, was für einen besonderen Zeitpunkt wir für die Transplantation erwischt hatten: Am Aschermittwoch war ich mit einer neuen Niere in der Klinik aufgewacht und am Ostersonntag war ich glücklich wieder zu Hause angekommen. An diese doppelte Passionszeit werde ich mich mein Leben lang erinnern.

Während ich diese Zeilen schreibe, lebe ich schon seit drei Jahren mit einer Niere meiner Frau. Gott sei Dank hatte ich nach der Transplantation überhaupt keine Probleme mit der neuen Niere. Ich hatte weder mit Abstoßungsreaktionen noch mit Infektionen zu tun. Ich musste auch nie wieder an die Dialyse – die neue Niere funktionierte vom ersten Moment an perfekt. Sabine hat den Eingriff ebenfalls gut verkraftet. Unsere Nierenfunktion ist heute ungefähr gleich – bei jeweils sechzig Prozent. Also fast so gut wie bei einem gesunden Menschen.

Stefan Loß ist Redakteur, Autor, Coach und Moderator. Er arbeitet als Ausbildungsleiter und Moderator für ERF Medien. Der Artikel ist ein gekürzter und bearbeiteter Auszug aus seinem Buch „Auf Herz und Nieren – Als das Leben mit mir Achterbahn fuhr“, das im Brunnen Verlag erschienen ist. 

Zu introvertiert für den Teenkreis?

„Meine Tochter (13) ist sehr introvertiert und hat deshalb wenig Interesse, an Gemeindegruppen wie der Jungschar oder dem Teenkreis teilzunehmen. Wie kann ich meinen schüchternen Teenager trotzdem geistlich wachsen lassen?“

Junge Menschen durchleben in ihrer Entwicklung zum Teenager und Jugendlichen eine sehr verletzliche Zeit. Schon kleine Verunsicherungen in Gruppensettings können sie so stark beunruhigen, dass sie sie fortan meiden. Dabei muss es nicht bleiben. Gerade introvertierte Menschen dürfen üben, sich in Gruppen hineinzuleben.

Vertrauen schaffen

Um einen Zugang zu wertvollen Inhalten zu schaffen, ist es zunächst notwendig, bei introvertierten Teens ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen herzustellen. Familien können sich dazu zum Beispiel öfter nach dem Gottesdienst zum Kochen (zum Beispiel in der Kirche) treffen, um ihren Teens zu ermöglichen, miteinander vertraut zu werden. Am Anfang werden noch alle bei ihren Eltern sitzen, doch schnell wird ein Kartenspiel oder eine Runde Fußball die Familien durchmischen. Auch die Mitarbeitenden des Teenkreises können dazukommen. Dieses Kennenlernen bedeutet für die Eltern zwar vielleicht Verzicht auf den sonntäglichen Mittagsschlaf, aber ein Investieren in diese Gemeinschaft als Vorbild für ihre Kinder. Wenn Glaube entdecken und teilen wichtig ist, darf es im Alltag auch etwas kosten.

Sicherheit kann auch ein vorhersehbarer Rahmen einer ersten Mitarbeit bieten. Introvertierte Menschen sind Juwelen für stille, oft übersehene Kinder in der Kindergottesdienstarbeit, mit Senioren oder bei Bastelstationen an quirligen Kirchenfesten – wichtig ist, die Aufgabe klar zu umreißen. In kleineren Gruppen wie einem Minihauskreis kann ein Teenager wie Ihrer seine Fragen ohne Druck durchdenken. Hier lohnt es sich, eine Seniorin zu fragen oder eine Frau aus dem Umfeld der Familie, der Ihre Tochter vertraut.

Zugänge zu Gott

Es gibt verschiedene Zugänge zu Gott: durch Musik, Malen, Naturzeiten, Tagebuchschreiben. Versuchen Sie, Ihrer Tochter zu helfen, ihren ganz persönlichen Weg zu entdecken. Das persönliche Entdecken des Glaubens braucht in der Jugendzeit noch Beispiele wie durch moderne Musik, ein gutes christliches Jugendmagazin oder Bücher etwa von Nick Vujicic, Michael Stahl oder Verena Keil. Darüber bieten Sie ihr ohne Druck eine Infoquelle über Gott im Alltag an.

Das Allerwichtigste für Ihre Tochter sind jedoch Sie und dass Sie als Familie über Gott reden, Fragen stellen, laut grübeln und sich über Gott freuen. So nimmt sie am meisten mit.

Stefanie Diekmann ist Pädagogin, Trainerin für Eltern und Autorin. Sie gestaltet mit ihrem Mann die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Göttingen und genießt ihre eigene Familie. Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Nachts keine Windel mehr

Auch wenn Kinder tagsüber schon ohne Windel auskommen, ist das Bett morgens mitunter nass. Familientherapeutin Beate Döbel erklärt, worauf es in dieser Phase ankommt.

„Meine Tochter (3,5) ist seit ein paar Monaten trocken – tagsüber. Nachts braucht sie noch eine Windel. Wir haben es schon ein paar Mal ohne versucht, allerdings wurde jedes Mal das Bett nass. Ist es noch zu früh, die Windel auch nachts wegzulassen?“

Wie schön, dass Ihre Tochter tagsüber keine Windel mehr braucht! Die meisten Eltern sind erleichtert: Endlich keine Windeln mehr kaufen müssen, weniger Aufwand durch Wickeln oder Wäsche wechseln bzw. waschen und viel weniger Müll! Und die Kleinen sind – bei entsprechender Rückmeldung durch die Umwelt – stolz, dass sie in dieser Angelegenheit jetzt „schon groß“ geworden sind. Dass es in der Nacht noch nicht gleich gelingt, ist völlig normal.

Bei jedem Kind anders

In internationalen Studien wurde festgestellt, dass Kinder mit Sauberkeitserziehung (regelmäßige Topfangebote, Aufforderung zum Toilettengang, nächtliches Wecken) genauso „schnell“ trocken werden wie Kinder ohne Sauberkeitserziehung – nämlich tagsüber mit durchschnittlich 28 Monaten und nachts mit 33 Monaten. Das zeigt, dass das Trockenwerden in erster Linie eine individuelle kindliche Entwicklungsleistung ist, die mit biologischen – genetisch angelegten – Reifungsprozessen im Gehirn zusammenhängt. Hierbei gibt es – wie in vielen anderen Bereichen auch – eine große individuelle Variabilität. Manche Kinder sind sogar erst mit fünf Jahren soweit, ihre Blase tags und nachts zu kontrollieren.

Bloß nicht schimpfen!

Die Kinder zeigen uns, wenn sie von ihrer Entwicklung her so weit sind. Angeregt durch das Vorbild der „Großen“ wollen sie es dann auch so machen. Eltern können die kindliche Eigeninitiative aufgreifen, mit dem Kind darüber reden, was es spürt, wenn die Blase voll ist, und die Kinder in ihrem Bestreben nach Selbstständigkeit unterstützen. So lernen diese die „Feinheiten des Trockenwerdens“ (Körpersignale verstehen, Spielen unterbrechen, selbst Hose ausziehen, rechtzeitig auf dem Klo sitzen). Man ahnt, dass das gar nicht immer so leicht ist und eben auch noch seine Zeit braucht. Bei „Misserfolgen“ brauchen die Kinder deshalb Ermutigung, auf keinen Fall Tadel oder Strenge.

Gelassenheit bringt viel

Ihr Kind hat – mit Ihrer Hilfe – diesbezüglich also schon einen großen Entwicklungsschritt hinter sich. Wenn das Bett noch regelmäßig nass ist, dann spricht das wohl dafür, dass der Reifungsprozess bezüglich der nächtlichen „Blasenkontrolle“ noch nicht ganz abgeschlossen ist. Überlegen Sie mit Ihrer Tochter gemeinsam, ob sie lieber wieder eine Windel („Das ist nicht schlimm!“) umhaben möchte oder ob Sie die Windel weiter weglassen und das nächtliche Wäschewechseln in Kauf nehmen. Machen Sie es so, wie es aktuell für Sie und Ihr Kind am entspanntesten erscheint.

Nach dem Motto des afrikanischen Sprichworts: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“ wünsche ich Ihnen Gelassenheit und Geduld. Entwicklungsprozesse brauchen einfach ihre individuelle Zeit … Und freuen Sie sich dann gemeinsam am Erfolg!

Beate Döbel ist systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin. 

Dinosaurier in der Bibel?

„Unsere Kinder (4, 7 und 8), besonders unsere 8-jährige Tochter, sind totale Dinosaurier-Fans! Sie fragen uns auch, wie die Existenz der Dinosaurier und die Schöpfungsgeschichte der Bibel zusammenpassen. Habt ihr darauf eine Antwort? Und wie kann ich sie kindgerecht vermitteln?“

Ich würde es meinen Kindern so erklären: Früher war ich enttäuscht, dass die Bibel gar nichts von Dinos berichtet. Von vorne bis hinten – kein einziges Mal taucht dieses Wort auf! Aber dann hat mir jemand etwas Spannendes erzählt: Die Bibel wurde vor knapp 2.000 Jahren fertiggeschrieben, aber das Wort Dinosaurier wurde erst viel später erfunden. Das war 1842, also vor nicht einmal 200 Jahren.

Damals wurden immer mehr Fossilien gefunden und ein Wissenschaftler, Richard Owen, hat diesen Tieren den Namen Dinosaurier gegeben. Das heißt auf Deutsch „schreckliche Eidechse“. Vielleicht, weil er ein bisschen Angst vor den großen Krallen und den langen Zähnen hatte und weil er gemerkt hat, dass sie wie die Eidechsen auch Reptilien waren. Als die Bibel geschrieben wurde, gab es das Wort Dinosaurier also noch gar nicht. Genauso wie die Worte Handy oder Auto. Es gibt noch viele andere Tiere, die in der Bibel gar nicht vorkommen, wie etwa das Känguru.
Dinosaurierfans wie ich müssen aber gar nicht enttäuscht sein: Es gibt in der Bibel sogar eine Stelle (Hiob 40,15f), in der von einem Riesentier gesprochen wird, das Knochen so stark wie Eisen hat und einen Schwanz so lang wie ein Baum. Mit etwas Fantasie könnte das doch ein Brachiosaurus sein, oder?

Wie können die Dinos so alt sein?

Natürlich ist mit der Frage nach den Dinos auch die Frage nach dem Alter der Erde verbunden. Wie alt ist sie nun? 6.000 Jahre? 4,6 Milliarden Jahre? Wenn wir die Bibel lesen, werden wir die Zahl von 6.000 Jahren nirgendwo finden. Die Bibel selbst macht da keine exakte Angabe. Man kann die Bibel so verstehen, dass die Erde nur wenige tausend Jahre alt ist, das muss man aber nicht. John Lennox, ein christlicher Naturwissenschaftler, erklärt zum Beispiel, dass in den ersten beiden Sätzen der Bibel („Im Anfang schuf Gott …“ und „Die Erde aber war wüst und leer …“) zwei unterschiedliche hebräische Zeitformen vorliegen. Hier könnte also ein sehr langer Zeitraum dazwischenliegen. Man kann die Bibel also auch ernst nehmen, wenn man von einem sehr hohen Alter der Erde ausgeht.

Der Bericht über die sieben Tage ist auf eine sehr poetische Weise geschrieben. Nicht wie ein naturwissenschaftliches Lehrbuch, sondern eher wie ein Gedicht. Manche Theologen glauben, dass das wie ein Lied zur Einweihung eines Tempels zu verstehen ist. Gott hat die Erde wie einen großen Tempel geschaffen, und dann gab es dieses Lied dazu, das viele spannende Wahrheiten erzählt. Zum Beispiel, dass alles Gottes Idee und sehr gut war. Und dass Gott nicht im Mond oder in der Sonne wohnt (damals haben viele Menschen die Himmelskörper als Götter angebetet). Im Schöpfungsbericht kommen Sonne und Mond deutlich an untergeordneter Stelle (erst am vierten Tag). Sie sind nicht Gott, sondern Gott steht über allem und hat alles erschaffen. Er ist viel größer und mächtiger, als die Leute dachten!

Christian Günzel ist Referent am Zacharias Institut für Wissenschaft, Kultur und Glaube.

Illustration: Sabrina Müller, sabrinamueller.com

 

Ein Paar, zwei Perspektiven: Weichherzigkeit

CLOWNS STATT DÖNER

Katharina Hullen kann manchmal nicht Nein sagen.

Katharina: Neulich beim Abendbrot: Es klingelt an der Tür. Wie üblich stürmt eine Horde neugieriger Kinder zur Tür, um sie lautstark zu öffnen und wenige Sekunden später „Mama“ herbeizurufen. Ich schlurfe los und sehe mich alsbald einem jungen Studenten gegenüber, der einen roten Teppich vor unserem Eingang ausgerollt hat. Er stellt uns sympathisch und hintergründig die gute Arbeit des „Rote Nasen Deutschland e.V.“ vor, einer Organisation, die durch Clownerie Lachen und Lebensfreude zu leidenden Menschen bringt. Umringt von enthusiastischen Kindern, die fröhlich in die Ausführungen des Studenten hineingrätschen mit ihren Geschichten vom eigenen Krankenhausaufenthalt, bei dem man damals um einen Tag den Clown leider verpasst hatte, oder dem tollen Schul-Zirkus-Projekt, bei dem es auch so lustige Clowns gab, erahne ich natürlich schon den Spendenaufruf. Angesichts der freudigen Anteilnahme meiner Kinder, dem wirklich guten Ansatz, Leid mit Humor zu begegnen, und vielleicht auch wegen des prominenten Unterstützers – Dr. Eckart von Hirschhausen – bin ich innerlich schon im Spendenmodus. Wie sich zeigt, ist es leider nicht möglich, nur einmalig zu spenden. Aber gut, die Kinder betteln, doch bitte, bitte, bitte mitzumachen – dann eben monatlich ein kleiner Beitrag. Gesagt, getan. Unter dem Jubel der Mädchen sind die Formalien schnell geklärt. Eine freundliche Verabschiedung und wir strömen zurück zum Abendbrottisch – wo mich ein resigniert kopfschüttelnder, etwas verärgerter Ehemann erwartet. Er murmelt etwas von Familieneinkommen und „Mal sehen, was wir stattdessen mal streichen können, damit wir ab jetzt Clowns unterstützen können“.

Oje, er hat Recht! Es ist schon wieder passiert! Normalerweise versuche ich recht rigoros Haustürgeschäfte abzuwimmeln. Was mir in der Regel auch gelingt. Ich will keine Fassadenreinigung und auch keine neuen Dachfenster.

Aber trotzdem gibt es manchmal Anfragen, die treffen mich so sehr ins Herz – oder besser in den Bauch –, dass plötzlich zum Beispiel eine Malteser-Mitgliedschaft dabei herauskommt.

Hauke ist viel besser in so etwas – bei ihm löst der Bauch (außer an der Dönerbude) niemals den Kopf ab. Er schafft es, angemessen freundlich oder unfreundlich jedes Gespräch zu einem Punkt zu bringen. Er lässt sich nicht von sentimentalen Geschichten einfangen. Ihm passiert es auch niemals, im Wartezimmer oder beim Einkaufen in ein Gespräch verwickelt zu werden. Nein, in der Zeit, in der mir das passieren würde, füttert Hauke seinen Kopf mit den Informationen der Verpackungen, der Rechtschreibung der Werbeschilder oder den Magazinen im Wartebereich.

Ich liebe meinen Mann für seinen klugen, kühlen Kopf! Ich brauche dieses Korrektiv. Aber die Welt braucht auch mitfühlende Warmherzigkeit und impulsive Großzügigkeit. Dann essen wir halt einen Döner weniger im Monat und geben dieses Geld in Hände, die mehr daraus machen als nur einen satten Bauch. Ganz schön klug von mir, oder?

Katharina Hullen (Jahrgang 1977) ist Bankkauffrau und Dolmetscherin für Gebärdensprache in Elternzeit. Sie und Ehemann Hauke haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

 

HOTSPOT FÜR SPENDENSAMMLER

Hauke Hullen könnte Nein sagen, aber dafür ist es oft schon zu spät.

Hauke: Man stelle sich vor: Während des Urlaubs in einer ausländischen Einöde passiert etwas, ein Unfall oder eine schwere Erkrankung – wäre es dann nicht toll zu wissen, dass man kostenlos einfach nach Hause geflogen wird? Eine beruhigende Vorstellung, nicht wahr?

Diese Vorstellung war der besten Ehefrau von allen dann auch direkt eine Mitgliedschaft und einen jährlichen Beitrag wert. Prompt fühlte sie sich sicherer und der Vertreter, der ihr den Deal an der Haustür aufgeschwatzt hatte, zog fröhlich weiter.

Dazu muss man wissen: Wir fahren kaum ins Ausland. Unser Radius endet meist an der Nordsee – die Lust auf längere Fahrten sank proportional mit der Anzahl der quengelnden Kinder auf den Rücksitzen. Auch habe ich nie verstanden, warum Urlaubsorte nur dann attraktiv sein sollen, wenn sie weit weg sind. Und schließlich kommt dazu, dass die Abenteuerlust meiner Frau auf einer Skala von 1 bis 10 bei minus 1 liegt. Letzteres macht verständlich, dass sich Katharina besser fühlt, wenn sie weiß, dass stets ein vollgetankter Jet im Dschungel bereitsteht, um sie nach einem Schlangenbiss nach Duisburg auszufliegen. Nur: Wir sind halt nie im Dschungel.

Nachdem wir die statistische (Un-)Wahrscheinlichkeit ausgiebig erörtert hatten, einen Nottransport in Anspruch nehmen zu müssen, den unsere Krankenkasse nicht bezahlen würde, hat Kathi die Mitgliedschaft schweren Herzens wieder gekündigt. In anderen Bereichen lassen sich die Folgen von Kathis Weichherzigkeit deutlich schwieriger eingrenzen. Und das hat vor allem moralische Gründe. Denn während ich bei der Flugrettung argumentieren kann: „Das brauchen wir nicht!“, sagt Kathi bei all den anderen Großherzigkeiten zu Recht: „Das brauchen die anderen!“ Und in der Tat – die Not in der Welt ist groß, es gibt unzählige unterstützungswerten Anliegen, und natürlich bricht unser Lebensstandard nicht zusammen, wenn einer weiteren Organisation mit 5 Euro im Monat geholfen wird.

Doch wo will und darf man da die Grenze ziehen? Dank meiner Frau ist unsere Haustür zum Hotspot der lokalen Spendensammel-Szene geworden und die Bettlerinnen vor unserem Supermarkt bekommen wahlweise Münzen, komplette Einkäufe oder kistenweise ausrangierte Kinderkleidung geschenkt. Doch was, wenn jetzt alle kommen und die Hand aufhalten? Was, wenn das alle machten?

Tief in meinem Herzen weiß ich, dass genau dies die eigentliche Frage ist: Was, wenn das alle machten? Was, wenn alle sich erweichen ließen und auf ein (durchaus ansehnliches) Stück ihres Wohlstandes verzichteten, um den Nächsten mit dem Nötigsten zu versorgen und um für den Übernächsten die passende Hilfsorganisation zu unterstützen? Während in meinem Kopf noch der Stellungskrieg tobt, ist meine Frau schon längst über meinen Schatten gesprungen und hat ohne groß nachzudenken wieder Geld ausgegeben für irgendetwas, was irgendjemandem eine große kleine Freude bereiten wird.

Streng genommen hat sie dabei auch mein Geld mit ausgegeben – und ich lasse sie gewähren.

Hauke Hullen (Jahrgang 1974) ist Lehrer für Deutsch und Sozialwissenschaften. Er und Ehefrau Katharina haben fünf quirlige Kinder und leben in Duisburg. Gemeinsam bilden die beiden das Kirchenkabarett „Budenzauber“.

Das gesunde Mass

Sollten Kinder so lange wie möglich von Fernsehen und Streamingdiensten ferngehalten werden? Medienpädagogin Nadine Kloos sagt: nicht zwangsläufig.

Darf ich mein Kindergartenkind auch mal Fernsehen gucken lassen?
Na klar! Kinder lieben Geschichten. Sie sind wichtig für ihre Entwicklung: Sie vermitteln Orientierung, Wissen und machen Spaß! Gute Geschichten gibt es nicht nur in Büchern, sondern auch in Serien und Filmen. Solange Kinder kein Interesse daran zeigen: umso besser! Freies Spielen und Interaktion mit anderen haben Vorrang, denn sie sind die Grundlage für eine gesunde Entwicklung. Zeigen Kinder Interesse, dann häufig, weil es in der Familie präsent ist. Wenn Dauer und Regelmäßigkeit der Bewegtbildnutzung die anderen Tätigkeiten nicht überwiegen, können Kinder ab drei Jahren Bewegtbilder nutzen. Diese müssen natürlich alters- und kindgerecht sein!

Welche Inhalte sind denn für Kleine geeignet?
Ab drei Jahren können die Kinder einfachen Bewegtbildgeschichten folgen. Bei den Medienanfängern ist es besonders wichtig, dass es nur dosiert und in Begleitung von Bezugspersonen stattfindet. Die Geschichten müssen kurz und einfach aufgebaut sein, wenige Figuren haben, nicht mit Rückblenden und dergleichen arbeiten. Themen, die Kinder aus ihrem Alltag kennen, machen ihnen besonders Spaß. Fernsehanfänger sollten nicht länger als etwa 15 Minuten am Stück schauen, ältere Kindergartenkinder pro Tag maximal 30 Minuten, egal auf welchem Gerät. Am meisten profitieren Kinder, wenn sie sich aktiv mit dem Gesehenen auseinandersetzen können, über das Gesehene sprechen, Bilder dazu malen, Geschichten nachspielen oder basteln. Auf jeden Fall sollte das Anschauen von Filmen oder Sendungen in den Familienalltag eingebettet sein und ihn nicht dominieren!

Während des Corona-Lockdowns durften viele Kinder öfter und mehr schauen. Wie können Familien wieder zu einem „normalen“ Fernsehkonsum finden?
Ich denke, die Mediennutzung wird sich mit weiteren Lockerungen von allein einpendeln und normalisieren: Wenn Kindergarten, Vereinssport und das Treffen mit anderen wieder erlaubt ist, wird auch die Lust auf menschliche Nähe, Kontakt, Austausch zunehmen und Antrieb sein. Wichtig ist gerade jetzt, regelmäßig medienfreie Zeiten einzulegen und für ausreichend Pausen und Frischluft zu sorgen. Machen Sie aus Medienzeiten gemeinsame Medienerlebnisse: Es macht Spaß, sich auf die Medienwelten von Kindern einzulassen! Man erfährt, was sie denken, erleben und was sie bewegt. Und weil immer nur von Konsum geredet wird: Medien können mehr als nur Abspielgerät sein! Kinder können zum Beispiel auch eigene Videos drehen. Das fördert die Medienkompetenz und regt gleichzeitig die Fantasie an.

Welche guten Alternativen gibt es für die Kleinen?
Alters- und kindangemessene Bücher und Hörangebote sind immer gut. Sie haben den Vorteil, dass jüngere Kinder sie zum Teil auch selbst steuern können: die CD anhalten, weil eine Stelle nochmal gehört werden will, das Buch zurückblättern, weil etwas übersehen wurde. Vor und zurück, so lange, bis etwas verstanden oder verarbeitet wurde. Das Tempo liegt sozusagen in der Hand der Kinder.

Nadine Kloos ist Medienpädagogin beim Elternratgeber „Flimmo“, der Angebote im TV, auf YouTube und bei Streamingdiensten einordnet und bewertet (www.flimmo.tv).

Interview: Ruth Korte